Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Teilurteil, 27. Jan. 2015 - 6 Sa 402/14

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2015:0127.6SA402.14.0A
bei uns veröffentlicht am27.01.2015

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - vom 20. Mai 2014 - Az.: 6 Ca 990/13 - hinsichtlich der Entscheidung über die Klage teilweise wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Vergütung für den Zeitraum vom 01. bis 27. Oktober 2009 in Höhe von 4.354,84 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01. November 2009 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die Arbeitgeber-Zuschüsse zur PV und KV für den Zeitraum vom 01. bis 27. Oktober 2009 in Höhe von 232,82 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01. November 2009 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz vom 20. Mai 2014 - Az.: 6 Ca 990/13 - über die Klage zurückgewiesen.

III. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - vom 20. Mai 2014 - Az.: 6 Ca 990/13 - hinsichtlich der Entscheidung über die Widerklage teilweise wie folgt abgeändert.

1. Der Kläger wird verurteilt, Auskunft zu erteilen, welche Angebote er im Zeitraum vom 24. September 2008 bis 26. Oktober 2009 vorgenommen hat und wann, wo er welche Aufträge eigenen Namens oder namens der neu gegründeten Firma V entgegengenommen oder an Vertragsverhandlungen mitgewirkt hat.

2. Die Widerklage wird hinsichtlich der Anträge zu 1a), 1b) im Übrigen, 3) und 4) abgewiesen.

IV. Die Berufung der Beklagten gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz vom 20. Mai 2014 - Az.: 6 Ca 990/13 - wird hinsichtlich der Widerklageanträge zu 1a), 1b) im Übrigen, 3) und 4) zurückgewiesen.

V. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung wegen unerlaubten Wettbewerbs, um restliche Vergütungsansprüche des Klägers und um Auskunfts- und Schadensersatzansprüche, die die Beklagte im Wege der Widerklage verfolgt.

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Der Kläger, der Geschäftsführer der Beklagten, die Zeugen T, O und E waren gemeinsam in der Entwicklungsabteilung der E E- und L GmbH beschäftigt. Ab 01. April 2005 begründete der Kläger (verheiratet und einem Kind zum Unterhalt verpflichtet) mit der neu gegründeten Beklagten ein Arbeitsverhältnis als Leiter Systemadministration zu einer Bruttovergütung von 5.000,00 Euro zuzüglich eines Arbeitgeberzuschusses zur Pflege- und Krankenversicherung in Höhe von 267,31 Euro monatlich. Das Arbeitsverhältnis richtete sich nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 14. Februar 2005 (im Folgenden: AV), hinsichtlich dessen Inhaltes im Einzelnen auf Bl. 5 f. d. A. verwiesen wird. Der Kläger hatte seine Arbeitsleistung in einem von der Beklagten ausschließlich für ihn angemieteten Projektbüro in München zu erbringen. In diesem Zusammenhang stand ihm unmittelbarer Zugriff auf die Datenverarbeitungssysteme der Beklagten zu. Auch die Zeugen T, O und E nahmen eine Tätigkeit für die Beklagte auf.

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Während seiner Beschäftigung entwickelte der Kläger das Produkt der Beklagten, den Datenlogger X, bei dem es sich um einen sog. Multibus-Logger handelt, der in der Lage ist, den gesamten Bordnetz-Datenverkehr eines der modernsten Oberklasse-Fahrzeuge in Echtzeit aufzuzeichnen und mit sehr hoher Genauigkeit von 100 Nano-Sekunden zu speichern. Ende 2009/ Anfang 2010 waren mehr als 300 der Geräte bei der Firma B AG, dem Schlüsselkunden der Beklagten, im Einsatz. Bei der Beklagten war seit Ende 2008 dem Zeugen T die Entwicklung der Hardware-Seite eines sog. Datenloggers der „3. Generation“ übertragen. Ob der Kläger auf die Entwicklungsergebnisse Zugriff hatte, ist zwischen den Parteien umstritten.

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Der Kläger erwog im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses, sich zusammen mit seinen Kollegen T, E und O selbstständig zu machen. Gespräche über eine mögliche Beteiligung bei der Beklagten scheiterten aus zwischen den Parteien streitigen Gründen. Im Zuge der Überlegungen zur Selbstständigkeit kam es unter Teilnahme des Klägers am 24. September 2008 in F und am 10. November 2008 in S zu Gesprächen mit dem ehemaligen Vorgesetzten des Klägers und seiner Kollegen bei der E E- und L GmbH, dem dortigen Leiter des Geschäftsbereichs Automotive und Mitglied der Geschäftsführung S, deren Inhalt im Einzelnen zwischen den Parteien streitig ist, die aber jedenfalls auch einen - weiterentwickelten bzw. noch zu entwickelnden - Datenlogger und eine eventuelle Kooperation mit der E Elektroniksystem- und L GmbH zum Gegenstand hatten.

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Das Arbeitsverhältnis des Zeugen E zur Beklagten endete zum 31. August 2008. Der Zeuge T schied aus dem Beschäftigungsverhältnis zur Beklagten - nach zunächst von der Beklagten ausgesprochener ordentlicher Kündigung zum 30. Juni 2009 - durch Aufhebungsvereinbarung Ende März 2009 bei Zahlung einer Abfindung in Höhe von 26.500,00 Euro aus. Personalverantwortlich, auch hinsichtlich der Vereinbarung der Abfindung, war bei der Beklagten zum damaligen Zeitpunkt der Zeuge B.

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Am 26. Mai 2009 fand ein „Kick-off Meeting Kooperationsgespräche“ zwischen der Firma R und S I O GmbH und dem Kläger und den Zeugen T und E als Vertreter der von ihnen geplanten Firma V GmbH statt, hinsichtlich dessen Agenda auf Bl. 263 d. A. verwiesen wird. Zu einem weiteren Gespräch kam es am 30. Juni 2009. Die Beklagte stand zum damaligen Zeitpunkt nicht in Kooperation zur Firma R und S I O GmbH. Diese war allerdings in der Vergangenheit Auftragnehmer der Beklagten im Segment Messtechnik für die Lieferung eines zu verwendenden Teils. Der Kläger hatte für die Teilnahme an den beiden Gesprächen keinen Urlaub beantragt. Es ist zwischen den Parteien streitig, ob dies zum damaligen Zeitpunkt aufgrund einer Arbeitsanweisung der Beklagten erforderlich war oder - wie unstreitig jedenfalls vor Februar 2009 - aufgrund flexibler Handhabung der Arbeitszeiten nicht nötig gewesen ist. Ebenso ist umstritten, was im Einzelnen Inhalt der Gespräche war.

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Am 02. Juni 2009 gründete der Kläger mit seinen Kollegen T und O die V GmbH, deren Geschäftsführer der Zeuge T ist und an der der Kläger zu 25 % beteiligt ist. Die V GmbH hatte sich zum Ziel gesetzt, einen Datenlogger mit der Bezeichnung M 2011+ zu entwickeln und die Markteinführung vorzubereiten. Ob dieser Datenlogger bereits entwickelt war, insbesondere ob dies während des Beschäftigungsverhältnisses mit der Beklagten geschehen ist, und ob er eine Weiterentwicklung des Datenloggers der Beklagten X unter Verwendung von Betriebsgeheimnissen der Beklagten darstellt, ist zwischen den Parteien streitig.

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Der Kläger kündigte sein Arbeitsverhältnis zur Beklagten fristgerecht zum 31. Oktober 2009. Im Vorfeld wurde der Geschäftsführer der Beklagten in einem Gespräch mit dem Kläger und den Zeugen B und O am 07. Juli 2009 über die Neugründung der V GmbH in Kenntnis gesetzt, und darüber, dass der Kläger und die vorgenannten Mitarbeiter in diese Firma wechseln wollten. Dem Zeugen B wurde von der Beklagten am 14. Juli 2009 fristlos gekündigt, der Zeuge O war noch bis 31. Dezember 2009 bei der Beklagten beschäftigt.

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Am 21. Oktober 2009 erhielt der Geschäftsführer der Beklagten ein Schreiben des Zeugen S (Bl. 46 d. A.), in dem dieser mitteilte, der Kläger und die Zeugen T, E und B hätten ihn in verschiedener Zusammensetzung und an unterschiedlichen Orten am 24. September 2008, 10. Januar, 04. Februar, 09. April und 08. Mai 2009 aufgesucht und mit ihm unterschiedliche Themen besprochen, die ihm im Einzelnen nicht mehr erinnerlich seien, bei denen die Herren aber generell einen nach ihrer Aussage bereits entwickelten und noch weiter zu entwickelnden Datenlogger vorgestellt und ihm zur gemeinsamen Vermarktung und Weiterentwicklung angeboten hätten unter der Bedingung, dass die E E- und L GmbH das angedachte, aber noch nicht fertig gestellte Geschäftsmodell finanziell unterstütze. Weiter heißt es im Schreiben, wegen dessen Inhalt im Übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen wird:

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„Auf meine Frage, dass das Produkt doch der Firma X gehöre, wurde mir erklärt, dass es von einer neuen Organisation weiter entwickelt werden soll und es diesbezüglich mit Herrn Dr. W, dem Inhaber und Geschäftsführer der X, eine Absprache gebe. …“

11

Mit Schreiben vom 26. Oktober 2009, dem Kläger zugegangen am 27. Oktober 2009, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos.

12

Der Kläger hat am 16. November 2009 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - Kündigungsschutzklage erhoben und zugleich die von der Beklagten nicht an ihn ausgekehrte Vergütung für Oktober 2009 einschließlich der Arbeitgeberzuschüsse zu Pflege- und Krankenversicherung geltend gemacht. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 22. Januar 2010, bei Gericht eingehend am gleichen Tag und dem Kläger zugestellt am 27. Januar 2010, im Wege der Stufenklage widerklagend Auskunft ua. über vom Kläger im Namen der V GmbH entgegengenommene Aufträge oder Mitwirkung an Vertragsverhandlungen verlangt, sowie Versicherung an Eides Statt und Schadensersatz in zu beziffernder Höhe.

13

Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, ein wichtiger Kündigungsgrund sei nicht ersichtlich. Er habe die Interessen der Beklagten stets in dem ihm obliegenden Maß gewahrt und bis zum Ausspruch der fristlosen Kündigung seine Arbeitskraft gewissenhaft und im vereinbarten Umfang zur Verfügung gestellt, insbesondere die Bearbeitung eines im Frühjahr 2009 beim Datenlogger X aufgetretenen Fehlers entgegen der Behauptung der Beklagten nicht absichtlich verzögert. Die von der Beklagten behauptete Fehlerbehebung durch den Zeugen G und den Geschäftsführer der Beklagten werde mit Nichtwissen und als unsubstantiiert bestritten. Es habe sich insoweit um eine seltene schwer lokalisierbare Fehlfunktion gehandelt, für die es keine banale Lösung gegeben habe, zumal er noch mit anderen Projekten und mit einem vom Kunden als wesentlich schwer wiegender eingeschätzten Fehlers befasst gewesen sei. Die - von der Beklagten unsubstantiiert behauptet: während der Arbeitszeit geführten - Gespräche mit seinem früheren Vorgesetzten bei der E E- und L GmbH S, der als eine Art Mentor fungiert habe und die Beklagte im Übrigen bereits am 28. September 2009 über sein angebliches Fehlverhalten informiert habe, hätten nur eine unverbindliche Diskussion über mögliche künftige Kooperationen, Joint Ventures und eine etwaige finanzielle Unterstützung bei einer potentiellen Selbstständigkeit bezweckt, was letztlich jedoch nicht zum Tragen gekommen sei. Er habe den Datenlogger X bzw. dessen unmittelbare Weiterentwicklung nicht Dritten angeboten und zu keinem Zeitpunkt Datenblätter des Datenloggers der Beklagten unbefugten Dritten gezeigt oder sich Dritten gegenüber geschäftsschädigend geäußert. Die unsubstantiierten Anschuldigungen der Beklagten seien auch Gegenstand des gegen ihn und die Kollegen geführten, zuletzt rechtskräftig eingestellten Strafverfahrens gewesen und hätten sich in keinem einzigen Fall als wahr erwiesen. Er habe zu keinem Zeitpunkt unentschuldigt gefehlt und jeweils vor dem 24. September 2008 und 10. November 2008 Urlaub genommen. Es sei nicht zu beanstanden, wenn er - nachdem die Gespräche über eine Beteiligung bei der Beklagten gescheitert gewesen seien - neue Beschäftigungsmöglichkeiten ausgelotet habe. Er habe zu keinem Zeitpunkt geheime Informationen weitergegeben oder Entwicklungen der Beklagten preisgegeben. Eine Diskussion über die technischen Anforderungen an zukünftige Datenlogger sei rechtlich nicht zu beanstanden. Er habe auch nicht an der Entwicklung einer neuen Generation des Datenloggers auf Basis Intel-Atom-Technologie mitgewirkt und auf die entsprechenden Entwicklungsergebnisse der Beklagten zugreifen können. Die außerordentliche Kündigung sei zudem verfristet, da der Geschäftsführer der Beklagten seit 07. Juli 2009 von der Firmengründung gewusst habe. Er habe weder während seiner Beschäftigungszeit bei der Beklagten für die Firma L C GmbH gearbeitet (Gegenteiliges habe er entgegen dem beklagtenseitigen Vortrag auch nicht gegenüber dem Zeugen W behauptet), noch insoweit Stundenkontingente der Beklagten unterschlagen. Die L C GmbH habe der Beklagten in 2006 zwei konkrete Aufträge erteilt, hinsichtlich derer die Stundenkontinente nicht verbraucht worden seien, so dass der Zeuge T und er sich im Auftrag des Geschäftsführers der Beklagten zur Vermeidung des Verfalls - letztlich mangels geeigneten Projektes ergebnislos - um eine Übertragung in die Folgejahre bemüht hätten. Eine Umbudgetierung habe es gerade nicht gegeben. Er habe aufgrund des Angebots der V GmbH vom 24. September 2009 (Bl. 516 d. A.) erst nach seinem Ausscheiden bei der Beklagten vom 02. November bis 31. Dezember 2009 ca. 300 Stunden für die L C GmbH gearbeitet. Bei der Rechnung vom 21. Dezember 2009 (Bl. 512 d. A.) habe es sich um eine Abschlagsrechnung und Vorschussrechnung gehandelt, die ausweislich des Lieferscheins vom 29. April 2010 (Bl. 293 d. A.) erst in 2010 abgearbeitet worden sei, was man auch daran erkennen könne, dass ein Lieferdatum am 21. Dezember 2009 noch nicht vereinbart gewesen sei. Am 16. Dezember 2009 seien 300 gelieferten Stunden mit Lieferschein (Bl. 511 d. A.) in Rechnung gestellt worden (vgl. Bl. 510 d. A.).

14

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

15

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 26. Oktober 2009, zugegangen am 27. Oktober 2009, nicht aufgelöst worden ist, sondern bis 31. Oktober 2009 fortbestanden hat.

16

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die Vergütung für Oktober 2009 in Höhe von 5.000,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01. November 2009 zu zahlen.

17

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die AG-Zuschüsse zur PV und KV für Oktober 2009 in Höhe von 267,31 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit 01. November 2009 zu zahlen.

18

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Widerklagend hat sie erstinstanzlich zuletzt beantragt,

21

1. Der Kläger und Widerbeklagte wird verurteilt, der Beklagten und Widerklägerin Auskunft über die im Zeitraum vom 24. September 2008 bis zum 26. Oktober 2009 getätigten Arbeiten zu erteilen, insbesondere mitzuteilen, welche Entwicklungen, Konzepte und Angebote er alleine oder gemeinsam mit anderen Personen vorgenommen hat. Wann, wo, welche Aufträge von wem er eigenen Namens oder namens der neu gegründeten Firma V entgegen genommen oder an Vertragsverhandlungen mitgewirkt hat.

22

Die Auskunft ist aufzuschlüsseln nach Datum, Ort und Zeitaufwand des Klägers.

23

2. Nach erteilter Auskunft hat der Kläger die Vollständigkeit und Richtigkeit der erteilten Auskunft an Eides statt zu versichern.

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3. Der Kläger und Widerbeklagte wird als Gesamtschuldner mit Herrn S B verurteilt, an die Beklagte und Widerklägerin 26.500,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus seit 01. Mai 2009 zu zahlen.

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4. Es wird festgestellt, dass der Kläger und Widerbeklagte verpflichtet ist, der Beklagten und Widerklägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der der Beklagten noch dadurch entstehen wird, dass der Kläger sich die Technologie der Beklagten zu Erstellung eines M-B-Datenloggers unbefugt verschafft hat.

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5. Den Kläger zu verurteilen, die Rechte an den getätigten Entwicklungen, Konzepten und Arbeitsergebnissen zu übertragen und den Kläger zu verurteilen, Schadensersatz in einer nach Auskunftserteilung zu berechnenden Höhe zu leisten.

27

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

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die Widerklage abzuweisen.

29

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, der Kläger habe mindestens beginnend mit dem 24. September 2008 während der Arbeitszeit eigene Interessen verfolgt. Er habe - wie aus dem bei ihr am 21. Oktober 2009 eingegangenen Schreiben des Zeugen ersichtlich - zusammen mit seinen Kollegen ihren Datenlogger in Weiterentwicklung und zur Weiterentwicklung für 1.000.000,00 Euro dem Zeugen S von der E E- und L GmbH angeboten und wahrheitswidrig behauptet, sich in Abstimmung mit ihrem Geschäftsführer selbstständig machen zu wollen. Der Kläger habe ab Mai 2009 seine Aufgaben bei der Beklagten nicht mehr bearbeitet, va. einen Fehler im X-System nicht behoben. Der Fehler habe letztlich erst durch den Zeugen T G mit 100 Stunden Arbeitsaufwand à 35 Euro Kosten und den Geschäftsführer der Beklagten mit 30 Stunden Arbeitsaufwand à 100,00 Euro Zeit beseitigt werden können. Insoweit hat die Beklagte (Bl. 35 d. A.) die Aufrechnung erklärt. Der Kläger habe bei den Besuchen der Firma E E- und L GmbH Dritten Leistungen angeboten, die gemäß seinem Arbeitsvertrag ihr gehörten. Bei der Firma R und S I O GmbH sei ausweislich einer Email des dortigen Product Managers R vom 27. November 2009 (Bl. 78 f. d. A.) behauptet worden, man wolle den Datenlogger auf der Basis der Intel-Atom-Technologie weiterentwickeln. Diese Weiterentwicklung habe die Beklagte selbst seit 2009 durchgeführt und der Kläger habe auf die Entwicklungsergebnisse Zugriff gehabt. Dem Zeugen R sei ein offizielles Datenblatt des X 6810 gezeigt worden und man habe ihm - wie aus der Mitschrift zum Protokoll (Bl. 264 ff. d. A.) erkennbar - erklärt, dass vom bisherigen Datenlogger 200 Stück an B geliefert und im Einsatz seien. Im Übrigen habe der Kläger anlässlich der Gespräche - und zwar auch an weiteren im Einzelnen genannten Terminen als den vom Kläger eingeräumten - unentschuldigt gefehlt, was die fristlose Kündigung bereits rechtfertige. Am 29. Januar 2010 habe sie von einem Mitarbeiter der H-T-G Management GmbH Dr. D erfahren, dass die Zeugen T, E, B und der Kläger für die Firma V GmbH das Ventrue Kapital von 1.000.000,00 Euro beantragt hätten mit dem Ziel der Entwicklung eines Datenloggers für Automotive Anwendungen und das die diesbezüglichen Gespräche schon seit vielen, vielen Monaten begonnen hätten. Spätestens ab August 2009 habe der Kläger für die Firma V GmbH unter Nutzung von Software und Werkzeugen der Beklagten für Projekte der Firma L C GmbH gearbeitet. So habe er dem Werkstudenten W im August 2009 erklärt, es sei ihm gelungen, ein Entwicklungsprojekt dieser Firma zu gewinnen. Da die Firma V GmbH der L C GmbH am 16. Dezember 2009 22.500,00 Euro basierend auf einem Angebot über ein Arbeitspaket von Softwareentwicklung in Höhe von 300 Stunden vom 24. September 2009 bei Leistungserfüllung laut Bestellauftrag ab 31. Oktober 2009 in Rechnung gestellt habe und am 21. Dezember 2009 24.000,00 Euro netto basierend auf einem Auftrag vom 21. Dezember 2009 mit 320 Arbeitsstunden, sei ersichtlich, dass es eine Umbudgetierung von Projektvolumen für die Beklagte zugunsten der Firma V GmbH gegeben habe. Der Kläger müsse noch während seiner Beschäftigung für die Beklagte mindestens seit Anfang August 2009 in Vollzeit und in der bezahlten Arbeitszeit an diesem Gateway-Entwicklungsauftrag gearbeitet habe. Die vom Kläger behauptete Vorkasse sei bei der Firma L C GmbH aufgrund interner Vorgänge nicht möglich. Im Übrigen habe man auf den Arbeitsplatzrechnern des Zeugen T und des Klägers einen Projektplan M.pdf betreffend den Datenlogger der V GmbH vom 02. März 2009 gefunden, den der Zeuge T während seiner Arbeitszeit und ihm Rahmen seiner Dienstaufgabe zum Projekt M erstellt und auf einem USB-Stick I gespeichert habe. Da der Kläger das Dokument A-M.pdf erarbeitet und der Beklagten vorenthalten, indiziere dies sein wettbewerbsschädigendes Verhalten. Da die Firma V GmbH in ihrem Businessplan vom 30. November 2009 (vgl. Asservatenauswertung Polizeipräsidium Rheinpfalz vom 17. August 2010, Bl. 71 (Bl. 277 d. A.)) behauptet habe, dass das technische Know-How bei der Beklagten ausgeschieden sei und in Zukunft bei ihr angesiedelt sei, weil aufgrund der veränderten Personalstruktur in den letzten 12 Monaten davon ausgegangen werde, dass die Beklagte im Bereich hochleistungsfähiger Test- und Analysesysteme die Anforderungen nicht mehr erfüllen könne, sei der Tatbestand der üblen Nachrede zu Lasten der Beklagten erfüllt.

30

Zur Widerklage hat die Beklagte ausgeführt, wegen seiner Wettbewerbsverstöße schulde der Kläger eine weitgehende Aufklärungs- und Auskunftspflicht, auch weil sie Urheberrechtsverstößen nachgehen müsse und der Kläger Geschäftsgeheimnisse verraten habe. Da der Kläger als leitender Angestellter verpflichtet gewesen sei, sie über die Missstände zu informieren, dies jedoch nicht getan habe, hafte er gemeinsam mit dem damals personalverantwortlichen Zeugen B für die an den Zeugen T gezahlte Abfindung. Sie habe den Zeugen T wegen seines Versagens im Aufgabenfeld Weiterentwicklung des Datenloggers entlassen und wegen eigenmächtiger Absprachen mit Kunden und Verletzungen der Arbeitszeitregelung und mit ihm zur Vermeidung einer langwierigen Auseinandersetzung einen Aufhebungsvertrag mit Abfindung geschlossen, was sie nie und nimmer getan hätte, wenn der Kläger sie über die illegalen Machenschaften des Zeugen T informiert hätte.

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Der Kläger hat erstinstanzlich hinsichtlich der Widerklage im Wesentlichen vorgetragen, er schulde mangels vertraglicher Pflichtverletzungen keine Auskunft und sei auch nicht zum Schadensersatz verpflichtet. Er habe während seiner Beschäftigung bei der Beklagten weder für die L C GmbH Entwicklungsarbeiten erbracht, noch sei er einer anderen Nebentätigkeit nachgegangen. Auch habe er keine Veranlassung gehabt, von der Beklagten behauptete „illegale Machenschaften“ des Zeugen T offen zu legen. Ein Schadensersatzanspruch wegen der an diesen gezahlten Abfindung bestehe nicht, zumal sie weit überwiegend Gehaltsansprüche im Hinblick auf den durch die Aufhebungsvereinbarung abgekürzte Kündigungsfrist habe ausgleichen sollen.

32

Anlässlich des ua. gegen den Kläger wegen Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (§ 17 UWG) geführten Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern - 6…. Js ... - hat das Arbeitsgericht im Einvernehmen mit den Parteien vom 02. März 2010 bis 21. November 2011 und vom 13. Dezember 2011 bis 14. November 2013 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Das Ermittlungsverfahren wurde letztlich rechtskräftig eingestellt (§ 153a StPO). Die Beklagte hat bei der Staatsanwaltschaft Landau - 7…. Js 7…. - gegen den Kläger ein Verfahren wegen behaupteten Prozessbetruges anhängig gemacht.

33

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 20. Mai 2014 stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die fristlose Kündigung sei unwirksam, da die Beklagte zur ihrer Rechtfertigung keine Tatsachen vorgetragen habe, die eine außerordentliche Tatkündigung rechtfertigten, sondern sich zur Rechtfertigung ihrer fristlosen Kündigung vielmehr auf bloße Vermutungen und subjektive Einschätzungen stütze. Die Beklagte habe nicht substantiiert dargelegt, dass der Kläger dem Zeugen S ein in seiner Arbeitszeit bereits entwickeltes konkurrenzgeeignetes Produkt zum Datenlogger der Beklagten X angeboten habe. Dem Schreiben des Zeugen sei nicht klar zu entnehmen, dass ihm bereits entwickelte Datensätze nebst Hardware zur Weiterentwicklung angeboten worden sei. Allein die Tatsache, dass auf dem Rechner des Arbeitskollegen T auf einem mobilen Datenträger I ein Projektplan „M…..pdf“ gespeichert gewesen und auf den Firmenrechnern der bloße Unternehmensplan „A-.pdf“ gefunden worden sei, belege dies nicht und gehe über eine reine Vorbereitungshandlung nicht hinaus, zumal der Datenlogger M+ zu diesem Zeitpunkt nach Überzeugung des Gerichts noch gar nicht existent gewesen sei. Auch habe der Kläger die Firma R & S am 26. Mai und 30. Juni 2009 lediglich zur vorbereitenden Geschäftsanbahnung außerhalb seiner Arbeitszeit besucht. Der Themenkomplex L C GmbH biete keinen fristlosen Kündigungsgrund, da der Kläger substantiiert dargelegt habe, warum der pauschale Schluss der Beklagten aus den Rechnungen und Lieferscheinen, der Kläger habe noch während seines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten für diese Firma gearbeitet nicht zwingend sei. Der weitere Kündigungsgrund, der Kläger habe geheime firmeninterne Informationen weitergegeben und Investoren getäuscht, sei unsubstantiiert und gehe über eine bloße Vorbereitungshandlung nicht hinaus. Auch eine üble Nachrede zu Lasten der Beklagten sei nicht schlüssig dargelegt worden. Daher stünden die geltend gemachten Zahlungsansprüche dem Kläger unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges zu. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Kläger seine Arbeitsleistung für die Beklagte ab Mai 2009 eingestellt habe. Das Arbeitsgericht hat zur Widerklage die Auffassung vertreten, der Kläger sei nicht zur Auskunftserteilung verpflichtet, da kein begründeter Anlass für eine Konkurrenztätigkeit des Klägers bestehe. Die Gründung eines Unternehmens während des bestehenden Arbeitsverhältnisses genüge hierzu nicht. Ihre Behauptung, der Kläger habe den Datenlogger der Beklagten X Dritten zur Weiterentwicklung angeboten oder ein Konkurrenzprodukt entwickelt, habe die Beklagte trotz Bestreitens des Klägers nicht näher substantiiert. Das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren sei eingestellt worden. Da ein Wettbewerbsverbot nicht vereinbart sei, sei es dem Kläger nicht nach §§ 74 ff. HGB und §§ 1, 17 ff. UWG verwehrt, als früherer Arbeitnehmer Betriebsgeheimnisse zu nutzen, die er während seiner Tätigkeit redlich erlangt habe. Deren rechtswidrige Erlangung habe die Beklagte nicht schlüssig dargelegt. Die Kontaktaufnahme mit potentiellen Geldgebern während des bestehenden Arbeitsverhältnisses, um einen Datenlogger zu schaffen, stelle eine reine Vorbereitungshandlung dar. Auch das bloße Speichern eines Anforderungsprofils oder einer Datei über die beabsichtigte Entwicklung eines neuen Datenloggers sei noch keine unerlaubte Wettbewerbshandlung. Mangels Auskunftsanspruchs sei auch der auf der 2. Stufe geltend gemachte Schadensersatzanspruch unbegründet. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch über 26.500,00 Euro scheide mangels bereits dargestellter Pflichtverletzung des Klägers aus. Es sei auch nicht ersichtlich, welche wettbewerbswidrige Handlungen des Mitarbeiters T der Kläger der Beklagten hätte anzeigen müssen. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 362 bis 374 d. A. verwiesen.

34

Die Beklagte hat gegen das ihr am 13. Juni 2014 zugestellte Urteil mit am gleichen Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 04. Juli 2014 Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis 13. September 2014 mit Schriftsatz vom 12. September 2014, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, begründet.

35

Die Beklagte macht zur Begründung ihrer Berufung nach Maßgabe ihrer Berufungsbegründungsschrift vom 12. September 2014 und ihres Schriftsatzes vom 19. Januar 2015, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 414 ff. d. A. und Bl. 548 ff. d. A.), zweitinstanzlich im Wesentlichen geltend,
der Projektplan M+, Stand 02. März 2009, bei dem der Kläger eigenhändig während des Arbeitsverhältnisses mitgewirkt habe, decke das gesamte von der Beklagten entwickelte Know-How und ihr Arbeitsgebiet ab und habe dem Zeugen S dies offengelegt, was ihr Geschäftsführer am 21. Oktober 2009 erfahren habe. Auch dass das Ermittlungsverfahren eingestellt worden sei, belege nicht den fehlenden wichtigen Grund, zumal sie erst nach einem Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht Kaiserslautern und dann auch keine vollständige Akteneinsicht erhalten habe. Aus dem ihr nunmehr dank Akteneinsicht vom 30. Juli 2014 zur Verfügung stehenden Business-Plan der V GmbH in Kurzfassung (Stand 21. Dezember 2009, Bl. 446 ff. d. A., vgl. Bl. 462 f. d. A) ergebe sich, dass mit dem Zeugen S während der Arbeitszeit das Anwendungsfeld eines komplett neuen Datenloggers besprochen worden sei, womit spätestens eine vom Arbeitsgericht verkannte Konkurrenzsituation vorgelegen habe. Gleiches sei in den Terminen mit der Firma R und S geschehen, die auch als ihr potentieller Auftragnehmer im Bereich Datenlogger in Betracht gekommen sei. Mit dem Verhalten des Klägers sei einhergegangen, dass er seine Entwicklungsaufgaben bei der Beklagten, zB die Fehlerbehebung am X-Datenlogger, nicht mehr bearbeitet habe, weshalb dem Kunden B, dem mitgeteilt worden sei, die Beklagte sei zur Weiterentwicklung des Datenloggers nicht mehr in der Lage, zunehmend vom Zeugen T durch Support-Angebote ausgenutzte Probleme bekommen habe. Der Kläger und seine Mitgesellschafter T, B und O hätten kollusiv zusammengewirkt und - indem sie wahrheitswidrig behauptet hätten, die Beklagte gebe das Geschäftsfeld Datenlogger auf - erwirkt, dass B zunächst einen Auftragsstopp für Juli bis September 2009 verhängt habe, während mit der Firma V GmbH über den Support und die Weiterentwicklung des Datenloggers der Beklagten gesprochen worden sei. Zudem sei beim Kläger am 16. November 2011 ein Laptop beschlagnahmt worden, auf dem der Projektplan M-...pdf gefunden worden sei, der im Februar 2009 vom Zeugen T, der das Dokument in seiner Arbeitszeit erstellt habe, zum Kläger gegangen sei, und dessen Spuren sich auch auf dem Arbeitsplatzrechner des Klägers gefunden hätten. Der Kläger habe dann in seiner Arbeitszeit und auf dem Rechner der Beklagten das elektronische Dokument A-2011.pdf mit Erstellungsdatum 02. Juli 2009 kreiert. Der Datenlogger sei bereits entwickelt gewesen. Zum Vorgang L werde auf den erstinstanzlichen Vortrag verwiesen, die Behauptungen des Klägers seien anlässlich der üblichen Handhabung in einem Großkonzern wenig glaubhaft. Der damals bei der Firma L mit der Angelegenheit befasste Zeuge K sei mittlerweile ausgeschieden und sein zurückhaltendes Aussageverhalten bei der Staatsanwaltschaft sei auffällig. Da der Kläger für Dritte Leistungen erbracht habe, stehe ihr ein Auskunftsrecht diesbezüglich zu. Den ihr entstandenen erheblichen Schaden durch den kurzzeitigen Lieferstopp von B, die befürchtete Aufsaugung und den Schutz ihrer Entwicklungsergebnisse durch die Firma V. Schließlich stünden ihr alle Rechte an den getätigten Entwicklungen zu. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts komme es nicht auf den konkreten Datenlogger an, sondern auf ihr gesamtes Arbeitsfeld, in dem der Kläger handfeste, planmäßige und zielgerichtete Konkurrenztätigkeit betrieben habe. Es werde angeregt, das vorliegende Verfahren vorläufig für ruhend zu erklären, bis das Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Landau - 7 Js 7…. - abgeschlossen sei. Der Kläger schulde infolge kollusiver Ausnutzung seiner leitenden Position mit dem Personalverantwortlichen B und den Zeugen T und O, den Abfindungsbetrag, der nie gezahlt worden wäre, wie auch die Übertragung des Teilbereichs der Firma der Beklagten (an den Zeugen T) nie zustande gekommen wäre, wenn der Kläger seiner Aufklärungspflicht über die bereits damals bestehende Konkurrenztätigkeit nachgekommen wäre. Da Dateien der Firma V GmbH den Namen K K als Suchbegriff vielfach enthalten hätten, der bei ihr von 2005 bis 2007 als Student in der Abteilung „Leiterplatte“ gearbeitet habe, sei nachgewiesen, dass die V sich fremdes Know-How angeeignet habe. Auch sei der X Datenlogger häufig genannt und der Name des aktuellen Mitarbeiters der Firma der Beklagten „H K“. Unzweifelhaft liege ein Verstoß gen § 17 UWG vor. Nach § 69 b UrheberrechtsG stünden die Computerprogramme, die von Arbeitnehmern in Wahrnehmung seiner Aufgaben oder nach Anweisung des Arbeitsgebers geschaffen würden, ausschließlich dem Arbeitgeber, also ihr, zu. Das Gericht erster Instanz habe sich nicht ansatzweise mit dem Inhalt der Strafakten auseinandergesetzt.

36

Die Beklagte beantragt zuletzt,

37

Das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - 6 Ca 990/13 - vom 20. Mai 2014 wird abgeändert:

38

I. Die Klage wird abgewiesen.

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II. 1a. Der Kläger wird verurteilt, Auskunft über die im Zeitraum vom 24. September 2008 bis zum 26. Oktober 2009 getätigten Arbeiten zu erteilen, insbesondere mitzuteilen, welche Entwicklungen und Konzepte er allein oder gemeinsam mit anderen Personen vorgenommen hat.

40

1b. Der Kläger wird verurteilt, Auskunft zu erteilen, welche Angebote er im Zeitraum vom 24. September 2008 bis zum 26. Oktober 2009 vorgenommen hat und wann, wo, er welche Aufträge eigenen Namens oder namens der neu gegründeten Firma V entgegengenommen oder an Vertragsverhandlungen mitgewirkt hat; die Auskunft ist detailliert aufzuschlüsseln nach Datum, Ort und Zeitaufwand des Klägers.

41

2. Nach erteilter Auskunft hat der Kläger die Richtigkeit der erteilten Auskunft an Eides statt zu versichern,

42

3. Der Kläger wird als Gesamtschuldner mit Herrn S B verurteilt, an die Beklagte 26.500 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus seit 01. Mai 2009 zu bezahlen.

43

4. Es wird festgestellt, dass der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten sämtlichen Schaden zu ersetzen, der der Beklagten noch dadurch entstehen wird, dass der Kläger sich die Technologie der Beklagten zur Erstellung eines Multibusdatenloggers unbefugt verschafft hat.

44

5a. Der Kläger wird nach erteilter Auskunft zu Ziffer 1 a verurteilt, die Rechte an den getätigten Entwicklungen Konzepten und Arbeitsergebnissen an die Beklagte zu übertragen.

45

5b. Der Kläger wird verurteilt, Schadenersatz in einer nach Auskunftserteilung zu berechnenden Höhe zu leisten.

46

Der Kläger beantragt,

47

die Berufung zurückzuweisen.

48

Der Kläger verteidigt das von der Beklagten angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 10. November 2014 (Bl. 536 ff. d. A.) und seines Schriftsatzes vom 21. Januar 2015 (Bl. 625 ff. d. A.), auf die ergänzend Bezug genommen wird, zweitinstanzlich im Wesentlichen wie folgt,
eine Rechtsverletzung sei nach dem auf vagen Vermutungen und Verdächtigungen beruhenden Vortrag der Beklagten nach wie vor nicht zu erkennen. Der von ihr nunmehr angeführte Projektplan M+ vom 02. März 2009, der bereits dem Arbeitsgericht vorgelegen habe, enthalte keine einzige vertrauliche Information, sondern beschreibe das potentielle Projekt „Neuentwicklung eines Datenloggers“ im Sinne einer zulässigen Vorbereitungshandlung. Der vorgelegte Businessplan datiere aus einer Zeit, als er längst bei der Beklagten ausgeschieden gewesen sei und zu der zudem immer noch nicht mehr als die Idee existiert habe, für die man habe Investoren habe gewinnen wollen. Die Beklagte bestätige überdies den Vortrag des Klägers, dass man stets einen komplett neuen Datenlogger habe vertreiben wollen. Mit Gesprächen über eine mögliche Neuentwicklung und den Bau eines Datenloggers trete man noch nicht in Wettbewerb zu seinem Arbeitgeber. Die Beklagte behaupte wahrheitswidrig, er oder der Zeuge T hätten während der Arbeitszeit auf den Rechnern der Beklagten den Projektplan erstellt. Dieser habe sich - was sich aus der Email des (bei der Beklagten mit der Überprüfung der konkreten Arbeitsplatzrechner befassten) Zeugen K vom 24. Oktober 2011 ergebe (Bl. 545 d. A.), immer nur auf einem USB-Stick gespeichert befunden, der Eigentum des Zeugen T sei. Zu den Vorgängen im Komplex „L“ belasse es die Beklagten bei Mutmaßungen, ihre Behauptungen, insbesondere, er habe zwingend auf eine Software der Beklagten zurückgreifen müssen, bleibe bestritten. Was er konkret wann wem mitgeteilt haben soll, lasse sich auch der Berufungsbegründungsschrift nicht entnehmen. Ein konkretes Gespräch des Klägers mit dem Kunden über die Zukunft des Datenloggers mit B trage die Beklagte nicht vor. Das Schreiben der Firma V GmbH vom 24. September 2009 habe er nicht verfasst. Er sei zu keinem Zeitpunkt während seiner Beschäftigungszeit an Kunden der Beklagten zum Abschluss eigener Geschäfte herangetreten. Dass er nach seinem durch die berufliche Unzufriedenheit verursachten Ausscheiden bei der Beklagten mit einem eigenen Datenlogger habe in Konkurrenz treten wollen, habe er nie bestritten. Mit dem Ausscheiden des Zeugen T habe er nicht zu tun gehabt und auch nie - wie nunmehr von der Beklagten erfunden - die Zahlung einer Abfindung empfohlen. Mit dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wegen im Hinblick auf das Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Landau wolle die Beklagte offenbar die Amtsermittlung in das Zivilverfahren einführen. Dieser werde widersprochen, zumal eine Vorgreiflichkeit nicht erkennbar sei. Die Beklagte habe in alle Ermittlungsakten Einsicht nehmen können, mit Ausnahme einiger Asservate, bei denen die V GmbH zum Schutz eigenen Firmenwissens selbst ein überragendes Interesse am Unterbleiben der Einsicht habe. Der Kläger habe zu Zeiten seiner Beschäftigung keinen Kunden der Beklagten die Neuentwicklung des Datenloggers angeboten und B keine Supportleistungen angeboten. Nachdem der verantwortliche Mitarbeiter bei B W sich angesichts des Mitarbeiterverlusts bei der Beklagten Sorgen wegen seines Datenloggers gemacht habe, habe der Zeuge T für die V GmbH ein - pauschales - Angebot auf technische Unterstützung gemacht, mit dem er nichts zu tun gehabt habe. Soweit die Beklagte einen Schriftsatz aus dem Strafverfahren zur Akte gereicht habe, ersetze dies eigenen Sachvortrag nicht.

49

Im Übrigen wird hinsichtlich des Sach- und Streitstandes zweiter Instanz ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

50

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch - soweit entscheidungsreif - nur teilweise begründet.

I.

51

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchstabe b und c ArbGG), wurde nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 13. Juni 2014 mit am 04. Juli 2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 ZPO) und nach Fristverlängerung mit Schriftsatz vom 12. September 2014, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2 und 5, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 ZPO).

II.

52

Die Berufung der Beklagten ist - soweit entscheidungsreif - teilweise begründet.

53

1. Die insgesamt zur Entscheidung reife Berufung der Beklagten hinsichtlich der Klage ist in der Sache teilweise erfolgreich.

54

1.1. Die vom Kläger fristgerecht nach §§ 4 Satz 1, 13 KSchG innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erhobene Kündigungsschutzklage, hinsichtlich deren Zulässigkeit Bedenken nicht bestehen, ist nicht begründet. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 26. Oktober 2009 hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt ihres Zugangs am 27. Oktober 2009 mit sofortiger Wirkung beendet, weil der Beklagten ein nicht verfristeter fristloser Kündigungsgrund iSd. § 626 BGB zur Seite stand. Da die Klage entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags der Abweisung unterlag, war das erstinstanzliche Urteil insoweit auf die Berufung der Beklagten teilweise abzuändern.

55

a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/1310 - Rn. 13, 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 39; 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 15, jeweils zitiert nach juris). Gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen.

56

b) Nach diesen Grundsätzen ist dem Kläger ein an sich zur Begründung einer fristlosen Kündigung geeignetes Verhalten vorzuwerfen, weil er einer unerlaubten Konkurrenztätigkeit während des bestehenden Arbeitsverhältnisses nachgegangen ist.

57

aa) Ein Arbeitnehmer, der während des bestehenden Arbeitsverhältnisses Konkurrenztätigkeiten entfaltet, verstößt gegen seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB. Es handelt sich in der Regel um eine erhebliche Pflichtverletzung. Sie ist „an sich“ geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 27, 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 20; 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15 mwN; jeweils zitiert nach juris). Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 28, 16. Januar 2013 - 10 AZR 560/11 - Rn. 14; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 22, zitiert nach juris). Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB normiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - aaO). Dem Arbeitnehmer ist aufgrund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Ihm ist ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - aaO; 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - aaO). Allerdings darf er, wenn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB - wie vorliegend - nicht vereinbart ist, schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten (vgl. BAG 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15; zitiert nach juris). Verboten ist lediglich die Aufnahme einer werbenden Tätigkeit, etwa durch Vermittlung von Konkurrenzgeschäften oder aktives Abwerben von Kunden. Bloße Vorbereitungshandlungen, die in die Interessen des Arbeitgebers nicht unmittelbar eingreifen, erfüllen diese Voraussetzungen regelmäßig nicht (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - aaO, 16. Januar 2013 - 10 A10 AZR 560/11 - Rn. 17, zitiert nach juris; vgl. 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - aaO).

58

bb) Die Beklagte wirft dem Kläger zu Recht die Verletzung des Wettbewerbsverbots während des bestehenden Arbeitsverhältnisses vor. Hierbei war vom Gericht - worauf das Arbeitsgericht zutreffend abgehoben hat - zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Tatkündigung vorliegen, da die Beklagte sich nicht auf den Ausspruch einer Verdachtskündigung berufen hat. Dass einer solchen - soweit ersichtlich - mangels Anhörung des Klägers vor Kündigungsausspruch ohnehin der Erfolg versagt geblieben wäre, konnte dahinstehen.

59

(1) Mit dem Arbeitsgericht ist allerdings davon auszugehen, dass es der Beklagten nicht gelungen ist, substantiiert darzulegen, dass der Kläger durch sein Verhalten im Zusammenhang mit den Gesprächen mit dem Zeugen S, durch die Geschehnisse um die Gateway-Anwendungen für die Firma L C GmbH oder durch die bloße Entwicklung eines Multibus-Datenloggers während des Bestands des Arbeitsverhältnisses der Beklagten unerlaubt Konkurrenz gemacht hätte. Die Berufungskammer macht sich insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen die zutreffenden und sorgfältig begründeten Ausführungen des Arbeitsgerichts unter I 1, I 3 und I 4 der Entscheidungsgründe (Seite 11 bis 17 des Urteils = Bl. 363 bis 369 d. A.) zu eigen und stellt dies ausdrücklich fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Auch die Angriffe der Berufung führen insoweit zu keiner anderen Betrachtung.

60

(1.1.) Soweit die Beklagte darauf abhebt, der Projektplan M2011+, Stand 02. März 2009, habe dem Zeugen S ihr gesamtes Know-How und ihr Arbeitsgebiet offen gelegt, verkennt sie, dass der Projektplan nicht geeignet ist, diese Behauptung zu untermauern. Der Kläger hat lediglich eingeräumt, an Gesprächen mit dem Zeugen S am 24. September 2008 und 10. November 2008 beteiligt gewesen zu sein, ohne dass die Beklagte seine Teilnahme an weiteren Gesprächen substantiiert behauptet hätte. Auch der Zeuge S hat im Schreiben eingehend bei der Beklagten am 21. Oktober 2009 (Bl. 46 d. A.) hierzu keinerlei Angaben gemacht. Die Offenlegung eines Projektplans aus März 2009 bereits in 2008 scheidet jedoch denknotwendig aus. Ungeachtet dessen enthält der von der Beklagten als Anlage 4 - B2 (Bl. 253R d. A.) - auszugsweise - vorgelegte Projektplan keinen Bezug auf konkrete Daten der Beklagten. Ohne dass dies für eine eventuelle Konkurrenztätigkeit erforderlich gewesen wäre, bestehen im Übrigen aufgrund des Dokuments auch keine Anhaltspunkte, dass und wann der Kläger den Projektplan während der Arbeitszeit erstellt haben soll. Vielmehr ergibt sich aus dem ebenfalls von der Beklagten zur Akte gereichten Dokument A-M2011.pdf, Stand 02. Juli 2009 (Anlage 4 - B2, Bl. 254 d. A.), dass noch im Juli 2009, dh. ca. ein Jahr nach den Gesprächen mit dem Zeugen S, an denen der Kläger teilgenommen hat, für die Entwicklung des von der V GmbH geplanten Analyse- und Diagnosetools ein Entwicklungszeitraum von 21 Monaten angesetzt wurde und der Verkauf einer Basisvariante erst nach 12 Monaten geplant war. Inwiefern der Kläger vor diesem Hintergrund bereits in 2008 einen bereits marktfähig weiterentwickelten Datenlogger hätte anbieten sollen, erschließt sich nicht, zumal auch der Zeuge S in seinem Schreiben aus Oktober 2009 - insoweit in Übereinstimmung mit dem klägerischen Vortrag - von einem zwar bereits entwickelten, jedoch noch weiterzuentwickelnden Datenlogger spricht und von einem angedachten, aber noch nicht fertig gestellten Geschäftsmodell, dass die E E- und L GmbH finanziell habe unterstützen sollen. Allein die Planung und Konzeption eines Konkurrenzunternehmens sind keine Handlungen, die schon selbst als Teil der werbenden Tätigkeit aufzufassen wären (vgl. LAG Köln 25. Februar 2004 - 4 Sa 1311/03 - Rn. 17, zitiert nach juris). Dass der Kläger während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten an Terminen mit dem Zeugen S teilgenommen hätte, in denen angesichts des frühen Stadiums der Absicht, eine eigene Firma zu gründen, mehr als erlaubte Vorbereitungshandlungen darstellende Sondierung und Planspiele stattgefunden hätten, hat die Beklagte auch im Berufungsverfahren nicht schlüssig dargetan. Der von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegte Business-Plan der V GmbH in Kurzfassung vom 21. Dezember 2009 (Bl. 446 ff. d. A.) belegt dies - unabhängig davon, dass er von einem Zeitpunkt nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses datiert - ebenso wenig wie die „Kontakthistorie zur Fa. E GmbH“ aus dem von ihr in Bezug genommenen Zeitplan der Firma V GmbH (Bl. 462 f. d. A.).

61

(1.2.) Es ist der Beklagten auch zweitinstanzlich nicht gelungen, schlüssig darzulegen, dass der Kläger vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten unerlaubt Konkurrenz betrieben hätte, indem er - während der Arbeitszeit - für den Kunden der Beklagten L C GmbH gearbeitet hätte. Bereits das Arbeitsgericht hat zutreffend dargelegt, dass die von der Beklagten auch zweitinstanzlich herangezogenen Lieferscheine und Rechnungen für die Gateway-Anwendungen angesichts der einleuchtenden Erläuterungen des Klägers, es habe sich teilweise um Abschlags- und Vorschussrechnungen für später in konkret benannten Zeiträumen erbrachte Leistungen gehandelt, nicht geeignet sind zu belegen, dass der Kläger entgegen seiner Behauptung bereits vor dem 02. November 2009 für die L C GmbH tätig geworden ist. Dass die Beklagte zweitinstanzlich erneut betont, der nunmehr bei der Kundin verantwortliche Zeuge W halte Vorschussleistungen angesichts der Handhabung bei der Firma L C GmbH für unerklärlich, schließt die vom Kläger behaupteten Geschehensabläufe, die von der V GmbH mit dem zwischenzeitlich offenbar ausgeschiedenen damaligen Mitarbeiter der L C GmbH K abgewickelt worden sind, jedenfalls nicht aus. Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren darauf abgehoben hat, dass das entsprechende Angebot der Firma V GmbH über eine (spätere) Tätigkeit des Klägers bereits aus September 2009 stammt, kommt es darauf ebenso wenig an, wie auf die Behauptung, dass der Kläger dem Zeugen W gegenüber erklärt habe, der Auftrag sei bereits im August 2009 erteilt worden. Auch hieraus lässt sich nicht schlussfolgern, dass der Kläger bereits vor dem 27. Oktober 2009 für die L C GmbH gearbeitet hat. Der Auftrag erfolgte seitens der Firma V GmbH. Es ist nicht zu beanstanden, wenn diese bereits vorab Aufträge geriert, bei denen der Kläger nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten eingesetzt werden sollte. Dass, wann, wo und in welcher Art und Weise der Kläger persönlich Auftragsakquise betrieben haben soll, hat die Beklagte bis zuletzt nicht substantiiert dargetan. Gleiches gilt für die pauschale Behauptung, der Kläger habe bereits vor dem 02. November 2009 konkret für die Firma L C GmbH Arbeitsleistungen erbracht. Die Erhebung der von der Beklagten angebotenen Beweise durch Vernehmung der Zeugen (W, T, F) bzw. die Parteivernehmung des Klägers hätten zu einem unzulässigen Ausforschungsbeweis geführt und kam nicht in Betracht.

62

(2) Der Kläger hat das bestehende Wettbewerbsverbot jedoch - anders als vom Arbeitsgericht angenommen - im Zusammenhang mit den Gesprächen vom 26. Mai 2009 und 30. Juni 2009 mit der Firma R und S International Operations GmbH verletzt, an denen er unstreitig für die Firma V GmbH teilgenommen hat. Hierbei kann dahinstehen, ob die Gespräche, die nach der von der Beklagten vorgelegten E-Mail des bei der R und S International Operations GmbH tätigen Zeugen R vom 27. November 2009 (Bl. 78 f. d. A.) jeweils in M stattgefunden haben, während der Arbeitszeit des Klägers lagen oder ob dies - wie vom Kläger behauptet - angesichts der flexiblen Arbeitszeithandhabung der Beklagten ihm gegenüber nicht der Fall gewesen ist. Auch kann dahinstehen, ob der Kläger und seine Kollegen in den Gesprächen einen eigenen neu entwickelten Datenlogger zur Weiterentwicklung angeboten haben oder ob die Weiterentwicklung unter Verletzung von Rechten der Beklagten auf der Basis von deren Datenlogger erfolgen sollte. Selbst wenn der Kläger in seiner Freizeit an den Gesprächen teilgenommen haben sollte und die Verhandlungen einen eigenen Datenlogger betroffen haben sollten, ist dem Kläger unerlaubte Konkurrenztätigkeit vorzuwerfen. Ausweislich der Agenda des Termins vom 26. Mai 2009 (Bl. 263 d. A.) haben die für die Firma V GmbH auftretenden Zeugen T und E und der Kläger an einem sog. „Kick-off-Meeting“ mit der Firma R und S I O GmbH teilgenommen. Bei einem solchen Gespräch handelt es sich regelmäßig um eine Zusammenkunft aller Beteiligten zu Beginn eines Projektes (vgl. auch http://www.duden.de/ rechtschreibung/Kick_off_Meeting). Bereits die Bezeichnung der Veranstaltung legt daher den Schluss nahe, dass sie nicht lediglich der zwanglosen Auslotung von Möglichkeiten einer eventuellen Zusammenarbeit dienen sollte, sondern der konkreten Planung eines beabsichtigten Projektes. Dies ergibt sich folgerichtig auch aus dem in der Agenda für 12:00 Uhr vorgesehenen Programmpunkt, nach dem neben einer Diskussion über die Frage der Entstehung eines neuen Marktsegmentes und potentieller zukünftiger Kundenbedarfe im Bereich Datalogger insbesondere auch vorgesehen war, nach Ansätzen einer gemeinsamen Lösungsentwicklung zu suchen. Dass die weitere Zusammenarbeit unzweifelhaft geplant war, zeigt der für 13:00 Uhr vorgesehene Punkt: Festlegung der weiteren Schritte. In der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer vom 27. Januar 2015 war zwischen den Parteien nicht streitig, dass die Firma R und S I GmbH zumindest in der Vergangenheit Kooperationspartner der Beklagten gewesen ist. Auch ist der Kläger den Ausführungen des Geschäftsführers der Beklagten, die R und S I O GmbH wäre grundsätzlich im Bereich Datenlogger als Vertragspartner auch für die Beklagte in Betracht gekommen, nicht entgegengetreten, so dass diese für die Berufungskammer als zugestanden galten (§ 138 Abs. 2 und 3 ZPO). Auch wenn die R und S I O GmbH kein Kunde der Beklagten im klassischen Sinne gewesen sein mag, handelt es sich doch um einen für die Beklagte relevanten potentiellen Partner für die weitere Entwicklung ihres Datenloggers. Vor diesem Hintergrund überschreiten die Gespräche mit der Firma R und S I O GmbH die Grenze der erlaubten Vorbereitungshandlung für eine geplante Selbstständigkeit des Klägers. Der Kläger hat zusammen mit seinen Kollegen für die Firma V GmbH bei einem potentiell auch für die Beklagte in Frage kommenden Partner Verhandlungen über die konkrete Ausgestaltung einer Zusammenarbeit aufgenommen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer selbst eingeräumt, dass Gegenstand der Gespräche eine Stellung der R und S I O GmbH als Geld- oder Auftraggeber gewesen sei. Dass er dabei in den Marktbereich und die unmittelbaren Interessen der Beklagten eingegriffen hat, zeigt sich daran, dass dem handschriftlichen Protokoll der Veranstaltung vom 26. Mai 2009 (Bl. 264 d. A.), dessen Berechtigung der Kläger nicht entgegen getreten ist, die Mitteilung zu entnehmen ist, dass vom bisherigen Datenlogger 200 Stück an B geliefert sind. Diese Information betrifft zweifellos den Datenlogger der Beklagten und deren Schlüsselkunden B. Ob der Kläger oder einer seiner Kollegen die konkrete Information weitergegeben hat, kann vor dem Hintergrund des gemeinsamen Auftretens aller Beteiligten für die Firma V GmbH dahinstehen. Ebenso ist es unerheblich, dass das Strafverfahren gegen den Kläger wegen Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (§ 17 UWG) zuletzt rechtskräftig eingestellt worden ist (§ 153 a StGB). Unabhängig davon, dass die Frage wettbewerbswidrigen Handelns als Kündigungsgrund nicht zwingend gleichzusetzen ist mit dem Vorwurf des Verrats von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen, ist die Beurteilung im Strafverfahren weder für den Zivilrichter (§ 14 EG ZPO) noch für die Gerichte für Arbeitssachen bindend(vgl. BAG 23. April 1998 - 2 AZR 442/97 - Rn. 19, zitiert nach juris). Von einer erlaubten bloßen Vorbereitungshandlung ist angesichts der erfolgten Gespräche nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund, dass zu deren Zeitpunkt die Gründung der V GmbH unmittelbar bevorstand bzw. bereits erfolgt war, nach Auffassung der Berufungskammer nicht mehr auszugehen.

63

c) Die Kündigung ist bei Beachtung der Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gerechtfertigt.

64

aa) Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 407/13 -, Rn. 34, 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 17; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, jeweils zitiert nach juris). Die bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände lassen sich nicht abschließend und für alle Fälle einheitlich festlegen. Geht es um die Beurteilung rechtswidrigen schuldhaften Verhaltens des Arbeitnehmers, sind aber stets die beanstandungsfreie Dauer des Arbeitsverhältnisses, das Gewicht und die nachteiligen Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, eine mögliche Wiederholungsgefahr und der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (vgl. BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 28; 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 - Rn. 38, jeweils zitiert nach juris).

65

bb) Gemessen hieran überwiegt das Interesse der Beklagten an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Weiterbeschäftigungsinteresse des Klägers. Zwar ist zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass ihn Unterhaltspflichten gegenüber seiner Ehefrau und seinem Kind treffen und die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch eine außerordentliche Kündigung zwangsläufig mit einem Makel behaftet ist. Auch war zu bedenken, dass das - unterstellt bis dahin beanstandungsfreie - Arbeitsverhältnis, aufgrund der ordentlichen Eigenkündigung des Klägers ohnehin nur noch bis zum 31. Oktober 2009 fortbestehen sollte. Dennoch erweist sich der Kündigungsvorwurf nach Auffassung der Berufungskammer als so gravierend, dass der Beklagten eine Beschäftigung auch nur für wenige weitere Tage nicht zuzumuten war. Der Kläger hat das Vertrauen der Beklagten in seine Redlichkeit in schwerwiegender Weise verletzt, indem er in deren Geschäftsbereich Wettbewerb betrieben hat. Er hat durch die Verhandlungen mit der R und S I O GmbH in Kauf genommen, der Beklagten Nachteile zuzufügen, um seine eigene Selbstständigkeit zu fördern, auch wenn die Beklagte selbst konkrete Vertragsverhandlungen mit ihrer früheren Kooperationspartnerin nicht aufgenommen hatte. Dass insoweit keinesfalls ein finanzieller Schaden entstehen würde, konnte der Kläger nicht mit Sicherheit annehmen. Da keinerlei Anhaltspunkte für ein Unrechtsbewusstsein des Klägers bestehen, war nicht damit zu rechnen, dass die berechtigten Zweifel der Beklagten im Hinblick auf die Loyalität des Klägers etwa durch den Ausspruch einer Abmahnung hätten beseitigt werden können. Dies gilt umso mehr, als der Kläger sich unstreitig jedenfalls nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses im Marktbereich der Beklagten mit der in Konkurrenz zur Beklagten stehenden Firma V GmbH selbstständig betätigen wollte und betätigt hat. Die potentielle Beeinträchtigung ihrer geschäftlichen Interessen bei entgeltpflichtiger Weiterbeschäftigung des ohnehin nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch seine Selbstständigkeit gesicherten Klägers musste die Beklagte auch nicht kurzfristig mehr hinnehmen.

66

d) Die Beklagte hat die außerordentliche, fristlose Kündigung innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB erklärt.

67

aa) Gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach Abs. 2 Satz 2 der Bestimmung mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die sachgerechte Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen eine Kündigung sprechenden Umstände (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 407/13 - Rn. 3921. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 27; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, jeweils zitiert nach juris).

68

bb) Danach hat die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Die E-Mail des Zeugen R der Firma R und S I O GmbH die Informationen zu den streitigen Gesprächen vom 26. Mai 2009 und 30. Juni 2009 enthält, ist dem Geschäftsführer der Beklagten am 27. November 2009 übersandt worden. Selbst wenn im Text der E-Mail auf ein zuvor stattgefundenes Gespräch an einem Messestand Bezug genommen wird, sind auch dem Vortrag des Klägers keine Anhaltspunkte zu entnehmen, dass die Beklagte bereits länger als zwei Wochen vor Kündigungszugang (am 27. Oktober 2009) Kenntnis von den Geschehnissen im Zusammenhang mit der Firma R und S I O GmbH hatte. Soweit der Kläger die Ansicht vertreten hat, die Kündigung sei verfristet, weil der Geschäftsführer der Beklagten bereits am 07. Juli 2009 - offenbar im Zusammenhang mit der Eigenkündigung des Klägers - über die geplante Selbstständigkeit des Klägers und seiner Kollegen informiert worden sei, vermochte sich die Berufungskammer dem nicht anzuschließen. Auch der Kläger hat nicht behauptet, dem Geschäftsführer der Beklagten die konkreten Vorgänge um die Gespräche vom 26. Mai 2009 und 30. Juni 2009 offenbart zu haben. Allein die bloße Mitteilung der (beabsichtigen) Gründung der V GmbH und deren Tätigkeit im Geschäftsbereich der Beklagten stellt keine Mitteilung der vorliegend relevanten Kündigungsvorwürfe da. Die Beklagte hat dem Kläger nicht gekündigt, weil er sich nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses selbstständig machen wollte, sondern weil er unerlaubt Wettbewerb im bestehenden Arbeitsverhältnis betrieben hat.

69

1.2. Die zulässige Zahlungsklage des Klägers ist teilweise begründet. Der Kläger kann von der Beklagten infolge Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die außerordentliche, fristlose Kündigung gemäß § 611 BGB iVm. dem Arbeitsvertrag Arbeitsentgelt im Zeitraum vom 01. bis 27. Oktober 2009 in anteiliger Höhe von 4.354,84 Euro brutto nebst anteiliger Arbeitgeberzuschüsse zur PV und KV in Höhe von 232,82 Euro verlangen. Soweit bezüglich letztgenannten Anspruchs im Tenor zur Ziff. I 2 ein - vom Kläger nicht geltend gemachter und der Sache nach auch nicht gerechtfertigter - Bruttobetrag zuerkannt wurde, liegt ein offensichtliches Schreibversehen vor. Der weitergehenden Zahlungsklage blieb der Erfolg versagt. Das erstinstanzliche Urteil unterlag auch insoweit der teilweisen Abänderung.

70

1.2.1. Für den Zeitraum vom 1. bis 27. Oktober 2009 steht dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung von 4.354,84 Euro brutto und Arbeitgeberzuschüssen zur PV und KV in Höhe von 232,82 Euro infolge geleisteter Tätigkeit aus § 611 BGB iVm. dem Arbeitsvertrag zu (5.000,00 Euro bzw. 267,31 Euro : 31 x 27).

71

a) Verlangt der Arbeitnehmer gemäß § 611 BGB Arbeitsvergütung für Arbeitsleistungen, hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt. Da die konkret zu leistende Arbeit idR vom Arbeitgeber durch Weisungen zu bestimmen ist (§ 106 GewO), genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, er habe sich zur rechten Zeit am rechten Ort bereitgehalten, um Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers zu befolgen. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern. Deshalb hat der Arbeitgeber im Einzelnen vorzutragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und ob der Arbeitnehmer den Weisungen nachgekommen ist. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gelten die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Arbeitsstunden als zugestanden (vgl. insgesamt BAG 18. April 2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 14, mwN; zitiert nach juris).

72

b) Dem Kläger steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch bis 27. Oktober 2009 zu. Er hat behauptet, seine Arbeitsleistung auch nach Mai 2009 wie vereinbart im eigens für ihn angemieteten Projektbüro in München erbracht zu haben. Dem ist die Beklagte nicht substantiiert entgegen getreten. Insbesondere kann sie sich seinem Anspruch nicht mit der pauschalen Behauptung entziehen, der Kläger habe „spätestens ab Mai 2009“ seine Arbeitsleistung bei der Beklagten eingestellt. Bereits das Arbeitsgerichts hat zutreffend darauf hingewiesen, dass allein die Tatsache, dass dem Kläger in diesem Zeitraum die Fehlerbehebung am Datenlogger X nicht gelungen sein mag, mangels im Arbeitsverhältnis geschuldeten Erfolgs keinen Grund für den Einbehalt der Vergütung darstellt. Auch im Berufungsverfahren ist die die Beklagte schlüssigen Vortrag schuldig geblieben. Soweit sie darauf abhebt, der Kläger habe Entwicklungsarbeiten für das eigene Projekt M vorgenommen bzw. nachfolgend für die Firma L gearbeitet, beschränkt sich ihr Vortrag auf bloße Vermutungen, ohne dass zu konkreten Tagen und Tätigkeiten des Klägers substantiierte Behauptungen erfolgt wären. Die von der Beklagten erstinstanzlich erklärte Aufrechnung mit einer behaupteten Gegenforderung wegen der ihr entstandenen Kosten durch die Fehlerbehebung am Datenlogger X durch den Zeugen G und den Geschäftsführer der Beklagten hat den Anspruch nicht gemäß §§ 387, 389 BGB zum Erlöschen gebracht. Die Aufrechnung erweist sich - soweit Bruttoforderungen des Klägers betroffen sind - zum einen bereits mangels Gegenseitigkeit der Forderungen als unzulässig. Der Arbeitgeber kann gegen Bruttolohnforderungen des Arbeitnehmers nicht mit Gegenansprüchen aufrechnen, es sei denn, die Höhe der Abzüge ist bekannt; aufgerechnet werden kann nur gegen Nettolohnforderungen des Arbeitnehmers (LAG Rheinland-Pfalz 11. November 2014 - 6 Sa 243/14 -, Rn. 55 mwN, zitiert nach juris). Darüber hinaus steht der Beklagten der geltend gemachte Schadensersatzanspruch bereits deshalb nicht zu, da sie - nachdem der Kläger ein Tätigwerden des Zeugen G und den Geschäftsführers der Beklagten mit Nichtwissen und als unsubstantiiert bestritte hatte - nicht im Einzelnen dargelegt und unter Beweis gestellt hat, wann und wie die pauschal behauptete Fehlerbehebung stattgefunden hat.

73

c) Der Zinsausspruch ergibt sich unter dem Gesichtspunkt des Verzuges (§§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 2 BGB).

74

1.2.2. Ein über den 27. Oktober 2009 hinausgehender Zahlungsanspruch besteht infolge Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten nicht.

75

2. Die Berufung der Beklagten gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts über die Widerklage, ist teilweise entscheidungsreif und - soweit entscheidungsreif - nur teilweise begründet. Das erstinstanzliche Urteil war im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang teilweise abzuändern.

76

2.1. Die von der Beklagten zuletzt mit den Anträgen zu 1a), 1b), 2, 5a) und 5b) verfolgte Stufenklage ist nur teilweise zur Entscheidung reif. Die Beklagte kann lediglich die mit dem Antrag zu 1b) in der ersten Stufe verfolgte Auskunft und diese auch nur im tenorierten Umfang verlangen (2.1.1.). Der mit dem Antrag zu 1a) verfolgte Auskunftsanspruch ist als Stufenklage nicht zulässig; als im Wege zulässiger objektiver Klagehäufung verfolgter Auskunftsanspruch nicht begründet (2.1.2.). Die Entscheidung über die Anträge zu 2, 5a) und 5b) bleibt vorbehalten.

77

2.1.1. Die Beklagte kann vom Kläger gemäß ihres Antrags zu 1b) in der 1. Stufe der - diesbezüglich wegen festgestellter Wettbewerbsverletzung des Klägers zulässigen - Stufenklage verlangen, Auskunft zu erteilen, welche Angebote er im Zeitraum vom 24. September 2008 bis zum 26. Oktober 2009 vorgenommen hat und wann, wo er welche Aufträge eigenen Namens oder namens der neu gegründeten Firma V GmbH entgegengenommen oder an Vertragsverhandlungen mitgewirkt hat. Der weitergehende Antrag zu 1b) ist nicht begründet.

78

a) Die von der Beklagten mit dem Antrag zu 1b) geltend gemachte Auskunftsklage ist in der ersten Stufe zur Endentscheidung reif, so dass ein Teilurteil ergehen kann, § 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Berufungskammer legt den Antrag zu 1b) hierbei dahingehend aus, dass der Kläger ausschließlich zu Auskünften hinsichtlich eines Tätigwerdens im Datenlogger betreffenden Geschäftsbereich der Beklagten verpflichtet werden soll, da die Beklagte den Antrag auf unerlaubten Wettbewerb des Klägers stützt. Gleichermaßen hat die Berufungskammer den Antrag der Beklagten dahingehend ausgelegt, dass dem Begehren der Beklagten, der Kläger möge seine Auskunft nach Datum und Ort aufschlüsseln, bereits damit Rechnung getragen ist, dass der Kläger über bestimmte Angebote und den Zeitpunkt („wann“) und Ort („wo“) bestimmter Aufträge bzw. Vertragsverhandlungen Auskunft erteilen soll. Es ist nicht anzunehmen, dass die Beklagte die Angaben von Datum und Ort zweifach verlangen wollte, weshalb der Antrag insoweit wegen doppelter Rechtshängigkeit als unzulässig betrachtet werden müsste.

79

b) Der Beklagten steht der mit dem Antrag zu 1b) im ausgelegten Umfang verfolgte Auskunftsanspruch überwiegend zu.

80

aa) Verstößt ein Arbeitnehmer gegen das während des Arbeitsverhältnisses bestehende Wettbewerbsverbot, stehen dem Arbeitgeber eine Reihe von Rechten zu, insbesondere ua. der Anspruch auf Schadenersatz wegen Vertragsverletzung und der Anspruch auf Herausgabe des durch die vertragswidrige Handlungsweise Erlangten; entsprechende Rechte räumen dem Arbeitgeber §§ 60, 61 HGB ein(vgl. BAG 21. Oktober 1970 - 3 AZR 479/69- Rn. 9, zitiert nach juris). Derjenige, der einem anderen gegenüber vertraglich verpflichtet ist, Wettbewerb zu unterlassen, schuldet diesem Auskunft, sobald er ihm erheblichen Anlass gegeben hat, zu vermuten, er habe seine Vertragspflicht verletzt; in ähnlicher Weise wird auch sonst eine Auskunftspflicht anerkannt, wenn aufgrund eines bestehenden Rechtsverhältnisses einem Beteiligten Ansprüche erwachsen können, die er ohne vorherige Auskunft nicht geltend zu machen vermag; Voraussetzung der Auskunftspflicht ist lediglich, dass der Berechtigte die Wahrscheinlichkeit seines Anspruchs darlegt (BAG 12. Mai 1972 - 3 AZR 401/71 - Rn. 24, vgl. auch 17. Dezember 2012 - 10 AZR 809/11 - Rn. 25; jeweils zitiert nach juris). Für den Auskunftsanspruch kommt es nicht darauf an, dass nachgewiesen ist, dass der Arbeitnehmer in weiteren Fällen Wettbewerb betrieben hat; ob dies der Fall ist, soll gerade durch seine Auskunft geklärt werden, der Auskunftsanspruch setzt deshalb nur voraus, dass der Arbeitgeber ernsthaften Anlass hat, vertragswidrigen Wettbewerb zu befürchten; dazu reicht es aus, dass ein einziger Versuch des Arbeitnehmers feststeht, gleichviel, ob er erfolgreich war oder nicht (vgl. BAG 12. Mai 1972 - 3 AZR 401/71 - Rn. 33, aaO).

81

bb) Ausgehend hiervon hat der Kläger der Beklagten Auskunft zu erteilen, welche Angebote er im Zeitraum vom 24. September 2008 bis zum 26. Oktober 2009 vorbenommen hat und wann, wo er welche Aufträge eigenen Namens oder namens der neu gegründeten Firma V GmbH entgegengenommen oder an Vertragsverhandlungen mitgewirkt hat.

82

(1) Aus den unter A II 1 1.1. b bb (2) dargestellten Gründen steht für die Berufungskammer zur Überzeugung fest, dass der Kläger sich zumindest im Falle der Verhandlungen mit der Firma R und S I O GmbH im bestehenden Arbeitsverhältnis des unerlaubten Wettbewerbs schuldig gemacht hat.

83

Der Kläger hat seine Auskunftsverpflichtung bislang nicht erfüllt. Das Bestreiten einer vertragswidrigen Konkurrenztätigkeit reicht dann als Auskunft nicht aus, wenn die Parteien noch darüber streiten, wie weit die Unterlassungspflicht reicht; solange hierüber noch Streit besteht, fehlt der Erklärung des Klägers, er habe sich nicht vertragswidrig verhalten, die für eine Auskunft zu fordernde Eindeutigkeit; der Umfang der Auskunftspflicht muss so bestimmt sein, dass auch eine negative Auskunft die Grundlage einer eidesstattlichen Versicherung abgeben kann (BAG 12. Mai 1972 - 3 AZR 401/71 - Rn. 45, zitiert nach juris).

84

Dem Auskunftsbegehren der Beklagten stünde nicht entgegen, dass der Kläger sich möglicherweise einer strafbaren Handlung bezichtigen müsste. Die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung befreit den Schuldner nicht von der Verpflichtung zur Auskunft und Rechnungslegung. Wer ein fremdes Rechtsgut verletzt, hat grundsätzlich dafür einzustehen und für die Wiedergutmachung zu sorgen. Ist dies nicht anders möglich als durch das Eingeständnis strafbarer Handlungen, so hat der Schädiger dies auf sich zu nehmen (BAG 11. Dezember 1990 - 3 AZR 407/89 - Rn. 16, zitiert nach juris). Ungeachtet dessen greift dieser Gesichtspunkt vorliegend im Übrigen bereits deshalb nicht ein, da das gegen den Kläger wegen Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (§ 17 UWG) geführte Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist(vgl. Hessisches Landesarbeitsgericht 17. August 2012 - 10 Sa 1160/11 -, Rn. 70, zitiert nach juris).

85

(2) Die Auskunftsklage zu 1b) unterlag allerdings der Abweisung, soweit die Beklagte die detaillierte Aufschlüsselung des Zeitaufwands des Klägers verlangt hat. Die Auskunftspflicht erstreckt sich auf alle Angaben, die Voraussetzung einer etwaigen Schadensersatzforderung sein können (BAG 12. Mai 1972 - 3 AZR 401/71 - Rn. 36, zitiert nach juris). Es ist bereits nicht ersichtlich, inwieweit der zeitliche Umfang des Tätigwerdens des Klägers für einen wettbewerbsrechtlichen Schadensersatzanspruch der Beklagten relevant sein könnte. Soweit das Begehren der Beklagten darauf gerichtet sein sollte, zu ermitteln, in welchem Umfang der Kläger möglicherweise durch wettbewerbswidrige Handlungen zugleich seine Arbeitspflicht verletzt hat, ist dies vom Auskunftsanspruch nicht gedeckt. Außerhalb der gesetzlich oder vertraglich geregelten Auskunftsansprüche besteht ein Auskunftsrecht nur dann, wenn die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang eines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderlichen tatsächlichen Angaben unschwer machen kann (BAG 19. April 2005 - 9 AZR 188/04 - Rn. 21 mwN; 12. Juli 2006 - 5 AZR 646/05 - Rn. 15, jeweils zitiert nach juris). Da es der Beklagten unbenommen war, die Kontrolle der Arbeitsleistung des Klägers - auch wenn diese im Projektbüro in M zu erbringen war - durch geeignete Instrumentarien (zB. feste Anwesenheitszeiten, Vorgabe bestimmter Abgabetermine und Rückmeldefristen) sicherzustellen, ist sie jedenfalls nicht in entschuldbarer Weise in Unkenntnis.

86

2.1.2. Die Beklagte kann nicht - wie zuletzt mit dem Antrag zu 1a) begehrt - vom Kläger Auskunft verlangen über die im Zeitraum vom 24. September 2008 bis zum 26. Oktober 2009 getätigten Arbeiten, insbesondere, welche Entwicklungen und Konzepte er allein oder gemeinsam mit anderen Personen vorgenommen hat.

87

a) Der von der Beklagten verfolgte Antrag zu 1a) ist als Stufenklage gemäß § 254 ZPO nicht zulässig.

88

aa) Nach § 254 ZPO kann die bestimmte Angabe der Leistungen, die der Kläger beansprucht, vorbehalten werden, wenn mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden wird, was der Beklagte aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis schuldet(BGH 29. März 2011 - VI ZR 117/10 - Rn. 8, zitiert nach juris). Die begehrte Auskunft muss für die Erhebung eines bestimmten Antrages erforderlich sein (vgl. BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 527/10 - Rn. 53 1. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - Rn. 15; jeweils zitiert nach juris). Die Besonderheit der Stufenklage liegt nicht in der Zulassung einer Anspruchsverbindung in einer Klage, sondern in erster Linie in der Zulassung eines unbestimmten Antrags entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Stufenklage soll dem Kläger die Prozessführung nicht allgemein erleichtern. Vielmehr muss sein Unvermögen zur bestimmten Angabe der von ihm auf der letzten Stufe seiner Klage beanspruchten Leistung gerade auf den Umständen beruhen, über die er auf der ersten Stufe Auskunft begehrt, bzw. muss das Auskunftsbegehren gerade der Vorbereitung der auf der letzten Stufe noch nachzuholenden bestimmten Angabe dienen. Daraus folgt, dass im Rahmen der Stufenklage die Auskunft lediglich ein Hilfsmittel ist, um die (noch) fehlende Bestimmtheit des Leistungsanspruchs herbeizuführen. Die der Stufenklage eigentümliche Verknüpfung von unbestimmtem Leistungsanspruch und vorbereitendem Auskunftsanspruch steht dagegen nicht zur Verfügung, wenn die Auskunft überhaupt nicht dem Zwecke einer Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs dienen, sondern dem Kläger sonstige mit der Bestimmbarkeit als solcher nicht in Zusammenhang stehende Informationen über seine Rechtsverfolgung verschaffen soll (BGH 29. März 2011 - VI ZR 117/10 - Rn. 8 mwN, 18. April 2002 - VII ZR 260/01 - Rn. 16; 02. März 2000 - III ZR 65/99 - Rn. 18; jeweils zitiert nach juris).

89

bb) Ausgehend hiervon kann von einer Zulässigkeit des Auskunftsantrags zu 1a) im Wege der Stufenklage nicht ausgegangen werden. Die von der Beklagten verlangte Auskunft dient nicht dazu, einen ihr zustehenden Schadensersatzanspruch (Antrag zu 5b) lediglich zu beziffern oder einen Leistungsanspruch - hier: Übertragung von Rechten (Antrag zu 5a) - bestimmbar zu machen, sondern hat allein den Zweck, zu ermitteln, ob der Beklagten solche Ansprüche überhaupt zustehen. Nach dem Wortlaut des Antrags zu 1a) soll der Kläger Auskunft erteilen über die von ihm - allein oder mit anderen - im Antragszeitraum getätigten Arbeiten, insbesondere in Form von Entwicklungen und Konzepten. Damit soll der Klägers Auskunft erteilen über sämtliche von ihm verrichtete Arbeiten, unabhängig davon, ob er sie im Rahmen des Arbeitsverhältnisses der Parteien oder privat, rechtmäßig oder unter Verletzung von Rechten der Beklagten oder Dritter erbracht hat. Auf welcher Rechtsgrundlage der Beklagten ein Schadensersatz- oder sonstiger Leistungsanspruch zustehen sollte, für den es einer derart weitgehenden Auskunft bedarf, erschließt sich nicht. Damit ergibt sich zweifellos, dass das Auskunftsbegehren gerade nicht dazu dient, der Beklagten die Bezifferung eines ihr auf der letzten Stufe zustehenden Anspruchs zu ermöglichen, sondern es vielmehr im Rahmen der Rechtsverfolgung um die Sachverhaltsermittlung geht, ob der Beklagten Ansprüche zustehen könnten.

90

b) Die als solche unzulässige Stufenklage ist jedoch in eine - zulässige - Klagehäufung im Sinne des § 260 ZPO umzudeuten. Auch wenn das Auskunftsbegehren der Beklagten nicht der Bestimmbarkeit bzw. Bezifferbarkeit des Leistungsantrags dient und daher als erste Stufe einer Stufenklage im Sinne des § 254 ZPO unzulässig ist, ist ihr ein - zumindest für die Rechtsschutzgewährung ausreichendes - berechtigtes Interesse an der begehrten Auskunft nicht abzusprechen. Die Frage, ob ihr gegen den Kläger ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskunft tatsächlich zusteht, ist dementsprechend nicht eine solche der Zulässigkeit des Auskunftsanspruchs, sondern der Begründetheit (vgl. BGH 23. März 2011 - VI ZR 117/10 - Rn. 13, 2. März 2000 - III ZR 65/99 - Rn. 22, jeweils zitiert nach juris). Werden im Wege objektiver Klagehäufung in zulässiger Weise sowohl (zur Vorbereitung eines Schadensersatzbegehrens) ein Auskunftsanspruch als auch der Anspruch auf Schadensersatz geltend gemacht, darf über den Auskunftsantrag vorab durch Teilurteil entschieden werden (vgl. zu §§ 84a, 84 AMG: BGH 29. März 2011 - VI ZR 117/10 - Rn. 14, zitiert nach juris)

91

c) Der Beklagten steht der mit dem Antrag zu 1a) geltend gemachte Auskunftsanspruch in der Sache nicht zu.

92

aa) Der Umstand allein, dass jemand Kenntnis von Tatsachen hat oder haben könnte, die für einen anderen von Bedeutung sein mögen, verpflichtet ihn nicht zur Auskunftserteilung; denn eine allgemeine, nicht aus besonderen Rechtsgründen abgeleitete Auskunftspflicht ist dem bürgerlichen Recht unbekannt (BGH 18. Januar 1978 - VIII ZR 262/76 - Rn. 17, zitiert nach juris). Gewohnheitsrechtlich ist jedoch anerkannt, dass Auskunftsansprüche nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) bestehen können, wenn die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann (vgl. BAG 19. April 2005 - 9 AZR 188/04 - Rn. 21, 1. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - Rn. 21 f.; jeweils zitiert nach juris). Im Regelfall setzt das einen dem Grunde nach feststehenden Leistungsanspruch voraus (BAG 1. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - Rn. 22; 27. Juni 1990 - 5 AZR 334/89 - Rn. 17 ff.; BGH 7. Dezember 1988 - IVa ZR 290/87 - Rn. 11; vgl. auch BAG 21. November 2000 - 9 AZR 665/99 -Rn. 44; BGH 18. Januar 1978 - VIII ZR 262/76 - Rn. 18, jeweils zitiert nach juris). Besteht zwischen den Parteien eine Sonderverbindung, insbesondere ein Vertragsverhältnis, dann reicht es aus, dass mit der Auskunftsklage auch der Bestand eines Leistungsanspruchs geklärt werden soll, sofern der Berechtigte die Wahrscheinlichkeit seines Anspruchs dargelegt hat (BAG 21. November 2000 - 9 AZR 665/99 - mwN Rn. 44 aaO). Innerhalb vertraglicher Beziehungen, insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen wie dem Arbeitsverhältnis, kann der Auskunftsanspruch darüber hinaus die Funktion haben, dem Berechtigten Informationen auch schon über das Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach zu verschaffen (vgl. BAG 1. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - Rn. 22, aaO). Allerdings sind die gesetzliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Prozess und gesetzliche Beweislastregeln zu berücksichtigen; die Darlegungs- und Beweissituation darf nicht durch die Gewährung materiell-rechtlicher Auskunftsansprüche unzulässig verändert werden (BAG 01. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - Rn. 23; 07. September 1998 - 8 AZR 828/93 - Rn. 30; LAG Rheinland-Pfalz 17. September 2008 - 9 Ta 169/08 - Rn. 11, jeweils zitiert nach juris).

93

bb) Ausgehend hiervon steht der Beklagten der geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht zu. Es ist der Beklagten nicht gelungen, darzulegen, dass ihr ein als Basis für den verfolgten - unselbstständigen - Auskunftsanspruch dienender Hauptanspruch zustehen könnte. Die Zuerkennung eines Auskunftsanspruchs würde die im Zivilprozess bestehende Darlegungs- und Beweislastsituation, nach der die Beklagte die Anspruchsvoraussetzungen darlegen und beweisen muss, durch die Gewährung eines materiell-rechtlichen Auskunftsanspruchs unzulässig zu Gunsten der Beklagten verändern.

94

(1) Die Beklagte hat zivilprozessual nicht schlüssig dargelegt, dass die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch nach §§ 280 BGB, 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB iVm. § 17 Abs. 1 und Abs. 2 UWG, § 1 UWG vorliegen könnten, weil der Kläger Betriebsgeheimnisse der Beklagten unbefugt verwertet hat. Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten unterstellt, dass es sich beim Datenlogger X der Beklagten um ein Betriebsgeheimnis iSd. § 17 UWG handelt, hat sie nicht substantiiert dargetan, dass der Kläger sich dieses Betriebsgeheimnis während des bestehenden Arbeitsverhältnisses unbefugt verschafft und verwertet hat. Der Kläger hat stets bestritten, dass der Datenlogger M+ der V GmbH während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses bereits fertig entwickelt gewesen sei und hat vorgetragen, dass es sich bei diesem geplanten Datenlogger um eine Neuentwicklung gehandelt habe. Auch in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer hat der Kläger in diesem Sinne erneut dargelegt, der letztlich von der Firma V GmbH entwickelte Datenlogger habe eine andere Hard- und Softwarearchitektur und basiere auf Soft- und Hardwarekomponenten, die entweder selbst entwickelt, zugekauft worden seien oder bei denen man O S Software verwendet habe. Das Arbeitsgericht hat in der erstinstanzlichen Entscheidung (A III S. 20 f. = Bl. 372 f. d. A.) zutreffend darauf hingewiesen, die Beklagte habe weder substantiiert dargelegt, inwieweit der Kläger rechtswidrig Betriebsgeheimnisse benutzt haben soll, noch konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für ihre pauschale Behauptung, der Kläger habe sich in unredlicher Weise unter Verstoß gegen §§ 1, 17 UWG Betriebsgeheimnisse angeeignet, benannt. Auch die Ausführungen der Beklagten im Berufungsverfahren haben hieran nichts geändert. Die Beklagte hat für die Berufungskammer nicht in erkennbarer Weise dargetan, dass und aus welchen Gründen der Datenlogger M+ der Firma V GmbH nur unter Verwendung von Betriebsgeheimnissen der Beklagten in Form von deren Datenlogger X durch den Kläger während des bestehenden Arbeitsverhältnisses entwickelt worden sein kann. Es war nicht - etwa durch vergleichende Betrachtung - ersichtlich, dass der Datenlogger M+ entgegen der Behauptung des Klägers nicht aus käuflich zu erwerbenden oder vom Kläger und seinen Kollegen selbst entwickelten Bauteilen zusammengesetzt ist, sondern aus geschützten, anspruchsvollen und technisch nicht trivialen Programmsequenzen des Datenloggers der Beklagten in erheblichem Umfang. Auch ausreichende Indizien, die nur diesen Schluss zulassen würden, hat die Beklagte nicht dargetan. Soweit sie sich darauf berufen hat, dass bei der Auswertung der dienstlichen Rechner des Klägers und seiner Kollegen in Dokumenten der Firma V GmbH Schlüsselwörter wie beispielsweise die Namen früherer Mitarbeiter der Beklagten oder der Name X gefunden worden seien, erlaubt allein dies nicht die Schlussfolgerung, dass als Betriebsgeheimnis zu wertende Programme oder Dateien der Beklagten vom Kläger unerlaubt für den Datenlogger M verwendet worden sind. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte dem Zeugen T bei dessen Ausscheiden im Hinblick auf ein von diesem betreutes Projekt die weitere Nutzung zugestanden und einen Teilbereich der Firma der Beklagten an diesen übertragen hat. Soweit die Beklagte beanstandet hat, das Arbeitsgericht habe sich nicht mit dem Inhalt der Akten aus dem - zwischenzeitlich eingestellten - Strafverfahren gegen den Kläger wegen unlauteren Wettbewerbs (§ 17 UWG) im Einzelnen auseinandergesetzt, verkennt sie die ihr obliegende Darlegungs- und Beweislast im Zivilprozess. Gleiches gilt, soweit sie - vom Kläger beanstandet - zur Untermauerung ihrer pauschalen Behauptungen Schriftsätze aus dem Strafverfahren zur Akte gereicht hat. Anlagen können lediglich zur Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht ersetzen (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 29; BGH 2. Juli 2007 - II ZR 111/05 - Rn. 25 mwN; zitiert nach juris).

95

(2) Auch die von der Beklagten angeführte Ansprüche aus Urheberrechtsverletzung, hinsichtlich derer der Berufungskammer die Prüfung der Rechtwegeröffnung gemäß § 65 ArbGG iVm. § 17a Abs. 5 GVG versagt ist, kommen als Grundlage für deren Auskunftsanspruch nach dem Vorbringen der Beklagten in vorliegendem Rechtsstreit nicht in Betracht. Gemäß § 69b Abs. 1 UrhG ist ausschließlich der Arbeitgeber zur Ausübung aller vermögensrechtlichen Befugnisse an dem Computerprogramm berechtigt, sofern nichts anderes vereinbart ist, wenn ein Computerprogramm von einem Arbeitnehmer in Wahrnehmung seiner Aufgaben oder nach den Anweisungen seines Arbeitgebers geschaffen wird. Vorliegend ist es der Beklagten bereits nicht gelungen darzulegen, dass der Kläger in Wahrnehmung seiner Aufgaben oder nach Anweisungen der Beklagten ein Computerprogramm geschaffen hat. § 69b UrhG differenziert insoweit zwischen im Rahmen des Arbeitsverhältnisses geschaffenen Pflichtwerken und privaten (sog. freien) Werken (Wandtke/Bullinger UrheberR - Grützmacher UrhG § 69 b Rn. 5). § 69 b UrhG unterfällt nicht ein sogenanntes freiwilliges Werk, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass es vom Arbeitnehmer oder Bediensteten ohne einen inneren Zusammenhang mit seinen arbeitsvertraglichen bzw. dienstrechtlichen Pflichten geschaffen worden ist, jedoch im Arbeitsbereich des Betriebes verwendbar ist oder ihm Konkurrenz machen könnte (OLG Düsseldorf - 27. Mai 2004 - I-2 U 67/95, 2 U 67/2 U 67/95 - Rn. 24; zitiert nach juris). Der Geschäftsführer der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer bestätigt, dass die Entwicklung der Hardwareseite des Datenloggers der „3. G“ bei der Beklagten ab ca. Ende 2008 dem Zeugen T übertragen war. Auch wenn der Geschäftsführer der Beklagten den Kläger zugleich als „wichtigen Tippgeber“ für den Zeugen T hinsichtlich der - bei richtiger Konzipierung der Hardware nach seinen Angaben regelmäßig zu 90 % übertragbaren - Softwareseite bezeichnete, stand damit für die Berufungskammer fest, dass der Kläger zwar für die Wartung und Betreuung des Datenloggers X zuständig war, - anders als der Zeuge T – aber die Erstellung eines Datenloggers der 3. G als Ergebnis seiner Arbeitstätigkeit gerade nicht arbeitsvertraglich geschuldet hat. Unabhängig davon setzt das Vorliegen einer Rechtsverletzung bezüglich urheberrechtlich geschützter Software bei Übereinstimmungen der Software in Teilbereichen voraus, dass urheberrechtlich geschützte Programmteile übernommen werden (LG Düsseldorf 12. Januar 2007 - 12 O 345/02 - Rn. 69; OLG Hamburg, CR 2001, 434, 435). Dass dies vorliegend bei der Erstellung des Datenloggers M+ im Hinblick auf den Datenlogger X der Beklagten der Fall gewesen ist, hat die Beklagte nicht substantiiert dargelegt. Auf die Ausführungen zu § 17 UWG unter A II 2.1.2. c) bb) (1) wird Bezug genommen.

96

2.2. Der Beklagten steht kein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 280 BGB iVm. § 241 Abs. 2BGB in Höhe von 26.500,00 Euro zu, was dem Abfindungsbetrag entspricht, den die Beklagte an den Zeugen T ausgekehrt hat. Die Berufungskammer nimmt insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts (IV der Entscheidungsgründe, S. 21 des Urteils = Bl. 373 f. d. A.) Bezug, macht sie sich zur Vermeidung von Wiederholungen zu Eigen und stellt dies ausdrücklich fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Auch die Einwendungen der Beklagten in der Berufung geben keinen Anlass zu einer anderen Betrachtung. Ungeachtet der Tatsache, dass es der Beklagten auch zweitinstanzlich bereits nicht gelungen ist, darzulegen, inwieweit der Zeuge T sich im Rahmen seines Beschäftigungsverhältnisses arbeitsvertraglicher Pflichtverletzungen schuldig gemacht hat, hinsichtlich derer der Kläger eine Aufklärungspflicht gehabt hätte, hat die Beklagte auch nicht weiter dargelegt, inwieweit ein Verhalten des Klägers kausal für die Abfindungszahlung gewesen sein sollte. Angesichts der Tatsache, dass die Beklagte selbst vorgetragen hat, sie habe den Zeugen T wegen seines Versagens im Aufgabenfeld Weiterentwicklung des Datenloggers, wegen eigenmächtiger Absprachen mit Kunden und wegen Verletzungen der Arbeitszeitregelung entlassen und mit ihm zur Vermeidung einer langwierigen Auseinandersetzung einen Aufhebungsvertrag mit Abfindung geschlossen, bestehen hieran jedenfalls erhebliche Zweifel. Ob - wie vom Kläger behauptet - die Abfindung im Hinblick auf die im Vergleich zum ursprünglichen Kündigungszeitpunkt frühere Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Zeugen T gezahlt worden ist, kann dahinstehen.

97

2.3. Der von der Beklagten im Rahmen der Widerklage zur Entscheidung gestellte Antrag zu 4), mit dem sie die Feststellung begehrt, dass der Kläger verpflichtet ist, ihr sämtlichen Schadens zu ersetzen, der ihr noch dadurch entstehen wird, dass der Kläger sich die Technologie der Beklagten zur Erstellung eines Multibusdatenloggers unbefugt verschafft hat, ist weder zulässig, noch - seine Zulässigkeit zu Gunsten der Beklagten unterstellt - begründet.

98

2.3.1. Der Antrag erweist sich bereits mangels hinreichender Bestimmtheit als nicht zulässig.

99

a) § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO verlangt (u. a.) einen „bestimmten Antrag“. Der Klageantrag bestimmt Art und Umfang des Rechtsschutzbegehrens. Er bindet das Gericht (§ 308 ZPO) und bestimmt durch Erfolg und Nichterfolg die Kostenfolge (§ 92 ZPO). Daher muss er, obwohl der Auslegung (§ 133 BGB) zugänglich, eindeutig sein. Es genügt nicht, dass sich aus der Klagebegründung oder einer Anlage der Gegenstand des Rechtsstreits erschließen lässt. Grundsätzlich ist ein Klageantrag hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret (beziffert oder gegenständlich) bezeichnet, den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) erkennbar abgrenzt, den Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt und das Risiko des (eventuell teilweisen) Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt(LAG Hessen 05. August 2014 - 13 Sa 795/13 -, Rn. 21, zitiert nach juris unter Verweis auf Zöller/Greger ZPO 30. Auflage 2014 § 253 Rn. 13 mwN.). Auch eine Feststellungsklage muss nach § 253 Abs 2 Nr. 2 ZPO die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Der Streitgegenstand und der Umfang der gerichtlichen Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis müssen klar umrissen sein (BAG 11. November 2009 - 7 AZR 387/08 - Rn. 11; 19. Februar 2008 - 9 AZR 70/07 - Rn. 16; jeweils zitiert nach juris), so dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann. Bei einer stattgebenden Entscheidung darf keine Unklarheit über den Umfang der Rechtskraft bestehen. Bei einer Feststellungsklage sind dabei grundsätzlich keine geringeren Anforderungen an die Bestimmtheit zu stellen als bei einer Leistungsklage (BAG 14. Dezember 2011 - 4 AZR 242/10 - Rn. 19 mwN, zitiert nach juris).

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b) Gemessen hieran ist der Antrag zu 4) nicht zulässig. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass bereits nicht klar umrissen ist, was unter dem Begriff der „Technologie der Beklagten zur Erstellung eines Multibusdatenloggers“ zu verstehen sein soll. Hierunter könnten Hard- und/oder Softwarekomponenten fallen, sowie einzelne Programme und zwar von Mitarbeitern der Beklagten selbst erstellte Programme oder aber auf dem allgemeinen Markt erhältliche zugekaufte Programme. Gleichermaßen ist nicht ersichtlich, welcher Multibusdatenlogger vom Antrag umfasst sein soll, da -wie dem Streit der Parteien zu entnehmen - Multibusdatenlogger verschiedener Generationen existieren. Ebenso bleibt unklar, auf welches konkrete schadensersatzbegründende Ereignis und Verhalten des Klägers sich der Antrag beziehen soll. Es erfolgt weder eine zeitliche, noch eine sächliche Eingrenzung.

101

2.3.2. Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten davon ausgehen wollte, dass der Klageantrag die Bestimmtheitserfordernisse des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erfüllt, steht der Beklagten die begehrte Feststellung in der Sache nicht zu. Die Beklagte hat weder schlüssig dargetan, dass ihr ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 BGB, 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB iVm. § 17 Abs. 1 und Abs. 2 UWG, § 1 UWG zusteht, weil der Kläger Betriebsgeheimnisse der Beklagten unbefugt verwertet hat, noch dass sie Ansprüche wegen Verletzung von Urheberrechten hat. Auf die diesbezüglichen Ausführungen unter A II 2.1.2. c) bb) wird Bezug genommen.

102

3. Soweit die Anregung der Beklagten, vorliegendes Verfahren bis zum Abschluss des gegen den Kläger wegen Prozessbetrugs bei der Staatsanwaltschaft Landau - 7... - geführten Verfahrens vorläufig ruhend zu stellen, als Aussetzungsantrag nach § 149 ZPO zu verstehen sein sollte, konnte dem Antrag nach alledem nicht stattgegeben werden. Unabhängig davon, dass die Beklagte bereits nicht im Einzelnen dargelegt hat, inwieweit nach dem rechtskräftigem Abschluss des ua. gegen den Kläger gerichteten Verfahrens wegen Wettbewerbsverletzung (§ 17 UWG) das Verfahren wegen Prozessbetruges vorliegend vorgreiflich sein soll, war jedenfalls nicht ersichtlich, dass ein zu erwartender Erkenntnisgewinn die weitere Verzögerung des bereits seit Ende 2009 anhängigen Zivilprozesses rechtfertigen würde, nachdem der Rechtsstreit bereits im Hinblick auf das frühere Strafverfahren vom 02. März 2010 bis 21. November 2011 und vom 13. Dezember 2011 bis 14. November 2013 im Einvernehmen mit den Parteien geruht hat.

B.

103

Die Kostenentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten.

104

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Teilurteil, 27. Jan. 2015 - 6 Sa 402/14

Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Teilurteil, 27. Jan. 2015 - 6 Sa 402/14

Referenzen - Gesetze

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Teilurteil, 27. Jan. 2015 - 6 Sa 402/14 zitiert 48 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 286 Verzug des Schuldners


#BJNR001950896BJNE027902377 (1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Z

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 253 Klageschrift


(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift). (2) Die Klageschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;2.die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Ansp

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag


(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund


(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unte

Zivilprozessordnung - ZPO | § 138 Erklärungspflicht über Tatsachen; Wahrheitspflicht


(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. (2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. (3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestrit

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis


(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen. (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Re

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 17a


(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden. (2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Am

Zivilprozessordnung - ZPO | § 308 Bindung an die Parteianträge


(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen. (2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch oh

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 4 Anrufung des Arbeitsgerichts


Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung er

Gewerbeordnung - GewO | § 106 Weisungsrecht des Arbeitgebers


Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder geset

Zivilprozessordnung - ZPO | § 322 Materielle Rechtskraft


(1) Urteile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist. (2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, da

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - UWG 2004 | § 1 Zweck des Gesetzes; Anwendungsbereich


(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb. (2) Vorschri

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 387 Voraussetzungen


Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 389 Wirkung der Aufrechnung


Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.

Strafprozeßordnung - StPO | § 153a Absehen von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen


(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen u

Zivilprozessordnung - ZPO | § 301 Teilurteil


(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teil

Zivilprozessordnung - ZPO | § 254 Stufenklage


Wird mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden, was der Beklagte aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis sc

Zivilprozessordnung - ZPO | § 260 Anspruchshäufung


Mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten können, auch wenn sie auf verschiedenen Gründen beruhen, in einer Klage verbunden werden, wenn für sämtliche Ansprüche das Prozessgericht zuständig und dieselbe Prozessart zulässig ist.

Handelsgesetzbuch - HGB | § 1


(1) Kaufmann im Sinne dieses Gesetzbuchs ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt. (2) Handelsgewerbe ist jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, daß das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erf

Zivilprozessordnung - ZPO | § 149 Aussetzung bei Verdacht einer Straftat


(1) Das Gericht kann, wenn sich im Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluss ist, die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen. (2) Das Geric

Handelsgesetzbuch - HGB | § 74


(1) Eine Vereinbarung zwischen dem Prinzipal und dem Handlungsgehilfen, die den Gehilfen für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt (Wettbewerbsverbot), bedarf der Schriftform und der Aushändigung

Handelsgesetzbuch - HGB | § 17


(1) Die Firma eines Kaufmanns ist der Name, unter dem er seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt. (2) Ein Kaufmann kann unter seiner Firma klagen und verklagt werden.

Handelsgesetzbuch - HGB | § 60


(1) Der Handlungsgehilfe darf ohne Einwilligung des Prinzipals weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in dem Handelszweige des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen. (2) Die Einwilligung zum Betrieb eines Handelsgewerbes gi

Arzneimittelgesetz - AMG 1976 | § 84 Gefährdungshaftung


(1) Wird infolge der Anwendung eines zum Gebrauch bei Menschen bestimmten Arzneimittels, das im Geltungsbereich dieses Gesetzes an den Verbraucher abgegeben wurde und der Pflicht zur Zulassung unterliegt oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 65 Beschränkung der Berufung


Das Berufungsgericht prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg und die Verfahrensart zulässig sind und ob bei der Berufung der ehrenamtlichen Richter Verfahrensmängel unterlaufen sind oder Umstände vorgelegen haben, die die Berufung eines ehrenamtli

Urheberrechtsgesetz - UrhG | § 69 Berechnung der Fristen


Die Fristen dieses Abschnitts beginnen mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem das für den Beginn der Frist maßgebende Ereignis eingetreten ist.

Handelsgesetzbuch - HGB | § 61


(1) Verletzt der Handlungsgehilfe die ihm nach § 60 obliegende Verpflichtung, so kann der Prinzipal Schadensersatz fordern; er kann statt dessen verlangen, daß der Handlungsgehilfe die für eigene Rechnung gemachten Geschäfte als für Rechnung des Prin

Arzneimittelgesetz - AMG 1976 | § 84a Auskunftsanspruch


(1) Liegen Tatsachen vor, die die Annahme begründen, dass ein Arzneimittel den Schaden verursacht hat, so kann der Geschädigte von dem pharmazeutischen Unternehmer Auskunft verlangen, es sei denn, dies ist zur Feststellung, ob ein Anspruch auf Schade

Urheberrechtsgesetz - UrhG | § 69b Urheber in Arbeits- und Dienstverhältnissen


(1) Wird ein Computerprogramm von einem Arbeitnehmer in Wahrnehmung seiner Aufgaben oder nach den Anweisungen seines Arbeitgebers geschaffen, so ist ausschließlich der Arbeitgeber zur Ausübung aller vermögensrechtlichen Befugnisse an dem Computerprog

Referenzen - Urteile

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Teilurteil, 27. Jan. 2015 - 6 Sa 402/14 zitiert oder wird zitiert von 23 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Teilurteil, 27. Jan. 2015 - 6 Sa 402/14 zitiert 21 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 18. Apr. 2002 - VII ZR 260/01

bei uns veröffentlicht am 18.04.2002

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VII ZR 260/01 Verkündet am: 18. April 2002 Seelinger-Schardt, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein

Bundesgerichtshof Urteil, 29. März 2011 - VI ZR 117/10

bei uns veröffentlicht am 29.03.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 117/10 Verkündet am: 29. März 2011 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 02. Juli 2007 - II ZR 111/05

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL UND VERSÄUMNISURTEIL II ZR 111/05 Verkündet am: 2. Juli 2007 Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Bundesgerichtshof Urteil, 02. März 2000 - III ZR 65/99

bei uns veröffentlicht am 02.03.2000

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 65/99 Verkündet am: 2. März 2000 F r e i t a g Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja --------------

Bundesarbeitsgericht Urteil, 20. Nov. 2014 - 2 AZR 651/13

bei uns veröffentlicht am 20.11.2014

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12. Juni 2013 - 7 Sa 1878/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 11. Nov. 2014 - 6 Sa 243/14

bei uns veröffentlicht am 11.11.2014

Tenor I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 22. Januar 2014 - 1 Ca 1364/13 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen. II. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Die Par

Bundesarbeitsgericht Urteil, 23. Okt. 2014 - 2 AZR 644/13

bei uns veröffentlicht am 23.10.2014

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 20. März 2013 - 6 Sa 617/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 31. Juli 2014 - 2 AZR 407/13

bei uns veröffentlicht am 31.07.2014

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarland vom 12. September 2012 - 2 Sa 7/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 10. Apr. 2014 - 2 AZR 684/13

bei uns veröffentlicht am 10.04.2014

Tenor 1. Die Revision des Klägers und die Anschlussrevision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - vom 20. Juni 2013 - 11 Sa

Bundesarbeitsgericht Urteil, 21. Nov. 2013 - 2 AZR 797/11

bei uns veröffentlicht am 21.11.2013

Tenor 1. Die Anschlussrevision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. Juli 2011 - 10 Sa 1781/10 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 21. Feb. 2013 - 2 AZR 433/12

bei uns veröffentlicht am 21.02.2013

Tenor 1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 17. Februar 2012 - 4 Sa 519/10 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Versäumnisurteil, 16. Jan. 2013 - 10 AZR 560/11

bei uns veröffentlicht am 16.01.2013

Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. Mai 2011 - 11 Sa 27/11 - aufgehoben, soweit es die Berufung des Klägers gegen das U

Bundesarbeitsgericht Urteil, 17. Okt. 2012 - 10 AZR 809/11

bei uns veröffentlicht am 17.10.2012

Tenor 1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 12. September 2011 - 9 Sa 45/11 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11

bei uns veröffentlicht am 16.05.2012

Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 14. Oktober 2010 - 6 Sa 343/10 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 18. Apr. 2012 - 5 AZR 248/11

bei uns veröffentlicht am 18.04.2012

Tenor 1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 9. November 2010 - 14 Sa 945/10 - aufgehoben, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, a

Bundesarbeitsgericht Urteil, 22. Feb. 2012 - 4 AZR 527/10

bei uns veröffentlicht am 22.02.2012

Tenor 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 4. Juni 2010 - 9 Sa 2699/09 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antra

Bundesarbeitsgericht Urteil, 14. Dez. 2011 - 4 AZR 242/10

bei uns veröffentlicht am 14.12.2011

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. November 2009 - 8 Sa 463/09 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 09. Juni 2011 - 2 AZR 323/10

bei uns veröffentlicht am 09.06.2011

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. Oktober 2009 - 11 Sa 511/09 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 27. Jan. 2011 - 2 AZR 825/09

bei uns veröffentlicht am 27.01.2011

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. August 2009 - 19/3 Sa 575/08 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 28. Jan. 2010 - 2 AZR 1008/08

bei uns veröffentlicht am 28.01.2010

Tenor 1. Die Revisionen der Beklagten und der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. November 2008 - 11 Sa 820/08 - werden zurückgewiesen.

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 17. Sept. 2008 - 9 Ta 169/08

bei uns veröffentlicht am 17.09.2008

Tenor Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz –Auswärtige Kammern Neuwied- vom 11.6.2008, Az. 9 Ca 883/08- wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Gründe I. 1 Die beabsichtigte...
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Teilurteil, 27. Jan. 2015 - 6 Sa 402/14.

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 08. Dez. 2016 - 6 Sa 168/16

bei uns veröffentlicht am 08.12.2016

Tenor I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 03. März 2016 - 2 Ca 1008/15 - teilweise abgeändert und insgesamt der Klarstellung halber wie folgt neu gefasst: 1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kl

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 01. Sept. 2016 - 5 Sa 83/16

bei uns veröffentlicht am 01.09.2016

weitere Fundstellen ... Diese Entscheidung wird zitiert Tenor 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 15. Oktober 2015, Az. 1 Ca 617/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2. Die Revision w

Referenzen

(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,

1.
zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen,
2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen,
3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen,
4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen,
5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben,
6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder
7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
Zur Erfüllung der Auflagen und Weisungen setzt die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten eine Frist, die in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 3, 5 und 7 höchstens sechs Monate, in den Fällen des Satzes 2 Nummer 4 und 6 höchstens ein Jahr beträgt. Die Staatsanwaltschaft kann Auflagen und Weisungen nachträglich aufheben und die Frist einmal für die Dauer von drei Monaten verlängern; mit Zustimmung des Beschuldigten kann sie auch Auflagen und Weisungen nachträglich auferlegen und ändern. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen, so kann die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen nicht, so werden Leistungen, die er zu ihrer Erfüllung erbracht hat, nicht erstattet. § 153 Abs. 1 Satz 2 gilt in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 6 entsprechend. § 246a Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.

(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.

(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.

(1) Kaufmann im Sinne dieses Gesetzbuchs ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt.

(2) Handelsgewerbe ist jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, daß das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12. Juni 2013 - 7 Sa 1878/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin seit 1996 als Kfz-Mechaniker tätig. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer.

3

Am 27. Juli 2012 betrat der Kläger die Sozialräume der Beklagten, um sich umzuziehen. Er traf dort auf die ihm bislang unbekannte Mitarbeiterin eines externen Reinigungsunternehmens. Bei seinem Eintreffen lehnte diese - Frau M. - in der Tür zwischen Wasch- und Umkleideraum und unterhielt sich mit zwei Kollegen des Klägers, die sich im Waschraum befanden. Dorthin begab sich auch der Kläger. Nachdem die beiden Kollegen die Räumlichkeiten verlassen hatten, führten der Kläger - während er sich Hände und Gesicht wusch - und Frau M. ein Gespräch. In dessen Verlauf stellte diese sich zunächst vor das Waschbecken und anschließend neben den Kläger. Der Kläger sagte zu ihr, sie habe einen schönen Busen und berührte sie an einer Brust. Frau M. erklärte, dass sie dies nicht wünsche. Der Kläger ließ sofort von ihr ab. Er zog sich um und verließ den Sozialraum. Frau M. arbeitete weiter. Sie schilderte den Vorfall später ihrem Arbeitgeber, der seinerseits an die Beklagte herantrat.

4

Am 31. Juli 2012 bat die Beklagte den Kläger zu einem Gespräch. Er gestand den Vorfall ein und erklärte, er habe sich eine Sekunde lang vergessen. „Die Sache“ tue ihm furchtbar leid. Er schäme sich, so etwas werde sich nicht wiederholen.

5

Mit Schreiben vom 31. Juli 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich mit sofortiger Wirkung.

6

In der Folge richtete der Kläger ein Entschuldigungsschreiben an Frau M. Er führte mit ihr unter Zahlung eines Schmerzensgelds einen Täter-Opfer-Ausgleich herbei. Frau M. nahm seine Entschuldigung an und versicherte, die Angelegenheit sei damit für sie erledigt. Sie habe kein Interesse mehr an einer Strafverfolgung. Das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

7

Der Kläger hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat vorgetragen, er habe - subjektiv unstreitig - den Eindruck gehabt, Frau M. habe mit ihm geflirtet. Dann sei es zu einem plötzlichen „Blackout“ gekommen und er habe sich zu dem im Rückblick unverständlichen Übergriff hinreißen lassen. So unentschuldbar sein Fehlverhalten sei, so rechtfertige es doch keine außerordentliche Kündigung. Es habe sich um einen einmaligen „Ausrutscher“ gehandelt. Eine Abmahnung sei als Reaktion der Beklagten ausreichend gewesen.

8

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 31. Juli 2012 nicht aufgelöst worden ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe durch seine Bemerkung und die anschließende Berührung zwei eigenständige sexuelle Belästigungen begangen. Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzungen sei die fristlose Kündigung gerechtfertigt. Sie - die Beklagte - sei verpflichtet, sowohl ihr eigenes als auch das weibliche Personal des externen Unternehmens vor weiteren sexuellen Belästigungen durch den Kläger zu schützen. Dessen Entschuldigungen seien lediglich unter dem Druck der ausgesprochenen Kündigung erfolgt.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet.

12

A. Die außerordentliche Kündigung vom 31. Juli 2012 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

13

I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 39; 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 15, BAGE 146, 203).

14

II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht einen „an sich“ wichtigen Grund angenommen. Der Kläger hat seine arbeitsvertraglichen Pflichten in erheblicher Weise verletzt. Er hat Frau M. sexuell belästigt.

15

1. Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den konkreten Umständen, ua. von ihrem Umfang und ihrer Intensität (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 16 mwN).

16

2. Der Kläger hat Frau M. sowohl verbal als auch körperlich sexuell belästigt.

17

a) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch sexuell bestimmte körperliche Berührungen und Bemerkungen sexuellen Inhalts gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein etwa von Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen(BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 18 mwN).

18

b) Bei der Aussage, Frau M. habe einen schönen Busen, handelte es sich nicht um ein sozialadäquates Kompliment, sondern um eine unangemessene Bemerkung sexuellen Inhalts. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts tragen indes - entgegen der Ansicht der Revision - nicht die Annahme, der Kläger habe zum Ausdruck bringen wollen, Frau M. stelle in anzüglicher Weise ihre Reize zur Schau oder solle dies für ihn tun (zu einem solchen Fall vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 21). In der anschließenden Berührung lag ein sexuell bestimmter Eingriff in die körperliche Intimsphäre von Frau M. Sowohl die Bemerkung als auch die folgende Berührung waren objektiv unerwünscht. Dies war für den Kläger erkennbar (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 22). Unmaßgeblich ist, wie er selbst sein Verhalten zunächst eingeschätzt und empfunden haben mag und verstanden wissen wollte (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 24). Mit seinen erkennbar unerwünschten Handlungen hat der Kläger iSv. § 3 Abs. 4 AGG die Würde von Frau M. verletzt und sie zum Sexualobjekt erniedrigt.

19

III. Obschon der Kläger Frau M. sexuell belästigt hat, ist es der Beklagten zuzumuten, ihn weiter zu beschäftigen. Nach den Umständen des Streitfalls hätte eine Abmahnung als Reaktion von ihrer Seite ausgereicht.

20

1. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen.

21

a) Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 47; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 15 mwN).

22

b) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist(BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 47; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 16).

23

c) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird zudem durch § 12 Abs. 3 AGG konkretisiert. Danach hat der Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, zu denen auch sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG gehören, die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen - wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung - zu ergreifen. Welche Maßnahmen er als verhältnismäßig ansehen darf, hängt von den konkreten Umständen ab. § 12 Abs. 3 AGG schränkt das Auswahlermessen allerdings insoweit ein, als der Arbeitgeber die Benachteiligung zu „unterbinden“ hat. Geeignet iSd. Verhältnismäßigkeit sind daher nur solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, dh. eine Wiederholung ausschließen (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 28 mwN).

24

d) Dem Berufungsgericht kommt bei der Prüfung und Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz lediglich daraufhin überprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 42 mwN).

25

2. Das Landesarbeitsgericht hat die Abwägung fehlerfrei vorgenommen. Es hat die Kündigung als unverhältnismäßig angesehen. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, den Kläger vorrangig abzumahnen. Diese Würdigung liegt innerhalb des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums. Es liegen keine Umstände vor, die zu der Annahme berechtigten, selbst nach einer Abmahnung sei von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Die in Rede stehende Pflichtverletzung des Klägers wiegt auch nicht so schwer, dass eine Abmahnung aus diesem Grund entbehrlich gewesen wäre.

26

a) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass eine Abmahnung nicht deshalb verzichtbar war, weil bereits ex ante erkennbar gewesen wäre, dass eine Verhaltensänderung auch nach Abmahnung in Zukunft nicht zu erwarten stand.

27

aa) Es ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht unfähig sei, sein Verhalten zu ändern. Mit dem Hinweis auf einen unerklärlichen „Blackout“ wollte er ausdrücken, dass es sich bei seiner Handlungsweise um ein ihm wesensfremdes, einmaliges „Augenblicksversagen“ gehandelt habe. Es spricht nichts dafür, dass der Kläger sich noch einmal irrtümlich einbilden könnte, „angeflirtet“ zu werden, und auf eine solche Annahme erneut in vergleichbarer Weise reagieren müsste. Ersichtlich war er imstande, seine Fehleinschätzung sofort zu erkennen und entsprechend dieser Einsicht zu handeln, nämlich augenblicklich von Frau M. abzulassen.

28

bb) Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Kläger auch nicht unwillig sei, sein Verhalten zu ändern.

29

(1) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landesarbeitsgericht durchaus erkannt, dass es sich um eine mehraktige sexuelle Belästigung von sich steigernder Intensität gehandelt hat. Es ist allerdings angesichts des unstreitigen Geschehensablaufs von einer natürlichen Handlungseinheit ausgegangen und hat dem Kläger zugutegehalten, dass er sich über die Unerwünschtheit seines Verhaltens geirrt und dieses nach Erkennen seiner Fehleinschätzung sofort beendet habe. Daraus hat es den Schluss gezogen, der Kläger werde in dieser Weise künftig nicht mehr vorgehen und genauer zwischen eigenen Beobachtungen und subjektiven Schlussfolgerungen unterscheiden (vgl. dazu BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 43). Dies ist ohne Einschränkung vertretbar. Der Kläger hat nicht etwa notorisch Grenzen überschritten. Sein Verhalten ist nicht zu vergleichen mit dem des Klägers in der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 9. Juni 2011 (- 2 AZR 323/10 -). Dieser war bereits einschlägig abgemahnt und hatte einer Mitarbeiterin gleichwohl über mehrere Tage in immer neuen Varianten bei unterschiedlichsten Gelegenheiten trotz von ihm erkannter ablehnender Haltung zugesetzt und damit für diese ein Arbeitsumfeld geschaffen, in dem sie jederzeit mit weiteren entwürdigenden Anzüglichkeiten rechnen musste.

30

(2) Das Landesarbeitsgericht hat sich aufgrund der gesamten Umstände des Streitfalls die Überzeugung iSv. § 286 Abs. 1 ZPO gebildet, bereits durch eine Abmahnung werde eine Wiederholung iSv. § 12 Abs. 3 AGG „ausgeschlossen“. Es hat diese Überzeugung darauf gestützt, dass es sich um den ersten Vorfall nach langjähriger, beanstandungsfreier Beschäftigung gehandelt und der Kläger in dem Gespräch am 31. Juli 2012 sein Fehlverhalten ohne Zögern eingeräumt habe, obwohl er es aufgrund der „Vier-Augen-Situation“ im Waschraum möglicherweise erfolgreich hätte abstreiten können. Aus seiner Erklärung im Personalgespräch mit der Beklagten, der Vorfall tue ihm furchtbar leid und er schäme sich dafür, hat es den Schluss gezogen, dass der Kläger über sein Verhalten ehrlich erschrocken gewesen sei. In diese Richtung wiesen auch das Entschuldigungsschreiben und die Herbeiführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs unter Zahlung eines Schmerzensgelds.

31

(3) Die Revision setzt dieser vertretbaren Würdigung nur ihre eigene Bewertung entgegen. Rechtsfehler zeigt sie nicht auf. Ein solcher liegt nicht darin, dass das Landesarbeitsgericht entschuldigendes Verhalten berücksichtigt hat, das der Kläger erst auf Vorhalt der Beklagten und unter dem Eindruck einer - drohenden - Kündigung und eines - drohenden - Strafverfahrens gezeigt hat. Zwar wirkt sich „Nachtatverhalten“ vor Zugang der Kündigung unter diesen Umständen nur schwach entlastend aus (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 39). Jedoch kann es zumindest dann die Annahme fehlender Wiederholungsgefahr stützen, wenn es sich um die Fortsetzung einer zuvor gezeigten Einsicht handelt (zur Berücksichtigung nachträglich eingetretener Umstände vgl. allgemein BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 53, BAGE 134, 349). Das Landesarbeitsgericht durfte aufgrund seines Verhaltens nach der Zurückweisung durch Frau M. davon ausgehen, dass der Kläger noch vor dem Gespräch mit der Beklagten sein Fehlverhalten und dessen Schwere erkannt und - auch ausweislich seiner späteren Bemühungen - seine „Lektion“ schon von sich aus so weit gelernt hatte, dass eine Abmahnung ihr Übriges zum Ausschluss einer Wiederholungsgefahr getan hätte.

32

b) Das Landesarbeitsgericht hat nicht ausdrücklich geprüft, ob es einer Abmahnung deshalb nicht bedurfte, weil es sich um eine solch schwere Pflichtverletzung handelte, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar war. In der Sache hat es diese Prüfung bei der abschließenden Interessenabwägung vorgenommen. Eine eigene Beurteilung durch das Revisionsgericht ist insoweit möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und - wie hier - alle relevanten Tatsachen feststehen (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 31 mwN).

33

aa) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angeführt, dass es sich um eine einmalige Entgleisung gehandelt und der Kläger keinen Belästigungswillen gehabt habe. Er habe sich über die Unerwünschtheit seines Verhaltens geirrt (vgl. dazu BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 38).

34

bb) Entgegen der Annahme der Revision hat das Landesarbeitsgericht den Irrtum des Klägers nicht für unverschuldet erachtet oder gar Frau M. für diesen verantwortlich gemacht. Es hat weder den Gesprächsinhalt als verfänglich eingestuft, noch Frau M. die räumliche Annäherung vorgeworfen. Es ist nicht davon ausgegangen, dass sie ihrerseits die Privatsphäre des Klägers tangiert oder ein „Umschlagen“ der Situation provoziert habe. Das Landesarbeitsgericht durfte indes auch eine vermeidbare Fehleinschätzung zugunsten des Klägers berücksichtigen (vgl. BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 44; 14. Februar 1996 - 2 AZR 274/95 - zu II 4 der Gründe).

35

c) Da eine Abmahnung schon aus diesem Grunde nicht entbehrlich war, kommt es nicht mehr darauf an, dass das Landesarbeitsgericht auch die weitere Interessenabwägung angesichts des Irrtums über die Unerwünschtheit seines Verhaltens, der langen, beanstandungsfreien Beschäftigungszeit, des Einräumens der Pflichtverletzung trotz des Fehlens von Zeugen, der Entschuldigung und der Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs unter Zahlung eines Schmerzensgelds rechtsfehlerfrei zugunsten des Klägers vorgenommen hat. Das Beendigungsinteresse der Beklagten überwiegt nicht etwa aufgrund einer Drucksituation (vgl. dazu ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 626 BGB Rn. 185; ErfK/Oetker 14. Aufl. § 1 KSchG Rn. 142 ff.; Deinert RdA 2007, 275, 278). Es ist nicht ersichtlich, dass der Arbeitgeber von Frau M. als Auftragnehmer der Beklagten von dieser eine bestimmte Reaktion gegenüber dem Kläger gefordert hätte.

36

B. Eine Umdeutung (§ 140 BGB) in eine ordentliche Kündigung kommt nicht in Betracht. Eine solche wäre durch das Verhalten des Klägers nicht iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen (vgl. BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 38).

37

C. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Niemann    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

Tenor

1. Die Revision des Klägers und die Anschlussrevision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - vom 20. Juni 2013 - 11 Sa 159/12 - werden - unter Aufhebung bzw. Abänderung der gerichtlichen Kostenaussprüche - zurückgewiesen.

2. Die Kosten des gesamten Rechtsstreits haben die Parteien je zur Hälfte zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und einer hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger war seit 2005 bei der beklagten Bundesagentur als Sachbearbeiter „Leistungsgewährung im Bereich SGB II“ beschäftigt. Im Jahr 2001 war er zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und Beihilfe hierzu verurteilt worden. Die Vollstreckung war zur Bewährung ausgesetzt und im Jahr 2003 erlassen worden.

3

Mit Schreiben vom 18. Juli 2011 teilte die Staatsanwaltschaft der Beklagten unter Beifügung der Anklageschrift mit, der Kläger werde gemeinsam mit einer anderen Person beschuldigt, unerlaubten Handel mit Kokain betrieben zu haben.

4

Am 15. August 2011 kam es zu einem Gespräch der Parteien. Der Kläger bestritt den ihm zur Last gelegten Sachverhalt und behauptete, weder mit Betäubungsmitteln gehandelt noch solche konsumiert zu haben. Aus der früheren Verurteilung habe er seine Lehren gezogen und alle Kontakte zum bisherigen Freundeskreis abgebrochen.

5

Aufgrund eines weitgehenden Geständnisses wurde der Kläger am 26. Januar 2012 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Davon setzte der Kläger die Beklagte am selben Tag in Kenntnis.

6

Mit Schreiben vom 6. Februar 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien nach Anhörung des Personalrats fristlos, mit Schreiben vom 28. Februar 2012 - nach weiterer Anhörung des Personalrats - ordentlich zum 30. Juni 2012.

7

Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigungen gewandt. Er hat gemeint, Straftaten aus dem privaten Bereich seien nicht geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen. Weder liege ein dienstlicher Bezug vor, noch schädigten die Taten das Ansehen der Beklagten in der Öffentlichkeit. Die Behauptung der Beklagten, er habe sich am 13. Juli 2010 an seinem Arbeitsplatz mit seinem Zwischenhändler getroffen, um dort Betäubungsmittelgeschäften nachzugehen, sei unrichtig. Aus den Straftaten ergebe sich auch kein Eignungsmangel. Überdies sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß angehört worden. Die Beklagte habe ihm die zur Begründung der Kündigungen herangezogenen Auszüge aus den Ermittlungsakten nicht vorgelegt.

8

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung vom 6. Februar 2012 noch durch die ordentliche Kündigung vom 28. Februar 2012 aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn als Sachbearbeiter Leistungsgewährung im Bereich SGB II gegen eine Vergütung nach der Tarifgruppe TE IV, Tarifstufe 2 weiter zu beschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, die neuerlichen Straftaten stellten einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Jedenfalls vermöchten sie eine ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen. Der Kläger habe sich schwerwiegender Pflichtverletzungen schuldig gemacht, die einen dienstlichen Bezug hätten. Er habe am 8. Juni 2010 mittels elektronischer Kurznachricht (SMS) die Übergabe von Geld für Rauschgiftgeschäfte vereinbart. Diese sei am folgenden Tag verabredungsgemäß an seinem Arbeitsplatz erfolgt. Überdies habe er jemandem Betäubungsmittel verkauft, der im gleichen Zeitraum Leistungen von ihrer Seite bezogen habe. Am 13. Juli 2010 sei er von seinem Zwischenhändler am Arbeitsplatz aufgesucht worden und dort illegalen Geschäften nachgegangen. Durch die Straftaten sei ihr Ansehen in der Öffentlichkeit beschädigt worden. Aus der Verurteilung und den ihr zugrundeliegenden Taten folge überdies, dass der Kläger für eine weitere Tätigkeit bei ihr nicht geeignet sei.

10

Die Vorinstanzen haben die außerordentliche Kündigung für unwirksam, die ordentliche für sozial gerechtfertigt gehalten. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Mit ihrer Anschlussrevision erstrebt die Beklagte die umfassende Klageabweisung.

Entscheidungsgründe

11

A. Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Kündigung vom 28. Februar 2012 ist iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Zwar ist sie nicht durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt (I.). Sie ist jedoch aus Gründen in seiner Person berechtigt (II.).

12

I. Die Kündigung ist nicht aus Gründen im Verhalten des Klägers berechtigt.

13

1. Eine Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers „bedingt“, wenn dieser seine Vertragspflichten erheblich - in der Regel schuldhaft - verletzt hat und eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die - fristgemäße - Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Im Vergleich mit einer fristgemäßen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere Versetzung und Abmahnung in Betracht. Ein kündigungsrelevantes Verhalten liegt nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer eine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt hat. Auch die erhebliche Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht kann eine Kündigung sozial rechtfertigen. Eine Nebenpflicht kann auch durch eine außerdienstliche Straftat verletzt werden (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 583/12 - Rn. 24; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 12).

14

2. Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei eines Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Der Arbeitnehmer hat seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann. Er ist danach auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Durch ein rechtswidriges außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers werden berechtigte Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat. Dies gilt auch für eine außerdienstlich begangene Straftat. Der Arbeitnehmer verstößt mit einer solchen Tat gegen seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB, wenn sie einen Bezug zu seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen oder zu seiner Tätigkeit hat und dadurch berechtigte Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer verletzt werden (BAG 26. September 2013 - 2 AZR 741/12 - Rn. 15). Diese Grundsätze gelten nach der Ablösung des BAT durch den TVöD bzw. den TV-L auch im öffentlichen Dienst (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 583/12 - Rn. 26).

15

3. Danach durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, der Kläger habe durch die begangenen Straftaten seine Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB verletzt.

16

a) Die Straftaten, wegen derer der Kläger am 26. Januar 2012 verurteilt worden ist, hat er sämtlich nach dem 15. Juli 2010 begangen. Ihnen fehlt es an einem Bezug zum Arbeitsverhältnis der Parteien. Dass der Kläger die Taten im zeitlichen oder räumlichen Zusammenhang mit seinem Arbeitsverhältnis begangen hätte, ist weder festgestellt noch ersichtlich.

17

b) Allein der Umstand, dass der Kläger - möglicherweise - gewusst hat, dass einer der Rauschgiftkunden seines Mittäters Leistungen von Seiten der Beklagten bezogen hat, ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts zur Begründung des erforderlichen Bezugs nicht ausreichend. Der Kläger kannte diesen „Kunden“ bereits seit längerer Zeit. Die Bekanntschaft war - soweit ersichtlich - nicht durch einen dienstlichen Kontakt vermittelt worden. Der „Kunde“ bezog überdies Leistungen nach dem SGB III, während der Kläger im Bereich der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II tätig war. Auch hat der Kläger diesen Umstand nicht genutzt, um die Beziehung zu pflegen oder gar zu intensivieren. Das Verhältnis zwischen ihm und dem „Kunden“ hat keine Berührungspunkte mit seiner dienstlichen Tätigkeit.

18

c) Ein hinreichender Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis wäre gegeben, wenn der Kläger - wie das Landesarbeitsgericht gemeint hat - das Dienstgebäude und/oder seine Arbeitszeit zur Abwicklung von Rauschmittelgeschäften genutzt oder dort bzw. während ihrer entsprechende Verabredungen getroffen hätte. Ob es sich tatsächlich so verhielt, kann dahinstehen. Die Beklagte ist mit ihrem entsprechenden Vortrag materiell-rechtlich ausgeschlossen. Insoweit fehlt es an einer ordnungsgemäßen Anhörung des Personalrats.

19

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe seinem Kokainlieferanten per SMS vom 8. Juni 2010 angeboten, Geld für den Handel in den Räumlichkeiten der Beklagten zu übergeben. Dieses Verhalten begründe einen Bezug zum Arbeitsverhältnis. Auf die Frage, ob sich der Kläger auch am 13. Juli 2010 mit seinem Lieferanten am Arbeitsplatz getroffen habe, komme es nicht mehr an.

20

bb) Diese Vorwürfe - ihre Berechtigung unterstellt - können bei der rechtlichen Würdigung keine Berücksichtigung finden. Die Beklagte hat den Personalrat zu ihnen nicht angehört.

21

(1) Nach § 79 Abs. 1 Satz 1 BPersVG ist der Personalrat vor der ordentlichen Kündigung eines Angestellten anzuhören. Die Dienststelle hat die beabsichtigte Maßnahme nach § 68 Abs. 2 Satz 1 BPersVG ihm gegenüber zu begründen. Gemäß § 79 Abs. 4 BPersVG ist eine durch den Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung unwirksam, wenn die Personalvertretung nicht beteiligt worden ist.

22

(2) Die Unterrichtung des Personalrats soll diesem die Möglichkeit eröffnen, sachgerecht zur Kündigungsabsicht Stellung zu nehmen. Dazu ist es notwendig, dass der Dienstherr dem Personalrat die für ihn - den Dienstherrn - maßgeblichen Kündigungsgründe mitteilt. Der Personalrat ist ordnungsgemäß unterrichtet, wenn der Dienstherr ihm die aus seiner subjektiven Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 46; zu § 102 BetrVG: BAG 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - Rn. 13 mwN). Darauf, ob diese Umstände auch objektiv geeignet und ausreichend sind, die Kündigung zu stützen, kommt es für die Ordnungsgemäßheit der Unterrichtung nicht an (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - aaO). Fehlerhaft ist die Unterrichtung, wenn der Dienstherr dem Personalrat bewusst unrichtige oder unvollständige Sachverhalte unterbreitet oder einen für dessen Entschließung wesentlichen, insbesondere einen den Arbeitnehmer entlastenden Umstand verschweigt.

23

(3) Waren dem Arbeitgeber bei Zugang der Kündigung bestimmte Tatsachen nicht bekannt, darf er diese im Rechtsstreit zur Begründung der Kündigung zwar nachschieben, muss aber vorher den Personalrat zu ihnen - erneut - angehört haben. Einer weiteren Anhörung bedarf es nicht, wenn die neuen Tatsachen lediglich der Erläuterung und Konkretisierung der bisherigen, dem Personalrat bereits mitgeteilten Kündigungsgründe dienen (vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 576/09 - Rn. 11; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 34, BAGE 131, 155). Das ist regelmäßig nicht der Fall, wenn die neuen Tatsachen dem mitgeteilten Kündigungssachverhalt erstmals das Gewicht eines Kündigungsgrundes geben oder weitere, selbständig zu würdigende Kündigungssachverhalte betreffen. Das gilt auch dann, wenn der Personalrat der Kündigung zugestimmt hat (vgl. BAG 26. September 1991 - 2 AZR 132/91 - zu III 1 a, b der Gründe).

24

(4) Danach durfte das Landesarbeitsgericht den Vortrag der Beklagten, der Kläger habe sich mit seinem Zwischenhändler zwecks Geldübergabe am Arbeitsplatz getroffen, nicht zur Begründung der Kündigung heranziehen. Über diesen Sachverhalt hatte die Beklagte den Personalrat nicht informiert. Sie hatte ihm mitgeteilt, sie sehe das Vertrauensverhältnis zum Kläger als zerrüttet an, weil dieser vor seiner Verurteilung seine Unschuld beteuert habe. Damit war der Personalrat zwar über die Straftaten unterrichtet, welche Gegenstand der Verurteilung vom 26. Januar 2012 waren. Bei ihnen handelte es sich jedoch sämtlich um Delikte, die zwischen dem 15. Juli und dem 28. August 2010 begangen worden waren. Die im vorliegenden Zusammenhang erhobenen Vorwürfe betreffen demgegenüber den Zeitraum davor und damit Sachverhalte, die von der Verurteilung nicht erfasst sind. Ihre Einführung durch die Beklagte diente auch nicht nur der Konkretisierung der dem Personalrat schon mitgeteilten Kündigungsgründe. Vielmehr vermöchten erst diese dem Verhalten des Klägers das Gewicht eines Kündigungsgrundes zu verleihen, da allenfalls sie geeignet sind, den notwendigen Bezug zum Arbeitsverhältnis herzustellen. Eine gesonderte Anhörung zu diesen Vorwürfen war deshalb nicht entbehrlich.

25

II. Die Kündigung vom 28. Februar 2012 ist durch Gründe in der Person des Klägers bedingt. Dem Kläger fehlt die notwendige Eignung zur Ausübung seiner Tätigkeit.

26

1. Durch § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 KSchG wird dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn der Arbeitnehmer die erforderliche Eignung oder Fähigkeit nicht (mehr) besitzt, die geschuldete Arbeitsleistung vertragsgerecht zu erbringen. Auch strafbares außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers kann Zweifel an der Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit eines Beschäftigten begründen. Sie können dazu führen, dass es ihm - abhängig von seiner Funktion - an der Eignung für die künftige Erledigung seiner Aufgaben mangelt. Ob daraus ein in der Person liegender Kündigungsgrund folgt, hängt von der Art des Delikts, den konkreten Arbeitspflichten des Arbeitnehmers und seiner Stellung im Betrieb ab. So können außerdienstlich begangene Straftaten eines im öffentlichen Dienst mit hoheitlichen Aufgaben betrauten Arbeitnehmers auch dann zu einem Eignungsmangel führen, wenn es an einem unmittelbaren Bezug zum Arbeitsverhältnis fehlt. Generelle Wertungen lassen sich nicht treffen. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 583/12 - Rn. 14; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 24, BAGE 132, 72).

27

2. Der Kläger war im Bereich der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II und damit in hoheitlicher Funktion mit Publikumsverkehr tätig. Der private - illegale - Vertrieb von Rauschmitteln ist mit dieser Aufgabe nicht vereinbar.

28

a) Die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben in der öffentlichen Verwaltung erfordert eine jederzeit integre und gewissenhafte Ausübung der Tätigkeit. Außerdienstliches strafbares Verhalten vermag die Besorgnis zu begründen, der Arbeitnehmer könne auch im dienstlichen Zusammenhang mit den gesetzlichen Vorgaben in Konflikt geraten. Dadurch wird das erforderliche Vertrauen der Bürger in die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung erschüttert.

29

b) Diese Besorgnis bestand im Streitfall umso mehr, als der Kläger die Straftaten im regionalen Zuständigkeitsbereich seiner Dienststelle begangen hat. Dadurch ist es nicht ausgeschlossen, dass sich der Personenkreis, mit dem er dienstlich Kontakt hat, und der, mit dem er strafrechtlich relevante Beziehungen pflegt, überschneiden. Jedenfalls in der Person seines Mittäters hatte sich diese Gefahr bereits realisiert. Aus Sicht der Beklagten bestand deshalb die berechtigte Befürchtung, der Kläger könne in Konflikt zwischen seinen hoheitlichen Verpflichtungen und eigenen finanziellen Interessen geraten. Bewilligt er etwa einem Rauschgiftkunden korrekterweise bestimmte Leistungen nicht, läuft er möglicherweise Gefahr, sich eine Einkommensquelle abzuschneiden. Seine Betäubungsmittelgeschäfte bergen überdies das Risiko, dass er bei der Ausübung seiner beruflichen Verpflichtungen erpressbar ist. Beide Gesichtspunkte können dazu führen, dass der Kläger seinen dienstlichen Pflichten nicht gewissenhaft nachkommt. Es ist der Beklagten nicht zumutbar, einen Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen, der sich - schuldhaft - in derartige Interessenkonflikte verstrickt hat.

30

3. Die Interessenabwägung führt zu einem Überwiegen der Belange der Beklagten. Zwar ist zu Gunsten des Klägers dessen fast siebenjährige Dauer der Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen. Gleichwohl geht das Beendigungsinteresse der Beklagten vor. Zu Lasten des Klägers ist in Rechnung zu stellen, dass der Eignungsmangel aus einem von ihm selbst verschuldeten Verhalten resultiert (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 583/12 - Rn. 30; 23. Mai 2013 - 2 AZR 120/12 - Rn. 39). Überdies handelt es sich dabei nicht um ein erstmaliges Fehlverhalten. Der Kläger war bereits im Jahr 2001 wegen eines Betäubungsmitteldelikts strafrechtlich belangt worden. Trotz anderslautender Beteuerungen hat er sich dies nicht zur Lehre gereichen lassen und ist in vergleichbarer Weise erneut straffällig geworden. Erhebliche, ihn entlastende Umstände hat der Kläger nicht vorgetragen.

31

III. Die ordentliche Kündigung ist nicht mangels Vertretungsmacht gemäß § 180 Satz 1 BGB unwirksam.

32

1. Bei einer Kündigung als einseitigem Rechtsgeschäft ist nach § 180 Satz 1 BGB eine Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig(BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 13). Hat aber derjenige, welchem gegenüber ein solches Rechtsgeschäft vorzunehmen war, die von dem Vertreter behauptete Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts nicht beanstandet, finden gemäß § 180 Satz 2 BGB die Vorschriften über Verträge entsprechende Anwendung. Das bedeutet ua., dass das Rechtsgeschäft nach § 177 Abs. 1 BGB genehmigt werden kann.

33

2. Bezogen auf die ordentliche Kündigung vom 28. Februar 2012 hat der Kläger nicht behauptet, er habe das Fehlen der Vertretungsmacht der Unterzeichnerin des Kündigungsschreibens bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts beanstandet. Die Kündigungserklärung war damit nach § 180 Satz 2, § 177 Abs. 1 BGB allenfalls schwebend unwirksam und genehmigungsfähig. Eine solche Genehmigung hat die Beklagte zumindest konkludent dadurch erteilt, dass sie im Rahmen des Rechtsstreits die Kündigungsbefugnis der Vorsitzenden der örtlichen Geschäftsführung ausdrücklich behauptet und die Rechtmäßigkeit der Kündigung verteidigt hat (vgl. dazu BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 13).

34

IV. Die Kündigung ist nicht nach § 79 Abs. 4 BPersVG unwirksam.

35

1. Die Beklagte hat den Personalrat ordnungsgemäß unterrichtet. Sie hat ihm die Personalien des Klägers, die Beschäftigungsdauer, die Kündigungsart sowie die Kündigungsgründe mitgeteilt. Sie hat deutlich gemacht, dass der Grund für die beabsichtigte Kündigung in der Verurteilung des Klägers wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz und dem durch sein Bestreiten eingetretenen Vertrauensverlust lag.

36

2. Der Würdigung der Kündigung unter personenbedingten Gesichtspunkten steht nicht entgegen, dass sich die Beklagte gegenüber dem Personalrat nicht ausdrücklich auf solche Aspekte berufen hat. Das Begründungserfordernis des § 68 Abs. 2 Satz 1 BPersVG umfasst nicht eine Verpflichtung des Arbeitgebers, die kündigungsrelevanten Tatsachen einem der Kündigungsgründe des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG förmlich zuzuordnen. Tut er dies dennoch, bindet ihn dies im späteren Kündigungsschutzprozess grundsätzlich nicht. Er kann sich im Rahmen des dem Personalrat unterbreiteten tatsächlichen Kündigungssachverhalts auch auf andere rechtliche Gesichtspunkte berufen, sofern die mitgeteilten Tatsachen diese neuen Aspekte tragen (zu § 102 BetrVG: BAG 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 44, BAGE 137, 164).

37

V. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Er ist auf eine Beschäftigung für die Dauer des Rechtsstreits gerichtet. Dieser ist rechtskräftig abgeschlossen.

38

B. Die Anschlussrevision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB sei nicht gegeben.

39

I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 15; 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 13).

40

II. Der offenbar gewordene Mangel in der charakterlichen Eignung des Klägers war „an sich“ als wichtiger Grund zur Kündigung geeignet. Er schloss einen weiteren Einsatz des Klägers im hoheitlichen Bereich der Leistungsgewährung grundsätzlich ohne weiteren Aufschub aus. Im Streitfall war der Beklagten jedoch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zuzumuten. Zwar ist zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen, dass dieser seinen Eignungsmangel - anders als etwa in Fällen einer Erkrankung - selbst zu vertreten hat. In der Vergangenheit hat sich dieser jedoch im Arbeitsverhältnis nicht tatsächlich ausgewirkt. Der Kläger hat seine dienstlichen Aufgaben als solche ordnungsgemäß verrichtet. Die Beklagte hat auch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass in naher Zukunft insoweit mit konkreten Beeinträchtigungen zu rechnen gewesen wäre. Der berechtigten Besorgnis, der Kläger könne erpressbar sein oder es werde das Vertrauen in die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung durch eine Weiterbeschäftigung des Klägers erschüttert, wird schon mit einer ordentlichen Kündigung Rechnung getragen.

41

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rinck    

        

        

        

    A. Claes    

        

    Beckerle    

                 

Tenor

1. Die Anschlussrevision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. Juli 2011 - 10 Sa 1781/10 - wird zurückgewiesen.

2. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 29. Juni 2010 - 1 Ca 2998/09 - zurückgewiesen hat.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revisionsinstanz - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten.

2

Die Beklagte ist ein Einzelhandelsunternehmen. Die 1967 geborene Klägerin war - unter Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten - seit 1991 bei ihr beschäftigt. Zuletzt war sie im Getränkemarkt des Einkaufsmarkts G tätig. Im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung erzielte sie einen monatlichen Bruttoverdienst iHv. 1.406,92 Euro. In dem Markt beschäftigt die Beklagte insgesamt weit mehr als zehn Arbeitnehmer, für die ein 7-köpfiger Betriebsrat errichtet ist.

3

In dem Getränkemarkt waren drei Kassen eingerichtet. Über eine Kasse erfolgte die Leergutannahme. Soweit sie nicht zu besetzen waren, wurde den Kassen der Geräteeinsatz mit dem Wechselgeld entnommen. Ursprünglich wurden die Einsätze im zentralen Kassenbüro des Einkaufsmarkts aufbewahrt. Das brachte es mit sich, dass die Kassenmitarbeiter des Getränkemarkts den Einsatz bei Dienstantritt im Kassenbüro abholen und nach Dienstschluss dorthin zurückbringen mussten. Im Kassenbüro erhielten sie auch das Wechselgeld. Diese Gänge entfielen ab Mitte August 2009, nachdem die Beklagte im Getränkemarkt einen Tresor für die Aufbewahrung der Einsätze und des Wechselgelds hatte installieren lassen.

4

Der Umgang mit Geld war für alle Märkte in sog. Kassenanweisungen geregelt. Deren Erhalt hatte die Klägerin mit ihrer Unterschrift bestätigt. Nach den zuletzt gültigen Regelungen war es Kassenmitarbeitern untersagt, Bargeld in der Dienstkleidung oder im Schubfach des Kassentischs aufzubewahren, Geld aus der Kasse zu entnehmen oder es sich leihweise selbst oder anderen zur Verfügung zu stellen. Geld durfte weder zwischen den Kassenkräften untereinander gewechselt noch nach Geschäftsschluss in den Schubfächern der Kassen aufbewahrt werden. Die Herausgabe zusätzlichen Wechselgelds hatte durch die Marktleitung zu erfolgen. Geldwechselgeschäfte mit Kunden waren untersagt. Geld, das von Kunden liegengelassen wurde, war unmittelbar der Marktleitung auszuhändigen; anschließend sollte es im Büro/Tresor deponiert werden. Im August 2009 erließ die Beklagte zusätzlich eine „Ablaufbeschreibung Kassenbüro“. Danach sollten „Kassierdifferenzen“ täglich dem Geschäftsleiter gemeldet werden. „Fundgeld“ sollte einmal monatlich „in die 99-er Kasse eingezahlt“, „Klüngelgeld“ einmal pro Woche „auf WGR 700“ gebucht werden.

5

Im Getränkemarkt war seit jeher eine Videokamera installiert. Darüber waren die Mitarbeiter in Kenntnis gesetzt worden. Die Kamera ermöglichte die Überwachung des Kassenbereichs sowie der Ein- und Ausgänge. Die eigentlichen Kassiervorgänge wurden nicht erfasst.

6

Zur Mitte des Jahres 2009 stellte die Beklagte anlässlich einer Revision fest, dass in der ersten Jahreshälfte Leergutdifferenzen iHv. mehr als 7.000,00 Euro aufgetreten waren. Nachdem Kontrollen des Lagerbestands und des Warenausgangs keine Hinweise auf Unregelmäßigkeiten ergeben hatten, vermutete sie deren Ursache im Kassenbereich. Sie ging von der Möglichkeit aus, dass dort ohne Entgegennahme von Leergut „falsche“ Bons gedruckt und entsprechende Gelder der Kasse entnommen würden. Am 7. Juli 2009 vereinbarte sie mit dem Vorsitzenden des Betriebsrats für die Dauer von vier Wochen die Durchführung einer verdeckten Videoüberwachung des Kassenbereichs. Sie beauftragte eine Fachfirma, die in der Zeit vom 13. Juli bis 3. August 2009 die Kassenvorgänge mittels Videokamera aufzeichnete. Die der Firma gleichfalls übertragene Auswertung der Aufzeichnungen einschließlich der Erstellung eines Zusammenschnitts und einer Dokumentation war am 3. September 2009 abgeschlossen. Aus den Aufzeichnungen ging hervor, dass sich unter der Leergutkasse des Getränkemarkts ein Plastikbehälter befand, in dem Geld aufbewahrt wurde. Außerdem war zu erkennen, dass die Klägerin am 16. Juli 2009 gegen 8:45 Uhr, am 22. Juli 2009 gegen 16:13 Uhr und am 23. Juli 2009 gegen 18:34 Uhr diesem Behältnis Geld entnahm und in ihre Hosentasche steckte. Die Vorgänge als solche sind unstreitig.

7

Am 14. August 2009 hatte die Beklagte der Klägerin wegen eines Verhaltens vom 11. Juli 2009 eine Abmahnung erteilt. An diesem Tag hatte die Klägerin nach Dienstschluss Wechselgeld iHv. 300,00 Euro mit nach Hause genommen, statt es weisungsgemäß im Kassenbüro abzugeben. Die Klägerin hatte sich in einem noch am selben Abend geführten Telefonat auf ein Versehen berufen und das Geld am 12. Juli 2009 bei der Beklagten abgeliefert.

8

Noch am 3. September 2009 führte die Beklagte im Getränkemarkt eine Kontrolle des Kassenbereichs durch; der dort vorgefundene Plastikbehälter enthielt Münzen im Wert von 12,35 Euro. Am 4. September 2009 hörte sie die Klägerin zur Existenz dieser sog. Klüngelgeld-Kasse an und konfrontierte sie mit dem Vorwurf, hieraus Geld für eigene Zwecke entnommen zu haben. Mit Schreiben vom 8. September 2009 bat sie den Betriebsrat um Stellungnahme zu einer beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung wegen des Verdachts der Untreue und Unterschlagung. Mit Schreiben vom 11. September 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien „fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31. März 2010“.

9

Die Klägerin hat mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage geltend gemacht, ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSd. § 626 BGB liege nicht vor. Eine ordentliche Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. „Klüngelgeld-Kassen“ existierten in sämtlichen Bereichen des Einkaufsmarkts. Sie dienten dazu, Wechselgeld aufzubewahren, das Kunden partout nicht hätten mitnehmen wollen. Sie selbst habe Geld, das sie dieser Kasse entnommen habe, dafür verwendet - wie in vergleichbaren Fällen andere Kassenkräfte auch -, morgens einen Einkaufswagen auszulösen, um damit zugleich mehrere im Getränkemarkt benötigte Kasseneinsätze zu transportieren. Teilweise habe sie dafür zunächst ein eigenes Geldstück benutzt und dies später über die „Klüngelgeld-Kasse“ ausgeglichen. Teilweise sei Kleingeld aus dieser Kasse gegen Geld im Kasseneinsatz getauscht worden, um nicht noch kurz vor Kassenschluss eine neue Wechselgeldrolle öffnen zu müssen. Ihr Verhalten rechtfertige keine Kündigung. Die Zusammenschnitte der Videoaufnahmen, die ohnehin einem Beweisverwertungsverbot unterlägen, böten keinen tauglichen Beweis dafür, dass sie sich Geld aus der fraglichen Kasse rechtswidrig zugeeignet habe. Überdies sei die Betriebsratsanhörung fehlerhaft. Die Klägerin hat Lohnforderungen für die Zeit von September 2009 bis einschließlich Mai 2010 erhoben.

10

Sie hat - soweit noch von Interesse - beantragt

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 11. September 2009 nicht aufgelöst worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, sie bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 13.506,28 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus diversen Teilbeträgen seit unterschiedlichen Zeitpunkten zu zahlen;

4. die Beklagte zu verurteilen, ihr einen Warengutschein über 275,00 Euro auszustellen und auszuhändigen;

5. die Beklagte zu verurteilen, ihr ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgebracht, die Klägerin habe ihre Vertragspflichten schon durch das unerlaubte Führen einer „schwarzen Kasse“ erheblich verletzt. Darüber hinaus habe sie der fraglichen Kasse Geld in der offenkundigen Absicht entnommen, es für sich zu behalten. Zumindest sei sie einer solchen Tat dringend verdächtig. Die Klägerin habe sich - wie aus den Videoaufnahmen ersichtlich - vor jeder Geldentnahme vergewissert, dass ihr niemand zusehe. Dessen habe es bei redlichem Vorgehen nicht bedurft. Ihre Einlassung, sie habe Geldstücke für den Transport der Kasseneinsätze benötigt, stelle eine Schutzbehauptung dar. Für entsprechende Zwecke habe ein Einkaufswagen bereitgestanden, der nicht eigens habe ausgelöst werden müssen. Im Übrigen ergebe sich aus dem Videomaterial nicht, dass die Klägerin mitgeführte Geldstücke je in die „Klüngelgeld-Kasse“ zurückgelegt habe. Die Videoaufzeichnungen seien rechtlich verwertbar. Im Zeitpunkt der Beobachtung habe ein hinreichend eingegrenzter Verdacht dahingehend bestanden, dass Leergutdifferenzen durch Unregelmäßigkeiten im Kassenbereich des Getränkemarkts entstünden. Mildere Mittel zur Aufklärung des Verdachts hätten nicht zur Verfügung gestanden.

12

Das Arbeitsgericht hat die Videoaufzeichnungen zu Beweiszwecken in Augenschein genommen und die Klage - soweit noch von Interesse - in vollem Umfang abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat nach erneuter Beweisaufnahme auf die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung erkannt. Zudem hat es die Beklagte zur Zahlung von Vergütung nebst Zinsen für die Zeit bis zum 31. März 2010 und zur Aushändigung eines Warengutscheins verurteilt. Die weitergehende Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren hinsichtlich der ordentlichen Kündigung und davon abhängiger Ansprüche weiter. Mit ihrer Anschlussrevision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

13

Die Anschlussrevision der Beklagten ist unbegründet. Die außerordentliche Kündigung vom 11. September 2009 ist unwirksam. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), soweit dieses die Berufung der Klägerin zurückgewiesen hat.

14

I. Die Anschlussrevision der Beklagten, soweit sie sich gegen die Entscheidung über das Feststellungsbegehren der Klägerin richtet, hat keinen Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung vom 11. September 2009 nicht aufgelöst worden.

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1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 13; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, BAGE 134, 349).

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2. Als wichtiger Grund „an sich“ geeignet sind nicht nur erhebliche Pflichtverletzungen im Sinne von nachgewiesenen Taten. Auch der dringende, auf objektive Tatsachen gestützte Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (zu den Voraussetzungen vgl. nur BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 13 mwN).

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3. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung oder eines dahingehenden dringenden Verdachts jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 14; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349). Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen der in Rede stehenden Pflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - aaO; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, aaO). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24). Ein gegenüber der fristlosen Kündigung in diesem Sinne milderes Mittel ist ua. die ordentliche Kündigung (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 35, aaO).

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4. Danach ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass gegen die Klägerin ein dringender Verdacht bestand, sich mehrfach Geldstücke aus der „Klüngelgeld-Kasse“ rechtswidrig zugeeignet zu haben, und deshalb „an sich“ ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vorlag. Im Rahmen seiner Beurteilung, selbst dann sei es der Beklagten bei Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien nicht unzumutbar gewesen, die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten, hat das Landesarbeitsgericht alle für und gegen dieses Ergebnis sprechenden Aspekte berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen.

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a) Das Landesarbeitsgericht hat der Klägerin zugutegehalten, dass sie durch eine beanstandungsfreie Tätigkeit über rund 18 Jahre hinweg als Verkäuferin und Kassiererin Loyalität zur Beklagten gezeigt habe. Dies hält sich - auch in Anbetracht der Abmahnung vom 14. August 2009 - im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum. Die Beklagte ist der Behauptung der Klägerin, sie habe am 11. Juli 2009 die Ablieferung des Wechselgeldes aufgrund hohen Arbeitsanfalls schlicht vergessen, nicht entgegengetreten. Bei dem gerügten Verhalten handelt es sich mithin um einen - unbewussten - Ordnungsverstoß, der die Annahme, die Klägerin habe sich bis zu den umstrittenen Geldentnahmen aus der „Klüngelgeld-Kasse“ als vertrauenswürdig erwiesen, nicht, schon gar nicht zwingend infrage zu stellen vermochte.

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b) Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht zugunsten der Klägerin berücksichtigt, dass der Beklagten allenfalls ein geringfügiger Schaden entstanden sei. Hat der Arbeitnehmer die Integrität von Eigentum oder Vermögen seines Arbeitgebers vorsätzlich verletzt oder ist er einer solchen Tat dringend verdächtig, beeinträchtigt dies zwar die für die Durchführung der Vertragsbeziehung notwendige Vertrauensgrundlage grundsätzlich unabhängig vom Wert des betroffenen Gegenstands (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 27, BAGE 134, 349). Das schließt es aber nicht aus, bei der Gewichtung des Kündigungssachverhalts auf die Höhe eines eingetretenen Schadens Bedacht zu nehmen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO; 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 184). Die im Berufungsurteil getroffene Interessenabwägung ist - anders als die Beklagte meint - nicht deshalb zu beanstanden, weil sich in der fraglichen Kasse am 4. September 2009 Münzen im Wert von etwas mehr als zwölf Euro befanden. Unbeschadet der Frage, ob bei einem Vermögensnachteil in dieser Höhe eine „Geringfügigkeitsschwelle“ überschritten wäre, ist nicht festgestellt, dass die Klägerin im Verdacht stand, sich Geld in diesem Umfang rechtswidrig zugeeignet oder hierzu doch unmittelbar angesetzt zu haben. Im Übrigen handelte es sich bei dem Umgang mit „Klüngelgeld“ um einen Bereich am Rande der Kassentätigkeit, den die Beklagte ausweislich der im August 2009 erlassenen „Ablaufbeschreibung Kassenbüro“ offenbar selbst für nicht ausreichend geregelt hielt. Auch wenn dieser Gesichtspunkt nicht geeignet ist, das dem - unterstellten - Verdacht zugrundeliegende Verhalten zu rechtfertigen, durfte das Landesarbeitsgericht ihn zugunsten der Klägerin in seine Gesamtbetrachtung einbeziehen.

21

c) Das Landesarbeitsgericht hat die Heimlichkeit des dem Verdacht zugrundeliegenden - unterstellten - Verhaltens nicht außer Acht gelassen, wie die Beklagte gemeint hat. Es hat in ihr lediglich keinen Umstand gesehen, der im vorliegenden Fall die Weiterbeschäftigung der Klägerin für die Dauer der Kündigungsfrist ausgeschlossen hätte. Das hält sich ebenso im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum wie die Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtung der Klägerin gegenüber ihrem Kind.

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II. Ob das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 11. September 2009 aufgelöst worden ist, steht noch nicht fest. Zwar geht das Landesarbeitsgericht zutreffend von einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats aus (1.). Es durfte aber nicht annehmen, die ordentliche Kündigung sei auch materiell-rechtlich als Verdachtskündigung rechtswirksam, weil sie zwar nicht den Voraussetzungen von § 626 Abs. 1 BGB, wohl aber denen des § 1 Abs. 2 KSchG genüge. Ist der Arbeitnehmer eines Verhaltens verdächtig, das, wäre es erwiesen, nicht auch eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB, sondern lediglich eine ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG zu rechtfertigen vermöchte, ist dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses - trotz des Verdachts - nicht unzumutbar(2.). Da das Landesarbeitsgericht die ordentliche Kündigung bereits als Verdachtskündigung für wirksam gehalten hat, hat es nicht geprüft, ob eine ordentliche Kündigung wegen erwiesener Pflichtwidrigkeiten berechtigt wäre. Dies wird es nachzuholen haben. Dabei darf es den Inhalt der Videoaufzeichnungen nicht berücksichtigen. Deren Verwertung ist prozessual unzulässig (3.).

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1. Die Rüge der Klägerin, das Landesarbeitsgericht habe § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG fehlerhaft angewandt, ist unbegründet.

24

a) Für die Mitteilung der Kündigungsgründe iSd. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“(BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 41; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 45; jeweils mwN). Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt er dann nicht nach, wenn er schon aus seiner eigenen Sicht dem Betriebsrat einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt darstellt (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 18; 7. November 2002 - 2 AZR 599/01 - zu B I 1 a der Gründe mwN).

25

b) Danach ist die Anhörung inhaltlich ordnungsgemäß erfolgt.

26

aa) Die Beklagte hat den Betriebsrat am 8. September 2009 schriftlich von ihrer Absicht unterrichtet, das Arbeitsverhältnis der Parteien wegen des „Verdachts einer Untreue und Unterschlagung“ hilfsweise auch ordentlich zu kündigen. Sie hat ihm dabei die Sozialdaten der Klägerin und die Dauer der einzuhaltenden Kündigungsfrist mitgeteilt. Außerdem hat sie den Anlass, den Zeitraum und das Ergebnis der Videoüberwachung dargestellt. Selbst wenn sich einzelne Angaben als unzutreffend herausgestellt haben sollten - etwa weil die für den 24. Juli 2009 mitgeteilte Geldentnahme tatsächlich nicht die Klägerin, sondern eine Kollegin betrifft und weder die „Speisung“ der Kasse noch die Geldentnahme vom 22. Juli 2009 in Zusammenhang mit der Entgegennahme von Leergut gestanden haben mögen - genügt die Anhörung den gesetzlichen Anforderungen. Es liegen keine Anhaltspunkte für eine bewusst unrichtige oder irreführende Unterrichtung des Betriebsrats vor. Beruhen die falschen Angaben auf einer Verwechslung von Daten oder fehlerhaften Deutung von Äußerungen der Klägerin im Anhörungsgespräch vom 4. September 2009, ist dies im Rahmen von § 102 Abs. 1 BetrVG unschädlich. Entscheidend ist, dass dem Betriebsrat der Kern des Kündigungsvorwurfs zutreffend mitgeteilt wurde. Maßgebend für den Kündigungsentschluss der Beklagten war, dass die Klägerin entgegen eindeutigen Vorgaben Geld, das entweder ihr - der Beklagten - oder ihren Kunden zustand, in einem Plastikbehälter neben der Kasse im Getränkemarkt aufbewahrte, und der damit in Zusammenhang stehende Verdacht, aus diesem Behälter gelegentlich Geld für eigene Zwecke entnommen zu haben. Darauf, ob die Klägerin dies zweimal oder dreimal tat, kam es der Beklagten nicht an. Gleiches gilt für die Frage, ob die Geldentnahme in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Bedienung eines Kunden stand.

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bb) Die Beklagte brauchte den Betriebsrat nicht darüber zu unterrichten, dass die Überwachung mittels Videokamera - wie die Klägerin gemeint hat - unrechtmäßig war. Davon ging sie subjektiv nicht aus. Soweit die Klägerin nähere Angaben zur Interessenabwägung vermisst, ist dies ohne rechtlichen Belang. Die Anhörung zu ihrer Absicht, das Arbeitsverhältnis der Parteien zu kündigen, impliziert die von der Beklagten zu ihren - der Klägerin - Lasten getroffene Abwägung. Eine nähere Begründung war vor dem Hintergrund des Grundsatzes der subjektiven Determinierung nicht erforderlich. Die Klägerin übersieht, dass die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Rahmen von § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht so weit reicht wie seine Darlegungslast im Prozess(vgl. BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 45; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 19 mwN).

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cc) Den Feststellungen im Berufungsurteil zufolge hat der Betriebsrat am 10. September 2009 erklärt, er habe die Kündigungsabsicht zur Kenntnis genommen. Das Landesarbeitsgericht hat darin fehlerfrei eine abschließende Stellungnahme erblickt, die es der Beklagten betriebsverfassungsrechtlich ermöglichte, die ordentliche Kündigung am 11. September 2009 zu erklären.

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2. Dagegen trägt die Begründung, mit der das Landesarbeitsgericht die ordentliche Kündigung vom 11. September 2009 auch materiell-rechtlich für wirksam angesehen hat, seine Würdigung nicht.

30

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin komme zwar nicht als Verursacherin der Leergutdifferenzen in Betracht. Sie stehe aber im dringenden Verdacht, sich fremdes Geld aus der „Klüngelgeld-Kasse“ rechtswidrig zugeeignet zu haben. Am 16. Juli und am 22. Juli 2009 habe sie einzelne daraus entnommene Geldstücke in ihre Hosentasche gesteckt. Durch die in Augenschein genommenen Videosequenzen sei bewiesen, dass sie sich bei diesen Handlungen jeweils „versichernd“ in mehrere Richtungen umgesehen habe. Damit habe sie sicherstellen wollen, nicht beobachtet zu werden. Das heimliche Vorgehen spreche für eine Zueignungsabsicht. Zugleich widerlege es ihre Einlassung, die Geldstücke für das Auslösen eines Einkaufswagens benötigt zu haben. Erhärtet werde der Verdacht auf eine Zueignungsabsicht dadurch, dass die Klägerin am 23. Juli 2009 gegen 18:34 Uhr der fraglichen Kasse mehrere Geldstücke entnommen und gegen Geld aus der Scannerkasse „getauscht“ habe. Überdies sei die Höhe des am 3. September 2009 in dem fraglichen Behälter vorgefundenen Geldbetrags nicht mit dem nur gelegentlichen Auslösen eines Einkaufswagens zu erklären. Gestützt auf diese tatsächlichen Umstände ist das Landesarbeitsgericht zu der Auffassung gelangt, die Kündigung vom 11. September 2009 sei „durch Gründe, die im Verhalten der Klägerin liegen, bedingt“. Das Vertrauen der Beklagten in die Zuverlässigkeit der Klägerin sei „durch die erwiesenen Verdachtsmomente“ irreparabel erschüttert. Die ordentliche Kündigung sei deshalb als gegenüber der außerordentlichen Kündigung milderes Mittel sozial gerechtfertigt.

31

b) Diese Würdigung ist rechtsfehlerhaft. Das Landesarbeitsgericht hat die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 11. September 2009 erkennbar als die einer Verdachtskündigung bejaht. Als solche genügt sie den gesetzlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen nicht. Zwar kann eine Verdachtskündigung vom Arbeitgeber auch als ordentliche Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist erklärt werden und muss nicht notwendig eine außerordentliche Kündigung sein. Sie unterliegt in diesem Fall jedoch keinen geringeren materiell-rechtlichen Anforderungen.

32

aa) Eine Verdachtskündigung ist auch als ordentliche Kündigung sozial nur gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten (vgl. BAG 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 22; Krause in vHH/L 15. Aufl. § 1 Rn. 470; Löwisch in Löwisch/Spinner/Wertheimer KSchG 10. Aufl. § 1 Rn. 276). Dies gilt zum einen für die Anforderungen an die Dringlichkeit des Verdachts als solchen. In dieser Hinsicht bestehen keine Unterschiede zwischen außerordentlicher und ordentlicher Kündigung. Für beide Kündigungsarten muss der Verdacht gleichermaßen erdrückend sein (vorausgesetzt in BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 42; Bader/Bram-Bram KSchG § 1 Rn. 251). Dies gilt zum anderen für die inhaltliche Bewertung des fraglichen Verhaltens und die Interessenabwägung. Auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 KSchG müssen sie zu dem Ergebnis führen, dass das Verhalten, dessen der Arbeitnehmer verdächtig ist, - wäre es erwiesen - sogar eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen würde. Nur unter dieser Voraussetzung ist die Kündigung schon durch den bloßen Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens iSv. § 1 Abs. 2 KSchG „bedingt“.

33

bb) Angesichts der jeweils aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG folgenden, gegensätzlichen Grundrechtspositionen der Arbeitsvertragsparteien bedarf das Rechtsinstitut der Verdachtskündigung der besonderen verfassungsrechtlichen Legitimation. Sie beruht auf der Erwägung, dass dem Arbeitgeber von der Rechtsordnung die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses unter dem dringenden Verdacht auf ein Verhalten des Arbeitnehmers, das ihn zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen würde, nicht zugemutet werden kann. Besteht dagegen der Verdacht auf das Vorliegen eines solchen Grundes nicht, weil selbst erwiesenes Fehlverhalten des Arbeitnehmers die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigen könnte, überwiegt bei der Güterabwägung im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers. In einem solchen Fall nimmt die Rechtsordnung das Risiko, einen „Unschuldigen“ zu treffen, nicht in Kauf.

34

cc) Ist der Arbeitnehmer eines Verhaltens verdächtig, dass selbst als erwiesenes nur eine ordentliche Kündigung zu stützen vermöchte, ist dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses deshalb trotz des entsprechenden Verdachts zuzumuten. Weder liegt ein Grund im Verhalten des Arbeitnehmers, noch liegt ein Grund in der Person des Arbeitnehmers vor, der die Kündigung „bedingen“ könnte. Ein pflichtwidriges Verhalten ist - wie stets bei der Verdachtskündigung - nicht erwiesen und der bloße Verdacht auf ein lediglich die ordentliche Kündigung rechtfertigendes Verhalten führt nicht zu einem Eignungsmangel.

35

c) Das Landesarbeitsgericht hat im Rahmen der Interessenabwägung nach § 626 Abs. 1 BGB angenommen, dass das Verhalten, dessen die Klägerin verdächtig ist, eine außerordentliche Kündigung nicht zu stützen vermöchte. Diese Würdigung hält, wie dargelegt, der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Damit steht zugleich fest, dass eine Verdachtskündigung auch als ordentliche Kündigung nicht in Betracht kommt.

36

3. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Dem Senat ist eine abschließende Entscheidung nicht möglich. Das angefochtene Urteil stellt sich nicht deshalb als im Ergebnis richtig dar, weil die ordentliche Kündigung vom 11. September 2009 zwar nicht als Verdachts-, aber doch als sog. Tatkündigung wirksam wäre. Als solche ist sie nicht schon auf der Grundlage des eigenen Vortrags der Klägerin sozial gerechtfertigt. Um dies auf der Grundlage des Vorbringens der Beklagten beurteilen zu können, fehlt es an Feststellungen und deren Würdigung durch das Landesarbeitsgericht. Diese sind nicht deshalb entbehrlich, weil sich die Beklagte auf eine erwiesene Pflichtverletzung als Kündigungsgrund prozessual nicht berufen hat und der Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung unter diesem Aspekt überdies § 102 Abs. 1 BetrVG entgegenstünde.

37

a) Das Vorbringen der Klägerin selbst trägt die Kündigung nicht. Die Klägerin hat sich für die Existenz der „Klüngelgeld-Kasse“ auf eine in verschiedenen Abteilungen des Betriebs geübte Praxis und überdies darauf berufen, diese sei der Beklagten - zumindest rudimentär - bekannt gewesen. Trifft dies zu, liegt in dem Vorhalten der fraglichen Kasse für sich genommen kein Verhalten, das die Kündigung ohne vorausgehende Abmahnung rechtfertigen könnte. Dass die Klägerin, wie sie einräumt, dieser Kasse gelegentlich einzelne Geldstücke entnommen und außerdem darin enthaltene Münzen gegen im Kasseneinsatz befindliche Geldstücke gewechselt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dass sie Geldstücke an sich genommen habe, um sich diese rechtswidrig zuzueignen, hat die Klägerin stets in Abrede gestellt.

38

b) Auf der Grundlage des Vorbringens der Beklagten ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif. Auch wenn die Beklagte neben dem Führen der „Klüngelgeld-Kasse“ als solchem nur den Verdacht auf die rechtswidrige Zueignung von Geldstücken als Kündigungsgrund in den Prozess eingeführt hat, ist das Landesarbeitsgericht nicht gehindert, aufgrund der objektiven Verdachtsumstände ggf. zu der Überzeugung zu gelangen, der Verdacht habe sich in der Weise bestätigt, dass die fragliche Pflichtwidrigkeit nachgewiesen sei.

39

aa) Das Landesarbeitsgericht würde auf diese Weise nicht etwa Vortrag berücksichtigen, den die Beklagte nicht gehalten hätte. Der Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens stellt zwar gegenüber dem Tatvorwurf einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (st. Rspr., BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 55 mwN, BAGE 131, 155). Beide Gründe stehen jedoch nicht beziehungslos nebeneinander. Wird die Kündigung mit dem Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens begründet, steht indessen zur Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit tatsächlich fest, lässt dies die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung unberührt. Maßgebend ist allein der objektive Sachverhalt, wie er sich dem Gericht nach Parteivorbringen und ggf. Beweisaufnahme darstellt. Ergibt sich daraus nach tatrichterlicher Würdigung das Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit, ist das Gericht nicht gehindert, dies seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber sich während des Prozesses darauf berufen hat, er stütze die Kündigung auch auf die erwiesene Tat (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 26, BAGE 137, 54; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, BAGE 134, 349).

40

bb) Das Landesarbeitsgericht hat sich insoweit ersichtlich weder eine positive noch eine negative Überzeugung gebildet, weil es schon den Verdacht auf eine Zueignungsabsicht der Klägerin als Grund für die ordentliche Kündigung hat ausreichen lassen. Die Beklagte darf nach Aufhebung des für sie günstigen Berufungsurteils nicht um die prozessuale Chance gebracht werden, dass das Landesarbeitsgericht auf der Basis der Rechtsauffassung des Senats die mögliche Erwiesenheit einer Pflichtwidrigkeit der Klägerin geprüft und dabei eine für sie - die Beklagte - günstige Überzeugung gewonnen hätte.

41

c) Der Umstand, dass der Betriebsrat von der Beklagten nur zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung gehört wurde, steht einer Wirksamkeit der Kündigung wegen eines nachgewiesenen Pflichtenverstoßes nicht notwendig entgegen. Die gerichtliche Berücksichtigung des fraglichen Geschehens als erwiesene Tat setzt allerdings voraus, dass dem Betriebsrat am 8. September 2009 sämtliche Umstände mitgeteilt worden sind, welche nicht nur den Tatverdacht, sondern zur - möglichen - Überzeugung des Landesarbeitsgerichts auch den Tatvorwurf begründen (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 24, BAGE 134, 349; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 59 mwN, BAGE 131, 155). In diesem Fall wäre dem Normzweck des § 102 BetrVG auch durch eine Anhörung nur zur Verdachtskündigung genüge getan. Dem Betriebsrat würde dadurch nichts vorenthalten. Die Mitteilung des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer solle schon und allein wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung gekündigt werden, gibt dem Betriebsrat sogar weit stärkeren Anlass für ein umfassendes Tätigwerden als eine Anhörung wegen einer als erwiesen behaupteten Tat (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 24, aaO; 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - zu II 1 c cc der Gründe; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 217).

42

d) Bei der Prüfung, ob die ordentliche Kündigung vom 11. September 2009 wegen erwiesener Pflichtwidrigkeiten der Klägerin sozial gerechtfertigt ist, darf das Landesarbeitsgericht seine Überzeugung nicht auf den Inhalt der in Augenschein genommenen Videoaufzeichnungen stützen. Deren Verwertung ist prozessual unzulässig. Ob dies unmittelbar aus § 6b BDSG oder doch § 32 BDSG folgt, kann im Ergebnis offen bleiben. Ein Verwertungsverbot ergibt sich in jedem Fall aus einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG, die nicht durch überwiegende Beweisinteressen der Beklagten gerechtfertigt ist.

43

aa) Allerdings kennt die Zivilprozessordnung selbst für rechtswidrig erlangte Informationen oder Beweismittel kein - ausdrückliches - prozessuales Verwendungs- bzw. Beweisverwertungsverbot. Aus § 286 ZPO iVm. Art. 103 Abs. 1 GG folgt vielmehr die grundsätzliche Verpflichtung der Gerichte, den von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt und die von ihnen angebotenen Beweise zu berücksichtigen(BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 ua. - Rn. 60, BVerfGE 106, 28; BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 30 mwN). Dementsprechend bedarf es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots, das zugleich die Erhebung der angebotenen Beweise hindert, einer besonderen Legitimation und gesetzlichen Grundlage (vgl. BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 37; Musielak/Foerste ZPO 10. Aufl. § 284 Rn. 23; MüKoZPO/Prütting 4. Aufl. § 284 Rn. 64).

44

bb) Im gerichtlichen Verfahren tritt der Richter den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Er ist daher nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet(BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93 mwN, BVerfGE 117, 202). Dabei können sich auch aus materiellen Grundrechten wie Art. 2 Abs. 1 GG Anforderungen an das gerichtliche Verfahren ergeben, wenn es um die Offenbarung und Verwertung von persönlichen Daten geht, die grundrechtlich vor der Kenntnis durch Dritte geschützt sind. Das Gericht hat deshalb zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - aaO; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 21). Dieses Recht schützt nicht allein die Privat- und Intimsphäre, sondern schützt in seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch die Befugnis eines Menschen, selbst darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen (BAG 26. August 2008 - 1 ABR 16/07 - Rn. 15, BAGE 127, 276). Auch wenn keine spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist, greift die Verwertung von personenbezogenen Daten in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 ua. - BVerfGE 120, 378). Der Achtung dieses Rechts dient zudem Art. 8 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten(EMRK) (BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 14).

45

cc) Die Bestimmungen des BDSG über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild. Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe in diese Rechtspositionen zulässig sind (für das DSG NRW vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 16). Dies stellt § 1 BDSG ausdrücklich klar. Liegt keine Einwilligung des Betroffenen vor, ist die Datenverarbeitung nach dem Gesamtkonzept des BDSG nur zulässig, wenn eine verfassungsgemäße Rechtsvorschrift sie erlaubt. Fehlt es an der erforderlichen Ermächtigungsgrundlage oder liegen deren Voraussetzungen nicht vor, ist die Erhebung, Verarbeitung und/oder Nutzung personenbezogener Daten verboten. Dieser Grundsatz des § 4 Abs. 1 BDSG prägt das deutsche Datenschutzrecht(Gola/Schomerus BDSG 11. Aufl. § 4 Rn. 3; ErfK/Franzen 13. Aufl. § 4 BDSG Rn. 1; Simitis/Sokol BDSG 7. Aufl. § 4 Rn. 1).

46

(1) In diesem Sinne regelt § 6b BDSG die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen. Die Bestimmung gilt ua. für Videoaufzeichnungen in öffentlich zugänglichen Verkaufsräumen (BT-Drucks. 14/4329, S. 38). Unerheblich ist, ob das Ziel der Beobachtung die Allgemeinheit ist oder die dort beschäftigten Arbeitnehmer sind (vgl. BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 36). Nach § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG ist die Überwachung nur zulässig, wenn und soweit sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

47

(2) Gemäß dem zum 1. September 2009 in Kraft getretenen § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach dessen Begründung für seine Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Nach Abs. 1 Satz 2 der Regelung dürfen zur Aufdeckung von Straftaten personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zu deren Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten am Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.

48

dd) Im Streitfall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kassen des Getränkemarkts vom übrigen Verkaufsraum abgegrenzt waren und die verdeckte Videoüberwachung deshalb keinen „öffentlichen Raum“ iSd. § 6b BDSG betraf(zur Problematik Simitis/Scholz BDSG 7. Aufl. § 6b Rn. 51; Bayreuther NZA 2005, 1038). Im Ergebnis kommt es darauf nicht an. Ebenso kann offen bleiben, ob § 32 BDSG auf Überwachungen Anwendung findet, die vor seinem Inkrafttreten bereits beendet waren, und wie der Anwendungsbereich dieser Vorschrift zu dem des § 6b BDSG abzugrenzen ist(dazu ErfK/Franzen 13. Aufl. § 6b BDSG Rn. 2; Simitis/Scholz aaO; Bayreuther DB 2012, 2222). Schließlich kann dahinstehen, ob Videoaufzeichnungen, die nicht von den Erlaubnistatbeständen des BDSG gedeckt sind, ohne Weiteres einem prozessualen Beweisverwertungsverbot unterliegen oder ob es für ein solches Verbot einer weitergehenden Abwägung der betroffenen Grundrechte bedarf, in die freilich die im Bundesdatenschutzgesetz getroffene Interessenabwägung einzubeziehen wäre (dazu Bayreuther DB 2012, 2222, 2225; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 349; Lunk NZA 2009, 457; Thüsing Anm. zu BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 13). Die Verwertung des verdeckt gewonnenen Videomaterials allein für den Beweis der Richtigkeit der Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe sich bei der - als solcher unstreitigen - Entnahme von „Klüngelgeld“ „versichernd umgeschaut“, ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zulässig.

49

(1) Greift die prozessuale Verwertung eines Beweismittels in das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Prozesspartei ein, überwiegt das Interesse an der Verwertung der Videoaufnahmen und der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege das Interesse am Schutz dieses Grundrechts nur dann, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten. Das Interesse, sich ein Beweismittel zu sichern, reicht für sich allein nicht aus (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - BVerfGE 117, 202). Vielmehr muss sich gerade diese Art der Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als gerechtfertigt erweisen (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96, 1 BvR 805/98 - zu C II 4 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 29; 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36 mwN).

50

(2) Dementsprechend sind Eingriffe in das Recht des Arbeitnehmers am eigenen Bild durch heimliche Videoüberwachung und die Verwertung entsprechender Aufzeichnungen dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung damit das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist (grundlegend BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 30 - beide Male vor Inkrafttreten des § 32 BDSG ). Der Verdacht muss sich in Bezug auf eine konkrete strafbare Handlung oder andere schwere Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richten. Er darf sich einerseits nicht auf die allgemeine Mutmaßung beschränken, es könnten Straftaten begangen werden. Er muss sich andererseits nicht notwendig nur gegen einen einzelnen, bestimmten Arbeitnehmer richten. Auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer weiteren Einschränkung des Kreises der Verdächtigen müssen weniger einschneidende Mittel als eine verdeckte Videoüberwachung zuvor ausgeschöpft worden sein (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - aaO; 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b dd (1) der Gründe, aaO).

51

(3) Das in § 6b Abs. 2 BDSG normierte Kennzeichnungsgebot steht einer Verwertung von Daten, die aus einer verdeckten Videoüberwachung gewonnen wurden, nicht zwingend entgegen(BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 41; Bauer/Schansker NJW 2012, 3537; Thüsing Anm. zu BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 13; wohl auch Bayreuther DB 2012, 2222 ff.). Das gegenteilige Normverständnis, das zu einem absoluten, nur durch bereichsspezifische Spezialregelungen (etwa durch § 100c, § 100h StPO)eingeschränkten Verbot verdeckter Videoaufzeichnungen in öffentlich zugänglichen Räumen führte, begegnete mit Blick auf die durch Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Integritätsinteressen des Arbeitgebers verfassungsrechtlichen Bedenken.

52

(4) Die Regelung des § 32 BDSG baut auf den von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Grundsätzen auf. Nach der Gesetzesbegründung sollte sie diese nicht ändern, sondern lediglich zusammenfassen (vgl. BT-Drucks. 16/13657, S. 21). Dementsprechend setzt § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG voraus, dass die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten zur Aufdeckung einer Straftat erforderlich ist, und verlangt insoweit eine am Verhältnismäßigkeitsprinzip orientierte, die Interessen des Arbeitgebers und des Beschäftigten abwägende Einzelfallentscheidung. Diese muss zumindest den schon bisher geltenden Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer heimlichen Videoüberwachung entsprechen (Thüsing Anm. zu BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 13; Wybitul BB 2010, 2235).

53

(5) Es kann dahinstehen, ob § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG weitergehend verlangt, dass sich der Verdacht auf ein strafbares Verhalten richtet und deshalb auch der Verdacht auf schwere Pflichtverletzungen, ohne dass zugleich ihre Strafbarkeit feststünde, die Beobachtung nicht rechtfertigen könnte. Ebenso kann offenbleiben, ob die Regelung zusätzliche Anforderungen an die personelle Konkretisierung des Verdachts sowie dessen Dokumentation stellt (zweifelnd Bauer/Schansker NJW 2012, 3537, 3539; Thüsing Anm. zu BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 13). Hier fehlt es schon an der Erfüllung der bisher geltenden Anforderungen an die Zulässigkeit einer verdeckten Videoüberwachung und der Verwertung des daraus gewonnenen Materials. Damit liegt auch ein gesetzlicher Erlaubnistatbestand nicht vor.

54

(a) Die im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme, für die verdeckte Beobachtung des Kassenbereichs habe ein hinreichender Anlass bestanden. Zwar ist - mangels zulässiger Verfahrensrügen der Revision - davon auszugehen, dass im ersten Halbjahr 2009 im Getränkemarkt Leergutdifferenzen iHv. insgesamt 7.081,63 Euro zu verzeichnen waren. Es ist weder dargetan noch festgestellt, durch welche konkreten Maßnahmen die Beklagte ausgeschlossen haben will, dass Leergut nicht etwa aus dem Lager entwendet worden ist. Ihr Vorbringen, sie habe „keine Fehlbestände an Leergut im Lager und im Kassenbereich festgestellt“ bleibt im Allgemeinen haften. Es lässt nicht erkennen, dass sie stichprobenartige Kontrollen ausreichend oft durchgeführt hätte. Überdies macht ihr Vortrag nicht deutlich, ob vergleichbare Fehlbestände schon früher aufgetreten, ob diese ggf. als „auflaufender Posten“ in die Berechnungen des Jahres 2009 eingeflossen sind und wie Fehlbuchungen als mögliche Ursache ausgeschlossen wurden. Selbst wenn die Beklagte die Ursache der Leergutdifferenzen berechtigterweise im Kassenbereich hätte vermuten dürfen, fehlt es an Vortrag und Feststellungen dazu, weshalb die Videoüberwachung das praktisch einzig verbliebene Mittel gewesen sein soll, die Unregelmäßigkeiten aufzuklären oder doch den Verdacht in personeller Hinsicht weiter einzugrenzen. So ist nicht erkennbar, weshalb nicht stichprobenartige Überprüfungen der Menge des an der - einzigen - Leergutkasse abgegebenen Pfandguts und der jeweiligen Kassenabschlüsse zusammen mit Kontrollen der Mitarbeiter beim Verlassen des Arbeitsplatzes geeignete Maßnahmen hätten sein können.

55

(b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts berücksichtigt im Übrigen nicht ausreichend, dass der fragliche Kündigungssachverhalt der Beklagten nur „zufällig“ bekannt geworden ist. Auf seine Entdeckung war die heimliche Videoüberwachung nicht gerichtet.

56

(aa) Zwar mögen solche „Zufallsfunde“ - unbeschadet der Regelung in § 6b Abs. 3 BDSG - nicht in jedem Fall deshalb unverwertbar sein, weil sie außerhalb des Beobachtungszwecks liegen(vgl. Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 340; aA wohl Bergwitz NZA 2012, 353, 358). Auch bezogen auf „Zufallserkenntnisse“ muss aber das Beweisinteresse des Arbeitgebers höher zu gewichten sein als das Interesse des Arbeitnehmers an der Achtung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Das ist nur anzunehmen, wenn das mittels Videodokumentation zu beweisende Verhalten eine wenn nicht strafbare, so doch schwerwiegende Pflichtverletzung zum Gegenstand hat und die verdeckte Videoüberwachung nicht selbst dann noch unverhältnismäßig ist. Erreicht das in Rede stehende Verhalten diesen Erheblichkeitsgrad nicht, muss die Verwertung des Videomaterials unterbleiben.

57

(bb) So liegt es hier. Zwischen den Parteien ist die Existenz der „Klüngelgeld-Kasse“ ebenso unstreitig wie der Umstand, dass die Klägerin daraus gelegentlich kleinere Geldstücke entnommen hat. Die Beweisaufnahme durch Augenschein sollte allein dem Nachweis dienen, dass sich die Klägerin bei der Geldentnahme „versichernd umgesehen“ hat und deshalb vermutlich Zueignungsabsicht besaß. Das rechtfertigt keine Verwertung der heimlichen Videoaufzeichnungen. Zum einen hat die Beklagte nicht dargelegt, dass die Verwertung erforderlich war, um die Einlassung der Klägerin zum Fehlen ihrer Zueignungsabsicht zu widerlegen. Zum anderen ist die heimliche Videoüberwachung zum Nachweis der Absicht, sich einige Münzen im Wert von Centbeträgen zuzueignen, schlechthin unverhältnismäßig.

58

(cc) Es erscheint nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass das Landesarbeitsgericht im Rahmen einer nochmaligen Beweiswürdigung auch ohne Berücksichtigung des Inhalts der Videoaufzeichnungen zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin habe das fragliche Geld aus der „Klüngelgeld-Kasse“ entnommen, um es für sich zu behalten. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang unter Antritt von Zeugenbeweis vorgetragen, für das Auslösen eines Einkaufswagens mit Hilfe von „Klüngelgeld“ habe keinerlei dienstliches Bedürfnis bestanden. Zum Zweck des Transports der Kasseneinsätze sei stets ein frei zugänglicher Wagen bereitgestellt worden.

59

III. Der Aufhebung und Zurückverweisung unterliegt die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auch hinsichtlich der Zahlungsansprüche, die von der Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung abhängen. Wegen der der Klägerin für die Zeit bis zum 31. März 2010 zugesprochenen Vergütungsansprüche hat die Entscheidung dagegen Bestand. Die gegen sie gerichtete Anschlussrevision der Beklagten bleibt auch insoweit ohne Erfolg.

60

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat zumindest bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortbestanden. Der für diese Zeit geltend gemachte Vergütungsanspruch folgt aus § 615 Satz 1 BGB, § 13 Abs. 1 Satz 5 KSchG iVm. § 11 Nr. 3 KSchG. Er ist der Höhe nach ebenso unstreitig wie die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung des begehrten Warengutscheins.

61

2. Der entsprechende Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 BGB iVm. § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 291 BGB. Sowohl der betreffende Antrag der Klägerin als auch der Tenor des Berufungsurteils sind dahin auszulegen, dass - im Hinblick auf den gesetzlichen Anspruchsübergang - Zinsen nur aus den jeweiligen Bruttobeträgen abzüglich des für den jeweiligen Monat in Anrechnung gebrachten Arbeitslosengelds verlangt bzw. geschuldet sind.

62

IV. Die Zurückverweisung erfasst ferner die Anträge auf vorläufige Weiterbeschäftigung und auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Beide Anträge verfolgt die Klägerin nur für den Fall des Obsiegens mit ihrem Feststellungsbegehren.

        

    Kreft    

        

    Rinck    

        

    Berger    

        

        

        

    B. Schipp    

        

    Söller    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 20. März 2013 - 6 Sa 617/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer außerordentlicher, hilfsweise ordentlicher Kündigungen.

2

Die Beklagte ist tätig auf dem Gebiet der Bahnelektrifizierung und Bahnstromversorgung. Sie ist Marktführerin in Deutschland und beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer.

3

Der Kläger war bei ihr und ihrer Rechtsvorgängerin seit Oktober 1975, zuletzt als Bereichsleiter Technologie, beschäftigt. Sein Arbeitsort war seit Anfang 2010 O. Der Kläger ist vom Eisenbahn-Bundesamt als Plan- und Abnahmeprüfer auf dem Gebiet der Oberleitungsanlagen mit Rückstromführung und Bahnerdung einschließlich der Statik anerkannt. Er erstellte für die Beklagte Gutachten über elektrische Anlagen. Diese rechnete die Beklagte gegenüber ihren Auftraggebern ab.

4

In einem Rechtsstreit über Vergütungsansprüche des Klägers erklärte dieser vor dem Arbeitsgericht am 3. August 2011 zu Protokoll:

        

„Im Zusammenhang mit dem Reiseantrag für den Zeitraum vom 17. Februar bis 18. Februar 2011 habe ich meinem Vorgesetzten Herrn Dr. Z mitgeteilt, dass ich am 18. Februar 2011 den Dienstwagen zu einem TÜV-Termin nach Ol bringen werde. Er erwiderte daraufhin,
dass er seinen Wagen auch zum TÜV bringen müsse und dies normal sei.“

5

Nach Auffassung der Beklagten war diese Aussage falsch. Die Beklagte sah in dem Verhalten des Klägers den Versuch eines Prozessbetrugs und kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 24. August 2011 außerordentlich und fristlos sowie mit Schreiben vom 5. September 2011 hilfsweise ordentlich zum 31. Dezember 2012. Sie hatte zuvor sowohl ihren sog. Montagebetriebsrat als auch den Betriebsrat in O zu den beabsichtigten Kündigungen angehört.

6

Die außerordentliche Kündigung vom 24. August 2011 ging dem Kläger am 25. August 2011 zu. Mit einem weiteren Schreiben vom 24. August 2011 widerrief die Beklagte die dem Kläger erteilte Prokura und forderte ihn auf, Firmeneigentum herauszugeben. Nach Zugang beider Schreiben bearbeitete der Kläger eine Prüfanfrage der D GmbH (künftig: D) und leitete dieser den Prüfbericht am 29. August 2011 von seiner Privatadresse aus zu. Er hatte den Bericht mit einem Stempel als Gutachter der Beklagten gekennzeichnet. Die damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers teilte der Beklagten mit Schreiben vom 19. September 2011 zu diesem Vorgang ua. mit:

        

„Der vorgenannten Schadensminderungspflicht ist unser Mandant nachgekommen, als er der … von Seiten der D GmbH an ihn persönlich gerichtete[n] Anfrage auf Erstellung eines Prüfberichts nachgekommen ist.

        

…       

        

Mit der Bearbeitung dieses Statik-Prüfberichts für die D GmbH ist unser Mandant daher eindeutig nicht für Ihr Unternehmen tätig geworden.

        

…       

        

Selbstverständlich also ist festzuhalten, dass unser Mandant diese Prüftätigkeit selbständig und auf eigene Rechnung vorgenommen hat.“

7

Nach Anhörung des Montagebetriebsrats und des Betriebsrats O kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 27. September 2011 erneut außerordentlich und fristlos sowie mit Schreiben vom 4. Oktober 2011 hilfsweise ordentlich zum 31. Dezember 2012.

8

Ab dem 1. November 2011 war der Kläger auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 20. September 2011 für die S GmbH (künftig: S) als „Technischer Support/Gutachter im Fernverkehr“ tätig. Er nahm für diese Planprüfungen und damit verbundene Aufgaben wahr und beriet und unterstützte sie bei der Planerstellung. Nach erneuter Anhörung beider Betriebsräte kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 22. November 2011 ein weiteres Mal außerordentlich und fristlos sowie mit Schreiben vom 24. November 2011 ordentlich zum 31. Dezember 2012.

9

Da der Kläger außerdem einen Prüfauftrag der I GmbH (künftig: I) durchgeführt hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien - abermals nach Anhörung beider Betriebsräte - mit Schreiben vom 6. Dezember 2011 außerordentlich und fristlos sowie mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 ordentlich zum 31. Dezember 2012. Bei der I handelt es sich um eine Schwestergesellschaft der Beklagten.

10

Gegen sämtliche Kündigungen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat gemeint, es fehle an einem Grund sowohl für die außerordentlichen als auch für die hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen. Der Versuch eines Prozessbetrugs habe nicht vorgelegen. Bei der Tätigkeit für die D habe er nicht auf eigene Rechnung gearbeitet. Es habe sich daher nicht um eine Konkurrenztätigkeit gehandelt. Die anders lautende Erklärung im Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 19. September 2011 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 1. Februar 2012 korrigiert. Er hat vorgetragen, er habe den Auftrag nach Zugang der ersten außerordentlichen Kündigung nur deshalb durchgeführt, weil er sich hierzu gegenüber der D verpflichtet gefühlt habe, insbesondere weil den Auftrag kein anderer Prüfer der Beklagten habe ausführen können. Der Kläger hat weiter vorgebracht, auch mit seiner Tätigkeit für die S sei er nicht in Wettbewerb zu der Beklagten getreten. Zwischen den beiden Unternehmen bestehe keine Konkurrenz im klassischen Sinne. Das Verhältnis zwischen ihnen sei vielmehr in erheblichem Umfang von unternehmerischer Zusammenarbeit geprägt. Die Beklagte selbst habe ihn in Kenntnis seiner Tätigkeit für die S mit Prüfungen beauftragt. Jedenfalls habe er die Interessen der Beklagten durch seine Tätigkeit nicht beeinträchtigt. Außerdem habe es sich, nachdem die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zuvor gekündigt habe, um eine Übergangslösung gehandelt und nicht um eine auf Dauer angelegte Konkurrenztätigkeit. Auch für die I sei er nicht in Konkurrenz zur Beklagten tätig geworden. Die I sei bei dem betreffenden Projekt als Nachunternehmerin der Beklagten beauftragt gewesen. Er habe zudem bei einem Mitarbeiter der Beklagten nachgefragt, ob seine Beauftragung durch die I von der Beklagten freigegeben sei, was dieser bejaht habe. Der Kläger hat hinsichtlich aller außerordentlichen Kündigungen gerügt, die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten. Zu der Kündigung vom 22. November 2011 sei überdies der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden.

11

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 24. August 2011, noch durch die außerordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 27. September 2011, 22. November 2011 und 6. Dezember 2011, noch durch die ordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 5. September 2011, 4. Oktober 2011, 24. November 2011 und 12. Dezember 2011 beendet worden ist.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, die Kündigungen seien jeweils schon als außerordentliche gerechtfertigt. Der Kläger habe für den 18. Februar 2011 Dienstgeschäfte in E vorgetäuscht. Die von ihm in dem Vergütungsrechtsstreit zu Protokoll gegebene Erklärung, er habe seinen Vorgesetzten vorab über seinen Aufenthalt in Ol am 18. Februar 2011 unterrichtet, sei unwahr. Selbst wenn sie wahr wäre, hätte der Kläger sie, die Beklagte, im Zusammenwirken mit seinem Vorgesetzten doch darüber getäuscht, nicht in E, sondern in Ol gewesen zu sein. Mit Blick auf die Erledigung des Auftrags für die D habe sich aufgrund der Angaben im Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 19. September 2011 zumindest im Kündigungszeitpunkt der dringende Verdacht einer Konkurrenztätigkeit ergeben. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt. Sie habe erst mit Eingang der Stellungnahme des Klägers zu laufen begonnen. Auch mit der Tätigkeit für die S habe sich der Kläger in unerlaubten Wettbewerb zu ihr begeben. Der Umstand, dass sie und die S Aufträge gelegentlich in Arbeitsgemeinschaften oder im Haupt- und Subunternehmerverhältnis erledigten, beseitige nicht ihrer beider Konkurrenzverhältnis. Die Prüftätigkeit für die I habe ebenso einer ihrer Arbeitnehmer erbringen können. Ihre Geschäftsführung sei erst am 28. November 2011 über den Sachverhalt informiert worden.

13

Das Arbeitsgericht hat die außerordentlichen Kündigungen vom 24. August 2011 und 27. September 2011 als unwirksam angesehen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers insgesamt stattgegeben und die Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt diese ihr Begehren weiter, die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Für die außerordentlichen Kündigungen fehlt es an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB, die hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen sind sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG.

15

I. Die außerordentliche Kündigung vom 24. August 2011 ist nicht gerechtfertigt. In der Protokollerklärung des Klägers in dem vorausgegangenen Rechtsstreit liegt kein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB.

16

1. Bewusst wahrheitswidrige Erklärungen, die ein Arbeitnehmer in einem Rechtsstreit mit seinem Arbeitgeber abgibt, weil er befürchtet, mit wahrheitsgemäßen Angaben den Prozess nicht gewinnen zu können, können geeignet sein, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen (BAG 8. November 2007 - 2 AZR 528/06 - Rn. 17). Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Einordnung an; ein Arbeitnehmer, der bewusst falsch vorträgt, um sich einen Vorteil im Rechtsstreit mit seinem Arbeitgeber zu verschaffen, verletzt in erheblicher Weise seine nach § 241 Abs. 2 BGB bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers(vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 528/06 - aaO).

17

2. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht angenommen, es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, der Kläger habe die fragliche Protokollerklärung in dem Bewusstsein abgegeben, sich durch wahrheitswidrige Angaben einen Vorteil gegenüber der Beklagten im Rechtsstreit über seine Vergütungsansprüche zu verschaffen.

18

a) Es hat dies daraus abgeleitet, dass die Frage, wo der Kläger den Dienstwagen zum TÜV gebracht und seine Arbeitsleistung für die Beklagte erbracht habe, für seinen Vergütungsanspruch ohne Bedeutung gewesen sei. Aus dem weiteren Vorbringen des Klägers in dem Vorprozess ergebe sich, dass auch er selbst diese Frage in keiner Weise für entscheidungserheblich gehalten habe.

19

b) Die Beklagte hat demgegenüber geltend macht, in diesem Fall hätte der Kläger nichts befürchten müssen, wenn er wahrheitsgemäße Angaben gemacht hätte. Ein anderer Grund für seine unzutreffende Erklärung als die Absicht, sich dadurch einen Vorteil zu verschaffen, sei daher nicht ersichtlich. Damit zeigt die Beklagte keinen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts auf. Ein solcher ist auch objektiv nicht ersichtlich. Die Schlussfolgerungen der Beklagten aus dem Prozessverhalten des Klägers sind nicht zwingend. Sie setzen voraus, dass der Kläger bewusst wahrheitswidrige Angaben gemacht hat. Dies ist weder festgestellt noch gibt es dafür objektiv hinreichende Anhaltspunkte. Selbst wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, die Erklärung des Klägers habe nicht der Wahrheit entsprochen, muss das diesem nicht bewusst gewesen sein. Ebenso gut kann er sich in seiner Erinnerung darüber, ob er seinen Vorgesetzten vorab über den Aufenthalt in Ol am 18. Februar 2011 unterrichtet hatte, getäuscht haben. Die Beklagte trägt die Darlegungslast für den Kündigungsgrund und damit für eine Schädigungsabsicht des Klägers. Dieser ist sie nicht hinreichend nachgekommen. Das Landesarbeitsgericht musste deshalb keinen Beweis darüber erheben, ob die Erklärung des Klägers wahrheitswidrig war.

20

II. Ebenso fehlt es an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung vom 27. September 2011. Die Voraussetzungen für eine Kündigung wegen des Verdachts einer schwerwiegenden Pflichtverletzung liegen nicht vor.

21

1. In einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sind nicht nur die dem Arbeitgeber bei Kündigungsausspruch bekannten Tatsachen von Bedeutung. Es sind auch solche später bekannt gewordenen Umstände zu berücksichtigen, die den ursprünglichen Verdacht abschwächen oder verstärken (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 25; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 41). Dies gilt zumindest dann, wenn sie bei Kündigungszugang objektiv bereits vorlagen. Der Arbeitgeber kann verdachtserhärtende Tatsachen in den Prozess einführen, die ihm erst nachträglich bekannt geworden sind, der Arbeitnehmer solche, die den Verdacht entkräften. Bei einer Verdachtskündigung muss der Besonderheit Rechnung getragen werden, dass für sie nicht der volle Nachweis einer Pflichtverletzung verlangt wird. Blieben den Arbeitnehmer entlastende Tatsachen, die erst im Prozess zutage getreten sind, außer Betracht, hätte der Arbeitgeber nur nachzuweisen, dass jedenfalls zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein dringender Tatverdacht bestand. Das würde der bei der Verdachtskündigung bestehenden Gefahr, einen „Unschuldigen“ zu treffen, nicht gerecht (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 42; 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 28). Die Berücksichtigung später bekannt gewordener Umstände steht entgegen der Auffassung der Beklagten nicht im Widerspruch zu dem Grundsatz, dass sich die Wirksamkeit einer Kündigung nach den bei ihrem Zugang gegebenen - objektiven - Tatsachen richtet (vgl. dazu BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 52, BAGE 134, 349; 27. Februar 1997 - 2 AZR 160/96 - zu II 2 c der Gründe, BAGE 85, 194). Diese erschöpfen sich auch im Fall der Verdachtskündigung nicht etwa notwendig in den dem Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt bekannten Verdachtsmomenten.

22

2. Selbst Umstände, die auch objektiv erst nachträglich eingetreten sind, können für die gerichtliche Beurteilung der Wirksamkeit einer Kündigung ausnahmsweise von Bedeutung sein, falls sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 53, BAGE 134, 349; 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - zu III der Gründe, BAGE 2, 245). Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO mwN). Von Bedeutung kann dies gerade für die Würdigung von verdachtsbegründenden Indiztatsachen sein.

23

3. Danach hat das Landesarbeitsgericht in dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 19. September 2011 zu Recht keine hinreichenden Verdachtsmomente dafür gesehen, dass der Kläger einen der Beklagten erteilten Auftrag der D für eigene Rechnung bearbeitet habe.

24

a) Es durfte zum einen berücksichtigen, dass der Kläger die Angaben seiner Prozessbevollmächtigten im Schreiben vom 19. September 2011 nachträglich korrigiert hat. Damit hat er sich von ihnen distanziert. Sie können nicht mehr uneingeschränkt als sein eigenes Eingeständnis gewertet werden und erscheinen dadurch in einem anderen Licht.

25

b) Es durfte zum anderen annehmen, dass weitere Verdachtsmomente gegen den Kläger nicht bestünden. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe bei der D nicht nachgefragt, auf wen die Rechnung für den Auftrag gestellt worden sei. Der Inhalt der Prüfunterlagen spreche dafür, dass der Kläger durch die Verwendung des Stempels der Beklagten deutlich gemacht habe, für diese tätig geworden zu sein. Gegen diese Würdigung bringt die Beklagte keine beachtlichen Einwände vor. Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts sind auch objektiv nicht ersichtlich. Zwar hat es nicht festgestellt, aus welchem Grund es zu den zunächst falschen Angaben der Prozessbevollmächtigten des Klägers gekommen ist. Es hat aber, zumal die Prüfungsunterlagen die Version des Klägers stützten, ersichtlich einen bloßen Abstimmungsfehler für möglich gehalten. Soweit die Beklagte in der Revisionsinstanz geltend gemacht hat, der Kläger habe sehr wohl privat abrechnen wollen und dies nur deshalb nicht getan, weil er über keinen anderen als ihren Stempel verfügt habe, hat sie keine zulässige Verfahrensrüge erhoben. Sie hat nicht dargelegt, dass und an welcher Stelle sie die für diese Annahme sprechenden Umstände in den Vorinstanzen vorgetragen habe. Die Rüge ist zudem unbegründet. Es bliebe auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens dabei, dass es keine hinreichenden Verdachtsmomente dafür gibt, der Kläger sei auf eigene Rechnung tätig geworden.

26

III. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Tätigkeit des Klägers für die S ab dem 1. November 2011 stelle keinen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB für die außerordentliche Kündigung vom 22. November 2011 dar. Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

27

1. Ein Arbeitnehmer, der während des bestehenden Arbeitsverhältnisses Konkurrenztätigkeiten entfaltet, verstößt gegen seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB. Es handelt sich in der Regel um eine erhebliche Pflichtverletzung. Sie ist „an sich“ geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 20; 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15 mwN).

28

a) Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt (BAG 16. Januar 2013 - 10 AZR 560/11 - Rn. 14; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 22). Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB normiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - aaO; 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - zu II 1 a der Gründe). Dem Arbeitnehmer ist aufgrund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Ihm ist ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - aaO; 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - aaO). Allerdings darf er, wenn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB nicht vereinbart ist, schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten(vgl. BAG 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15). Verboten ist lediglich die Aufnahme einer werbenden Tätigkeit, etwa durch Vermittlung von Konkurrenzgeschäften oder aktives Abwerben von Kunden. Bloße Vorbereitungshandlungen erfüllen diese Voraussetzungen regelmäßig nicht (BAG 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - aaO).

29

b) Das vertragliche Wettbewerbsverbot gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses. Ein Arbeitnehmer darf deshalb grundsätzlich auch nach Zugang einer von ihm gerichtlich angegriffenen fristlosen Kündigung des Arbeitgebers keine Konkurrenztätigkeit ausgeübt haben, falls sich die Kündigung später als unwirksam herausstellt. Er ist in der Regel auch während des - für ihn erfolgreichen - Kündigungsschutzprozesses an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 23; 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - zu B III 3 a der Gründe). Dies gilt unabhängig davon, ob eine Karenzentschädigung angeboten oder er vorläufig weiterbeschäftigt wird (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - aaO). Seine Obliegenheit aus § 615 Satz 2 BGB, nicht böswillig anderweitigen Erwerb zu unterlassen, rechtfertigt es nicht, eine Konkurrenztätigkeit im Geschäftsbereich des Arbeitgebers aufzunehmen(BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - zu B III 3 a bb der Gründe).

30

2. Bei der Prüfung, ob ein Verstoß gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot nach Zugang einer - gerichtlich angegriffenen - außerordentlichen Kündigung die weitere Kündigung des Arbeitsverhältnisses - falls es auf sie noch ankommt - rechtfertigen kann, ist im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung (vgl. auch dazu BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26; 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - zu B III 3 b der Gründe) zu berücksichtigen, dass sich in einer solchen Konstellation beide Parteien objektiv vertragswidrig verhalten.

31

a) Eine Fallgestaltung wie die vorliegende ist durch ein in sich widersprüchliches Verhalten beider Vertragsparteien gekennzeichnet. Der Arbeitgeber beruft sich vorrangig auf die Wirksamkeit einer schon zuvor erklärten Kündigung, erwartet aber vom Arbeitnehmer ein Verhalten, das dieser nur bei Unwirksamkeit der Kündigung schuldet. Hätte im Übrigen der Arbeitgeber - entsprechend der objektiven Rechtslage - keine Kündigung erklärt, hätte aller Voraussicht nach der Arbeitnehmer keinen Anlass für die Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit gehabt. Der Arbeitnehmer wiederum erstrebt die Feststellung einer Unwirksamkeit der früheren Kündigung, verstößt aber mit der Aufnahme von Konkurrenztätigkeiten gegen gerade dann bestehende Unterlassungspflichten.

32

b) Auf diese Besonderheiten ist bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz der Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers zumutbar ist, Bedacht zu nehmen. Es spricht dabei zugunsten des Arbeitnehmers, wenn die Wettbewerbstätigkeit erst durch die frühere - unwirksame - Kündigung ausgelöst worden ist (vgl. für einen Handelsvertreter BGH 28. April 1960 - VII ZR 218/59 - zu 6 der Gründe). Dann rechtfertigt die objektiv gegebene Pflichtverletzung des Arbeitnehmers für die Zeit nach Prozessende in der Regel keine negative Verhaltensprognose. Auch ist zu berücksichtigen, ob der Wettbewerb auf eine dauerhafte Konkurrenz zum bisherigen Arbeitgeber angelegt ist oder zunächst nur eine Übergangslösung für den Schwebezustand bis zur Klärung der Rechtslage darstellt (BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - zu B III 3 b bb der Gründe). Von Bedeutung ist ferner, ob dem Arbeitgeber aufgrund der Art und der Auswirkungen der Konkurrenztätigkeit unmittelbar ein Schaden zugefügt wird oder nur eine abstrakte Gefährdung von dessen geschäftlichen Interessen vorliegt (vgl. BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - aaO).

33

3. Zu Recht hat danach das Landesarbeitsgericht den Interessen des Klägers an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses den Vorrang gegenüber den Interessen der Beklagten an dessen Beendigung eingeräumt.

34

a) Der Kläger hat den Arbeitsvertrag mit der S erst geschlossen und die Tätigkeit für sie erst aufgenommen, nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zuvor fristlos gekündigt hatte. Da keine Anhaltspunkte für das Gegenteil vorliegen, lässt dies nur den Schluss zu, dass seine Wettbewerbstätigkeit durch die Kündigung ausgelöst worden ist. Das spricht zudem dafür, dass der Kläger sie lediglich als Ersatz für seine bisherige Tätigkeit aufgenommen hat. Es sind keine Umstände festgestellt oder objektiv erkennbar, die die Annahme rechtfertigten, er hätte es auf eine dauerhafte Konkurrenz zur Beklagten angelegt. Der Kläger hat nicht etwa ein eigenes Unternehmen in Konkurrenz zur Beklagten aufgebaut. Aus dem neu eingegangenen Arbeitsverhältnis konnte er sich für den Fall, dass er mit der Kündigungsschutzklage gegen die Beklagte obsiegen würde, jederzeit - etwa durch Kündigung - wieder lösen.

35

b) Das Landesarbeitsgericht durfte zugunsten des Klägers berücksichtigen, dass er durch seine Tätigkeit für die S der Beklagten keinen unmittelbaren Schaden zugefügt hat. Soweit die S für die Beklagte tätig geworden ist, hat er dieser sogar die zeitgerechte Auftragserfüllung gesichert. Die Beklagte weist zwar zutreffend darauf hin, dass ein Wettbewerbsverstoß auch ohne eine konkrete Schädigung vorliegen kann. Darum geht es jedoch nicht. Es geht darum, ob dieser Verstoß eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt.

36

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht nicht angenommen, möglicher Gewinn sei im gegebenen Zusammenhang schlechthin kein schützenswertes Interesse. Es hat lediglich gewürdigt, dass der Beklagten ein Gewinn aus den Prüfarbeiten des Klägers nicht deshalb entgangen ist, weil dieser für die S tätig war. Dies sei vielmehr die Folge davon gewesen, dass sie das Arbeitsverhältnis der Parteien zuvor fristlos gekündigt habe, ohne einen Ersatz für den Kläger einzustellen. Das Landesarbeitsgericht hat damit zu Recht eine Kausalität zwischen der Konkurrenztätigkeit des Klägers und einem Gewinnausfall der Beklagten verneint. Auch wenn der Kläger nicht für die S gearbeitet hätte, hätte die Beklagte die von ihm erbrachte Tätigkeit nicht selbst und mit eigenen Arbeitnehmern durchführen können.

37

d) Die von der Beklagten vermissten weiteren Gesichtspunkte hat das Landesarbeitsgericht bei der Interessenabwägung nicht unberücksichtigt gelassen. Es hat ihnen nur kein zugunsten der Beklagten ausschlaggebendes Gewicht beigemessen.

38

aa) Die mit der Tätigkeit des Klägers verbundene Möglichkeit einer Gewinnerhöhung bei der S hat das Landesarbeitsgericht - wie seine Ausführungen zum Fehlen einer unmittelbaren Schädigung der Beklagten erkennen lassen - zutreffend nicht als einen erschwerenden Umstand erachtet. Ein möglicher wirtschaftlicher Vorteil für das konkurrierende Unternehmen ist einer Konkurrenztätigkeit immanent.

39

bb) Das Landesarbeitsgericht hat auch den Grad des Schuldvorwurfs nicht unberücksichtigt gelassen. Es hat vielmehr auf die Besonderheiten einer Konkurrenztätigkeit nach fristloser Kündigung abgestellt. Danach ist dem Arbeitnehmer zwar kein Wettbewerb zu seinem bisherigen Arbeitgeber gestattet, wenn das Arbeitsverhältnis - objektiv - fortbesteht. Die Situation lässt eine gleichwohl aufgenommene Konkurrenztätigkeit aber in der Regel in einem milderen Licht erscheinen. Durch die fristlose Kündigung hatte der Arbeitgeber zu verstehen gegeben, sich seinerseits an vertragliche Pflichten nicht mehr gebunden zu fühlen.

40

cc) Auf der Basis der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in vollem Bewusstsein der Tatsache gehandelt hätte, die Beklagte werde seine Konkurrenztätigkeit nicht akzeptieren. Die Beklagte macht zwar geltend, der Kläger habe dies daran erkennen müssen, dass sie schon auf seine Konkurrenztätigkeit für die D mit einer außerordentlichen Kündigung reagiert habe. Aus dem vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Kündigungsschreiben vom 27. September 2011 ergibt sich ein solcher Kündigungsgrund aber nicht. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass und ggf. welche sonstigen Umstände die Annahme rechtfertigen sollten, der Kläger habe im Bewusstsein dessen gehandelt, sie werde seine Tätigkeit für die S keinesfalls akzeptieren. Es kann daher dahinstehen, ob dies anderenfalls zu ihren Gunsten zu werten wäre. Dagegen spricht, dass es nicht auf die subjektive Bereitschaft zur Akzeptanz auf Seiten des Arbeitgebers, sondern darauf ankommt, was diesem objektiv zuzumuten ist (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 47, BAGE 134, 349).

41

dd) Das Landesarbeitsgericht hat auch berücksichtigt, dass der Kläger nicht nur punktuell, sondern im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, dh. kontinuierlich für die S tätig geworden ist. Es hat diesen Umstand erkennbar deshalb nicht als erschwerend angesehen, weil damit keine unmittelbare Schädigung der Beklagten einhergegangen sei. Diese habe nicht vorgetragen, dass ihre eigenen Arbeitnehmer, die solche Prüftätigkeiten hätten ausführen können, nicht ausgelastet gewesen seien. Sie habe vielmehr nicht über ausreichende eigene Kapazitäten verfügt, um eine zeitnahe Prüfung sicherzustellen. Diese Würdigung lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

42

IV. Die außerordentliche Kündigung vom 6. Dezember 2011 ist mangels wichtigen Grundes ebenfalls unwirksam. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

43

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, auch die auf wettbewerbswidriges Verhalten des Klägers gestützte Kündigung vom 6. Dezember 2011 sei nach § 626 Abs. 1 BGB nicht gerechtfertigt. Bei der I handele es sich um ein Schwesterunternehmen der Beklagten, das für diese bei dem fraglichen Auftrag als Nachunternehmerin tätig geworden sei. Eine Verletzung der Interessen der Beklagten sei nicht ersichtlich.

44

2. Die Sachrügen, die die Beklagte gegen diese Würdigung vorbringt, entsprechen denen, die sie gegen die Auffassung des Landesarbeitsgerichts von der Unwirksamkeit der Kündigung vom 22. November 2011 erhoben hat. Sie greifen aus den dargelegten Gründen nicht durch. Hinzu kommt, dass sich die Tätigkeit des Klägers für die I in der Ausführung eines einzelnen Prüfauftrags erschöpfte, für den die I Nachunternehmerin der Beklagten war. Eine fortdauernde Tätigkeit lag nicht vor. Die Verfahrensrüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe nicht in Erwägung gezogen, dass sie vorgetragen habe, einer ihrer Arbeitnehmer habe den Auftrag erledigen können, ist unzulässig. Aus dem Tatbestand der angefochtenen Entscheidung ergibt sich lediglich, dass die Beklagte dies erstinstanzlich behauptet hat, nicht aber, was sie dazu im Einzelnen vorgebracht, ob sie für ihr Vorbringen Beweis angetreten und ob sie Vortrag und ggf. Beweisantritt im Berufungsverfahren aufrechterhalten hat. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass im Berufungsverfahren unstreitig wurde, die Beklagte sei an der Durchführung des Auftrags schon aus rechtlichen Gründen gehindert gewesen.

45

V. Gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen seien „aus den gleichen Gründen“ nicht sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG, erhebt die Beklagte keine gesonderten Rügen. Ein Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts ist auch objektiv nicht ersichtlich.

46

1. Das Landesarbeitsgericht hat offenbar angenommen, die ordentlichen Kündigungen seien aus eben den Gründen sozial ungerechtfertigt, aus denen die außerordentlichen Kündigungen unwirksam seien. Bei deren Prüfung hat es die Folgen der (teilweise unterstellten) Pflichtverletzungen und den Grad des Verschuldens des Klägers als nicht so schwerwiegend angesehen, dass der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar gewesen sei.

47

2. Wenn das Landesarbeitsgericht auf diese Gründe mit Blick auf die ordentlichen Kündigungen Bezug nimmt, bedeutet das, dass es zu dem Ergebnis gelangt ist, der Beklagten sei eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses auch über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus zuzumuten. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

48

VI. Die Kosten ihrer erfolglosen Revision hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Frey     

        

    Torsten Falke    

                 

Tenor

1. Die Revisionen der Beklagten und der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. November 2008 - 11 Sa 820/08 - werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier außerordentlicher, hilfsweise ordentlicher Kündigungen.

2

Die Beklagte betreibt einen ambulanten Pflegedienst. Die Klägerin war bei ihr seit dem 1. Juli 2006 als Diplomsozialarbeiterin beschäftigt. Sie betreute psychisch kranke Menschen und Suchtkranke in deren Wohnungen(ambulant betreutes Wohnen) und hatte zuletzt einen regelmäßigen Patientenstamm von elf Personen.

3

Die Klägerin reichte im September 2007 eine „Überlastungsanzeige“ ein. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 20. September 2007 fristlos, hilfsweise fristgemäß wegen „bestehender Differenzen“ und „mangelnder Fähigkeit“ der Klägerin, sich in bestehende Strukturen einzufinden. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage.

4

Am 21. September 2007 kündigten sieben von der Klägerin betreute Patienten ihren mit der Beklagten bestehenden Betreuungsvertrag fristlos. Die von den Patienten handschriftlich verfassten Kündigungsschreiben hatte die Klägerin zur Post gegeben. Am gleichen Tag erhielt die Klägerin von einem Konkurrenzunternehmen der Beklagten, der Firma „S“, per E-Mail eine Einstellungszusage, in der von einer „Übernahme“ namentlich genannter Patienten der Klägerin die Rede war. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 24. September 2007 forderte die Beklagte die Klägerin auf, den Kontakt zu ihren Patienten und deren Betreuern sofort einzustellen sowie das Abwerben von Klienten zu unterlassen. Nachdem die Beklagte die Kündigung vom 20. September 2007 mit Zustimmung der Klägerin zurückgezogen hatte, nahm diese ihre Kündigungsschutzklage zurück.

5

Am 19. Oktober 2007 wurde die Beklagte darüber informiert, dass eine von der Klägerin betreute Patientin zur Firma „S“ gewechselt sei. Die rechtliche Betreuerin dieser Patientin übermittelte der Beklagten eine von der Klägerin verfasste E-Mail vom 24. September 2007, in der diese sich dafür entschuldigt hatte, den Wechsel zur Firma „S“ ohne vorherige Rücksprache mit ihr - der Betreuerin - durchgeführt zu haben. Der E-Mail war ein Betreuungsvertrag der Firma „S“ beigefügt.

6

Mit Schreiben vom 24. Oktober 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 30. November 2007.

7

Am 31. Oktober 2007 erhielt die Beklagte Kenntnis von einer weiteren E-Mail der Klägerin, die diese an die Betreuerin gerichtet hatte. Darin teilte sie mit, dass eine Beschäftigung bei der Firma „S“ nicht zustande gekommen sei, sie einen Antrag auf Zulassung als Leistungsanbieter für ambulantes betreutes Wohnen gestellt habe und sie ihre (ehemaligen) Patienten bei der Regelung ihres Alltags weiterhin - unentgeltlich - unterstützen werde. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 2. November 2007 erneut fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30. November 2007.

8

Die Klägerin hat sich mit ihrer Kündigungsschutzklage gegen beide Kündigungen gewandt und die Auffassung vertreten, ein Grund zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses liege nicht vor. Sie habe weder eine Konkurrenztätigkeit ausgeübt oder vorbereitet noch aktiv Patienten abgeworben. Sie habe auch die Kündigungen der Betreuungsverträge durch ihre Patienten nicht forciert; diese hätten aus Unzufriedenheit und wegen des ständigen Wechsels der Bezugspersonen aus eigenem Entschluss gekündigt. Sie sei lediglich gebeten worden, die Kündigungsschreiben zur Post zu bringen. Das Angebot der Firma „S“ habe sie angenommen, um einen Verzugsschaden im Interesse der Beklagten gering zu halten. Im Übrigen sei die außerordentliche Kündigung schon wegen Versäumung der zweiwöchigen Ausschlussfrist unwirksam. Die Beklagte habe bereits bei der Teambesprechung am 21. September 2007 von den aus ihrer Sicht kündigungsrelevanten Tatsachen Kenntnis gehabt. Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 24. September 2007 zeige, dass dieser der Kündigungssachverhalt spätestens am 24. September 2007 bekannt gewesen sei.

9

Die Klägerin hat - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 24. Oktober 2007 noch durch die Kündigung vom 2. November 2007 beendet worden ist.

10

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt. Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe das Arbeitsverhältnis wegen schwerwiegender Vertragspflichtverletzungen fristlos beenden dürfen. Die Klägerin sei zu einem Konkurrenzunternehmen gewechselt und habe diesem Patientendaten weitergegeben sowie Betreuungsverträge ihrer ehemaligen Patienten vermittelt. Davon habe sie erst am 19. Oktober 2007 erfahren. Die fristlose Kündigung vom 2. November 2007 sei berechtigt, weil die Klägerin sich habe selbständig machen und dazu ihre Patienten habe mitnehmen wollen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentlichen Kündigungen vom 24. Oktober 2007 und 2. November 2007 nicht aufgelöst worden ist, hat aber im Übrigen die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen haben beide Parteien Revision eingelegt. Die Klägerin begehrt, ihrer Klage in vollem Umfang stattzugeben, die Beklagte, das Urteil des Arbeitsgerichts vollständig wiederherzustellen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revisionen haben keinen Erfolg.

13

A. Die Revisionen sind zulässig. Das gilt auch für die Revision der Beklagten. Deren Revisionsbegründung ist zwar erst einen Tag nach Ablauf der bis zum 2. März 2009 verlängerten Revisionsbegründungsfrist beim Bundesarbeitsgericht eingegangen. Ihr war aber nach § 233 ZPO Wiedereinsetzung in diese Frist zu gewähren.

14

Die Beklagte war ohne ihr Verschulden verhindert, die Frist zur Revisionsbegründung nach § 74 Abs. 1 ArbGG einzuhalten. Sie hat glaubhaft gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtigter einen korrekt adressierten, die Revisionsbegründung enthaltenden Brief am 26. Februar 2009 der Deutschen Post AG übergeben hat, sodass er bei normaler Postlaufzeit vor Fristablauf am 2. März 2009 beim Revisionsgericht hätte rechtzeitig eingehen müssen. Die versäumte Frist ist somit allein auf eine verzögerte Zustellung zurückzuführen. Der Beklagten sind solche Verzögerungen nicht zuzurechnen. Sie durfte darauf vertrauen, dass die von der Deutschen Post AG für den Normalfall zugesagten Postlaufzeiten eingehalten würden. In ihrem Verantwortungsbereich lag es allein, das Schriftstück ordnungsgemäß und so rechtzeitig aufzugeben, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Post AG das Revisionsgericht fristgerecht erreichen konnte(vgl. BVerfG 7. Januar 2003 - 2 BvR 447/02 - zu II 1 der Gründe, NJW 2003, 1516; BAG 7. Juni 2000 - 10 AZR 419/99 - zu II der Gründe; BGH 20. Mai 2009 - IV ZB 2/08 - Rn. 8, NJW 2009, 2379).

15

B. Die Revisionen sind nicht begründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass die außerordentlichen fristlosen Kündigungen vom 24. Oktober 2007 und vom 2. November 2007 rechtsunwirksam sind, das Arbeitsverhältnis der Parteien aber durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 24. Oktober 2007 mit dem 30. November 2007 beendet worden ist.

16

I. Die außerordentliche fristlose Kündigung vom 24. Oktober 2007 ist rechtsunwirksam. Es liegt kein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vor.

17

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

18

a) Die erforderliche Prüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund in diesem Sinne darstellt, vollzieht sich zweistufig. Zunächst ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Ist dies der Fall, bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht(st. Rspr., vgl. Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 13 mwN, DB 2010, 1128).

19

b) Die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs des wichtigen Grundes ist vorrangig Sache des Tatsachengerichts. Sie wird im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, widerspruchsfrei beachtet hat(Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 14, DB 2010, 1128; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16).

20

2. Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stand. Zwar hat die Klägerin ihre vertraglichen Pflichten verletzt, indem sie mit der Annahme des Vertragsangebots und Übergabe der Patientendaten an die Firma „S“ der Beklagten noch während des laufenden Kündigungsschutzprozesses Konkurrenz gemacht hat. Ein solcher Pflichtenverstoß kommt als wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht(Senat 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15, AP BGB § 626 Nr. 213 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 21; 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - Rn. 20, EzA BGB § 626 nF Nr. 162). Gleichwohl ist die Ansicht des Landesarbeitsgerichts, eine außerordentliche Kündigung sei unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls nicht gerechtfertigt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

21

a) Der Arbeitnehmer verletzt seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB erheblich, wenn er während des bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Konkurrenztätigkeit ausübt.

22

aa) Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt(st. Rspr., Senat 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15 mwN, AP BGB § 626 Nr. 213 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 21). Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB konkretisiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen (Senat 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - Rn. 20, EzA BGB § 626 nF Nr. 162; 26. Januar 1995 - 2 AZR 355/94 - Rn. 21, EzA BGB § 626 nF Nr. 155). Dem Arbeitnehmer ist aufgrund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Ihm ist ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen (Senat 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - Rn. 20, aaO; BAG 16. Januar 1975 - 3 AZR 72/74 - AP HGB § 60 Nr. 8). Allerdings darf er, wenn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB nicht vereinbart ist, schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten(vgl. Senat 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15 mwN, aaO). Verboten ist lediglich die Aufnahme einer werbenden Tätigkeit, zB durch Vermittlung von Konkurrenzgeschäften oder aktives Abwerben von Kunden. Bloße Vorbereitungshandlungen, die in die Interessen des Arbeitgebers nicht unmittelbar eingreifen, erfüllen diese Voraussetzungen nicht (Senat 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15, aaO).

23

bb) Das vertragliche Wettbewerbsverbot gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses. Deshalb darf ein Arbeitnehmer grundsätzlich auch nach Ausspruch einer von ihm gerichtlich angegriffenen außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers keine Konkurrenztätigkeit ausgeübt haben, wenn die Kündigung sich später als unwirksam herausstellt. Er ist in der Regel auch während des Kündigungsschutzprozesses an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden(Senat 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - AP BGB § 626 Nr. 104 = EzA BGB § 626 nF Nr. 140). Dies gilt unabhängig davon, ob eine Karenzentschädigung angeboten (aA LAG Köln 4. Juli 1995 - 9 Sa 484/95 - zu II der Gründe, AP HGB § 75 Nr. 9; APS/Dörner 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 325) oder er vorläufig weiterbeschäftigt wird (aA MünchKommBGB/Henssler 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 124).

24

b) Ob das Wettbewerbsverbot im gekündigten Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht gleich weit reicht wie in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin jedenfalls durch die Weitergabe der persönlichen Daten von Patienten an die Firma „S“ ihre Vertragspflichten schuldhaft verletzt hat(§ 241 Abs. 2 BGB). Auf diese Weise hat sie nicht lediglich ihre Arbeitskraft verwertet, sondern die berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Beklagten unmittelbar gefährdet. Es bestand zu befürchten, dass die Patienten dauerhaft zu dem (vermeintlich) neuen Arbeitgeber der Klägerin und somit zu einem Konkurrenzunternehmen wechseln würden. Dieses Verhalten der Klägerin ist nicht wegen § 615 Satz 2 BGB gerechtfertigt. Im Unterlassen vertragswidriger Konkurrenztätigkeit liegt kein böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs. Die Klägerin war deshalb nicht etwa gehalten, das Angebot der Firma „S“ anzunehmen, insbesondere nicht, dieser Patientendaten zur Verfügung zu stellen.

25

c) Dennoch durfte das Landesarbeitsgericht annehmen, dass der Beklagten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zuzumuten war.

26

aa) Die bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände lassen sich nicht abschließend und für alle Fälle einheitlich festlegen. Geht es um die Beurteilung rechtswidrigen schuldhaften Verhaltens des Arbeitnehmers, sind aber stets die beanstandungsfreie Dauer des Arbeitsverhältnisses, das Gewicht und die nachteiligen Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, eine mögliche Wiederholungsgefahr und der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers zu berücksichtigen(vgl. Senat 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 28, AP BGB § 626 Nr. 220; 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 - Rn. 38, AP BGB § 626 Nr. 196 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 11).

27

bb) Dem wird die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts gerecht. Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt sie keine wesentlichen Umstände außer Acht. Das Landesarbeitsgericht hat das Gewicht und die negativen Auswirkungen der Vertragspflichtverletzung für die Beklagte und den Grad des Verschuldens der Klägerin beachtet. Es hat nicht übersehen, dass die Klägerin versucht hat, die von ihr betreuten Patienten - gleichsam als „Startkapital“ - zur Firma „S“ mitzunehmen. Zwar hat es sich in seiner Abwägung mit diesem Gesichtspunkt nicht ausdrücklich auseinandergesetzt. Dennoch hat es ihn tatsächlich berücksichtigt. Dies zeigen seine Ausführungen unter B I 2 der Entscheidungsgründe, wo - wenn auch in anderem Zusammenhang - die „Mitnahme von Patientendaten“ als ein gewichtiger Umstand gegen die Klägerin in Ansatz gebracht wird. Die Beklagte zeigt nicht auf, dass das Landesarbeitsgericht diesen Umstand auch angesichts der schwierigen Situation, in die sie selbst die Klägerin durch den Ausspruch der später zurückgezogenen fristlosen Kündigung gebracht hatte, unzureichend gewichtet hätte.

28

II. Die außerordentliche fristlose Kündigung vom 2. November 2007 ist aus den gleichen Gründen rechtsunwirksam. Soweit die Beklagte sie ergänzend darauf gestützt hat, dass die Klägerin beim Landschaftsverband einen Antrag auf Zulassung als „Leistungsanbieter im ambulant betreuten Wohnen“ gestellt und damit eine konkurrierende Selbständigkeit geplant habe, liegt kein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vor. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darin noch keine unzulässige Konkurrenztätigkeit, sondern lediglich eine zulässige Vorbereitungshandlung gesehen.

29

Dem Arbeitnehmer ist es, wie dargelegt, während der rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich nicht untersagt, eine spätere konkurrierende Selbständigkeit vorzubereiten, solange er nicht eine werbende Tätigkeit bereits aufnimmt(siehe B I 2 a aa der Gründe). Allein mit dem Antrag beim Landschaftsverband, sie als Leistungserbringerin zuzulassen, hat die Klägerin im Geschäftszweig der Beklagten noch nicht aktiv Wettbewerb betrieben und ihr Konkurrenz gemacht. Damit ist keine - weitere - Vertragspflichtverletzung gegeben, die die Beklagte zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen würde.

30

III. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung der Beklagten vom 24. Oktober 2007 mit Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist am 30. November 2007 rechtswirksam beendet worden. Die Kündigung ist durch Gründe im Verhalten der Klägerin iSd. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt.

31

1. Eine Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer eine Vertragspflicht - in der Regel schuldhaft - erheblich verletzt hat, das Arbeitsverhältnis dadurch auch künftig konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen, weitere Störungen zuverlässig ausschließenden Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint(Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 12, EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77; 31. Mai 2007 - 2 AZR 200/06 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 57 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 71).

32

2. Auf der Basis des vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalts sind die Voraussetzungen für die soziale Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung erfüllt.

33

a) Die Klägerin hat - wie dargelegt - durch die Übermittlung der Daten der von ihr betreuten Patienten an ein Konkurrenzunternehmen ihre sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergebende Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Belange der Beklagten verletzt.

34

b) Es bedurfte vor dem Ausspruch der Kündigung keiner vorherigen Abmahnung. Sie war entbehrlich, weil die Beklagte angesichts der von der Klägerin begangenen Pflichtverletzung annehmen durfte, die Klägerin werde sich in einer vergleichbaren Situation auch künftig und auch nach der vorausgegangenen Androhung einer Kündigung nicht anders verhalten. Der Klägerin war die Rechtswidrigkeit ihres Handelns ohne Weiteres erkennbar. Selbst mit einer erstmaligen Hinnahme ihres Verhaltens durch die Beklagte konnte sie nicht rechnen.

35

c) Die im Rahmen des § 1 Abs. 2 KSchG erforderliche Interessenabwägung führt nicht zur Sozialwidrigkeit der Kündigung. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Abwägung hält sich innerhalb des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums.

36

Das Berufungsgericht hat alle wesentlichen Umstände in Erwägung gezogen. Zugunsten der Klägerin hat es auch die durch den Ausspruch der später zurückgezogenen ersten Kündigung verursachte finanzielle Zwangslage berücksichtigt. Seine Bewertung, der Beklagten könne gleichwohl eine dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat den Grad des Verschuldens der Klägerin und deren relativ kurze Betriebszugehörigkeit berücksichtigt und in vertretbarer Weise gegen die Belange der Beklagten abgewogen.

37

Soweit die Klägerin geltend macht, das Landesarbeitsgericht hätte berücksichtigen müssen, dass zwischen ihr und ihren ehemaligen Patienten ein besonderes Vertrauensverhältnis bestanden habe, zeigt sie kein Abwägungsdefizit auf. Das besondere Vertrauensverhältnis zu den Patienten hat keinen Einfluss auf die sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Verpflichtungen der Parteien. Dass sie zur Abwendung einer ansonsten drohende unmittelbaren Gefahr für die Patienten überhaupt nicht anders hätte handeln können, hat die Klägerin nicht dargelegt.

38

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Eylert    

        

        

        

    Röder    

        

    Niebler    

                 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 20. März 2013 - 6 Sa 617/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer außerordentlicher, hilfsweise ordentlicher Kündigungen.

2

Die Beklagte ist tätig auf dem Gebiet der Bahnelektrifizierung und Bahnstromversorgung. Sie ist Marktführerin in Deutschland und beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer.

3

Der Kläger war bei ihr und ihrer Rechtsvorgängerin seit Oktober 1975, zuletzt als Bereichsleiter Technologie, beschäftigt. Sein Arbeitsort war seit Anfang 2010 O. Der Kläger ist vom Eisenbahn-Bundesamt als Plan- und Abnahmeprüfer auf dem Gebiet der Oberleitungsanlagen mit Rückstromführung und Bahnerdung einschließlich der Statik anerkannt. Er erstellte für die Beklagte Gutachten über elektrische Anlagen. Diese rechnete die Beklagte gegenüber ihren Auftraggebern ab.

4

In einem Rechtsstreit über Vergütungsansprüche des Klägers erklärte dieser vor dem Arbeitsgericht am 3. August 2011 zu Protokoll:

        

„Im Zusammenhang mit dem Reiseantrag für den Zeitraum vom 17. Februar bis 18. Februar 2011 habe ich meinem Vorgesetzten Herrn Dr. Z mitgeteilt, dass ich am 18. Februar 2011 den Dienstwagen zu einem TÜV-Termin nach Ol bringen werde. Er erwiderte daraufhin,
dass er seinen Wagen auch zum TÜV bringen müsse und dies normal sei.“

5

Nach Auffassung der Beklagten war diese Aussage falsch. Die Beklagte sah in dem Verhalten des Klägers den Versuch eines Prozessbetrugs und kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 24. August 2011 außerordentlich und fristlos sowie mit Schreiben vom 5. September 2011 hilfsweise ordentlich zum 31. Dezember 2012. Sie hatte zuvor sowohl ihren sog. Montagebetriebsrat als auch den Betriebsrat in O zu den beabsichtigten Kündigungen angehört.

6

Die außerordentliche Kündigung vom 24. August 2011 ging dem Kläger am 25. August 2011 zu. Mit einem weiteren Schreiben vom 24. August 2011 widerrief die Beklagte die dem Kläger erteilte Prokura und forderte ihn auf, Firmeneigentum herauszugeben. Nach Zugang beider Schreiben bearbeitete der Kläger eine Prüfanfrage der D GmbH (künftig: D) und leitete dieser den Prüfbericht am 29. August 2011 von seiner Privatadresse aus zu. Er hatte den Bericht mit einem Stempel als Gutachter der Beklagten gekennzeichnet. Die damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers teilte der Beklagten mit Schreiben vom 19. September 2011 zu diesem Vorgang ua. mit:

        

„Der vorgenannten Schadensminderungspflicht ist unser Mandant nachgekommen, als er der … von Seiten der D GmbH an ihn persönlich gerichtete[n] Anfrage auf Erstellung eines Prüfberichts nachgekommen ist.

        

…       

        

Mit der Bearbeitung dieses Statik-Prüfberichts für die D GmbH ist unser Mandant daher eindeutig nicht für Ihr Unternehmen tätig geworden.

        

…       

        

Selbstverständlich also ist festzuhalten, dass unser Mandant diese Prüftätigkeit selbständig und auf eigene Rechnung vorgenommen hat.“

7

Nach Anhörung des Montagebetriebsrats und des Betriebsrats O kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 27. September 2011 erneut außerordentlich und fristlos sowie mit Schreiben vom 4. Oktober 2011 hilfsweise ordentlich zum 31. Dezember 2012.

8

Ab dem 1. November 2011 war der Kläger auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 20. September 2011 für die S GmbH (künftig: S) als „Technischer Support/Gutachter im Fernverkehr“ tätig. Er nahm für diese Planprüfungen und damit verbundene Aufgaben wahr und beriet und unterstützte sie bei der Planerstellung. Nach erneuter Anhörung beider Betriebsräte kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 22. November 2011 ein weiteres Mal außerordentlich und fristlos sowie mit Schreiben vom 24. November 2011 ordentlich zum 31. Dezember 2012.

9

Da der Kläger außerdem einen Prüfauftrag der I GmbH (künftig: I) durchgeführt hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien - abermals nach Anhörung beider Betriebsräte - mit Schreiben vom 6. Dezember 2011 außerordentlich und fristlos sowie mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 ordentlich zum 31. Dezember 2012. Bei der I handelt es sich um eine Schwestergesellschaft der Beklagten.

10

Gegen sämtliche Kündigungen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat gemeint, es fehle an einem Grund sowohl für die außerordentlichen als auch für die hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen. Der Versuch eines Prozessbetrugs habe nicht vorgelegen. Bei der Tätigkeit für die D habe er nicht auf eigene Rechnung gearbeitet. Es habe sich daher nicht um eine Konkurrenztätigkeit gehandelt. Die anders lautende Erklärung im Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 19. September 2011 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 1. Februar 2012 korrigiert. Er hat vorgetragen, er habe den Auftrag nach Zugang der ersten außerordentlichen Kündigung nur deshalb durchgeführt, weil er sich hierzu gegenüber der D verpflichtet gefühlt habe, insbesondere weil den Auftrag kein anderer Prüfer der Beklagten habe ausführen können. Der Kläger hat weiter vorgebracht, auch mit seiner Tätigkeit für die S sei er nicht in Wettbewerb zu der Beklagten getreten. Zwischen den beiden Unternehmen bestehe keine Konkurrenz im klassischen Sinne. Das Verhältnis zwischen ihnen sei vielmehr in erheblichem Umfang von unternehmerischer Zusammenarbeit geprägt. Die Beklagte selbst habe ihn in Kenntnis seiner Tätigkeit für die S mit Prüfungen beauftragt. Jedenfalls habe er die Interessen der Beklagten durch seine Tätigkeit nicht beeinträchtigt. Außerdem habe es sich, nachdem die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zuvor gekündigt habe, um eine Übergangslösung gehandelt und nicht um eine auf Dauer angelegte Konkurrenztätigkeit. Auch für die I sei er nicht in Konkurrenz zur Beklagten tätig geworden. Die I sei bei dem betreffenden Projekt als Nachunternehmerin der Beklagten beauftragt gewesen. Er habe zudem bei einem Mitarbeiter der Beklagten nachgefragt, ob seine Beauftragung durch die I von der Beklagten freigegeben sei, was dieser bejaht habe. Der Kläger hat hinsichtlich aller außerordentlichen Kündigungen gerügt, die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten. Zu der Kündigung vom 22. November 2011 sei überdies der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden.

11

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 24. August 2011, noch durch die außerordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 27. September 2011, 22. November 2011 und 6. Dezember 2011, noch durch die ordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 5. September 2011, 4. Oktober 2011, 24. November 2011 und 12. Dezember 2011 beendet worden ist.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, die Kündigungen seien jeweils schon als außerordentliche gerechtfertigt. Der Kläger habe für den 18. Februar 2011 Dienstgeschäfte in E vorgetäuscht. Die von ihm in dem Vergütungsrechtsstreit zu Protokoll gegebene Erklärung, er habe seinen Vorgesetzten vorab über seinen Aufenthalt in Ol am 18. Februar 2011 unterrichtet, sei unwahr. Selbst wenn sie wahr wäre, hätte der Kläger sie, die Beklagte, im Zusammenwirken mit seinem Vorgesetzten doch darüber getäuscht, nicht in E, sondern in Ol gewesen zu sein. Mit Blick auf die Erledigung des Auftrags für die D habe sich aufgrund der Angaben im Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 19. September 2011 zumindest im Kündigungszeitpunkt der dringende Verdacht einer Konkurrenztätigkeit ergeben. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt. Sie habe erst mit Eingang der Stellungnahme des Klägers zu laufen begonnen. Auch mit der Tätigkeit für die S habe sich der Kläger in unerlaubten Wettbewerb zu ihr begeben. Der Umstand, dass sie und die S Aufträge gelegentlich in Arbeitsgemeinschaften oder im Haupt- und Subunternehmerverhältnis erledigten, beseitige nicht ihrer beider Konkurrenzverhältnis. Die Prüftätigkeit für die I habe ebenso einer ihrer Arbeitnehmer erbringen können. Ihre Geschäftsführung sei erst am 28. November 2011 über den Sachverhalt informiert worden.

13

Das Arbeitsgericht hat die außerordentlichen Kündigungen vom 24. August 2011 und 27. September 2011 als unwirksam angesehen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers insgesamt stattgegeben und die Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt diese ihr Begehren weiter, die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Für die außerordentlichen Kündigungen fehlt es an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB, die hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen sind sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG.

15

I. Die außerordentliche Kündigung vom 24. August 2011 ist nicht gerechtfertigt. In der Protokollerklärung des Klägers in dem vorausgegangenen Rechtsstreit liegt kein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB.

16

1. Bewusst wahrheitswidrige Erklärungen, die ein Arbeitnehmer in einem Rechtsstreit mit seinem Arbeitgeber abgibt, weil er befürchtet, mit wahrheitsgemäßen Angaben den Prozess nicht gewinnen zu können, können geeignet sein, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen (BAG 8. November 2007 - 2 AZR 528/06 - Rn. 17). Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Einordnung an; ein Arbeitnehmer, der bewusst falsch vorträgt, um sich einen Vorteil im Rechtsstreit mit seinem Arbeitgeber zu verschaffen, verletzt in erheblicher Weise seine nach § 241 Abs. 2 BGB bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers(vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 528/06 - aaO).

17

2. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht angenommen, es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, der Kläger habe die fragliche Protokollerklärung in dem Bewusstsein abgegeben, sich durch wahrheitswidrige Angaben einen Vorteil gegenüber der Beklagten im Rechtsstreit über seine Vergütungsansprüche zu verschaffen.

18

a) Es hat dies daraus abgeleitet, dass die Frage, wo der Kläger den Dienstwagen zum TÜV gebracht und seine Arbeitsleistung für die Beklagte erbracht habe, für seinen Vergütungsanspruch ohne Bedeutung gewesen sei. Aus dem weiteren Vorbringen des Klägers in dem Vorprozess ergebe sich, dass auch er selbst diese Frage in keiner Weise für entscheidungserheblich gehalten habe.

19

b) Die Beklagte hat demgegenüber geltend macht, in diesem Fall hätte der Kläger nichts befürchten müssen, wenn er wahrheitsgemäße Angaben gemacht hätte. Ein anderer Grund für seine unzutreffende Erklärung als die Absicht, sich dadurch einen Vorteil zu verschaffen, sei daher nicht ersichtlich. Damit zeigt die Beklagte keinen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts auf. Ein solcher ist auch objektiv nicht ersichtlich. Die Schlussfolgerungen der Beklagten aus dem Prozessverhalten des Klägers sind nicht zwingend. Sie setzen voraus, dass der Kläger bewusst wahrheitswidrige Angaben gemacht hat. Dies ist weder festgestellt noch gibt es dafür objektiv hinreichende Anhaltspunkte. Selbst wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, die Erklärung des Klägers habe nicht der Wahrheit entsprochen, muss das diesem nicht bewusst gewesen sein. Ebenso gut kann er sich in seiner Erinnerung darüber, ob er seinen Vorgesetzten vorab über den Aufenthalt in Ol am 18. Februar 2011 unterrichtet hatte, getäuscht haben. Die Beklagte trägt die Darlegungslast für den Kündigungsgrund und damit für eine Schädigungsabsicht des Klägers. Dieser ist sie nicht hinreichend nachgekommen. Das Landesarbeitsgericht musste deshalb keinen Beweis darüber erheben, ob die Erklärung des Klägers wahrheitswidrig war.

20

II. Ebenso fehlt es an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung vom 27. September 2011. Die Voraussetzungen für eine Kündigung wegen des Verdachts einer schwerwiegenden Pflichtverletzung liegen nicht vor.

21

1. In einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sind nicht nur die dem Arbeitgeber bei Kündigungsausspruch bekannten Tatsachen von Bedeutung. Es sind auch solche später bekannt gewordenen Umstände zu berücksichtigen, die den ursprünglichen Verdacht abschwächen oder verstärken (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 25; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 41). Dies gilt zumindest dann, wenn sie bei Kündigungszugang objektiv bereits vorlagen. Der Arbeitgeber kann verdachtserhärtende Tatsachen in den Prozess einführen, die ihm erst nachträglich bekannt geworden sind, der Arbeitnehmer solche, die den Verdacht entkräften. Bei einer Verdachtskündigung muss der Besonderheit Rechnung getragen werden, dass für sie nicht der volle Nachweis einer Pflichtverletzung verlangt wird. Blieben den Arbeitnehmer entlastende Tatsachen, die erst im Prozess zutage getreten sind, außer Betracht, hätte der Arbeitgeber nur nachzuweisen, dass jedenfalls zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein dringender Tatverdacht bestand. Das würde der bei der Verdachtskündigung bestehenden Gefahr, einen „Unschuldigen“ zu treffen, nicht gerecht (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 42; 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 28). Die Berücksichtigung später bekannt gewordener Umstände steht entgegen der Auffassung der Beklagten nicht im Widerspruch zu dem Grundsatz, dass sich die Wirksamkeit einer Kündigung nach den bei ihrem Zugang gegebenen - objektiven - Tatsachen richtet (vgl. dazu BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 52, BAGE 134, 349; 27. Februar 1997 - 2 AZR 160/96 - zu II 2 c der Gründe, BAGE 85, 194). Diese erschöpfen sich auch im Fall der Verdachtskündigung nicht etwa notwendig in den dem Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt bekannten Verdachtsmomenten.

22

2. Selbst Umstände, die auch objektiv erst nachträglich eingetreten sind, können für die gerichtliche Beurteilung der Wirksamkeit einer Kündigung ausnahmsweise von Bedeutung sein, falls sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 53, BAGE 134, 349; 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - zu III der Gründe, BAGE 2, 245). Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO mwN). Von Bedeutung kann dies gerade für die Würdigung von verdachtsbegründenden Indiztatsachen sein.

23

3. Danach hat das Landesarbeitsgericht in dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 19. September 2011 zu Recht keine hinreichenden Verdachtsmomente dafür gesehen, dass der Kläger einen der Beklagten erteilten Auftrag der D für eigene Rechnung bearbeitet habe.

24

a) Es durfte zum einen berücksichtigen, dass der Kläger die Angaben seiner Prozessbevollmächtigten im Schreiben vom 19. September 2011 nachträglich korrigiert hat. Damit hat er sich von ihnen distanziert. Sie können nicht mehr uneingeschränkt als sein eigenes Eingeständnis gewertet werden und erscheinen dadurch in einem anderen Licht.

25

b) Es durfte zum anderen annehmen, dass weitere Verdachtsmomente gegen den Kläger nicht bestünden. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe bei der D nicht nachgefragt, auf wen die Rechnung für den Auftrag gestellt worden sei. Der Inhalt der Prüfunterlagen spreche dafür, dass der Kläger durch die Verwendung des Stempels der Beklagten deutlich gemacht habe, für diese tätig geworden zu sein. Gegen diese Würdigung bringt die Beklagte keine beachtlichen Einwände vor. Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts sind auch objektiv nicht ersichtlich. Zwar hat es nicht festgestellt, aus welchem Grund es zu den zunächst falschen Angaben der Prozessbevollmächtigten des Klägers gekommen ist. Es hat aber, zumal die Prüfungsunterlagen die Version des Klägers stützten, ersichtlich einen bloßen Abstimmungsfehler für möglich gehalten. Soweit die Beklagte in der Revisionsinstanz geltend gemacht hat, der Kläger habe sehr wohl privat abrechnen wollen und dies nur deshalb nicht getan, weil er über keinen anderen als ihren Stempel verfügt habe, hat sie keine zulässige Verfahrensrüge erhoben. Sie hat nicht dargelegt, dass und an welcher Stelle sie die für diese Annahme sprechenden Umstände in den Vorinstanzen vorgetragen habe. Die Rüge ist zudem unbegründet. Es bliebe auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens dabei, dass es keine hinreichenden Verdachtsmomente dafür gibt, der Kläger sei auf eigene Rechnung tätig geworden.

26

III. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Tätigkeit des Klägers für die S ab dem 1. November 2011 stelle keinen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB für die außerordentliche Kündigung vom 22. November 2011 dar. Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

27

1. Ein Arbeitnehmer, der während des bestehenden Arbeitsverhältnisses Konkurrenztätigkeiten entfaltet, verstößt gegen seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB. Es handelt sich in der Regel um eine erhebliche Pflichtverletzung. Sie ist „an sich“ geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 20; 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15 mwN).

28

a) Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt (BAG 16. Januar 2013 - 10 AZR 560/11 - Rn. 14; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 22). Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB normiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - aaO; 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - zu II 1 a der Gründe). Dem Arbeitnehmer ist aufgrund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Ihm ist ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - aaO; 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - aaO). Allerdings darf er, wenn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB nicht vereinbart ist, schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten(vgl. BAG 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15). Verboten ist lediglich die Aufnahme einer werbenden Tätigkeit, etwa durch Vermittlung von Konkurrenzgeschäften oder aktives Abwerben von Kunden. Bloße Vorbereitungshandlungen erfüllen diese Voraussetzungen regelmäßig nicht (BAG 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - aaO).

29

b) Das vertragliche Wettbewerbsverbot gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses. Ein Arbeitnehmer darf deshalb grundsätzlich auch nach Zugang einer von ihm gerichtlich angegriffenen fristlosen Kündigung des Arbeitgebers keine Konkurrenztätigkeit ausgeübt haben, falls sich die Kündigung später als unwirksam herausstellt. Er ist in der Regel auch während des - für ihn erfolgreichen - Kündigungsschutzprozesses an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 23; 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - zu B III 3 a der Gründe). Dies gilt unabhängig davon, ob eine Karenzentschädigung angeboten oder er vorläufig weiterbeschäftigt wird (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - aaO). Seine Obliegenheit aus § 615 Satz 2 BGB, nicht böswillig anderweitigen Erwerb zu unterlassen, rechtfertigt es nicht, eine Konkurrenztätigkeit im Geschäftsbereich des Arbeitgebers aufzunehmen(BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - zu B III 3 a bb der Gründe).

30

2. Bei der Prüfung, ob ein Verstoß gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot nach Zugang einer - gerichtlich angegriffenen - außerordentlichen Kündigung die weitere Kündigung des Arbeitsverhältnisses - falls es auf sie noch ankommt - rechtfertigen kann, ist im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung (vgl. auch dazu BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26; 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - zu B III 3 b der Gründe) zu berücksichtigen, dass sich in einer solchen Konstellation beide Parteien objektiv vertragswidrig verhalten.

31

a) Eine Fallgestaltung wie die vorliegende ist durch ein in sich widersprüchliches Verhalten beider Vertragsparteien gekennzeichnet. Der Arbeitgeber beruft sich vorrangig auf die Wirksamkeit einer schon zuvor erklärten Kündigung, erwartet aber vom Arbeitnehmer ein Verhalten, das dieser nur bei Unwirksamkeit der Kündigung schuldet. Hätte im Übrigen der Arbeitgeber - entsprechend der objektiven Rechtslage - keine Kündigung erklärt, hätte aller Voraussicht nach der Arbeitnehmer keinen Anlass für die Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit gehabt. Der Arbeitnehmer wiederum erstrebt die Feststellung einer Unwirksamkeit der früheren Kündigung, verstößt aber mit der Aufnahme von Konkurrenztätigkeiten gegen gerade dann bestehende Unterlassungspflichten.

32

b) Auf diese Besonderheiten ist bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz der Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers zumutbar ist, Bedacht zu nehmen. Es spricht dabei zugunsten des Arbeitnehmers, wenn die Wettbewerbstätigkeit erst durch die frühere - unwirksame - Kündigung ausgelöst worden ist (vgl. für einen Handelsvertreter BGH 28. April 1960 - VII ZR 218/59 - zu 6 der Gründe). Dann rechtfertigt die objektiv gegebene Pflichtverletzung des Arbeitnehmers für die Zeit nach Prozessende in der Regel keine negative Verhaltensprognose. Auch ist zu berücksichtigen, ob der Wettbewerb auf eine dauerhafte Konkurrenz zum bisherigen Arbeitgeber angelegt ist oder zunächst nur eine Übergangslösung für den Schwebezustand bis zur Klärung der Rechtslage darstellt (BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - zu B III 3 b bb der Gründe). Von Bedeutung ist ferner, ob dem Arbeitgeber aufgrund der Art und der Auswirkungen der Konkurrenztätigkeit unmittelbar ein Schaden zugefügt wird oder nur eine abstrakte Gefährdung von dessen geschäftlichen Interessen vorliegt (vgl. BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - aaO).

33

3. Zu Recht hat danach das Landesarbeitsgericht den Interessen des Klägers an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses den Vorrang gegenüber den Interessen der Beklagten an dessen Beendigung eingeräumt.

34

a) Der Kläger hat den Arbeitsvertrag mit der S erst geschlossen und die Tätigkeit für sie erst aufgenommen, nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zuvor fristlos gekündigt hatte. Da keine Anhaltspunkte für das Gegenteil vorliegen, lässt dies nur den Schluss zu, dass seine Wettbewerbstätigkeit durch die Kündigung ausgelöst worden ist. Das spricht zudem dafür, dass der Kläger sie lediglich als Ersatz für seine bisherige Tätigkeit aufgenommen hat. Es sind keine Umstände festgestellt oder objektiv erkennbar, die die Annahme rechtfertigten, er hätte es auf eine dauerhafte Konkurrenz zur Beklagten angelegt. Der Kläger hat nicht etwa ein eigenes Unternehmen in Konkurrenz zur Beklagten aufgebaut. Aus dem neu eingegangenen Arbeitsverhältnis konnte er sich für den Fall, dass er mit der Kündigungsschutzklage gegen die Beklagte obsiegen würde, jederzeit - etwa durch Kündigung - wieder lösen.

35

b) Das Landesarbeitsgericht durfte zugunsten des Klägers berücksichtigen, dass er durch seine Tätigkeit für die S der Beklagten keinen unmittelbaren Schaden zugefügt hat. Soweit die S für die Beklagte tätig geworden ist, hat er dieser sogar die zeitgerechte Auftragserfüllung gesichert. Die Beklagte weist zwar zutreffend darauf hin, dass ein Wettbewerbsverstoß auch ohne eine konkrete Schädigung vorliegen kann. Darum geht es jedoch nicht. Es geht darum, ob dieser Verstoß eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt.

36

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht nicht angenommen, möglicher Gewinn sei im gegebenen Zusammenhang schlechthin kein schützenswertes Interesse. Es hat lediglich gewürdigt, dass der Beklagten ein Gewinn aus den Prüfarbeiten des Klägers nicht deshalb entgangen ist, weil dieser für die S tätig war. Dies sei vielmehr die Folge davon gewesen, dass sie das Arbeitsverhältnis der Parteien zuvor fristlos gekündigt habe, ohne einen Ersatz für den Kläger einzustellen. Das Landesarbeitsgericht hat damit zu Recht eine Kausalität zwischen der Konkurrenztätigkeit des Klägers und einem Gewinnausfall der Beklagten verneint. Auch wenn der Kläger nicht für die S gearbeitet hätte, hätte die Beklagte die von ihm erbrachte Tätigkeit nicht selbst und mit eigenen Arbeitnehmern durchführen können.

37

d) Die von der Beklagten vermissten weiteren Gesichtspunkte hat das Landesarbeitsgericht bei der Interessenabwägung nicht unberücksichtigt gelassen. Es hat ihnen nur kein zugunsten der Beklagten ausschlaggebendes Gewicht beigemessen.

38

aa) Die mit der Tätigkeit des Klägers verbundene Möglichkeit einer Gewinnerhöhung bei der S hat das Landesarbeitsgericht - wie seine Ausführungen zum Fehlen einer unmittelbaren Schädigung der Beklagten erkennen lassen - zutreffend nicht als einen erschwerenden Umstand erachtet. Ein möglicher wirtschaftlicher Vorteil für das konkurrierende Unternehmen ist einer Konkurrenztätigkeit immanent.

39

bb) Das Landesarbeitsgericht hat auch den Grad des Schuldvorwurfs nicht unberücksichtigt gelassen. Es hat vielmehr auf die Besonderheiten einer Konkurrenztätigkeit nach fristloser Kündigung abgestellt. Danach ist dem Arbeitnehmer zwar kein Wettbewerb zu seinem bisherigen Arbeitgeber gestattet, wenn das Arbeitsverhältnis - objektiv - fortbesteht. Die Situation lässt eine gleichwohl aufgenommene Konkurrenztätigkeit aber in der Regel in einem milderen Licht erscheinen. Durch die fristlose Kündigung hatte der Arbeitgeber zu verstehen gegeben, sich seinerseits an vertragliche Pflichten nicht mehr gebunden zu fühlen.

40

cc) Auf der Basis der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in vollem Bewusstsein der Tatsache gehandelt hätte, die Beklagte werde seine Konkurrenztätigkeit nicht akzeptieren. Die Beklagte macht zwar geltend, der Kläger habe dies daran erkennen müssen, dass sie schon auf seine Konkurrenztätigkeit für die D mit einer außerordentlichen Kündigung reagiert habe. Aus dem vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Kündigungsschreiben vom 27. September 2011 ergibt sich ein solcher Kündigungsgrund aber nicht. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass und ggf. welche sonstigen Umstände die Annahme rechtfertigen sollten, der Kläger habe im Bewusstsein dessen gehandelt, sie werde seine Tätigkeit für die S keinesfalls akzeptieren. Es kann daher dahinstehen, ob dies anderenfalls zu ihren Gunsten zu werten wäre. Dagegen spricht, dass es nicht auf die subjektive Bereitschaft zur Akzeptanz auf Seiten des Arbeitgebers, sondern darauf ankommt, was diesem objektiv zuzumuten ist (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 47, BAGE 134, 349).

41

dd) Das Landesarbeitsgericht hat auch berücksichtigt, dass der Kläger nicht nur punktuell, sondern im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, dh. kontinuierlich für die S tätig geworden ist. Es hat diesen Umstand erkennbar deshalb nicht als erschwerend angesehen, weil damit keine unmittelbare Schädigung der Beklagten einhergegangen sei. Diese habe nicht vorgetragen, dass ihre eigenen Arbeitnehmer, die solche Prüftätigkeiten hätten ausführen können, nicht ausgelastet gewesen seien. Sie habe vielmehr nicht über ausreichende eigene Kapazitäten verfügt, um eine zeitnahe Prüfung sicherzustellen. Diese Würdigung lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

42

IV. Die außerordentliche Kündigung vom 6. Dezember 2011 ist mangels wichtigen Grundes ebenfalls unwirksam. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

43

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, auch die auf wettbewerbswidriges Verhalten des Klägers gestützte Kündigung vom 6. Dezember 2011 sei nach § 626 Abs. 1 BGB nicht gerechtfertigt. Bei der I handele es sich um ein Schwesterunternehmen der Beklagten, das für diese bei dem fraglichen Auftrag als Nachunternehmerin tätig geworden sei. Eine Verletzung der Interessen der Beklagten sei nicht ersichtlich.

44

2. Die Sachrügen, die die Beklagte gegen diese Würdigung vorbringt, entsprechen denen, die sie gegen die Auffassung des Landesarbeitsgerichts von der Unwirksamkeit der Kündigung vom 22. November 2011 erhoben hat. Sie greifen aus den dargelegten Gründen nicht durch. Hinzu kommt, dass sich die Tätigkeit des Klägers für die I in der Ausführung eines einzelnen Prüfauftrags erschöpfte, für den die I Nachunternehmerin der Beklagten war. Eine fortdauernde Tätigkeit lag nicht vor. Die Verfahrensrüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe nicht in Erwägung gezogen, dass sie vorgetragen habe, einer ihrer Arbeitnehmer habe den Auftrag erledigen können, ist unzulässig. Aus dem Tatbestand der angefochtenen Entscheidung ergibt sich lediglich, dass die Beklagte dies erstinstanzlich behauptet hat, nicht aber, was sie dazu im Einzelnen vorgebracht, ob sie für ihr Vorbringen Beweis angetreten und ob sie Vortrag und ggf. Beweisantritt im Berufungsverfahren aufrechterhalten hat. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass im Berufungsverfahren unstreitig wurde, die Beklagte sei an der Durchführung des Auftrags schon aus rechtlichen Gründen gehindert gewesen.

45

V. Gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen seien „aus den gleichen Gründen“ nicht sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG, erhebt die Beklagte keine gesonderten Rügen. Ein Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts ist auch objektiv nicht ersichtlich.

46

1. Das Landesarbeitsgericht hat offenbar angenommen, die ordentlichen Kündigungen seien aus eben den Gründen sozial ungerechtfertigt, aus denen die außerordentlichen Kündigungen unwirksam seien. Bei deren Prüfung hat es die Folgen der (teilweise unterstellten) Pflichtverletzungen und den Grad des Verschuldens des Klägers als nicht so schwerwiegend angesehen, dass der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar gewesen sei.

47

2. Wenn das Landesarbeitsgericht auf diese Gründe mit Blick auf die ordentlichen Kündigungen Bezug nimmt, bedeutet das, dass es zu dem Ergebnis gelangt ist, der Beklagten sei eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses auch über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus zuzumuten. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

48

VI. Die Kosten ihrer erfolglosen Revision hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Frey     

        

    Torsten Falke    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. Mai 2011 - 11 Sa 27/11 - aufgehoben, soweit es die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 6. Dezember 2010 - 2 Ca 533/10 - hinsichtlich des Zahlungsantrags zurückgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger, Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin Frau N (vormals handelnd unter „Häusliche Krankenpflege A“, im Folgenden: Pflegedienst A), nimmt den Ehemann und langjährigen Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin, Herrn D, auf Schadensersatz wegen Wettbewerbsverletzungen in Anspruch.

2

Nachdem am 2. April 2008 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet worden war, erstrebte der Kläger als Insolvenzverwalter wiederholt die Stilllegung des Betriebs. Dazu kam es jedoch zunächst nicht. Der Kläger stellte Zeitarbeitskräfte und den - zuvor schon bei der Insolvenzschuldnerin beschäftigten - Beklagten ein und führte mit Hilfe der Insolvenzschuldnerin den Geschäftsbetrieb weiter.

3

Nachdem es zu Auseinandersetzungen zwischen dem Kläger und der Insolvenzschuldnerin sowie dem Beklagten gekommen war, wies die Insolvenzschuldnerin den Kläger mit Schreiben vom 10. November 2009 auf den bestehenden Personalmangel hin, der sie außerstande setze, den Pflegedienst ordnungsgemäß weiterzuführen. Der Kläger nahm hierauf in seinem Schreiben vom 25. November 2009 Bezug und kündigte an, den Betrieb zu schließen, wenn gewisse Bedingungen nicht kurzfristig erfüllt würden. Versuche des Klägers, über Stellenanzeigen neue Mitarbeiter zu gewinnen, schlugen fehl. Nach Auskunft der Insolvenzschuldnerin ihm gegenüber meldeten sich auf die Anzeigen keine Interessenten.

4

Mit Schreiben vom 23. Dezember 2009 teilte die Insolvenzschuldnerin dem Kläger mit, sie werde den Betrieb zum 31. Dezember 2009 einstellen, da sie über zu wenig Personal verfüge. Daraufhin kündigte der Kläger sämtliche Pflegeverträge zum 31. Dezember 2009. Unter dem 23. Dezember 2009 kündigte der Beklagte sein Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. Januar 2010.

5

Mit „Übernahmevertrag“ vom 29. Dezember 2009 veräußerte der Kläger den Pflegedienst A an Herrn H. In dem Vertrag heißt es ua.:

        

„Der Erwerber übernimmt die derzeitigen Betreuungsverträge per 01.01.2010 und zahlt hierfür als Entgelt einen durchschnittlichen Monatsumsatz, ausgehend von der Vergütung der letzten Monate mithin der Monate Juli bis Dezember 2009. Soweit der Veräußerer nicht in der Lage sein sollte, diese Entgelte nachvollziehbar zu errechnen, wird das Entgelt aufgrund einer Berechnung aus den Vergütungen der ersten drei Monate nach Übernahme der Vertragsverhältnisse durch die Erwerber berechnet.

        

...     

        

Soweit Patienten sich weigern, das Vertragsverhältnis auf den Erwerber zu übertragen, wird der Kaufpreis um diesen Umsatz gemindert.“

6

Die Insolvenzschuldnerin erzielte in den Monaten Juli 2009 bis Oktober 2009 einen Umsatz von insgesamt 123.838,55 Euro. Aus dem Übernahmevertrag realisierte der Kläger lediglich 471,35 Euro.

7

Beginnend mit dem 1. Januar 2010 gründete der Beklagte unter dem Namen „P“ einen eigenen Pflegedienst, stellte zu diesem Zweck zwei Mitarbeiter ein und schloss vor dem 1. Januar 2010 neun Pflegeverträge mit Patienten ab, die zuvor Kunden des Pflegedienstes A waren.

8

Der Kläger hat im Wesentlichen vorgetragen, es hätten sich zwei Personen auf seine Ende 2009 aufgegebenen Stellenanzeigen gemeldet. Diese hätten aber bei dem Beklagten einen Vertrag unterzeichnet. Der Beklagte habe sämtliche Patienten der Insolvenzschuldnerin für seinen neuen Pflegedienst übernommen. Wäre dies nicht geschehen, hätten die Patienten sich zwangsläufig mit dem Pflegedienst H für eine kurzfristige Fortführung der Pflege in Verbindung setzen müssen, sodass nach der Übernahmevereinbarung ein höheres Entgelt aus dem Verkauf des Pflegedienstes A hätte erzielt werden können. Mit Herrn H sei vereinbart gewesen, dass er - der Kläger - die Patientenpflegeverträge kündige und diese dann dem Pflegedienst H vermittle. Diese Vermittlung habe der Beklagte durch seine Übernahme der Patientenverträge unmöglich gemacht. Unter Berücksichtigung der letzten aufgeklärten Umsätze, wobei im November und Dezember 2009 von zumindest gleichbleibenden Umsätzen auszugehen sei, hätte er - der Kläger - aus dem Übernahmevertrag 30.939,95 Euro erzielen können, sodass sich sein Schaden auf insgesamt 30.468,24 Euro belaufe. Von diesem Betrag sei noch - aufgrund einer Aufrechnung im Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf mit dem Aktenzeichen - 1 Ca 1428/10 - ein Betrag von 4.412,96 Euro in Abzug zu bringen.

9

Der Kläger hat - soweit noch von Interesse - beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 26.055,28 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage vom 8. Januar 2010 zu zahlen.

10

Der Beklagte, der im ersten Rechtszug beantragt hatte, die Klage abzuweisen, hat in zweiter Instanz weder vorgetragen noch Anträge gestellt. Erstinstanzlich hat er die Ansicht vertreten, der Übernahmevertrag des Klägers mit Herrn H vom 29. Dezember 2009 sei rechtlich unzulässig.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Der Beklagte ist zum Termin vor dem Bundesarbeitsgericht nicht erschienen.

Entscheidungsgründe

12

I. Die Revision hat Erfolg. Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die auf Leistung von Schadensersatz gerichtete Klage nicht abweisen. Der Beklagte hat seine Pflicht zur Unterlassung von Konkurrenztätigkeiten während des Arbeitsverhältnisses verletzt (§ 60 HGB). Ob und in welchem Umfang der Kläger vom Beklagten Schadensersatz verlangen kann (§ 61 Abs. 1 HGB), steht noch nicht fest. Deshalb musste das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden (§ 563 ZPO).

13

1. Der Beklagte hat gegen das vertragliche Konkurrenzverbot verstoßen. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe insoweit nicht ausreichend vorgetragen, trifft unter Berücksichtigung der Säumnislage im Berufungstermin nicht zu. Nach § 539 Abs. 2 ZPO ist bei Säumnis des Berufungsbeklagten das zulässige tatsächliche Vorbringen des Berufungsklägers als zugestanden anzunehmen. Soweit es den Berufungsantrag rechtfertigt, ist nach dem Antrag zu erkennen.

14

a) Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt (st. Rspr., BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 227 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 30; 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15 mwN, AP BGB § 626 Nr. 213 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 21). Durch gleichwohl entfaltete Konkurrenztätigkeiten - einschließlich des Abwerbens von Arbeitnehmern und Kunden - verstößt der Arbeitnehmer gegen seine vertraglichen Pflichten.

15

aa) Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB konkretisiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers ohne dessen Einwilligung Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen (BAG 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - zu II 1 a der Gründe, EzA BGB § 626 nF Nr. 162; 26. Januar 1995 - 2 AZR 355/94 - zu II 2 a der Gründe, EzA BGB § 626 nF Nr. 155).

16

bb) Der Arbeitnehmer darf auch dann keine Konkurrenzgeschäfte tätigen, wenn sicher ist, dass der Arbeitgeber den vom Arbeitnehmer betreuten Sektor oder die betreffenden Kunden nicht erreichen wird (BAG 16. Juni 1976 - 3 AZR 73/75 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 611 Treuepflicht Nr. 8 = EzA BGB § 611 Treuepflicht Nr. 1). Die Darlegungs- und Beweislast für eine Einwilligung des Arbeitgebers trägt der Arbeitnehmer (BAG 16. Juni 1976 - 3 AZR 73/75 - zu II 2 b der Gründe, aaO).

17

cc) Allerdings darf der Arbeitnehmer, wenn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB nicht vereinbart ist, schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten(vgl. BAG 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15 mwN, AP BGB § 626 Nr. 213 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 21). Verboten ist aber die Aufnahme einer werbenden Tätigkeit, zB durch Vermittlung von Konkurrenzgeschäften oder aktives Abwerben von Kunden oder Arbeitnehmern. Bloße Vorbereitungshandlungen, die in die Interessen des Arbeitgebers nicht unmittelbar eingreifen, erfüllen diese Voraussetzungen nicht (BAG 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - aaO).

18

b) Die danach maßgeblichen Anforderungen an das tatsächliche Vorbringen für einen Wettbewerbsverstoß hat der Kläger erfüllt.

19

aa) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Beklagte vor dem 1. Januar 2010 neun Verträge mit Kunden des Pflegedienstes A geschlossen und nach den Behauptungen des Klägers auch die übrigen Patienten der Insolvenzschuldnerin in seinen eigenen Pflegedienst übernommen. Dazu war der Beklagte nicht berechtigt. Er stand bis zum 31. Januar 2010 im Arbeitsverhältnis mit dem Kläger und durfte deshalb mit dessen Kunden keine Pflegeverträge schließen. Tat er es, wie im Streitfall, doch, so verstieß er gegen seine vertraglichen Pflichten. Mit dem Abschluss der Verträge hat der Beklagte den Bereich erlaubter Vorbereitungshandlungen weit überschritten.

20

bb) Zu einer weiter konkretisierten Darstellung der Vertragsgespräche zwischen dem Beklagten und den Patienten war der Kläger nicht gehalten. Er musste nicht, wie vom Landesarbeitsgericht gefordert, darlegen, wie, wann und wo der Beklagte unter welchen Umständen die Pflegeverträge mit den vormaligen Kunden des Pflegedienstes A geschlossen hat. Schon in der vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tatsache, dass er die Vereinbarungen noch während seines Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger getroffen hat, liegt ein Verstoß gegen seine vertragliche Pflicht zur Unterlassung von Wettbewerb. Deshalb musste der Kläger nicht vortragen, es habe festgestanden, dass Herr H zum 1. Januar 2010 alle 15 Pflegeverträge, die zuvor mit der Insolvenzschuldnerin bestanden, übernehmen würde. Auch kann dem Kläger nicht entgegengehalten werden, der Beklagte habe angesichts der Kündigung sämtlicher Pflegeverträge durch den Kläger zum 31. Dezember 2009 von der Absicht des Klägers zur Geschäftsaufgabe und „Freigabe“ der Kunden und damit von einem Einverständnis des Klägers mit der Konkurrenztätigkeit ausgehen dürfen. Der Arbeitgeber muss weder darlegen, dass er die betreffenden Geschäfte selbst hätte abschließen können, noch gehört es zur Schlüssigkeit seines Vorbringens, dass er darlegt, mit der Konkurrenztätigkeit nicht einverstanden gewesen zu sein. Vielmehr ist es Sache des Arbeitnehmers, entsprechende Tatsachen für das Vorliegen eines (mutmaßlichen) Einverständnisses vorzutragen (BAG 16. Juni 1976 - 3 AZR 73/75 - zu II 2 b der Gründe, AP BGB § 611 Treuepflicht Nr. 8 = EzA BGB § 611 Treuepflicht Nr. 1). Allein die Kündigung der Verträge durch den Kläger begründete kein Einverständnis; vielmehr war die Veräußerung des Pflegedienstes einschließlich des Abschlusses von Anschlussverträgen durch einen Übernehmer eine bereits längere Zeit im Raum stehende Option des Insolvenzverwalters.

21

cc) Eine Wettbewerbsverletzung durch den Beklagten ist, anders als das Landesarbeitsgericht meint, auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger mit Herrn H am 29. Dezember 2009 einen Übernahmevertrag geschlossen hat und darin ein Betriebsübergang liege. Feststellungen, aus denen sich das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines Betriebsübergangs (vgl. zuletzt BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 243/11 - Rn. 26 bis 29) ergeben könnten, hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen und sind dem Vorbringen des Klägers auch nicht zu entnehmen.

22

2. Ob und in welchem Umfang der Kläger vom Beklagten Schadensersatz verlangen kann, steht noch nicht fest.

23

a) Gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 HGB kann der Arbeitgeber Zahlung von Schadensersatz verlangen, wenn der Arbeitnehmer gegen die Pflicht zur Unterlassung von Konkurrenz verstößt. Da im Streitfall die Verletzungshandlung feststeht, muss der Beklagte unter den Voraussetzungen des § 249 ff. BGB Schadensersatz leisten. Insoweit mangelt es an Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil. Ferner ist die in Betracht kommende Schätzung des Schadens nach § 287 ZPO grundsätzlich dem Tatsachengericht vorbehalten. Deshalb musste der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden. Das Landesarbeitsgericht wird bei seiner erneuten Beurteilung folgende Gesichtspunkte berücksichtigen müssen.

24

aa) Nach § 249 Abs. 1 BGB hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre(Naturalrestitution). Ist die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen, § 251 Abs. 1 BGB. Ob ein Vermögensschaden vorliegt, ist nach der Differenzhypothese durch Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, zu beurteilen (BAG 15. September 2011 - 8 AZR 846/09 - Rn. 47 mwN, AP BGB § 280 Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 611 Krankenhausarzt Nr. 4; BGH 18. Januar 2011 - VI ZR 325/09 - Rn. 8 mwN, BGHZ 188, 78). Nach § 252 BGB umfasst der zu ersetzende Schaden auch den entgangenen Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte(BAG 26. September 2012 - 10 AZR 370/10 - Rn. 18 bis 20, DB 2013, 122).

25

bb) Nach § 287 Abs. 1 ZPO entscheidet der Tatrichter unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch er ist. Die Norm dehnt das richterliche Ermessen für die Feststellung der Schadenshöhe über die Schranken des § 286 ZPO aus. Das Gesetz nimmt dabei in Kauf, dass das Ergebnis der Schätzung mit der Wirklichkeit vielfach nicht übereinstimmt; allerdings soll die Schätzung möglichst nahe an diese heranführen (BAG 12. Dezember 2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 49, BAGE 125, 147; 20. September 2006 - 10 AZR 439/05 - Rn. 37, BAGE 119, 294). Der Tatrichter muss nach pflichtgemäßem Ermessen auch beurteilen, ob nach § 287 Abs. 1 ZPO nicht wenigstens die Schätzung eines Mindestschadens möglich ist. Eine Schätzung darf nur dann unterbleiben, wenn sie mangels konkreter Anhaltspunkte vollkommen „in der Luft hinge“ und daher willkürlich wäre (BGH 24. Juni 2009 - VIII ZR 332/07 - Rn. 16, NJW-RR 2009, 1404; 23. Oktober 1991 - XII ZR 144/90 - zu 3 a der Gründe, WM 1992, 36; Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 287 Rn. 4); eine völlig abstrakte Berechnung des Schadens, auch in Form der Schätzung eines Mindestschadens, lässt § 287 ZPO grundsätzlich nicht zu(st. Rspr., BGH 8. Mai 2012 - VI ZR 37/11 - Rn. 9, NJW 2012, 2267; 16. März 2004 - VI ZR 138/03 - zu II 2 b aa der Gründe mwN, NJW 2004, 1945).

26

cc) Der Geschädigte muss die Umstände darlegen und in den Grenzen des § 287 ZPO beweisen, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falls die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt. Da die Beweiserleichterung des § 252 BGB und § 287 ZPO auch die Darlegungslast des Geschädigten mindert, der Ersatz entgangenen Gewinns verlangt, dürfen insoweit keine strengen Anforderungen gestellt werden(BAG 12. Dezember 2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 48, BAGE 125, 147; BGH 18. Februar 2002 - II ZR 355/00 - zu A II 1 der Gründe, NJW 2002, 2553). Dies gilt auch für den Nachweis eines wettbewerblichen Schadens, für den es im Hinblick auf die künftigen Entwicklungen des Geschäftsverlaufs in der Natur der Sache liegende Beweisschwierigkeiten gibt (BAG 20. September 2006 - 10 AZR 439/05 - Rn. 37, BAGE 119, 294; BGH 17. April 1997 - X ZR 2/96 - zu III 1 der Gründe, NJW-RR 1998, 331; 17. Juni 1992 - I ZR 107/90 - zu II B 1 c der Gründe, BGHZ 119, 20). Greifbare Anknüpfungstatsachen, die für eine Schadensschätzung unabdingbar sind, muss der Geschädigte im Regelfall darlegen und beweisen (BGH 8. Mai 2012 - VI ZR 37/11 - Rn. 9, NJW 2012, 2267).

27

b) Im Streitfall hat der Kläger geltend gemacht, er habe für die Veräußerung des Pflegedienstes A wegen der unerlaubten Konkurrenz durch den Beklagten nur einen sehr geringen Preis erzielen können. Er hätte bei Abschluss von Anschlusspflegeverträgen mit allen Kunden einen durchschnittlichen Monatsumsatz zugunsten der Masse erhalten. Das ist im Grundsatz nachvollziehbar und legt die Schlussfolgerung nahe, dass jedenfalls im Rahmen des § 287 ZPO vom Eintritt eines Schadens auszugehen sein wird.

28

aa) Die Auffassung, der Übernahmevertrag sei insgesamt nichtig, weil die Weitergabe von Patientendaten erforderlich sei, ist nicht zutreffend. Grundsätzlich bestehen keine Bedenken gegen die Veräußerung von Pflegediensten (vgl. FG Münster 7. Dezember 2010 - 15 K 2529/07 U - EFG 2011, 677, das von der Zulässigkeit eines solchen Vertrags ohne Weiteres ausgeht). Die Lage ist, was die Weitergabe von Patientendaten betrifft, nicht anders als bei der Veräußerung von Arztpraxen, die ebenfalls zulässig ist. Die - für den Erwerber entscheidende - Fortführung der Vertragsbeziehungen mit Pflegebedürftigen kann mit deren Einwilligung erfolgen (vgl. zur Weitergabe von Patientenkarteien bei der Veräußerung von Arztpraxen: BGH 11. Dezember 1991 - VIII ZR 4/91 - zu I 3 der Gründe, BGHZ 116, 268).

29

bb) Bei einer Schätzung wird allerdings auch zu berücksichtigen sein, dass der Kläger nicht sicher sein konnte, dass die Patienten mit Herrn H Folgeverträge abschließen würden. Bei der Schätzung ist zu beachten, dass ohne das schädigende Dazwischentreten des Beklagten zwar eine Chance für Herrn H bestand, die Pflegeverträge zu übernehmen; das Ausmaß dieser Chance hängt jedoch von mehreren Umständen ab.

30

(1) Die Patienten waren in ihrer Entscheidung frei. Wie weit sie in der Lage waren, kurzfristig mit dritten Pflegediensten Verträge zu schließen, ist bisher nicht festgestellt. Eine besondere persönliche Bindung bestand weder zum Kläger noch zu Herrn H, wohl aber zur Insolvenzschuldnerin und dem Beklagten. Es kommt jedenfalls in Betracht, dass die Patienten, wenn sich der Beklagte nicht wettbewerbswidrig verhalten hätte, den Vertrag gleichwohl nicht mit Herrn H geschlossen hätten.

31

(2) Die Bewertung der Chance, die dem Kläger entging, kann auch durch sein eigenes Verhalten beeinflusst worden sein. Mussten zB die Patienten aufgrund der kurzfristigen Kündigung eine nicht unerhebliche Zeit lang damit rechnen, der Betrieb werde vollständig eingestellt und der Kläger habe auch kein Interesse an der Fortsetzung des jeweiligen Vertragsverhältnisses, wird die durch die Verletzungshandlungen des Beklagten zunichtegemachte Chance als eher gering anzusehen sein. Waren dagegen die Patienten rechtzeitig auf ein Angebot durch Herrn H vorbereitet, dürfte eine höhere Vergütung aus dem Übernahmevertrag zu erwarten gewesen sein.

32

(3) Ebenso kann sich auf die Bewertung der mit der Veräußerung verbundenen Chance ausgewirkt haben, ob die Versuche des Herrn H, mit den Patienten Verträge abzuschließen, auf einer mit ihrer Einwilligung zustande gekommenen Kenntnis von den Patientendaten beruhte (vgl. Jaeger/Henckel InsO Stand 2004 § 35 Rn. 14; Nerlich/Römermann/Andres Stand August 2012 § 35 InsO Rn. 74; Uhlenbruck/Hirte 13. Aufl. § 35 InsO Rn. 280) oder ob Herr H ohne eine solche Einwilligung in den Besitz der notwendigen Informationen kam.

33

II. Über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Revision wird das Landesarbeitsgericht zu entscheiden haben.

        

Rechtsbehelfsbelehrung            

34

Gegen dieses Versäumnisurteil kann der Beklagte innerhalb einer Frist von zwei Wochen seit Zustellung Einspruch beim

Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt,

einlegen.

35

Der Einspruch muss von einem Rechtsanwalt, dem Vertreter einer Gewerkschaft oder eines Zusammenschlusses von Gewerkschaften mit der Befähigung zum Richteramt oder dem Vertreter einer juristischen Person gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 ArbGG mit der Befähigung zum Richteramt unterzeichnet sein.

        

    Mikosch    

        

    Mestwerdt     

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Thiel     

        

    Stefan Fluri    

                 

Tenor

1. Die Revisionen der Beklagten und der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. November 2008 - 11 Sa 820/08 - werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier außerordentlicher, hilfsweise ordentlicher Kündigungen.

2

Die Beklagte betreibt einen ambulanten Pflegedienst. Die Klägerin war bei ihr seit dem 1. Juli 2006 als Diplomsozialarbeiterin beschäftigt. Sie betreute psychisch kranke Menschen und Suchtkranke in deren Wohnungen(ambulant betreutes Wohnen) und hatte zuletzt einen regelmäßigen Patientenstamm von elf Personen.

3

Die Klägerin reichte im September 2007 eine „Überlastungsanzeige“ ein. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 20. September 2007 fristlos, hilfsweise fristgemäß wegen „bestehender Differenzen“ und „mangelnder Fähigkeit“ der Klägerin, sich in bestehende Strukturen einzufinden. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage.

4

Am 21. September 2007 kündigten sieben von der Klägerin betreute Patienten ihren mit der Beklagten bestehenden Betreuungsvertrag fristlos. Die von den Patienten handschriftlich verfassten Kündigungsschreiben hatte die Klägerin zur Post gegeben. Am gleichen Tag erhielt die Klägerin von einem Konkurrenzunternehmen der Beklagten, der Firma „S“, per E-Mail eine Einstellungszusage, in der von einer „Übernahme“ namentlich genannter Patienten der Klägerin die Rede war. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 24. September 2007 forderte die Beklagte die Klägerin auf, den Kontakt zu ihren Patienten und deren Betreuern sofort einzustellen sowie das Abwerben von Klienten zu unterlassen. Nachdem die Beklagte die Kündigung vom 20. September 2007 mit Zustimmung der Klägerin zurückgezogen hatte, nahm diese ihre Kündigungsschutzklage zurück.

5

Am 19. Oktober 2007 wurde die Beklagte darüber informiert, dass eine von der Klägerin betreute Patientin zur Firma „S“ gewechselt sei. Die rechtliche Betreuerin dieser Patientin übermittelte der Beklagten eine von der Klägerin verfasste E-Mail vom 24. September 2007, in der diese sich dafür entschuldigt hatte, den Wechsel zur Firma „S“ ohne vorherige Rücksprache mit ihr - der Betreuerin - durchgeführt zu haben. Der E-Mail war ein Betreuungsvertrag der Firma „S“ beigefügt.

6

Mit Schreiben vom 24. Oktober 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 30. November 2007.

7

Am 31. Oktober 2007 erhielt die Beklagte Kenntnis von einer weiteren E-Mail der Klägerin, die diese an die Betreuerin gerichtet hatte. Darin teilte sie mit, dass eine Beschäftigung bei der Firma „S“ nicht zustande gekommen sei, sie einen Antrag auf Zulassung als Leistungsanbieter für ambulantes betreutes Wohnen gestellt habe und sie ihre (ehemaligen) Patienten bei der Regelung ihres Alltags weiterhin - unentgeltlich - unterstützen werde. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 2. November 2007 erneut fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30. November 2007.

8

Die Klägerin hat sich mit ihrer Kündigungsschutzklage gegen beide Kündigungen gewandt und die Auffassung vertreten, ein Grund zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses liege nicht vor. Sie habe weder eine Konkurrenztätigkeit ausgeübt oder vorbereitet noch aktiv Patienten abgeworben. Sie habe auch die Kündigungen der Betreuungsverträge durch ihre Patienten nicht forciert; diese hätten aus Unzufriedenheit und wegen des ständigen Wechsels der Bezugspersonen aus eigenem Entschluss gekündigt. Sie sei lediglich gebeten worden, die Kündigungsschreiben zur Post zu bringen. Das Angebot der Firma „S“ habe sie angenommen, um einen Verzugsschaden im Interesse der Beklagten gering zu halten. Im Übrigen sei die außerordentliche Kündigung schon wegen Versäumung der zweiwöchigen Ausschlussfrist unwirksam. Die Beklagte habe bereits bei der Teambesprechung am 21. September 2007 von den aus ihrer Sicht kündigungsrelevanten Tatsachen Kenntnis gehabt. Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 24. September 2007 zeige, dass dieser der Kündigungssachverhalt spätestens am 24. September 2007 bekannt gewesen sei.

9

Die Klägerin hat - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 24. Oktober 2007 noch durch die Kündigung vom 2. November 2007 beendet worden ist.

10

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt. Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe das Arbeitsverhältnis wegen schwerwiegender Vertragspflichtverletzungen fristlos beenden dürfen. Die Klägerin sei zu einem Konkurrenzunternehmen gewechselt und habe diesem Patientendaten weitergegeben sowie Betreuungsverträge ihrer ehemaligen Patienten vermittelt. Davon habe sie erst am 19. Oktober 2007 erfahren. Die fristlose Kündigung vom 2. November 2007 sei berechtigt, weil die Klägerin sich habe selbständig machen und dazu ihre Patienten habe mitnehmen wollen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentlichen Kündigungen vom 24. Oktober 2007 und 2. November 2007 nicht aufgelöst worden ist, hat aber im Übrigen die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen haben beide Parteien Revision eingelegt. Die Klägerin begehrt, ihrer Klage in vollem Umfang stattzugeben, die Beklagte, das Urteil des Arbeitsgerichts vollständig wiederherzustellen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revisionen haben keinen Erfolg.

13

A. Die Revisionen sind zulässig. Das gilt auch für die Revision der Beklagten. Deren Revisionsbegründung ist zwar erst einen Tag nach Ablauf der bis zum 2. März 2009 verlängerten Revisionsbegründungsfrist beim Bundesarbeitsgericht eingegangen. Ihr war aber nach § 233 ZPO Wiedereinsetzung in diese Frist zu gewähren.

14

Die Beklagte war ohne ihr Verschulden verhindert, die Frist zur Revisionsbegründung nach § 74 Abs. 1 ArbGG einzuhalten. Sie hat glaubhaft gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtigter einen korrekt adressierten, die Revisionsbegründung enthaltenden Brief am 26. Februar 2009 der Deutschen Post AG übergeben hat, sodass er bei normaler Postlaufzeit vor Fristablauf am 2. März 2009 beim Revisionsgericht hätte rechtzeitig eingehen müssen. Die versäumte Frist ist somit allein auf eine verzögerte Zustellung zurückzuführen. Der Beklagten sind solche Verzögerungen nicht zuzurechnen. Sie durfte darauf vertrauen, dass die von der Deutschen Post AG für den Normalfall zugesagten Postlaufzeiten eingehalten würden. In ihrem Verantwortungsbereich lag es allein, das Schriftstück ordnungsgemäß und so rechtzeitig aufzugeben, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Post AG das Revisionsgericht fristgerecht erreichen konnte(vgl. BVerfG 7. Januar 2003 - 2 BvR 447/02 - zu II 1 der Gründe, NJW 2003, 1516; BAG 7. Juni 2000 - 10 AZR 419/99 - zu II der Gründe; BGH 20. Mai 2009 - IV ZB 2/08 - Rn. 8, NJW 2009, 2379).

15

B. Die Revisionen sind nicht begründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass die außerordentlichen fristlosen Kündigungen vom 24. Oktober 2007 und vom 2. November 2007 rechtsunwirksam sind, das Arbeitsverhältnis der Parteien aber durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 24. Oktober 2007 mit dem 30. November 2007 beendet worden ist.

16

I. Die außerordentliche fristlose Kündigung vom 24. Oktober 2007 ist rechtsunwirksam. Es liegt kein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vor.

17

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

18

a) Die erforderliche Prüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund in diesem Sinne darstellt, vollzieht sich zweistufig. Zunächst ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Ist dies der Fall, bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht(st. Rspr., vgl. Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 13 mwN, DB 2010, 1128).

19

b) Die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs des wichtigen Grundes ist vorrangig Sache des Tatsachengerichts. Sie wird im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, widerspruchsfrei beachtet hat(Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 14, DB 2010, 1128; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16).

20

2. Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stand. Zwar hat die Klägerin ihre vertraglichen Pflichten verletzt, indem sie mit der Annahme des Vertragsangebots und Übergabe der Patientendaten an die Firma „S“ der Beklagten noch während des laufenden Kündigungsschutzprozesses Konkurrenz gemacht hat. Ein solcher Pflichtenverstoß kommt als wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht(Senat 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15, AP BGB § 626 Nr. 213 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 21; 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - Rn. 20, EzA BGB § 626 nF Nr. 162). Gleichwohl ist die Ansicht des Landesarbeitsgerichts, eine außerordentliche Kündigung sei unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls nicht gerechtfertigt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

21

a) Der Arbeitnehmer verletzt seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB erheblich, wenn er während des bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Konkurrenztätigkeit ausübt.

22

aa) Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt(st. Rspr., Senat 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15 mwN, AP BGB § 626 Nr. 213 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 21). Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB konkretisiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen (Senat 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - Rn. 20, EzA BGB § 626 nF Nr. 162; 26. Januar 1995 - 2 AZR 355/94 - Rn. 21, EzA BGB § 626 nF Nr. 155). Dem Arbeitnehmer ist aufgrund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Ihm ist ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen (Senat 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - Rn. 20, aaO; BAG 16. Januar 1975 - 3 AZR 72/74 - AP HGB § 60 Nr. 8). Allerdings darf er, wenn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB nicht vereinbart ist, schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten(vgl. Senat 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15 mwN, aaO). Verboten ist lediglich die Aufnahme einer werbenden Tätigkeit, zB durch Vermittlung von Konkurrenzgeschäften oder aktives Abwerben von Kunden. Bloße Vorbereitungshandlungen, die in die Interessen des Arbeitgebers nicht unmittelbar eingreifen, erfüllen diese Voraussetzungen nicht (Senat 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15, aaO).

23

bb) Das vertragliche Wettbewerbsverbot gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses. Deshalb darf ein Arbeitnehmer grundsätzlich auch nach Ausspruch einer von ihm gerichtlich angegriffenen außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers keine Konkurrenztätigkeit ausgeübt haben, wenn die Kündigung sich später als unwirksam herausstellt. Er ist in der Regel auch während des Kündigungsschutzprozesses an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden(Senat 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - AP BGB § 626 Nr. 104 = EzA BGB § 626 nF Nr. 140). Dies gilt unabhängig davon, ob eine Karenzentschädigung angeboten (aA LAG Köln 4. Juli 1995 - 9 Sa 484/95 - zu II der Gründe, AP HGB § 75 Nr. 9; APS/Dörner 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 325) oder er vorläufig weiterbeschäftigt wird (aA MünchKommBGB/Henssler 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 124).

24

b) Ob das Wettbewerbsverbot im gekündigten Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht gleich weit reicht wie in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin jedenfalls durch die Weitergabe der persönlichen Daten von Patienten an die Firma „S“ ihre Vertragspflichten schuldhaft verletzt hat(§ 241 Abs. 2 BGB). Auf diese Weise hat sie nicht lediglich ihre Arbeitskraft verwertet, sondern die berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Beklagten unmittelbar gefährdet. Es bestand zu befürchten, dass die Patienten dauerhaft zu dem (vermeintlich) neuen Arbeitgeber der Klägerin und somit zu einem Konkurrenzunternehmen wechseln würden. Dieses Verhalten der Klägerin ist nicht wegen § 615 Satz 2 BGB gerechtfertigt. Im Unterlassen vertragswidriger Konkurrenztätigkeit liegt kein böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs. Die Klägerin war deshalb nicht etwa gehalten, das Angebot der Firma „S“ anzunehmen, insbesondere nicht, dieser Patientendaten zur Verfügung zu stellen.

25

c) Dennoch durfte das Landesarbeitsgericht annehmen, dass der Beklagten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zuzumuten war.

26

aa) Die bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände lassen sich nicht abschließend und für alle Fälle einheitlich festlegen. Geht es um die Beurteilung rechtswidrigen schuldhaften Verhaltens des Arbeitnehmers, sind aber stets die beanstandungsfreie Dauer des Arbeitsverhältnisses, das Gewicht und die nachteiligen Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, eine mögliche Wiederholungsgefahr und der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers zu berücksichtigen(vgl. Senat 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 28, AP BGB § 626 Nr. 220; 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 - Rn. 38, AP BGB § 626 Nr. 196 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 11).

27

bb) Dem wird die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts gerecht. Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt sie keine wesentlichen Umstände außer Acht. Das Landesarbeitsgericht hat das Gewicht und die negativen Auswirkungen der Vertragspflichtverletzung für die Beklagte und den Grad des Verschuldens der Klägerin beachtet. Es hat nicht übersehen, dass die Klägerin versucht hat, die von ihr betreuten Patienten - gleichsam als „Startkapital“ - zur Firma „S“ mitzunehmen. Zwar hat es sich in seiner Abwägung mit diesem Gesichtspunkt nicht ausdrücklich auseinandergesetzt. Dennoch hat es ihn tatsächlich berücksichtigt. Dies zeigen seine Ausführungen unter B I 2 der Entscheidungsgründe, wo - wenn auch in anderem Zusammenhang - die „Mitnahme von Patientendaten“ als ein gewichtiger Umstand gegen die Klägerin in Ansatz gebracht wird. Die Beklagte zeigt nicht auf, dass das Landesarbeitsgericht diesen Umstand auch angesichts der schwierigen Situation, in die sie selbst die Klägerin durch den Ausspruch der später zurückgezogenen fristlosen Kündigung gebracht hatte, unzureichend gewichtet hätte.

28

II. Die außerordentliche fristlose Kündigung vom 2. November 2007 ist aus den gleichen Gründen rechtsunwirksam. Soweit die Beklagte sie ergänzend darauf gestützt hat, dass die Klägerin beim Landschaftsverband einen Antrag auf Zulassung als „Leistungsanbieter im ambulant betreuten Wohnen“ gestellt und damit eine konkurrierende Selbständigkeit geplant habe, liegt kein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vor. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darin noch keine unzulässige Konkurrenztätigkeit, sondern lediglich eine zulässige Vorbereitungshandlung gesehen.

29

Dem Arbeitnehmer ist es, wie dargelegt, während der rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich nicht untersagt, eine spätere konkurrierende Selbständigkeit vorzubereiten, solange er nicht eine werbende Tätigkeit bereits aufnimmt(siehe B I 2 a aa der Gründe). Allein mit dem Antrag beim Landschaftsverband, sie als Leistungserbringerin zuzulassen, hat die Klägerin im Geschäftszweig der Beklagten noch nicht aktiv Wettbewerb betrieben und ihr Konkurrenz gemacht. Damit ist keine - weitere - Vertragspflichtverletzung gegeben, die die Beklagte zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen würde.

30

III. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung der Beklagten vom 24. Oktober 2007 mit Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist am 30. November 2007 rechtswirksam beendet worden. Die Kündigung ist durch Gründe im Verhalten der Klägerin iSd. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt.

31

1. Eine Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer eine Vertragspflicht - in der Regel schuldhaft - erheblich verletzt hat, das Arbeitsverhältnis dadurch auch künftig konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen, weitere Störungen zuverlässig ausschließenden Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint(Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 12, EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77; 31. Mai 2007 - 2 AZR 200/06 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 57 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 71).

32

2. Auf der Basis des vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalts sind die Voraussetzungen für die soziale Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung erfüllt.

33

a) Die Klägerin hat - wie dargelegt - durch die Übermittlung der Daten der von ihr betreuten Patienten an ein Konkurrenzunternehmen ihre sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergebende Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Belange der Beklagten verletzt.

34

b) Es bedurfte vor dem Ausspruch der Kündigung keiner vorherigen Abmahnung. Sie war entbehrlich, weil die Beklagte angesichts der von der Klägerin begangenen Pflichtverletzung annehmen durfte, die Klägerin werde sich in einer vergleichbaren Situation auch künftig und auch nach der vorausgegangenen Androhung einer Kündigung nicht anders verhalten. Der Klägerin war die Rechtswidrigkeit ihres Handelns ohne Weiteres erkennbar. Selbst mit einer erstmaligen Hinnahme ihres Verhaltens durch die Beklagte konnte sie nicht rechnen.

35

c) Die im Rahmen des § 1 Abs. 2 KSchG erforderliche Interessenabwägung führt nicht zur Sozialwidrigkeit der Kündigung. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Abwägung hält sich innerhalb des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums.

36

Das Berufungsgericht hat alle wesentlichen Umstände in Erwägung gezogen. Zugunsten der Klägerin hat es auch die durch den Ausspruch der später zurückgezogenen ersten Kündigung verursachte finanzielle Zwangslage berücksichtigt. Seine Bewertung, der Beklagten könne gleichwohl eine dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat den Grad des Verschuldens der Klägerin und deren relativ kurze Betriebszugehörigkeit berücksichtigt und in vertretbarer Weise gegen die Belange der Beklagten abgewogen.

37

Soweit die Klägerin geltend macht, das Landesarbeitsgericht hätte berücksichtigen müssen, dass zwischen ihr und ihren ehemaligen Patienten ein besonderes Vertrauensverhältnis bestanden habe, zeigt sie kein Abwägungsdefizit auf. Das besondere Vertrauensverhältnis zu den Patienten hat keinen Einfluss auf die sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Verpflichtungen der Parteien. Dass sie zur Abwendung einer ansonsten drohende unmittelbaren Gefahr für die Patienten überhaupt nicht anders hätte handeln können, hat die Klägerin nicht dargelegt.

38

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Eylert    

        

        

        

    Röder    

        

    Niebler    

                 

(1) Der Handlungsgehilfe darf ohne Einwilligung des Prinzipals weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in dem Handelszweige des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen.

(2) Die Einwilligung zum Betrieb eines Handelsgewerbes gilt als erteilt, wenn dem Prinzipal bei der Anstellung des Gehilfen bekannt ist, daß er das Gewerbe betreibt, und der Prinzipal die Aufgabe des Betriebs nicht ausdrücklich vereinbart.

Tenor

1. Die Revisionen der Beklagten und der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. November 2008 - 11 Sa 820/08 - werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier außerordentlicher, hilfsweise ordentlicher Kündigungen.

2

Die Beklagte betreibt einen ambulanten Pflegedienst. Die Klägerin war bei ihr seit dem 1. Juli 2006 als Diplomsozialarbeiterin beschäftigt. Sie betreute psychisch kranke Menschen und Suchtkranke in deren Wohnungen(ambulant betreutes Wohnen) und hatte zuletzt einen regelmäßigen Patientenstamm von elf Personen.

3

Die Klägerin reichte im September 2007 eine „Überlastungsanzeige“ ein. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 20. September 2007 fristlos, hilfsweise fristgemäß wegen „bestehender Differenzen“ und „mangelnder Fähigkeit“ der Klägerin, sich in bestehende Strukturen einzufinden. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage.

4

Am 21. September 2007 kündigten sieben von der Klägerin betreute Patienten ihren mit der Beklagten bestehenden Betreuungsvertrag fristlos. Die von den Patienten handschriftlich verfassten Kündigungsschreiben hatte die Klägerin zur Post gegeben. Am gleichen Tag erhielt die Klägerin von einem Konkurrenzunternehmen der Beklagten, der Firma „S“, per E-Mail eine Einstellungszusage, in der von einer „Übernahme“ namentlich genannter Patienten der Klägerin die Rede war. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 24. September 2007 forderte die Beklagte die Klägerin auf, den Kontakt zu ihren Patienten und deren Betreuern sofort einzustellen sowie das Abwerben von Klienten zu unterlassen. Nachdem die Beklagte die Kündigung vom 20. September 2007 mit Zustimmung der Klägerin zurückgezogen hatte, nahm diese ihre Kündigungsschutzklage zurück.

5

Am 19. Oktober 2007 wurde die Beklagte darüber informiert, dass eine von der Klägerin betreute Patientin zur Firma „S“ gewechselt sei. Die rechtliche Betreuerin dieser Patientin übermittelte der Beklagten eine von der Klägerin verfasste E-Mail vom 24. September 2007, in der diese sich dafür entschuldigt hatte, den Wechsel zur Firma „S“ ohne vorherige Rücksprache mit ihr - der Betreuerin - durchgeführt zu haben. Der E-Mail war ein Betreuungsvertrag der Firma „S“ beigefügt.

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Mit Schreiben vom 24. Oktober 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 30. November 2007.

7

Am 31. Oktober 2007 erhielt die Beklagte Kenntnis von einer weiteren E-Mail der Klägerin, die diese an die Betreuerin gerichtet hatte. Darin teilte sie mit, dass eine Beschäftigung bei der Firma „S“ nicht zustande gekommen sei, sie einen Antrag auf Zulassung als Leistungsanbieter für ambulantes betreutes Wohnen gestellt habe und sie ihre (ehemaligen) Patienten bei der Regelung ihres Alltags weiterhin - unentgeltlich - unterstützen werde. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 2. November 2007 erneut fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30. November 2007.

8

Die Klägerin hat sich mit ihrer Kündigungsschutzklage gegen beide Kündigungen gewandt und die Auffassung vertreten, ein Grund zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses liege nicht vor. Sie habe weder eine Konkurrenztätigkeit ausgeübt oder vorbereitet noch aktiv Patienten abgeworben. Sie habe auch die Kündigungen der Betreuungsverträge durch ihre Patienten nicht forciert; diese hätten aus Unzufriedenheit und wegen des ständigen Wechsels der Bezugspersonen aus eigenem Entschluss gekündigt. Sie sei lediglich gebeten worden, die Kündigungsschreiben zur Post zu bringen. Das Angebot der Firma „S“ habe sie angenommen, um einen Verzugsschaden im Interesse der Beklagten gering zu halten. Im Übrigen sei die außerordentliche Kündigung schon wegen Versäumung der zweiwöchigen Ausschlussfrist unwirksam. Die Beklagte habe bereits bei der Teambesprechung am 21. September 2007 von den aus ihrer Sicht kündigungsrelevanten Tatsachen Kenntnis gehabt. Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 24. September 2007 zeige, dass dieser der Kündigungssachverhalt spätestens am 24. September 2007 bekannt gewesen sei.

9

Die Klägerin hat - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 24. Oktober 2007 noch durch die Kündigung vom 2. November 2007 beendet worden ist.

10

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt. Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe das Arbeitsverhältnis wegen schwerwiegender Vertragspflichtverletzungen fristlos beenden dürfen. Die Klägerin sei zu einem Konkurrenzunternehmen gewechselt und habe diesem Patientendaten weitergegeben sowie Betreuungsverträge ihrer ehemaligen Patienten vermittelt. Davon habe sie erst am 19. Oktober 2007 erfahren. Die fristlose Kündigung vom 2. November 2007 sei berechtigt, weil die Klägerin sich habe selbständig machen und dazu ihre Patienten habe mitnehmen wollen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentlichen Kündigungen vom 24. Oktober 2007 und 2. November 2007 nicht aufgelöst worden ist, hat aber im Übrigen die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen haben beide Parteien Revision eingelegt. Die Klägerin begehrt, ihrer Klage in vollem Umfang stattzugeben, die Beklagte, das Urteil des Arbeitsgerichts vollständig wiederherzustellen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revisionen haben keinen Erfolg.

13

A. Die Revisionen sind zulässig. Das gilt auch für die Revision der Beklagten. Deren Revisionsbegründung ist zwar erst einen Tag nach Ablauf der bis zum 2. März 2009 verlängerten Revisionsbegründungsfrist beim Bundesarbeitsgericht eingegangen. Ihr war aber nach § 233 ZPO Wiedereinsetzung in diese Frist zu gewähren.

14

Die Beklagte war ohne ihr Verschulden verhindert, die Frist zur Revisionsbegründung nach § 74 Abs. 1 ArbGG einzuhalten. Sie hat glaubhaft gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtigter einen korrekt adressierten, die Revisionsbegründung enthaltenden Brief am 26. Februar 2009 der Deutschen Post AG übergeben hat, sodass er bei normaler Postlaufzeit vor Fristablauf am 2. März 2009 beim Revisionsgericht hätte rechtzeitig eingehen müssen. Die versäumte Frist ist somit allein auf eine verzögerte Zustellung zurückzuführen. Der Beklagten sind solche Verzögerungen nicht zuzurechnen. Sie durfte darauf vertrauen, dass die von der Deutschen Post AG für den Normalfall zugesagten Postlaufzeiten eingehalten würden. In ihrem Verantwortungsbereich lag es allein, das Schriftstück ordnungsgemäß und so rechtzeitig aufzugeben, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Post AG das Revisionsgericht fristgerecht erreichen konnte(vgl. BVerfG 7. Januar 2003 - 2 BvR 447/02 - zu II 1 der Gründe, NJW 2003, 1516; BAG 7. Juni 2000 - 10 AZR 419/99 - zu II der Gründe; BGH 20. Mai 2009 - IV ZB 2/08 - Rn. 8, NJW 2009, 2379).

15

B. Die Revisionen sind nicht begründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass die außerordentlichen fristlosen Kündigungen vom 24. Oktober 2007 und vom 2. November 2007 rechtsunwirksam sind, das Arbeitsverhältnis der Parteien aber durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 24. Oktober 2007 mit dem 30. November 2007 beendet worden ist.

16

I. Die außerordentliche fristlose Kündigung vom 24. Oktober 2007 ist rechtsunwirksam. Es liegt kein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vor.

17

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

18

a) Die erforderliche Prüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund in diesem Sinne darstellt, vollzieht sich zweistufig. Zunächst ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Ist dies der Fall, bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht(st. Rspr., vgl. Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 13 mwN, DB 2010, 1128).

19

b) Die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs des wichtigen Grundes ist vorrangig Sache des Tatsachengerichts. Sie wird im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, widerspruchsfrei beachtet hat(Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 14, DB 2010, 1128; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16).

20

2. Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stand. Zwar hat die Klägerin ihre vertraglichen Pflichten verletzt, indem sie mit der Annahme des Vertragsangebots und Übergabe der Patientendaten an die Firma „S“ der Beklagten noch während des laufenden Kündigungsschutzprozesses Konkurrenz gemacht hat. Ein solcher Pflichtenverstoß kommt als wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht(Senat 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15, AP BGB § 626 Nr. 213 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 21; 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - Rn. 20, EzA BGB § 626 nF Nr. 162). Gleichwohl ist die Ansicht des Landesarbeitsgerichts, eine außerordentliche Kündigung sei unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls nicht gerechtfertigt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

21

a) Der Arbeitnehmer verletzt seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB erheblich, wenn er während des bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Konkurrenztätigkeit ausübt.

22

aa) Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt(st. Rspr., Senat 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15 mwN, AP BGB § 626 Nr. 213 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 21). Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB konkretisiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen (Senat 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - Rn. 20, EzA BGB § 626 nF Nr. 162; 26. Januar 1995 - 2 AZR 355/94 - Rn. 21, EzA BGB § 626 nF Nr. 155). Dem Arbeitnehmer ist aufgrund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Ihm ist ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen (Senat 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - Rn. 20, aaO; BAG 16. Januar 1975 - 3 AZR 72/74 - AP HGB § 60 Nr. 8). Allerdings darf er, wenn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB nicht vereinbart ist, schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten(vgl. Senat 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15 mwN, aaO). Verboten ist lediglich die Aufnahme einer werbenden Tätigkeit, zB durch Vermittlung von Konkurrenzgeschäften oder aktives Abwerben von Kunden. Bloße Vorbereitungshandlungen, die in die Interessen des Arbeitgebers nicht unmittelbar eingreifen, erfüllen diese Voraussetzungen nicht (Senat 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15, aaO).

23

bb) Das vertragliche Wettbewerbsverbot gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses. Deshalb darf ein Arbeitnehmer grundsätzlich auch nach Ausspruch einer von ihm gerichtlich angegriffenen außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers keine Konkurrenztätigkeit ausgeübt haben, wenn die Kündigung sich später als unwirksam herausstellt. Er ist in der Regel auch während des Kündigungsschutzprozesses an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden(Senat 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - AP BGB § 626 Nr. 104 = EzA BGB § 626 nF Nr. 140). Dies gilt unabhängig davon, ob eine Karenzentschädigung angeboten (aA LAG Köln 4. Juli 1995 - 9 Sa 484/95 - zu II der Gründe, AP HGB § 75 Nr. 9; APS/Dörner 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 325) oder er vorläufig weiterbeschäftigt wird (aA MünchKommBGB/Henssler 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 124).

24

b) Ob das Wettbewerbsverbot im gekündigten Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht gleich weit reicht wie in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin jedenfalls durch die Weitergabe der persönlichen Daten von Patienten an die Firma „S“ ihre Vertragspflichten schuldhaft verletzt hat(§ 241 Abs. 2 BGB). Auf diese Weise hat sie nicht lediglich ihre Arbeitskraft verwertet, sondern die berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Beklagten unmittelbar gefährdet. Es bestand zu befürchten, dass die Patienten dauerhaft zu dem (vermeintlich) neuen Arbeitgeber der Klägerin und somit zu einem Konkurrenzunternehmen wechseln würden. Dieses Verhalten der Klägerin ist nicht wegen § 615 Satz 2 BGB gerechtfertigt. Im Unterlassen vertragswidriger Konkurrenztätigkeit liegt kein böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs. Die Klägerin war deshalb nicht etwa gehalten, das Angebot der Firma „S“ anzunehmen, insbesondere nicht, dieser Patientendaten zur Verfügung zu stellen.

25

c) Dennoch durfte das Landesarbeitsgericht annehmen, dass der Beklagten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zuzumuten war.

26

aa) Die bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände lassen sich nicht abschließend und für alle Fälle einheitlich festlegen. Geht es um die Beurteilung rechtswidrigen schuldhaften Verhaltens des Arbeitnehmers, sind aber stets die beanstandungsfreie Dauer des Arbeitsverhältnisses, das Gewicht und die nachteiligen Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, eine mögliche Wiederholungsgefahr und der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers zu berücksichtigen(vgl. Senat 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 28, AP BGB § 626 Nr. 220; 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 - Rn. 38, AP BGB § 626 Nr. 196 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 11).

27

bb) Dem wird die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts gerecht. Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt sie keine wesentlichen Umstände außer Acht. Das Landesarbeitsgericht hat das Gewicht und die negativen Auswirkungen der Vertragspflichtverletzung für die Beklagte und den Grad des Verschuldens der Klägerin beachtet. Es hat nicht übersehen, dass die Klägerin versucht hat, die von ihr betreuten Patienten - gleichsam als „Startkapital“ - zur Firma „S“ mitzunehmen. Zwar hat es sich in seiner Abwägung mit diesem Gesichtspunkt nicht ausdrücklich auseinandergesetzt. Dennoch hat es ihn tatsächlich berücksichtigt. Dies zeigen seine Ausführungen unter B I 2 der Entscheidungsgründe, wo - wenn auch in anderem Zusammenhang - die „Mitnahme von Patientendaten“ als ein gewichtiger Umstand gegen die Klägerin in Ansatz gebracht wird. Die Beklagte zeigt nicht auf, dass das Landesarbeitsgericht diesen Umstand auch angesichts der schwierigen Situation, in die sie selbst die Klägerin durch den Ausspruch der später zurückgezogenen fristlosen Kündigung gebracht hatte, unzureichend gewichtet hätte.

28

II. Die außerordentliche fristlose Kündigung vom 2. November 2007 ist aus den gleichen Gründen rechtsunwirksam. Soweit die Beklagte sie ergänzend darauf gestützt hat, dass die Klägerin beim Landschaftsverband einen Antrag auf Zulassung als „Leistungsanbieter im ambulant betreuten Wohnen“ gestellt und damit eine konkurrierende Selbständigkeit geplant habe, liegt kein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vor. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darin noch keine unzulässige Konkurrenztätigkeit, sondern lediglich eine zulässige Vorbereitungshandlung gesehen.

29

Dem Arbeitnehmer ist es, wie dargelegt, während der rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich nicht untersagt, eine spätere konkurrierende Selbständigkeit vorzubereiten, solange er nicht eine werbende Tätigkeit bereits aufnimmt(siehe B I 2 a aa der Gründe). Allein mit dem Antrag beim Landschaftsverband, sie als Leistungserbringerin zuzulassen, hat die Klägerin im Geschäftszweig der Beklagten noch nicht aktiv Wettbewerb betrieben und ihr Konkurrenz gemacht. Damit ist keine - weitere - Vertragspflichtverletzung gegeben, die die Beklagte zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen würde.

30

III. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung der Beklagten vom 24. Oktober 2007 mit Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist am 30. November 2007 rechtswirksam beendet worden. Die Kündigung ist durch Gründe im Verhalten der Klägerin iSd. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt.

31

1. Eine Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer eine Vertragspflicht - in der Regel schuldhaft - erheblich verletzt hat, das Arbeitsverhältnis dadurch auch künftig konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen, weitere Störungen zuverlässig ausschließenden Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint(Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 12, EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77; 31. Mai 2007 - 2 AZR 200/06 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 57 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 71).

32

2. Auf der Basis des vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalts sind die Voraussetzungen für die soziale Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung erfüllt.

33

a) Die Klägerin hat - wie dargelegt - durch die Übermittlung der Daten der von ihr betreuten Patienten an ein Konkurrenzunternehmen ihre sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergebende Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Belange der Beklagten verletzt.

34

b) Es bedurfte vor dem Ausspruch der Kündigung keiner vorherigen Abmahnung. Sie war entbehrlich, weil die Beklagte angesichts der von der Klägerin begangenen Pflichtverletzung annehmen durfte, die Klägerin werde sich in einer vergleichbaren Situation auch künftig und auch nach der vorausgegangenen Androhung einer Kündigung nicht anders verhalten. Der Klägerin war die Rechtswidrigkeit ihres Handelns ohne Weiteres erkennbar. Selbst mit einer erstmaligen Hinnahme ihres Verhaltens durch die Beklagte konnte sie nicht rechnen.

35

c) Die im Rahmen des § 1 Abs. 2 KSchG erforderliche Interessenabwägung führt nicht zur Sozialwidrigkeit der Kündigung. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Abwägung hält sich innerhalb des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums.

36

Das Berufungsgericht hat alle wesentlichen Umstände in Erwägung gezogen. Zugunsten der Klägerin hat es auch die durch den Ausspruch der später zurückgezogenen ersten Kündigung verursachte finanzielle Zwangslage berücksichtigt. Seine Bewertung, der Beklagten könne gleichwohl eine dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat den Grad des Verschuldens der Klägerin und deren relativ kurze Betriebszugehörigkeit berücksichtigt und in vertretbarer Weise gegen die Belange der Beklagten abgewogen.

37

Soweit die Klägerin geltend macht, das Landesarbeitsgericht hätte berücksichtigen müssen, dass zwischen ihr und ihren ehemaligen Patienten ein besonderes Vertrauensverhältnis bestanden habe, zeigt sie kein Abwägungsdefizit auf. Das besondere Vertrauensverhältnis zu den Patienten hat keinen Einfluss auf die sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Verpflichtungen der Parteien. Dass sie zur Abwendung einer ansonsten drohende unmittelbaren Gefahr für die Patienten überhaupt nicht anders hätte handeln können, hat die Klägerin nicht dargelegt.

38

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Eylert    

        

        

        

    Röder    

        

    Niebler    

                 

(1) Eine Vereinbarung zwischen dem Prinzipal und dem Handlungsgehilfen, die den Gehilfen für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt (Wettbewerbsverbot), bedarf der Schriftform und der Aushändigung einer vom Prinzipal unterzeichneten, die vereinbarten Bestimmungen enthaltenden Urkunde an den Gehilfen.

(2) Das Wettbewerbsverbot ist nur verbindlich, wenn sich der Prinzipal verpflichtet, für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der von dem Handlungsgehilfen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 20. März 2013 - 6 Sa 617/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer außerordentlicher, hilfsweise ordentlicher Kündigungen.

2

Die Beklagte ist tätig auf dem Gebiet der Bahnelektrifizierung und Bahnstromversorgung. Sie ist Marktführerin in Deutschland und beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer.

3

Der Kläger war bei ihr und ihrer Rechtsvorgängerin seit Oktober 1975, zuletzt als Bereichsleiter Technologie, beschäftigt. Sein Arbeitsort war seit Anfang 2010 O. Der Kläger ist vom Eisenbahn-Bundesamt als Plan- und Abnahmeprüfer auf dem Gebiet der Oberleitungsanlagen mit Rückstromführung und Bahnerdung einschließlich der Statik anerkannt. Er erstellte für die Beklagte Gutachten über elektrische Anlagen. Diese rechnete die Beklagte gegenüber ihren Auftraggebern ab.

4

In einem Rechtsstreit über Vergütungsansprüche des Klägers erklärte dieser vor dem Arbeitsgericht am 3. August 2011 zu Protokoll:

        

„Im Zusammenhang mit dem Reiseantrag für den Zeitraum vom 17. Februar bis 18. Februar 2011 habe ich meinem Vorgesetzten Herrn Dr. Z mitgeteilt, dass ich am 18. Februar 2011 den Dienstwagen zu einem TÜV-Termin nach Ol bringen werde. Er erwiderte daraufhin,
dass er seinen Wagen auch zum TÜV bringen müsse und dies normal sei.“

5

Nach Auffassung der Beklagten war diese Aussage falsch. Die Beklagte sah in dem Verhalten des Klägers den Versuch eines Prozessbetrugs und kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 24. August 2011 außerordentlich und fristlos sowie mit Schreiben vom 5. September 2011 hilfsweise ordentlich zum 31. Dezember 2012. Sie hatte zuvor sowohl ihren sog. Montagebetriebsrat als auch den Betriebsrat in O zu den beabsichtigten Kündigungen angehört.

6

Die außerordentliche Kündigung vom 24. August 2011 ging dem Kläger am 25. August 2011 zu. Mit einem weiteren Schreiben vom 24. August 2011 widerrief die Beklagte die dem Kläger erteilte Prokura und forderte ihn auf, Firmeneigentum herauszugeben. Nach Zugang beider Schreiben bearbeitete der Kläger eine Prüfanfrage der D GmbH (künftig: D) und leitete dieser den Prüfbericht am 29. August 2011 von seiner Privatadresse aus zu. Er hatte den Bericht mit einem Stempel als Gutachter der Beklagten gekennzeichnet. Die damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers teilte der Beklagten mit Schreiben vom 19. September 2011 zu diesem Vorgang ua. mit:

        

„Der vorgenannten Schadensminderungspflicht ist unser Mandant nachgekommen, als er der … von Seiten der D GmbH an ihn persönlich gerichtete[n] Anfrage auf Erstellung eines Prüfberichts nachgekommen ist.

        

…       

        

Mit der Bearbeitung dieses Statik-Prüfberichts für die D GmbH ist unser Mandant daher eindeutig nicht für Ihr Unternehmen tätig geworden.

        

…       

        

Selbstverständlich also ist festzuhalten, dass unser Mandant diese Prüftätigkeit selbständig und auf eigene Rechnung vorgenommen hat.“

7

Nach Anhörung des Montagebetriebsrats und des Betriebsrats O kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 27. September 2011 erneut außerordentlich und fristlos sowie mit Schreiben vom 4. Oktober 2011 hilfsweise ordentlich zum 31. Dezember 2012.

8

Ab dem 1. November 2011 war der Kläger auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 20. September 2011 für die S GmbH (künftig: S) als „Technischer Support/Gutachter im Fernverkehr“ tätig. Er nahm für diese Planprüfungen und damit verbundene Aufgaben wahr und beriet und unterstützte sie bei der Planerstellung. Nach erneuter Anhörung beider Betriebsräte kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 22. November 2011 ein weiteres Mal außerordentlich und fristlos sowie mit Schreiben vom 24. November 2011 ordentlich zum 31. Dezember 2012.

9

Da der Kläger außerdem einen Prüfauftrag der I GmbH (künftig: I) durchgeführt hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien - abermals nach Anhörung beider Betriebsräte - mit Schreiben vom 6. Dezember 2011 außerordentlich und fristlos sowie mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 ordentlich zum 31. Dezember 2012. Bei der I handelt es sich um eine Schwestergesellschaft der Beklagten.

10

Gegen sämtliche Kündigungen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat gemeint, es fehle an einem Grund sowohl für die außerordentlichen als auch für die hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen. Der Versuch eines Prozessbetrugs habe nicht vorgelegen. Bei der Tätigkeit für die D habe er nicht auf eigene Rechnung gearbeitet. Es habe sich daher nicht um eine Konkurrenztätigkeit gehandelt. Die anders lautende Erklärung im Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 19. September 2011 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 1. Februar 2012 korrigiert. Er hat vorgetragen, er habe den Auftrag nach Zugang der ersten außerordentlichen Kündigung nur deshalb durchgeführt, weil er sich hierzu gegenüber der D verpflichtet gefühlt habe, insbesondere weil den Auftrag kein anderer Prüfer der Beklagten habe ausführen können. Der Kläger hat weiter vorgebracht, auch mit seiner Tätigkeit für die S sei er nicht in Wettbewerb zu der Beklagten getreten. Zwischen den beiden Unternehmen bestehe keine Konkurrenz im klassischen Sinne. Das Verhältnis zwischen ihnen sei vielmehr in erheblichem Umfang von unternehmerischer Zusammenarbeit geprägt. Die Beklagte selbst habe ihn in Kenntnis seiner Tätigkeit für die S mit Prüfungen beauftragt. Jedenfalls habe er die Interessen der Beklagten durch seine Tätigkeit nicht beeinträchtigt. Außerdem habe es sich, nachdem die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zuvor gekündigt habe, um eine Übergangslösung gehandelt und nicht um eine auf Dauer angelegte Konkurrenztätigkeit. Auch für die I sei er nicht in Konkurrenz zur Beklagten tätig geworden. Die I sei bei dem betreffenden Projekt als Nachunternehmerin der Beklagten beauftragt gewesen. Er habe zudem bei einem Mitarbeiter der Beklagten nachgefragt, ob seine Beauftragung durch die I von der Beklagten freigegeben sei, was dieser bejaht habe. Der Kläger hat hinsichtlich aller außerordentlichen Kündigungen gerügt, die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten. Zu der Kündigung vom 22. November 2011 sei überdies der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden.

11

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 24. August 2011, noch durch die außerordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 27. September 2011, 22. November 2011 und 6. Dezember 2011, noch durch die ordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 5. September 2011, 4. Oktober 2011, 24. November 2011 und 12. Dezember 2011 beendet worden ist.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, die Kündigungen seien jeweils schon als außerordentliche gerechtfertigt. Der Kläger habe für den 18. Februar 2011 Dienstgeschäfte in E vorgetäuscht. Die von ihm in dem Vergütungsrechtsstreit zu Protokoll gegebene Erklärung, er habe seinen Vorgesetzten vorab über seinen Aufenthalt in Ol am 18. Februar 2011 unterrichtet, sei unwahr. Selbst wenn sie wahr wäre, hätte der Kläger sie, die Beklagte, im Zusammenwirken mit seinem Vorgesetzten doch darüber getäuscht, nicht in E, sondern in Ol gewesen zu sein. Mit Blick auf die Erledigung des Auftrags für die D habe sich aufgrund der Angaben im Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 19. September 2011 zumindest im Kündigungszeitpunkt der dringende Verdacht einer Konkurrenztätigkeit ergeben. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt. Sie habe erst mit Eingang der Stellungnahme des Klägers zu laufen begonnen. Auch mit der Tätigkeit für die S habe sich der Kläger in unerlaubten Wettbewerb zu ihr begeben. Der Umstand, dass sie und die S Aufträge gelegentlich in Arbeitsgemeinschaften oder im Haupt- und Subunternehmerverhältnis erledigten, beseitige nicht ihrer beider Konkurrenzverhältnis. Die Prüftätigkeit für die I habe ebenso einer ihrer Arbeitnehmer erbringen können. Ihre Geschäftsführung sei erst am 28. November 2011 über den Sachverhalt informiert worden.

13

Das Arbeitsgericht hat die außerordentlichen Kündigungen vom 24. August 2011 und 27. September 2011 als unwirksam angesehen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers insgesamt stattgegeben und die Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt diese ihr Begehren weiter, die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Für die außerordentlichen Kündigungen fehlt es an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB, die hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen sind sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG.

15

I. Die außerordentliche Kündigung vom 24. August 2011 ist nicht gerechtfertigt. In der Protokollerklärung des Klägers in dem vorausgegangenen Rechtsstreit liegt kein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB.

16

1. Bewusst wahrheitswidrige Erklärungen, die ein Arbeitnehmer in einem Rechtsstreit mit seinem Arbeitgeber abgibt, weil er befürchtet, mit wahrheitsgemäßen Angaben den Prozess nicht gewinnen zu können, können geeignet sein, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen (BAG 8. November 2007 - 2 AZR 528/06 - Rn. 17). Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Einordnung an; ein Arbeitnehmer, der bewusst falsch vorträgt, um sich einen Vorteil im Rechtsstreit mit seinem Arbeitgeber zu verschaffen, verletzt in erheblicher Weise seine nach § 241 Abs. 2 BGB bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers(vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 528/06 - aaO).

17

2. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht angenommen, es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, der Kläger habe die fragliche Protokollerklärung in dem Bewusstsein abgegeben, sich durch wahrheitswidrige Angaben einen Vorteil gegenüber der Beklagten im Rechtsstreit über seine Vergütungsansprüche zu verschaffen.

18

a) Es hat dies daraus abgeleitet, dass die Frage, wo der Kläger den Dienstwagen zum TÜV gebracht und seine Arbeitsleistung für die Beklagte erbracht habe, für seinen Vergütungsanspruch ohne Bedeutung gewesen sei. Aus dem weiteren Vorbringen des Klägers in dem Vorprozess ergebe sich, dass auch er selbst diese Frage in keiner Weise für entscheidungserheblich gehalten habe.

19

b) Die Beklagte hat demgegenüber geltend macht, in diesem Fall hätte der Kläger nichts befürchten müssen, wenn er wahrheitsgemäße Angaben gemacht hätte. Ein anderer Grund für seine unzutreffende Erklärung als die Absicht, sich dadurch einen Vorteil zu verschaffen, sei daher nicht ersichtlich. Damit zeigt die Beklagte keinen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts auf. Ein solcher ist auch objektiv nicht ersichtlich. Die Schlussfolgerungen der Beklagten aus dem Prozessverhalten des Klägers sind nicht zwingend. Sie setzen voraus, dass der Kläger bewusst wahrheitswidrige Angaben gemacht hat. Dies ist weder festgestellt noch gibt es dafür objektiv hinreichende Anhaltspunkte. Selbst wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, die Erklärung des Klägers habe nicht der Wahrheit entsprochen, muss das diesem nicht bewusst gewesen sein. Ebenso gut kann er sich in seiner Erinnerung darüber, ob er seinen Vorgesetzten vorab über den Aufenthalt in Ol am 18. Februar 2011 unterrichtet hatte, getäuscht haben. Die Beklagte trägt die Darlegungslast für den Kündigungsgrund und damit für eine Schädigungsabsicht des Klägers. Dieser ist sie nicht hinreichend nachgekommen. Das Landesarbeitsgericht musste deshalb keinen Beweis darüber erheben, ob die Erklärung des Klägers wahrheitswidrig war.

20

II. Ebenso fehlt es an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung vom 27. September 2011. Die Voraussetzungen für eine Kündigung wegen des Verdachts einer schwerwiegenden Pflichtverletzung liegen nicht vor.

21

1. In einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sind nicht nur die dem Arbeitgeber bei Kündigungsausspruch bekannten Tatsachen von Bedeutung. Es sind auch solche später bekannt gewordenen Umstände zu berücksichtigen, die den ursprünglichen Verdacht abschwächen oder verstärken (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 25; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 41). Dies gilt zumindest dann, wenn sie bei Kündigungszugang objektiv bereits vorlagen. Der Arbeitgeber kann verdachtserhärtende Tatsachen in den Prozess einführen, die ihm erst nachträglich bekannt geworden sind, der Arbeitnehmer solche, die den Verdacht entkräften. Bei einer Verdachtskündigung muss der Besonderheit Rechnung getragen werden, dass für sie nicht der volle Nachweis einer Pflichtverletzung verlangt wird. Blieben den Arbeitnehmer entlastende Tatsachen, die erst im Prozess zutage getreten sind, außer Betracht, hätte der Arbeitgeber nur nachzuweisen, dass jedenfalls zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein dringender Tatverdacht bestand. Das würde der bei der Verdachtskündigung bestehenden Gefahr, einen „Unschuldigen“ zu treffen, nicht gerecht (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 42; 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 28). Die Berücksichtigung später bekannt gewordener Umstände steht entgegen der Auffassung der Beklagten nicht im Widerspruch zu dem Grundsatz, dass sich die Wirksamkeit einer Kündigung nach den bei ihrem Zugang gegebenen - objektiven - Tatsachen richtet (vgl. dazu BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 52, BAGE 134, 349; 27. Februar 1997 - 2 AZR 160/96 - zu II 2 c der Gründe, BAGE 85, 194). Diese erschöpfen sich auch im Fall der Verdachtskündigung nicht etwa notwendig in den dem Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt bekannten Verdachtsmomenten.

22

2. Selbst Umstände, die auch objektiv erst nachträglich eingetreten sind, können für die gerichtliche Beurteilung der Wirksamkeit einer Kündigung ausnahmsweise von Bedeutung sein, falls sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 53, BAGE 134, 349; 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - zu III der Gründe, BAGE 2, 245). Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO mwN). Von Bedeutung kann dies gerade für die Würdigung von verdachtsbegründenden Indiztatsachen sein.

23

3. Danach hat das Landesarbeitsgericht in dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 19. September 2011 zu Recht keine hinreichenden Verdachtsmomente dafür gesehen, dass der Kläger einen der Beklagten erteilten Auftrag der D für eigene Rechnung bearbeitet habe.

24

a) Es durfte zum einen berücksichtigen, dass der Kläger die Angaben seiner Prozessbevollmächtigten im Schreiben vom 19. September 2011 nachträglich korrigiert hat. Damit hat er sich von ihnen distanziert. Sie können nicht mehr uneingeschränkt als sein eigenes Eingeständnis gewertet werden und erscheinen dadurch in einem anderen Licht.

25

b) Es durfte zum anderen annehmen, dass weitere Verdachtsmomente gegen den Kläger nicht bestünden. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe bei der D nicht nachgefragt, auf wen die Rechnung für den Auftrag gestellt worden sei. Der Inhalt der Prüfunterlagen spreche dafür, dass der Kläger durch die Verwendung des Stempels der Beklagten deutlich gemacht habe, für diese tätig geworden zu sein. Gegen diese Würdigung bringt die Beklagte keine beachtlichen Einwände vor. Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts sind auch objektiv nicht ersichtlich. Zwar hat es nicht festgestellt, aus welchem Grund es zu den zunächst falschen Angaben der Prozessbevollmächtigten des Klägers gekommen ist. Es hat aber, zumal die Prüfungsunterlagen die Version des Klägers stützten, ersichtlich einen bloßen Abstimmungsfehler für möglich gehalten. Soweit die Beklagte in der Revisionsinstanz geltend gemacht hat, der Kläger habe sehr wohl privat abrechnen wollen und dies nur deshalb nicht getan, weil er über keinen anderen als ihren Stempel verfügt habe, hat sie keine zulässige Verfahrensrüge erhoben. Sie hat nicht dargelegt, dass und an welcher Stelle sie die für diese Annahme sprechenden Umstände in den Vorinstanzen vorgetragen habe. Die Rüge ist zudem unbegründet. Es bliebe auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens dabei, dass es keine hinreichenden Verdachtsmomente dafür gibt, der Kläger sei auf eigene Rechnung tätig geworden.

26

III. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Tätigkeit des Klägers für die S ab dem 1. November 2011 stelle keinen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB für die außerordentliche Kündigung vom 22. November 2011 dar. Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

27

1. Ein Arbeitnehmer, der während des bestehenden Arbeitsverhältnisses Konkurrenztätigkeiten entfaltet, verstößt gegen seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB. Es handelt sich in der Regel um eine erhebliche Pflichtverletzung. Sie ist „an sich“ geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 20; 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15 mwN).

28

a) Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt (BAG 16. Januar 2013 - 10 AZR 560/11 - Rn. 14; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 22). Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB normiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - aaO; 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - zu II 1 a der Gründe). Dem Arbeitnehmer ist aufgrund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Ihm ist ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - aaO; 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - aaO). Allerdings darf er, wenn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB nicht vereinbart ist, schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten(vgl. BAG 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15). Verboten ist lediglich die Aufnahme einer werbenden Tätigkeit, etwa durch Vermittlung von Konkurrenzgeschäften oder aktives Abwerben von Kunden. Bloße Vorbereitungshandlungen erfüllen diese Voraussetzungen regelmäßig nicht (BAG 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - aaO).

29

b) Das vertragliche Wettbewerbsverbot gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses. Ein Arbeitnehmer darf deshalb grundsätzlich auch nach Zugang einer von ihm gerichtlich angegriffenen fristlosen Kündigung des Arbeitgebers keine Konkurrenztätigkeit ausgeübt haben, falls sich die Kündigung später als unwirksam herausstellt. Er ist in der Regel auch während des - für ihn erfolgreichen - Kündigungsschutzprozesses an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 23; 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - zu B III 3 a der Gründe). Dies gilt unabhängig davon, ob eine Karenzentschädigung angeboten oder er vorläufig weiterbeschäftigt wird (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - aaO). Seine Obliegenheit aus § 615 Satz 2 BGB, nicht böswillig anderweitigen Erwerb zu unterlassen, rechtfertigt es nicht, eine Konkurrenztätigkeit im Geschäftsbereich des Arbeitgebers aufzunehmen(BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - zu B III 3 a bb der Gründe).

30

2. Bei der Prüfung, ob ein Verstoß gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot nach Zugang einer - gerichtlich angegriffenen - außerordentlichen Kündigung die weitere Kündigung des Arbeitsverhältnisses - falls es auf sie noch ankommt - rechtfertigen kann, ist im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung (vgl. auch dazu BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26; 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - zu B III 3 b der Gründe) zu berücksichtigen, dass sich in einer solchen Konstellation beide Parteien objektiv vertragswidrig verhalten.

31

a) Eine Fallgestaltung wie die vorliegende ist durch ein in sich widersprüchliches Verhalten beider Vertragsparteien gekennzeichnet. Der Arbeitgeber beruft sich vorrangig auf die Wirksamkeit einer schon zuvor erklärten Kündigung, erwartet aber vom Arbeitnehmer ein Verhalten, das dieser nur bei Unwirksamkeit der Kündigung schuldet. Hätte im Übrigen der Arbeitgeber - entsprechend der objektiven Rechtslage - keine Kündigung erklärt, hätte aller Voraussicht nach der Arbeitnehmer keinen Anlass für die Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit gehabt. Der Arbeitnehmer wiederum erstrebt die Feststellung einer Unwirksamkeit der früheren Kündigung, verstößt aber mit der Aufnahme von Konkurrenztätigkeiten gegen gerade dann bestehende Unterlassungspflichten.

32

b) Auf diese Besonderheiten ist bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses trotz der Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers zumutbar ist, Bedacht zu nehmen. Es spricht dabei zugunsten des Arbeitnehmers, wenn die Wettbewerbstätigkeit erst durch die frühere - unwirksame - Kündigung ausgelöst worden ist (vgl. für einen Handelsvertreter BGH 28. April 1960 - VII ZR 218/59 - zu 6 der Gründe). Dann rechtfertigt die objektiv gegebene Pflichtverletzung des Arbeitnehmers für die Zeit nach Prozessende in der Regel keine negative Verhaltensprognose. Auch ist zu berücksichtigen, ob der Wettbewerb auf eine dauerhafte Konkurrenz zum bisherigen Arbeitgeber angelegt ist oder zunächst nur eine Übergangslösung für den Schwebezustand bis zur Klärung der Rechtslage darstellt (BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - zu B III 3 b bb der Gründe). Von Bedeutung ist ferner, ob dem Arbeitgeber aufgrund der Art und der Auswirkungen der Konkurrenztätigkeit unmittelbar ein Schaden zugefügt wird oder nur eine abstrakte Gefährdung von dessen geschäftlichen Interessen vorliegt (vgl. BAG 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - aaO).

33

3. Zu Recht hat danach das Landesarbeitsgericht den Interessen des Klägers an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses den Vorrang gegenüber den Interessen der Beklagten an dessen Beendigung eingeräumt.

34

a) Der Kläger hat den Arbeitsvertrag mit der S erst geschlossen und die Tätigkeit für sie erst aufgenommen, nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zuvor fristlos gekündigt hatte. Da keine Anhaltspunkte für das Gegenteil vorliegen, lässt dies nur den Schluss zu, dass seine Wettbewerbstätigkeit durch die Kündigung ausgelöst worden ist. Das spricht zudem dafür, dass der Kläger sie lediglich als Ersatz für seine bisherige Tätigkeit aufgenommen hat. Es sind keine Umstände festgestellt oder objektiv erkennbar, die die Annahme rechtfertigten, er hätte es auf eine dauerhafte Konkurrenz zur Beklagten angelegt. Der Kläger hat nicht etwa ein eigenes Unternehmen in Konkurrenz zur Beklagten aufgebaut. Aus dem neu eingegangenen Arbeitsverhältnis konnte er sich für den Fall, dass er mit der Kündigungsschutzklage gegen die Beklagte obsiegen würde, jederzeit - etwa durch Kündigung - wieder lösen.

35

b) Das Landesarbeitsgericht durfte zugunsten des Klägers berücksichtigen, dass er durch seine Tätigkeit für die S der Beklagten keinen unmittelbaren Schaden zugefügt hat. Soweit die S für die Beklagte tätig geworden ist, hat er dieser sogar die zeitgerechte Auftragserfüllung gesichert. Die Beklagte weist zwar zutreffend darauf hin, dass ein Wettbewerbsverstoß auch ohne eine konkrete Schädigung vorliegen kann. Darum geht es jedoch nicht. Es geht darum, ob dieser Verstoß eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt.

36

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht nicht angenommen, möglicher Gewinn sei im gegebenen Zusammenhang schlechthin kein schützenswertes Interesse. Es hat lediglich gewürdigt, dass der Beklagten ein Gewinn aus den Prüfarbeiten des Klägers nicht deshalb entgangen ist, weil dieser für die S tätig war. Dies sei vielmehr die Folge davon gewesen, dass sie das Arbeitsverhältnis der Parteien zuvor fristlos gekündigt habe, ohne einen Ersatz für den Kläger einzustellen. Das Landesarbeitsgericht hat damit zu Recht eine Kausalität zwischen der Konkurrenztätigkeit des Klägers und einem Gewinnausfall der Beklagten verneint. Auch wenn der Kläger nicht für die S gearbeitet hätte, hätte die Beklagte die von ihm erbrachte Tätigkeit nicht selbst und mit eigenen Arbeitnehmern durchführen können.

37

d) Die von der Beklagten vermissten weiteren Gesichtspunkte hat das Landesarbeitsgericht bei der Interessenabwägung nicht unberücksichtigt gelassen. Es hat ihnen nur kein zugunsten der Beklagten ausschlaggebendes Gewicht beigemessen.

38

aa) Die mit der Tätigkeit des Klägers verbundene Möglichkeit einer Gewinnerhöhung bei der S hat das Landesarbeitsgericht - wie seine Ausführungen zum Fehlen einer unmittelbaren Schädigung der Beklagten erkennen lassen - zutreffend nicht als einen erschwerenden Umstand erachtet. Ein möglicher wirtschaftlicher Vorteil für das konkurrierende Unternehmen ist einer Konkurrenztätigkeit immanent.

39

bb) Das Landesarbeitsgericht hat auch den Grad des Schuldvorwurfs nicht unberücksichtigt gelassen. Es hat vielmehr auf die Besonderheiten einer Konkurrenztätigkeit nach fristloser Kündigung abgestellt. Danach ist dem Arbeitnehmer zwar kein Wettbewerb zu seinem bisherigen Arbeitgeber gestattet, wenn das Arbeitsverhältnis - objektiv - fortbesteht. Die Situation lässt eine gleichwohl aufgenommene Konkurrenztätigkeit aber in der Regel in einem milderen Licht erscheinen. Durch die fristlose Kündigung hatte der Arbeitgeber zu verstehen gegeben, sich seinerseits an vertragliche Pflichten nicht mehr gebunden zu fühlen.

40

cc) Auf der Basis der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in vollem Bewusstsein der Tatsache gehandelt hätte, die Beklagte werde seine Konkurrenztätigkeit nicht akzeptieren. Die Beklagte macht zwar geltend, der Kläger habe dies daran erkennen müssen, dass sie schon auf seine Konkurrenztätigkeit für die D mit einer außerordentlichen Kündigung reagiert habe. Aus dem vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Kündigungsschreiben vom 27. September 2011 ergibt sich ein solcher Kündigungsgrund aber nicht. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass und ggf. welche sonstigen Umstände die Annahme rechtfertigen sollten, der Kläger habe im Bewusstsein dessen gehandelt, sie werde seine Tätigkeit für die S keinesfalls akzeptieren. Es kann daher dahinstehen, ob dies anderenfalls zu ihren Gunsten zu werten wäre. Dagegen spricht, dass es nicht auf die subjektive Bereitschaft zur Akzeptanz auf Seiten des Arbeitgebers, sondern darauf ankommt, was diesem objektiv zuzumuten ist (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 47, BAGE 134, 349).

41

dd) Das Landesarbeitsgericht hat auch berücksichtigt, dass der Kläger nicht nur punktuell, sondern im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, dh. kontinuierlich für die S tätig geworden ist. Es hat diesen Umstand erkennbar deshalb nicht als erschwerend angesehen, weil damit keine unmittelbare Schädigung der Beklagten einhergegangen sei. Diese habe nicht vorgetragen, dass ihre eigenen Arbeitnehmer, die solche Prüftätigkeiten hätten ausführen können, nicht ausgelastet gewesen seien. Sie habe vielmehr nicht über ausreichende eigene Kapazitäten verfügt, um eine zeitnahe Prüfung sicherzustellen. Diese Würdigung lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

42

IV. Die außerordentliche Kündigung vom 6. Dezember 2011 ist mangels wichtigen Grundes ebenfalls unwirksam. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

43

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, auch die auf wettbewerbswidriges Verhalten des Klägers gestützte Kündigung vom 6. Dezember 2011 sei nach § 626 Abs. 1 BGB nicht gerechtfertigt. Bei der I handele es sich um ein Schwesterunternehmen der Beklagten, das für diese bei dem fraglichen Auftrag als Nachunternehmerin tätig geworden sei. Eine Verletzung der Interessen der Beklagten sei nicht ersichtlich.

44

2. Die Sachrügen, die die Beklagte gegen diese Würdigung vorbringt, entsprechen denen, die sie gegen die Auffassung des Landesarbeitsgerichts von der Unwirksamkeit der Kündigung vom 22. November 2011 erhoben hat. Sie greifen aus den dargelegten Gründen nicht durch. Hinzu kommt, dass sich die Tätigkeit des Klägers für die I in der Ausführung eines einzelnen Prüfauftrags erschöpfte, für den die I Nachunternehmerin der Beklagten war. Eine fortdauernde Tätigkeit lag nicht vor. Die Verfahrensrüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe nicht in Erwägung gezogen, dass sie vorgetragen habe, einer ihrer Arbeitnehmer habe den Auftrag erledigen können, ist unzulässig. Aus dem Tatbestand der angefochtenen Entscheidung ergibt sich lediglich, dass die Beklagte dies erstinstanzlich behauptet hat, nicht aber, was sie dazu im Einzelnen vorgebracht, ob sie für ihr Vorbringen Beweis angetreten und ob sie Vortrag und ggf. Beweisantritt im Berufungsverfahren aufrechterhalten hat. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass im Berufungsverfahren unstreitig wurde, die Beklagte sei an der Durchführung des Auftrags schon aus rechtlichen Gründen gehindert gewesen.

45

V. Gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen seien „aus den gleichen Gründen“ nicht sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 KSchG, erhebt die Beklagte keine gesonderten Rügen. Ein Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts ist auch objektiv nicht ersichtlich.

46

1. Das Landesarbeitsgericht hat offenbar angenommen, die ordentlichen Kündigungen seien aus eben den Gründen sozial ungerechtfertigt, aus denen die außerordentlichen Kündigungen unwirksam seien. Bei deren Prüfung hat es die Folgen der (teilweise unterstellten) Pflichtverletzungen und den Grad des Verschuldens des Klägers als nicht so schwerwiegend angesehen, dass der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar gewesen sei.

47

2. Wenn das Landesarbeitsgericht auf diese Gründe mit Blick auf die ordentlichen Kündigungen Bezug nimmt, bedeutet das, dass es zu dem Ergebnis gelangt ist, der Beklagten sei eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses auch über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus zuzumuten. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

48

VI. Die Kosten ihrer erfolglosen Revision hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Frey     

        

    Torsten Falke    

                 

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarland vom 12. September 2012 - 2 Sa 7/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der 1956 geborene Kläger trat im April 1981 in die Dienste der Bundeswehr. Von Oktober 1993 bis Juni 2005 wurde er als Nachschubhelfer und Kraftfahrer eingesetzt. Zuvor und in der Zeit ab Juli 2005 war er als Gabelstaplerfahrer und Lagerhelfer tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Regelungen des TVöD Anwendung.

3

Anfang August 2005 wurde der Kläger der Heeresinstandsetzungslogistik HIL-GmbH (im Folgenden: GmbH) „beigestellt“. Bei der GmbH handelt es sich um ein von der Beklagten und Dritten gemeinsam gegründetes Wirtschaftsunternehmen, das als Kooperationsbetrieb iSv. § 1 BwKoopG aus der Bundeswehr ausgegliederte Aufgaben wahrnimmt. Die Arbeitsabläufe in Bezug auf die Tätigkeit des Klägers wurden seit der „Beistellung“ durch die GmbH gesteuert, während dieser selbst Arbeitnehmer der Beklagten blieb.

4

Nach einer Tätigkeitsbeschreibung vom Oktober 2007 waren dem Kläger zuletzt die Aufgaben eines Betriebsstoffhelfers zugewiesen. Danach oblagen ihm die Entgegennahme, die Lagerung, Kontrolle und Verausgabung von Betriebsstoff, die Führung entsprechender Bücher, die tägliche Feststellung des Bedarfs an Betriebsstoffen und die Durchführung von Reinigungsarbeiten in den Lagerbereichen.

5

Aufgabe der GmbH war es ua., Dieselkraftstoff aus den Fahrzeugen der Bundeswehr abzupumpen, sofern er starke Verunreinigungen oder Ablagerungen aufwies. Das Dieselöl wurde sodann in Behältnissen gesammelt und durch eine Fremdfirma aufbereitet. Anschließend wurde der gereinigte Kraftstoff zurückgebracht und in den Fahrzeugen wieder verwendet. Auch die bei der Aufarbeitung entstandenen Rückstände wurden zum Betriebsgelände der GmbH zurückgebracht und dort als sog. Abfalldiesel in größeren Behältnissen gesammelt. In gewissen zeitlichen Abständen ließ die GmbH die Rückstände kostenpflichtig durch eine andere Firma fachgerecht und umweltschonend entsorgen.

6

Der Kläger verfiel - laut seiner eigenen Einlassung - auf den Gedanken, ein Kollege könne das Abfallprodukt womöglich mit einer häuslichen Filteranlage zu betriebsfähigem Dieselkraftstoff aufbereiten, um diesen sodann zum Heizen des Hauses oder zum Betanken eines privaten Fahrzeugs zu verwenden. In Absprache mit dem Kläger füllte der Kollege daraufhin mehrfach verunreinigtes Dieselöl in Kanister ab, die er vom Betriebsgelände der GmbH - allein oder gemeinschaftlich mit dem Kläger - abfuhr.

7

Am 7. Juni 2010 wurden das Fahrzeug des Klägers und die Wohnung des Kollegen polizeilich durchsucht. Dabei wurden 91 „Treibstoffkanister“ mit einer Gesamtmenge von 3.640 Litern Diesel beschlagnahmt. Das im Heizungstank des Hauses vorgefundene Dieselöl (ca. 3.000 Liter) wurde dort belassen. Im Fahrzeug des Klägers wurden zusätzlich sechs Plastikkanister sichergestellt, die etwa 180 Liter Dieselkraftstoff enthielten; deren Qualität ist zwischen den Parteien streitig.

8

Am 11. und am 18. Juni 2010 versuchte die Beklagte vergeblich, mit dem Kläger persönlich Kontakt aufzunehmen. In der Zwischenzeit stellte sie ihn „rückwirkend“ zum 8. des Monats von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Mit Schreiben vom 18. Juni 2010 gab sie ihm Gelegenheit, sich zu den - von ihr näher beschriebenen - Vorfällen vom 7. Juni 2010 zu äußern. Der Kläger erklärte binnen der ihm bis zum 21. Juni 2010 eingeräumten Frist, er werde einstweilen keine Angaben zur Sache machen.

9

Am 18. Juni 2010 unterrichtete die Beklagte den Personalrat von ihrer Absicht, den Kläger außerordentlich zu kündigen. Sie gab den Inhalt des Protokolls der Beschlagnahme wieder und erklärte, zu ihrer Überzeugung habe sich der Kläger des Diebstahls schuldig gemacht, indem er zusammen mit seinem Kollegen wenigstens 180 Liter Dieselkraftstoff weggenommen und sich rechtswidrig zugeeignet habe. Der Personalrat ließ die Frist zur Äußerung verstreichen.

10

Mit Schreiben vom 24. Juni 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos.

11

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam. Er habe lediglich Abfalldieselöl an sich genommen bzw. einem Kollegen überlassen. Das Öl sei nicht mehr verwendungsfähig gewesen und habe andernfalls kostenpflichtig entsorgt werden müssen. Darin liege allenfalls eine geringfügige Pflichtverletzung. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht gewahrt. Der Personalrat der Dienststelle sei nicht ordnungsgemäß über den wahren Kündigungssachverhalt unterrichtet worden. Aufgrund seiner „Beistellung“ habe außerdem der Betriebsrat der GmbH angehört werden müssen.

12

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 24. Juni 2010 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

im Falle des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die Kündigung sei aus wichtigem Grund gerechtfertigt. Der Kläger habe sich aus ihren Beständen große Mengen Dieselkraftstoff rechtswidrig zugeeignet. Am 7. Juni 2010 seien auf dem Grundstück des Kollegen mehrere tausend Liter Dieselöl beschlagnahmt worden. Im Keller des Hauses seien mindestens 540 Liter Kraftstoff sichergestellt worden, der zweifelsfrei ihr - der Beklagten - zuzuordnen gewesen sei. Hinzu kämen je 180 Liter Dieselkraftstoff, die in den Fahrzeugen des Klägers und des Kollegen vorgefunden worden seien. Dabei habe es sich nicht um bloßes „Abfalldieselöl“ gehandelt. Im Übrigen liege selbst dann eine erhebliche Pflichtverletzung vor. Der Kläger habe nicht nur beabsichtigt, sich oder seinem Kollegen durch die Entwendung des Kraftstoffs finanzielle Vorteile zu verschaffen. Er habe außerdem die ihm eingeräumte Vertrauensstellung missbraucht. Die Kündigungserklärungsfrist sei eingehalten. Ihre kündigungsberechtigten Mitarbeiter hätten nicht vor dem 10. Juni 2010 von den maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Die Anhörung des Personalrats sei - ausgehend von ihrem damaligen Kenntnisstand - ordnungsgemäß erfolgt.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Parallel dazu hörte sie - mit Schreiben vom 6. März 2012 - den Personalrat zu ihrer Absicht an, die bereits erklärte Kündigung zusätzlich auf neue Erkenntnisse bezüglich der Menge und der Art des entwendeten Kraftstoffs sowie auf einen Verdacht als Kündigungsgrund zu stützen. Außerdem teilte sie dem Personalrat mit, sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis der Parteien vorsorglich erneut zu kündigen. Mit Schriftsatz vom 16. April 2012 hat sie den betreffenden Sachverhalt in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt. Der Kläger hat daraufhin „hilfsweise“ beantragt festzustellen, dass die weitere, „eventuell ausgesprochene Kündigung“ das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat; die Beklagte hat beantragt, den Hilfsantrag „zurückzuweisen“.

15

Das Landesarbeitsgericht hat die Klage „insgesamt abgewiesen“. Mit seiner Revision begehrt der Kläger, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen und sodann nach seinem Hilfsantrag zu erkennen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision ist unbegründet.

17

A. Das prozessuale Vorgehen des Klägers in der Berufungsinstanz war zulässig. Das betrifft insbesondere den dort erstmals angebrachten Feststellungsantrag. Die darin liegende Klageerweiterung ist als - im Streitfall zulässige - Anschlussberufung zu verstehen.

18

I. Dem Kläger stand für eine Erweiterung der Klage im Berufungsrechtszug nur der Weg der Anschlussberufung zur Verfügung (bspw. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 11). Als solche ist die Klageerweiterung zu behandeln. Einer Beschwer durch das erstinstanzliche Urteil bedarf es für die Anschlussberufung nicht (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - aaO; 10. Februar 2009 - 3 AZR 728/07 - Rn. 11).

19

II. Die Anschlussberufung ist gemäß § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG binnen der dem Kläger nach § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG verlängerten Berufungsbeantwortungsfrist beim Landesarbeitsgericht eingegangen(zu dieser Voraussetzung im Einzelnen BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 12). Sie ist auch im Übrigen zulässig.

20

B. Die Revision bleibt ohne Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend entschieden. Der auf die fristlose Kündigung vom 24. Juni 2010 bezogene Feststellungsantrag ist unbegründet. Die Kündigung ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Über die weitergehenden (unechten) Hilfsanträge war nicht mehr zu entscheiden. Dies hat bei richtigem Verständnis schon das Landesarbeitsgericht nicht getan.

21

I. Die Kündigung vom 24. Juni 2010 ist gemäß § 34 Abs. 2 TVöD iVm. § 626 BGB aus wichtigem Grund gerechtfertigt.

22

1. Nach § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD konnte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers, der im Kündigungszeitpunkt das 40. Lebensjahr vollendet hatte und länger als 15 Jahre bei ihr beschäftigt war, nur aus einem wichtigen Grund kündigen. Auf die tarifliche Besitzstandsregelung in § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD kommt es im Streitfall nicht an.

23

2. Mit dem Begriff „wichtiger Grund“ knüpft die tarifvertragliche Bestimmung an die gesetzliche Regelung des § 626 Abs. 1 BGB an, deren Verständnis deshalb auch für die Auslegung der Tarifnorm maßgebend ist(BAG 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 12, BAGE 132, 299; 27. November 2003 - 2 AZR 601/02 - zu B I 5 der Gründe mwN). Aufgrund der Bezugnahme gilt zugleich § 626 Abs. 2 BGB. Danach kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen erklärt werden (BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 31; 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 12 mwN, aaO).

24

3. Die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB sind erfüllt.

25

a) Gemäß dieser Vorschrift kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 16; 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 15 mwN, BAGE 146, 303).

26

b) Als wichtiger Grund kann neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet sein (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 19; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 29, BAGE 137, 54). Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 19 mwN).

27

c) Begeht ein Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche - ggf. strafbare - Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Dies gilt auch dann, wenn die rechtswidrige Handlung Gegenstände von geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 18; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 26, BAGE 134, 349). Maßgebend ist der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 17, BAGE 142, 176).

28

d) Im Streitfall liegt eine in diesem Sinne erhebliche, die Schwelle zum wichtigen Grund überschreitende Pflichtverletzung vor.

29

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe im Frühjahr 2010 gemeinschaftlich mit seinem Kollegen mehrere hundert Liter Abfalldieselöl ohne Erlaubnis vom Betriebsgelände der GmbH entfernt, um es zu filtern und anschließend nach Möglichkeit selbst weiterzuverwenden oder an einen interessierten Dritten abzugeben. 180 Liter des verunreinigten Kraftstoffs - sechs Kanister - seien in seinem eigenen Fahrzeug vorgefunden worden. Diese Feststellungen greift der Kläger nicht an.

30

bb) Danach hat der Kläger seine Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB erheblich und schuldhaft verletzt. Dafür kommt es nicht darauf an, ob das Abfalldieselöl im Eigentum der Beklagten oder der GmbH stand und ob das in Rede stehende Verhalten einen Straftatbestand erfüllt.

31

(1) Dem Kläger war - unter Aufrechterhaltung seines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten - dauerhaft eine Tätigkeit bei der GmbH zugewiesen worden. Im Rahmen dieser Personalgestellung musste er die Vermögensinteressen der GmbH in gleicher Weise wahren wie diejenigen der Beklagten. Im Übrigen lief die unberechtigte Wegnahme des Kraftstoffs in Anbetracht ihrer Beteiligung an der GmbH unmittelbar den Vermögensinteressen der Beklagten zuwider, mag diese auch - wie vom Kläger behauptet - nicht die Mehrheit der Anteile gehalten haben. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe die Eigentumsverhältnisse an dem in Rede stehenden Kraftstoff nicht hinreichend aufgeklärt, geht damit ins Leere.

32

(2) Das Landesarbeitsgericht hat das Vorbringen des Klägers, ihm habe das Unrechtsbewusstsein gefehlt, als Schutzbehauptung gewertet und eine vorsätzliche Verletzung seiner vertraglichen Nebenpflicht angenommen. Diese Würdigung liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob das Tatsachengericht von den richtigen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände berücksichtigt und keine Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt hat (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 16; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 21). Einen solchen Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf. Er ist auch nicht offensichtlich. Der Kläger konnte angesichts der gesonderten Aufbewahrung des Abfalldieselöls auf dem Betriebsgelände der GmbH und der Beauftragung einer darauf spezialisierten Drittfirma nicht im Zweifel darüber sein, dass der Beklagten an dessen fachgerechter Entsorgung gelegen war. Er musste wissen, dass er sich Kraftstoff - welcher Qualität auch immer - nicht ohne ausdrückliche Einwilligung der hierfür zuständigen Mitarbeiter aneignen durfte. Seiner eigenen Einlassung zufolge hat er das Abfalldieselöl auch nicht für wirtschaftlich wertlos erachtet. Beides reichte aus, um für ihn auch subjektiv eine Erlaubnis zur Mitnahme auszuschließen.

33

e) Die Kündigung ist bei Beachtung der Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gerechtfertigt.

34

aa) Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 17, BAGE 146, 303; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27). Auch bei der fristlosen Kündigung eines tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisses muss die Vertrauensgrundlage so schwer gestört sein, dass jede weitere Zusammenarbeit für den Arbeitgeber unzumutbar ist. Eine außerordentliche fristlose Kündigung ist gerechtfertigt, wenn es dem Arbeitgeber nicht zumutbar war, den Arbeitnehmer bis zum Ablauf der „fiktiven“ Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 827/06 - Rn. 37; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 44; vgl. auch BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 343/11 - Rn. 20).

35

bb) Danach hat das Landesarbeitsgericht den ihm im Rahmen der Interessenabwägung zukommenden Beurteilungsspielraum (dazu BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 35 mwN) nicht verletzt. Es hat alle wesentlichen Aspekte des Falls berücksichtigt und die beiderseitigen Interessen vertretbar abgewogen.

36

(1) Der Kläger hat seine Stellung als Betriebsstoffhelfer zu einer Verletzung des Eigentums entweder der Beklagten oder des Kooperationsunternehmens missbraucht. In beiden Fällen liegt ein schwerwiegender Vertrauensbruch vor. Der Kläger war im Rahmen des ihm zugewiesenen Aufgabenbereichs dafür verantwortlich, dass Betriebsstoffe nur an Berechtigte ausgegeben würden. Er hatte dies entsprechend zu dokumentieren. Stattdessen hat er sich bewusst und ohne Rücksprache mit seinen Vorgesetzten zumindest Abfalldieselöl in erheblicher Menge in der Absicht angeeignet, sich oder seinem Kollegen auf diese Weise wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Unerheblich ist, ob er in der Annahme gehandelt hat, er bewahre die Beklagte vor eigenen Aufwendungen. Die Interessen der Beklagten und ihres Kooperationsunternehmens waren erkennbar darauf gerichtet, das verunreinigte und für die Umwelt nicht ungefährliche Abfalldieselöl auf dem Betriebsgelände zwischenzulagern, um es anschließend fachgerecht entsorgen zu lassen.

37

(2) Die Pflichtverletzung ist von solchem Gewicht, dass ihre Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und - auch für den Kläger erkennbar - ausgeschlossen war (zu diesem Maßstab vgl. BAG 26. September 2013 - 2 AZR 741/12 - Rn. 20; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 16). Die nahezu 30-jährige, ohne Beanstandungen gebliebene Betriebszugehörigkeit des Klägers und der - zu seinen Gunsten unterstellt - allenfalls geringfügige Verkehrswert des entwendeten Kraftstoffs führen zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger hat seine Vertragspflichten wiederholt verletzt. Er hat aus purem Eigennutz in erheblichem Umfang Stoffe, von denen Gefahren für die Umwelt ausgehen können, einer durch die Verantwortlichen vorgesehenen fachgerechten Entsorgung entzogen. Dies brauchte die Beklagte - auch ohne vorherige Abmahnung - nicht hinzunehmen.

38

4. Die Beklagte hat die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.

39

a) Gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach Abs. 2 Satz 2 der Bestimmung mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die sachgerechte Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen eine Kündigung sprechenden Umstände (BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 27; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, BAGE 137, 54).

40

b) Der Kündigungsberechtigte, der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne(BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - Rn. 14; 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 27). Dabei kommt es nicht darauf an, ob er ggf. eine Kündigung wegen erwiesener Tat oder wegen eines zumindest erdrückenden Verdachts zu erklären beabsichtigt. Dies gilt allerdings nur solange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen (BAG 31. März 1993 - 2 AZR 492/92 - zu II 1 der Gründe, BAGE 73, 42). Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf in der Regel nicht mehr als eine Woche betragen (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - aaO; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, BAGE 137, 54). Bei Vorliegen besonderer Umstände kann sie überschritten werden (BAG 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 - Rn. 24, BAGE 117, 168). Unerheblich ist, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder nicht (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - aaO; 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - aaO). Gibt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Stellungnahme, so gereicht ihm dies hinsichtlich des Beginns der zweiwöchigen Ausschlussfrist deshalb auch dann nicht zum Nachteil, wenn der Arbeitnehmer innerhalb angemessener Überlegungszeit keine Erklärung abgibt oder seine Stellungnahme rückblickend zur Feststellung des Sachverhalts nichts beiträgt (BAG 27. Januar 1972 - 2 AZR 157/71 - zu 3 der Gründe, BAGE 24, 99). Das bedeutet zugleich, dass der mit der beabsichtigten Anhörung verbundene Fristaufschub iSv. § 626 Abs. 2 BGB nicht nachträglich entfällt, wenn der Arbeitgeber das ergebnislose Verstreichen der Frist zur Stellungnahme zum Anlass nimmt, nunmehr auf die Anhörung des Arbeitnehmers zu verzichten(BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - aaO).

41

c) Danach hat die Beklagte die Kündigung iSv. § 626 Abs. 2 BGB rechtzeitig erklärt.

42

aa) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, den kündigungsberechtigten Mitarbeitern der Beklagten seien die Vorfälle vom 7. Juni 2010 nicht vor dem 10. Juni 2010 bekannt geworden. Mit dem Zugang der fristlosen Kündigung am 24. Juni 2010 ist die Zwei-Wochen-Frist gewahrt.

43

bb) Die Kündigung wäre selbst dann fristgerecht erfolgt, wenn die Kündigungsberechtigten von dem Geschehen bereits am 7. Juni 2010 Kenntnis erlangt hätten. Die Beklagte durfte es für erforderlich halten, den Kläger zum Kündigungssachverhalt anzuhören. Es war nicht auszuschließen, dass sich aus seiner Äußerung weitere, etwa ihn entlastende Umstände ergeben würden. Eine Verzögerung bei der Anhörung ist der Beklagten nicht anzulasten. Bereits am 11. Juni 2010 hat sie versucht, den Kläger telefonisch zu kontaktieren. Nachdem dieser und ein weiterer Versuch, ihn persönlich anzusprechen, erfolglos blieben, hat sie ihm - zeitnah - Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben und seine Äußerung abgewartet. Ebenso wenig handelte die Beklagte willkürlich, als sie die Kündigung schon am 24. Juni 2010 erklärte. Der Kläger hatte nicht etwa um eine Verlängerung der Äußerungsfrist gebeten.

44

cc) Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass er bereits ab dem 8. Juni 2010 freigestellt worden sei, ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - mangels Entscheidungserheblichkeit unbegründet. Selbst wenn die Freistellung einen Hinweis auf die Kenntnis einschlägiger Tatsachen gäbe, führte dies nicht dazu, dass die Beklagte die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt hätte.

45

II. Die Kündigung vom 24. Juni 2010 ist nicht deshalb unwirksam, weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden wäre (§ 79 Abs. 4 BPersVG). Der Kündigungssachverhalt, wie er der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zugrunde liegt, hatte sich gegenüber dem der Personalvertretung mitgeteilten Geschehen auch nicht in einer Weise verändert, dass er nur nach erneuter Anhörung des Personalrats prozessual verwertbar gewesen wäre.

46

1. Nach § 79 Abs. 3 BPersVG ist der Personalrat vor außerordentlichen Kündigungen anzuhören. Der Dienststellenleiter hat die beabsichtigte Maßnahme zu begründen. Hat der Personalrat Bedenken, so hat er sie unter Angabe der Gründe dem Dienstellenleiter unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Arbeitstagen, schriftlich mitzuteilen. Nach § 79 Abs. 4 BPersVG ist eine Kündigung unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist. Diese Rechtsfolge tritt auch bei nicht ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrats ein (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 45; 12. März 2009 - 2 AZR 251/07 - Rn. 36). Zu dieser Beteiligung gehört insbesondere die hinreichende Unterrichtung des Gremiums. Der Personalrat ist ordnungsgemäß unterrichtet worden, wenn der Arbeitgeber die für ihn subjektiv tragenden Gründe, auf denen sein Kündigungsentschluss beruht, mitgeteilt hat (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 57; für die ordentliche Kündigung bspw. BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 22). Darauf, ob diese Umstände auch objektiv geeignet und ausreichend sind, die Kündigung zu stützen, kommt es für die Ordnungsgemäßheit der Unterrichtung nicht an (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - aaO; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 46). Fehlerhaft ist die Unterrichtung, wenn der Dienstherr dem Personalrat bewusst und gewollt unrichtige oder unvollständige Sachverhalte unterbreitet hat (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - aaO; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - aaO).

47

2. Die Parteien streiten nicht darüber, dass die Beklagte das Mitbestimmungsverfahren gegenüber dem zuständigen örtlichen Personalrat formell ordnungsgemäß eingeleitet und die zu beachtenden Fristen gewahrt hat. Ein Rechtsfehler ist insoweit nicht zu erkennen.

48

3. Die Beklagte hat den Personalrat nicht bewusst irreführend über das Ausmaß der Pflichtverletzung unterrichtet, soweit sie ihm mitgeteilt hat, der Kläger habe „wenigstens 180 Liter Dieselkraftstoff“ entwendet. Auf die genaue Menge und die Qualität des Diesels, dh. ob es sich um verunreinigte und nicht mehr gebrauchsfähige Kraftstoffreste oder um bessere Qualität handelte, kam es ihr - soweit sie hiervon im Kündigungszeitpunkt überhaupt konkrete Kenntnis hatte - ersichtlich nicht an. Es handelt sich zudem um Umstände, die für den Kern des mitgeteilten Vorwurfs, der Kläger habe vom Betriebsgelände der GmbH eine erhebliche Menge von Dieselkraftstoff widerrechtlich entwendet, nicht entscheidend sind. In einem solchen Fall ist es unschädlich, wenn sich der dem Personalrat mitgeteilte Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess nicht in seiner Gesamtheit bestätigt (vgl. BAG 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 34).

49

4. Der Kläger erhebt keine zulässige Verfahrensrüge, soweit er geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe eine gebotene Zeugenvernehmung zum „Informationsumfang und Informationsinhalt bei der Anhörung“ unterlassen. Es fehlt an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des unter Beweis gestellten Vorbringens (vgl. dazu BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 1005/12 - Rn. 28 mwN).

50

III. Die Kündigung ist nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass im Kündigungszeitpunkt im maßgebenden Betrieb der GmbH ein Betriebsrat gewählt war. Dieser war auch mit Blick auf die Gestellung des Klägers nicht zur Kündigung anzuhören. Das ergibt die Auslegung von §§ 1, 6 Abs. 1 und Abs. 3 BwKoopG.

51

1. Nach § 1 BwKoopG gilt dieses Gesetz ua. für Angestellte des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Verteidigung, soweit und solange ihnen unter Beibehaltung ihres Dienst- oder Arbeitsverhältnisses zum Bund eine Tätigkeit in einem Wirtschaftsunternehmen zugewiesen wurde, mit dem die Bundeswehr eine Kooperation eingegangen ist. Die GmbH ist ein solches Kooperationsunternehmen. Die ihr zugewiesenen oder gestellten Arbeitnehmer, zu denen der Kläger zählt, gelten daher nach § 6 Abs. 1 BwKoopG ua. für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes als ihre Arbeitnehmer. Die Regelung in § 6 Abs. 3 BwKoopG sichert die Erfüllung der Verpflichtungen des Kooperationsbetriebs aus den in § 6 Abs. 1 BwKoopG genannten Gesetzen, ua. aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Grundsätzlich obliegt es dem Kooperationsbetrieb, die Verpflichtungen zu erfüllen. Scheitert dies allerdings daran, dass der Beschäftigte nicht in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis zum Kooperationsunternehmen steht, hat die betreffende Dienststelle dafür einzustehen (BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 3/10 - Rn. 33, BAGE 138, 25).

52

2. Die Regelungen in § 6 Abs. 1, Abs. 3 BwKoopG tragen dem Umstand Rechnung, dass das Personal der Bundeswehr langfristig in dem privatrechtlich organisierten Betrieb eines Kooperationspartners eingesetzt und dort in die Arbeitsabläufe eingegliedert wird. Mit Blick auf diese faktische Eingliederung soll für den Bereich der betrieblichen Interessenvertretung eine Gleichstellung mit den Arbeitnehmern des Kooperationsbetriebs erreicht werden (vgl. BT-Drs. 15/2944 S. 9), die sich nicht nur darin erschöpft, dass den Betroffenen das aktive und passive Wahlrecht im Kooperationsbetrieb zugestanden wird (BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 3/10 - Rn. 36, BAGE 138, 25). Gleichwohl bedeutet die grundsätzliche Einbeziehung zugewiesener oder gestellter Arbeitnehmer in die Betriebsverfassung nicht zwingend, dass dem Betriebsrat des Kooperationsbetriebs für diese Personengruppen uneingeschränkt die Mitbestimmungsrechte des Betriebsverfassungsgesetzes zukommen. Bestand und Umfang der betrieblichen Mitbestimmung richten sich vielmehr nach dem Gegenstand und Zweck des jeweiligen Mitbestimmungsrechts und der darauf bezogenen Entscheidungsmacht (BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 3/10 - Rn. 41, aaO; 9. Juni 2011 - 6 AZR 132/10 - Rn. 32, BAGE 138, 116; zum Gegenstandsbezug siehe auch BAG 19. Juni 2001 - 1 ABR 43/00 - zu B II 4 und 5 der Gründe, BAGE 98, 60).

53

3. Das Anhörungsrecht des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG zielt - ebenso wie die Anhörung des Personalrats zur Kündigung nach § 79 Abs. 3 BPersVG - nicht darauf ab, die Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung zu überprüfen. Es beschränkt sich vielmehr darauf, dem Betriebsrat im Vorfeld der Kündigung die Möglichkeit zu geben, auf die Willensbildung des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen (für § 102 BetrVG vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 348/11 - Rn. 76, BAGE 144, 125; 22. September 1994 - 2 AZR 31/94 - zu II 2 der Gründe, BAGE 78, 39). Da im Fall der Kündigung von gestellten Arbeitnehmern der Kündigungsentschluss nicht durch den Inhaber des Kooperationsbetriebs gefasst und umgesetzt wird, sondern die Entscheidung typischerweise beim öffentlichen (Vertrags-)Arbeitgeber liegt, macht eine Beteiligung des Betriebsrats des Kooperationsbetriebs insoweit keinen Sinn (Altvater/Altvater 8. Aufl. § 6 BwKoopG Rn. 4; Tiling öAT 2013, 139, 140; für die Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG: BAG 9. Juni 2011 - 6 AZR 132/10 - Rn. 32, BAGE 138, 116; ebenso: APS/Koch 4. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 8a; Fitting BetrVG 27. Aufl. § 5 Rn. 319, § 102 Rn. 20d; Raab in GK-BetrVG § 5 Rn. 78). Eine Verdoppelung der Beteiligungsverfahren mit womöglich gegenläufigen Voten der beiden Arbeitnehmervertretungen wäre mangels Entscheidungsbefugnis des Arbeitgebers des Beschäftigungsbetriebs nicht geeignet, die Lage des betroffenen Arbeitnehmers relevant zu verbessern (Tiling aaO). Soweit der Personalrat aus seiner Sicht nicht über die erforderliche Sachverhaltskenntnis verfügt, um anhand der Mitteilungen des öffentlichen Arbeitgebers ein vollständiges Bild vom behaupteten Kündigungsgrund zu gewinnen, steht es ihm frei, dazu weitere Erkundigungen einzuholen und etwa den Arbeitnehmer anzuhören.

54

4. Nach diesen Grundsätzen war eine Beteiligung des Betriebsrats der GmbH nicht geboten. Die in Rede stehende außerordentliche fristlose Kündigung betrifft das zur Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis. Der Kläger hat nicht in Abrede gestellt, dass die Kündigungsbefugnis allein bei ihr lag. Daran vermag auch eine größere Sachnähe des Betriebsrats des Kooperationsbetriebs nichts zu ändern. Ob etwas anderes dann zu gelten hätte, wenn die Ausübung des Kündigungsrechts durch den öffentlichen Arbeitgeber an das Einverständnis des Inhabers des Kooperationsbetriebs geknüpft wäre (dazu Fitting BetrVG 27. Aufl. § 102 Rn. 20d; Tiling öAT 2013, 139, 140), kann dahinstehen. Für einen solchen Sachverhalt fehlt es an Anhaltspunkten. Ebenso wenig hat der Kläger behauptet, die Beklagte und ihr Kooperationsunternehmen hätten den Betrieb gemeinsam geführt.

55

IV. Die Kündigung ist nicht gemäß § 174 Satz 1 BGB oder wegen eines Mangels in der Vertretungsmacht nach § 180 Satz 1 BGB unwirksam. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe seinen Vortrag zur „Frage der Kündigungsbefugnis“ übergangen, ist unzulässig. Soweit das Vorbringen auf eine Unwirksamkeit der Kündigung nach § 174 Satz 1 BGB abzielt, lassen die Ausführungen in der Revisionsbegründung nicht erkennen, dass der Kläger die Kündigung unverzüglich mangels Vorlage eines Vollmachtnachweises zurückgewiesen hätte(zu den Anforderungen an die Zurückweisung vgl. BAG 8. Dezember 2011 - 6 AZR 354/10 - Rn. 33 mwN, BAGE 140, 64). Auf die Berechtigung einer entsprechenden Zurückweisung kommt es demzufolge nicht an. Soweit der Kläger geltend machen will, das Landesarbeitsgericht habe außer Acht gelassen, dass er die Kündigungsbefugnis des „die Kündigung unterschreibenden Mitarbeiters“ bestritten habe, zeigt er die Entscheidungserheblichkeit des vermeintlich übergangenen Vortrags nicht auf. Das gilt insbesondere angesichts der Möglichkeit einer konkludenten Genehmigung der Kündigung durch die Beklagte (vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 13), von der das Landesarbeitsgericht stillschweigend ausgegangen sein dürfte.

56

V. Da die Kündigung somit bereits wegen erwiesener Tat wirksam ist, kann dahinstehen, ob der Auffassung des Landesarbeitsgerichts zu folgen wäre, die Beklagte könne sich auf den Verdacht, der Kläger habe wesentlich größere Mengen Diesel und in der Qualität höherwertigen Kraftstoff vom Betriebsgelände der GmbH rechtswidrig entwendet, deshalb nicht berufen, weil die Voraussetzungen für das Nachschieben eines solchen Kündigungsgrundes nicht vorgelegen hätten.

57

VI. Der Feststellungsantrag des Klägers betreffend die weitere Kündigung ist als unechter Hilfsantrag zu verstehen. Er ist nur für den Fall gestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht bereits durch die vorausgegangene fristlose Kündigung sein Ende gefunden hat. Gleiches gilt für den Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung. Über beide Anträge war dementsprechend nicht zu entscheiden. Auch das Landesarbeitsgericht hat das Begehren des Klägers nicht anders verstanden. Es hat den Weiterbeschäftigungsantrag nicht auch in der Sache abschlägig beschieden, soweit es das arbeitsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage „insgesamt abgewiesen“ hat. Es hat damit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der stattgebenden Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsantrag wegen der Erfolglosigkeit des Feststellungsantrags die Grundlage entzogen war. Die Anschlussberufung des Klägers ist damit gleichermaßen gegenstandslos.

58

VII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Bartz    

        

    Alex    

                 

Tenor

1. Die Anschlussrevision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. Juli 2011 - 10 Sa 1781/10 - wird zurückgewiesen.

2. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 29. Juni 2010 - 1 Ca 2998/09 - zurückgewiesen hat.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revisionsinstanz - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten.

2

Die Beklagte ist ein Einzelhandelsunternehmen. Die 1967 geborene Klägerin war - unter Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten - seit 1991 bei ihr beschäftigt. Zuletzt war sie im Getränkemarkt des Einkaufsmarkts G tätig. Im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung erzielte sie einen monatlichen Bruttoverdienst iHv. 1.406,92 Euro. In dem Markt beschäftigt die Beklagte insgesamt weit mehr als zehn Arbeitnehmer, für die ein 7-köpfiger Betriebsrat errichtet ist.

3

In dem Getränkemarkt waren drei Kassen eingerichtet. Über eine Kasse erfolgte die Leergutannahme. Soweit sie nicht zu besetzen waren, wurde den Kassen der Geräteeinsatz mit dem Wechselgeld entnommen. Ursprünglich wurden die Einsätze im zentralen Kassenbüro des Einkaufsmarkts aufbewahrt. Das brachte es mit sich, dass die Kassenmitarbeiter des Getränkemarkts den Einsatz bei Dienstantritt im Kassenbüro abholen und nach Dienstschluss dorthin zurückbringen mussten. Im Kassenbüro erhielten sie auch das Wechselgeld. Diese Gänge entfielen ab Mitte August 2009, nachdem die Beklagte im Getränkemarkt einen Tresor für die Aufbewahrung der Einsätze und des Wechselgelds hatte installieren lassen.

4

Der Umgang mit Geld war für alle Märkte in sog. Kassenanweisungen geregelt. Deren Erhalt hatte die Klägerin mit ihrer Unterschrift bestätigt. Nach den zuletzt gültigen Regelungen war es Kassenmitarbeitern untersagt, Bargeld in der Dienstkleidung oder im Schubfach des Kassentischs aufzubewahren, Geld aus der Kasse zu entnehmen oder es sich leihweise selbst oder anderen zur Verfügung zu stellen. Geld durfte weder zwischen den Kassenkräften untereinander gewechselt noch nach Geschäftsschluss in den Schubfächern der Kassen aufbewahrt werden. Die Herausgabe zusätzlichen Wechselgelds hatte durch die Marktleitung zu erfolgen. Geldwechselgeschäfte mit Kunden waren untersagt. Geld, das von Kunden liegengelassen wurde, war unmittelbar der Marktleitung auszuhändigen; anschließend sollte es im Büro/Tresor deponiert werden. Im August 2009 erließ die Beklagte zusätzlich eine „Ablaufbeschreibung Kassenbüro“. Danach sollten „Kassierdifferenzen“ täglich dem Geschäftsleiter gemeldet werden. „Fundgeld“ sollte einmal monatlich „in die 99-er Kasse eingezahlt“, „Klüngelgeld“ einmal pro Woche „auf WGR 700“ gebucht werden.

5

Im Getränkemarkt war seit jeher eine Videokamera installiert. Darüber waren die Mitarbeiter in Kenntnis gesetzt worden. Die Kamera ermöglichte die Überwachung des Kassenbereichs sowie der Ein- und Ausgänge. Die eigentlichen Kassiervorgänge wurden nicht erfasst.

6

Zur Mitte des Jahres 2009 stellte die Beklagte anlässlich einer Revision fest, dass in der ersten Jahreshälfte Leergutdifferenzen iHv. mehr als 7.000,00 Euro aufgetreten waren. Nachdem Kontrollen des Lagerbestands und des Warenausgangs keine Hinweise auf Unregelmäßigkeiten ergeben hatten, vermutete sie deren Ursache im Kassenbereich. Sie ging von der Möglichkeit aus, dass dort ohne Entgegennahme von Leergut „falsche“ Bons gedruckt und entsprechende Gelder der Kasse entnommen würden. Am 7. Juli 2009 vereinbarte sie mit dem Vorsitzenden des Betriebsrats für die Dauer von vier Wochen die Durchführung einer verdeckten Videoüberwachung des Kassenbereichs. Sie beauftragte eine Fachfirma, die in der Zeit vom 13. Juli bis 3. August 2009 die Kassenvorgänge mittels Videokamera aufzeichnete. Die der Firma gleichfalls übertragene Auswertung der Aufzeichnungen einschließlich der Erstellung eines Zusammenschnitts und einer Dokumentation war am 3. September 2009 abgeschlossen. Aus den Aufzeichnungen ging hervor, dass sich unter der Leergutkasse des Getränkemarkts ein Plastikbehälter befand, in dem Geld aufbewahrt wurde. Außerdem war zu erkennen, dass die Klägerin am 16. Juli 2009 gegen 8:45 Uhr, am 22. Juli 2009 gegen 16:13 Uhr und am 23. Juli 2009 gegen 18:34 Uhr diesem Behältnis Geld entnahm und in ihre Hosentasche steckte. Die Vorgänge als solche sind unstreitig.

7

Am 14. August 2009 hatte die Beklagte der Klägerin wegen eines Verhaltens vom 11. Juli 2009 eine Abmahnung erteilt. An diesem Tag hatte die Klägerin nach Dienstschluss Wechselgeld iHv. 300,00 Euro mit nach Hause genommen, statt es weisungsgemäß im Kassenbüro abzugeben. Die Klägerin hatte sich in einem noch am selben Abend geführten Telefonat auf ein Versehen berufen und das Geld am 12. Juli 2009 bei der Beklagten abgeliefert.

8

Noch am 3. September 2009 führte die Beklagte im Getränkemarkt eine Kontrolle des Kassenbereichs durch; der dort vorgefundene Plastikbehälter enthielt Münzen im Wert von 12,35 Euro. Am 4. September 2009 hörte sie die Klägerin zur Existenz dieser sog. Klüngelgeld-Kasse an und konfrontierte sie mit dem Vorwurf, hieraus Geld für eigene Zwecke entnommen zu haben. Mit Schreiben vom 8. September 2009 bat sie den Betriebsrat um Stellungnahme zu einer beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung wegen des Verdachts der Untreue und Unterschlagung. Mit Schreiben vom 11. September 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien „fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31. März 2010“.

9

Die Klägerin hat mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage geltend gemacht, ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSd. § 626 BGB liege nicht vor. Eine ordentliche Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. „Klüngelgeld-Kassen“ existierten in sämtlichen Bereichen des Einkaufsmarkts. Sie dienten dazu, Wechselgeld aufzubewahren, das Kunden partout nicht hätten mitnehmen wollen. Sie selbst habe Geld, das sie dieser Kasse entnommen habe, dafür verwendet - wie in vergleichbaren Fällen andere Kassenkräfte auch -, morgens einen Einkaufswagen auszulösen, um damit zugleich mehrere im Getränkemarkt benötigte Kasseneinsätze zu transportieren. Teilweise habe sie dafür zunächst ein eigenes Geldstück benutzt und dies später über die „Klüngelgeld-Kasse“ ausgeglichen. Teilweise sei Kleingeld aus dieser Kasse gegen Geld im Kasseneinsatz getauscht worden, um nicht noch kurz vor Kassenschluss eine neue Wechselgeldrolle öffnen zu müssen. Ihr Verhalten rechtfertige keine Kündigung. Die Zusammenschnitte der Videoaufnahmen, die ohnehin einem Beweisverwertungsverbot unterlägen, böten keinen tauglichen Beweis dafür, dass sie sich Geld aus der fraglichen Kasse rechtswidrig zugeeignet habe. Überdies sei die Betriebsratsanhörung fehlerhaft. Die Klägerin hat Lohnforderungen für die Zeit von September 2009 bis einschließlich Mai 2010 erhoben.

10

Sie hat - soweit noch von Interesse - beantragt

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 11. September 2009 nicht aufgelöst worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, sie bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 13.506,28 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus diversen Teilbeträgen seit unterschiedlichen Zeitpunkten zu zahlen;

4. die Beklagte zu verurteilen, ihr einen Warengutschein über 275,00 Euro auszustellen und auszuhändigen;

5. die Beklagte zu verurteilen, ihr ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgebracht, die Klägerin habe ihre Vertragspflichten schon durch das unerlaubte Führen einer „schwarzen Kasse“ erheblich verletzt. Darüber hinaus habe sie der fraglichen Kasse Geld in der offenkundigen Absicht entnommen, es für sich zu behalten. Zumindest sei sie einer solchen Tat dringend verdächtig. Die Klägerin habe sich - wie aus den Videoaufnahmen ersichtlich - vor jeder Geldentnahme vergewissert, dass ihr niemand zusehe. Dessen habe es bei redlichem Vorgehen nicht bedurft. Ihre Einlassung, sie habe Geldstücke für den Transport der Kasseneinsätze benötigt, stelle eine Schutzbehauptung dar. Für entsprechende Zwecke habe ein Einkaufswagen bereitgestanden, der nicht eigens habe ausgelöst werden müssen. Im Übrigen ergebe sich aus dem Videomaterial nicht, dass die Klägerin mitgeführte Geldstücke je in die „Klüngelgeld-Kasse“ zurückgelegt habe. Die Videoaufzeichnungen seien rechtlich verwertbar. Im Zeitpunkt der Beobachtung habe ein hinreichend eingegrenzter Verdacht dahingehend bestanden, dass Leergutdifferenzen durch Unregelmäßigkeiten im Kassenbereich des Getränkemarkts entstünden. Mildere Mittel zur Aufklärung des Verdachts hätten nicht zur Verfügung gestanden.

12

Das Arbeitsgericht hat die Videoaufzeichnungen zu Beweiszwecken in Augenschein genommen und die Klage - soweit noch von Interesse - in vollem Umfang abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat nach erneuter Beweisaufnahme auf die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung erkannt. Zudem hat es die Beklagte zur Zahlung von Vergütung nebst Zinsen für die Zeit bis zum 31. März 2010 und zur Aushändigung eines Warengutscheins verurteilt. Die weitergehende Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren hinsichtlich der ordentlichen Kündigung und davon abhängiger Ansprüche weiter. Mit ihrer Anschlussrevision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

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Die Anschlussrevision der Beklagten ist unbegründet. Die außerordentliche Kündigung vom 11. September 2009 ist unwirksam. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), soweit dieses die Berufung der Klägerin zurückgewiesen hat.

14

I. Die Anschlussrevision der Beklagten, soweit sie sich gegen die Entscheidung über das Feststellungsbegehren der Klägerin richtet, hat keinen Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung vom 11. September 2009 nicht aufgelöst worden.

15

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 13; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, BAGE 134, 349).

16

2. Als wichtiger Grund „an sich“ geeignet sind nicht nur erhebliche Pflichtverletzungen im Sinne von nachgewiesenen Taten. Auch der dringende, auf objektive Tatsachen gestützte Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (zu den Voraussetzungen vgl. nur BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 13 mwN).

17

3. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung oder eines dahingehenden dringenden Verdachts jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 14; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349). Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen der in Rede stehenden Pflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - aaO; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, aaO). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24). Ein gegenüber der fristlosen Kündigung in diesem Sinne milderes Mittel ist ua. die ordentliche Kündigung (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 35, aaO).

18

4. Danach ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass gegen die Klägerin ein dringender Verdacht bestand, sich mehrfach Geldstücke aus der „Klüngelgeld-Kasse“ rechtswidrig zugeeignet zu haben, und deshalb „an sich“ ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vorlag. Im Rahmen seiner Beurteilung, selbst dann sei es der Beklagten bei Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien nicht unzumutbar gewesen, die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten, hat das Landesarbeitsgericht alle für und gegen dieses Ergebnis sprechenden Aspekte berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen.

19

a) Das Landesarbeitsgericht hat der Klägerin zugutegehalten, dass sie durch eine beanstandungsfreie Tätigkeit über rund 18 Jahre hinweg als Verkäuferin und Kassiererin Loyalität zur Beklagten gezeigt habe. Dies hält sich - auch in Anbetracht der Abmahnung vom 14. August 2009 - im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum. Die Beklagte ist der Behauptung der Klägerin, sie habe am 11. Juli 2009 die Ablieferung des Wechselgeldes aufgrund hohen Arbeitsanfalls schlicht vergessen, nicht entgegengetreten. Bei dem gerügten Verhalten handelt es sich mithin um einen - unbewussten - Ordnungsverstoß, der die Annahme, die Klägerin habe sich bis zu den umstrittenen Geldentnahmen aus der „Klüngelgeld-Kasse“ als vertrauenswürdig erwiesen, nicht, schon gar nicht zwingend infrage zu stellen vermochte.

20

b) Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht zugunsten der Klägerin berücksichtigt, dass der Beklagten allenfalls ein geringfügiger Schaden entstanden sei. Hat der Arbeitnehmer die Integrität von Eigentum oder Vermögen seines Arbeitgebers vorsätzlich verletzt oder ist er einer solchen Tat dringend verdächtig, beeinträchtigt dies zwar die für die Durchführung der Vertragsbeziehung notwendige Vertrauensgrundlage grundsätzlich unabhängig vom Wert des betroffenen Gegenstands (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 27, BAGE 134, 349). Das schließt es aber nicht aus, bei der Gewichtung des Kündigungssachverhalts auf die Höhe eines eingetretenen Schadens Bedacht zu nehmen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO; 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 184). Die im Berufungsurteil getroffene Interessenabwägung ist - anders als die Beklagte meint - nicht deshalb zu beanstanden, weil sich in der fraglichen Kasse am 4. September 2009 Münzen im Wert von etwas mehr als zwölf Euro befanden. Unbeschadet der Frage, ob bei einem Vermögensnachteil in dieser Höhe eine „Geringfügigkeitsschwelle“ überschritten wäre, ist nicht festgestellt, dass die Klägerin im Verdacht stand, sich Geld in diesem Umfang rechtswidrig zugeeignet oder hierzu doch unmittelbar angesetzt zu haben. Im Übrigen handelte es sich bei dem Umgang mit „Klüngelgeld“ um einen Bereich am Rande der Kassentätigkeit, den die Beklagte ausweislich der im August 2009 erlassenen „Ablaufbeschreibung Kassenbüro“ offenbar selbst für nicht ausreichend geregelt hielt. Auch wenn dieser Gesichtspunkt nicht geeignet ist, das dem - unterstellten - Verdacht zugrundeliegende Verhalten zu rechtfertigen, durfte das Landesarbeitsgericht ihn zugunsten der Klägerin in seine Gesamtbetrachtung einbeziehen.

21

c) Das Landesarbeitsgericht hat die Heimlichkeit des dem Verdacht zugrundeliegenden - unterstellten - Verhaltens nicht außer Acht gelassen, wie die Beklagte gemeint hat. Es hat in ihr lediglich keinen Umstand gesehen, der im vorliegenden Fall die Weiterbeschäftigung der Klägerin für die Dauer der Kündigungsfrist ausgeschlossen hätte. Das hält sich ebenso im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum wie die Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtung der Klägerin gegenüber ihrem Kind.

22

II. Ob das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 11. September 2009 aufgelöst worden ist, steht noch nicht fest. Zwar geht das Landesarbeitsgericht zutreffend von einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats aus (1.). Es durfte aber nicht annehmen, die ordentliche Kündigung sei auch materiell-rechtlich als Verdachtskündigung rechtswirksam, weil sie zwar nicht den Voraussetzungen von § 626 Abs. 1 BGB, wohl aber denen des § 1 Abs. 2 KSchG genüge. Ist der Arbeitnehmer eines Verhaltens verdächtig, das, wäre es erwiesen, nicht auch eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB, sondern lediglich eine ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG zu rechtfertigen vermöchte, ist dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses - trotz des Verdachts - nicht unzumutbar(2.). Da das Landesarbeitsgericht die ordentliche Kündigung bereits als Verdachtskündigung für wirksam gehalten hat, hat es nicht geprüft, ob eine ordentliche Kündigung wegen erwiesener Pflichtwidrigkeiten berechtigt wäre. Dies wird es nachzuholen haben. Dabei darf es den Inhalt der Videoaufzeichnungen nicht berücksichtigen. Deren Verwertung ist prozessual unzulässig (3.).

23

1. Die Rüge der Klägerin, das Landesarbeitsgericht habe § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG fehlerhaft angewandt, ist unbegründet.

24

a) Für die Mitteilung der Kündigungsgründe iSd. § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“(BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 41; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 45; jeweils mwN). Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt er dann nicht nach, wenn er schon aus seiner eigenen Sicht dem Betriebsrat einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt darstellt (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 18; 7. November 2002 - 2 AZR 599/01 - zu B I 1 a der Gründe mwN).

25

b) Danach ist die Anhörung inhaltlich ordnungsgemäß erfolgt.

26

aa) Die Beklagte hat den Betriebsrat am 8. September 2009 schriftlich von ihrer Absicht unterrichtet, das Arbeitsverhältnis der Parteien wegen des „Verdachts einer Untreue und Unterschlagung“ hilfsweise auch ordentlich zu kündigen. Sie hat ihm dabei die Sozialdaten der Klägerin und die Dauer der einzuhaltenden Kündigungsfrist mitgeteilt. Außerdem hat sie den Anlass, den Zeitraum und das Ergebnis der Videoüberwachung dargestellt. Selbst wenn sich einzelne Angaben als unzutreffend herausgestellt haben sollten - etwa weil die für den 24. Juli 2009 mitgeteilte Geldentnahme tatsächlich nicht die Klägerin, sondern eine Kollegin betrifft und weder die „Speisung“ der Kasse noch die Geldentnahme vom 22. Juli 2009 in Zusammenhang mit der Entgegennahme von Leergut gestanden haben mögen - genügt die Anhörung den gesetzlichen Anforderungen. Es liegen keine Anhaltspunkte für eine bewusst unrichtige oder irreführende Unterrichtung des Betriebsrats vor. Beruhen die falschen Angaben auf einer Verwechslung von Daten oder fehlerhaften Deutung von Äußerungen der Klägerin im Anhörungsgespräch vom 4. September 2009, ist dies im Rahmen von § 102 Abs. 1 BetrVG unschädlich. Entscheidend ist, dass dem Betriebsrat der Kern des Kündigungsvorwurfs zutreffend mitgeteilt wurde. Maßgebend für den Kündigungsentschluss der Beklagten war, dass die Klägerin entgegen eindeutigen Vorgaben Geld, das entweder ihr - der Beklagten - oder ihren Kunden zustand, in einem Plastikbehälter neben der Kasse im Getränkemarkt aufbewahrte, und der damit in Zusammenhang stehende Verdacht, aus diesem Behälter gelegentlich Geld für eigene Zwecke entnommen zu haben. Darauf, ob die Klägerin dies zweimal oder dreimal tat, kam es der Beklagten nicht an. Gleiches gilt für die Frage, ob die Geldentnahme in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Bedienung eines Kunden stand.

27

bb) Die Beklagte brauchte den Betriebsrat nicht darüber zu unterrichten, dass die Überwachung mittels Videokamera - wie die Klägerin gemeint hat - unrechtmäßig war. Davon ging sie subjektiv nicht aus. Soweit die Klägerin nähere Angaben zur Interessenabwägung vermisst, ist dies ohne rechtlichen Belang. Die Anhörung zu ihrer Absicht, das Arbeitsverhältnis der Parteien zu kündigen, impliziert die von der Beklagten zu ihren - der Klägerin - Lasten getroffene Abwägung. Eine nähere Begründung war vor dem Hintergrund des Grundsatzes der subjektiven Determinierung nicht erforderlich. Die Klägerin übersieht, dass die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Rahmen von § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht so weit reicht wie seine Darlegungslast im Prozess(vgl. BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 45; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 19 mwN).

28

cc) Den Feststellungen im Berufungsurteil zufolge hat der Betriebsrat am 10. September 2009 erklärt, er habe die Kündigungsabsicht zur Kenntnis genommen. Das Landesarbeitsgericht hat darin fehlerfrei eine abschließende Stellungnahme erblickt, die es der Beklagten betriebsverfassungsrechtlich ermöglichte, die ordentliche Kündigung am 11. September 2009 zu erklären.

29

2. Dagegen trägt die Begründung, mit der das Landesarbeitsgericht die ordentliche Kündigung vom 11. September 2009 auch materiell-rechtlich für wirksam angesehen hat, seine Würdigung nicht.

30

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin komme zwar nicht als Verursacherin der Leergutdifferenzen in Betracht. Sie stehe aber im dringenden Verdacht, sich fremdes Geld aus der „Klüngelgeld-Kasse“ rechtswidrig zugeeignet zu haben. Am 16. Juli und am 22. Juli 2009 habe sie einzelne daraus entnommene Geldstücke in ihre Hosentasche gesteckt. Durch die in Augenschein genommenen Videosequenzen sei bewiesen, dass sie sich bei diesen Handlungen jeweils „versichernd“ in mehrere Richtungen umgesehen habe. Damit habe sie sicherstellen wollen, nicht beobachtet zu werden. Das heimliche Vorgehen spreche für eine Zueignungsabsicht. Zugleich widerlege es ihre Einlassung, die Geldstücke für das Auslösen eines Einkaufswagens benötigt zu haben. Erhärtet werde der Verdacht auf eine Zueignungsabsicht dadurch, dass die Klägerin am 23. Juli 2009 gegen 18:34 Uhr der fraglichen Kasse mehrere Geldstücke entnommen und gegen Geld aus der Scannerkasse „getauscht“ habe. Überdies sei die Höhe des am 3. September 2009 in dem fraglichen Behälter vorgefundenen Geldbetrags nicht mit dem nur gelegentlichen Auslösen eines Einkaufswagens zu erklären. Gestützt auf diese tatsächlichen Umstände ist das Landesarbeitsgericht zu der Auffassung gelangt, die Kündigung vom 11. September 2009 sei „durch Gründe, die im Verhalten der Klägerin liegen, bedingt“. Das Vertrauen der Beklagten in die Zuverlässigkeit der Klägerin sei „durch die erwiesenen Verdachtsmomente“ irreparabel erschüttert. Die ordentliche Kündigung sei deshalb als gegenüber der außerordentlichen Kündigung milderes Mittel sozial gerechtfertigt.

31

b) Diese Würdigung ist rechtsfehlerhaft. Das Landesarbeitsgericht hat die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 11. September 2009 erkennbar als die einer Verdachtskündigung bejaht. Als solche genügt sie den gesetzlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen nicht. Zwar kann eine Verdachtskündigung vom Arbeitgeber auch als ordentliche Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist erklärt werden und muss nicht notwendig eine außerordentliche Kündigung sein. Sie unterliegt in diesem Fall jedoch keinen geringeren materiell-rechtlichen Anforderungen.

32

aa) Eine Verdachtskündigung ist auch als ordentliche Kündigung sozial nur gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten (vgl. BAG 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 22; Krause in vHH/L 15. Aufl. § 1 Rn. 470; Löwisch in Löwisch/Spinner/Wertheimer KSchG 10. Aufl. § 1 Rn. 276). Dies gilt zum einen für die Anforderungen an die Dringlichkeit des Verdachts als solchen. In dieser Hinsicht bestehen keine Unterschiede zwischen außerordentlicher und ordentlicher Kündigung. Für beide Kündigungsarten muss der Verdacht gleichermaßen erdrückend sein (vorausgesetzt in BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 42; Bader/Bram-Bram KSchG § 1 Rn. 251). Dies gilt zum anderen für die inhaltliche Bewertung des fraglichen Verhaltens und die Interessenabwägung. Auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 KSchG müssen sie zu dem Ergebnis führen, dass das Verhalten, dessen der Arbeitnehmer verdächtig ist, - wäre es erwiesen - sogar eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen würde. Nur unter dieser Voraussetzung ist die Kündigung schon durch den bloßen Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens iSv. § 1 Abs. 2 KSchG „bedingt“.

33

bb) Angesichts der jeweils aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG folgenden, gegensätzlichen Grundrechtspositionen der Arbeitsvertragsparteien bedarf das Rechtsinstitut der Verdachtskündigung der besonderen verfassungsrechtlichen Legitimation. Sie beruht auf der Erwägung, dass dem Arbeitgeber von der Rechtsordnung die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses unter dem dringenden Verdacht auf ein Verhalten des Arbeitnehmers, das ihn zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen würde, nicht zugemutet werden kann. Besteht dagegen der Verdacht auf das Vorliegen eines solchen Grundes nicht, weil selbst erwiesenes Fehlverhalten des Arbeitnehmers die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigen könnte, überwiegt bei der Güterabwägung im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers. In einem solchen Fall nimmt die Rechtsordnung das Risiko, einen „Unschuldigen“ zu treffen, nicht in Kauf.

34

cc) Ist der Arbeitnehmer eines Verhaltens verdächtig, dass selbst als erwiesenes nur eine ordentliche Kündigung zu stützen vermöchte, ist dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses deshalb trotz des entsprechenden Verdachts zuzumuten. Weder liegt ein Grund im Verhalten des Arbeitnehmers, noch liegt ein Grund in der Person des Arbeitnehmers vor, der die Kündigung „bedingen“ könnte. Ein pflichtwidriges Verhalten ist - wie stets bei der Verdachtskündigung - nicht erwiesen und der bloße Verdacht auf ein lediglich die ordentliche Kündigung rechtfertigendes Verhalten führt nicht zu einem Eignungsmangel.

35

c) Das Landesarbeitsgericht hat im Rahmen der Interessenabwägung nach § 626 Abs. 1 BGB angenommen, dass das Verhalten, dessen die Klägerin verdächtig ist, eine außerordentliche Kündigung nicht zu stützen vermöchte. Diese Würdigung hält, wie dargelegt, der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Damit steht zugleich fest, dass eine Verdachtskündigung auch als ordentliche Kündigung nicht in Betracht kommt.

36

3. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Dem Senat ist eine abschließende Entscheidung nicht möglich. Das angefochtene Urteil stellt sich nicht deshalb als im Ergebnis richtig dar, weil die ordentliche Kündigung vom 11. September 2009 zwar nicht als Verdachts-, aber doch als sog. Tatkündigung wirksam wäre. Als solche ist sie nicht schon auf der Grundlage des eigenen Vortrags der Klägerin sozial gerechtfertigt. Um dies auf der Grundlage des Vorbringens der Beklagten beurteilen zu können, fehlt es an Feststellungen und deren Würdigung durch das Landesarbeitsgericht. Diese sind nicht deshalb entbehrlich, weil sich die Beklagte auf eine erwiesene Pflichtverletzung als Kündigungsgrund prozessual nicht berufen hat und der Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung unter diesem Aspekt überdies § 102 Abs. 1 BetrVG entgegenstünde.

37

a) Das Vorbringen der Klägerin selbst trägt die Kündigung nicht. Die Klägerin hat sich für die Existenz der „Klüngelgeld-Kasse“ auf eine in verschiedenen Abteilungen des Betriebs geübte Praxis und überdies darauf berufen, diese sei der Beklagten - zumindest rudimentär - bekannt gewesen. Trifft dies zu, liegt in dem Vorhalten der fraglichen Kasse für sich genommen kein Verhalten, das die Kündigung ohne vorausgehende Abmahnung rechtfertigen könnte. Dass die Klägerin, wie sie einräumt, dieser Kasse gelegentlich einzelne Geldstücke entnommen und außerdem darin enthaltene Münzen gegen im Kasseneinsatz befindliche Geldstücke gewechselt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dass sie Geldstücke an sich genommen habe, um sich diese rechtswidrig zuzueignen, hat die Klägerin stets in Abrede gestellt.

38

b) Auf der Grundlage des Vorbringens der Beklagten ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif. Auch wenn die Beklagte neben dem Führen der „Klüngelgeld-Kasse“ als solchem nur den Verdacht auf die rechtswidrige Zueignung von Geldstücken als Kündigungsgrund in den Prozess eingeführt hat, ist das Landesarbeitsgericht nicht gehindert, aufgrund der objektiven Verdachtsumstände ggf. zu der Überzeugung zu gelangen, der Verdacht habe sich in der Weise bestätigt, dass die fragliche Pflichtwidrigkeit nachgewiesen sei.

39

aa) Das Landesarbeitsgericht würde auf diese Weise nicht etwa Vortrag berücksichtigen, den die Beklagte nicht gehalten hätte. Der Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens stellt zwar gegenüber dem Tatvorwurf einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (st. Rspr., BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 55 mwN, BAGE 131, 155). Beide Gründe stehen jedoch nicht beziehungslos nebeneinander. Wird die Kündigung mit dem Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens begründet, steht indessen zur Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit tatsächlich fest, lässt dies die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung unberührt. Maßgebend ist allein der objektive Sachverhalt, wie er sich dem Gericht nach Parteivorbringen und ggf. Beweisaufnahme darstellt. Ergibt sich daraus nach tatrichterlicher Würdigung das Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit, ist das Gericht nicht gehindert, dies seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber sich während des Prozesses darauf berufen hat, er stütze die Kündigung auch auf die erwiesene Tat (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 26, BAGE 137, 54; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, BAGE 134, 349).

40

bb) Das Landesarbeitsgericht hat sich insoweit ersichtlich weder eine positive noch eine negative Überzeugung gebildet, weil es schon den Verdacht auf eine Zueignungsabsicht der Klägerin als Grund für die ordentliche Kündigung hat ausreichen lassen. Die Beklagte darf nach Aufhebung des für sie günstigen Berufungsurteils nicht um die prozessuale Chance gebracht werden, dass das Landesarbeitsgericht auf der Basis der Rechtsauffassung des Senats die mögliche Erwiesenheit einer Pflichtwidrigkeit der Klägerin geprüft und dabei eine für sie - die Beklagte - günstige Überzeugung gewonnen hätte.

41

c) Der Umstand, dass der Betriebsrat von der Beklagten nur zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung gehört wurde, steht einer Wirksamkeit der Kündigung wegen eines nachgewiesenen Pflichtenverstoßes nicht notwendig entgegen. Die gerichtliche Berücksichtigung des fraglichen Geschehens als erwiesene Tat setzt allerdings voraus, dass dem Betriebsrat am 8. September 2009 sämtliche Umstände mitgeteilt worden sind, welche nicht nur den Tatverdacht, sondern zur - möglichen - Überzeugung des Landesarbeitsgerichts auch den Tatvorwurf begründen (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 24, BAGE 134, 349; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 59 mwN, BAGE 131, 155). In diesem Fall wäre dem Normzweck des § 102 BetrVG auch durch eine Anhörung nur zur Verdachtskündigung genüge getan. Dem Betriebsrat würde dadurch nichts vorenthalten. Die Mitteilung des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer solle schon und allein wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung gekündigt werden, gibt dem Betriebsrat sogar weit stärkeren Anlass für ein umfassendes Tätigwerden als eine Anhörung wegen einer als erwiesen behaupteten Tat (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 24, aaO; 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - zu II 1 c cc der Gründe; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 217).

42

d) Bei der Prüfung, ob die ordentliche Kündigung vom 11. September 2009 wegen erwiesener Pflichtwidrigkeiten der Klägerin sozial gerechtfertigt ist, darf das Landesarbeitsgericht seine Überzeugung nicht auf den Inhalt der in Augenschein genommenen Videoaufzeichnungen stützen. Deren Verwertung ist prozessual unzulässig. Ob dies unmittelbar aus § 6b BDSG oder doch § 32 BDSG folgt, kann im Ergebnis offen bleiben. Ein Verwertungsverbot ergibt sich in jedem Fall aus einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG, die nicht durch überwiegende Beweisinteressen der Beklagten gerechtfertigt ist.

43

aa) Allerdings kennt die Zivilprozessordnung selbst für rechtswidrig erlangte Informationen oder Beweismittel kein - ausdrückliches - prozessuales Verwendungs- bzw. Beweisverwertungsverbot. Aus § 286 ZPO iVm. Art. 103 Abs. 1 GG folgt vielmehr die grundsätzliche Verpflichtung der Gerichte, den von den Parteien vorgetragenen Sachverhalt und die von ihnen angebotenen Beweise zu berücksichtigen(BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96 ua. - Rn. 60, BVerfGE 106, 28; BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 30 mwN). Dementsprechend bedarf es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots, das zugleich die Erhebung der angebotenen Beweise hindert, einer besonderen Legitimation und gesetzlichen Grundlage (vgl. BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 37; Musielak/Foerste ZPO 10. Aufl. § 284 Rn. 23; MüKoZPO/Prütting 4. Aufl. § 284 Rn. 64).

44

bb) Im gerichtlichen Verfahren tritt der Richter den Verfahrensbeteiligten in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Er ist daher nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet(BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - Rn. 93 mwN, BVerfGE 117, 202). Dabei können sich auch aus materiellen Grundrechten wie Art. 2 Abs. 1 GG Anforderungen an das gerichtliche Verfahren ergeben, wenn es um die Offenbarung und Verwertung von persönlichen Daten geht, die grundrechtlich vor der Kenntnis durch Dritte geschützt sind. Das Gericht hat deshalb zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - aaO; BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 21). Dieses Recht schützt nicht allein die Privat- und Intimsphäre, sondern schützt in seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch die Befugnis eines Menschen, selbst darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen (BAG 26. August 2008 - 1 ABR 16/07 - Rn. 15, BAGE 127, 276). Auch wenn keine spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist, greift die Verwertung von personenbezogenen Daten in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BVerfG 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 ua. - BVerfGE 120, 378). Der Achtung dieses Rechts dient zudem Art. 8 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten(EMRK) (BGH 15. Mai 2013 - XII ZB 107/08 - Rn. 14).

45

cc) Die Bestimmungen des BDSG über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild. Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe in diese Rechtspositionen zulässig sind (für das DSG NRW vgl. BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 16). Dies stellt § 1 BDSG ausdrücklich klar. Liegt keine Einwilligung des Betroffenen vor, ist die Datenverarbeitung nach dem Gesamtkonzept des BDSG nur zulässig, wenn eine verfassungsgemäße Rechtsvorschrift sie erlaubt. Fehlt es an der erforderlichen Ermächtigungsgrundlage oder liegen deren Voraussetzungen nicht vor, ist die Erhebung, Verarbeitung und/oder Nutzung personenbezogener Daten verboten. Dieser Grundsatz des § 4 Abs. 1 BDSG prägt das deutsche Datenschutzrecht(Gola/Schomerus BDSG 11. Aufl. § 4 Rn. 3; ErfK/Franzen 13. Aufl. § 4 BDSG Rn. 1; Simitis/Sokol BDSG 7. Aufl. § 4 Rn. 1).

46

(1) In diesem Sinne regelt § 6b BDSG die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen. Die Bestimmung gilt ua. für Videoaufzeichnungen in öffentlich zugänglichen Verkaufsräumen (BT-Drucks. 14/4329, S. 38). Unerheblich ist, ob das Ziel der Beobachtung die Allgemeinheit ist oder die dort beschäftigten Arbeitnehmer sind (vgl. BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 36). Nach § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG ist die Überwachung nur zulässig, wenn und soweit sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

47

(2) Gemäß dem zum 1. September 2009 in Kraft getretenen § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach dessen Begründung für seine Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Nach Abs. 1 Satz 2 der Regelung dürfen zur Aufdeckung von Straftaten personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zu deren Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten am Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.

48

dd) Im Streitfall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kassen des Getränkemarkts vom übrigen Verkaufsraum abgegrenzt waren und die verdeckte Videoüberwachung deshalb keinen „öffentlichen Raum“ iSd. § 6b BDSG betraf(zur Problematik Simitis/Scholz BDSG 7. Aufl. § 6b Rn. 51; Bayreuther NZA 2005, 1038). Im Ergebnis kommt es darauf nicht an. Ebenso kann offen bleiben, ob § 32 BDSG auf Überwachungen Anwendung findet, die vor seinem Inkrafttreten bereits beendet waren, und wie der Anwendungsbereich dieser Vorschrift zu dem des § 6b BDSG abzugrenzen ist(dazu ErfK/Franzen 13. Aufl. § 6b BDSG Rn. 2; Simitis/Scholz aaO; Bayreuther DB 2012, 2222). Schließlich kann dahinstehen, ob Videoaufzeichnungen, die nicht von den Erlaubnistatbeständen des BDSG gedeckt sind, ohne Weiteres einem prozessualen Beweisverwertungsverbot unterliegen oder ob es für ein solches Verbot einer weitergehenden Abwägung der betroffenen Grundrechte bedarf, in die freilich die im Bundesdatenschutzgesetz getroffene Interessenabwägung einzubeziehen wäre (dazu Bayreuther DB 2012, 2222, 2225; Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 349; Lunk NZA 2009, 457; Thüsing Anm. zu BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 13). Die Verwertung des verdeckt gewonnenen Videomaterials allein für den Beweis der Richtigkeit der Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe sich bei der - als solcher unstreitigen - Entnahme von „Klüngelgeld“ „versichernd umgeschaut“, ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zulässig.

49

(1) Greift die prozessuale Verwertung eines Beweismittels in das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Prozesspartei ein, überwiegt das Interesse an der Verwertung der Videoaufnahmen und der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege das Interesse am Schutz dieses Grundrechts nur dann, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten. Das Interesse, sich ein Beweismittel zu sichern, reicht für sich allein nicht aus (BVerfG 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - BVerfGE 117, 202). Vielmehr muss sich gerade diese Art der Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als gerechtfertigt erweisen (BVerfG 9. Oktober 2002 - 1 BvR 1611/96, 1 BvR 805/98 - zu C II 4 a der Gründe, BVerfGE 106, 28; BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 29; 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 36 mwN).

50

(2) Dementsprechend sind Eingriffe in das Recht des Arbeitnehmers am eigenen Bild durch heimliche Videoüberwachung und die Verwertung entsprechender Aufzeichnungen dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung damit das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist (grundlegend BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b cc der Gründe, BAGE 105, 356; 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 30 - beide Male vor Inkrafttreten des § 32 BDSG ). Der Verdacht muss sich in Bezug auf eine konkrete strafbare Handlung oder andere schwere Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richten. Er darf sich einerseits nicht auf die allgemeine Mutmaßung beschränken, es könnten Straftaten begangen werden. Er muss sich andererseits nicht notwendig nur gegen einen einzelnen, bestimmten Arbeitnehmer richten. Auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer weiteren Einschränkung des Kreises der Verdächtigen müssen weniger einschneidende Mittel als eine verdeckte Videoüberwachung zuvor ausgeschöpft worden sein (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - aaO; 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - zu B I 3 b dd (1) der Gründe, aaO).

51

(3) Das in § 6b Abs. 2 BDSG normierte Kennzeichnungsgebot steht einer Verwertung von Daten, die aus einer verdeckten Videoüberwachung gewonnen wurden, nicht zwingend entgegen(BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 41; Bauer/Schansker NJW 2012, 3537; Thüsing Anm. zu BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 13; wohl auch Bayreuther DB 2012, 2222 ff.). Das gegenteilige Normverständnis, das zu einem absoluten, nur durch bereichsspezifische Spezialregelungen (etwa durch § 100c, § 100h StPO)eingeschränkten Verbot verdeckter Videoaufzeichnungen in öffentlich zugänglichen Räumen führte, begegnete mit Blick auf die durch Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Integritätsinteressen des Arbeitgebers verfassungsrechtlichen Bedenken.

52

(4) Die Regelung des § 32 BDSG baut auf den von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Grundsätzen auf. Nach der Gesetzesbegründung sollte sie diese nicht ändern, sondern lediglich zusammenfassen (vgl. BT-Drucks. 16/13657, S. 21). Dementsprechend setzt § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG voraus, dass die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten zur Aufdeckung einer Straftat erforderlich ist, und verlangt insoweit eine am Verhältnismäßigkeitsprinzip orientierte, die Interessen des Arbeitgebers und des Beschäftigten abwägende Einzelfallentscheidung. Diese muss zumindest den schon bisher geltenden Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer heimlichen Videoüberwachung entsprechen (Thüsing Anm. zu BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 13; Wybitul BB 2010, 2235).

53

(5) Es kann dahinstehen, ob § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG weitergehend verlangt, dass sich der Verdacht auf ein strafbares Verhalten richtet und deshalb auch der Verdacht auf schwere Pflichtverletzungen, ohne dass zugleich ihre Strafbarkeit feststünde, die Beobachtung nicht rechtfertigen könnte. Ebenso kann offenbleiben, ob die Regelung zusätzliche Anforderungen an die personelle Konkretisierung des Verdachts sowie dessen Dokumentation stellt (zweifelnd Bauer/Schansker NJW 2012, 3537, 3539; Thüsing Anm. zu BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 13). Hier fehlt es schon an der Erfüllung der bisher geltenden Anforderungen an die Zulässigkeit einer verdeckten Videoüberwachung und der Verwertung des daraus gewonnenen Materials. Damit liegt auch ein gesetzlicher Erlaubnistatbestand nicht vor.

54

(a) Die im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme, für die verdeckte Beobachtung des Kassenbereichs habe ein hinreichender Anlass bestanden. Zwar ist - mangels zulässiger Verfahrensrügen der Revision - davon auszugehen, dass im ersten Halbjahr 2009 im Getränkemarkt Leergutdifferenzen iHv. insgesamt 7.081,63 Euro zu verzeichnen waren. Es ist weder dargetan noch festgestellt, durch welche konkreten Maßnahmen die Beklagte ausgeschlossen haben will, dass Leergut nicht etwa aus dem Lager entwendet worden ist. Ihr Vorbringen, sie habe „keine Fehlbestände an Leergut im Lager und im Kassenbereich festgestellt“ bleibt im Allgemeinen haften. Es lässt nicht erkennen, dass sie stichprobenartige Kontrollen ausreichend oft durchgeführt hätte. Überdies macht ihr Vortrag nicht deutlich, ob vergleichbare Fehlbestände schon früher aufgetreten, ob diese ggf. als „auflaufender Posten“ in die Berechnungen des Jahres 2009 eingeflossen sind und wie Fehlbuchungen als mögliche Ursache ausgeschlossen wurden. Selbst wenn die Beklagte die Ursache der Leergutdifferenzen berechtigterweise im Kassenbereich hätte vermuten dürfen, fehlt es an Vortrag und Feststellungen dazu, weshalb die Videoüberwachung das praktisch einzig verbliebene Mittel gewesen sein soll, die Unregelmäßigkeiten aufzuklären oder doch den Verdacht in personeller Hinsicht weiter einzugrenzen. So ist nicht erkennbar, weshalb nicht stichprobenartige Überprüfungen der Menge des an der - einzigen - Leergutkasse abgegebenen Pfandguts und der jeweiligen Kassenabschlüsse zusammen mit Kontrollen der Mitarbeiter beim Verlassen des Arbeitsplatzes geeignete Maßnahmen hätten sein können.

55

(b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts berücksichtigt im Übrigen nicht ausreichend, dass der fragliche Kündigungssachverhalt der Beklagten nur „zufällig“ bekannt geworden ist. Auf seine Entdeckung war die heimliche Videoüberwachung nicht gerichtet.

56

(aa) Zwar mögen solche „Zufallsfunde“ - unbeschadet der Regelung in § 6b Abs. 3 BDSG - nicht in jedem Fall deshalb unverwertbar sein, weil sie außerhalb des Beobachtungszwecks liegen(vgl. Grimm/Schiefer RdA 2009, 329, 340; aA wohl Bergwitz NZA 2012, 353, 358). Auch bezogen auf „Zufallserkenntnisse“ muss aber das Beweisinteresse des Arbeitgebers höher zu gewichten sein als das Interesse des Arbeitnehmers an der Achtung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Das ist nur anzunehmen, wenn das mittels Videodokumentation zu beweisende Verhalten eine wenn nicht strafbare, so doch schwerwiegende Pflichtverletzung zum Gegenstand hat und die verdeckte Videoüberwachung nicht selbst dann noch unverhältnismäßig ist. Erreicht das in Rede stehende Verhalten diesen Erheblichkeitsgrad nicht, muss die Verwertung des Videomaterials unterbleiben.

57

(bb) So liegt es hier. Zwischen den Parteien ist die Existenz der „Klüngelgeld-Kasse“ ebenso unstreitig wie der Umstand, dass die Klägerin daraus gelegentlich kleinere Geldstücke entnommen hat. Die Beweisaufnahme durch Augenschein sollte allein dem Nachweis dienen, dass sich die Klägerin bei der Geldentnahme „versichernd umgesehen“ hat und deshalb vermutlich Zueignungsabsicht besaß. Das rechtfertigt keine Verwertung der heimlichen Videoaufzeichnungen. Zum einen hat die Beklagte nicht dargelegt, dass die Verwertung erforderlich war, um die Einlassung der Klägerin zum Fehlen ihrer Zueignungsabsicht zu widerlegen. Zum anderen ist die heimliche Videoüberwachung zum Nachweis der Absicht, sich einige Münzen im Wert von Centbeträgen zuzueignen, schlechthin unverhältnismäßig.

58

(cc) Es erscheint nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass das Landesarbeitsgericht im Rahmen einer nochmaligen Beweiswürdigung auch ohne Berücksichtigung des Inhalts der Videoaufzeichnungen zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin habe das fragliche Geld aus der „Klüngelgeld-Kasse“ entnommen, um es für sich zu behalten. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang unter Antritt von Zeugenbeweis vorgetragen, für das Auslösen eines Einkaufswagens mit Hilfe von „Klüngelgeld“ habe keinerlei dienstliches Bedürfnis bestanden. Zum Zweck des Transports der Kasseneinsätze sei stets ein frei zugänglicher Wagen bereitgestellt worden.

59

III. Der Aufhebung und Zurückverweisung unterliegt die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auch hinsichtlich der Zahlungsansprüche, die von der Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung abhängen. Wegen der der Klägerin für die Zeit bis zum 31. März 2010 zugesprochenen Vergütungsansprüche hat die Entscheidung dagegen Bestand. Die gegen sie gerichtete Anschlussrevision der Beklagten bleibt auch insoweit ohne Erfolg.

60

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat zumindest bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortbestanden. Der für diese Zeit geltend gemachte Vergütungsanspruch folgt aus § 615 Satz 1 BGB, § 13 Abs. 1 Satz 5 KSchG iVm. § 11 Nr. 3 KSchG. Er ist der Höhe nach ebenso unstreitig wie die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung des begehrten Warengutscheins.

61

2. Der entsprechende Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 BGB iVm. § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 291 BGB. Sowohl der betreffende Antrag der Klägerin als auch der Tenor des Berufungsurteils sind dahin auszulegen, dass - im Hinblick auf den gesetzlichen Anspruchsübergang - Zinsen nur aus den jeweiligen Bruttobeträgen abzüglich des für den jeweiligen Monat in Anrechnung gebrachten Arbeitslosengelds verlangt bzw. geschuldet sind.

62

IV. Die Zurückverweisung erfasst ferner die Anträge auf vorläufige Weiterbeschäftigung und auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Beide Anträge verfolgt die Klägerin nur für den Fall des Obsiegens mit ihrem Feststellungsbegehren.

        

    Kreft    

        

    Rinck    

        

    Berger    

        

        

        

    B. Schipp    

        

    Söller    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. Oktober 2009 - 11 Sa 511/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 5. Februar 2009 - 1 Ca 1247/08 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte ist ein Unternehmen des Möbeleinzelhandels mit mehreren hundert Arbeitnehmern. Die Belegschaft hat einen Betriebsrat gewählt.

3

Der im Jahr 1950 geborene Kläger war seit dem 1. Juli 1976, zuletzt als Einkäufer und Produktmanager bei der Beklagten beschäftigt. Sein monatliches Bruttoeinkommen betrug 6.558,10 Euro.

4

Am 18. Oktober 2007 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung. Sie warf ihm vor, eine Mitarbeiterin mit einem Schlag auf das Gesäß belästigt zu haben.

5

Am 25. und 26. Juni 2008 war der Kläger in einem Betrieb der Beklagten in K eingesetzt. Gegenüber einer 26-jährigen Einkaufsassistentin der Beklagten machte er an diesen Tagen bei vier Gelegenheiten Bemerkungen sexuellen Inhalts. Die Mitarbeiterin meldete die Vorfälle der Beklagten. Diese hörte den Kläger am 4. Juli 2008 zu den Vorwürfen an.

6

Mit Schreiben vom 7. Juli 2008 leitete die Beklagte das Verfahren zur Anhörung des Betriebsrats ein. Der Betriebsrat stimmte der beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung mit Schreiben vom 10. Juli 2008 zu.

7

Mit Schreiben vom 11. Juli 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 28. Februar 2009.

8

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei rechtsunwirksam. Er habe die Mitarbeiterin nicht sexuell belästigt, sondern lediglich „geneckt“. Die Beklagte habe allenfalls mit einer Abmahnung reagieren dürfen. Die ihm zuvor erteilte Abmahnung sei nicht einschlägig. Im Übrigen sei die Anhörung des Betriebsrats nicht ordnungsgemäß erfolgt. Die Beklagte habe den Betriebsrat tendenziös informiert. Insbesondere mit einem Hinweis auf frühere Abmahnungen habe sie in unzulässiger Weise ein negatives Bild von ihm gezeichnet, auch wenn sie zugleich mitgeteilt habe, dass diese früheren Abmahnungen - unstreitig - schon wieder aus seiner Personalakte entfernt worden seien.

9

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose noch durch die fristgerechte Kündigung vom 11. Juli 2008 beendet worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, das Verhalten des Klägers stelle eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG dar. Darauf habe sie mit Blick auf die zuvor erteilte einschlägige Abmahnung von Oktober 2007 mit einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses reagieren dürfen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO)und zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, es fehle an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung (I.). Die Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Dies kann der Senat selbst entscheiden, da die maßgeblichen Tatsachen feststehen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Beklagte hat die außerordentliche Kündigung innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erklärt(II.). Die Kündigung ist nicht mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam (III.). Die Klage gegen die nur hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung bleibt damit ebenfalls ohne Erfolg (IV.).

13

I. Die Kündigung vom 11. Juli 2008 beruht auf einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB.

14

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21, AP BGB § 626 Nr. 220).

15

2. Das Verhalten des Klägers rechtfertigt „an sich“ eine außerordentliche Kündigung. Er hat eine Mitarbeiterin sexuell belästigt.

16

a) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet(vgl. BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - zu B I 2 a der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 189 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 6). Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, ua. von ihrem Umfang und ihrer Intensität (vgl. BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - aaO mwN).

17

b) Der Kläger hat mit den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Äußerungen am 25. und 26. Juni 2008 eine Mitarbeiterin der Beklagten an ihrem Arbeitsplatz wiederholt sexuell belästigt. Gegen die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger keine beachtlichen Verfahrensrügen erhoben. Sie sind damit für den Senat bindend (§ 559 Abs. 2 ZPO). Die Bewertung des Landesarbeitsgerichts, bei den Bemerkungen des Klägers habe es sich um sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG gehandelt, lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

18

aa) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können danach auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen(Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 60; Kamanabrou RdA 2006, 321, 326; Kock MDR 2006, 1088, 1089; v. Roetteken AGG § 3 Rn. 375; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 77).

19

Das jeweilige Verhalten muss bewirken oder bezwecken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Relevant ist entweder das Ergebnis oder die Absicht (Nollert-Borasio/Perreng AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 39). Für das „Bewirken“ genügt der bloße Eintritt der Belästigung. Gegenteilige Absichten oder Vorstellungen der für dieses Ergebnis aufgrund ihres Verhaltens objektiv verantwortlichen Person spielen keine Rolle (v. Roetteken AGG § 3 Rn. 352, 383). Auf vorsätzliches Verhalten kommt es nicht an (ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 3 AGG Rn. 14). Im Vergleich zu § 2 Abs. 2 des mit Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 außer Kraft getretenen Beschäftigtenschutzgesetzes (BSchG) ist der Begriff der sexuellen Belästigung in § 3 Abs. 4 AGG in Umsetzung von Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 76/207/EWG vom 9. Februar 1976 (ABl. EG L 39 vom 14. Februar 1976 S. 40) idF der Richtlinie 2002/73/EG vom 23. September 2002 (ABl. EG L 269 vom 5. Oktober 2002 S. 15) weiter gefasst (vgl. Entwurfsbegründung BR-Drucks. 329/06 S. 34; BT-Drucks. 16/1780 S. 33; Nollert-Borasio/Perreng aaO Rn. 36; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 76; v. Roetteken aaO Rn. 375). Das Tatbestandsmerkmal der Unerwünschtheit erfordert - anders als noch § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BSchG(vgl. BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - AP BGB § 626 Nr. 189 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 6) - nicht mehr, dass die Betroffenen ihre ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlicht haben (v. Roetteken aaO Rn. 360; ErfK/Schlachter aaO Rn. 12; AGG/Schleusener 3. Aufl. § 3 Rn. 157; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert aaO Rn. 77a). Maßgeblich ist allein, ob die Unerwünschtheit der Verhaltensweise objektiv erkennbar war (v. Roetteken aaO Rn. 360; ErfK/Schlachter aaO; Wendeling-Schröder in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 3 Rn. 41).

20

bb) Danach lässt die Bewertung der Bemerkungen des Klägers als sexuelle Belästigungen durch das Landesarbeitsgericht keinen Rechtsfehler erkennen.

21

(1) Alle vier Bemerkungen hatten einen sexuellen Inhalt. Mit der ersten Bemerkung gab der Kläger in anzüglicher Weise der Erwartung Ausdruck, die Mitarbeiterin würde für ihn ihre körperlichen Reize zur Schau stellen. In Bezug auf den Zollstock stellte er einen anzüglichen Vergleich an. Beim Mittagessen sprach er die Mitarbeiterin auf ihr Sexualleben an. Schließlich machte er ihr explizit ein anzügliches Angebot.

22

(2) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Unerwünschtheit dieser Bemerkungen objektiv und im Übrigen auch für den Kläger erkennbar gewesen sei. Das hat dieser nicht mit beachtlichen Verfahrensrügen angegriffen.

23

(3) Mit den wiederholten Bemerkungen sexuellen Inhalts hat der Kläger iSv. § 3 Abs. 4 AGG die Würde der Mitarbeiterin verletzt. Er hat diese an zwei aufeinander folgenden Arbeitstagen gleich mehrfach mit anzüglichen Bemerkungen verbal sexuell belästigt und damit zum Sexualobjekt erniedrigt. Dadurch entstand für die betroffene Mitarbeiterin zudem ein Arbeitsumfeld, in welchem sie jederzeit mit weiteren entwürdigenden Anzüglichkeiten seitens des Klägers rechnen musste.

24

(4) Der Kläger hat die sexuelle Belästigung der Mitarbeiterin iSv. § 3 Abs. 4 AGG „bewirkt“. Unmaßgeblich ist, wie er selbst sein Verhalten eingeschätzt und empfunden hat oder verstanden wissen wollte.

25

3. Die außerordentliche Kündigung ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt.

26

a) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32).

27

aa) Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26, AP BGB § 626 Nr. 227 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 30). Auch Unterhaltspflichten und der Familienstand können - je nach Lage des Falls - Bedeutung gewinnen. Sie sind jedenfalls bei der Interessenabwägung nicht generell ausgeschlossen und können berücksichtigt werden (BAG 16. Dezember 2004 - 2 ABR 7/04 - zu B II 3 b aa der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 191 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 7). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO).

28

bb) Den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz konkretisiert auch § 12 Abs. 3 AGG(vgl. BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - Rn. 68, BAGE 124, 295; noch zu § 4 Abs. 1 BSchG: BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - zu B II 2 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 189 = BGB 2002 § 626 Nr. 6). Danach hat der Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, zu denen auch sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG gehören, im Einzelfall die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen. Welche Maßnahmen er als verhältnismäßig ansehen darf, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. § 12 Abs. 3 AGG schränkt das Auswahlermessen jedoch insoweit ein, als der Arbeitgeber die Benachteiligung zu „unterbinden“ hat. Geeignet im Sinne der Verhältnismäßigkeit sind daher nur solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, dh. eine Wiederholung ausschließen (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 12 Rn. 32; ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 12 AGG Rn. 3).

29

b) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist aber möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 33, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 87 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 73). Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz daraufhin überprüft, ob es den anzuwendenden Rechtsbegriff in seiner allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, aaO; 27. November 2008 - 2 AZR 193/07 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 219).

30

c) Auch unter Beachtung eines in diesem Sinne eingeschränkten Maßstabs hält die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene einzelfallbezogene Interessenabwägung einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, trotz der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 rechtfertige das Fehlverhalten des Klägers keine negative Prognose, ist rechtsfehlerhaft.

31

aa) Die anzustellende Prognose fällt negativ aus, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden muss, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag in Zukunft erneut und in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Ist der Arbeitnehmer wegen gleichartiger Pflichtverletzungen schon einmal abgemahnt worden und verletzt er seine vertraglichen Pflichten gleichwohl erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch weiterhin zu Vertragsstörungen kommen ( BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 64 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 82). Dabei ist nicht erforderlich, dass es sich um identische Pflichtverletzungen handelt (vgl. BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 40, aaO). Es reicht aus, dass die jeweiligen Pflichtwidrigkeiten aus demselben Bereich stammen und somit Abmahnungs- und Kündigungsgründe in einem inneren Zusammenhang stehen (BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 41, aaO; 16. Januar 1992 - 2 AZR 412/91 - zu B I 2 b bb der Gründe, EzA BGB § 123 Nr. 36). Entscheidend ist letztlich, ob der Arbeitnehmer aufgrund der Abmahnung erkennen konnte, der Arbeitgeber werde weiteres Fehlverhalten nicht hinnehmen, sondern ggf. mit einer Kündigung reagieren (HaKo-Fiebig 3. Aufl. § 1 Rn. 233; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 281).

32

bb) Nach diesen Grundsätzen bestand zwischen der der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 zugrunde liegenden Pflichtverletzung und den zur Kündigung führenden Pflichtverstößen ein ausreichender innerer Zusammenhang.

33

(1) Der Kläger war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts mit Schreiben vom 18. Oktober 2007 wegen der Belästigung einer Mitarbeiterin durch einen Schlag auf das Gesäß abgemahnt worden. Die Bewertung dieses Verhaltens als sexuelle Belästigung iSd. § 3 Abs. 4 AGG durch das Landesarbeitsgericht ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei einem Schlag auf das Gesäß handelt es sich um einen Eingriff in die körperliche Intimsphäre, der objektiv als sexuell bestimmt iSv. § 3 Abs. 4 AGG anzusehen ist(vgl. Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 55; v. Roetteken AGG § 3 Rn. 378; AGG/Schleusener 3. Aufl. § 3 Rn. 153; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 77a; Wendeling-Schröder in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 3 Rn. 45). Auf die Motivation des Klägers kam es nicht an.

34

(2) Mit den zur Kündigung führenden verbalen sexuellen Belästigungen trat eine der körperlichen Belästigung gleichartige Unzuverlässigkeit und Grenzüberschreitung des Klägers zu Tage. Es geht in beiden Fällen um ein die Integrität der Betroffenen missachtendes, erniedrigendes Verhalten. Unerheblich ist, in welcher Form sich die Belästigungen äußerten.

35

(3) Die Warnfunktion der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 war nicht etwa auf körperlich belästigendes Verhalten beschränkt. Die Beklagte hatte zum Ausdruck gebracht, dass sie bei einer erneuten Pflichtverletzung die Kündigung erklären werde. Der Kläger konnte ohne Weiteres erkennen, dass die Beklagte die abermalige Belästigung einer Mitarbeiterin - unabhängig davon, ob diese verbal oder durch körperliche Berührung stattfände - nicht hinnehmen und zum Anlass für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nehmen würde.

36

d) Im Hinblick darauf war der Beklagten bei Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Weiterbeschäftigung des Klägers auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar. Eine solche Abwägung durch den Senat selbst ist möglich, weil die des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft ist und alle relevanten Tatsachen feststehen.

37

aa) Die Pflichtverletzung des Klägers wiegt schwer. Er hat eine Mitarbeiterin an zwei Arbeitstagen hintereinander mehrmals sexuell belästigt. Verbale Belästigungen bewegen sich entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht generell in einem „weniger gravierenden Bereich“ des durch § 3 Abs. 4 AGG aufgezeigten Spektrums. Auch die Intensität verbaler Belästigungen kann vielmehr erheblich sein. So liegt es im Streitfall. Der Kläger hat der Mitarbeiterin mit immer neuen Varianten verbaler Anzüglichkeiten zugesetzt. Die Äußerungen fielen bei unterschiedlichsten Gelegenheiten. Es handelte sich nicht etwa um eine einmalige „Entgleisung“. Die Belästigungen erfolgten fortgesetzt und hartnäckig. Der auf eigene körperliche Merkmale anspielende anzügliche Vergleich hatte zudem, ebenso wie das an die Mitarbeiterin gerichtete anzügliche Angebot, bedrängenden Charakter.

38

bb) Der Kläger kann sich nicht auf einen Irrtum über die Unerwünschtheit seiner Verhaltensweise berufen. Sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG erfordern tatbestandlich kein vorsätzliches Verhalten. Zwar wird es zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sein, wenn er sich nachvollziehbar in einem solchen Irrtum befand. Der Kläger setzte aber nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Belästigungen trotz einer für ihn erkennbar ablehnenden Haltung der Mitarbeiterin fort.

39

cc) Der nochmalige Ausspruch nur einer Abmahnung war kein der Beklagten zumutbares milderes Mittel. Nachdem sich der Kläger die vorhergegangene Abmahnung nicht zur Warnung hatte gereichen lassen, war davon auszugehen, dass dieses Mittel zukünftige Pflichtverletzungen nicht würde verhindern können. Schon aufgrund der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 musste der Kläger für den Fall der erneuten sexuellen Belästigung mit einer Kündigung rechnen. Auch seine langjährige Betriebszugehörigkeit war angesichts dessen nicht mehr geeignet, Erwartungen in seine künftige Zuverlässigkeit zu begründen. Der Umstand, dass sich der Kläger noch vor Ausspruch der Kündigung bei der betroffenen Mitarbeiterin entschuldigt hatte, rechtfertigt keine andere Bewertung. Der Kläger hatte sich dazu erst nach dem Personalgespräch am 4. Juli 2008 und damit unter dem Eindruck einer bereits drohenden Kündigung entschlossen.

40

dd) Der Beklagten war auch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zuzumuten. Die Beklagte hatte gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 AGG die Pflicht, ihr weibliches Personal effektiv vor weiteren sexuellen Belästigungen durch den Kläger zu schützen. Dies konnte sie durch den Ausspruch einer nur ordentlichen Kündigung nicht gewährleisten. Für den Lauf der Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Ende eines Kalendermonats hätte vielmehr die Gefahr einer Belästigung durch den Kläger - möglicherweise gerade verstärkt durch das absehbare Ende des Arbeitsverhältnisses - fortbestanden. Dessen erst nach dem Personalgespräch erfolgter Entschuldigung kommt auch insoweit kein besonderes Gewicht zu. Trotz seiner langjährigen Betriebszugehörigkeit und des relativ hohen Alters des Klägers überwog damit das Interesse der Beklagten an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses dessen Interesse an einer Fortsetzung zumindest für die Dauer der Kündigungsfrist.

41

II. Die Kündigung vom 11. Juli 2008 ist nicht nach § 626 Abs. 2 BGB unwirksam.

42

1. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist dann der Fall, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - Rn. 15, AP BGB § 626 Nr. 231 = EzA BPersVG § 108 Nr. 5; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7).

43

2. Danach hat die Beklagte die Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Die Frist begann am 4. Juli 2008 zu laufen. Nach ihrem vom Kläger nicht bestrittenen Vorbringen hatte die Beklagte an diesem Tag erstmals Kenntnis von den Vorwürfen erlangt. Die Kündigung vom 11. Juli 2008 ist dem Kläger nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten noch an diesem Tag zugegangen.

44

III. Die außerordentliche Kündigung ist nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats unwirksam.

45

1. Eine Kündigung ist gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht nur unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt zu beteiligen, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat, vor allem seiner Unterrichtungspflicht nach Satz 2 der Vorschrift nicht ausreichend nachgekommen ist. An die Mitteilungspflicht im Anhörungsverfahren sind dabei nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Darlegungen des Arbeitgebers im Prozess. Es gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände und Gründe für die Kündigung unterbreitet hat (BAG 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - Rn. 13, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 163 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 26; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16). Dagegen führt eine bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung zu einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats (BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - aaO).

46

2. Danach hat die Beklagte den Betriebsrat mit ihrem Schreiben vom 7. Juli 2008 ausreichend informiert. Sie hat ihm mit der Schilderung des belästigenden Verhaltens des Klägers am 25. und 26. Juni 2008 die aus ihrer Sicht tragenden Gründe für die beabsichtigte Kündigung unterbreitet. Darüberhinaus hat sie den Betriebsrat an „die einschlägige Abmahnung vom 18. Oktober 2007 und an die anderen einschlägigen Hinweise und Abmahnungen aus den letzten Jahren (…) erinnert“. Aus ihrer Sicht enthielt dies auch angesichts des Umstands, dass die früheren Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers bereits entfernt waren, keine unrichtige Information.

47

3. Die Beklagte brauchte nicht den Ablauf der Frist von drei Tagen abzuwarten, die dem Betriebsrat gem. § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG zur Stellungnahme eingeräumt ist. Der Arbeitgeber kann eine Kündigung auch schon vor Fristablauf aussprechen, wenn der Betriebsrat erkennbar abschließend zu der Kündigungsabsicht Stellung genommen hat. Das Anhörungsverfahren ist dann beendet (vgl. BAG 24. Juni 2004 - 2 AZR 461/03 - zu B II 2 b bb der Gründe, AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr. 22 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 9; 15. November 1995 - 2 AZR 974/94 - zu II 2 a der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 73 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 89). So liegt der Fall hier. Der Betriebsrat hatte mit Schreiben vom 10. Juli 2008, unterzeichnet vom Betriebsratsvorsitzenden, der Kündigung ausdrücklich und vorbehaltlos zugestimmt.

48

IV. Da die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang am 11. Juli 2008 beendet hat, bleibt die Klage gegen die ordentliche Kündigung zum 28. Februar 2009 schon deshalb ohne Erfolg.

49

V. Als unterlegene Partei hat der Kläger gem. § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten von Berufung und Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Koch    

        

    Rachor    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Dr. Roeckl    

                 

Tenor

1. Die Revisionen der Beklagten und der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. November 2008 - 11 Sa 820/08 - werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier außerordentlicher, hilfsweise ordentlicher Kündigungen.

2

Die Beklagte betreibt einen ambulanten Pflegedienst. Die Klägerin war bei ihr seit dem 1. Juli 2006 als Diplomsozialarbeiterin beschäftigt. Sie betreute psychisch kranke Menschen und Suchtkranke in deren Wohnungen(ambulant betreutes Wohnen) und hatte zuletzt einen regelmäßigen Patientenstamm von elf Personen.

3

Die Klägerin reichte im September 2007 eine „Überlastungsanzeige“ ein. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 20. September 2007 fristlos, hilfsweise fristgemäß wegen „bestehender Differenzen“ und „mangelnder Fähigkeit“ der Klägerin, sich in bestehende Strukturen einzufinden. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage.

4

Am 21. September 2007 kündigten sieben von der Klägerin betreute Patienten ihren mit der Beklagten bestehenden Betreuungsvertrag fristlos. Die von den Patienten handschriftlich verfassten Kündigungsschreiben hatte die Klägerin zur Post gegeben. Am gleichen Tag erhielt die Klägerin von einem Konkurrenzunternehmen der Beklagten, der Firma „S“, per E-Mail eine Einstellungszusage, in der von einer „Übernahme“ namentlich genannter Patienten der Klägerin die Rede war. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 24. September 2007 forderte die Beklagte die Klägerin auf, den Kontakt zu ihren Patienten und deren Betreuern sofort einzustellen sowie das Abwerben von Klienten zu unterlassen. Nachdem die Beklagte die Kündigung vom 20. September 2007 mit Zustimmung der Klägerin zurückgezogen hatte, nahm diese ihre Kündigungsschutzklage zurück.

5

Am 19. Oktober 2007 wurde die Beklagte darüber informiert, dass eine von der Klägerin betreute Patientin zur Firma „S“ gewechselt sei. Die rechtliche Betreuerin dieser Patientin übermittelte der Beklagten eine von der Klägerin verfasste E-Mail vom 24. September 2007, in der diese sich dafür entschuldigt hatte, den Wechsel zur Firma „S“ ohne vorherige Rücksprache mit ihr - der Betreuerin - durchgeführt zu haben. Der E-Mail war ein Betreuungsvertrag der Firma „S“ beigefügt.

6

Mit Schreiben vom 24. Oktober 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 30. November 2007.

7

Am 31. Oktober 2007 erhielt die Beklagte Kenntnis von einer weiteren E-Mail der Klägerin, die diese an die Betreuerin gerichtet hatte. Darin teilte sie mit, dass eine Beschäftigung bei der Firma „S“ nicht zustande gekommen sei, sie einen Antrag auf Zulassung als Leistungsanbieter für ambulantes betreutes Wohnen gestellt habe und sie ihre (ehemaligen) Patienten bei der Regelung ihres Alltags weiterhin - unentgeltlich - unterstützen werde. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 2. November 2007 erneut fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30. November 2007.

8

Die Klägerin hat sich mit ihrer Kündigungsschutzklage gegen beide Kündigungen gewandt und die Auffassung vertreten, ein Grund zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses liege nicht vor. Sie habe weder eine Konkurrenztätigkeit ausgeübt oder vorbereitet noch aktiv Patienten abgeworben. Sie habe auch die Kündigungen der Betreuungsverträge durch ihre Patienten nicht forciert; diese hätten aus Unzufriedenheit und wegen des ständigen Wechsels der Bezugspersonen aus eigenem Entschluss gekündigt. Sie sei lediglich gebeten worden, die Kündigungsschreiben zur Post zu bringen. Das Angebot der Firma „S“ habe sie angenommen, um einen Verzugsschaden im Interesse der Beklagten gering zu halten. Im Übrigen sei die außerordentliche Kündigung schon wegen Versäumung der zweiwöchigen Ausschlussfrist unwirksam. Die Beklagte habe bereits bei der Teambesprechung am 21. September 2007 von den aus ihrer Sicht kündigungsrelevanten Tatsachen Kenntnis gehabt. Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 24. September 2007 zeige, dass dieser der Kündigungssachverhalt spätestens am 24. September 2007 bekannt gewesen sei.

9

Die Klägerin hat - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 24. Oktober 2007 noch durch die Kündigung vom 2. November 2007 beendet worden ist.

10

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt. Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe das Arbeitsverhältnis wegen schwerwiegender Vertragspflichtverletzungen fristlos beenden dürfen. Die Klägerin sei zu einem Konkurrenzunternehmen gewechselt und habe diesem Patientendaten weitergegeben sowie Betreuungsverträge ihrer ehemaligen Patienten vermittelt. Davon habe sie erst am 19. Oktober 2007 erfahren. Die fristlose Kündigung vom 2. November 2007 sei berechtigt, weil die Klägerin sich habe selbständig machen und dazu ihre Patienten habe mitnehmen wollen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentlichen Kündigungen vom 24. Oktober 2007 und 2. November 2007 nicht aufgelöst worden ist, hat aber im Übrigen die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen haben beide Parteien Revision eingelegt. Die Klägerin begehrt, ihrer Klage in vollem Umfang stattzugeben, die Beklagte, das Urteil des Arbeitsgerichts vollständig wiederherzustellen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revisionen haben keinen Erfolg.

13

A. Die Revisionen sind zulässig. Das gilt auch für die Revision der Beklagten. Deren Revisionsbegründung ist zwar erst einen Tag nach Ablauf der bis zum 2. März 2009 verlängerten Revisionsbegründungsfrist beim Bundesarbeitsgericht eingegangen. Ihr war aber nach § 233 ZPO Wiedereinsetzung in diese Frist zu gewähren.

14

Die Beklagte war ohne ihr Verschulden verhindert, die Frist zur Revisionsbegründung nach § 74 Abs. 1 ArbGG einzuhalten. Sie hat glaubhaft gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtigter einen korrekt adressierten, die Revisionsbegründung enthaltenden Brief am 26. Februar 2009 der Deutschen Post AG übergeben hat, sodass er bei normaler Postlaufzeit vor Fristablauf am 2. März 2009 beim Revisionsgericht hätte rechtzeitig eingehen müssen. Die versäumte Frist ist somit allein auf eine verzögerte Zustellung zurückzuführen. Der Beklagten sind solche Verzögerungen nicht zuzurechnen. Sie durfte darauf vertrauen, dass die von der Deutschen Post AG für den Normalfall zugesagten Postlaufzeiten eingehalten würden. In ihrem Verantwortungsbereich lag es allein, das Schriftstück ordnungsgemäß und so rechtzeitig aufzugeben, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Post AG das Revisionsgericht fristgerecht erreichen konnte(vgl. BVerfG 7. Januar 2003 - 2 BvR 447/02 - zu II 1 der Gründe, NJW 2003, 1516; BAG 7. Juni 2000 - 10 AZR 419/99 - zu II der Gründe; BGH 20. Mai 2009 - IV ZB 2/08 - Rn. 8, NJW 2009, 2379).

15

B. Die Revisionen sind nicht begründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass die außerordentlichen fristlosen Kündigungen vom 24. Oktober 2007 und vom 2. November 2007 rechtsunwirksam sind, das Arbeitsverhältnis der Parteien aber durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 24. Oktober 2007 mit dem 30. November 2007 beendet worden ist.

16

I. Die außerordentliche fristlose Kündigung vom 24. Oktober 2007 ist rechtsunwirksam. Es liegt kein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vor.

17

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

18

a) Die erforderliche Prüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund in diesem Sinne darstellt, vollzieht sich zweistufig. Zunächst ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Ist dies der Fall, bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht(st. Rspr., vgl. Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 13 mwN, DB 2010, 1128).

19

b) Die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs des wichtigen Grundes ist vorrangig Sache des Tatsachengerichts. Sie wird im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, widerspruchsfrei beachtet hat(Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 14, DB 2010, 1128; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16).

20

2. Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stand. Zwar hat die Klägerin ihre vertraglichen Pflichten verletzt, indem sie mit der Annahme des Vertragsangebots und Übergabe der Patientendaten an die Firma „S“ der Beklagten noch während des laufenden Kündigungsschutzprozesses Konkurrenz gemacht hat. Ein solcher Pflichtenverstoß kommt als wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht(Senat 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15, AP BGB § 626 Nr. 213 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 21; 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - Rn. 20, EzA BGB § 626 nF Nr. 162). Gleichwohl ist die Ansicht des Landesarbeitsgerichts, eine außerordentliche Kündigung sei unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls nicht gerechtfertigt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

21

a) Der Arbeitnehmer verletzt seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB erheblich, wenn er während des bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Konkurrenztätigkeit ausübt.

22

aa) Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt(st. Rspr., Senat 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15 mwN, AP BGB § 626 Nr. 213 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 21). Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB konkretisiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen (Senat 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - Rn. 20, EzA BGB § 626 nF Nr. 162; 26. Januar 1995 - 2 AZR 355/94 - Rn. 21, EzA BGB § 626 nF Nr. 155). Dem Arbeitnehmer ist aufgrund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Ihm ist ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen (Senat 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - Rn. 20, aaO; BAG 16. Januar 1975 - 3 AZR 72/74 - AP HGB § 60 Nr. 8). Allerdings darf er, wenn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB nicht vereinbart ist, schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten(vgl. Senat 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15 mwN, aaO). Verboten ist lediglich die Aufnahme einer werbenden Tätigkeit, zB durch Vermittlung von Konkurrenzgeschäften oder aktives Abwerben von Kunden. Bloße Vorbereitungshandlungen, die in die Interessen des Arbeitgebers nicht unmittelbar eingreifen, erfüllen diese Voraussetzungen nicht (Senat 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15, aaO).

23

bb) Das vertragliche Wettbewerbsverbot gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses. Deshalb darf ein Arbeitnehmer grundsätzlich auch nach Ausspruch einer von ihm gerichtlich angegriffenen außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers keine Konkurrenztätigkeit ausgeübt haben, wenn die Kündigung sich später als unwirksam herausstellt. Er ist in der Regel auch während des Kündigungsschutzprozesses an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden(Senat 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - AP BGB § 626 Nr. 104 = EzA BGB § 626 nF Nr. 140). Dies gilt unabhängig davon, ob eine Karenzentschädigung angeboten (aA LAG Köln 4. Juli 1995 - 9 Sa 484/95 - zu II der Gründe, AP HGB § 75 Nr. 9; APS/Dörner 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 325) oder er vorläufig weiterbeschäftigt wird (aA MünchKommBGB/Henssler 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 124).

24

b) Ob das Wettbewerbsverbot im gekündigten Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht gleich weit reicht wie in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin jedenfalls durch die Weitergabe der persönlichen Daten von Patienten an die Firma „S“ ihre Vertragspflichten schuldhaft verletzt hat(§ 241 Abs. 2 BGB). Auf diese Weise hat sie nicht lediglich ihre Arbeitskraft verwertet, sondern die berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Beklagten unmittelbar gefährdet. Es bestand zu befürchten, dass die Patienten dauerhaft zu dem (vermeintlich) neuen Arbeitgeber der Klägerin und somit zu einem Konkurrenzunternehmen wechseln würden. Dieses Verhalten der Klägerin ist nicht wegen § 615 Satz 2 BGB gerechtfertigt. Im Unterlassen vertragswidriger Konkurrenztätigkeit liegt kein böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs. Die Klägerin war deshalb nicht etwa gehalten, das Angebot der Firma „S“ anzunehmen, insbesondere nicht, dieser Patientendaten zur Verfügung zu stellen.

25

c) Dennoch durfte das Landesarbeitsgericht annehmen, dass der Beklagten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zuzumuten war.

26

aa) Die bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände lassen sich nicht abschließend und für alle Fälle einheitlich festlegen. Geht es um die Beurteilung rechtswidrigen schuldhaften Verhaltens des Arbeitnehmers, sind aber stets die beanstandungsfreie Dauer des Arbeitsverhältnisses, das Gewicht und die nachteiligen Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, eine mögliche Wiederholungsgefahr und der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers zu berücksichtigen(vgl. Senat 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 28, AP BGB § 626 Nr. 220; 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 - Rn. 38, AP BGB § 626 Nr. 196 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 11).

27

bb) Dem wird die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts gerecht. Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt sie keine wesentlichen Umstände außer Acht. Das Landesarbeitsgericht hat das Gewicht und die negativen Auswirkungen der Vertragspflichtverletzung für die Beklagte und den Grad des Verschuldens der Klägerin beachtet. Es hat nicht übersehen, dass die Klägerin versucht hat, die von ihr betreuten Patienten - gleichsam als „Startkapital“ - zur Firma „S“ mitzunehmen. Zwar hat es sich in seiner Abwägung mit diesem Gesichtspunkt nicht ausdrücklich auseinandergesetzt. Dennoch hat es ihn tatsächlich berücksichtigt. Dies zeigen seine Ausführungen unter B I 2 der Entscheidungsgründe, wo - wenn auch in anderem Zusammenhang - die „Mitnahme von Patientendaten“ als ein gewichtiger Umstand gegen die Klägerin in Ansatz gebracht wird. Die Beklagte zeigt nicht auf, dass das Landesarbeitsgericht diesen Umstand auch angesichts der schwierigen Situation, in die sie selbst die Klägerin durch den Ausspruch der später zurückgezogenen fristlosen Kündigung gebracht hatte, unzureichend gewichtet hätte.

28

II. Die außerordentliche fristlose Kündigung vom 2. November 2007 ist aus den gleichen Gründen rechtsunwirksam. Soweit die Beklagte sie ergänzend darauf gestützt hat, dass die Klägerin beim Landschaftsverband einen Antrag auf Zulassung als „Leistungsanbieter im ambulant betreuten Wohnen“ gestellt und damit eine konkurrierende Selbständigkeit geplant habe, liegt kein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vor. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darin noch keine unzulässige Konkurrenztätigkeit, sondern lediglich eine zulässige Vorbereitungshandlung gesehen.

29

Dem Arbeitnehmer ist es, wie dargelegt, während der rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich nicht untersagt, eine spätere konkurrierende Selbständigkeit vorzubereiten, solange er nicht eine werbende Tätigkeit bereits aufnimmt(siehe B I 2 a aa der Gründe). Allein mit dem Antrag beim Landschaftsverband, sie als Leistungserbringerin zuzulassen, hat die Klägerin im Geschäftszweig der Beklagten noch nicht aktiv Wettbewerb betrieben und ihr Konkurrenz gemacht. Damit ist keine - weitere - Vertragspflichtverletzung gegeben, die die Beklagte zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen würde.

30

III. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung der Beklagten vom 24. Oktober 2007 mit Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist am 30. November 2007 rechtswirksam beendet worden. Die Kündigung ist durch Gründe im Verhalten der Klägerin iSd. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt.

31

1. Eine Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer eine Vertragspflicht - in der Regel schuldhaft - erheblich verletzt hat, das Arbeitsverhältnis dadurch auch künftig konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen, weitere Störungen zuverlässig ausschließenden Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint(Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 12, EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77; 31. Mai 2007 - 2 AZR 200/06 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 57 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 71).

32

2. Auf der Basis des vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalts sind die Voraussetzungen für die soziale Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung erfüllt.

33

a) Die Klägerin hat - wie dargelegt - durch die Übermittlung der Daten der von ihr betreuten Patienten an ein Konkurrenzunternehmen ihre sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergebende Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Belange der Beklagten verletzt.

34

b) Es bedurfte vor dem Ausspruch der Kündigung keiner vorherigen Abmahnung. Sie war entbehrlich, weil die Beklagte angesichts der von der Klägerin begangenen Pflichtverletzung annehmen durfte, die Klägerin werde sich in einer vergleichbaren Situation auch künftig und auch nach der vorausgegangenen Androhung einer Kündigung nicht anders verhalten. Der Klägerin war die Rechtswidrigkeit ihres Handelns ohne Weiteres erkennbar. Selbst mit einer erstmaligen Hinnahme ihres Verhaltens durch die Beklagte konnte sie nicht rechnen.

35

c) Die im Rahmen des § 1 Abs. 2 KSchG erforderliche Interessenabwägung führt nicht zur Sozialwidrigkeit der Kündigung. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Abwägung hält sich innerhalb des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums.

36

Das Berufungsgericht hat alle wesentlichen Umstände in Erwägung gezogen. Zugunsten der Klägerin hat es auch die durch den Ausspruch der später zurückgezogenen ersten Kündigung verursachte finanzielle Zwangslage berücksichtigt. Seine Bewertung, der Beklagten könne gleichwohl eine dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat den Grad des Verschuldens der Klägerin und deren relativ kurze Betriebszugehörigkeit berücksichtigt und in vertretbarer Weise gegen die Belange der Beklagten abgewogen.

37

Soweit die Klägerin geltend macht, das Landesarbeitsgericht hätte berücksichtigen müssen, dass zwischen ihr und ihren ehemaligen Patienten ein besonderes Vertrauensverhältnis bestanden habe, zeigt sie kein Abwägungsdefizit auf. Das besondere Vertrauensverhältnis zu den Patienten hat keinen Einfluss auf die sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Verpflichtungen der Parteien. Dass sie zur Abwendung einer ansonsten drohende unmittelbaren Gefahr für die Patienten überhaupt nicht anders hätte handeln können, hat die Klägerin nicht dargelegt.

38

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Eylert    

        

        

        

    Röder    

        

    Niebler    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarland vom 12. September 2012 - 2 Sa 7/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der 1956 geborene Kläger trat im April 1981 in die Dienste der Bundeswehr. Von Oktober 1993 bis Juni 2005 wurde er als Nachschubhelfer und Kraftfahrer eingesetzt. Zuvor und in der Zeit ab Juli 2005 war er als Gabelstaplerfahrer und Lagerhelfer tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Regelungen des TVöD Anwendung.

3

Anfang August 2005 wurde der Kläger der Heeresinstandsetzungslogistik HIL-GmbH (im Folgenden: GmbH) „beigestellt“. Bei der GmbH handelt es sich um ein von der Beklagten und Dritten gemeinsam gegründetes Wirtschaftsunternehmen, das als Kooperationsbetrieb iSv. § 1 BwKoopG aus der Bundeswehr ausgegliederte Aufgaben wahrnimmt. Die Arbeitsabläufe in Bezug auf die Tätigkeit des Klägers wurden seit der „Beistellung“ durch die GmbH gesteuert, während dieser selbst Arbeitnehmer der Beklagten blieb.

4

Nach einer Tätigkeitsbeschreibung vom Oktober 2007 waren dem Kläger zuletzt die Aufgaben eines Betriebsstoffhelfers zugewiesen. Danach oblagen ihm die Entgegennahme, die Lagerung, Kontrolle und Verausgabung von Betriebsstoff, die Führung entsprechender Bücher, die tägliche Feststellung des Bedarfs an Betriebsstoffen und die Durchführung von Reinigungsarbeiten in den Lagerbereichen.

5

Aufgabe der GmbH war es ua., Dieselkraftstoff aus den Fahrzeugen der Bundeswehr abzupumpen, sofern er starke Verunreinigungen oder Ablagerungen aufwies. Das Dieselöl wurde sodann in Behältnissen gesammelt und durch eine Fremdfirma aufbereitet. Anschließend wurde der gereinigte Kraftstoff zurückgebracht und in den Fahrzeugen wieder verwendet. Auch die bei der Aufarbeitung entstandenen Rückstände wurden zum Betriebsgelände der GmbH zurückgebracht und dort als sog. Abfalldiesel in größeren Behältnissen gesammelt. In gewissen zeitlichen Abständen ließ die GmbH die Rückstände kostenpflichtig durch eine andere Firma fachgerecht und umweltschonend entsorgen.

6

Der Kläger verfiel - laut seiner eigenen Einlassung - auf den Gedanken, ein Kollege könne das Abfallprodukt womöglich mit einer häuslichen Filteranlage zu betriebsfähigem Dieselkraftstoff aufbereiten, um diesen sodann zum Heizen des Hauses oder zum Betanken eines privaten Fahrzeugs zu verwenden. In Absprache mit dem Kläger füllte der Kollege daraufhin mehrfach verunreinigtes Dieselöl in Kanister ab, die er vom Betriebsgelände der GmbH - allein oder gemeinschaftlich mit dem Kläger - abfuhr.

7

Am 7. Juni 2010 wurden das Fahrzeug des Klägers und die Wohnung des Kollegen polizeilich durchsucht. Dabei wurden 91 „Treibstoffkanister“ mit einer Gesamtmenge von 3.640 Litern Diesel beschlagnahmt. Das im Heizungstank des Hauses vorgefundene Dieselöl (ca. 3.000 Liter) wurde dort belassen. Im Fahrzeug des Klägers wurden zusätzlich sechs Plastikkanister sichergestellt, die etwa 180 Liter Dieselkraftstoff enthielten; deren Qualität ist zwischen den Parteien streitig.

8

Am 11. und am 18. Juni 2010 versuchte die Beklagte vergeblich, mit dem Kläger persönlich Kontakt aufzunehmen. In der Zwischenzeit stellte sie ihn „rückwirkend“ zum 8. des Monats von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Mit Schreiben vom 18. Juni 2010 gab sie ihm Gelegenheit, sich zu den - von ihr näher beschriebenen - Vorfällen vom 7. Juni 2010 zu äußern. Der Kläger erklärte binnen der ihm bis zum 21. Juni 2010 eingeräumten Frist, er werde einstweilen keine Angaben zur Sache machen.

9

Am 18. Juni 2010 unterrichtete die Beklagte den Personalrat von ihrer Absicht, den Kläger außerordentlich zu kündigen. Sie gab den Inhalt des Protokolls der Beschlagnahme wieder und erklärte, zu ihrer Überzeugung habe sich der Kläger des Diebstahls schuldig gemacht, indem er zusammen mit seinem Kollegen wenigstens 180 Liter Dieselkraftstoff weggenommen und sich rechtswidrig zugeeignet habe. Der Personalrat ließ die Frist zur Äußerung verstreichen.

10

Mit Schreiben vom 24. Juni 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos.

11

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam. Er habe lediglich Abfalldieselöl an sich genommen bzw. einem Kollegen überlassen. Das Öl sei nicht mehr verwendungsfähig gewesen und habe andernfalls kostenpflichtig entsorgt werden müssen. Darin liege allenfalls eine geringfügige Pflichtverletzung. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht gewahrt. Der Personalrat der Dienststelle sei nicht ordnungsgemäß über den wahren Kündigungssachverhalt unterrichtet worden. Aufgrund seiner „Beistellung“ habe außerdem der Betriebsrat der GmbH angehört werden müssen.

12

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 24. Juni 2010 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

im Falle des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die Kündigung sei aus wichtigem Grund gerechtfertigt. Der Kläger habe sich aus ihren Beständen große Mengen Dieselkraftstoff rechtswidrig zugeeignet. Am 7. Juni 2010 seien auf dem Grundstück des Kollegen mehrere tausend Liter Dieselöl beschlagnahmt worden. Im Keller des Hauses seien mindestens 540 Liter Kraftstoff sichergestellt worden, der zweifelsfrei ihr - der Beklagten - zuzuordnen gewesen sei. Hinzu kämen je 180 Liter Dieselkraftstoff, die in den Fahrzeugen des Klägers und des Kollegen vorgefunden worden seien. Dabei habe es sich nicht um bloßes „Abfalldieselöl“ gehandelt. Im Übrigen liege selbst dann eine erhebliche Pflichtverletzung vor. Der Kläger habe nicht nur beabsichtigt, sich oder seinem Kollegen durch die Entwendung des Kraftstoffs finanzielle Vorteile zu verschaffen. Er habe außerdem die ihm eingeräumte Vertrauensstellung missbraucht. Die Kündigungserklärungsfrist sei eingehalten. Ihre kündigungsberechtigten Mitarbeiter hätten nicht vor dem 10. Juni 2010 von den maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Die Anhörung des Personalrats sei - ausgehend von ihrem damaligen Kenntnisstand - ordnungsgemäß erfolgt.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Parallel dazu hörte sie - mit Schreiben vom 6. März 2012 - den Personalrat zu ihrer Absicht an, die bereits erklärte Kündigung zusätzlich auf neue Erkenntnisse bezüglich der Menge und der Art des entwendeten Kraftstoffs sowie auf einen Verdacht als Kündigungsgrund zu stützen. Außerdem teilte sie dem Personalrat mit, sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis der Parteien vorsorglich erneut zu kündigen. Mit Schriftsatz vom 16. April 2012 hat sie den betreffenden Sachverhalt in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt. Der Kläger hat daraufhin „hilfsweise“ beantragt festzustellen, dass die weitere, „eventuell ausgesprochene Kündigung“ das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat; die Beklagte hat beantragt, den Hilfsantrag „zurückzuweisen“.

15

Das Landesarbeitsgericht hat die Klage „insgesamt abgewiesen“. Mit seiner Revision begehrt der Kläger, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen und sodann nach seinem Hilfsantrag zu erkennen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision ist unbegründet.

17

A. Das prozessuale Vorgehen des Klägers in der Berufungsinstanz war zulässig. Das betrifft insbesondere den dort erstmals angebrachten Feststellungsantrag. Die darin liegende Klageerweiterung ist als - im Streitfall zulässige - Anschlussberufung zu verstehen.

18

I. Dem Kläger stand für eine Erweiterung der Klage im Berufungsrechtszug nur der Weg der Anschlussberufung zur Verfügung (bspw. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 11). Als solche ist die Klageerweiterung zu behandeln. Einer Beschwer durch das erstinstanzliche Urteil bedarf es für die Anschlussberufung nicht (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - aaO; 10. Februar 2009 - 3 AZR 728/07 - Rn. 11).

19

II. Die Anschlussberufung ist gemäß § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG binnen der dem Kläger nach § 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG verlängerten Berufungsbeantwortungsfrist beim Landesarbeitsgericht eingegangen(zu dieser Voraussetzung im Einzelnen BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 12). Sie ist auch im Übrigen zulässig.

20

B. Die Revision bleibt ohne Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend entschieden. Der auf die fristlose Kündigung vom 24. Juni 2010 bezogene Feststellungsantrag ist unbegründet. Die Kündigung ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Über die weitergehenden (unechten) Hilfsanträge war nicht mehr zu entscheiden. Dies hat bei richtigem Verständnis schon das Landesarbeitsgericht nicht getan.

21

I. Die Kündigung vom 24. Juni 2010 ist gemäß § 34 Abs. 2 TVöD iVm. § 626 BGB aus wichtigem Grund gerechtfertigt.

22

1. Nach § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD konnte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers, der im Kündigungszeitpunkt das 40. Lebensjahr vollendet hatte und länger als 15 Jahre bei ihr beschäftigt war, nur aus einem wichtigen Grund kündigen. Auf die tarifliche Besitzstandsregelung in § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD kommt es im Streitfall nicht an.

23

2. Mit dem Begriff „wichtiger Grund“ knüpft die tarifvertragliche Bestimmung an die gesetzliche Regelung des § 626 Abs. 1 BGB an, deren Verständnis deshalb auch für die Auslegung der Tarifnorm maßgebend ist(BAG 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 12, BAGE 132, 299; 27. November 2003 - 2 AZR 601/02 - zu B I 5 der Gründe mwN). Aufgrund der Bezugnahme gilt zugleich § 626 Abs. 2 BGB. Danach kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen erklärt werden (BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 31; 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 12 mwN, aaO).

24

3. Die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB sind erfüllt.

25

a) Gemäß dieser Vorschrift kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 16; 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 15 mwN, BAGE 146, 303).

26

b) Als wichtiger Grund kann neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet sein (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 19; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 29, BAGE 137, 54). Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 19 mwN).

27

c) Begeht ein Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche - ggf. strafbare - Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Dies gilt auch dann, wenn die rechtswidrige Handlung Gegenstände von geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 18; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 26, BAGE 134, 349). Maßgebend ist der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 17, BAGE 142, 176).

28

d) Im Streitfall liegt eine in diesem Sinne erhebliche, die Schwelle zum wichtigen Grund überschreitende Pflichtverletzung vor.

29

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe im Frühjahr 2010 gemeinschaftlich mit seinem Kollegen mehrere hundert Liter Abfalldieselöl ohne Erlaubnis vom Betriebsgelände der GmbH entfernt, um es zu filtern und anschließend nach Möglichkeit selbst weiterzuverwenden oder an einen interessierten Dritten abzugeben. 180 Liter des verunreinigten Kraftstoffs - sechs Kanister - seien in seinem eigenen Fahrzeug vorgefunden worden. Diese Feststellungen greift der Kläger nicht an.

30

bb) Danach hat der Kläger seine Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB erheblich und schuldhaft verletzt. Dafür kommt es nicht darauf an, ob das Abfalldieselöl im Eigentum der Beklagten oder der GmbH stand und ob das in Rede stehende Verhalten einen Straftatbestand erfüllt.

31

(1) Dem Kläger war - unter Aufrechterhaltung seines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten - dauerhaft eine Tätigkeit bei der GmbH zugewiesen worden. Im Rahmen dieser Personalgestellung musste er die Vermögensinteressen der GmbH in gleicher Weise wahren wie diejenigen der Beklagten. Im Übrigen lief die unberechtigte Wegnahme des Kraftstoffs in Anbetracht ihrer Beteiligung an der GmbH unmittelbar den Vermögensinteressen der Beklagten zuwider, mag diese auch - wie vom Kläger behauptet - nicht die Mehrheit der Anteile gehalten haben. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe die Eigentumsverhältnisse an dem in Rede stehenden Kraftstoff nicht hinreichend aufgeklärt, geht damit ins Leere.

32

(2) Das Landesarbeitsgericht hat das Vorbringen des Klägers, ihm habe das Unrechtsbewusstsein gefehlt, als Schutzbehauptung gewertet und eine vorsätzliche Verletzung seiner vertraglichen Nebenpflicht angenommen. Diese Würdigung liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob das Tatsachengericht von den richtigen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände berücksichtigt und keine Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt hat (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 16; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 21). Einen solchen Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf. Er ist auch nicht offensichtlich. Der Kläger konnte angesichts der gesonderten Aufbewahrung des Abfalldieselöls auf dem Betriebsgelände der GmbH und der Beauftragung einer darauf spezialisierten Drittfirma nicht im Zweifel darüber sein, dass der Beklagten an dessen fachgerechter Entsorgung gelegen war. Er musste wissen, dass er sich Kraftstoff - welcher Qualität auch immer - nicht ohne ausdrückliche Einwilligung der hierfür zuständigen Mitarbeiter aneignen durfte. Seiner eigenen Einlassung zufolge hat er das Abfalldieselöl auch nicht für wirtschaftlich wertlos erachtet. Beides reichte aus, um für ihn auch subjektiv eine Erlaubnis zur Mitnahme auszuschließen.

33

e) Die Kündigung ist bei Beachtung der Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gerechtfertigt.

34

aa) Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 17, BAGE 146, 303; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27). Auch bei der fristlosen Kündigung eines tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisses muss die Vertrauensgrundlage so schwer gestört sein, dass jede weitere Zusammenarbeit für den Arbeitgeber unzumutbar ist. Eine außerordentliche fristlose Kündigung ist gerechtfertigt, wenn es dem Arbeitgeber nicht zumutbar war, den Arbeitnehmer bis zum Ablauf der „fiktiven“ Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 827/06 - Rn. 37; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 44; vgl. auch BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 343/11 - Rn. 20).

35

bb) Danach hat das Landesarbeitsgericht den ihm im Rahmen der Interessenabwägung zukommenden Beurteilungsspielraum (dazu BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 35 mwN) nicht verletzt. Es hat alle wesentlichen Aspekte des Falls berücksichtigt und die beiderseitigen Interessen vertretbar abgewogen.

36

(1) Der Kläger hat seine Stellung als Betriebsstoffhelfer zu einer Verletzung des Eigentums entweder der Beklagten oder des Kooperationsunternehmens missbraucht. In beiden Fällen liegt ein schwerwiegender Vertrauensbruch vor. Der Kläger war im Rahmen des ihm zugewiesenen Aufgabenbereichs dafür verantwortlich, dass Betriebsstoffe nur an Berechtigte ausgegeben würden. Er hatte dies entsprechend zu dokumentieren. Stattdessen hat er sich bewusst und ohne Rücksprache mit seinen Vorgesetzten zumindest Abfalldieselöl in erheblicher Menge in der Absicht angeeignet, sich oder seinem Kollegen auf diese Weise wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Unerheblich ist, ob er in der Annahme gehandelt hat, er bewahre die Beklagte vor eigenen Aufwendungen. Die Interessen der Beklagten und ihres Kooperationsunternehmens waren erkennbar darauf gerichtet, das verunreinigte und für die Umwelt nicht ungefährliche Abfalldieselöl auf dem Betriebsgelände zwischenzulagern, um es anschließend fachgerecht entsorgen zu lassen.

37

(2) Die Pflichtverletzung ist von solchem Gewicht, dass ihre Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und - auch für den Kläger erkennbar - ausgeschlossen war (zu diesem Maßstab vgl. BAG 26. September 2013 - 2 AZR 741/12 - Rn. 20; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 16). Die nahezu 30-jährige, ohne Beanstandungen gebliebene Betriebszugehörigkeit des Klägers und der - zu seinen Gunsten unterstellt - allenfalls geringfügige Verkehrswert des entwendeten Kraftstoffs führen zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger hat seine Vertragspflichten wiederholt verletzt. Er hat aus purem Eigennutz in erheblichem Umfang Stoffe, von denen Gefahren für die Umwelt ausgehen können, einer durch die Verantwortlichen vorgesehenen fachgerechten Entsorgung entzogen. Dies brauchte die Beklagte - auch ohne vorherige Abmahnung - nicht hinzunehmen.

38

4. Die Beklagte hat die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.

39

a) Gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach Abs. 2 Satz 2 der Bestimmung mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die sachgerechte Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen eine Kündigung sprechenden Umstände (BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 27; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, BAGE 137, 54).

40

b) Der Kündigungsberechtigte, der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne(BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - Rn. 14; 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 27). Dabei kommt es nicht darauf an, ob er ggf. eine Kündigung wegen erwiesener Tat oder wegen eines zumindest erdrückenden Verdachts zu erklären beabsichtigt. Dies gilt allerdings nur solange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen (BAG 31. März 1993 - 2 AZR 492/92 - zu II 1 der Gründe, BAGE 73, 42). Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf in der Regel nicht mehr als eine Woche betragen (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - aaO; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, BAGE 137, 54). Bei Vorliegen besonderer Umstände kann sie überschritten werden (BAG 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 - Rn. 24, BAGE 117, 168). Unerheblich ist, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder nicht (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - aaO; 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - aaO). Gibt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Stellungnahme, so gereicht ihm dies hinsichtlich des Beginns der zweiwöchigen Ausschlussfrist deshalb auch dann nicht zum Nachteil, wenn der Arbeitnehmer innerhalb angemessener Überlegungszeit keine Erklärung abgibt oder seine Stellungnahme rückblickend zur Feststellung des Sachverhalts nichts beiträgt (BAG 27. Januar 1972 - 2 AZR 157/71 - zu 3 der Gründe, BAGE 24, 99). Das bedeutet zugleich, dass der mit der beabsichtigten Anhörung verbundene Fristaufschub iSv. § 626 Abs. 2 BGB nicht nachträglich entfällt, wenn der Arbeitgeber das ergebnislose Verstreichen der Frist zur Stellungnahme zum Anlass nimmt, nunmehr auf die Anhörung des Arbeitnehmers zu verzichten(BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - aaO).

41

c) Danach hat die Beklagte die Kündigung iSv. § 626 Abs. 2 BGB rechtzeitig erklärt.

42

aa) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, den kündigungsberechtigten Mitarbeitern der Beklagten seien die Vorfälle vom 7. Juni 2010 nicht vor dem 10. Juni 2010 bekannt geworden. Mit dem Zugang der fristlosen Kündigung am 24. Juni 2010 ist die Zwei-Wochen-Frist gewahrt.

43

bb) Die Kündigung wäre selbst dann fristgerecht erfolgt, wenn die Kündigungsberechtigten von dem Geschehen bereits am 7. Juni 2010 Kenntnis erlangt hätten. Die Beklagte durfte es für erforderlich halten, den Kläger zum Kündigungssachverhalt anzuhören. Es war nicht auszuschließen, dass sich aus seiner Äußerung weitere, etwa ihn entlastende Umstände ergeben würden. Eine Verzögerung bei der Anhörung ist der Beklagten nicht anzulasten. Bereits am 11. Juni 2010 hat sie versucht, den Kläger telefonisch zu kontaktieren. Nachdem dieser und ein weiterer Versuch, ihn persönlich anzusprechen, erfolglos blieben, hat sie ihm - zeitnah - Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben und seine Äußerung abgewartet. Ebenso wenig handelte die Beklagte willkürlich, als sie die Kündigung schon am 24. Juni 2010 erklärte. Der Kläger hatte nicht etwa um eine Verlängerung der Äußerungsfrist gebeten.

44

cc) Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass er bereits ab dem 8. Juni 2010 freigestellt worden sei, ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - mangels Entscheidungserheblichkeit unbegründet. Selbst wenn die Freistellung einen Hinweis auf die Kenntnis einschlägiger Tatsachen gäbe, führte dies nicht dazu, dass die Beklagte die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt hätte.

45

II. Die Kündigung vom 24. Juni 2010 ist nicht deshalb unwirksam, weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden wäre (§ 79 Abs. 4 BPersVG). Der Kündigungssachverhalt, wie er der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zugrunde liegt, hatte sich gegenüber dem der Personalvertretung mitgeteilten Geschehen auch nicht in einer Weise verändert, dass er nur nach erneuter Anhörung des Personalrats prozessual verwertbar gewesen wäre.

46

1. Nach § 79 Abs. 3 BPersVG ist der Personalrat vor außerordentlichen Kündigungen anzuhören. Der Dienststellenleiter hat die beabsichtigte Maßnahme zu begründen. Hat der Personalrat Bedenken, so hat er sie unter Angabe der Gründe dem Dienstellenleiter unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Arbeitstagen, schriftlich mitzuteilen. Nach § 79 Abs. 4 BPersVG ist eine Kündigung unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist. Diese Rechtsfolge tritt auch bei nicht ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrats ein (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 45; 12. März 2009 - 2 AZR 251/07 - Rn. 36). Zu dieser Beteiligung gehört insbesondere die hinreichende Unterrichtung des Gremiums. Der Personalrat ist ordnungsgemäß unterrichtet worden, wenn der Arbeitgeber die für ihn subjektiv tragenden Gründe, auf denen sein Kündigungsentschluss beruht, mitgeteilt hat (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 57; für die ordentliche Kündigung bspw. BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 22). Darauf, ob diese Umstände auch objektiv geeignet und ausreichend sind, die Kündigung zu stützen, kommt es für die Ordnungsgemäßheit der Unterrichtung nicht an (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - aaO; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 46). Fehlerhaft ist die Unterrichtung, wenn der Dienstherr dem Personalrat bewusst und gewollt unrichtige oder unvollständige Sachverhalte unterbreitet hat (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - aaO; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - aaO).

47

2. Die Parteien streiten nicht darüber, dass die Beklagte das Mitbestimmungsverfahren gegenüber dem zuständigen örtlichen Personalrat formell ordnungsgemäß eingeleitet und die zu beachtenden Fristen gewahrt hat. Ein Rechtsfehler ist insoweit nicht zu erkennen.

48

3. Die Beklagte hat den Personalrat nicht bewusst irreführend über das Ausmaß der Pflichtverletzung unterrichtet, soweit sie ihm mitgeteilt hat, der Kläger habe „wenigstens 180 Liter Dieselkraftstoff“ entwendet. Auf die genaue Menge und die Qualität des Diesels, dh. ob es sich um verunreinigte und nicht mehr gebrauchsfähige Kraftstoffreste oder um bessere Qualität handelte, kam es ihr - soweit sie hiervon im Kündigungszeitpunkt überhaupt konkrete Kenntnis hatte - ersichtlich nicht an. Es handelt sich zudem um Umstände, die für den Kern des mitgeteilten Vorwurfs, der Kläger habe vom Betriebsgelände der GmbH eine erhebliche Menge von Dieselkraftstoff widerrechtlich entwendet, nicht entscheidend sind. In einem solchen Fall ist es unschädlich, wenn sich der dem Personalrat mitgeteilte Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess nicht in seiner Gesamtheit bestätigt (vgl. BAG 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 34).

49

4. Der Kläger erhebt keine zulässige Verfahrensrüge, soweit er geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe eine gebotene Zeugenvernehmung zum „Informationsumfang und Informationsinhalt bei der Anhörung“ unterlassen. Es fehlt an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des unter Beweis gestellten Vorbringens (vgl. dazu BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 1005/12 - Rn. 28 mwN).

50

III. Die Kündigung ist nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass im Kündigungszeitpunkt im maßgebenden Betrieb der GmbH ein Betriebsrat gewählt war. Dieser war auch mit Blick auf die Gestellung des Klägers nicht zur Kündigung anzuhören. Das ergibt die Auslegung von §§ 1, 6 Abs. 1 und Abs. 3 BwKoopG.

51

1. Nach § 1 BwKoopG gilt dieses Gesetz ua. für Angestellte des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums der Verteidigung, soweit und solange ihnen unter Beibehaltung ihres Dienst- oder Arbeitsverhältnisses zum Bund eine Tätigkeit in einem Wirtschaftsunternehmen zugewiesen wurde, mit dem die Bundeswehr eine Kooperation eingegangen ist. Die GmbH ist ein solches Kooperationsunternehmen. Die ihr zugewiesenen oder gestellten Arbeitnehmer, zu denen der Kläger zählt, gelten daher nach § 6 Abs. 1 BwKoopG ua. für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes als ihre Arbeitnehmer. Die Regelung in § 6 Abs. 3 BwKoopG sichert die Erfüllung der Verpflichtungen des Kooperationsbetriebs aus den in § 6 Abs. 1 BwKoopG genannten Gesetzen, ua. aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Grundsätzlich obliegt es dem Kooperationsbetrieb, die Verpflichtungen zu erfüllen. Scheitert dies allerdings daran, dass der Beschäftigte nicht in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis zum Kooperationsunternehmen steht, hat die betreffende Dienststelle dafür einzustehen (BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 3/10 - Rn. 33, BAGE 138, 25).

52

2. Die Regelungen in § 6 Abs. 1, Abs. 3 BwKoopG tragen dem Umstand Rechnung, dass das Personal der Bundeswehr langfristig in dem privatrechtlich organisierten Betrieb eines Kooperationspartners eingesetzt und dort in die Arbeitsabläufe eingegliedert wird. Mit Blick auf diese faktische Eingliederung soll für den Bereich der betrieblichen Interessenvertretung eine Gleichstellung mit den Arbeitnehmern des Kooperationsbetriebs erreicht werden (vgl. BT-Drs. 15/2944 S. 9), die sich nicht nur darin erschöpft, dass den Betroffenen das aktive und passive Wahlrecht im Kooperationsbetrieb zugestanden wird (BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 3/10 - Rn. 36, BAGE 138, 25). Gleichwohl bedeutet die grundsätzliche Einbeziehung zugewiesener oder gestellter Arbeitnehmer in die Betriebsverfassung nicht zwingend, dass dem Betriebsrat des Kooperationsbetriebs für diese Personengruppen uneingeschränkt die Mitbestimmungsrechte des Betriebsverfassungsgesetzes zukommen. Bestand und Umfang der betrieblichen Mitbestimmung richten sich vielmehr nach dem Gegenstand und Zweck des jeweiligen Mitbestimmungsrechts und der darauf bezogenen Entscheidungsmacht (BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 3/10 - Rn. 41, aaO; 9. Juni 2011 - 6 AZR 132/10 - Rn. 32, BAGE 138, 116; zum Gegenstandsbezug siehe auch BAG 19. Juni 2001 - 1 ABR 43/00 - zu B II 4 und 5 der Gründe, BAGE 98, 60).

53

3. Das Anhörungsrecht des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG zielt - ebenso wie die Anhörung des Personalrats zur Kündigung nach § 79 Abs. 3 BPersVG - nicht darauf ab, die Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung zu überprüfen. Es beschränkt sich vielmehr darauf, dem Betriebsrat im Vorfeld der Kündigung die Möglichkeit zu geben, auf die Willensbildung des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen (für § 102 BetrVG vgl. BAG 13. Dezember 2012 - 6 AZR 348/11 - Rn. 76, BAGE 144, 125; 22. September 1994 - 2 AZR 31/94 - zu II 2 der Gründe, BAGE 78, 39). Da im Fall der Kündigung von gestellten Arbeitnehmern der Kündigungsentschluss nicht durch den Inhaber des Kooperationsbetriebs gefasst und umgesetzt wird, sondern die Entscheidung typischerweise beim öffentlichen (Vertrags-)Arbeitgeber liegt, macht eine Beteiligung des Betriebsrats des Kooperationsbetriebs insoweit keinen Sinn (Altvater/Altvater 8. Aufl. § 6 BwKoopG Rn. 4; Tiling öAT 2013, 139, 140; für die Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG: BAG 9. Juni 2011 - 6 AZR 132/10 - Rn. 32, BAGE 138, 116; ebenso: APS/Koch 4. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 8a; Fitting BetrVG 27. Aufl. § 5 Rn. 319, § 102 Rn. 20d; Raab in GK-BetrVG § 5 Rn. 78). Eine Verdoppelung der Beteiligungsverfahren mit womöglich gegenläufigen Voten der beiden Arbeitnehmervertretungen wäre mangels Entscheidungsbefugnis des Arbeitgebers des Beschäftigungsbetriebs nicht geeignet, die Lage des betroffenen Arbeitnehmers relevant zu verbessern (Tiling aaO). Soweit der Personalrat aus seiner Sicht nicht über die erforderliche Sachverhaltskenntnis verfügt, um anhand der Mitteilungen des öffentlichen Arbeitgebers ein vollständiges Bild vom behaupteten Kündigungsgrund zu gewinnen, steht es ihm frei, dazu weitere Erkundigungen einzuholen und etwa den Arbeitnehmer anzuhören.

54

4. Nach diesen Grundsätzen war eine Beteiligung des Betriebsrats der GmbH nicht geboten. Die in Rede stehende außerordentliche fristlose Kündigung betrifft das zur Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis. Der Kläger hat nicht in Abrede gestellt, dass die Kündigungsbefugnis allein bei ihr lag. Daran vermag auch eine größere Sachnähe des Betriebsrats des Kooperationsbetriebs nichts zu ändern. Ob etwas anderes dann zu gelten hätte, wenn die Ausübung des Kündigungsrechts durch den öffentlichen Arbeitgeber an das Einverständnis des Inhabers des Kooperationsbetriebs geknüpft wäre (dazu Fitting BetrVG 27. Aufl. § 102 Rn. 20d; Tiling öAT 2013, 139, 140), kann dahinstehen. Für einen solchen Sachverhalt fehlt es an Anhaltspunkten. Ebenso wenig hat der Kläger behauptet, die Beklagte und ihr Kooperationsunternehmen hätten den Betrieb gemeinsam geführt.

55

IV. Die Kündigung ist nicht gemäß § 174 Satz 1 BGB oder wegen eines Mangels in der Vertretungsmacht nach § 180 Satz 1 BGB unwirksam. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe seinen Vortrag zur „Frage der Kündigungsbefugnis“ übergangen, ist unzulässig. Soweit das Vorbringen auf eine Unwirksamkeit der Kündigung nach § 174 Satz 1 BGB abzielt, lassen die Ausführungen in der Revisionsbegründung nicht erkennen, dass der Kläger die Kündigung unverzüglich mangels Vorlage eines Vollmachtnachweises zurückgewiesen hätte(zu den Anforderungen an die Zurückweisung vgl. BAG 8. Dezember 2011 - 6 AZR 354/10 - Rn. 33 mwN, BAGE 140, 64). Auf die Berechtigung einer entsprechenden Zurückweisung kommt es demzufolge nicht an. Soweit der Kläger geltend machen will, das Landesarbeitsgericht habe außer Acht gelassen, dass er die Kündigungsbefugnis des „die Kündigung unterschreibenden Mitarbeiters“ bestritten habe, zeigt er die Entscheidungserheblichkeit des vermeintlich übergangenen Vortrags nicht auf. Das gilt insbesondere angesichts der Möglichkeit einer konkludenten Genehmigung der Kündigung durch die Beklagte (vgl. BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 13), von der das Landesarbeitsgericht stillschweigend ausgegangen sein dürfte.

56

V. Da die Kündigung somit bereits wegen erwiesener Tat wirksam ist, kann dahinstehen, ob der Auffassung des Landesarbeitsgerichts zu folgen wäre, die Beklagte könne sich auf den Verdacht, der Kläger habe wesentlich größere Mengen Diesel und in der Qualität höherwertigen Kraftstoff vom Betriebsgelände der GmbH rechtswidrig entwendet, deshalb nicht berufen, weil die Voraussetzungen für das Nachschieben eines solchen Kündigungsgrundes nicht vorgelegen hätten.

57

VI. Der Feststellungsantrag des Klägers betreffend die weitere Kündigung ist als unechter Hilfsantrag zu verstehen. Er ist nur für den Fall gestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht bereits durch die vorausgegangene fristlose Kündigung sein Ende gefunden hat. Gleiches gilt für den Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung. Über beide Anträge war dementsprechend nicht zu entscheiden. Auch das Landesarbeitsgericht hat das Begehren des Klägers nicht anders verstanden. Es hat den Weiterbeschäftigungsantrag nicht auch in der Sache abschlägig beschieden, soweit es das arbeitsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage „insgesamt abgewiesen“ hat. Es hat damit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass der stattgebenden Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsantrag wegen der Erfolglosigkeit des Feststellungsantrags die Grundlage entzogen war. Die Anschlussberufung des Klägers ist damit gleichermaßen gegenstandslos.

58

VII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Bartz    

        

    Alex    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 17. Februar 2012 - 4 Sa 519/10 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger war bei dem Beklagten - einer bayerischen Gemeinde - seit 1998 als Verwaltungsangestellter beschäftigt. Er hatte die Funktion des Leiters der EDV inne. Auf sein Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) Anwendung. Laut Arbeitsvertrag war er zunächst in Vergütungsgruppe IV b der Anlage 1a zum BAT eingruppiert.

3

Im Juni 2009 hörte der Beklagte den Kläger erstmals zu einem Verdacht auf Arbeitszeitmanipulation an. Am 29. Juni 2009 beschloss der Gemeinderat, dem Kläger den Abschluss eines Aufhebungsvertrags anzubieten. Da der Kläger das Angebot nicht annahm, führte der Beklagte weitere Ermittlungen durch. Zu deren Ergebnissen wurde der Kläger am 11. November 2009 angehört. Er nahm am 19. November 2009 zu den Vorwürfen Stellung.

4

Auf der Tagesordnung der nächsten Sitzung des Gemeinderats des Beklagten am 2. Dezember 2009 hieß es unter Punkt 3.3:

        

„[Name des Klägers]: Beratung und ggf. Beschlussfassung über arbeitsrechtliche Konsequenzen.“

5

Am Sitzungstag beschloss der Gemeinderat gegen Mitternacht, die Beratung und Beschlussfassung über die den Kläger betreffende Angelegenheit auf den 8. Dezember 2009 zu vertagen. In dieser Sitzung informierte der erste Bürgermeister den Gemeinderat über die nach Abschluss der Ermittlungen gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe. Der Gemeinderat beschloss daraufhin, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich zu kündigen.

6

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2009 hörte der erste Bürgermeister den Personalrat unter Schilderung der Vorwürfe zu dieser Absicht an. Der Personalrat verweigerte mit Schreiben vom 17. Dezember 2009 die Zustimmung. Er rügte, dass er nicht vor der endgültigen Entscheidung des Gemeinderats beteiligt worden sei, und vertrat die Auffassung, die vom Beklagten vorgetragenen Gründe seien nicht geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Es beständen zudem „erhebliche rechtliche Bedenken am Zeitpunkt“ des Kündigungsausspruchs.

7

Am 18. Dezember 2009 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos.

8

Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Er habe seine Arbeitszeit stets korrekt erfasst. Zudem sei die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten worden. Der Beklagte habe schon die Ermittlungen zu zögerlich durchgeführt. Spätestens am 2. Dezember 2009 aber sei die Frist in Lauf gesetzt worden, weil die Angelegenheit an diesem Tag sogar auf der Tagesordnung gestanden habe. Auch sei die Beteiligung des Personalrats nicht ordnungsgemäß erfolgt. Sie hätte vor und nicht erst nach einer endgültigen Beschlussfassung des Gemeinderats durchgeführt werden müssen.

9

Der Kläger hat, soweit für die Revision von Belang, beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 18. Dezember 2009 nicht beendet worden ist.

10

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat behauptet, der Kläger habe im Zeitraum von August 2008 bis Mai 2009 in mindestens zwölf Fällen etwa zehn bis fünfzehn Minuten vor dem Betreten des Dienstgebäudes telefonische „Kommt-Buchungen“ vorgenommen und dadurch die Erfassung seiner Arbeitszeit manipuliert. Um den im Juni 2009 entstandenen Anfangsverdacht belegen zu können, habe es umfangreicher Ermittlungen bedurft, welche erst im November 2009 abgeschlossen gewesen seien. Die Angelegenheit sei sodann auf die Tagesordnung der nächsten Gemeinderatssitzung gesetzt worden. Um Mitternacht sei es für keinen der Beteiligten mehr zumutbar gewesen, auch die Angelegenheit des Klägers noch zu behandeln. Der Personalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Erst nachdem seine Stellungnahme vorgelegen habe, habe der erste Bürgermeister die Kündigung ausgesprochen.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Das angegriffene Urteil war aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht die außerordentliche Kündigung nicht als unwirksam ansehen. Seine Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Sache war an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden. Der relevante Sachverhalt ist noch nicht hinreichend festgestellt (§ 563 Abs. 3 ZPO).

13

I. Die Kündigung ist nicht deshalb unwirksam, weil der erste Bürgermeister des Beklagten den Kündigungsbeschluss nicht selbst gefasst, sondern einen Beschluss des Gemeinderats ausgeführt hat. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Gemeinderat gem. Art. 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayGO für den Ausspruch der Kündigung zuständig war. Der Kläger gehört als ursprünglich in Vergütungsgruppe IV b der Anlage 1a zum BAT eingruppierter Arbeitnehmer mangels gegenteiliger Anhaltspunkte zur Gruppe der „Arbeitnehmer ab Entgeltgruppe 9 TVöD“ iSd. Vorschrift.

14

II. Die Kündigung ist nicht wegen unzureichender Anhörung des Personalrats unwirksam (Art. 77 Abs. 3, Abs. 4 BayPVG). Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts musste diese gem. Art. 77 Abs. 3 BayPVG zwar vor Ausspruch der Kündigung, nicht aber entsprechend Art. 70 Abs. 1 Satz 4, Satz 5 BayPVG schon vor dem endgültigen Kündigungsentschluss des Gemeinderats erfolgen. Es kann deshalb dahinstehen, ob ein Verstoß gegen diese Vorschrift zur Fehlerhaftigkeit der Personalratsanhörung und Unwirksamkeit der Kündigung führen würde.

15

1. Gem. Art. 77 Abs. 3 BayPVG ist der Personalrat vor dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung anzuhören. Der Dienststellenleiter hat die beabsichtigte Maßnahme zu begründen. Hat der Personalrat Bedenken, hat er sie unter Angabe der Gründe dem Dienststellenleiter unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Arbeitstagen schriftlich mitzuteilen.

16

2. Eine bestimmte zeitliche Reihenfolge von Anhörung des Personalrats und Beschlussfassung des Gemeinderats ist gesetzlich nicht vorgesehen.

17

a) Allerdings soll nach Art. 70 Abs. 1 Satz 4 BayPVG bei Gemeinden die Mitbestimmung erfolgen, bevor das zuständige Organ endgültig entscheidet. Der Beschluss des Personalrats ist dem zuständigen Organ zur Kenntnis zu bringen. Diese Regelung gilt gem. Art. 72 Abs. 1 Satz 3 BayPVG entsprechend für Maßnahmen, an denen der Personalrat - wie bei der ordentlichen Kündigung(Art. 77 Abs. 1 Satz 1 BayPVG) - mitwirkt.

18

b) Dagegen wird für das in Art. 77 Abs. 3 BayPVG geregelte Verfahren der Anhörung vor außerordentlichen Kündigungen nicht auf die Bestimmung des Art. 70 Abs. 1 Satz 4 BayPVG verwiesen. Die Notwendigkeit einer Anhörung des Personalrats vor der Beschlussfassung des Gemeinderats lässt sich deshalb - anders als offenbar das Landesarbeitsgericht angenommen hat - nicht unmittelbar aus einer gesetzlich gebotenen Anwendung von Art. 70 Abs. 1 Satz 4 BayPVG ableiten.

19

c) Für eine analoge Anwendung der in Fällen der Mitwirkung des Personalrats geltenden Verweisungsregelung des Art. 72 Abs. 1 Satz 3 BayPVG auf die Fälle der Anhörung des Personalrats iSv. Art. 75 Abs. 3 BayPVG ist kein Raum.

20

aa) Auch wenn der Wortsinn des Gesetzes die Grenze der Auslegung markiert, ist er für die Rechtsanwendung durch die Gerichte keine unübersteigbare Grenze. Der Richter hat nicht zwingend am Wortsinn einer Norm haltzumachen (BVerfG 14. Februar 1973 - 1 BvR 112/65 - zu C IV 1 der Gründe, BVerfGE 34, 269). Sowohl seitens der Methodenlehre als auch von Verfassungs wegen kann es für ihn wegen der Bindung an Gesetz „und Recht“ nach Art. 20 Abs. 3 GG geboten sein, das vom Gesetz Gewollte gegen das im Gesetz Gesagte zur Geltung zu bringen. Zur wortsinnübersteigenden Gesetzesanwendung durch Analogie oder wortsinnunterschreitenden Nichtanwendung des Gesetzes durch teleologische Reduktion bedarf es dabei einer besonderen Legitimation. Analoge Gesetzesanwendung setzt voraus, dass der gesetzessprachlich nicht erfasste, dh. gesetzlich ungeregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangt, wie die gesetzessprachlich erfassten Fälle. Teleologische Reduktion setzt umgekehrt voraus, dass der gesetzessprachlich erfasste, dh. der gesetzlich in bestimmter Weise geregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes nach einer anderen Entscheidung verlangt als die übrigen geregelten Fälle, um Wertungswidersprüche zu vermeiden (BAG 14. Februar 2007 - 7 ABR 26/06 - Rn. 55, BAGE 121, 212; 29. September 2004 - 1 ABR 39/03 - zu B III 2 b der Gründe, BAGE 112, 100).

21

bb) Hier ist eine analoge Anwendung von Art. 72 Abs. 1 Satz 3, Art. 70 Abs. 1 Satz 4 BayPVG auf die Fälle der Anhörung des Personalrats nach Art. 75 Abs. 3 BayPVG nicht geboten. Die Sachverhalte von Mitbestimmung/Mitwirkung auf der einen und bloßer Anhörung des Personalrats auf der anderen Seite sind zu verschieden, als dass sie nach einer gleichen Ausgestaltung des Beteiligungsverfahrens verlangten. In den Fällen der Mitbestimmung und der Mitwirkung sehen Art. 70 bzw. Art. 72 BayPVG mehrstufige Verständigungsverfahren zwischen Dienststellenleiter und Personalrat vor, wenn dieser der beabsichtigten Maßnahme seine Zustimmung versagt bzw. Einwendungen gegen sie erhebt. Der Dienststellenleiter kann die beabsichtigte Maßnahme nicht wirksam durchführen, wenn er das betreffende weitere Verfahren nicht einhält. Bei seiner endgültigen Entscheidung soll das zuständige Gemeindeorgan deshalb mögliche Verweigerungsgründe bzw. Einwendungen des Personalrats kennen, um angesichts ihrer beurteilen zu können, ob es an der beabsichtigten Maßnahme trotz ihrer zumindest vorläufigen Undurchführbarkeit und der Notwendigkeit eines Verständigungsverfahrens nach Art. 70 bzw. Art. 72 BayPVG festhalten will. Diese wegen Art. 77 Abs. 1 BayPVG für die ordentliche Kündigung gegebene Situation liegt bei außerordentlichen Kündigungen nicht vor. Auch wenn der Personalrat im Rahmen der Anhörung nach Art. 77 Abs. 3 BayPVG Bedenken gegen die beabsichtigte Kündigung erhebt, ist der Dienststellenleiter nicht gehalten, vor Ausspruch der Kündigung das Verfahren nach Art. 72 Abs. 3, Abs. 4 BayPVG einzuhalten. Er kann die Kündigung vielmehr - wie der Arbeitgeber nach § 102 BetrVG - trotz der Bedenken des Personalrats erklären, ohne weitere verfahrensrechtliche Vorgaben beachten zu müssen. Damit wiederum verlangen Gleichheitssatz und gesetzliche Wertungskonsistenz nicht danach, Art. 70 Abs. 1 Satz 4 BayPVG über das geschriebene Gesetz hinaus auf die Fälle einer Anhörung des Personalrats nach Art. 77 Abs. 3 BayPVG entsprechend anzuwenden.

22

cc) Eine analoge Anwendung ist auch nicht deshalb geboten, weil nur so Sinn und Zweck einer Anhörung des Personalrats gewahrt und erreicht werden könnten. Zwar soll die Anhörung den Arbeitgeber dazu veranlassen, eine geplante Kündigung zu überdenken, sich mit den Argumenten des Personalrats auseinanderzusetzen und ggf. von der Kündigung Abstand zu nehmen (vgl. BAG 27. November 2008 - 2 AZR 98/07 - Rn. 36, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 90 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 4; zu § 102 BetrVG KR/Etzel 10. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 8). Dieser Zweck wird jedoch auch dann nicht verfehlt, wenn dem Gemeinderat in den Fällen der außerordentlichen Kündigung die Stellungnahme des Personalrats bei seiner Beschlussfassung noch nicht bekannt ist. Dem Schutzzweck der Personalratsbeteiligung ist vielmehr durch die Bestimmungen der bayerischen Gemeindeordnung hinreichend Rechnung getragen. Der erste Bürgermeister führt nicht nur den Vorsitz im Gemeinderat und vollzieht als ausführendes Organ dessen Beschlüsse (Art. 36 BayGO). Der Gesetzgeber hat ihm auch die Funktion des Dienststellenleiters iSv. Art. 7 Abs. 1, Abs. 2 BayPVG und in Art. 43 Abs. 3 BayGO die des Dienstvorgesetzten der Beamten und Angestellten der Gemeinde übertragen. Im Rahmen dieser Funktionen gehört die eigenständige Durchführung der Personalratsanhörung zu seinen gesetzlichen Aufgaben. Damit hat ihm der Gesetzgeber eine - wenn auch nicht stets das Kündigungsrecht als solches umfassende - partielle Personalkompetenz zugewiesen. In deren Rahmen hat er die Pflicht zur sachlichen Beurteilung. Sie verlangt von ihm, die Stellungnahme des Personalrats gewissenhaft inhaltlich zu prüfen und die Angelegenheit dem Gemeinderat für den Fall, dass die Stellungnahme zu Bedenken an der Berechtigung des Kündigungsentschlusses Anlass gibt, erneut zuzuleiten.

23

d) Die Senatsrechtsprechung steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Nach der Entscheidung vom 18. Mai 1994 (- 2 AZR 930/93 - zu III 1 b der Gründe, AP BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 33 = EzA BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 6) ist zwar umgekehrt die Personalratsanhörung nicht deshalb fehlerhaft, weil sie ohne Vorliegen eines Kündigungsentschlusses des zuständigen Gremiums durchgeführt wurde, um dieses erst anschließend und unter Vorlage der Stellungnahme des Personalrats mit der Angelegenheit zu befassen. Das bedeutet aber nicht, dass die hier eingeschlagene Vorgehensweise rechtswidrig wäre.

24

3. Danach ist die Anhörung des Personalrats ordnungsgemäß erfolgt. Dieser ist am 14. Dezember 2009 unter Schilderung des aus Sicht des Beklagten kündigungsrelevanten Sachverhalts über die beabsichtigte Kündigung unterrichtet worden. Der Kläger hat die inhaltliche Richtigkeit der Information nicht gerügt. Der Personalrat hat binnen dreier Tage unter Angabe formaler und inhaltlicher Gründe erklärt, seine Zustimmung zur Kündigung zu verweigern. Damit war das Anhörungsverfahren nach Maßgabe von Art. 77 Abs. 3 BayPVG am 17. Dezember 2009 - also vor Ausspruch der Kündigung - ordnungsgemäß abgeschlossen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Stellungnahme des Personalrats dem ersten Bürgermeister Anlass dafür hätte sein müssen, den Gemeinderat vor der Ausführung des Kündigungsbeschlusses erneut mit der Sache zu befassen.

25

III. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich derzeit nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend. Die außerordentliche Kündigung ist nach den bisherigen Feststellungen nicht deshalb unwirksam, weil der Beklagte die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt hätte.

26

1. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen.

27

a) Die Frist beginnt nach Abs. 2 Satz 2 der Norm mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände (BAG 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 30; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, BAGE 137, 54). Der Kündigungsberechtigte, der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann deshalb nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne(BAG 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - AP BGB § 626 Nr. 231 = EzA BPersVG § 108 Nr. 5; 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - zu B I 3 der Gründe, AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9). Sind die Ermittlungen abgeschlossen und hat er eine hinreichende Kenntnis vom Kündigungssachverhalt, beginnt der Lauf der Ausschlussfrist. Unbeachtlich ist, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder überflüssig waren (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - aaO; 5. Dezember 2002 - 2 AZR 478/01 - zu B I 3 c bb (1) der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 63 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 1).

28

b) Neben den Mitgliedern der Organe von juristischen Personen und Körperschaften gehören zu den Kündigungsberechtigten auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat. Dagegen ist die Kenntnis anderer Personen für den Lauf der Ausschlussfrist grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt auch dann, wenn den Mitarbeitern Aufsichtsfunktionen übertragen worden sind (BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 388/07 - Rn. 21, AP BGB § 626 Nr. 217 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 23; 26. November 1987 - 2 AZR 312/87 - RzK I 6g Nr. 13). Nur ausnahmsweise muss sich der Arbeitgeber die Kenntnis solcher Personen nach Treu und Glauben zurechnen lassen. Dazu müssen diese Personen eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb oder in der Verwaltung haben sowie tatsächlich und rechtlich in der Lage sein, einen Sachverhalt, der Anhaltspunkte für eine außerordentliche Kündigung bietet, so umfassend zu klären, dass mit ihrer Mitteilung der Kündigungsberechtigte ohne weitere eigene Nachforschungen seine (Kündigungs-)Entscheidung abgewogen treffen kann. Dementsprechend müssen diese Mitarbeiter in einer ähnlich selbständigen Stellung sein, wie ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertreter des Arbeitgebers (BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 388/07 - Rn. 22, aaO; 18. Mai 1994 - 2 AZR 930/93 - zu II 3 a der Gründe, AP BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 33 = EzA BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 6; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 355 mwN; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 810). Voraussetzung für eine Zurechenbarkeit der Kenntnisse dieser Personen zum Arbeitgeber ist ferner, dass die Verzögerung bei der Kenntniserlangung in dessen eigener Person auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs oder der Verwaltung beruht (BAG 23. Oktober 2008 - 2 AZR 388/07 - Rn. 22, aaO; 18. Mai 1994 - 2 AZR 930/93 - aaO; KR/Fischermeier § 626 BGB Rn. 355).

29

2. Danach hat der Beklagte die Erklärungsfrist gewahrt.

30

a) Maßgebend für den Beginn der Frist ist im Streitfall die Kenntnis des Gemeinderats als des gem. Art. 43 BayGO kündigungsberechtigten Organs. Dieser hatte erst aufgrund der Erörterungen in der Sitzung vom 8. Dezember 2009 Kenntnis von den aus seiner Sicht eine außerordentliche Kündigung begründenden Tatsachen erlangt. Diese waren ihm weder mit der Ladung noch in der Sitzung vom 2. Dezember 2009 mitgeteilt worden. Zwar war der Gemeinderat bereits am 29. Juni 2009 mit Vorwürfen gegen den Kläger befasst. An diesem Tag wurde jedoch lediglich beschlossen, dem Kläger einen Aufhebungsvertrag anzubieten. Falls er diesen nicht annähme, sollten weitere Ermittlungen durchgeführt werden. Der Gemeinderat besaß zu diesem Zeitpunkt noch keine aus seiner Sicht hinreichenden, eine außerordentliche Kündigung rechtfertigenden Kenntnisse.

31

b) Der Beklagte muss sich die schon länger währende Kenntnis seines ersten Bürgermeisters von den dem Kündigungsentschluss zugrunde liegenden Umständen nicht zurechnen lassen. Der erste Bürgermeister hat zwar als Vorgesetzter der Gemeindebediensteten und Vorsitzender des Gemeinderats eine herausgehobene Stellung (vgl. BAG 18. Mai 1994 - 2 AZR 930/93 - zu II 3 b der Gründe, AP BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 33 = EzA BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 6). Die Tatsache, dass der Gemeinderat erst am 8. Dezember 2009 von den aus seiner Sicht kündigungsrelevanten Tatsachen Kenntnis erlangt hat, beruht aber nicht auf einem Organisationsverschulden.

32

aa) Es stellt kein solches Verschulden dar, dass der Gemeinderat seine turnusgemäßen Sitzungen im Abstand von mehreren Wochen abhält. Der Gemeinderat muss nicht im Vorhinein mit Blick auf mögliche, nur im Ausnahmefall notwendig werdende außerordentliche Kündigungen einen engeren Sitzungsrhythmus einplanen. Nach dem Schutzzweck des § 626 Abs. 2 BGB ist es unbedenklich, eine außerordentliche Kündigung in der turnusmäßig nächsten Sitzung eines Gemeinderats zu beraten. Für den Arbeitnehmer iSv. Art. 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayGO ist erkennbar, dass der erste Bürgermeister auch bei eigener Kenntnis der aus seiner Sicht eine außerordentliche Kündigung rechtfertigenden Umstände eines Beschlusses des Gemeinderats bedarf und dieser in der Regel erst in der nächsten Sitzung herbeigeführt werden kann(BAG 18. Mai 1994 - 2 AZR 930/93 - zu II 3 c cc der Gründe, AP BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 33 = EzA BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 6).

33

bb) Es kann nicht als Organisationsmangel angesehen werden, dass der erste Bürgermeister keine Sondersitzung des Gemeinderats einberufen hat. Mit Blick auf die Größe des Gremiums und die einzuhaltenden Ladungsfristen hätte dies einen nicht gerechtfertigten Aufwand verursacht (vgl. BAG 18. Mai 1994 - 2 AZR 930/93 - zu II 3 c dd der Gründe, AP BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 33 = EzA BGB § 626 Ausschlußfrist Nr. 6).

34

cc) Es ist dem Beklagten nicht anzulasten, dass der Gemeinderat die Beratung über eine Kündigung des Arbeitsvertrags mit dem Kläger nicht mehr - nach Mitternacht - in der Sitzung vom 2. Dezember 2009 erörtert, sondern diesen Tagesordnungspunkt um sechs Tage auf die Sitzung vom 8. Dezember 2009 vertagt hat. Dies erscheint mit Blick auf die Belange der Gemeinderatsmitglieder und die Interessen des Klägers, der einen Anspruch auf sorgfältige Beratung der ihn betreffenden personellen Angelegenheit hat, als vertretbare Verzögerung. Der Gemeinderat hat - anders als der Kläger gemeint hat - personelle Maßnahmen in der Sitzung am 2. Dezember 2009 nicht vorrangig behandeln müssen. Dem Gemeinderat steht in Bezug auf die Reihenfolge der Beratungen ein Beurteilungsspielraum zu. Den hat er im Streitfall nicht überschritten. Es ist nicht unsachlich oder willkürlich, die Tagesordnungspunkte in der vom Vorsitzenden in der Einladung vorgegebenen Reihenfolge abzuhandeln. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - nicht von vornherein mit der Vertagung eines oder mehrerer Tagesordnungspunkte zu rechnen ist.

35

IV. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht geprüft, ob ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSd. § 626 Abs. 1 BGB gegeben war. Ebenso wenig ist es dem Vortrag des Klägers nachgegangen, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei aufgrund der zögerlichen Durchführung der Ermittlungen bereits vor dem 2. Dezember 2009 verstrichen gewesen. Über beides vermag der Senat mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen nicht selbst zu entscheiden.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rinck    

        

        

        

    Söller    

        

    B. Schipp    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. August 2009 - 19/3 Sa 575/08 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 6. März 2008 - 19 Ca 9432/06 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine fristlose Verdachtskündigung.

2

Der im Jahr 1961 geborene Kläger war bei der beklagten Stadt seit dem 1. September 1989 als Orchestermusiker (2. Hornist) gegen ein Bruttomonatsgehalt von zuletzt 4.580,79 Euro beschäftigt. Nach den anzuwendenden Bestimmungen des Tarifvertrags für Musiker in Kulturorchestern (TVK) sind Arbeitnehmer, die das 40. Lebensjahr vollendet haben und mehr als 15 Jahre beschäftigt sind, ordentlich nicht mehr kündbar.

3

Ihren Eigenbetrieb der städtischen Bühnen leitete die Beklagte mit Wirkung zum 1. September 2004 auf die S GmbH (nachfolgend S GmbH) über. Der Kläger widersprach einem Übergang seines Arbeitsverhältnisses. In der Folge wies die Beklagte den Kläger - ebenso wie die übrigen Mitarbeiter, die einer Überleitung widersprochen hatten - aufgrund eines mit der S GmbH geschlossenen Personalgestellungsvertrags dieser zur Dienstausübung zu. Im Februar 2005 fand eine Betriebsratswahl für einen von der Beklagten und der S GmbH gemeinsam geführten Betrieb „Städtische Bühnen“ statt. In dem von der S GmbH eingeleiteten Wahlanfechtungsverfahren wurde der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Wahl rechtskräftig abgewiesen. Mit - weiterem - Beschluss vom 19. Februar 2009 erklärte das Hessische Landesarbeitsgericht die Wahl für „ungültig“.

4

Der Kläger war mit einem Kollegen aus dem Orchester befreundet. Dieser hat zwei Töchter, geboren 1990 und 1994. Der Kläger berührte das ältere der Mädchen - damals fünf- bis sechsjährig - bei Besuchen im Haus des Freundes in den Jahren 1995 und 1996 unsittlich, das jüngere - damals acht bis neun Jahre alt - mehrmals bei Besuchen bei der inzwischen allein lebenden Mutter in den Jahren 2002 und 2003. Am 22. September 2004 erstattete die Mutter Anzeige. Gegen den Kläger wurde daraufhin ein Ermittlungsverfahren ua. wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern eingeleitet. Gegenstand des Verfahrens war auch der Vorwurf, der Kläger habe im Jahr 1994 ein weiteres, damals elf Jahre altes Mädchen sexuell missbraucht.

5

Am 20. Oktober 2004 wurde die Beklagte durch den Vater der Mädchen über die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe informiert. In einem Gespräch der Beklagten mit den übrigen Hornbläsern am 22. November 2004 offenbarte einer der Musiker, dass sich der Kläger auch seinem Sohn unsittlich genähert habe und ein strafrechtliches Verfahren gegen Zahlung eines Bußgelds eingestellt worden sei. Er und andere Mitglieder der Stimmgruppe der Hornisten erklärten, mit dem Kläger nicht mehr zusammenarbeiten zu können.

6

Am 13. Dezember 2004 hörte die Beklagte den Kläger zu den Vorwürfen an. Dieser bestritt deren Berechtigung. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2004 sprach die Beklagte eine auf den Verdacht der Tatbegehungen gestützte fristlose Kündigung aus. Der dagegen erhobenen Klage gab das Hessische Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 9. Oktober 2006 mit der Begründung - rechtskräftig - statt, dass die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt habe.

7

Nachdem die Beklagte im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 9. Oktober 2006 erfahren hatte, dass gegen den Kläger Anklage erhoben worden war, bemühte sie sich vergeblich um Akteneinsicht. In einem Telefonat mit dem zuständigen Richter am 30. November 2006 erfuhr sie, dass die Anklageerhebung auf dem ihr bekannten Inhalt der Ermittlungsakte beruhe. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2006 lud sie den Kläger erneut zu einem Anhörungsgespräch am 11. Dezember 2006. Der Kläger teilte ihr am 8. Dezember 2006 mit, dass er nicht erscheinen werde. Nach Anhörung des - trotz Wahlanfechtung weiterhin amtierenden - Betriebsrats sprach die Beklagte am 21. Dezember 2006 erneut eine außerordentliche, fristlose Verdachtskündigung aus. Dagegen erhob der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei mangels Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die Frist sei spätestens am 3. Dezember 2004 abgelaufen. Die Kündigung sei eine unzulässige Wiederholungskündigung. Die von ihm begangenen Straftaten könnten als außerdienstliches Verhalten die Kündigung ohnehin nicht rechtfertigen. Der Kläger hat bestritten, dass es zu einem Vertrauensverlust bei seinen Kollegen gekommen sei und seine Anwesenheit die künstlerische Qualität des Orchesters beeinträchtige. Seine sexuellen Neigungen seien seit Anfang der 90-er Jahre im Orchester bekannt gewesen. Er befinde sich seit 1992 in therapeutischer Behandlung. Deswegen bestehe keine Wiederholungsgefahr. Seine Taten seien Folge einer psychischen Disposition. Die Kündigung sei deshalb nach den Grundsätzen der krankheitsbedingten Kündigung zu beurteilen und mangels negativer Prognose unwirksam. Außerdem habe statt des Betriebsrats der zuständige Personalrat angehört werden müssen.

9

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 2006 nicht beendet worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, mit der Erhebung der Anklage sei ein wesentlicher Einschnitt im Strafverfahren verbunden gewesen. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei erneut in Gang gesetzt worden, als sie von der Anklageerhebung Kenntnis erhalten habe. Wegen des dringenden Verdachts der Begehung der fraglichen Straftaten sei die Kündigung auch materiell gerechtfertigt. Das Verhalten des Klägers weise einen hinreichenden dienstlichen Bezug auf. Das Vertrauensverhältnis zu den Mitgliedern des Orchesters, insbesondere zu den Hornbläsern, sei zerstört. Die Anwesenheit des Klägers beeinträchtige die künstlerische Qualität bei Proben und Vorstellungen. Die Neigungen des Klägers seien keineswegs allgemein im Orchester bekannt gewesen. Es bestehe ein unkalkulierbares Risiko, dass er wieder einschlägig auffällig werde. Im Hinblick darauf, dass sie in der Komparserie und im Rahmen von Praktika minderjährige Kinder beschäftige, sei ihr eine Weiterbeschäftigung nicht zuzumuten. Die Beteiligung des Personalrats sei nicht erforderlich gewesen.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO)und zur Abweisung der Klage. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt(I.). Die Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Dies kann der Senat selbst entscheiden, da die maßgeblichen Tatsachen feststehen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB liegt vor(II.). Die Kündigung ist nicht mangels Anhörung des Personalrats unwirksam (III.).

13

I. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 ist nicht nach § 626 Abs. 2 BGB unwirksam. Die Beklagte hat die gesetzliche Frist zur Erklärung der Kündigung gewahrt.

14

1. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

15

a) Dies ist dann der Fall, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (Senat 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - Rn. 15 mwN, NZA-RR 2011, 177; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7). Grob fahrlässige Unkenntnis ist insoweit ohne Bedeutung (Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 319 mwN). Zu den maßgeblichen Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt (Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - aaO). Solange er die zur Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführt, läuft die Ausschlussfrist nicht an (Senat 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - zu B I 3 der Gründe, aaO). Um den Lauf der Frist nicht länger als notwendig hinauszuschieben, muss eine Anhörung allerdings innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Die Frist darf im Allgemeinen, und ohne dass besondere Umstände vorlägen, nicht mehr als eine Woche betragen (Senat 2. März 2006 - 2 AZR 46/05 - Rn. 24, BAGE 117, 168).

16

b) Geht es um ein strafbares Verhalten des Arbeitnehmers, darf der Arbeitgeber den Aus- oder Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens abwarten und in dessen Verlauf zu einem nicht willkürlich gewählten Zeitpunkt kündigen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 25, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9; Bader/Bram/Dörner/Kriebel-Bader KSchG Stand Dezember 2010 § 626 BGB Rn. 77; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 321). Für den betreffenden Zeitpunkt bedarf es eines sachlichen Grundes. Wenn etwa der Kündigungsberechtigte neue Tatsachen erfahren oder neue Beweismittel erlangt hat und nunmehr einen - neuen - ausreichenden Erkenntnisstand für eine Kündigung zu haben glaubt, kann er dies zum Anlass für den Ausspruch der Kündigung nehmen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 20, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; 17. März 2005 - 2 AZR 245/04 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 46 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 9).

17

c) Der Arbeitgeber kann sich auch für die Überlegung, ob er eine Verdachtskündigung aussprechen soll, am Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens orientieren (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7). Dort gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme verstärken, der Vertragspartner habe die Pflichtverletzung begangen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; vgl. HaKo-Gieseler 3. Aufl. § 626 BGB Rn. 106; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 711). Eine solche den Verdacht intensivierende Wirkung kann auch die Erhebung der öffentlichen Klage haben (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; AnwK-ArbR/Bröhl 2. Aufl. Bd. 1 § 626 BGB Rn. 102; HaKo-Gieseler aaO; SPV/Preis aaO). Zwar kann die Erhebung der öffentlichen Klage für sich genommen keinen dringenden Verdacht im kündigungsrechtlichen Sinne begründen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 27, aaO; 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5). Sie bedeutet aber einen Einschnitt, der in der Lage ist, die anderweitig schon genährte Überzeugung des Arbeitgebers zu verstärken. Während die Einleitung des Ermittlungsverfahrens lediglich einen Anfangsverdacht erfordert, ist die Erhebung der öffentlichen Klage nach der Strafprozessordnung an das Bestehen eines „hinreichenden“ Verdachts gebunden. Der Verdacht erhält damit eine andere Qualität. Dies rechtfertigt es, die Erhebung der öffentlichen Klage als einen Umstand anzusehen, bei dessen Eintritt der Arbeitgeber einen sachlichen Grund hat, das Kündigungsverfahren einzuleiten (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - aaO; AnwK-ArbR/Bröhl aaO; HaKo-Gieseler aaO; SPV/Preis aaO).

18

d) Der Arbeitgeber hat nicht nur zwei Möglichkeiten, dem sich mit der Zeit entwickelnden Zuwachs an Erkenntnissen durch eine außerordentliche Kündigung zu begegnen. Es gibt nicht lediglich zwei objektiv genau bestimmbare Zeitpunkte, zu denen die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begönne: einen Zeitpunkt für den Ausspruch einer Verdachts-, einen weiteren für den Ausspruch einer Tatkündigung. Im Laufe des Aufklärungszeitraums kann es vielmehr mehrere Zeitpunkte geben, in denen der Verdacht „dringend“ genug ist, um eine Verdachtskündigung darauf zu stützen. Dabei steht dem Kündigungsberechtigten ein gewisser Beurteilungsspielraum zu (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 22 ff., AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7).

19

e) Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt demnach erneut zu laufen, wenn der Arbeitgeber eine neue, den Verdacht der Tatbegehung verstärkende Tatsache zum Anlass für eine Kündigung nimmt. Eine den Verdacht verstärkende Tatsache kann die Anklageerhebung im Strafverfahren darstellen, selbst wenn sie nicht auf neuen Erkenntnissen beruht. Der Umstand, dass eine unbeteiligte Stelle mit weiterreichenden Ermittlungsmöglichkeiten, als sie dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen, einen hinreichenden Tatverdacht bejaht, ist geeignet, den gegen den Arbeitnehmer gehegten Verdacht zu verstärken. Der Arbeitgeber kann ihn auch dann zum Anlass für den Ausspruch einer Verdachtskündigung nehmen, wenn er eine solche schon zuvor erklärt hatte. Da die neuerliche Kündigung auf einem neuen, nämlich um die Tatsache der Anklageerhebung ergänzten Sachverhalt beruht, handelt es sich nicht etwa um eine unzulässige Wiederholungskündigung. Ebenso wenig ist das Recht, eine weitere Verdachtskündigung auszusprechen, mit dem Ausspruch einer ersten Verdachtskündigung verbraucht. Der Arbeitgeber hat sich dadurch, dass er eine Verdachtskündigung bereits vor Anklageerhebung ausgesprochen hat, auch nicht dahin gebunden, vor Ausspruch einer weiteren Kündigung den Ausgang des Ermittlungs- oder Strafverfahrens abzuwarten. Für die Annahme eines solchen Verzichts auf ein - noch nicht absehbares späteres - Kündigungsrecht gibt es keine Grundlage. Zwar bezieht sich der Verdacht jeweils auf dieselbe Tat, der zur Kündigung führende Sachverhalt ist aber gerade nicht identisch. Die zweite Kündigung stützt sich auf eine erweiterte, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB neu in Gang setzende Tatsachengrundlage.

20

2. Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte mit Ausspruch der Kündigung am 21. Dezember 2006 die Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Diese begann am 8. Dezember 2006 erneut zu laufen. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 erfolgte innerhalb von zwei Wochen.

21

a) Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB begann erneut in dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem die Beklagte vollständige Kenntnis davon erhielt, dass gegen den Kläger Anklage wegen des sexuellen Missbrauchs von Kindern eines Kollegen erhoben worden war und neue entlastende Gesichtspunkte nicht zu ermitteln waren. Der Verdacht bezieht sich zwar auf dieselbe Tat wie der, welcher der Kündigung vom 23. Dezember 2004 zugrunde lag. Der Sachverhalt ist aber deshalb nicht identisch, weil sich die Beklagte zusätzlich auf die Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft beruft.

22

b) Vollständige positive Kenntnis von den den Verdacht verstärkenden Umständen hatte die Beklagte erst am 8. Dezember 2006. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hatte sie zwar bereits während der mündlichen Verhandlung am 9. Oktober 2006 Kenntnis davon erhalten, dass gegen den Kläger Anklage erhoben worden war. Sie hatte aber erst aufgrund des Gesprächs mit dem zuständigen Richter am 30. November 2006 erfahren, dass die Anklage auf dem ihr bekannten Inhalt der Ermittlungsakte beruhte und damit ua. die Vorwürfe zum Gegenstand hatte, die den von ihr gehegten Verdacht gegen den Kläger betrafen. Ihre vorausgegangenen Bemühungen, Akteneinsicht zu erhalten, waren erfolglos geblieben. Die Beklagte durfte anschließend dem Kläger Gelegenheit geben, neue entlastende Umstände vorzubringen. Mit der Einladung zu einem Anhörungstermin am 11. Dezember 2006 ist sie diese Maßnahme zur Aufklärung des Sachverhalts auch hinreichend zügig angegangen. Zwar war die dafür in der Regel zu veranschlagende Wochenfrist am 11. Dezember überschritten. Die Beklagte ging gleichwohl mit der gebotenen Eile vor. Der 30. November 2006 war ein Donnerstag. Das Einladungsschreiben vom 4. Dezember wurde am auf ihn folgenden zweiten Arbeitstag verfasst. Dies ist zumindest angesichts der Besonderheit, dass sie schon zuvor eine Verdachtskündigung ausgesprochen hatte und die Notwendigkeit einer weiteren Anhörung des Klägers damit nicht unmittelbar auf der Hand lag, nicht zu beanstanden. Dass die Beklagte den Termin erst auf eine weitere Woche später anberaumte, ist ihr ebenso wenig vorzuhalten. Sie berücksichtigte damit in angemessener Weise das Interesse des im Betrieb nicht mehr beschäftigten Klägers an einer Ankündigungszeit. Mit dem Erhalt von dessen Nachricht am 8. Dezember 2006, er werde den Anhörungstermin nicht wahrnehmen, stand sodann fest, dass sich neue entlastende Umstände durch eine Anhörung des Klägers nicht ergeben würden.

23

II. Die Kündigung vom 21. Dezember 2006 beruht auf einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB.

24

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220).

25

2. Der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt des sexuellen Missbrauchs von Kindern eines Kollegen ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet.

26

a) Die Beklagte hat sich zur Rechtfertigung der Kündigung zwar nur auf einen entsprechenden Verdacht berufen. Obwohl der Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens gegenüber dem Tatvorwurf einen eigenständigen Kündigungsgrund darstellt (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 55 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8), stehen beide Gründe aber nicht beziehungslos nebeneinander. Wird die Kündigung mit dem Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens begründet, steht indessen zur Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit tatsächlich fest, lässt dies die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung unberührt. Maßgebend ist allein der objektive Sachverhalt, wie er sich dem Gericht nach Parteivorbringen und ggf. Beweisaufnahme darstellt (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, aaO ). Ergibt sich nach tatrichterlicher Würdigung das tatsächliche Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit, ist das Gericht nicht gehindert, dies seiner Entscheidung zugrunde zu legen; es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber sich während des Prozesses darauf berufen hat, er stütze die Kündigung auch auf die erwiesene Tat (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 23, aaO; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - mwN, aaO). Nichts anderes gilt für das Revisionsgericht, wenn das Berufungsgericht zwar nicht selbst geprüft hat, ob ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB gegeben ist, aber gem. § 559 Abs. 2 ZPO bindend festgestellt hat, dass die Pflichtwidrigkeit tatsächlich begangen wurde.

27

b) Dies ist hier der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass der Kläger sowohl während mehrerer Besuche im Haus der Familie seines Kollegen in den Jahren 1995/1996 die ältere von dessen Töchtern, damals fünf- bis sechsjährig, unsittlich berührte als auch mehrmals in den Jahren 2002 und 2003 die jüngere Tochter, damals acht bis neun Jahre alt, anlässlich von Besuchen im Haus der inzwischen allein lebenden Ehefrau. Das Landesarbeitsgericht hat darüber hinaus festgestellt, dass ein weiterer Kollege der Beklagten während eines Gesprächs am 22. November 2004 mitgeteilt hatte, ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen des Vorwurfs, dieser habe sich dem Sohn des Kollegen unsittlich genähert, sei eingestellt worden. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erklärten der betreffende Kollege und andere Mitglieder der Hornisten-Gruppe, mit dem Kläger wegen dieser Vorwürfe nicht mehr zusammenarbeiten zu können.

28

c) Der Umstand, dass der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ausschließlich zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung gehört wurde, steht einer gerichtlichen Berücksichtigung des Geschehens als erwiesene Tat nicht entgegen. In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Entscheidung, ob der ungültig gewählte, aber während des Wahlanfechtungsverfahrens weiter amtierende Betriebsrat überhaupt nach § 102 Abs. 1 BetrVG zu beteiligen war. Ausreichend ist jedenfalls, wenn dem Betriebsrat - ggf. im Rahmen zulässigen „Nachschiebens“ - diejenigen Umstände mitgeteilt worden sind, welche nicht nur den Tatverdacht, sondern zur Überzeugung des Gerichts auch den Tatvorwurf begründen (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 24 mwN, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32). Bei dieser Sachlage ist dem Normzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG auch durch eine Anhörung nur zur Verdachtskündigung Genüge getan. Dem Betriebsrat wird dadurch nichts vorenthalten. Die Mitteilung des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer solle schon und allein wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung gekündigt werden, gibt ihm sogar weit stärkeren Anlass für ein umfassendes Tätigwerden als eine Anhörung wegen einer als erwiesen behaupteten Tat (Senat 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - zu II 1 c cc der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 63; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 217). Danach ist der Betriebsrat hier ausreichend unterrichtet worden. Die vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen sind auch Gegenstand des Anhörungsschreibens vom 15. Dezember 2006.

29

d) Eine schwere und schuldhafte Vertragspflichtverletzung kann ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein. Das gilt auch für die Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten (Senat 12. März 2009 - 2 ABR 24/08 - Rn. 30, EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Arbeitnehmervertreter Nr. 1; 19. April 2007 - 2 AZR 78/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 77 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 8).

30

e) Der Kläger hat seine Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB, auf die berechtigten Interessen der Beklagten Rücksicht zu nehmen, durch den sexuellen Missbrauch von Kindern eines Kollegen in erheblichem Maße verletzt. Darauf, ob sich aus § 5 Abs. 1 TVK aF noch weiter gehende Pflichten zur Rücksichtnahme ergaben, kommt es nicht an.

31

aa) Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 19, NZA 2011, 112; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77). Der Arbeitnehmer ist auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - aaO). Die Pflicht zur Rücksichtnahme kann deshalb auch durch außerdienstliches Verhalten verletzt werden (vgl. ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. § 626 BGB Rn. 83). Allerdings kann ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer grundsätzlich nur beeinträchtigen, wenn es einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit hat (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO). Das ist der Fall, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat (Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 22, aaO; 27. November 2008 -  2 AZR 98/07  - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 90 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 4). Fehlt ein solcher Zusammenhang, scheidet eine Pflichtverletzung regelmäßig aus (Senat 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - aaO; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 21, aaO; SPV/Preis Rn. 642).

32

bb) Die von dem Kläger außerdienstlich begangenen Straftaten haben einen solchen Bezug zum Arbeitsverhältnis.

33

(1) Dieser Bezug besteht zunächst darin, dass Opfer der Straftaten des Klägers die Kinder eines Kollegen waren.

34

(2) Die von dem Kläger an den Kollegenkindern begangenen Sexualstraftaten hatten zudem negative Auswirkungen auf das betriebliche Miteinander. So haben mehrere Mitglieder der Stimmgruppe des Klägers in dem Gespräch am 22. November 2004 gegenüber der Beklagten erklärt, mit dem Kläger nicht mehr zusammenarbeiten zu können. Der Einwand des Klägers, in dem Orchester herrsche ohnehin keine Atmosphäre des Vertrauens, sondern eine Atmosphäre der Angst, ist unbeachtlich. Er ändert nichts daran, dass im vorliegenden Zusammenhang allein der Kläger für die Störung des Betriebsfriedens verantwortlich ist.

35

cc) Die Straftaten des Klägers haben das kollegiale Miteinander und damit das Arbeitsverhältnis schwer belastet. Der Kläger hat das Vertrauen seines Kollegen und von dessen Familie wiederholt massiv missbraucht. Aus eben diesem Grund haben mehrere Kollegen aus seiner Stimmgruppe ausgeschlossen, mit ihm weiter zusammenarbeiten zu können.

36

Der Kläger hat vorsätzlich gehandelt. Soweit er seine sexuellen Neigungen im Laufe des Rechtsstreits auf krankhafte Störungen zurückgeführt hat, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Der Kläger hat nicht behauptet, dass es ihm unmöglich gewesen sei, sein Verhalten zu steuern. Die Grundsätze einer personenbedingten Kündigung finden keine Anwendung.

37

3. Die fristlose Kündigung ist bei Beachtung aller Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gerechtfertigt. Der Beklagten war es unzumutbar, den Kläger auch nur bis zum Ablauf einer - fiktiven - Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen.

38

a) Obwohl das Landesarbeitsgericht - nach seiner Rechtsauffassung konsequent - eine Interessenabwägung nicht vorgenommen hat, ist eine eigene Abwägung durch den Senat möglich. Der dem Berufungsgericht in der Rechtsprechung des Senats zugestandene Beurteilungsspielraum (vgl. Senat 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5) schränkt lediglich die revisionsrechtliche Überprüfung der Interessenabwägung ein. Hat das Berufungsgericht eine Interessenabwägung vorgenommen, ist - wenn sämtliche relevanten Tatsachen feststehen - eine eigene Interessenabwägung des Revisionsgerichts nur dann möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist (vgl. Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 35 f., AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 61, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Fehlt es indessen an einer Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts, ist es - wenn alle relevanten Tatsachen festgestellt sind - nicht erforderlich, dem Landesarbeitsgericht Gelegenheit zu geben, zunächst eine eigene Abwägung vorzunehmen. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB ist zwar in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um Tatsachenfeststellung (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, aaO).

39

b) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26 mwN, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 30). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (st. Rspr., Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO; 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 45, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, aaO; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 251 f. mwN).

40

c) Danach ist die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 2006 gerechtfertigt.

41

aa) Der Kläger hat wiederholt die Kinder eines Kollegen sexuell missbraucht und dadurch bewirkt, dass sich mehrere Mitglieder seiner Stimmgruppe weigerten, mit ihm weiter zusammenzuarbeiten. Ohne erhebliche Auswirkungen auf den Betriebsfrieden war eine Mitwirkung des Klägers in seiner Stimmgruppe damit nicht mehr vorstellbar. Zwar war der betreffende Kollege zum Zeitpunkt der Kündigung bereits aus dem Orchester ausgeschieden. Der zweite betroffene Kollege und weitere Mitglieder, die an dem Gespräch am 22. November 2004 teilgenommen hatten, waren aber auch im Dezember 2006 noch beschäftigt. Unerheblich ist, ob die sexuellen Neigungen des Klägers schon länger im Orchester bekannt waren. Der Kläger hat nicht behauptet, es sei auch bekannt gewesen, dass er tatsächlich Straftaten an Kollegenkindern beging.

42

bb) Für die Beklagte war es nicht zumutbar, den Kläger unter Inkaufnahme einer fortbestehenden Störung des Betriebsfriedens weiterzubeschäftigen. Anders als in einer Drucksituation, der kein Verhalten des Arbeitnehmers und kein personenbedingter Grund zugrunde liegt, war die Beklagte nicht gehalten, sich etwa schützend vor den Kläger zu stellen und zu versuchen, die Kollegen von ihrer Weigerung, weiter mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, abzubringen (vgl. dazu Senat 19. Juni 1986 - 2 AZR 563/85 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 33 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 39). Der Kläger hatte durch sein Verhalten die Betriebsstörung vielmehr selbst herbeigeführt. Er hat das ihm von einem Kollegen und dessen Familie entgegengebrachte Vertrauen in schwerwiegender Weise mehrfach missbraucht. Dass auch anderen Kollegen angesichts dessen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr möglich erschien, ist objektiv nachvollziehbar. Sexueller Missbrauch von Kindern ist ein die Integrität der Opfer in schwerwiegender Weise verletzendes Delikt. Geschützt ist die Entwicklung der Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung (Fischer StGB 58. Aufl. § 176 Rn. 2 mwN). Äußere, fremdbestimmte Eingriffe in die kindliche Sexualität sind in besonderer Weise geeignet, diese Entwicklung zu stören. Die Tat birgt die Gefahr von nachhaltigen Schädigungen des Kindes (Fischer Rn. 36 mwN, aaO). Sie ist nach § 176 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bedroht.

43

cc) Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es nicht. Angesichts der Schwere seiner Pflichtverletzungen war deren - auch nur erstmalige - Hinnahme durch die Beklagte offensichtlich ausgeschlossen (vgl. zu diesem Maßstab Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 37, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17).

44

dd) Nicht entscheidend ist, ob zu erwarten stand, der Kläger werde weiterhin sexuelle Straftaten an (Kollegen-)Kindern begehen. Die von dem Kläger vorgetragenen Therapiebemühungen und der Umstand, dass er strafrechtlich nur zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt wurde, rechtfertigen deshalb ebenso wenig eine andere Bewertung wie Gesichtspunkte der Resozialisierung. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Beklagte angesichts der Erklärungen von Mitgliedern der Stimmgruppe des Klägers davon ausgehen musste, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen diesem und seinen Kollegen nicht mehr zu erwarten war. Soweit der Kläger geltend gemacht hat, nicht alle Orchestermusiker hätten sich geweigert, mit ihm zusammenzuarbeiten, kann die Richtigkeit dieser Behauptung dahinstehen. Der Kläger bestreitet nicht, dass mehrere Mitglieder seiner Stimmgruppe nicht mehr zu einer Zusammenarbeit bereit waren. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die musikalische Qualität von Proben oder Vorstellungen bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers tatsächlich gelitten hätte. Der Beklagten war es angesichts der Taten des Klägers schon nicht zumutbar, von seinen Kollegen eine weitere Zusammenarbeit überhaupt zu fordern. Darauf, ob der Kläger im Dienst Kontakt zu Kindern hatte, kommt es ebenfalls nicht an.

45

ee) An dem Ergebnis der Interessenabwägung ändert sich auch dann nichts, wenn die Behauptung des Klägers zutrifft, erst eine als Krankheit anzusehende Ausprägung seiner sexuellen Neigungen habe ihn straffällig werden lassen. Der Beklagten ist es auch unter dieser Voraussetzung nicht zuzumuten, von den Kollegen des Klägers die weitere Zusammenarbeit zu verlangen. Die durch das Verhalten des Klägers verursachte Störung des Betriebsfriedens wird dadurch nicht geringer.

46

ff) Disziplinarrechtliche Maßstäbe zur Beurteilung von Dienstvergehen eines Beamten sind für den Streitfall ohne Bedeutung. Die Sachverhalte, die den vom Kläger herangezogenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zugrunde liegen, sind zudem schon deshalb nicht vergleichbar, weil es dabei nicht um den Missbrauch von Kollegenkindern ging. Der Kläger will überdies aus dem Umstand, dass die Beklagte Opernaufführungen mit sexuellen Bezügen inszeniert, eine Bereitschaft zur Toleranz von Kindesmissbrauch ableiten. Dies ist abwegig. Soweit er darüber hinaus meint, seine Taten hätten einen Bezug zu seiner Tätigkeit als bildender Künstler, bleibt unklar, welchen Schluss er daraus ableitet. Er kann schwerlich gemeint haben, die Kunstfreiheit rechtfertige Kindesmissbrauch.

47

gg) Beschäftigungsdauer und Lebensalter des Klägers rechtfertigen kein anderes Ergebnis. An der Schwere der Pflichtverletzungen und Störung des Betriebsfriedens ändern sie nichts.

48

hh) Der Umstand, dass der Kläger ordentlich unkündbar war, hat auf die Interessenabwägung keinen gesonderten Einfluss. Ist es dem Arbeitgeber - wie hier - nicht zumutbar, den tariflich unkündbaren Arbeitnehmer bis zum Ablauf der „fiktiven“ Frist einer ordentlichen Beendigungskündigung weiterzubeschäftigen, ist eine außerordentliche fristlose Kündigung auch des tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers gerechtfertigt (Senat 10. Oktober 2002 - 2 AZR 418/01 - zu B I 5 b der Gründe, EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 1; 15. November 2001 -  2 AZR 605/00  - BAGE 99, 331).

49

III. Die Kündigung ist nicht mangels Beteiligung eines für den Kläger zuständigen Personalrats nach § 78 Abs. 2 des Hessischen Personalvertretungsgesetzes vom 24. März 1988 (HPVG) unwirksam.

50

1. Bei einer außerordentlichen Kündigung sieht § 78 Abs. 2 HPVG eine Anhörung des Personalrats vor. Soweit der Kläger das Unterbleiben einer Beteiligung nach § 77 HPVG gerügt hat, handelt es sich offensichtlich um eine Falschbezeichnung. § 77 Nr. 2 Buchst. i HPVG betrifft die Mitbestimmung bei ordentlichen Kündigungen (außerhalb der Probezeit). Eine Anhörung war im Streitfall nicht etwa nach § 104 Abs. 3 Satz 1 HPVG entbehrlich. Nach dieser Bestimmung entfallen zwar die Mitbestimmung und Mitwirkung des Personalrats in Personalangelegenheiten der in § 104 Abs. 1 HPVG genannten Orchestermitglieder. Das Beteiligungsrecht bei außerordentlichen Kündigungen wird aber als bloßes Anhörungsrecht von dem Ausschluss nicht erfasst (Burkholz HPVG 2. Aufl. § 104 zu 3.2; ders. in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 104 HPVG Rn. 17).

51

2. Indessen sind aus dem Parteivorbringen keine Umstände dafür ersichtlich, dass zum Zeitpunkt der Kündigung vom 21. Dezember 2006 ein Personalrat im Amt gewesen wäre, der nach § 78 Abs. 2 HPVG hätte angehört werden müssen.

52

a) Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte habe, da in Wirklichkeit kein gemeinsamer Betrieb bestanden habe, nicht den für diesen gewählten Betriebsrat, sondern „den zuständigen Personalrat“ beteiligen müssen. Nach ihrem Vorbringen im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 23. Dezember 2004 hatte die Beklagte vor Ausspruch dieser Kündigung den Personalrat des „Restamts Städtische Bühnen“ angehört. Dabei handelte es sich um denjenigen Personalrat, der für die von der Beklagten zuvor als Eigenbetrieb geführten Städtischen Bühnen gewählt war. Im Konsens aller Beteiligten sollte dieser ein „Übergangsmandat“ für die bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter bis zur Wahl eines eigenen Betriebsrats wahrnehmen (vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 - zu I der Gründe).

53

b) Die Amtszeit dieses Personalrats hatte mit Ablauf des 31. August 2004 geendet. Auf die Frage, ob nicht bis zur Rechtskraft der die Betriebsratswahl vom Februar 2005 für ungültig erklärenden gerichtlichen Entscheidung ohnehin nur der für den - vermeintlichen - Gemeinschaftsbetrieb gebildete Betriebsrat zu beteiligen gewesen wäre, kommt es deshalb nicht an.

54

aa) Das Amt des für den Eigenbetrieb gewählten Personalrats endete mit Ablauf des 31. August 2004. Der Eigenbetrieb als Dienststelle der Beklagten wurde durch die Überleitung des Betriebs auf die S GmbH mit Wirkung zum 1. September 2004 iSv. § 81 Abs. 2 HPVG aufgelöst. Im Falle einer Privatisierung endet das Amt des Personalrats (Fitting 25. Aufl. § 130 Rn. 10, 15). Die Änderung der Rechtsform des Trägers der Betriebsorganisation hat den Verlust der bisherigen personalvertretungsrechtlichen Repräsentation zur Folge (Fitting aaO Rn. 15). Die Überführung in eine privatrechtliche Trägerschaft stellt eine Auflösung der Dienststelle im personalvertretungsrechtlichen Sinne dar (Burkholz HPVG 2. Aufl. § 1 zu 4 aE; Hohmann in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 81 HPVG Rn. 276 mwN; v.Roetteken in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 1 HPVG Rn. 158). Hieran ändert im Streitfall nichts, dass zusammen mit dem Kläger eine Vielzahl weiterer Arbeitnehmer der Überleitung ihrer Arbeitsverhältnisse auf die S GmbH widersprochen hatten. Damit blieben sie zwar Arbeitnehmer der Beklagten. Auch mag diese sie in einer Organisationseinheit „Restamt Städtische Bühnen“ zusammengefasst haben. Darin lag aber keine Aufrechterhaltung der Dienststelle des Eigenbetriebs „Städtische Bühnen“. Dieser war auf die S GmbH übergeleitet und damit aufgelöst worden. Dies ergibt sich auch aus einer Organisationsverfügung der Oberbürgermeisterin der Beklagten vom 28. September 2004. Ihr zufolge wurden die bisherigen Organisationseinheiten der Städtischen Bühnen mit Wirkung vom 1. September 2004 aufgelöst und gleichzeitig eine neue Organisationseinheit „Restamt Städtische Bühnen“ eingerichtet (vgl. die Entscheidung des BAG im Verfahren über die Anfechtung der Wahl des Betriebsrats im vermeintlichen Gemeinschaftsbetrieb vom 16. April 2008 - 7 ABR 4/07 - zu A der Gründe, AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 32 = EzA BetrVG 2001 § 1 Nr. 7). Der Kläger behauptet nicht, dass für diese Organisationseinheit bis zum Ausspruch der Kündigung ein neuer Personalrat gewählt worden sei.

55

bb) Der Personalrat der bisherigen Dienststelle „Städtische Bühnen“ blieb nicht deshalb über die Privatisierung zum 1. September 2004 hinaus im Amt, weil im Personalgestellungsvertrag zwischen der Beklagten und der S GmbH vom 1. April 2004 geregelt war, dass der Personalrat gemäß § 103 HPVG die zuständige Interessenvertretung für die gestellten Arbeitnehmer sei(vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 - zu I der Gründe). § 103 HPVG bestimmt, dass öffentliche Theater und selbständige Orchester Dienststellen im Sinne des HPVG sind. Diese gesetzliche Fiktion dient vor allem der Klarstellung (Burkholz in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 103 HPVG Rn. 7). Zu den Folgen der Auflösung einer Dienststelle durch ihre Privatisierung verhält sich § 103 HPVG nicht. Durch vertragliche Vereinbarung wiederum kann der gesetzliche Anwendungsbereich des Personalvertretungsrechts nicht wirksam verändert werden.

56

cc) Ein gesetzlich vorgesehenes Übergangsmandat des Personalrats, wie es zB für die Umwandlung eines Universitätsklinikums in § 98 Abs. 6 HPVG geregelt ist, bestand im Streitfall nicht. Wenn der Personalrat zur Schließung dieser möglichen Schutzlücke (vgl. dazu Fitting 25. Aufl. § 130 Rn. 15) ein Übergangsmandat für die bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter wahrnahm (vgl. Hessisches LAG 19. Februar 2009 - 9 TaBV 202/08 -), dauerte dieses allenfalls bis zur Wahl des Betriebsrats, längstens sechs Monate (vgl. Fitting aaO Rn. 17). Zudem gilt ein Personalrat, der in Privatisierungsfällen ein Übergangsmandat wahrnimmt, als Betriebsrat und hat Rechte und Pflichten aus dem Betriebsverfassungs-, nicht dem Personalvertretungsgesetz (vgl. Fitting aaO Rn. 18 f.).

57

3. Für die Anhörung zur außerordentlichen Kündigung des Klägers war nicht ein bei der Beklagten errichteter Gesamtpersonalrat zuständig. Bei individuellen Maßnahmen ist der Gesamtpersonalrat, unabhängig von der Entscheidungsbefugnis des Dienststellenleiters, gem. § 83 Abs. 4 iVm. Abs. 1 und Abs. 2 HPVG unzuständig (Hohmann in v.Roetteken/Rothländer HBR Stand Dezember 2010 § 83 HPVG Rn. 96). Bei der Anhörung zu einer außerordentlichen Kündigung nach § 78 Abs. 2 HPVG gibt es zudem kein Stufenverfahren, so dass eine Beteiligung des Gesamtpersonalrats nach § 52 Abs. 2 HPVG ebenfalls nicht in Betracht kommt.

58

IV. Als unterlegene Partei hat der Kläger gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Beckerle    

        

    B. Schipp    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 9. November 2010 - 14 Sa 945/10 - aufgehoben, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger 449,50 Euro brutto (Vergütungsdifferenz für August und September 2009) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 181,25 Euro brutto seit dem 16. September 2009 und aus weiteren 268,25 Euro brutto seit dem 16. Oktober 2009 zu zahlen.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche.

2

Der Kläger war beim Beklagten, der ein Bauunternehmen betreibt, bis zum 11. September 2009 als Maurer beschäftigt.

3

Der Arbeitsvertrag vom 16. März 2009 regelt ua.:

        

㤠3

Arbeitszeit

        
        

1.    

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für Vollzeitkräfte beträgt 40 Stunden, sofern der BRTV BAU - WEST DEUTSCHLAND keine anderen Regelungen vorsieht.

        

…       

        
        

§ 6

Arbeitsentgelt

        

1.    

Für die bei Einstellung vorgesehene Tätigkeit erhält der AN einen Stundenlohn von 14,50 Euro, der jeweils am 15. des Folgemonats bargeldlos zahlbar ist.

        

2.    

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, über seine tägliche Arbeitszeit nachvollziehbare Aufzeichnungen zu führen und diese spätestens bis zum 3. Werktag des Folgemonats bei dem Arbeitgeber einzureichen. Eine Vergütung erfolgt nur für nachgewiesene Stunden. Erfolgt keine Meldung, ist der Arbeitgeber zur Schätzung berechtigt. Eine spätere Korrektur ist nur in begründeten Ausnahmefällen möglich.“

4

In § 3 des allgemeinverbindlichen Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe(BRTV-Bau) vom 4. Juli 2002 idF des Änderungstarifvertrags vom 20. August 2007 ist bestimmt:

        

„1.     

Allgemeine Regelung

        

1.1     

Durchschnittliche Wochenarbeitszeit

                 

Die durchschnittliche regelmäßige Wochenarbeitszeit im Kalenderjahr beträgt 40 Stunden.

        

1.2     

Tarifliche Arbeitszeit

                 

In den Monaten Januar bis März und Dezember beträgt die regelmäßige werktägliche Arbeitszeit ausschließlich der Ruhepausen montags bis donnerstags 8 Stunden und freitags 6 Stunden, die wöchentliche Arbeitszeit 38 Stunden (Winterarbeitszeit). In den Monaten April bis November beträgt die regelmäßige werktägliche Arbeitszeit ausschließlich der Ruhepausen montags bis donnerstags 8,5 Stunden und freitags 7 Stunden, die wöchentliche Arbeitszeit 41 Stunden (Sommerarbeitszeit).

        

1.3     

Arbeitszeitausgleich innerhalb von zwei Wochen

                 

Die nach betrieblicher Regelung an einzelnen Werktagen ausfallende Arbeitszeit kann durch Verlängerung der Arbeitszeit ohne Mehrarbeitszuschlag an anderen Werktagen innerhalb von zwei Kalenderwochen ausgeglichen werden (zweiwöchiger Arbeitszeitausgleich). Die Wochenarbeitszeit kann somit nach den betrieblichen Erfordernissen und den jahreszeitlichen Lichtverhältnissen im Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat oder, wenn kein Betriebsrat besteht, im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer auf die Werktage verteilt werden.

        

1.4     

Betriebliche Arbeitszeitverteilung in einem zwölfmonatigen Ausgleichszeitraum

        

1.41   

Durchführung

                 

Durch Betriebsvereinbarung oder, wenn kein Betriebsrat besteht, durch einzelvertragliche Vereinbarung kann für einen Zeitraum von zwölf zusammenhängenden Lohnabrechnungszeiträumen (zwölfmonatiger Ausgleichszeitraum) eine von der tariflichen Arbeitszeitverteilung abweichende Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Werktage ohne Mehrarbeitszuschlag vereinbart werden, wenn gleichzeitig ein Monatslohn nach Nr. 1.42 gezahlt wird. Aus dieser Betriebsvereinbarung bzw. der einzelvertraglichen Vereinbarung muss sich ergeben, in welcher Form und mit welcher Ankündigungsfrist die jeweilige werktägliche Arbeitszeit festgelegt wird.

                 

…       

        

1.42   

Monatslohn

                 

Bei betrieblicher Arbeitszeitverteilung wird während des gesamten Ausgleichszeitraumes unabhängig von der jeweiligen monatlichen Arbeitszeit in den Monaten April bis November ein Monatslohn in Höhe von 178 Gesamttarifstundenlöhnen und in den Monaten Dezember bis März ein Monatslohn in Höhe von 164 Gesamttarifstundenlöhnen gezahlt.

                 

…“    

5

Für August 2009 rechnete der Beklagte 153,5 Stunden und ein Guthaben aus einem Arbeitszeitkonto ab. Für September 2009 erteilte er keine Abrechnung.

6

Der Kläger hat für August und September 2009 von ihm auf Vordrucken des Beklagten erstellte Arbeitszeiterfassungen mit Angabe des täglichen Arbeitsbeginns, des Arbeitsendes, der Pausendauer, der täglich und monatlich geleisteten Arbeitsstunden sowie der jeweiligen Baustellen vorgelegt und behauptet, er habe in diesen beiden Monaten weitere 31 Stunden gearbeitet.

7

Der Kläger hat, soweit für die Revision von Interesse, beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 449,50 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 181,50 Euro brutto seit dem 16. September 2009 und aus weiteren 268,25 Euro brutto seit dem 16. Oktober 2009 zu zahlen.

8

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, im August habe sich der Kläger an einzelnen Tagen krankgemeldet. Am 1. September 2009 habe der Kläger eine halbe Stunde weniger als behauptet und am 2. und 7. September 2009 gar nicht gearbeitet.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat ist an einer eigenen Sachentscheidung gehindert, weil das Landesarbeitsgericht hinsichtlich der streitigen 31 Stunden noch nicht die notwendigen Feststellungen getroffen hat (§ 563 Abs. 3 ZPO).

11

I. Der Kläger kann die Vergütung für die streitigen Stunden nicht gemäß § 3.1.42 BRTV-Bau beanspruchen. Hiernach hat der Arbeitnehmer in den Monaten April bis November Anspruch auf einen Monatslohn iHv. 178 Gesamttarifstundenlöhnen, wenn durch Betriebsvereinbarung oder einzelvertraglich ein zwölfmonatiger Ausgleichszeitraum für eine von der tariflichen Arbeitszeitverteilung abweichende Verteilung der Arbeitszeit unter gleichzeitiger Zahlung eines verstetigten Monatslohns vereinbart worden ist. Die Voraussetzungen dieser Tarifnorm liegen nicht vor, ein zwölfmonatiger Ausgleichszeitraum galt im Arbeitsverhältnis der Parteien nicht. Im Streitfall ist vielmehr davon auszugehen, dass für den Kläger auf der Grundlage des § 3.1.3 Satz 1 BRTV-Bau die nach betrieblicher Regelung an einzelnen Werktagen ausfallende Arbeitszeit durch Verlängerung der Arbeitszeit an anderen Werktagen innerhalb von zwei Kalenderwochen ausgeglichen werden konnte.

12

II. Der Kläger hat gemäß § 611 Abs. 1 BGB Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Stundenlohns für die im Klagezeitraum tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Für welche Arbeitsstunden dem Kläger noch Vergütungsansprüche zustehen, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht entscheiden.

13

1. Der Arbeitnehmer trägt für die Behauptung, er habe die geschuldete Arbeit verrichtet, die Darlegungs- und Beweislast.

14

a) Ausgehend von den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts iVm. § 614 BGB gilt im Arbeitsverhältnis der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“( BAG GS 17. Dezember 1959 - GS 2/59 - zu B IV der Gründe, BAGE 8, 285; vgl. auch BAG 13. Februar 2002 - 5 AZR 470/00 - zu I 2 a der Gründe, BAGE 100, 256; 7. Juni 1988 - 1 AZR 597/86 - zu III 2 a der Gründe, BAGE 58, 332). Verlangt der Arbeitnehmer gemäß § 611 BGB Arbeitsvergütung für Arbeitsleistungen, hat er deshalb darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt(zB § 1 BUrlG, §§ 615, 616 Satz 1 BGB, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 EntgeltFG, § 37 Abs. 2 BetrVG). Da die konkret zu leistende Arbeit idR vom Arbeitgeber durch Weisungen zu bestimmen ist (§ 106 GewO), genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, er habe sich zur rechten Zeit am rechten Ort bereitgehalten, um Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers zu befolgen. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern. Deshalb hat der Arbeitgeber im Einzelnen vorzutragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und ob der Arbeitnehmer den Weisungen nachgekommen ist. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gelten die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Arbeitsstunden als zugestanden.

15

b) Gelingt dem Arbeitnehmer die Darlegung und im Fall substantiierten Bestreitens der Beweis nicht, muss er das Risiko des Prozessverlustes tragen, wenn sich die sein Begehren tragenden Tatsachen nicht feststellen lassen. Denn die Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen trägt, wer den Anspruch erhebt (BAG 24. Oktober 2001 - 5 AZR 245/00 - zu I 1 der Gründe, AP EntgeltFG § 2 Nr. 8 = EzA EntgeltfortzG § 2 Nr. 3; BGH 18. Mai 1999 - X ZR 158/97 - NJW 1999, 2887; Stein-Jonas/Leipold ZPO 22. Aufl. § 286 Rn. 61, 62; Rosenberg Die Beweislast 5. Aufl. S. 98). Ausgehend von den Motiven zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Motive I, 383) wird im Anschluss an die Rechtsprechung des Reichsgerichts (RG 28. Februar 1898 - VI 352/97 - RGZ 41, 220; 6. November 1898 - VI 241/99 - RGZ 45, 356; 20. September 1910 - II 592/09 - JW 1910, 937 Nr. 10; 20. November 1928 - III 51/28 - HRR 1929 Nr. 373) dem Schuldner die Beweislast für die Erfüllung einer ihm obliegenden Verpflichtung auch dann zugewiesen, wenn der Gläubiger aus der Nichterfüllung Rechte herleitet bzw. wenn sich an die Nichterfüllung einer positiven vertraglichen Vereinbarung oder die nicht rechtzeitige Erfüllung ungünstige Rechtsfolgen knüpfen, die der Gläubiger geltend macht (BGH 29. Januar 1969 - IV ZR 545/68 - NJW 1969, 875; 17. Januar 2007 - VIII ZR 135/04 - MDR 2007, 703; vgl. auch BGH 15. November 2006 - XII ZR 120/04 - NJW 2007, 2394; Stein-Jonas/Leipold ZPO 22. Aufl. § 286 Rn. 87, 88; Rosenberg Die Beweislast 5. Aufl. S. 346).

16

2. Im Streitfall kommen vertragliche Besonderheiten hinzu.

17

a) Nach § 6 Ziff. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags hat der Kläger nachvollziehbare Tätigkeitsnachweise zu erstellen, die sich auch auf die Art der Tätigkeit erstrecken. Diese vertragliche Abrede ist wirksam. § 6 Ziff. 2 Satz 1 des Verbrauchervertrags (§ 310 Abs. 3 BGB) verstößt weder gegen eines der in §§ 308, 309 BGB bestimmten Klauselverbote, noch benachteiligt die Vereinbarung den Arbeitnehmer unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 BGB. Gerade weil der Kläger auf auswärtigen Baustellen in Abwesenheit von Vorgesetzten zu arbeiten hatte, konnte ihm vertraglich auferlegt werden, Tätigkeitsnachweise zu führen und dem Arbeitgeber vorzulegen.

18

b) Die vom Kläger für August und September 2009 vorgelegten Tätigkeitsnachweise sind zwar auf dem vom Beklagten hierfür vorgehaltenen Vordruck erstellt worden, enthalten aber nicht die in der rechten Spalte vorgesehenen Angaben zur „Art der Tätigkeit“ und „etwaigen Gründen von Arbeitsausfällen“. Ergänzenden Vortrag zu diesen Punkten hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und hat der Kläger auch nicht geltend gemacht. Die Vorinstanzen hätten der Klage deshalb nicht stattgeben dürfen. Da sie unzutreffend von der Darlegungs- und Beweislast des Beklagten ausgegangen sind, konnten sie dem Kläger keine sachdienlichen Hinweise erteilen. Dies ist nachzuholen. Dem Kläger muss Gelegenheit gegeben werden, die in den Tätigkeitsnachweisen fehlenden Angaben schriftsätzlich vorzutragen. Sodann wird der Beklagte im Sinne der gestuften Darlegungslast im Einzelnen zu erwidern haben. Sollte substantiierter Vortrag streitig bleiben, wird das Landesarbeitsgericht die angetretenen Beweise zu erheben haben.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Zorn    

        

    Rahmstorf    

                 

Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann.

Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 22. Januar 2014 - 1 Ca 1364/13 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten zuletzt noch um Überstundenvergütung und Urlaubsabgeltung.

2

Der Kläger war bei der Beklagten vom 1. August 2011 bis zu seiner Eigenkündigung zum 30. September 2013 auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 10. Juni 2011 (Bl. 6 ff. d. A.; im Folgenden: AV) als Projektmanager beschäftigt, zuletzt zu einem monatlichen Grundgehalt von 4.500,00 Euro brutto nebst einer monatlichen Projekteinsatzprämie von 500,00 Euro brutto. Er erhielt zudem einen monatlichen Mietkostenzuschuss von 300,00 Euro und ihm wurde - unter Ansatz eines geldwerten Vorteils in Höhe von 311,00 Euro monatlich - ein Dienstwagen zur Verfügung gestellt. Die betriebliche Arbeitszeit betrug 40 Stunden; der Kläger war zur Leistung erforderlicher Mehrarbeit arbeitsvertraglich verpflichtet. Eventuelle Mehrarbeit sollte mit der Vergütung abgegolten sein (§ 6 Abs. 2 AV). Kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung stand dem Kläger ein jährlicher Urlaubsanspruch von 30 Werktagen basierend auf einer 5-Tage-Woche zu, verbunden mit einem Kürzungsrecht für die Beklagte von jeweils 1/12 pro Monat, in dem der Kläger im Ein- und Austrittsjahr nicht im Unternehmen beschäftigt war (§ 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AV).

3

Der Kläger war beim Kunden der Beklagten P AG eingesetzt, wo er bei der Entwicklung von Soundsystemen und Mikrofonen mitwirkte. Bis Juni 2012 wurde er für die P AG auf der Basis eines zwischen dieser und der Beklagten geschlossenen Arbeitnehmerüberlassungsvertrages tätig. Die Beklagte stellte dem Kläger vor diesem Hintergrund Formulare zur Zeiterfassung als Arbeitszeitnachweis für das Projekt in Form einer excel-Datei zur Verfügung, in die der Kläger monatlich nach Datum und Uhrzeit eine tägliche Arbeitszeit ohne Fahrzeiten und Pausen eintrug und aus der sich eine monatliche Arbeitszeitsumme ergab. Weiter wurden auf Seite 2 des Formulars die Ist-Stunden den Soll-Stunden gegenübergestellt, ein Übertrag von Gleitzeit-/Fehlzeiten aus dem Vormonat eingetragen und ein Saldo Gleitzeit-/ Fehlzeitstunden ermittelt. Soweit der Kläger für die Firma P AG an einzelnen Tagen nicht im Einsatz war, trug er diese als genommene Gleitzeit in das Zeiterfassungsformular ein. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger Mehrarbeit geleistet hat und ob eine Gleitzeitregelung vereinbart war. Der Kläger legte die Formblätter der Beklagten jeweils monatlich unbeanstandet vor, wobei er auch für die "Gleittage" Vergütung erhielt.

4

Ab Juli 2012 erbrachte die Beklagte ihre Entwicklungsdienstleistungen für die P AG auf der Grundlage eines Dienstleistungsvertrags zum Festpreis unter Vereinbarung sog. Meilensteine als Fertigstellungstermine. Der Kläger legte der Beklagten die ihm ursprünglich zur Zeiterfassung als Arbeitszeitnachweis für das Projekt zur Verfügung gestellten Formblätter weiterhin unverändert vor. Im Jahr 2013 war der Kläger - ohne Urlaub beantragt zu haben - an insgesamt 16 Tagen (08. Januar, 26. bis 30. April, 02./03. Mai, 27./28. Juni, 01. bis 05. Juli, 22./23. Juli und am 12. August 2013) nicht für die P AG tätig. Er trug diese Tage als „Gleittage“ in die Arbeitszeitnachweise ein. Der Kläger war - bis auf einen erstinstanzlich zuletzt unstreitigen Urlaubstag am 30. September 2013 - zuletzt während des gesamten Monats September 2013 bei der P AG tätig. Zum Zeitpunkt seines Ausscheidens Ende September 2013 wies der Zeiterfassungsnachweis in der Saldierung, dh. nach Abzug der zwischen den Parteien streitigen „Gleittage“, 103,67 offene "Gleitstunden" aus.

5

Dem Kläger wurden im Jahr 2013 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses (zuletzt) unstreitig insgesamt 17 Urlaubstage gewährt, davon unstreitig 13 Urlaubstage für das Jahr 2013 (10. Mai 2013, 31. Mai 2013, 08. bis 19. Juli 2013, 30. September 2013). Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Tage, an denen der Kläger wegen Inanspruchnahme von „Gleittagen“ nicht gearbeitet hat, ebenfalls auf den Urlaubsanspruch zu verrechnen sind.

6

Der Kläger hat am 15. Oktober 2013 nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung Klage beim Arbeitsgericht Kaiserslautern erhoben und neben der Erteilung von Gehaltsabrechnungen und der Herausgabe seiner Lohnsteuerkarte die Zahlung seines Gehaltes für September 2013 in Höhe von 5.311,00 Euro brutto (einschließlich geldwertem Vorteil Dienstwagen), von Reisekosten für Juni bis September 2013 in Höhe von 2.597,94 Euro netto (einschließlich 600,00 Euro Mietzuschuss für August und September 2013), von Urlaubsabgeltung in Höhe von 4.138,56 Euro brutto für zunächst 18 Tage und Vergütung in Höhe von 2.979,48 Euro brutto für 103,67 Überstunden verlangt. Zuletzt hat der Kläger zudem ein sehr gutes qualifiziertes Zeugnis geltend gemacht. Die Beklagte erteilte dem Kläger unter dem 20. Januar 2014 ein Zeugnis, wegen dessen Inhaltes auf Bl. 140 d. A. verwiesen wird.

7

Die Beklagte hat an den Kläger nach Klageerhebung für September 2013 2.900,00 Euro netto und den geltend gemachten Mietkostenzuschuss für August und September 2013 in Höhe von 600,00 Euro, insgesamt 3.500,00 Euro netto gezahlt. Bei der Entgeltabrechnung für September 2013 (Bl. 60 d. A.) hat sie einen Betrag in Höhe von 1.350,00 Euro brutto unter der Bezeichnung „Kürzung Gehalt zu viel genommener Urlaub“ abgezogen und die Projekteinsatzprämie um 400,00 Euro brutto gekürzt. Soweit der Kläger restliche Reisekosten verlangt hat, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 06. November 2013 die Aufrechnung mit - auch als Abzug in die Entgeltabrechnung September 2013 eingestellten - Gegenansprüchen wegen behaupteter Schäden am Dienstwagen des Klägers (einschließlich Sachverständigenkosten) und wegen streitiger Mehrkilometer des Leasingfahrzeugs in Höhe von insgesamt 2.611,88 Euro netto erklärt. Wegen eines sich unter Berücksichtigung sämtlicher Positionen aus der Entgeltabrechnung September 2013 ergebenden „Negativbetrages“ in Höhe von 1.378,86 Euro (netto) hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 07. November 2013 Widerklage erhoben.

8

Die Parteien haben den Rechtsstreit wegen der nach Klageerhebung erfolgten Zahlung von 3,500,00 Euro netto auf die Septembervergütung 2013 und den Mietkostenzuschuss August und September 2013 erstinstanzlich teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt.

9

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt im Wesentlichen vorgetragen, die Beklagte schulde ihm auch bei Berücksichtigung der erfolgten Zahlung von 2.900,00 Euro und nach Abzug des geldwerten Vorteils für den Dienstwagen in Höhe von 311,00 Euro in weitere Vergütung für September 2013. Die Kürzung der Projekteinsatzprämie sei zu Unrecht erfolgt, da er bis zuletzt das ihm zugewiesene Projekt bei der P AG in vollem Umfang erfüllt habe. Auch der Abzug wegen zu viel genommenen Urlaubs sei nicht gerechtfertigt, ihm stehe vielmehr angesichts eines anteiligen Urlaubsanspruchs für 2013 bei für dieses Jahr von der Beklagten gewährten 12 Urlaubstagen (zuletzt unter Berücksichtigung des 30. September 2013 unstreitig: 13) ein Resturlaubsanspruch von 11 Tagen à 8 Stunden à 28,74 Euro brutto (= 2.529,12 Euro brutto) zu. Bei den weiteren von ihm erhaltenen vier Urlaubstagen habe es sich um aus 2012 übertragenen Urlaub gehandelt. Die von der Beklagten offenbar verfolgte Verrechnung der von ihm in Anspruch genommenen „Gleittage“ mit dem Urlaubsanspruch sei nicht zulässig. Die Beklagte sei vielmehr zur Zahlung der in Höhe von 2.979,48 Euro brutto geltend gemachten Abgeltung von restlichen 103,67 Überstunden verpflichtet, da die Abgeltungsklausel im Arbeitsvertrag unwirksam sei. Er habe die aus den Zeiterfassungsnachweisen ersichtlichen Überstunden geleistet, weil er sich den Arbeitszeiten und Arbeitsrhythmen im Team der P AG habe anpassen müssen. Es habe für beide Parteien, bei der Beklagten insbesondere für den damaligen Geschäftsführer F, festgestanden, dass in diesem Zusammenhang Gleitzeit ebenso selbstverständlich und erforderlich gewesen sei, wie Mehrarbeit und dass diese grundsätzlich durch Gleitzeit ausgeglichen werden sollte. Bis Juni 2012 habe er seine Gleittage - wie exemplarisch aus dem die Gleittage 25. und 29. Mai 2012 betreffenden Email-Verkehr (Bl. 99 f. d. A.) ersichtlich - jeweils auf Antrag von der Beklagten bewilligt bekommen. Nachdem der Festpreisvertrag mit der P AG geschlossen gewesen sei, sei er verpflichtet gewesen, die vereinbarten Meilensteine zu erreichen und selbst zu entscheiden, ob und wann Mehrarbeit erforderlich geworden sei und wann der Ablauf des Projektes es erlaubt habe, Gleitzeit zu nehmen. Anträge auf Gleitzeit seien auf ausdrückliche Anweisung des Geschäftsführers der Beklagten daher nicht mehr bei dieser gestellt, sondern mit dem zuständigen Abteilungsleiter der P AG R abgesprochen worden. Dem Geschäftsführer habe die Darstellung in den monatlichen Arbeitszeitnachweisen genügt. Weiter schulde ihm die Beklagte im Einzelnen dargelegte restliche Reisekosten von 1.997,94 Euro (nach Abzug der nach Klageerhebung in Höhe von 600,00 Euro netto gewährten Mietzuschüsse August und September 2013). Der Kläger hat weiter vorgetragen, aufrechenbare Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung des Dienstwagens bestünden ebenso wenig wie ein Gegenanspruch wegen behaupteter Mehrkilometer. Die Widerklage sei nicht begründet. Die Beklagte schulde ihm die Herausgabe der Lohnsteuerkarte und das erteilte Zeugnis genüge nicht den Anforderungen, die an ein sehr gutes Zeugnis zu stellen seien. Der Abteilungsleiter R der P AG habe seine Leistungen als sehr gut bewertet.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

11
1.a) an den Kläger 5.311,00 Euro brutto abzüglich 3.211,00 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 % - Punkten über dem Basiszins seit 01. Oktober 2013 zu bezahlen,

12
1.b) an den Kläger 1.997,94 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 % - Punkten über dem Basiszins seit 01. Oktober 2013 zu bezahlen,

13
1.c) an den Kläger 2.529,12 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins seit 01. Oktober 2013 zu bezahlen,

14
1.d) an den Kläger 2.979,48 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins seit 01. Oktober 2013 zu bezahlen

15
2. dem Kläger die korrekte Gehaltsabrechnung für den Monat September 2013 auszuhändigen,

16
3. dem Kläger seine Lohnsteuerkarte 2010 herauszugeben.

17
4. dem Kläger ein wohlwollendes Zeugnis zu erteilen, welches seinem beruflichen Fortkommen dienlich ist und welches die Gesamtnote sehr gut enthält.

18

Die Beklagte hat beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Widerklagend hat sie beantragt,

21

den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 1.378,86 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten ab Zustellung der Widerklageschrift zu bezahlen.

22

Der Kläger hat beantragt,

23

die Widerklage abzuweisen.

24

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, das Gehalt für September 2013 sei zu Recht gekürzt worden. Der Kläger habe sich 16 ungenehmigte, von ihm als „Gleitzeittage“ bezeichnete Urlaubstage genommen, an denen er nicht im Projekt tätig gewesen und weshalb die Projektprämie zu kürzen sei. Eine Vereinbarung über Gleittage habe es nicht gegeben. Die vom Kläger unsubstantiiert behaupteten Überstunden würden bestritten und seien nach dem Arbeitsvertrag ohnehin nicht gesondert zu vergüten. Auch wenn nicht in Abrede gestellt werde, dass der Kläger sich in den Arbeitsrhythmus der Mitarbeiter der P AG einzufinden gehabt habe, werde bestritten, dass hierbei Mehrarbeit angefallen sei. Arbeitszeiten seien mit der Beklagten abzusprechen gewesen. Von dem anteiligen Urlaubsanspruch des Klägers für 2013 in Höhe von 23 Urlaubstagen seien daher nicht nur die für 2013 genehmigten 13 Urlaubstage, sondern weitere 16 Urlaubstage in Abzug zu bringen; hilfsweise werde gegen die Klageforderung aufgerechnet mit einem Rückforderungsanspruch wegen unbezahlten Urlaubs in Höhe von 3.678,72 Euro brutto (16 x 229,92 Euro brutto). Es werde bestritten, dass im Zeitpunkt, in dem der Kläger vier übertragene Urlaubstage genommen habe, diese nicht bereits verfallen gewesen seien. Soweit der Kläger noch Reisekosten geltend mache, stehe dem ihr zur Aufrechnung erklärter Gegenanspruch wegen im Einzelnen dargelegter offener Reparaturkosten am Dienstwagen, Gutachterkosten und zu ersetzender unerlaubte Mehrkilometer nach dem Leasingvertrag entgegen. Der Kläger habe weder derzeit einen Anspruch auf eine korrigierte Lohnabrechnung, noch sei sie verpflichtet, dem Kläger ein Zeugnis mit der Note „sehr gut“ zu erteilen. Der mit der Widerklage verfolgte Betrag ergebe sich aus der Entgeltabrechnung für September 2013.

25

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 22. Januar 2014, wegen dessen Tatbestand auf Bl. 149 bis 154 d. A. verwiesen wird, überwiegend stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte schulde dem Kläger die zuletzt geltend gemachte restliche Vergütung für September 2013. Der Anspruch auf die Projektprämie bestehe wegen ausnahmsloser Tätigkeit des Klägers im September 2013 ungekürzt. Eine Berechtigung der Beklagten, das Gehalt für September 2013 um 1.350,00 Euro wegen „zu viel genommenen Urlaubs“ zu kürzen, sei nicht erkennbar. Auch sei sie nicht zur Aufrechnung wegen vermeintlicher Gegenansprüche im Zusammenhang mit dem Dienstwagen berechtigt. Vor diesem Hintergrund sei auch der Anspruch des Klägers auf Reisekostenerstattung in zuletzt verlangter Höhe gerechtfertigt. Dem Kläger stehe angesichts zuletzt unstreitig genommener 13 Tage bei einem anteiligen Urlaubsanspruch für 2013 von 23 Tagen ein Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe von 2.299,20 Euro brutto zu (10 Tage à 8 Stunden à 28,74 Euro). Die vom Kläger dem Jahr 2012 zugeordneten vier Urlaubstage könnten nicht auf den Urlaubsanspruch 2013 angerechnet werden, da die Beklagte die Darlegung schuldig geblieben sei, dass diese vier Tage außerhalb des bis zum 31. März 2013 reichenden Übertragungszeitraums genommen worden seien. Die von der Beklagten nicht genehmigten „Gleittage“ könnten bereits deshalb nicht auf den Urlaubsanspruch angerechnet werden, weil die Beklagte den Kläger nicht zur Urlaubsgewährung freigestellt habe. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Überstundenvergütung in Höhe von 2.279,48 Euro brutto (ausweislich des Urteilstenors Ziff. 1 d) beabsichtigt: 2.979,48 Euro brutto) sei in vollem Umfang begründet. Die Beklagte habe die in den Zeitnachweisen dokumentierten Stunden nicht substantiiert bestritten. Der Kläger habe darauf vertrauen dürfen, dass auch nach der Festpreisvereinbarung der Beklagten mit der Firma P AG ab Juli 2012 die Abmachung mit dem damaligen Geschäftsführer F über die Handhabung der Arbeitszeiterfassung in den zur Verfügung gestellten Formularen weiterhin Gültigkeit gehabt habe, zumal diese unverändert fortgesetzt worden sei. Einzelfallbezogene Absprachen seien vor diesem Hintergrund nicht erforderlich und auch praxisfern gewesen. § 6 AV stehe der Abgeltung der Überstunden nicht entgegen, da die Klausel nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB intransparent und damit unwirksam sei. Auch die Lohnsteuerkarte 2010 habe die Beklagte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses herauszugeben. Nicht begründet sei die Klage in den Hauptforderungen lediglich wegen eines zu viel geltend gemachten Tages an Urlaubsabgeltung (30. September 2013), der Erteilung einer „korrekten“ Lohnabrechnung für September 2013, die die Beklagte nicht schulde und wegen des verlangten „sehr guten“ Zeugnisses, da der Kläger seiner Darlegungs- und Beweislast wegen seiner sehr guten Leistungen nicht nachgekommen sei. Die Widerklage sei aus den dargelegten Gründen nicht erfolgreich. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 154 ff. d. A. verwiesen.

26

Die Beklagte hat gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 31. März 2014 zugestellte Urteil mit am gleichen Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 30. April 2014 Berufung eingelegt und diese innerhalb nachgelassener Frist mit Schriftsatz vom 02. Juli 2014, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, begründet.

27

Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung lediglich noch Klageabweisung (auch) hinsichtlich der dem Kläger zugesprochenen Urlaubsabgeltung und Überstundenvergütung und macht zur Begründung ihrer Berufung nach Maßgabe der Berufungsbegründungsschrift vom 02. Juli 2014 (Bl. 188 ff. A.), auf die ergänzend Bezug genommen wird, zweitinstanzlich im Wesentlichen geltend,

28

das Arbeitsgericht habe dem Kläger zu Unrecht Urlaubsabgeltung zuerkannt. Es habe verkannt, dass sie hinsichtlich der vom Kläger eingeräumten vier weiteren Tage im Einzelnen dargelegt habe, dass diese bis auf einen außerhalb des Übertragungszeitraums bis zum 31. März 2013 gelegen hätten. Zudem verkenne es, dass die 16 "Gleitzeittage" mangels Gleitzeitvereinbarung anzurechnen seien. Auch ein Anspruch auf Überstundenvergütung in Höhe von 2.279,48 Euro brutto (gemeint: 2.979,48 Euro brutto) sei zu Unrecht zugesprochen worden. Mehrarbeit habe der Kläger trotz ihres Bestreitens nicht substantiiert und hinsichtlich Anfall, Anordnung und Notwendigkeit dargelegt. Die vom Kläger auf den Formularen erstellten Aufstellungen seien von niemandem gegengezeichnet worden. Eine „gelebte Praxis“, nach der sie die vom Kläger eingetragenen Mehrarbeitsstunden habe bezahlen müssen, habe es nicht gegeben. Sie könne die pauschalen Stundenaufstellungen auch nicht substantiiert bestreiten, da niemand von ihr bei der Firma P AG anwesend gewesen sei. Allein die Berufung auf die sog. Meilensteine genüge nicht, um die Erforderlichkeit der Ableistung von Überstunden nachvollziehen zu können. Die vom Kläger behauptete Absprache mit dem ehemaligen Geschäftsführer F über Erfassung und Übertrag von Gleitzeitstunden sei bestritten worden. Auch wenn das Arbeitsgericht meine, eine Rückversicherung des Klägers bei der Beklagten wegen Überstunden sei unpraktikabel gewesen, bedeute dies noch nicht, dass der Kläger berechtigt sei, Überstunden zu leisten, wie er wolle. Nach Erlass des Urteils habe sie zudem erfahren, dass auch der Abteilungsleiter R bei der P AG zu keinem Zeitpunkt Überstunden angeordnet habe.

29

Die Beklagte beantragt,

30

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 22. Januar 2014 - Az.: 1 Ca 1364/13 - wird wie folgt abgeändert:

31

Die Klage wird auch hinsichtlich der Klageanträge zu 1 c und d abgewiesen.

32

Der Kläger beantragt,

33

die Berufung zurückzuweisen.

34

Der Kläger verteidigt das von der Beklagten angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 05. August 2014, auf die Bezug genommen wird (Bl. 213 ff. d. A.), zweitinstanzlich im Wesentlichen wie folgt,

35

der Urlaubsabgeltungsanspruch für 10 Tage sei zu Recht zuerkannt worden; die Beklagte habe selbst nicht in Abrede gestellt, 13 Urlaubstage für 2013 gewährt zu haben und die Gewährung weiterer 4 Urlaubstage für dieses Urlaubsjahr bis zuletzt nicht einlassungsfähig dargetan. Gleitzeittage seien bereits mangels Freistellung zur Urlaubsgewährung nicht abzuziehen. Ungeachtet dessen habe er auch nach der Vertragsänderung ab Juli 2012 seine Arbeitszeiten dem Projektteam anpassen müssen und können, um die auf der Angebotskalkulation der Beklagten beruhenden, auf seinem vollzeitigen Einsatz ohne Berücksichtigung von Urlaub, Krankheit und unvorhergesehenen Durchführungsschwierigkeiten basierenden taggenauen sog. Meilensteine zu erreichen. Wäre die Beklagte, der von vorneherein klar gewesen sei, dass die Meilensteine ohne Überstunden nicht zu erreichen gewesen seien, hiermit nicht einverstanden gewesen, hätte sie ihn hierauf hinweisen und einen zweiten Mitarbeiter einstellen müssen, wenn sie der Auffassung gewesen sei, das Projekt laufe wegen der Mehrarbeitsstunden aus dem Ruder. Dass der Zeuge R ihm gegenüber keine Überstunden angeordnet habe, verstehe sich von selbst, da dieser ihm gegenüber nicht weisungsbefugt gewesen sei.

36

Im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schrift-sätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

37

A.  Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht erfolgreich.

38

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchstabe b ArbGG), wurde nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 31. März 2014 mit am 30. April 2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 519 ZPO) und innerhalb nachgelassener Frist mit Schriftsatz vom 02. Juli 2014, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2, 5, § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 520 ZPO).

39

II. Die Berufung ist nicht begründet. Dem Kläger steht die geltend gemachte Überstundenvergütung und Urlaubsabgeltung wie tenoriert zu. Die Berufung war zurückzuweisen.

40

1. Das Arbeitsgericht hat dem Kläger im Urteilstenor zu Ziff. 1d) zu Recht einen Anspruch auf Überstundenvergütung in Höhe von 2.979,48 Euro brutto zugesprochen (§ 611 BGB iVm. dem Arbeitsvertrag).

41

1.1. Verlangt der Arbeitnehmer aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung, tarifvertraglicher Verpflichtung des Arbeitgebers oder § 612 Abs. 1 BGB Arbeitsvergütung für Überstunden, hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Dabei genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen - nicht - nachgekommen ist (BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 27, zitiert nach juris). Erbringt der Arbeitnehmer Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang, ist der Arbeitgeber zu deren Vergütung nur verpflichtet, wenn er die Leistung von Überstunden veranlasst hat oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist. Für diese arbeitgeberseitige Veranlassung und Zurechnung als - neben der Überstundenleistung - weitere Voraussetzung eines Anspruchs auf Überstundenvergütung ist erforderlich, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sind (vgl. BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 13 mwN, zitiert nach juris). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass geleistete Überstunden angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit erforderlich waren, trägt der Arbeitnehmer als derjenige, der den Anspruch erhebt (BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 15, vgl. BAG 18. April 2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 15 mwN, jeweils zitiert nach juris).

42

1.2. Gemessen hieran steht dem Kläger der in rechnerisch unstreitiger Höhe geltend gemachte Anspruch zu.

43

a) Der Kläger ist der ihm obliegenden Darlegungslast nachgekommen, dass er im Zeitraum seiner Beschäftigung Überstunden geleistet hat, die zum Zeitpunkt seines Ausscheidens in Höhe von 103,67 Stunden nicht von der Beklagten vergütet waren. Dem ist die Beklagte nicht in ausreichendem Maße entgegengetreten.

44

(1) Der Kläger hat zunächst schlüssig behauptet, dass zum Zeitpunkt seines Ausscheidens 103,67 Überstunden offen standen.

45

Zwischen den Parteien war zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer nicht streitig, dass der Kläger der Beklagten im gesamten Zeitraum der Beschäftigung monatlich die von dieser zur Verfügung gestellten Formblätter vorgelegt hat, in denen er nach Datum und Uhrzeit bei der P AG geleistete Arbeitszeiten aufgelistet hat und dass der Saldo der vom Kläger behaupteten Arbeitszeiten nach Abzug der ebenfalls jeweils eingetragenen „Gleittage“, an denen der Kläger unstreitig eine Arbeitsleistung nicht erbracht hat, zum Zeitpunkt seines Ausscheidens 103,67 Stunden (im Terminsprotokoll irrtümlich aufgenommen: 103,87) betragen hat. Damit hat der Kläger die Zeiten, an denen er über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus Arbeitsleistung für die Beklagte erbracht haben will, substantiiert dargetan. Einer Vorlage aller Formblätter für den gesamten Zeitraum seiner Beschäftigung im Rechtsstreit bedurfte es nicht.

46

Der Kläger hat zudem vorgetragen, dass er im angegebenen Zeitraum über seine regelmäßige Arbeitszeit hinaus Arbeitsleistungen für die Beklagte erbracht hat. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass der Kläger gehalten war, sich dem Arbeitsrhythmus der ebenfalls im Projekt tätigen Mitarbeiter der P AG anzupassen. Ebenfalls von der Beklagten nicht in Abrede gestellt wurde, dass der Kläger die mit der P AG vereinbarten Projektziele, nach der Vertragsumstellung auf eine Festpreisvereinbarung in Form der sog. „Meilensteine“ einhalten musste und dass die Ziele jeweils erreicht worden sind. Der Kläger hat insoweit zuletzt dargelegt, dass die von der Beklagten mit der P AG ausgehandelten Zeitpläne unter Kalkulation seiner gesamten Arbeitskraft ohne Berücksichtigung von Urlaub und Arbeitsunfähigkeitszeiten erstellt worden sind, so dass bereits von vorneherein ersichtlich gewesen sei, dass diese ohne Mehrarbeit nicht einzuhalten sein würden. In Ergänzung dazu hat er in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer nachvollziehbar erläutert, die Einhaltung der Meilensteine sei das Hauptziel gewesen, weshalb er an einzelnen Tagen je nach Erreichbarkeit von Kunden und Belastung der Mitarbeiter der P AG zwangsläufig mehr habe arbeiten müssen und an anderen Tagen weniger, was sich mit den Gleittagen immer so ergeben habe.

47

(2) Die Beklagte hat die vom Kläger behaupteten Überstunden nicht ausreichend bestritten. Sie kann sich nicht darauf zurückziehen, der Kläger könne sich für die Erforderlichkeit von Überstunden nicht allein auf die sog. Meilensteine berufen und da niemand bei der P AG anwesend gewesen sei, könne sie seine Stundenaufstellungen nicht substantiiert bestreiten. Der Geschäftsführer der Beklagten D hat in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer ausdrücklich klargestellt, dass die Meilensteine zwischen den Beklagten und der P AG vereinbart waren. Vor dem Hintergrund der von der Beklagten für diese Meilensteine vorgenommenen Kalkulationen wäre es ihr möglich gewesen, die Behauptungen des Klägers zu seinen Arbeitszeiten im Abgleich mit den vereinbarten Meilensteinen konkret zu bestreiten und darzulegen, aus welchen Gründen die vom Kläger in Anspruch genommenen Zeiten nicht zutreffen können. Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen. Ihr Hinweis, der Abteilungsleiter der P AG R habe Überstunden nicht angeordnet, war vor dem Hintergrund, dass dieser arbeitsvertraglich nicht gegenüber dem Kläger weisungsbefugt war, unbehelflich. Insgesamt hat die Beklagte ihrer sekundären Behauptungslast nicht genügt und die Ausführungen des Klägers zu den geltend gemachten Überstunden gelten als zugestanden (§ 138 Abs. 2, 3 ZPO).

48

b) Der Kläger hat auch dargetan, dass die Beklagte die von ihm behaupteten Überstunden zumindest geduldet hat, ohne dass die Beklagte dies substantiiert in Abrede gestellt hätte. Die Duldung von Überstunden bedeutet, dass der Arbeitgeber in Kenntnis einer Überstundenleistung diese hinnimmt und keine Vorkehrungen trifft, die Leistung von Überstunden fürderhin zu unterbinden, er also nicht gegen die Leistung von Überstunden einschreitet, sie vielmehr weiterhin entgegennimmt (BAG 10. April 2013 - 5 AZR 122/12 - Rn. 21 mwN, zitiert nach juris). Unstreitig hat die Beklagte monatlich die vom Kläger erstellten Arbeitszeitformulare unbeanstandet entgegen genommen und bis zur Vertragsumstellung gegenüber der P AG zur Abrechnung der geleisteten Stunden verwendet. Den vom Kläger im Rechtsstreit exemplarisch für die Gleittage 25. und 29. Mai 2012 betreffenden Email-Verkehr (Bl. 99 f. d. A.), ausweislich dessen der Geschäftsführer der Beklagten F vom Kläger beantragte „Gleittage“ bewilligt hat, hat die Beklagte nicht in Abrede gestellt. Vor und nach Juli 2012 wurde dem Kläger für die zwischen den Parteien streitigen „Gleittage“, die der Kläger ebenfalls in die Saldierung seiner Aufstellung eingestellt hat, Vergütung geleistet. Das Arbeitsgericht geht vor diesem Hintergrund völlig zu Recht davon aus, dass die Beklagte sich auch für den Zeitraum ab Juli 2012 auf eine fehlende Anordnung der Überstunden nicht berufen kann. Die Berufungskammer macht sich die diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichts zu Eigen und stellt dies ausdrücklich fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Inwieweit die Beklagte angesichts der unstreitigen Handhabung der bezahlten „Gleittage“ in der Vergangenheit davon ausgehen kann, es habe keine „gelebte Praxis“ hinsichtlich der Vergütung von Mehrarbeit gegeben, erschloss sich der Kammer nicht. Gleiches gilt für ihr pauschales Bestreiten, es habe eine entsprechende Absprache des Klägers mit dem Geschäftsführer F hinsichtlich Erfassung und Übertrag von Gleitzeitstunden gegeben.

49

1.3. Nach alledem steht dem Kläger die geltend gemachte Überstundenvergütung zu. Gegen die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Unwirksamkeit der Abgeltungsklausel in § 6 AV wegen Intransparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, die sich die Berufungskammer ausdrücklich zu eigen macht (§ 69 Abs. 2 ArbGG) wendet sich die Berufung nicht.

50

2. Der Kläger kann von der Beklagten für das Jahr 2013 gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG, § 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AV Urlaubsabgeltung für 10 Urlaubstage in rechnerisch unstreitiger Höhe von 2.299,20 Euro brutto verlangen. Hiervon ist das Arbeitsgericht mit zutreffenden Erwägungen ausgegangen. Die Berufungskammer macht sich die Ausführungen des Arbeitsgerichts zu Eigen und stellt dies ausdrücklich fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Auch die Angriffe der Berufung blieben erfolglos.

51

2.1. Die Beklagte hat entgegen der von ihr auch im Berufungsverfahren vertretenen Auffassung nicht dargelegt, dass sie den anteilig für 23 Tage bestehenden Urlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 2013 gemäß § 362 Abs. 1 BGB in Höhe von mehr als 13 Urlaubstagen erfüllt hat. Nach eigenem Vortrag der Beklagten wurden dem Kläger (an zwischen den Parteien zuletzt bereits erstinstanzlich nicht mehr streitigen Tagen) insgesamt 13 Urlaubstage vom Urlaubsanspruch 2013 gewährt. Soweit der Kläger - ungeachtet der streitigen „Gleitzeittage“ - in 2013 unstreitig an vier weiteren Tagen Urlaub hatte, hat er vorgetragen, hierbei habe es sich um aus dem Jahr 2012 übertragene Urlaubstage gehandelt. Der Einwand der Beklagten, es werde bestritten, dass dem Kläger noch ein Anspruch auf übertragenen Urlaub zugestanden habe, weil dieser verfalle, wenn er nicht spätestens zum 31. März des Folgejahres geltend gemacht werde, genügte nicht, um von der Erfüllung weiterer Urlaubstage aus 2013 ausgehen zu können. Die Beklagte, die die grundsätzliche Übertragung von vier Tagen Urlaub aus 2012 nicht in Abrede stellt, hat - worauf das Arbeitsgericht zu Recht hingewiesen hat - nicht dargelegt, an welchen, nach dem 31. März 2013 liegenden Tagen sie dem Kläger über die unstreitigen 13 Urlaubstage hinaus Urlaub gewährt haben will, der wegen Verfalls des Alturlaubs nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG auf den Urlaubsanspruch 2013 anzurechnen gewesen wäre. Soweit sie sich auch im Berufungsverfahren ausschließlich auf die weiteren insgesamt 16 vom Kläger nach Auffassung der Beklagten eigenmächtig genommenen „Gleitzeittage“ berufen hat, hat das Arbeitsgericht in der Tatsache, dass der Kläger an den „Gleitzeittagen“ nicht gearbeitet hat, eine Erfüllung des Urlaubsanspruchs zutreffend nicht gesehen. Die Erfüllung eines Anspruchs auf Erholungsurlaub setzt voraus, dass der Arbeitnehmer im Voraus durch eine unwiderrufliche Freistellungserklärung des Arbeitgebers zu Erholungszwecken von seiner sonst bestehenden Arbeitspflicht befreit wird (BAG 16. Juli 2013 - 9 AZR 50/12 - Rn. 15; 19. Januar 2010 - 9 AZR 246/09 - Rn. 27; jeweils zitiert nach juris). Auch die Beklagte behauptet nicht, den Kläger an den streitigen „Gleitzeittagen“ durch einseitige empfangsbedürfte Willenserklärung zum Zwecke der Urlaubsgewährung freigestellt zu haben. Damit hat sie einen weitergehenden Urlaubsanspruch des Klägers auch dann nicht nach § 362 Abs. 1 BGB erfüllt, wenn der Kläger - wie sie meint - an den 16 „Gleitzeittagen“ unentschuldigt gefehlt hätte. Eine „automatische Anrechnung“ unerlaubter Fehltage auf Urlaubsansprüche, wie sie die Beklagte für zutreffend hält, erfolgt nicht.

52

2.2. Der Anspruch des Klägers ist auch nicht infolge Aufrechnung gemäß §§ 387, 389 BGB untergegangen, obwohl sich die Beklagte - wie bereits erstinstanzlich - hilfsweise auf die Aufrechnung mit einer behaupteten Lohnrückforderung wegen zu Unrecht in Anspruch genommener „Gleittage“ in Höhe von 3.678,72 Euro brutto gegen den geltend gemachten Urlaubsabgeltungsanspruch berufen hat.

53

a) Die Beklagte ist mit dem Aufrechnungseinwand nicht bereits ausgeschlossen, weil das Arbeitsgericht ihr die zur Aufrechnung gestellte Forderung nach § 322 Abs. 2 ZPO rechtskräftig aberkannt hätte. Zwar hat das Arbeitsgericht unter Bezug auf den in der Abrechnung für September 2013 von der Beklagten vorgenommenen Abzug entschieden, eine Berechtigung der Beklagten, das Gehalt des Klägers um 1.350,00 Euro wegen „zuviel genommenen Urlaubs“ zu kürzen, sei nicht ersichtlich. Mangels näherer Begründung zum Einbehalt durch die Beklagte ist jedoch bereits nicht ersichtlich, dass der vom Arbeitsgericht berücksichtigte, von der Beklagten in die Abrechnung September 2013 aufgenommene Betrag zumindest teilweise identisch ist mit dem von ihr zur Aufrechnung gestellten Lohnrückforderungsanspruch in Höhe von 3.678,72 Euro brutto. Es kann daher dahinstehen, ob das Arbeitsgericht die Zulässigkeit der Aufrechnung bewusst offen gelassen hat und bereits deshalb nicht rechtskräftig über die Gegenforderung entschieden wäre (vgl. BGH 25. Mai 1988 - VIII ZR 18/88 - Rn. 2 zitiert nach juris).

54

b) Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit einem behaupteten Rückforderungsanspruch wegen einer Lohnüberzahlung konnte jedoch keine Berücksichtigung finden und den auf einen Bruttobetrag gerichteten Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers nicht zum Erlöschen bringen, da sie unzulässig ist.

55

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Berufungskammer anschließt, kann der Arbeitgeber gegen Bruttolohnforderungen des Arbeitnehmers nicht mit Gegenansprüchen aufrechnen, es sei denn, die Höhe der Abzüge ist bekannt. Aufgerechnet werden kann nur gegen Nettolohnforderungen des Arbeitnehmers. Anderenfalls wäre nicht klar, in welcher Höhe das Gericht über die Gegenforderung entschieden hat. Nach § 322 Abs. 2 ZPO ist „die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig“. Der Umfang der Rechtskraft darf aber nicht unklar bleiben. Auch wenn die Klage aufgrund der Aufrechnung abgewiesen werden soll, muss feststehen, in welcher Höhe die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung erloschen ist (BAG 16. März 1994 - 5 AZR 411/02 - Rn. 43; 22. März 2000 - 4 AZR 120/99 - Rn. 12; 15. März 2005 - 9 AZR 502/03 - Rn. 54, jeweils zitiert nach juris). Erklärt der Arbeitgeber die Aufrechnung gegen eine Bruttoforderung, fehlt es insoweit an der Gegenseitigkeit der Forderungen (§ 387 BGB), als der Arbeitnehmer zwar Gläubiger der Bruttolohnforderung ist, sie sich jedoch hinsichtlich der auf die Gesamtsozialversicherungsbeiträge und die Steuer entfallenden Teile auf Zahlung an das Finanzamt und die Sozialversicherungsträger richtet(BAG 19. Februar 2004 - 6 AZR /02 - Rn. 28 unter Verweis auf BAG 07. März 2001 - GS 1/00 -, LAG Rheinland-Pfalz 15. März 2013 - 6 Sa 414/12 - Rn. 52, jeweils zitiert nach juris).

56

(2) In Anwendung dieser Grundsätze ist die von der Beklagten erklärte Aufrechnung unzulässig. Unabhängig davon, ob der Beklagten überhaupt ein Rückforderungsanspruch hinsichtlich der vom Kläger in Anspruch genommenen „Gleitzeittage“ zustünde, entzog sich die Höhe des Nettobetrags der Lohnforderung des Klägers der Kenntnis der angesichts des Beibringungsgrundsatzes zur Ermittlung des betreffenden Sachverhaltes nicht von Amts wegen verpflichteten Berufungskammer. An der Unzulässigkeit der Aufrechnung ändert sich vorliegend auch daran nichts, dass die Beklagte vorliegend die Aufrechnung mit einer von ihr geltend gemachten eigenen Bruttoforderung erklärt hat. Eine Aufrechnung eines überzahlten Bruttobetrages gegen anderweitige Bruttovergütungsansprüche des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber ist nicht möglich. Dies ergibt sich bereits daraus, dass auch bei einer Aufrechnung brutto gegen brutto nicht sichergestellt ist, dass dem Arbeitnehmer tatsächlich der pfändungsfreie Betrag verbleibt, weil sich dieser nur aus dem Nettobetrag bestimmen lässt (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 21 Sa 866/13 Rn. 130 mwN, zitiert nach juris). Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass etwaige Ansprüche auf Rückzahlung von Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträgen nach § 38 Abs 2 EStG und § 26 Abs 3 SGB IV dem Arbeitnehmer zustehen(vgl. LAG Rheinland-Pfalz 26. Februar 2010 - 9 Sa 599/09 - Rn. 18 f. mwN, zitiert nach juris, Staudinger - Gursky (2011) BGB § 387 Rn. 57). Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber bei Überzahlung von Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträgen etwa deswegen, weil ein Entgeltanspruch des Arbeitnehmers in Wirklichkeit nicht bestand, die überzahlten Steuern und Beiträge nicht gegenüber dem Finanzamt oder den Sozialversicherungsträgen zurückverlangen kann. Zumindest ohne Einverständnis des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber derartige Überzahlungen nicht mit Lohnsteuern und Beitragszahlungen für andere Zeiträume verrechnen. Die Abgaben erfolgten auf eine bestimmte Entgeltzahlung in einem bestimmten Zeitraum. Hat der Arbeitgeber Entgelt für andere Zeitabschnitte zu entrichten, so muss er für dieses Entgelt erneut Lohnsteuer- und Versicherungsbeiträge abführen. Eine Verrechnung mit den für andere Zeiträume gezahlten Steuern und Beiträgen ist hierbei nicht möglich (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 26. Februar 2010 - 9 Sa 599/09 - Rn. 18, aaO). Auch eine Aufrechnung „brutto gegen brutto“, wie vorliegend von der Beklagten vorgenommen, scheidet daher aus.

57

c) Mangels Zulässigkeit der Aufrechnung kommt es darauf, dass der Beklagten der behauptete Gegenanspruch auf Lohnrückforderung ohnehin nicht zustehen dürfte, da der Kläger aus den unter 1. genannten Gründen auch nach der Vertragsumstellung ab Juli 2012 darauf vertrauen durfte, weiterhin entsprechend den Anforderungen des von ihm bei der P AG zu betreuenden Projektes Gleittage nehmen zu dürfen, nicht mehr entscheidungserheblich an.

58

3. Der Anspruch des Klägers auf Zinsen ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.

59

B.  Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

60

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen. Über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, kann durch Teilurteil nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht.

(2) Der Erlass eines Teilurteils kann unterbleiben, wenn es das Gericht nach Lage der Sache nicht für angemessen erachtet.

(1) Der Handlungsgehilfe darf ohne Einwilligung des Prinzipals weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in dem Handelszweige des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen.

(2) Die Einwilligung zum Betrieb eines Handelsgewerbes gilt als erteilt, wenn dem Prinzipal bei der Anstellung des Gehilfen bekannt ist, daß er das Gewerbe betreibt, und der Prinzipal die Aufgabe des Betriebs nicht ausdrücklich vereinbart.

(1) Verletzt der Handlungsgehilfe die ihm nach § 60 obliegende Verpflichtung, so kann der Prinzipal Schadensersatz fordern; er kann statt dessen verlangen, daß der Handlungsgehilfe die für eigene Rechnung gemachten Geschäfte als für Rechnung des Prinzipals eingegangen gelten lasse und die aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung herausgebe oder seinen Anspruch auf die Vergütung abtrete.

(2) Die Ansprüche verjähren in drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in welchem der Prinzipal Kenntnis von dem Abschluss des Geschäfts erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste; sie verjähren ohne Rücksicht auf diese Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in fünf Jahren von dem Abschluss des Geschäfts an.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 12. September 2011 - 9 Sa 45/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Revision hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche.

2

Der Beklagte war für die Klägerin als Produktionsmanager und technischer Leiter tätig. Die Parteien schlossen in einem Kündigungsschutzverfahren einen durch Beschluss des Arbeitsgerichts vom 1. Dezember 2009 festgestellten Vergleich mit auszugsweise folgendem Wortlaut:

        

„§ 1   

        

Das Arbeitsverhältnis endet aufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger Kündigung vom 2. Oktober 2009 aus betrieblichen Gründen zum 31. Januar 2010. Verschuldensvorwürfe gegenüber dem Kläger sind mit der Kündigung nicht verbunden.

                 
        

§ 2     

        

Der Kläger wird bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Vergütung und unter Anrechnung restlicher oder noch entstehender Urlaubsansprüche und eventueller Freizeitausgleichsansprüche. Die Beklagte zahlt an den Kläger eine monatliche Vergütung ab dem 1. Oktober 2009 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses in Höhe von 6.200,00 Euro brutto, soweit die Ansprüche nicht auf die Krankenkasse übergegangen sind.

                 
        

§ 3     

        

Die Beklagte zahlt an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Sozialabfindung entsprechend §§ 9, 10 KSchG, §§ 24, 34 EStG in Höhe von 18.000,00 Euro brutto.

        

…       

        

§ 5     

        

Damit sind sämtliche finanziellen Ansprüche zwischen den Parteien aus dem Arbeitsverhältnis erledigt. …“

3

Der Beklagte steht spätestens seit dem 1. Dezember 2009 in einem Arbeitsverhältnis mit einer Wettbewerberin der Klägerin. Er bezog dort für Dezember 2009 und Januar 2010 jeweils eine Vergütung von 6.000,00 Euro brutto. Der Beklagte schlug der Klägerin Anfang Dezember 2009 vor, das Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden. Die Klägerin reagierte nicht. Sie zahlte dem Beklagten für Dezember 2009 die im Vergleich vereinbarte Vergütung. Unmittelbar nach Kenntnisnahme von der neuen Tätigkeit des Beklagten am 15. Januar 2010 kündigte sie das Arbeitsverhältnis fristlos. Der Kündigungsschutzklage des Beklagten ist rechtskräftig stattgegeben worden. Die Klägerin hat dem Beklagten für Januar 2010 keine Vergütung gezahlt.

4

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei auch während der vereinbarten Freistellung an das Wettbewerbsverbot gebunden gewesen und deshalb nach § 61 Abs. 1 HGB verpflichtet, die von der Wettbewerberin in dieser Zeitspanne bezogene Vergütung herauszugeben. Zumindest müsse er sich diese Vergütung auf seine Ansprüche gegen die Klägerin anrechnen lassen; er sei deshalb ungerechtfertigt bereichert und müsse die von der Klägerin im Dezember 2009 bezogene Vergütung in entsprechender Höhe zurückzahlen. Für den Monat Januar 2010 schulde sie nach Anrechnung der von der Wettbewerberin bezogenen Vergütung von 6.000,00 Euro brutto nur noch 200,00 Euro brutto.

5

Die Klägerin macht mit dem Hauptantrag die Herausgabe der Vergütung des Beklagten bei der Wettbewerberin in den Monaten Dezember 2009 und Januar 2010 zuzüglich der Arbeitgeberanteile zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag geltend. Mit den Hilfsanträgen fordert sie die von ihr geleistete Vergütung für Dezember 2009 zuzüglich der Arbeitgeberanteile überwiegend zurück und begehrt Feststellung der verbleibenden Vergütungspflicht für Januar 2010.

6

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

1.    

den Beklagten zu verurteilen, an sie 13.829,29 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

        

2.    

hilfsweise

                 

a)    

den Beklagten zu verurteilen, an sie 6.905,98 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

                 

b)    

festzustellen, dass der Vergütungsanspruch des Beklagten aus dem beendeten Arbeitsverhältnis der Parteien für den Monat Januar 2010 nur noch 200,00 Euro beträgt.

7

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Zahlungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.

10

I. Die Klage ist mit dem Hauptantrag unbegründet. Für einen Anspruch auf Herausgabe der bei der Wettbewerberin bezogenen Vergütung gibt es keine Anspruchsgrundlage.

11

1. Ein Anspruch ergibt sich nicht aus §§ 60, 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB.

12

a) Nach § 60 Abs. 1 HGB darf der Handlungsgehilfe ohne Einwilligung des Prinzipals weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in dem Handelszweig des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen. Nach § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB kann der Prinzipal bei einer Verletzung der dem Handlungsgehilfen aus § 60 HGB obliegenden Verpflichtung statt Schadensersatz ua. verlangen, dass dieser die aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung herausgibt.

13

b) Die Vorschriften der §§ 60, 61 HGB finden Anwendung. Der Beklagte war zwar nicht Handlungsgehilfe iSv. § 59 HGB, weil er keine kaufmännischen Dienste geleistet hat; das Wettbewerbsverbot gilt aber in gleicher Weise für andere Arbeitnehmer (st. Rspr., BAG 24. März 2010 - 10 AZR 66/09 - Rn. 15, BAGE 134, 43; 26. September 2007 - 10 AZR 511/06 - Rn. 17 f., BAGE 124, 133).

14

c) Der Beklagte war während der Freistellung an das Wettbewerbsverbot gebunden.

15

aa) Das Wettbewerbsverbot des § 60 Abs. 1 HGB gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses(BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 227 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 30) und damit nach einer Kündigung auch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (BAG 30. Mai 1978 - 2 AZR 598/76 - zu II 1 der Gründe, AP HGB § 60 Nr. 9 = EzA HGB § 60 Nr. 11).

16

bb) Die Parteien haben das Wettbewerbsverbot in dem Prozessvergleich vom 1. Dezember 2009 nicht aufgehoben. Die Freistellung des Arbeitnehmers hebt das Wettbewerbsverbot nicht auf (BAG 20. März 1984 - 3 AZR 32/82 - zu I 2 b der Gründe; 30. Mai 1978 - 2 AZR 598/76 - zu II 1 der Gründe, AP HGB § 60 Nr. 9 = EzA HGB § 60 Nr. 11). Der Arbeitgeber hat auch dann ein erkennbares Interesse an der Einhaltung des Wettbewerbsverbots, wenn der Arbeitnehmer von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt ist. Eine andere Auslegung einer Freistellungsvereinbarung ist denkbar, wenn die Anrechnung anderweitigen Verdienstes ausdrücklich vereinbart ist (BAG 6. September 2006 - 5 AZR 703/05 - Rn. 22, BAGE 119, 232). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

17

d) Der Beklagte hat mit seiner Tätigkeit für die Wettbewerberin gegen das vertragliche Wettbewerbsverbot verstoßen. Das Landesarbeitsgericht hat zwar zu der konkret ausgeübten Tätigkeit keine Feststellungen getroffen (zur Bestimmung der Reichweite des Wettbewerbsverbots: vgl. BAG 24. März 2010 - 10 AZR 66/09 - Rn. 15 ff., BAGE 134, 43); die herausgehobene Tätigkeit des Beklagten bei der Klägerin und die in nahezu gleicher Höhe vereinbarte Vergütung bei der Wettbewerberin lassen aber begründete Zweifel an einem Verstoß nicht zu.

18

e) Der Anspruch auf Herausgabe der Vergütung besteht nicht, weil das von der Wettbewerberin bezogene Festgehalt des Beklagten keine iSv. § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB „aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung“ ist.

19

aa) „Geschäfte machen“ iSd. Norm ist eine, wenn auch nur spekulative, auf Gewinn gerichtete Teilnahme am Geschäftsverkehr (BAG 11. August 1987 - 8 AZR 609/84 - zu II 3 c der Gründe, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 90 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 43; 24. April 1970 - 3 AZR 324/69 - zu I 1 b der Gründe, AP HGB § 60 Nr. 5 = EzA HGB § 60 Nr. 3). Untersagt ist der Abschluss von Umsatzgeschäften im Handelszweig des Arbeitgebers (BAG 20. September 2006 - 10 AZR 439/05 - Rn. 26, BAGE 119, 294) oder das Anbieten von Diensten und Leistungen gegenüber Dritten im Marktbereich des Arbeitgebers (BAG 16. Juni 1976 - 3 AZR 73/75 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 611 Treuepflicht Nr. 8 = EzA BGB § 611 Treuepflicht Nr. 1). Der Arbeitnehmer muss als Wettbewerber seines Arbeitgebers am Markt auftreten, also zu seinem Vorteil die gleichen Marktchancen nutzen (BAG 11. August 1987 - 8 AZR 609/84 - aaO). Tätigt der Arbeitnehmer im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses mit einer Wettbewerberin „Geschäfte für fremde Rechnung“, indem er aktiv werbend im Handelszweig des Arbeitgebers auftritt und für Rechnung der Wettbewerberin Geschäfte abschließt oder anbahnt, kann unmittelbar aus solchen Drittgeschäften bezogene Vergütung nach § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB herausverlangt werden.

20

bb) Dass der Beklagte für die Wettbewerberin im Marktbereich der Klägerin Drittgeschäfte getätigt hat, hat diese nicht vorgetragen. Der Beklagte hat einen Arbeitsvertrag mit einer Wettbewerberin geschlossen. Dies ist kein „Geschäft“ iSd. §§ 60, 61 HGB(BAG 15. Februar 1962 - 5 AZR 79/61 - zu II 2 b der Gründe, AP HGB § 61 Nr. 1); der Arbeitnehmer tritt beim Abschluss eines weiteren Arbeitsvertrags nicht am Markt im Wettbewerb zu seinem bisherigen Arbeitgeber auf.

21

cc) Der Anspruch auf ein Festgehalt ist regelmäßig auch keine „Vergütung“ iSd. § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB, deren Herausgabe verlangt werden kann (Oetker/Kotzian-Marggraf HGB 2. Aufl. § 61 Rn. 9). „Vergütung“ ist demnach das für einen bestimmten Geschäftsabschluss bezogene Entgelt, nicht aber das Gehalt für eine sonstige (wettbewerbswidrige) Tätigkeit. Dies ergibt die Auslegung der Norm.

22

(1) Hierfür spricht bereits der Gesetzeswortlaut. § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB verpflichtet zur Herausgabe bzw. Abtretung der „aus Geschäften für fremde Rechnung bezogenen Vergütung“. Ein Anspruch setzt voraus, dass tatsächlich Geschäfte abgeschlossen wurden. Zwischen der Vergütung und dem abgeschlossenen Geschäft muss ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen; die Vergütung muss „aus“ dem Geschäft folgen, also auf ihm beruhen.

23

(2) Die Systematik der Vorschrift bestätigt das. Grundsätzlich löst ein Verstoß gegen das gesetzliche Wettbewerbsverbot nach § 61 Abs. 1 Halbs. 1 HGB einen Anspruch auf Schadensersatz aus. Das Eintrittsrecht des Arbeitgebers nach § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB ist seinem Wesen nach eine pauschale Schadensersatzregelung und erleichtert dem Arbeitgeber die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs. Der Arbeitgeber darf ohne Nachweis eines besonderen Schadens in bestimmte Geschäfte eintreten und die Vergütung herausverlangen. Aus der Sachnähe zum Schadensersatzrecht ergibt sich aber, dass das Eintrittsrecht des Arbeitgebers nur dann besteht, wenn es ohne wesentliche Umstellung des Inhalts der verbotswidrig vorgenommenen Geschäfte verwirklicht werden kann (BAG 15. Februar 1962 - 5 AZR 79/61 - zu II 1 der Gründe, AP HGB § 61 Nr. 1). Ein Eintritt des Arbeitgebers in ein Arbeitsverhältnis scheidet aus.

24

(3) Für diese Auslegung spricht schließlich die Entstehungsgeschichte der Norm. § 56 Abs. 3 des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs(ADHGB) vom 31. Mai 1861 sah bei Verletzung des Wettbewerbsverbots neben einem Schadensersatzanspruch nur das Recht des Prinzipals vor, die von dem Handlungsgehilfen für eigene Rechnung abgeschlossenen Geschäfte an sich zu ziehen. Das Reichsgericht entschied sodann, dass ein Arbeitgeber nicht die Provisionen herausverlangen könne, die ein Handlungsgehilfe durch den Abschluss von Handelsgeschäften für Rechnung eines Konkurrenzunternehmens verdient habe, weil es sich dabei um Geschäfte für fremde und nicht für eigene Rechnung handele (RG 8. Dezember 1882 - II 390/82 - RGZ 8, 48). Um die Ungleichbehandlung von Geschäften für eigene und fremde Rechnung zu beseitigen, wurde die jetzige Regelung in das am 1. Januar 1900 in Kraft getretene HGB aufgenommen (zunächst § 53 HGB; vgl. Begründung zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für das Deutsche Reich von 1895, S. 52; zur Entstehungsgeschichte des § 61 HGB auch: Helms Gewinnherausgabe als haftungsrechtliches Problem S. 397 f.). Motiv für die Einführung der jetzigen Regelung war es, dem Arbeitgeber den Zugriff auf die vom Handlungsgehilfen verdienten Provisionen unabhängig davon zu ermöglichen, ob es sich um Geschäfte für eigene oder fremde Rechnung handelt. Der Zugriff auf laufendes Arbeitsentgelt ohne unmittelbaren Bezug zu konkreten (Dritt-)Geschäften war nicht beabsichtigt.

25

dd) Der Arbeitgeber wird durch vorstehendes Normverständnis nicht rechtlos gestellt; ihm bleibt unbenommen, nach § 61 Abs. 1 Halbs. 1 HGB Schadensersatz zu verlangen, dessen Geltendmachung durch ein Auskunftsverlangen vorbereitet werden kann (BAG 21. Oktober 1970 - 3 AZR 479/69 - AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 13 = EzA HGB § 60 Nr. 5). Für die von der Revision vertretene analoge Anwendung des § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB auf den Abschluss von Arbeitsverträgen ist danach kein Raum. Auch wenn das Wettbewerbsverbot über § 59 HGB hinaus für andere Arbeitnehmer gilt(siehe oben zu b), besteht keine planwidrige Regelungslücke; § 61 Abs. 1 Halbs. 2 HGB will keineswegs all das abschöpfen, was infolge eines wettbewerbswidrigen Verhaltens erlangt wird.

26

2. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gemäß § 61 Abs. 1 Halbs. 1 HGB ist nicht geltend gemacht, ein Schaden aufgrund der Verletzung des Wettbewerbsverbots nicht dargelegt worden. Die Klägerin hat sich auch nicht auf eine sonstige Pflichtverletzung des Beklagten berufen, die zur Weiterzahlung des Gehalts und damit zu einem Schaden geführt hat.

27

3. Aus angemaßter Eigengeschäftsführung gemäß § 687 Abs. 2, § 681 Satz 2, § 667 BGB kann die Klägerin keinen Anspruch herleiten, weil der Abschluss des Arbeitsvertrags mit der Wettbewerberin für den Beklagten kein „fremdes“, sondern ein eigenes Geschäft war.

28

4. Ein Anspruch ergibt sich nicht aus § 285 Abs. 1 BGB.

29

a) Nach dieser Vorschrift kann der Gläubiger Herausgabe des Ersatzes verlangen, wenn der Schuldner infolge des Umstands, aufgrund dessen er die Leistung nach § 275 Abs. 1 bis Abs. 3 BGB nicht zu erbringen braucht, für den geschuldeten Gegenstand einen Ersatz erlangt.

30

b) Ob Handlungen und Unterlassungen „Gegenstände“ iSd. § 285 Abs. 1 BGB sind, ist umstritten(dafür Löwisch NJW 2003, 2049; Staudinger/Löwisch/Caspers BGB 2009 § 285 Rn. 24; Bamberger/Roth/Unberath BGB 3. Aufl. § 285 Rn. 6; aA Palandt/Grüneberg BGB 71. Aufl. § 285 Rn. 5; MüKoBGB/Emmerich 6. Aufl. § 285 Rn. 5 f.; vgl. zu § 281 BGB aF auch BGH 25. April 1997 - LwZR 4/96 - zu 2 c der Gründe, BGHZ 135, 284), kann aber unentschieden bleiben. Der Beklagte konnte zwar nach Aufnahme der Tätigkeit für die Wettbewerberin seine Verpflichtung zur Unterlassung von Wettbewerb nicht mehr erfüllen. Voraussetzung eines Anspruchs nach § 285 Abs. 1 BGB ist aber, dass der Schuldner aufgrund eines bestimmten Umstands von seiner Primärpflicht zur Leistung des geschuldeten Gegenstands frei wird und aus diesem Grund einen Ersatz für eben den Gegenstand erlangt(BGH 25. April 2005 - II ZR 224/03 - zu I 2 d der Gründe, ZIP 2005, 1136; Staudinger/Löwisch/Caspers BGB § 285 Rn. 43). An dieser Identität fehlt es. Der Beklagte hat gegen die Wettbewerberin keinen Anspruch auf Vergütung wegen des Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot, sondern als Gegenleistung für die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Arbeitsleistung unabhängig von einem Wettbewerbsverstoß.

31

5. Der Anspruch ergibt sich nicht aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB. Der Beklagte hat das von der Klägerin begehrte Gehalt durch Leistung der Wettbewerberin und nicht in sonstiger Weise auf Kosten der Klägerin erlangt. Ein Bereicherungsanspruch der Klägerin scheidet bereits wegen des grundsätzlichen Vorrangs der Leistungsbeziehung aus.

32

II. Die Klage ist mit den Hilfsanträgen unbegründet. Ein Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der für Dezember 2009 gezahlten Vergütung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB besteht nicht. Die Zahlung ist nicht ohne Rechtsgrund erfolgt; die von der Wettbewerberin bezogene Vergütung ist auf den Vergütungsanspruch des Beklagten gegen die Klägerin nicht anzurechnen. Deshalb ist auch der Feststellungsantrag unbegründet.

33

1. Die Anrechnung folgt nicht aus § 615 Satz 2 BGB.

34

a) Gemäß § 615 Satz 2 BGB ist der Wert desjenigen, was der Arbeitnehmer während des Annahmeverzugs aus einer anderweitigen Verwendung seiner Dienste erwirbt, auf die vom Arbeitgeber nach § 615 Satz 1 iVm. § 611 BGB geschuldete Vergütung anzurechnen. Annahmeverzug setzt voraus, dass der Arbeitnehmer die Erbringung von Arbeitsleistung schuldet. Ist dies nicht der Fall, kann der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung nicht in Verzug geraten (BAG 19. März 2002 - 9 AZR 16/01 - zu II 2 a der Gründe, EzA BGB § 615 Nr. 108; 23. Januar 2001 - 9 AZR 26/00 - zu I 1 der Gründe, BAGE 97, 18; 9. November 1999 - 9 AZR 922/98 - zu I 3 a der Gründe); auch eine Anrechnung von Zwischenverdienst nach § 615 Satz 2 BGB scheidet dann aus(BAG 6. September 2006 - 5 AZR 703/05 - Rn. 24, BAGE 119, 232; 19. März 2002 - 9 AZR 16/01 - aaO). Wird vertraglich eine Freistellung des Arbeitnehmers bestimmt, kommt es für die Frage der Anrechnung eines anderweitigen Verdienstes vorrangig auf die Auslegung des Vertrags an.

35

b) Die Parteien haben in § 2 des Prozessvergleichs vom 1. Dezember 2009 vereinbart, dass der Beklagte bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche und mit Zahlung bestimmter Beträge von der Arbeitsleistung freigestellt wird. Die Freistellung war, wie die zeitlich nicht festgelegte Anrechnung auf Urlaubsansprüche zeigt, unwiderruflich (vgl. BAG 14. März 2006 - 9 AZR 11/05 - Rn. 19 f., AP BUrlG § 7 Nr. 32 = EzA BUrlG § 7 Nr. 117) und hat die Arbeitspflicht des Beklagten aufgehoben (vgl. BAG 23. Januar 2008 - 5 AZR 393/07 - Rn. 13, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 22; 29. September 2004 - 5 AZR 99/04 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 112, 120; 19. März 2002 - 9 AZR 16/01 - zu II 2 c der Gründe, EzA BGB § 615 Nr. 108). Der Anspruch des Beklagten auf Vergütung folgt unmittelbar aus § 2 Satz 2 des Vergleichs in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag und nicht(mehr) aus § 615 Satz 1 BGB(vgl. BAG 29. September 2004 - 5 AZR 99/04 - aaO; 19. März 2002 - 9 AZR 16/01 - zu II 2 d der Gründe, aaO; im Grundsatz auch für Arbeitsunfähigkeit: BAG 23. Januar 2008 - 5 AZR 393/07 - aaO; 29. September 2004 - 5 AZR 99/04 - aaO). Eine Anrechnung anderweitig erzielter Vergütung aufgrund von § 615 Satz 2 BGB scheidet deshalb aus.

36

2. Die Parteien haben die Anrechnung anderweitigen Einkommens nicht geregelt. Gegen eine konkludent vereinbarte Anrechnung spricht die konkrete Bezifferung der Vergütungsansprüche und die ohne zeitliche Festlegung vereinbarte Erfüllung von Urlaubsansprüchen durch die Freistellung. Damit überlässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Festlegung der zeitlichen Lage seines Urlaubs innerhalb des Freistellungszeitraums (BAG 14. März 2006 - 9 AZR 11/05 - Rn. 20, AP BUrlG § 7 Nr. 32 = EzA BUrlG § 7 Nr. 117); während des Urlaubs erfolgt keine Anrechnung anderweitigen Verdienstes (BAG 25. Februar 1988 - 8 AZR 596/85 - BAGE 57, 366; ErfK/Gallner 12. Aufl. § 8 BUrlG Rn. 4). Deshalb findet nach dem Prozessvergleich vom 1. Dezember 2009 jedenfalls bei nicht wettbewerbswidriger Tätigkeit des Beklagten keine Anrechnung statt. Dieses Verständnis des Vergleichs entspricht auch der Auffassung beider Parteien. Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien eine Anrechnung von Vergütung demgegenüber für den Fall eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot vereinbaren wollten, bestehen, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, nicht.

37

3. Eine ergänzende Auslegung des Prozessvergleichs im Hinblick auf eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes kommt nicht in Betracht. Eine Freistellungsvereinbarung ohne Anrechnungsregelung ist nicht lückenhaft (BAG 30. September 1982 - 6 AZR 802/79 - zu II 2 der Gründe; 9. November 1999 - 9 AZR 922/98 - zu I 4 der Gründe). Die Ausgleichsklausel zeigt zudem, dass die Parteien eine abschließende Regelung wollten.

38

4. Eine Anrechnung ist auch nicht nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB geboten.

39

a) Unerlaubte Wettbewerbshandlungen des Arbeitnehmers können Schadensersatzansprüche auslösen, mit denen gegen Gehaltsansprüche aufgerechnet werden kann. Regelmäßig berechtigen sie den Arbeitgeber aber nicht, die Zahlung der vereinbarten Vergütung zu verweigern. Allenfalls in besonders krass liegenden Fällen, in denen sich der Arbeitnehmer gegenüber dem anderen Teil grob verwerflich verhalten hat, kann dem Vergütungsanspruch der Arglisteinwand entgegengehalten werden (BGH 19. Oktober 1987 - II ZR 97/87 - zu 1 der Gründe, AP BGB § 611 Konkurrenzklausel Nr. 33). Die Leistungsverweigerung muss in einem angemessenen Verhältnis zum beanstandeten Verhalten stehen, übertriebene, den objektiven Gegebenheiten unangepasste Reaktionen sind nicht erlaubt; auch das Maß der Enttäuschung oder der Verärgerung über einen Mitarbeiter ist nicht maßgebend (zur Entziehung eines Ruhegeldanspruchs bei Konkurrenztätigkeit: BAG 3. April 1990 - 3 AZR 211/89 - zu II 2 c der Gründe, BAGE 64, 298). Entsprechendes gilt für die teilweise Verweigerung der Vergütungsleistung in Höhe des anderweitigen Verdienstes des Arbeitnehmers.

40

b) Umstände, die über die bloße Verletzung des Wettbewerbsverbots hinausgehen und das Verhalten des Beklagten als besonders verwerflich erscheinen lassen, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Auch der Sachvortrag der Klägerin gibt dafür nichts her. Es ist nicht zu erkennen, dass der Verstoß des Beklagten gegen das Wettbewerbsverbot überhaupt negative Auswirkungen auf das Geschäft und die Interessen der Klägerin gehabt hat. Bei einer solchen Sachlage verwirkt der Vergütungsanspruch regelmäßig nicht. Durch die Anwendung des § 242 BGB dürfen die gesetzlichen Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruchs, insbesondere Schaden und haftungsausfüllende Kausalität, nicht umgangen werden.

41

c) Dass dem Beklagten für den Streitzeitraum nach der Vertragslage eine „doppelte Vergütung“ zusteht, beruht auf der einvernehmlichen Freistellung des Beklagten ohne Anrechnung anderweitigen Verdienstes. Dieses Ergebnis kann nicht als schlechthin unangemessen angesehen werden. Eine „doppelte Vergütung“ hätte der Beklagte, wie die Klägerin einräumt, auch bei Aufnahme einer anderweitigen Tätigkeit unter Einhaltung des Wettbewerbsverbots beanspruchen können.

42

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Mikosch     

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    D. Kiel    

        

    Die Amtszeit des ehrenamtlichen
Richters Beck ist abgelaufen.
Mikosch    

                 

Wird mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden, was der Beklagte aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis schuldet, so kann die bestimmte Angabe der Leistungen, die der Kläger beansprucht, vorbehalten werden, bis die Rechnung mitgeteilt, das Vermögensverzeichnis vorgelegt oder die eidesstattliche Versicherung abgegeben ist.

8
a) Nach § 254 ZPO kann die bestimmte Angabe der Leistungen, die der Kläger beansprucht, vorbehalten werden, wenn mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden wird, was der Beklagte aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis schuldet. Die Besonderheit der Stufenklage liegt nicht in der Zulassung einer Anspruchsverbindung in einer Klage, sondern in erster Linie in der Zulassung eines unbestimmten Antrags entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Stufenklage soll dem Kläger die Prozessführung nicht allgemein erleichtern. Vielmehr muss sein Unvermögen zur bestimmten Angabe der von ihm auf der letzten Stufe seiner Klage beanspruchten Leistung gerade auf den Umständen beruhen, über die er auf der ersten Stufe Auskunft begehrt, bzw. muss das Auskunftsbegeh- ren gerade der Vorbereitung der auf der letzten Stufe noch nachzuholenden bestimmten Angabe dienen (MünchKommZPO/Becker-Eberhard, 3. Aufl., § 254 Rn. 6 f.; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 254 Rn. 2; Baumbach /Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl., § 254 Rn. 1). Daraus folgt, dass im Rahmen der Stufenklage die Auskunft lediglich ein Hilfsmittel ist, um die (noch) fehlende Bestimmtheit des Leistungsanspruchs herbeizuführen (Zöller /Greger, ZPO, 28. Aufl., § 254 Rn. 6). Die der Stufenklage eigentümliche Verknüpfung von unbestimmtem Leistungsanspruch und vorbereitendem Auskunftsanspruch steht dagegen nicht zur Verfügung, wenn die Auskunft überhaupt nicht dem Zwecke einer Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs dienen, sondern dem Kläger sonstige mit der Bestimmbarkeit als solcher nicht in Zusammenhang stehende Informationen über seine Rechtsverfolgung verschaffen soll (BGH, Urteile vom 2. März 2000 - III ZR 65/99, NJW 2000, 1645, 1646 und vom 18. April 2002 - VII ZR 260/01, NJW 2002, 2952, 2953).

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 4. Juni 2010 - 9 Sa 2699/09 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antrag zu 4) als unzulässig abgewiesen wird.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf eine Zeitgutschrift auf einem für ihn geführten Arbeitszeitkonto, die Durchführung eines tariflichen Beschwerdeverfahrens zur Bewertung seiner Tätigkeit und die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer sich hieraus eventuell ergebenden Differenzvergütung.

2

Der nicht tarifgebundene Kläger ist seit dem 1. Oktober 1993 bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. In dem maßgebenden Arbeitsvertrag vom 30. September 1993 heißt es unter Nr. 2 ua.:

        

„Für das Arbeitsverhältnis gelten

        

-       

der ‚Tarifvertrag für die Angestellten der Deutschen Bundespost (TV Ang-O)’ und die sonstigen Tarifverträge für die Angestellten der Deutschen Bundespost im Beitrittsgebiet

        

-       

der ‚Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV Arb-O)’ und die sonstigen Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost im Beitrittsgebiet

        

in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Vertragsparteien vereinbart.“

3

Im Zuge der sog. Postreform II wurden die Geschäftsbereiche der Deutschen Bundespost durch das Gesetz zur Umwandlung der Unternehmen der Deutschen Bundespost in die Rechtsform der Aktiengesellschaft (vom 14. September 1994, BGBl. I S. 2325, 2339 - Postumwandlungsgesetz - PostUmwG) privatisiert. Aus dem Geschäftsbereich, in dem der Kläger tätig gewesen war, entstand kraft Gesetzes die Deutsche Telekom AG (nachfolgend DT AG). Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde zum 1. Januar 1995 auf die DT AG übergeleitet.

4

Die DT AG vereinbarte in der Folgezeit mit der Deutschen Postgewerkschaft (DPG) Tarifverträge, die ua. die zuvor zwischen der Deutschen Bundespost und der DPG geschlossenen Tarifverträge für die Arbeiter und Angestellten der Deutschen Bundespost in Ost und West für den Bereich der DT AG abänderten. Eine weitgehende Ablösung der vormals mit der Deutschen Bundespost geschlossenen und nachfolgend geänderten Tarifverträge erfolgte anlässlich der Einführung des „Neuen Bewertungs- und Bezahlungssystems - NBBS“ zum 1. Juli 2001 in einem gesonderten Übergangstarifvertrag, dem Tarifvertrag zur Umstellung auf das NBBS. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers wurden in dieser Zeit übereinstimmend die jeweiligen für ihn als Arbeiter einschlägigen Tarifverträge der Deutschen Bundespost Telekom und später die der DT AG angewendet.

5

Mit Schreiben vom 6. November 2007 wurde dem Kläger von seiner damaligen Arbeitgeberin, der DT AG, mitgeteilt, dass er „versetzt“ und „mit Wirkung vom 22.06.2007 … als Sachbearbeiter Abnahme mit der AtNr. in der Aufgabengruppe“ beschäftigt werde. Die Arbeitgeberin habe die Funktion bis zur Entscheidung der paritätischen Bewertungskommission mit der Entgeltgruppe T 5 Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV DT AG) vorbewertet.

6

Mit einem an die DT AG gerichteten Schreiben vom 21. November 2008 widersprach der Kläger dieser vorläufigen Eingruppierung. Er sei seit Gründung des Zentrums Technik, Qualität und Abnahme (Z TQA) als Sachbearbeiter Abnahme eingestuft worden, ohne dass eine endgültige Eingruppierung durch den Arbeitgeber stattgefunden habe. Es habe sich gezeigt, dass die Tätigkeit eine der Entgeltgruppe T 7 ERTV DT AG sei, weshalb er um eine Korrektur der vorläufigen Eingruppierung bitte.

7

Am 25. November 2008 kam es zu einer „Tarifeinigung“ zwischen der Gewerkschaft ver.di einerseits sowie der DT AG und der Beklagten andererseits zur Überführung der Technikzentren von der DT AG auf die Beklagte. Die Tarifeinigung lautet ua. wie folgt:

        

„Tarifeinigung

        

zur Überführung der Technik-Zentren

        

(Zentrum Technik Netzmanagement, Zentrum Technik Planung, Zentrum Technik Einführung und Zentrum Technik Qualität und Abnahme)

        

…       

        

Die Deutsche Telekom AG und die DTNP einerseits und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di andererseits vereinbaren - vorbehaltlich der Zustimmung der Gremien - folgende tarifvertragliche Regelungen:

        

Abschnitt 1

        

Für die von der Deutschen Telekom AG auf die Deutsche Netzproduktion GmbH übergehenden Arbeitnehmer finden die Tarifverträge der Deutschen Telekom Netzproduktion GmbH Anwendung, soweit die Arbeitnehmer von dem jeweiligen Geltungsbereich der entsprechenden Tarifverträge erfasst sind und im Folgenden nichts Abweichendes festgelegt wurde.

                 
        

Abschnitt 2

        

Für die übergehenden Arbeitnehmer wird ein Tarifvertrag Sonderregelungen (im Folgenden: TV SR II) abgeschlossen, der sich an dem bei der Deutschen Telekom Netzproduktion GmbH bereits bestehenden TV SR vom 25. Juni 2007 (im Folgenden: TV SR) orientiert und folgende Regelungen enthält:

        

…       

        

-       

Geltungsbereich

                 

Dieser Tarifvertrag gilt für die bei der Deutschen Telekom Netzproduktion GmbH (DTNP) beschäftigten Arbeitnehmer, die

                 

(a)     

am 30. November 2008 bei der Deutschen Telekom AG (DTAG) in einem Arbeitsverhältnis standen und

                 

(b)     

ab dem 1. Dezember 2008 aufgrund von Maßnahmen zur Überführung der Technik-Zentren der DTAG in der DT NP vom Geltungsbereich des § 1 MTV erfasst werden,

                 

…       

        

-       

Regelungen zur Eingruppierung entsprechend § 11 TV SR.

                 

Abweichend von § 11 Abs. 1 Unterabsatz 2 Satz 3 hat der Betriebsrat ein Beanstandungsrecht hinsichtlich der Bewertung. Die Beanstandung muss bis zum 31. März 2009 erfolgen. Die Beanstandungen werden nach den Altregelungen der DTAG abgewickelt. Eventuelle Verfahren sind bis spätestens zum 31. Dezember 2009 durchzuführen.

                 

Abweichend von § 11 Absatz 2 werden laufende Beanstandungen nach der Altregelung der DTAG durchgeführt. Stichtag für diese Übergangsregelung ist der 19. November 2008.

        

…“    

        
8

Mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2008 wurde ua. das Zentrum, in dem der Kläger tätig ist und welches in der Einleitung der Tarifeinigung genannt wird, von der Beklagten, einer Tochtergesellschaft der DT AG, im Wege des Betriebsübergangs übernommen. Die Beklagte wendete in der Folgezeit auf das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger die von ihr mit der Gewerkschaft ver.di bereits vor dem Betriebsübergang geschlossenen Haustarifverträge in der Fassung an, die sich aus der Tarifeinigung vom 25. November 2008 ergibt, darunter den Manteltarifvertrag Deutsche Telekom Netzproduktion GmbH (MTV DT NP), der nach § 11 eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 38 Stunden vorsieht, während in § 11 MTV DT AG eine von 34 Stunden geregelt ist, und den Entgeltrahmentarifvertrag Deutsche Telekom Netzproduktion GmbH(ERTV DT NP). Mit Schreiben vom 8. Januar 2009 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Überprüfung der Eingruppierung als verfristet ab.

9

Mit seiner Klage verlangt der Kläger - soweit für die Revision von Bedeutung - eine Zeitgutschrift auf seinem Arbeitszeitkonto sowie die Verpflichtung der Beklagten, seine Beschwerde zur Eingruppierung einer tariflichen Bewertungskommission nach § 5 ERTV DT AG, hilfsweise nach § 6 ERTV DT AG vorzulegen. Weiterhin will er - in Bezug auf den Antrag, seine Beschwerde der Bewertungskommission vorzulegen - im Wege der Stufenklage festgestellt wissen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die sich aus einer Eingruppierungsentscheidung der Kommission ergebende Entgeltdifferenz zu der Entgeltgruppe T 5 ERTV DT AG zu zahlen.

10

Im Verlauf des Rechtsstreits beanstandete der bei der Beklagten gebildete Betriebsrat mit Schreiben vom 30. März 2009 die vorgenommene tarifliche Bewertung. Eine dezentrale Bewertungskommission entschied am 21. Januar 2010, dass der Personalposten des Klägers mit der Entgeltgruppe T 5 zutreffend bewertet worden sei. Mit Wirkung zum 1. März 2010 vereinbarten die Parteien am 4. März 2010 einen Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag vom 30. September 1993, wonach ua. die jeweils für den Arbeitgeber geltenden Tarifverträge anzuwenden sind und die Tätigkeit des Klägers entsprechend den tariflichen Regelungen nach der Entgeltgruppe 7 zu vergüten ist.

11

Der Kläger ist der Auffassung, aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel seien für ihn jedenfalls für die Zeit bis zum 28. Februar 2010 die Tarifverträge der DT AG mit dem Regelungsbestand vom 30. November 2008 anzuwenden gewesen. Bei der im Arbeitsvertrag vereinbarten Bezugnahmeklausel handele es sich um eine kleine dynamische Bezugnahme, aufgrund derer das Tarifwerk der Deutschen Bundespost und später dasjenige der DT AG anzuwenden sei. Bei der Tarifeinigung vom 25. November 2008 handele es sich nicht um einen Tarifvertrag. Zudem fehle es an der im Einleitungssatz der Vereinbarung vorgesehenen Zustimmung der Gremien. Seine Arbeitszeit, soweit sie täglich 6,8 Stunden überschreite, müsse auf seinem bei der Beklagten geführten Arbeitszeitkonto gutgeschrieben werden. Dies ergebe sich aus § 5 Abs. 3 Buchst. a, § 4 Abs. 2 des Arbeitszeitkonten-Tarifvertrages der DT AG(TV Azk DT AG). Seine wöchentliche Arbeitszeit betrage danach 34 Stunden und ein Fünftel dementsprechend 6,8 Stunden. Nach dem Arbeitszeitkonto betrage die tägliche Sollarbeitszeit 7,6 Stunden. Der Kläger könne daher für jeden Arbeitstag eine Zeitgutschrift verlangen.

12

Der Verpflichtung der Beklagten, seine Beschwerde der Bewertungskommission vorzulegen, ergebe sich aus § 613a Abs. 2 Satz 1 BGB. Die Beklagte hafte als Betriebserwerberin für die Verpflichtungen ihrer Rechtsvorgängerin. Auch könne der Kläger jedenfalls hilfsweise eine Korrektur der Eingruppierung nach § 6 ERTV DT AG verlangen. Der Antrag zu 4) werde im Sinne einer Stufenklage mit den beiden Anträgen zu 2) und 3) gestellt. Das Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, dass der Kläger das Verfahren der dezentralen paritätischen Kommission nicht beeinflussen könne; andererseits müsse er zur Wahrung seiner sich aus einer möglicherweise fehlerhaften Eingruppierung ergebenden Gehaltsdifferenzen diese geltend machen, die er derzeit nicht beziffern könne.

13

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verpflichten, die 6,8 Stunden täglich überschreitende Arbeitszeit des Klägers dessen Arbeitszeitkonto für die Zeit vom 1. Dezember 2008 bis zum 28. Februar 2010 mit insgesamt 181 Stunden gutzuschreiben,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, die Beschwerde des Klägers zur Eingruppierung vom 21. November 2008 (Anlage A7) einer dezentralen paritätischen Kommission nach § 5 ERTV DT AG, Stand 30. November 2008, vorzulegen,

        

hilfsweise, für den Fall der Klageabweisung zu 2),

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, die Beschwerde des Klägers zur Eingruppierung vom 21. November 2008 einer dezentralen paritätischen Kommission nach § 6 ERTV DT AG, Stand 30. November 2008, vorzulegen,

        

4.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die sich aus einer Eingruppierungsentscheidung der dezentralen paritätischen Kommission ergebende monatliche Bruttoentgeltdifferenz zu der Entgeltgruppe T 5 des ERTV DT AG seit dem 1. Juni 2008 bis zum 28. Februar 2010 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB jeweils seit dem 16. eines Monats, beginnend mit dem 16. Juni 2008 zu zahlen.

14

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie und die DT AG hätten vor dem Betriebsübergang mit der Gewerkschaft ver.di eine neue spartenbezogene Tarifregelung für den zu überführenden Bereich getroffen, die das sonstige Tarifrecht der DT AG bereits bei der DT AG mit Wirkung vom 25. November 2008 abgelöst habe. Der Einspruch nach § 5 ERTV DT AG sei nicht fristgemäß geltend gemacht worden und zudem nach § 31 MTV DT AG verfallen. Darüber hinaus erfasse bereits die im Vertrag aus dem Jahre 1993 vereinbarte arbeitsvertragliche Verweisung die von der Beklagten vereinbarten Tarifverträge.

15

Das Arbeitsgericht hat der Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen und die Revision „hinsichtlich der Frage“ zugelassen, „ob der Tarifvertrag der Beklagten auf das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund der arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel Anwendung findet“. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. In der Revisionsinstanz hat er seinen Antrag zu 1) dahingehend konkretisiert, dass die Zeitgutschrift in der Spalte „GLZ-Saldo gesamt“ seines Arbeitszeitkontos erfolgen soll. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

17

I. Die Revision des Klägers ist uneingeschränkt statthaft. Der Senat geht davon aus, dass die Erweiterung im Tenor der Revisionszulassung des Berufungsurteils nur als deren Erläuterung zu verstehen ist. Sollte mit ihm eine Beschränkung der Revisionszulassung auf die dort genannte Rechtsfrage beabsichtigt gewesen sein, wäre sie unbeachtlich. Eine beschränkte Zulassung der Revision ist nur möglich, wenn sich die Beschränkung auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffes bezieht; eine Beschränkung der Revisionszulassung auf einzelne Rechtsfragen ist dagegen nicht möglich. Sie ist ohne rechtliche Bedeutung und führt zur unbeschränkten Statthaftigkeit der Revision (st. Rspr., etwa BAG 26. März 1986 - 7 AZR 585/84 - zu I der Gründe mwN, BAGE 51, 314; 6. November 2008 - 2 AZR 935/07 - Rn. 21 f., BAGE 128, 256).

18

II. Die Revision ist unbegründet. Der Kläger kann weder eine Gutschrift von Arbeitsstunden auf seinem Arbeitszeitkonto beanspruchen, noch ist die Beklagte verpflichtet, seine Beschwerde vom 21. November 2008 einer tariflichen Bewertungskommission nach § 5 ERTV DT AG oder § 6 ERTV DT AG vorzulegen. Die Stufenklage - Antrag zu 4) - ist bereits unzulässig.

19

1. Der zulässige Klageantrag zu 1) ist unbegründet.

20

a) Der Antrag zu 1) ist zulässig. Eine Leistungsklage, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können(vgl. BAG 23. Januar 2008 - 5 AZR 1036/06 - Rn. 9, AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 42 = EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 16; 14. August 2002 - 5 AZR 417/01 - AP EntgeltFG § 2 Nr. 10 = EzA EntgeltfortzG § 2 Nr. 4) und die vom Kläger geforderte Leistungshandlung sich zumindest seinem Sachvortrag entnehmen lässt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend (anders als in dem Verfahren BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 501/09 - Rn. 72) erfüllt. Der Kläger, der Ausdrucke der monatlichen Entwicklung seines Arbeitszeitkontos bereits in den Tatsacheninstanzen vorgelegt hat, möchte, wie sich aus seinem Vorbringen ergibt, das er in der Revision nochmals ausdrücklich klargestellt hat, in der Spalte „GLZ-Saldo gesamt“ des Arbeitszeitkontos die von ihm bezifferten Stunden als Guthaben verbucht wissen (vgl. auch BAG 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 11 mwN, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3; 13. März 2002 - 5 AZR 43/01 - zu I der Gründe, EzA ZPO § 253 Nr. 22 ).

21

b) Der Antrag zu 1) ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch, dass die vom 1. Dezember 2008 bis zum 28. Februar 2010 über eine Arbeitszeit von 34 Stunden in der Woche gemäß § 11 MTV DT AG hinaus geleistete Arbeitszeit als Guthaben auf seinem Arbeitszeitkonto in der Spalte „GLZ-Saldo gesamt“ verbucht wird. Dafür fehlt es an einer Anspruchsgrundlage. Dabei kann dahinstehen, ob - wie der Kläger meint - die Tarifverträge der DT AG und dabei namentlich § 11 Abs. 1 MTV DT AG, der eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 34 Stunden vorsieht, auch noch im Streitzeitraum auf das Arbeitsverhältnis anwendbar war. Ebenso muss der Senat nicht darüber befinden, ob der am 25. November 2008 getroffenen „Tarifeinigung“ die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 6. September 2011 zur Richtlinie 2001/23/EG (- C-108/10 - [ Scattolon ] Rn. 76, AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 9 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2001/23 Nr. 7 ) entgegensteht. Selbst wenn der Kläger nur zu einer wöchentlichen Arbeitszeit von 34 Stunden nach dem MTV DT AG verpflichtet gewesen wäre, kann er die von ihm begehrte Gutschrift auf das von der Beklagten für ihn geführte Arbeitszeitkonto nicht beanspruchen.

22

aa) Nach § 611 Abs. 1 BGB iVm. dem TV Azk DT AG hat ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf korrekte Führung des Arbeitszeitkontos, da dieses den Vergütungsanspruch verbindlich bestimmt. Ein Arbeitszeitkonto gibt den Umfang der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit wieder und drückt damit nur in anderer Form seinen Vergütungsanspruch aus (BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 424/09 - Rn. 54, EzA TVG § 3 Verbandsaustritt Nr. 5; 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 13, BAGE 135, 197). Die Gutschrift von Arbeitsstunden setzt damit voraus, dass die gutzuschreibenden Stunden nicht vergütet wurden oder die dafür geleistete Vergütung vom Arbeitgeber wegen eines Entgeltfortzahlungstatbestands auch ohne tatsächliche Arbeitsleistung hätte erbracht werden müssen.

23

bb) Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger nicht vor.

24

Der Kläger übersieht, dass die Beklagte das für ihn im Streitzeitraum bestehende Arbeitszeitkonto nach den Arbeitszeitbestimmungen des von ihr geschlossenen MTV DT NP und den Regelungen des Tarifvertrages für Arbeitszeit- und Langzeitkonten Deutsche Telekom Netzproduktion GmbH (T V Azk DT NP) geführt hat, der eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden vorsieht. Nach diesen Bestimmungen wird das Arbeitszeitkonto des Klägers nach wie vor geführt. Sie sind nach der zum 1. März 2010 erfolgten Vertragsänderung auch die maßgebenden Bestimmungen. Nur die Überschreitungen der nach § 4 Abs. 2 TV Azk DT NP geltenden täglichen Arbeitszeit, die sich nach § 11 Abs. 1 MTV DT NP bestimmt und von der Beklagten mit 7 Stunden 36 Minuten zutreffend als Sollzeit in das Arbeitszeitkonto des Klägers als Maßstab aufgenommen wurde, können als Mehrleistungen in ein nach diesen Bestimmungen geführtes Arbeitszeitkonto verbucht werden, nicht aber bereits Zeiten, die nach einem anderen Tarifvertrag eine Überschreitung der Sollzeiten bedeuten würden. Daher kann die tatsächlich zugrunde gelegte tägliche Sollarbeitszeit „7.36“ nicht - unter Weitergeltung der Regelung im Übrigen - für den Kläger einfach in die Zahl „6.48“ (6 Stunden 48 Minuten) geändert werden.

25

Die Beklagte hat den Kläger auch nach der von ihm vorgelegten Vergütungsmitteilung für den Monat Dezember 2008 entsprechend den Bestimmungen des MTV DT NP und des TV Azk DT NP vergütet. Hiermit sind die Stunden, die laut Klageantrag auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers als Guthaben verbucht werden sollen, enthalten und von der Beklagten damit laufend vergütet worden. Ob die dafür geleistete Vergütung den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen der Beklagten entsprach oder ob sie - weil die regelmäßige Arbeitszeit sich nach § 11 Abs. 1 MTV DT AG richtete - zu niedrig vergütet worden sind, ist im Hinblick auf das Arbeitszeitkonto nicht von Bedeutung. Eine zu geringe Vergütung von geleisteten Arbeitsstunden begründet keinen Anspruch, diese Stunden auf einem nach anderen Bestimmungen geführten Arbeitszeitkonto als Mehrarbeit zu verbuchen, sondern lediglich auf die Zahlung der Vergütungsdifferenz (vgl. BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 424/09 - Rn. 55, EzA TVG § 3 Verbandsaustritt Nr. 5; 10. November 2010 - 5 AZR 766/09 - Rn. 17, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitszeitkonto Nr. 3).

26

2. Auch der Klageantrag zu 2) ist unbegründet.

27

a) Der Antrag ist, wie die gebotene Auslegung ergibt, nicht nur darauf gerichtet, der dezentralen paritätischen Kommission iSd. § 5 ERTV DT AG die Erklärung des Klägers unter dem Datum des 21. November 2008 zu übermitteln, sondern - weitergehend - das Bewertungsverfahren auch vor dieser Kommission durchzuführen. Aus dem gesamten Vorbringen des Klägers ergibt sich, dass er die Weiterführung des mit dem vorläufigen Bewertungsvorschlag aus dem Jahre 2007 eingeleiteten Bewertungsverfahrens begehrt. Hierfür spricht auch seine Begründung zu der von ihm erhobenen „Stufenklage“, dem Antrag zu 4).

28

b) Der Kläger kann von der Beklagten nicht die Durchführung eines Bewertungsverfahrens nach § 5 ERTV DT AG verlangen, weil es sich um eine Betriebsnorm handelt, die in keinem Falle unmittelbar auf das mit der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis anzuwenden ist und aus der der Kläger keinen individual-rechtlichen Anspruch ableiten kann.

29

aa) Dabei kann es auch in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob auf das Arbeitsverhältnis der Parteien für die Zeit bis zum 28. Februar 2010 die Bestimmungen der Tarifverträge der DT AG mit dem Regelungsbestand vom 30. November 2008 anzuwenden sind oder der Klageantrag zu 2) schon deshalb unbegründet ist, weil der Kläger einen etwaigen Anspruch auf Weiterleitung seiner Beschwerde nicht binnen zwei Wochen nach Mitteilung des vorläufigen Bewertungsvorschlags geltend gemacht hat. Gleichfalls kann dahinstehen, ob die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 6. September 2011 zur Richtlinie 2001/23/EG (- C-108/10 - [Scattolon] Rn. 76, AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 9 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2001/23 Nr. 7) einer „Tarifeinigung“ entgegensteht, wie sie ua. von der Beklagten am 25. November 2008 vereinbart wurde.

30

bb) Die maßgebenden Bestimmungen des ERTV DT AG zum Bewertungsverfahren lauten ua.:

        

„Abschnitt II Bewertungsverfahren

        

§ 4     

Bewertungskommission

        

(1)     

Die Bewertung einer Tätigkeit erfolgt unter Anwendung der Tätigkeitsmerkmale und Richtbeispiele durch eine Bewertungskommission. Das Ergebnis ist die Zuordnung der Tätigkeit zu einer Entgeltgruppe.

        

(2)     

Es werden sechs dezentrale Bewertungskommissionen sowie eine bundesweite zentrale Bewertungskommission eingerichtet. Die Bewertungskommissionen geben sich eine Geschäftsordnung.

                 

…       

        

(3)     

Die Bewertungskommissionen sind paritätisch besetzt. Die Mitglieder werden durch die jeweilige Tarifvertragspartei benannt. Die dezentralen Bewertungskommissionen sind mit jeweils drei Mitgliedern besetzt; die zentrale Bewertungskommission ist mit jeweils vier Mitgliedern besetzt. Jede Seite benennt eine gleiche Anzahl von Stellvertretern.

        

(4)     

In den Bewertungskommissionen besitzt jedes Mitglied eine Stimme. Die Entscheidungsfindung erfolgt nach Maßgabe des § 5.

        

…       

        
        

§ 5     

Bewertungsverfahren

        

(1)     

Der Arbeitgeber erstellt einen Bewertungsvorschlag, indem er die Tätigkeit unter Anwendung der Tätigkeitsmerkmale und Richtbeispiele einer Entgeltgruppe zuordnet.

        

(2)     

Der Arbeitgeber teilt dem Arbeitnehmer und dem Betriebsrat den Bewertungsvorschlag mit. Der Betriebsrat und/oder der Arbeitnehmer können binnen einer Frist von zwei Wochen nach Mitteilung des Bewertungsvorschlags geltend machen, dass

                 

-       

die Tätigkeit einem anderen Tätigkeitsmerkmal bzw. Richtbeispiel zuzuordnen ist

                 

oder   

                 

-       

der Arbeitnehmer eine andere Tätigkeit ausübt, die einem anderen Tätigkeitsmerkmal bzw. Richtbeispiel zuzuordnen ist.

                 

Nach Ablauf der vorstehend genannten Frist leitet der Arbeitgeber den Bewertungsvorschlag einschließlich einer etwaigen schriftlichen Stellungnahme bzw. Erklärung des Arbeitnehmers bzw. Betriebsrats der dezentralen Bewertungskommission zu.

                 

...     

        
        

(3)     

Die dezentrale Bewertungskommission entscheidet innerhalb von vier Wochen nach Zuleitung über den Bewertungsvorschlag mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Kommt eine Entscheidung nicht zustande, gilt folgendes:

                 

…       

        
        

(4)     

Die Entscheidung der Bewertungskommission ist schriftlich festzuhalten. Sie ist dem Arbeitgeber unverzüglich zuzuleiten. Die Entscheidung der Bewertungskommission ist für den Arbeitgeber bindend. Dieser leitet das Beteiligungsverfahren nach § 99 Betriebsverfassungsgesetz ein.

        

(5)     

Bei Einsatz des Arbeitnehmers auf einem bisher bereits bewerteten Arbeitsplatz mit einer unverändert auszuübenden Gesamttätigkeit gilt die bestehende Bewertung. Einer Bewertung durch die paritätische Kommission bedarf es nicht. Es greift das Verfahren nach § 99 Betriebsverfassungsgesetz; Absätze 1 bis 4 finden hierauf keine Anwendung. In allen anderen Fällen ist eine Bewertung gemäß der Absätze 1 bis 4 durchzuführen.

        

(6)     

Das Recht des Arbeitnehmers, gegen die Eingruppierung den Rechtsweg zu beschreiten, bleibt unberührt.

        

(7)     

Bis zur Entscheidung durch die Bewertungskommission ist für das Entgelt des Arbeitnehmers vorläufig der Bewertungsvorschlag des Arbeitgebers maßgeblich.

        

(8)     

Ist die zu bewertende Tätigkeit auf der Grundlage des Bewertungsvorschlages des Arbeitgebers einer niedrigeren als der bisherigen Entgeltgruppe des Arbeitnehmers zuzuordnen, erfolgt eine Entgeltreduzierung bis zur abschließenden Entscheidung der Bewertungskommission nicht.

        

(9)     

Die Entscheidung der Bewertungskommission ersetzt in den Fällen des Absatzes 7 und Absatzes 8 rückwirkend den Bewertungsvorschlag des Arbeitgebers.

                          
        

§ 6     

Überprüfung der Eingruppierung

        

Der Arbeitnehmer kann mit der Begründung, seine bisher ausgeübte Tätigkeit habe sich nach seiner Eingruppierung in der Weise verändert, dass diese einem anderen Tätigkeitsmerkmal bzw. Richtbeispiel zuzuordnen sei, eine Überprüfung seiner Eingruppierung durch die dezentrale Bewertungskommission verlangen. Gleiches gilt für den Betriebsrat auf Antrag des Arbeitnehmers. § 5 Absätze 3 und 4 sowie § 10 Absatz 5 finden entsprechende Anwendung.

        

…“    

31

cc) Bei dem Bewertungsverfahren nach §§ 4 bis 6 ERTV DT AG handelt es sich um eine Vereinbarung der Parteien des Haustarifvertrages über betriebliche und - soweit dem Betriebsrat Rechte eingeräumt werden - über betriebsverfassungsrechtliche Fragen iSd. § 3 Abs. 2 TVG.

32

(1) Bei dem tarifvertraglich vorgesehenen Bewertungsverfahren handelt es sich zunächst um eine tarifliche Regelung über betriebliche Fragen iSd. § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 2 TVG.

33

(a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts betreffen Rechtsnormen eines Tarifvertrages über betriebliche Fragen nach § 3 Abs. 2 TVG Regelungsgegenstände, die nur einheitlich gelten können. Ihre Regelung in einem Individualvertrag wäre zwar nicht im naturwissenschaftlichen Sinne unmöglich, sie würde aber wegen „evident sachlogischer Unzweckmäßigkeit ausscheiden“, weil eine einheitliche Regelung auf betrieblicher Ebene unerlässlich ist. Bei der näheren Bestimmung dieses Normtyps ist auszugehen von dem in § 3 Abs. 2 TVG verwandten Begriff der „betrieblichen Fragen“. Dies sind nicht etwa alle Fragen, die im weitesten Sinne durch die Existenz des Betriebes und durch die besonderen Bedingungen der betrieblichen Zusammenarbeit entstehen können. Gemeint sind vielmehr nur solche Fragen, die unmittelbar die Organisation und Gestaltung des Betriebes betreffen. Diese Umschreibung markiert zwar keine scharfe Grenze, sie verdeutlicht aber Funktion und Eigenart der Betriebsnormen im Sinne von § 3 Abs. 2 TVG. Betriebsnormen regeln normativ das betriebliche Rechtsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und der Belegschaft als Kollektiv, hingegen nicht die Rechtsverhältnisse zwischen Arbeitgeber und einzelnen Arbeitnehmern, die hiervon allenfalls mittelbar betroffen sind (vgl. hierzu insgesamt BAG 26. Januar 2011 - 4 AZR 159/09 - Rn. 24, 28 mwN, AP TVG § 3 Betriebsnormen Nr. 7 = EzA TVG § 1 Betriebsnorm Nr. 6; 8. Dezember 2010 - 7 ABR 98/09 - Rn. 37 mwN, AP BetrVG 1972 § 99 Einstellung Nr. 62 = EzA TVG § 1 Betriebsnorm Nr. 5; 17. Juni 1997 - 1 ABR 3/97 - zu B 1 a der Gründe mwN, BAGE 86, 126; Däubler/Reim TVG 2. Aufl. § 1 Rn. 316a f.; Dieterich Die betrieblichen Normen nach dem Tarifvertragsgesetz vom 9.4.1949 S. 34 ff.). Betriebsnormen sollen als kollektive privatautonome Tarifregelungen die Organisationshoheit des einzelnen Arbeitgebers steuern (zu Öffnungszeiten vgl. BAG 7. November 1995 - 3 AZR 676/94 - zu II 1 b der Gründe, AP TVG § 3 Betriebsnormen Nr. 1 = EzA TVG § 1 Betriebsnorm Nr. 1)und gehen über die Inhaltsbestimmung des einzelnen Arbeitsverhältnisses hinaus. Ob Rechtsnormen eines Tarifvertrages betriebliche Normen im Sinne des § 3 Abs. 2 TVG sind, kann nicht pauschal für alle Normen eines Tarifvertrages entsprechend seiner Zielsetzung beantwortet werden, sondern ist für jede Tarifnorm unter Berücksichtigung des für die Tarifauslegung maßgebenden tariflichen Gesamtzusammenhangs getrennt zu prüfen(BAG 7. November 1995 - 3 AZR 676/94 - zu II 1 a der Gründe, aaO).

34

(b) Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem Bewertungsverfahren iSd. §§ 4, 5 ERTV DT AG um eine betriebliche Regelung iSd. § 3 Abs. 2 TVG.

35

(aa) Durch das tarifliche Bewertungsverfahren soll die in die Organisationshoheit des Arbeitgebers fallende Rechtsanwendung über die zutreffende Eingruppierung als gedanklicher Vorgang (vgl. nur BAG 22. April 2009 - 4 ABR 14/08 - Rn. 50 mwN, BAGE 130, 286), auf dessen Grundlage das Mitbestimmungsverfahren nach § 99 BetrVG eingeleitet wird, durch eine von beiden Tarifvertragsparteien(§ 4 Abs. 3 ERTV DT AG)paritätisch besetzte Kommission überprüft und durch diese - gegebenenfalls unter Abänderung des Bewertungsvorschlags - abschließend entschieden werden (§ 5 Abs. 3, Abs. 4 ERTV DT AG). Damit wird die grundsätzlich dem Arbeitgeber obliegende Aufgabe der Rechtsanwendung iSd. Ermittlung der zutreffenden Entgeltgruppe für die Zuordnung der Tätigkeit zu einer Entgeltgruppe (vgl. auch § 4 Abs. 1 Satz 2 ERTV DT AG) einer tarifvertraglich gebildeten Kommission überantwortet. Auf dieser Grundlage hat der Arbeitgeber das Mitbestimmungsverfahren einzuleiten. Die Entscheidung der Bewertungskommission ist (lediglich) für ihn - und vorbehaltlich des Ergebnisses des Eingruppierungsverfahrens nach § 99 BetrVG - bindend(§ 5 Abs. 4 ERTV DT AG).

36

(bb) Diese Regelungen in § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 bis Abs. 9 ERTV DT AG beziehen sich auf die Organisationshoheit des Arbeitgebers zur Einleitung eines Mitbestimmungsverfahrens nach § 99 BetrVG(und nicht auf die Entgelthöhe als solche: dazu BAG 18. Oktober 2010 - 1 ABR 25/10 - Rn. 29, NZA 2012, 392; 11. November 2008 - 1 ABR 68/07 - Rn. 34, BAGE 128, 265) und in diesem Zusammenhang auf die grundsätzlich zunächst ihm obliegende Rechtsanwendung hinsichtlich der Bewertung der auszuübenden Tätigkeit anhand der Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsordnung (zur Reichweite BAG 18. Oktober 2011 - 1 ABR 34/10 - Rn. 15). Dies gilt jedenfalls dann - wie § 5 Abs. 5 ERTV DT AG zeigt - wenn der betreffende Arbeitsplatz bei unverändert gebliebener auszuübender Gesamttätigkeit bisher noch nicht bewertet worden ist. Die Bewertung ist für den Arbeitgeber bindend und hiernach richtet sich - mindestens - ein dem Arbeitnehmer zu leistendes Entgelt (§ 5 Abs. 7 bis Abs. 9 ERTV DT AG). Nach dieser Maßgabe ist auch das Verfahren nach § 99 BetrVG einzuleiten.

37

(cc) Für eine notwendig einheitliche betriebliche Regelung spricht weiterhin der Umstand, dass die Regelungen nicht auf den einzelnen Arbeitnehmer abstellen, sondern auf die Bewertung eines - bisher unbewerteten - Arbeitsplatzes mit einer bestimmten, dort auszuübenden Gesamttätigkeit. Da sich das Bewertungsverfahren auf die Anforderungen der Arbeitsplätze - genauer: der dort auszuübenden Tätigkeit - als solche bezieht, handelt es sich bei den sich dazu verhaltenden tariflichen Bestimmungen nach ihrem Geltungsanspruch um „Betriebsnormen“, um „Rechtsnormen eines Tarifvertrages über betriebliche Fragen“, über die Bewertung von Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen (zu Besetzungsregelungen BAG 26. April 1990 - 1 ABR 84/87 - zu B V 2 b der Gründe, BAGE 64, 368). Die Bewertung soll entsprechend der Regelung in § 4 Abs. 1 ERTV DT AG für alle Arbeitnehmer des Betriebes unabhängig von ihrer Tarifbindung bewertet werden. Die Regelung soll bereits deshalb im Verhältnis zur Arbeitgeberin normativ gelten, weil diese tarifgebunden ist (vgl. auch BAG 8. Dezember 2010 - 7 ABR 98/09 - Rn. 27, EzA TVG § 1 Betriebsnorm Nr. 5). Diesem Verständnis entspricht es, wenn in Fällen eines bewerteten Arbeitsplatzes das Bewertungsverfahren auch dann nicht erneut durchgeführt werden muss (§ 5 Abs. 5 ERTV DT AG), wenn einem anderen Arbeitnehmer die Tätigkeit auf diesem Arbeitsplatz übertragen wird.

38

(dd) Die Regelungen wenden sich nicht an die einzelnen Arbeitnehmer, sondern an den Arbeitgeber (vgl. auch BAG 26. April 1990 - 1 ABR 84/87 - zu B V 3 a der Gründe, BAGE 64, 368 sowie 7. November 1995 - 3 AZR 676/94 - zu II 1 b bb der Gründe, AP TVG § 3 Betriebsnormen Nr. 1 = EzA TVG § 1 Betriebsnorm Nr. 1). Das Bewertungsverfahren wird unabhängig von einer Erklärung des einzelnen Arbeitnehmers oder einer sonstigen Beteiligungshandlung durch ihn eingeleitet und ist von der Bewertungskommission durchzuführen. Sein Recht, gerichtlich gegen die gefundene Eingruppierung vorzugehen, bleibt nach § 5 Abs. 6 ERTV DT AG ausdrücklich unberührt.

39

(ee) Soweit für den einzelnen Arbeitnehmer die Möglichkeit besteht, entsprechend § 5 Abs. 2 Satz 2 ERTV DT AG eine Erklärung abzugeben, die zum Inhalt des Bewertungsverfahrens wird, führt dies nicht dazu, dass für das Bewertungsverfahren insgesamt von einer Inhaltsnorm iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1 TVG ausgegangen werden kann. Selbst wenn man bezogen auf § 5 Abs. 2 Satz 2 ERTV DT AG - auch - von einer Inhaltsnorm ausgehen würde(zum sog. Doppelcharakter von Tarifregelungen als Inhalts- und Betriebsnorm s. nur Däubler/Reim § 1 Rn. 320; Löwisch/Rieble TVG 2. Aufl. § 1 Rn. 133; jew. mwN), führt ein solches Beteiligungsrecht nicht dazu, dass es sich bei dem Bewertungsverfahren insgesamt um Inhaltsnormen handelt. Es fehlt, anders als dies etwa bei dem Überprüfungsverfahren nach § 6 ERTV DT AG der Fall sein mag, nach Wortlaut, Systematik und Zweck der Tarifregelung an Anhaltspunkten, wonach der einzelne Arbeitnehmer dessen Durchführung verlangen können soll.

40

(2) Die tarifvertraglichen Bestimmungen über das Bewertungsverfahren enthalten auch tarifliche Regelungen über betriebsverfassungsrechtliche Fragen iSd. § 3 Abs. 2 TVG. Der ERTV DT AG ergänzt auf die Betriebsverfassung bezogene Beteiligungsrechte des Betriebsrats nach § 99 BetrVG bei Eingruppierungen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 ERTV DT AG auf noch nicht bewerteten Arbeitsplätzen. Der Betriebsrat kann seine Argumente gegen einen Bewertungsvorschlag bereits vor Einleitung eines Verfahrens nach § 99 BetrVG und unabhängig von den dort genannten Zustimmungsverweigerungsgründen nach § 99 Abs. 2 BetrVG vorbringen, damit sie im Bewertungsverfahren von der Bewertungskommission berücksichtigt werden(vgl. zum ERA-TV Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg BAG 16. August 2011 - 1 ABR 30/10 - Rn. 11; zur Zulässigkeit solcher Regelungen 24. August 2004 - 1 ABR 28/03 - zu B I 1 b der Gründe, BAGE 111, 350).

41

(3) Aus dem Charakter der tariflichen Regelungen des Bewertungsverfahrens als betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Normen folgt zugleich, dass der Kläger schon nach den Regelungen des ERTV DT AG keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Durchführung des Bewertungsverfahrens hat. Die Betriebsnormen regeln normativ das betriebliche Rechtsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und der Belegschaft als Kollektiv (oben (1) (a)), begründen aber keine Individualansprüche (Däubler/Reim § 1 Rn. 318; Dieterich Anm. zu AP TVG § 3 Betriebsnormen Nr. 7, unter 2; ErfK/Franzen 12. Aufl. § 1 TVG Rn. 45; Löwisch/Rieble § 1 Rn. 105 f.). In der Folge besteht auch kein Anspruch gegenüber der Beklagten.

42

dd) Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich kein anderes Ergebnis aus dem Abschnitt 2 der Tarifeinigung vom 25. November 2008.

43

Der Kläger übersieht, dass sich dieser Teil der Tarifeinigung - wenn man entgegen seinem eigenen Vorbringen von einer wirksamen Vereinbarung ausgeht - auf die im Abschnitt 2 vereinbarten Änderungen des bei der Beklagten bereits geltenden Tarifvertrages über besondere Arbeitsbedingungen bei der DT NP GmbH vom 25. Juni 2007 (TV SR DT NP) bezieht, nicht aber die vormalige Regelung in § 5 ERTV DT AG rückwirkend abändert. Diese bleibt unverändert.

44

Nach der Tarifeinigung wird abweichend von § 11 Abs. 1 Unterabs. 2 TV SR DT NP, der ein Bewertungs- und Beanstandungsverfahren für von der DT AG übergegangene Arbeitnehmer nicht vorsieht, für diejenigen Arbeitnehmer, die vom Geltungsbereich der Tarifeinigung erfasst werden, ein solches als Bestandteil eines TV SR II DT NP vorgesehen. Auf diese Regelung stützt sich der Kläger aber nicht, weil er der Auffassung ist, die Tarifeinigung sei für ihn aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Bezugnahmeregelung nicht anwendbar.

45

c) Schließlich ergibt sich ein Anspruch des Klägers nicht auf der Grundlage des § 613a Abs. 2 Satz 1 BGB, wonach ein Betriebserwerber für Verbindlichkeiten des Schuldners haftet. Es fehlt bereits an einer individualvertraglichen Verbindlichkeit der Betriebsveräußererin.

46

Darüber hinaus ist es nach dem ERTV DT AG schon nicht ersichtlich, dass die DT AG verpflichtet ist, ein Bewertungsverfahren nach § 5 ERTV DT AG auch noch dann durchzuführen, wenn der maßgebende Arbeitsplatz bei ihr infolge des Betriebsübergangs nicht mehr besteht.

47

3. Der hilfsweise gestellte Klageantrag zu 3), der ebenso wie der Antrag zu 2) auf Durchführung eines Bewertungsverfahrens gerichtet ist (oben 2 a) und zur Entscheidung durch den Senat anfällt, ist unbegründet.

48

Dabei kann es dahinstehen, ob ein etwaiger Anspruch nicht auch schon deshalb entfällt, weil der Kläger nach dem Inhalt seines Schreibens keine Überprüfung seiner Eingruppierung iSd. § 6 ERTV DT AG verlangt hat. Ein entsprechender Anspruch des Klägers scheidet in jedem Falle aus. Selbst wenn man bei der Regelung des § 6 ERTV DT AG von einer tariflichen Inhaltsnorm ausgeht - wofür vieles spricht -, die dem Kläger im Rahmen einer „Überprüfung der Eingruppierung“ einen Anspruch auf Durchführung eines Bewertungsverfahrens gewährt, und wenn die Bezugnahmeklausel die Tarifverträge der DT AG mit dem Regelungsbestand zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs erfasste, ist der Anspruch jedenfalls entfallen.

49

a) Ein etwaiger Anspruch auf Überprüfung der Eingruppierung nach § 6 ERTV DT AG entfällt, wenn die Entscheidung der Bewertungskommission für das laufende Arbeitsverhältnis keine Rechtswirkungen mehr entfalten kann. Das ergibt sich aus Sinn und Zweck sowie der Ausgestaltung des Bewertungsverfahrens nach § 6 ERTV DT AG.

50

Anders als beim Bewertungsverfahren nach § 5 ERTV DT AG kommt hier der Entscheidung der Bewertungskommission keine rückwirkende Bedeutung für den Entgeltanspruch des Klägers zu. Nur die Bestimmungen des § 5 Abs. 3 und Abs. 4 ERTV DT AG sind entsprechend anwendbar, nicht aber § 5 Abs. 7 bis Abs. 9 ERTV DT AG. Das Verfahren nach § 6 ERTV DT AG dient danach, wie die entsprechende Anwendung von § 5 Abs. 3 und Abs. 4 ERTV DT AG zeigt, der Überprüfung der Eingruppierung bei Veränderungen der Tätigkeit und der Vorbereitung eines erneuten Eingruppierungsverfahrens nach § 99 BetrVG.

51

b) Vorliegend ist der Kläger seit dem 1. März 2010 auf einer geänderten arbeitsvertraglicher Grundlage tätig. Danach sind die von der Beklagten geschlossenen Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis anwendbar und nicht mehr - wie es der Kläger für die Zeit zuvor geltend macht - die der DT AG. Dies hat zur Folge, dass die Anwendbarkeit der maßgebenden Bewertungsgrundlage - hier der ERTV DT AG mit den einschlägigen Eingruppierungsmerkmalen - für den Arbeitsplatz des Klägers entfällt. Ein Eingruppierungsverfahren nach § 99 BetrVG ist jedenfalls auf der Grundlage einer Entscheidung einer betrieblichen Bewertungskommission nach § 6 ERTV DT AG nicht mehr durchzuführen. Die fehlende Anwendbarkeit des § 5 Abs. 7 bis Abs. 9 ERTV DT AG im Falle des § 6 ERTV DT AG führt gleichzeitig dazu, dass allein der Klärung der zutreffenden Bewertung durch die Kommission für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum im Verhältnis zum Arbeitgeber keine unmittelbare rechtliche Bedeutung mehr zukommt. Die Bewertungskommission würde allein als „Gutachter“ tätig, wie eine in der Vergangenheit ausgeübte Tätigkeit nach dem ERTV DT AG zu bewerten gewesen wäre. Weder dies noch die Vorbereitung oder die Prüfung der Erfolgsaussichten einer nachfolgenden Entgeltklage des Klägers für den Zeitraum vom 1. Dezember 2008 bis zum 28. Februar 2010 ist aber unmittelbarer Zweck des Bewertungsverfahrens nach § 6 ERTV DT AG.

52

4. Der Klageantrag zu 4), den der Kläger ausdrücklich als Teil einer Stufenklage zum Antrag zu 2), hilfsweise zum Antrag zu 3) erhoben hat, ist unzulässig. Die Voraussetzungen für eine Stufenklage nach § 254 ZPO liegen nicht vor.

53

a) Nach § 254 ZPO kann mit der Klage auf Auskunft ein unbezifferter Zahlungsantrag verbunden werden, wenn die Auskunft der Bezifferung des Zahlungsantrages dient. Die begehrte Auskunft muss für die Erhebung eines bestimmten Antrages erforderlich sein (vgl. nur BAG 1. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - zu I 1 der Gründe mwN, BAGE 113, 55).

54

b) Danach ist die Stufenklage im Streitfall unzulässig. Es fehlt sowohl an einem Auskunftsbegehren als auch an dem vorbereitenden Charakter des in der „ersten Stufe“ vom Kläger verfolgten Anspruchs. Der Kläger konnte etwaige Ansprüche auf ein Differenzentgelt für den streitgegenständlichen Zeitraum unmittelbar den tariflichen Regelungen entnehmen. Es handelt sich um anhand der Entgelttabellen leicht zu berechnende Ansprüche. Zudem bedurfte es nach der ständigen Rechtsprechung des Senats noch nicht einmal einer Bezifferung, weil der Kläger jedenfalls zum Zeitpunkt der Anhängigkeit der Klage eine zulässige Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO in Form der sog. Elementenfeststellungsklage - gerichtet auf die Vergütungsdifferenz zwischen der von ihm für richtig erachteten Entgeltgruppe T 7 und der ihm geleisteten Vergütung nach der Entgeltgruppe T 5 ERTV DT AG - hätte erheben können. Der Kläger bedarf daher nicht der Durchführung eines Bewertungsverfahrens nach §§ 5 oder 6 ERTV DT AG zum Zwecke der Bezifferung seiner etwaigen Zahlungsansprüche. Daran ändert auch ein etwaiger Anspruch auf Durchführung des Bewertungsverfahrens, der sich aus dem Tarifvertrag ergeben kann, nichts. Er erweitert nicht den Rahmen für die Zulässigkeit einer Stufenklage (s. auch BAG 12. Juli 2006 - 5 AZR 646/05 - zu I der Gründe, BAGE 119, 62).

55

c) Soweit der Kläger anführt, die Stufenklage sei zur Wahrung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist erforderlich, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Zur Wahrung der zweistufigen Ausschlussfrist ist eine Elementenfeststellungsklage schon deshalb erforderlich, weil nicht auszuschließen ist, dass die Bewertungskommission nicht diejenige Entgeltgruppe für zutreffend erachtet, die der Arbeitnehmer für maßgebend hält, sondern im Verfahren nach § 5 ERTV DT AG den Bewertungsvorschlag des Arbeitgebers oder in demjenigen nach § 6 ERTV DT AG die bisherige Entgeltgruppe als zutreffend ansieht. Schließlich ist nicht auszuschließen, dass sich nach Durchführung des Verfahrens nach § 99 BetrVG ein anderes Bewertungsergebnis ergibt, als dasjenige, welches der Kläger für richtig hält.

56

Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz wird damit nicht beeinträchtigt. Es wird dem Kläger, auch unter dem Gesichtspunkt der Kosten der Rechtsverfolgung der Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert (dazu BVerfG 1. Dezember 2010 - 1 BvR 1682/07 - Rn. 21 ff., EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 197).

57

III. Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Bepler    

        

    Winter    

        

    Treber    

        

        

        

    H. Klotz    

        

    Schuldt    

        

        

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

8
a) Nach § 254 ZPO kann die bestimmte Angabe der Leistungen, die der Kläger beansprucht, vorbehalten werden, wenn mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden wird, was der Beklagte aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis schuldet. Die Besonderheit der Stufenklage liegt nicht in der Zulassung einer Anspruchsverbindung in einer Klage, sondern in erster Linie in der Zulassung eines unbestimmten Antrags entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Stufenklage soll dem Kläger die Prozessführung nicht allgemein erleichtern. Vielmehr muss sein Unvermögen zur bestimmten Angabe der von ihm auf der letzten Stufe seiner Klage beanspruchten Leistung gerade auf den Umständen beruhen, über die er auf der ersten Stufe Auskunft begehrt, bzw. muss das Auskunftsbegeh- ren gerade der Vorbereitung der auf der letzten Stufe noch nachzuholenden bestimmten Angabe dienen (MünchKommZPO/Becker-Eberhard, 3. Aufl., § 254 Rn. 6 f.; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 254 Rn. 2; Baumbach /Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl., § 254 Rn. 1). Daraus folgt, dass im Rahmen der Stufenklage die Auskunft lediglich ein Hilfsmittel ist, um die (noch) fehlende Bestimmtheit des Leistungsanspruchs herbeizuführen (Zöller /Greger, ZPO, 28. Aufl., § 254 Rn. 6). Die der Stufenklage eigentümliche Verknüpfung von unbestimmtem Leistungsanspruch und vorbereitendem Auskunftsanspruch steht dagegen nicht zur Verfügung, wenn die Auskunft überhaupt nicht dem Zwecke einer Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs dienen, sondern dem Kläger sonstige mit der Bestimmbarkeit als solcher nicht in Zusammenhang stehende Informationen über seine Rechtsverfolgung verschaffen soll (BGH, Urteile vom 2. März 2000 - III ZR 65/99, NJW 2000, 1645, 1646 und vom 18. April 2002 - VII ZR 260/01, NJW 2002, 2952, 2953).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 260/01 Verkündet am:
18. April 2002
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VOB/B § 8 Nr. 3 Abs. 4
§ 8 Nr. 3 Abs. 4 VOB/B gewährt dem Auftragnehmer einen einklagbaren Anspruch auf
Zusendung einer Aufstellung über die infolge einer Kündigung entstandenen Mehrkosten
und über seine anderen Ansprüche.
Rechnet der Auftraggeber gegen den Werklohnanspruch des Auftragnehmers mit einem
Anspruch auf Erstattung der Mehrkosten nach einer Kündigung auf, kann der Auftragnehmer
den Anspruch auf Werklohn nicht mit einer Stufenklage in der Weise verfolgen, daß er
Rechnungslegung über die Mehrkosten und gegebenenfalls die eidesstattliche Versicherung
verlangt sowie den Werklohn abzüglich des sich aus der Rechnungslegung ergebenden
Anspruchs auf Erstattung der Mehrkosten geltend macht.
VOB/B § 16 Nr. 3 Abs. 5 D
Für einen Vorbehalt nach § 16 Nr. 3 Abs. 5 VOB/B reicht es aus, daß der Auftragnehmer
erklärt, er halte vorbehaltlich einer näheren Prüfung an der Forderung fest.
BGH, Urteil vom 18. April 2002 - VII ZR 260/01 -OLG Rostock
LG Rostock
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Februar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
die Richter Hausmann, Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka und Bauner

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 17. Juli 2001 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte verurteilt wird, dem Kläger eine Aufstellung über die von ihr nach Beendigung des zwischen ihr und der Fa. ihab R. Industrie- und Hafenbau GmbH geschlossenen Bauwerkvertrages vom 8. März 1994/ 7. April 1994 aus der Fertigstellung des Bauvorhabens "Technologiepark W. IV BA Gebäude H" gemäß Schreiben der Beklagten vom 6. September 1995 geltend gemachten Mehrkosten zuzusenden, wobei die zum Nachweis von Art und Menge der Fertigstellungsleistungen erforderlichen Zeichnungen und andere Belege beizufügen und etwaige nachträgliche Ergänzungen, Änderungen oder Erweiterungen des ursprünglich mit der Fa. ihab R. Industrie- und Hafenbau GmbH vereinbarten Bauwerkvertrages vom 8. März 1994/7. April 1994 besonders kenntlich zu machen sind. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der ihab R. Industrie- und Hafenbau GmbH (ihab-GmbH). Er verlangt Rechnungslegung und Werklohnzahlung aus einem nicht vollständig ausgeführten Bauvertrag. Die Beklagte beauftragte die ihab-GmbH 1994 mit Rohbauarbeiten am Bauvorhaben "Technologiepark W. IV BA Gebäude H". Die VOB/B wurde neben weiteren Besonderen Vertragsbedingungen vereinbart. Nachdem das Vertragsverhältnis infolge des Vermögensverfalls der ihab-GmbH beendet worden war, erteilte diese eine Schuûrechnung über 1.714.378,91 DM für die erbrachten Leistungen. Die Beklagte prüfte die Rechnung und ermittelte eine Vergütung von 1.638.917,91 DM. Sie erklärte gegenüber der sich unter Berücksichtigung der vertraglichen Abzüge und der Abschlagszahlungen ergebenden Restforderung die Aufrechnung mit Mängelbeseitigungskosten, Mehrkosten der Fertigstellung zuzüglich der Kosten, die dadurch entstanden sein sollen, daû der Nachfolgeunternehmer eine erweiterte Garantie übernommen habe, und mit Schadensersatzansprüchen wegen Verzugs. Nach Abzug der aufgerechneten Forderungen ermittelte die Beklagte eine Restforderung von 120.899 DM. Sie kündigte mit Schreiben vom 6. September 1995 an, diesen Betrag zu leisten, und wies die ihab-GmbH auf die Ausschluûwirkung gemäû § 16 Nr. 3 Abs. 5 VOB/B und auf die Notwendigkeit des Vorbehalts innerhalb von 24 Werktagen nach Zugang der Mitteilung sowie der Begründung dieses Vorbehalts in weiteren 24 Werktagen hin. Mit Schreiben vom 26. September 1995 antwortete der Kläger, er müsse den Inhalt des Schreibens vom 6. September 1995 noch prüfen und benötige dazu noch detaillierte Nachweise
über die Gegenforderungen. Die Beklagte übersandte daraufhin Belege für die Nachbesserungskosten. Am 12. Oktober 1995 antwortete der Kläger, nahm zu den nachgewiesenen Mängelbeseitigungskosten Stellung und wies u.a. die nicht belegten Ansprüche aus Mietverlust und Mehraufwendungen zurück. Am selben Tag ging der Betrag von 120.899 DM beim Kläger ein. Dieser forderte am 13. Oktober 1995 den Restbetrag aus der Schluûrechnung. Der Kläger errechnet unter Berücksichtigung der nachgewiesenen Mängelbeseitigungskosten einen von der Beklagten zu zahlenden Restbetrag von 644.645,42 DM. Dabei geht er von einer Vergütung von 1.683.917,96 DM aus. Er hat Stufenklage mit den Anträgen erhoben, die Beklagte zu verurteilen, 1. zur Rechnungslegung über die Fertigstellungsmehrkosten, 2. erforderlichenfalls zur Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Rechnungslegung an Eides Statt, 3. zur Zahlung der ermittelten Restvergütung abzüglich der gemäû Klageantrag Nr. 1 nachgewiesenen Baufertigstellungsaufwendungen zuzüglich Zinsen. Das Landgericht hat dem Antrag zu 1. durch Teilurteil statt gegeben. Die Berufung ist mit der Maûgabe zurückgewiesen worden, daû die Beklagte verurteilt wird, gegenüber dem Kläger nach Grund und Höhe Rechnung zu legen über die von ihr nach Beendigung des zwischen ihr und der ihab-GmbH geschlossenen Bauwerkvertrages aus der Fertigstellung des Bauvorhabens "Technologiepark W. IV BA Gebäude H" gemäû Schreiben der Beklagten vom 6. September 1995 geltend gemachten Mehraufwendungen, wobei die zum Nachweis von Art und Menge der Fertigstellungsleistungen erforderlichen Zeichnungen und andere Belege beizufügen und etwaige nachträglichen
Ergänzungen, Änderungen und Erweiterungen des ursprünglich mit der ihabGmbH vereinbarten Bauwerkvertrages besonders kenntlich zu machen sind. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Klage beantragt.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg. Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

Das Berufungsgericht hält die erhobene Stufenklage für zulässig. Der Kläger benötige nach der Aufrechnung der Beklagten mit den Fertigstellungsmehrkosten die Rechnungslegung zur Bemessung seines eigenen Anspruchs. Seine Werklohnforderung sei sowohl hinsichtlich ihres Bestandes als auch hinsichtlich der Höhe von der aufgerechneten Forderung über Mehraufwendungen abhängig. Die Klage sei auch begründet. Der Anspruch auf Rechnungslegung sei zwar nicht aus § 8 Nr. 3 Abs. 4 VOB/B herzuleiten, ergebe sich jedoch aus § 242 BGB.
Der eventuelle Zahlungsanspruch des Klägers sei nicht durch die Einrede der vorbehaltlosen Annahme der Schluûzahlung erloschen. Diese Einrede sei unbegründet. Der Kläger habe rechtzeitig einen Vorbehalt erklärt. Die Vorbehaltsfrist habe nicht vor Eingang der Schluûzahlung zu laufen begonnen. Vor Ablauf der Frist habe der Kläger den Vorbehalt in dem Schreiben vom 13. Oktober deutlich erklärt. Es könne daher dahinstehen, ob das Schreiben vom 26. September 1995 einen ordnungsgemäûen Vorbehalt darstelle.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis Stand. 1. Die Stufenklage ist allerdings entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unzulässig.
a) Nach § 254 ZPO kann die bestimmte Angabe der Leistungen, die der Kläger beansprucht, vorbehalten werden, wenn mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden wird, was der Beklagte aus dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis schuldet. § 254 ZPO schafft damit eine Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen einen unbestimmten Leistungsanspruch zu verfolgen. Die im Rahmen der Stufenklage verfolgte Rechnungslegung ist lediglich ein Hilfsmittel, um die (noch) fehlende Bestimmtheit des Leistungsanspruchs herbeizuführen. Die der Stufenklage eigentümliche Verknüpfung von unbestimmtem Leistungsanspruch und vorbereitendem Auskunftsanspruch steht deshalb nicht zur Verfügung , wenn die Auskunft nicht dem Zwecke einer Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs dient, sondern dem Kläger sonstige mit der Bestimmbarkeit
als solcher nicht in Zusammenhang stehende Informationen über seine Rechtsverfolgung verschaffen soll (BGH, Urteil vom 2. März 2000 - III ZR 65/99, NJW 2000, 1645, 1646).
b) Von diesen Grundlagen geht das Berufungsgericht zutreffend aus. Es meint jedoch zu Unrecht, die im Rahmen der Stufenklage erhobene Klage auf Rechnungslegung diene der Bestimmung des Leistungsanspruchs. aa) Der mit der Klage geltend gemachte Werklohnanspruch ist der Höhe nach unstreitig. Die Klage auf Rechnungslegung dient nicht seiner Bemessung. Der Werklohnanspruch wird auch nicht durch die Aufrechnung in einer Weise ungewiû, die eine Stufenklage erlauben würde. Vielmehr hat die Beklagte die Höhe der Forderung genau bezeichnet. Damit steht fest, in welcher Höhe die Beklagte die Werklohnforderung durch die Aufrechnung, so sie denn berechtigt ist, zum Erlöschen gebracht hat. Der Kläger will mit der Klage auf Rechnungslegung Informationen darüber erlangen, inwieweit die zur Aufrechnung gestellte Forderung tatsächlich besteht und demgemäû die Aufrechnung begründet ist. Das sind Informationen, die nicht seinen Leistungsanspruch, sondern nur die Gegenforderung betreffen. bb) Der mit § 254 ZPO verfolgte Zweck erfordert keine Anwendung auf die Fälle, in denen der Gläubiger darüber im Unklaren ist, ob die vom Schuldner erhobenen Einwendungen berechtigt sind. Die Möglichkeit, einen unbezifferten Leistungsantrag mit der Klage auf Rechnungslegung zu verbinden, dient der Vorbereitung und Durchsetzung des eigenen Anspruchs, dessen Höhe noch unbekannt ist und deshalb noch nicht beziffert werden kann. Soweit dem Gläubiger hinsichtlich dieses Anspruchs ein Anspruch auf Rechnungslegung zusteht, ist es prozeûökonomisch, ihm die Möglichkeit zu eröffnen, die Klage auf Rechnungslegung mit einem unbezifferten Leistungsantrag zu verbinden
und dadurch auch die Verjährung zu unterbrechen. Dagegen bezweckt § 254 ZPO nicht, dem Kläger das allgemeine Prozeûrisiko zu nehmen, einen Anspruch in einer Höhe durchsetzen zu wollen, die von vornherein streitig ist und erst im Prozeû aufgeklärt werden kann. Daran ändert auch nichts, daû die Aufrechnung zum Erlöschen des Werklohnanspruchs führt, soweit sie berechtigt ist. Denn die Aufrechnung ist eine rechtsvernichtende Einwendung. Sie setzt voraus, daû ein Leistungsanspruch besteht. Um dessen Aufklärung geht es allein bei der Möglichkeit der Stufenklage. 2. Das Urteil des Berufungsgerichts hat gleichwohl mit der Maûgabe Bestand , daû die Beklagte verurteilt wird, dem Kläger eine Aufstellung nach § 8 Nr. 3 Abs. 4 VOB/B zuzusenden.
a) Die Unzulässigkeit der Stufenklage führt dazu, daû ein unbestimmter Leistungsantrag als unzulässig abgewiesen werden muû. Sie hat jedoch nicht die notwendige Folge, daû die Klage, wie sie hier erhoben worden ist, insgesamt oder teilweise als unzulässig abgewiesen werden muû. Vielmehr kommt eine Umdeutung in eine von der Stufung unabhängige objektive Klagehäufung in Betracht (BGH, Urteil vom 2. März 2000 - III ZR 65/99, aaO). Der Senat muû nicht darüber entscheiden, ob der Kläger die mit dem Höchstbetrag bezifferte und lediglich durch das Ergebnis der Rechnungslegung beschränkte Leistungsklage unabhängig von der Stufung erhoben hat. Denn in der Revision ist nur die Klage auf Rechnungslegung anhängig. Der Senat hat keinen Zweifel daran, daû diese Klage auch für den Fall erhoben worden ist, daû eine Stufung unzulässig ist. Das ergibt sich daraus, daû der Kläger besonderen Wert darauf legt, das Prozeûrisiko gering zu halten und deshalb seinen ihm nach seiner Auffassung zustehenden materiellrechtlichen Anspruch auf Rechnungslegung in jedem Fall durchsetzen will. Es ist deshalb entgegen der Auffassung der
Revision nicht so, daû nach dem Rechtsschutzziel des Klägers die Verbindung von Auskunfts- und Leistungsantrag derartig eng sein sollte, daû die gesamte Rechtsverfolgung mit der Stufung "stehen und fallen" sollte.
b) Der Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Rechnungslegung ist nicht deshalb unzulässig, weil der Kläger auf Zahlung des Werklohns in voller Höhe klagen kann und in diesem Prozeû die Höhe der zur Aufrechnung gestellten Forderung geklärt werden muû. Durch diese Möglichkeit einer isolierten Zahlungsklage entfällt nicht das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage auf Rechnungslegung. Denn es handelt sich entgegen der Revision nicht um einen kostengünstigeren und schnelleren Weg, das Rechtsschutzziel zu erreichen. Vielmehr dient die Klage auf Rechnungslegung gerade dazu, die durch die Zahlungsklage verbundenen Kostenrisiken zu vermeiden. Soweit die Revision meint, eine Rechnungslegung werde nur ausnahmsweise zu einer Anerkennung der zur Aufrechnung gestellten Forderung führen, bewegt sie sich im Bereich der Spekulation. Das kann nicht dazu führen, daû das Rechtsschutzinteresse entfällt. 3. Die Klage auf Rechnungslegung ist mit der Maûgabe begründet, daû der Kläger einen Anspruch auf Zusendung einer Aufstellung der Beklagten über die infolge der Kündigung entstandenen Mehrkosten hat, § 8 Nr. 3 Abs. 4 VOB/B.
a) Nach § 8 Nr. 3 Abs. 4 VOB/B hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Aufstellung über die entstandenen Mehrkosten und über seine anderen Ansprüche spätestens binnen 12 Werktagen nach Abrechnung mit dem Dritten zuzusenden. Das Berufungsgericht erkennt zutreffend, daû sich aus dieser Regelung eine entsprechende Pflicht des Auftraggebers ergibt. Zu Unrecht meint es jedoch, diese Pflicht sei nicht einklagbar. Dafür gibt die Rege-
lung nichts her. Sie verschafft dem Auftragnehmer einen durchsetzbaren Anspruch auf Zusendung der Aufstellung. Die Regelung dient dem Informationsinteresse des Auftragnehmers nach einer Kündigung des Vertrages. Er soll möglichst schnell darüber informiert werden, in welcher Höhe der Auftraggeber wegen der Kündigung Ansprüche geltend machen kann. Das erlaubt dem Auftragnehmer einerseits eine frühzeitige und sachnahe Prüfung, ob und inwieweit diese Ansprüche berechtigt sind. Andererseits wird er in die Lage versetzt, die entsprechende finanzielle Disposition frühzeitig einzukalkulieren und vorzubereiten. Durch die Information das Auftragnehmers über die durch die Kündigung entstandenen Mehrkosten wird auûerdem einer prozessualen Auseinandersetzung , mit der der Auftragnehmer Werklohn in voller Höhe geltend macht und der Auftraggeber erst im Prozeû die Aufrechnung erklärt, entgegengewirkt. Es besteht kein Anlaû, den Zweck dieser Regelung dadurch einzuschränken, daû die Verpflichtung des Auftragnehmers nicht einklagbar ist. Denn dann wäre der Auftragnehmer für den Fall der Pflichtverletzung auf schwer nachweisbare Schadensersatzansprüche angewiesen, bei denen er das Risiko der Durchsetzbarkeit trüge. Es entspricht vielmehr dem berechtigten Interesse des Auftragnehmers , die Aufstellung notfalls im Wege der Klage einfordern zu können, wenn er z.B. seine weiteren Dispositionen davon abhängig machen will. Das macht der vorliegende Fall besonders deutlich, in dem es dem Verwalter offenbar darauf ankommt, das Prozeûrisiko im Interesse der Masse von vornherein gering zu halten.
b) Die Aufstellung über die entstandenen Mehrkosten muû in einer Weise erfolgen, die dem Auftragnehmer die Prüfung ermöglicht, inwieweit die geltend gemachten Kosten auf der Grundlage der getroffenen Vereinbarung berechtigt sind. Die Regelung des § 8 Nr. 3 Abs. 4 VOB/B erfüllt ihren Zweck nur, wenn sich die Aufstellung an den Anforderungen orientiert, die an den Vortrag
des Auftraggebers zu den entstandenen Mehrkosten in einem Prozeû zu stellen sind. Denn nur bei einer möglichst umfassenden Information des Auftragnehmers ist gewährleistet, daû er die Prüfung sachgerecht vornehmen kann und ein Streit über diese Ansprüche vermieden wird. Die Aufstellung wird deshalb in aller Regel Angaben dazu enthalten müssen, welche Leistungen nach der Kündigung im Wege der Ersatzvornahme ausgeführt wurden und welche Kosten dadurch entstanden sind. Ob der Auftraggeber darüber hinaus auch noch die Mehrkosten konkret ermitteln muû, hängt davon ab, inwieweit er dazu in der Lage ist. Der Senat hat entschieden, daû die Anforderungen an die Darlegung in einem Prozeû vom Einzelfall abhängen. Sie bestimmen sich danach , welche Angaben dem Auftraggeber möglich und zumutbar sind, und nach dem Kontroll- und Informationsinteresse des Auftragnehmers. Er hat auch hervorgehoben , daû eine den Anforderungen des § 14 Nr. 1 VOB/B entsprechende Abrechnung nicht generell und unabhängig vom Einzelfall gefordert werden kann (BGH, Urteil vom 25. November 1999 - VII ZR 468/98, BauR 2000, 571, 572 = NZBau 2000, 131 = ZfBR 2000, 174). Andererseits ist es nicht ausgeschlossen , daû die Abrechnung sich an den Voraussetzungen des § 14 Nr. 1 VOB/B orientiert. Es ist deshalb auch nicht ausgeschlossen, daû eine Aufstellung nach § 8 Nr. 3 Abs. 4 VOB/B die zum Nachweis von Art und Menge der Fertigstellungsleistungen erforderlichen Zeichnungen und andere Belege enthalten muû und etwaige nachträgliche Ergänzungen, Änderungen oder Erweiterungen des gekündigten Vertrags besonders kenntlich gemacht werden müssen.
c) Es ist Aufgabe des mit dem Antrag auf Verurteilung zur Zusendung der Aufstellung befaûten Gerichts, die inhaltlichen Anforderungen an die Aufstellung im Einzelfall festzulegen. Soweit das Berufungsgericht eine Beifügung der zum Nachweis von Art und Menge der Fertigstellungsleistungen erforderli-
chen Zeichnungen und anderer Belege sowie der besonderen Kenntlichmachung etwaiger nachträglicher Ergänzungen, Änderungen oder Erweiterungen des ursprünglich mit der ihab-GmbH vereinbarten Bauwerkvertrags verlangt, sind diese Anforderungen möglich und deshalb aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Revision zeigt nicht auf, daû ihnen ein Verfahrensfehler zugrunde liegt.
d) Unbegründet ist der Einwand der Revision, die Beklagte habe den Auskunftsanspruch bereits erfüllt; sie habe im Schreiben vom 6. September 1995 detailliert und ausführlich ausgeführt, woraus sich die geltend gemachten Kosten ergäben. Die Beklagte hat in dem benannten Schreiben lediglich die zu erwartenden Kosten dargelegt. Dementsprechend beruhen die im einzelnen bezifferten Mehrkosten ersichtlich nur auf Vorausschätzungen. Die Beklagte hat damit die tatsächlichen Mehrkosten nach Beendigung der Arbeiten durch die Drittunternehmer noch nicht mitgeteilt.
e) Es kann nach allem dahinstehen, ob der Kläger eine Aufstellung der durch die Kündigung entstandenen Mehrkosten auch gemäû § 242 BGB fordern könnte, wie das Berufungsgericht gemeint hat. Der Senat weist jedoch darauf hin, daû sich weder aus § 8 Nr. 3 Abs. 4 VOB/B noch aus § 242 BGB ein Anspruch des Klägers auf Rechnungslegung im Sinne des § 259 BGB ergibt. Der Kläger hat demgemäû auch keinen Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, wenn Grund zur Annahme besteht, daû die zu fertigende Aufstellung des Auftraggebers nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt worden ist. 4. Erfolglos bleibt die Revision auch, soweit sie sich gegen die Auffassung des Berufungsgerichts wendet, der Kläger habe die Schluûzahlung der Beklagten nicht vorbehaltlos angenommen.

a) Auf das Vertragsverhältnis der Parteien ist die VOB/B in der seit 1990 geltenden Fassung anwendbar. Danach schlieût die vorbehaltlose Annahme der Schluûzahlung Nachforderungen aus, wenn der Auftragnehmer über die Schluûzahlung schriftlich unterrichtet und auf die Ausschluûwirkung hingewiesen wurde. Ein Vorbehalt ist innerhalb von 24 Werktagen nach Zugang der Mitteilung nach Absatz 2 und 3 des § 16 Nr. 3 VOB/B zu erklären. Er wird hinfällig , wenn nicht innerhalb von weiteren 24 Werktagen eine prüfbare Rechnung über die vorbehaltenen Forderungen eingereicht oder, wenn das nicht möglich ist, der Vorbehalt eingehend begründet wird.
b) Es kann dahinstehen, ob die VOB/B im Vertragsverhältnis der Parteien einer Inhaltskontrolle zu Lasten der Beklagten unterliegt, wofür angesichts zahlreicher in den Kernbereich der VOB/B eingreifender Regelungen viel spricht. In einem solchen Fall hielte diese Regelung einer Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz nicht Stand (BGH, Urteil vom 19. März 1998 - VII ZR 116/97, BGHZ 138, 176). Ebenso kann dahinstehen, ob mit der Neuregelung der VOB/B weiterhin davon ausgegangen werden kann, daû die Frist zur Erklärung des Vorbehalts erst dann beginnt, wenn die Schluûzahlung erfolgt ist, wie das Berufungsgericht meint. Denn auch wenn das nicht so ist, sondern, wofür der Wortlaut spricht, die Frist bereits mit dem Zugang der Mitteilung vom 6. September 1995 über die Schluûzahlung beginnt, hat der Kläger den Vorbehalt rechtzeitig erklärt. Das Schreiben des Klägers vom 26. September 1995 enthält einen ausreichend deutlichen Vorbehalt. Der Vorbehalt ist rechtzeitig begründet worden. aa) Nach der Rechtsprechung des Senats sind an den Vorbehalt keine hohen Anforderungen zu stellen (BGH, Urteil vom 4. März 1983 - VII ZR 329/81, BauR 1983, 476, 477 = ZfBR 1983, 234). Der Vorbehalt richtet sich
gegen die abschlieûende Wirkung einer Schluûzahlung. Dazu reicht es aus, daû der Auftragnehmer erklärt, er halte vorbehaltlich einer näheren Prüfung an der Forderung fest. bb) Das ist im Schreiben vom 26. September 1995 deutlich geschehen. Der Kläger hat darin sinngemäû erklärt, ohne Vorlage weiterer Nachweise könne er die Mängelbeseitigungskosten nicht prüfen. Er hat in diesem Schreiben erhebliche Vorbehalte gegen die Höhe der Mängelbeseitigungskosten geltend gemacht und erklärt, daû er den Inhalt der Schluûzahlungsmitteilung vom 6. September 1995 noch prüfen müsse. Damit hat er zum Ausdruck gebracht, daû er ohne nähere Prüfung und ohne weitere Nachweise an seiner Forderung festhalte. Daran ändert nichts, daû er sein Interesse an einem Konsens bekundet hat. cc) Der Kläger hat seinen Vorbehalt innerhalb weiterer 24 Werktage im Schreiben vom 12. Oktober 1995 begründet, das nach dem Vortrag der Revision am 20. Oktober 1995 zugegangen ist. In diesem Schreiben wird erläutert, warum die Mängelbeseitigungskosten nicht vollständig anerkannt werden. Auûerdem werden die Mehrkosten der Fertigstellung und des Verzugs unter Hinweis darauf, daû keine Belege vorgelegt worden seien, zurückgewiesen.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Ullmann Hausmann Kuffer Kniffka Bauner

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 65/99
Verkündet am:
2. März 2000
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
------------------------------------

a) Eine Stufenklage im Sinne des § 254 ZPO ist unzulässig, wenn die Auskunft
nicht dem Zweck einer Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs
dienen, sondern dem Kläger sonstige mit der Bestimmbarkeit als solcher
nicht in Zusammenhang stehende Informationen über seine Rechtsverfolgung
verschaffen soll.

b) Die Unzulässigkeit der Stufung steht einer Sachentscheidung über den
in der Klage enthaltenen Auskunftsanspruch nicht entgegen.
BGH, Urteil vom 2. März 2000 - III ZR 65/99 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. März 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Dr. Wurm, Streck, Schlick und Dörr

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 17. Dezember 1998 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Auskunftsanspruch als unbegründet abgewiesen wird.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Der Kläger ist Richter (Besoldungsgruppe R 2) in der Sozialgerichtsbarkeit des beklagten Landes. Er bewarb sich um die ausgeschriebene Stelle eines Präsidenten des Sozialgerichts (R 3), die jedoch anderweitig vergeben wurde. Mit der Behauptung, in dem Besetzungsverfahren seien Amtspflichtverletzungen zu seinen Lasten begangen worden, hat der Kläger gegen das beklagte Land Stufenklage mit einem - im ersten Rechtszug teilweise einseitig für erledigt erklärten - Antrag auf Auskunft über nähere Einzelheiten des Verfahrensablaufs und einem unbezifferten Antrag auf Schadensersatz erhoben.
Das Landgericht hat den Auskunftsantrag als unbegründet und den Zahlungsantrag als unzulässig abgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger Berufung mit folgenden Anträgen eingelegt:
"I. Das Urteil des Landgerichts K. vom 03.04.1998, ..., wird aufgehoben. II. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die Besetzungsvorgänge hinsichtlich der Besetzung der im Staatsanzeiger von Baden-Württemberg vom 01.10.1994 ausgeschriebenen Stelle des Präsidenten des Sozialgerichts M. insbesondere durch Beantwortung folgender Fragen zu erteilen: 1. Anhand welcher Kriterien wurde über die Besetzung der Stelle entschieden? 2. Wurden vor der Besetzung der Stelle Anlaßbeurteilungen für die jeweiligen Bewerber erstellt?`
9. Durch welche konkreten Kriterien wurde Herr R. besser als der Kläger eingeschätzt? 10. Hätte das Land Baden-Württemberg sich bei Nichternennung des Herrn R. für den Mitbewerber oder für den Kläger entschieden, ggf. nach welchen Kriterien? 11. Gab es für den Mitbewerber eine Anlaßbeurteilung oder dienstliche Beurteilung? Mit welchem Ergebnis endete diese ? III. Es wird festgestellt, daß der Rechtsstreit hinsichtlich der Klageanträge Ziff. 1, Unterziffer 3-8 (Klageschrift vom 16.12.1997) erledigt ist. IV. Stufe 2: Der Beklagte wird ggf. nach Erfüllung oder Erledigung des Klageantrags Ziff. II verurteilt, dem Kläger den Schaden zu ersetzen , der dem Kläger dadurch entstanden ist oder dadurch entstehen wird, daß anstelle des Klägers ein anderer Bewerber zum Präsidenten des Sozialgerichts M. ernannt wurde. V. Hilfsweise: Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht K. hinsichtlich des Klageantrags II (Auskunftsanspruch) verwiesen."
Das Berufungsgericht hat die Klage in vollem Umfang als unzulässig abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

Entscheidungsgründe


Die Revision hat im Ergebnis keinen Erfolg. Allerdings ist der Auskunftsanspruch nicht unzulässig, sondern unbegründet; insoweit ist das landgerichtliche Urteil in vollem Umfang wiederherzustellen.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß das Rechtsschutzbegehren des Klägers als Stufenklage im Sinne des § 254 ZPO unzulässig ist.

a) Nach § 254 ZPO kann die bestimmte Angabe der Leistungen, die der Kläger beansprucht, vorbehalten werden, wenn mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden wird, was der Beklagte aus dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis schuldet. Bereits aus dem Gesetzeswortlaut sowie aus der systematischen Einordnung dieser Bestimmung unmittelbar hinter § 253 ZPO wird deutlich, daß die Besonderheit der Stufenklage nicht in der Zulassung einer Anspruchsverbindung in einer Klage liegt, sondern in erster Linie in der Zulassung eines unbestimmten Antrags entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (Lent, Anmerkung zu LG Essen NJW 1954, 1289; OLG Zweibrücken, NJW 1986, 939; MünchKomm/Lüke , ZPO § 254 Rn. 6; Stein/Jonas/Schumann, ZPO 21. Aufl. § 254 Rn. 1; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 57. Aufl. § 254 Rn. 1). Daraus folgt, daß im Rahmen der Stufenklage die Auskunft lediglich ein Hilfsmittel ist, um die (noch) fehlende Bestimmtheit des Leistungsanspruchs herbeizuführen (Zöller/Greger, ZPO 21. Aufl. § 254 Rn. 4). Die der Stufenklage eigentümliche
Verknüpfung von unbestimmtem Leistungsanspruch und vorbereitendem Auskunftsanspruch steht dagegen nicht zur Verfügung, wenn die Auskunft überhaupt nicht dem Zwecke einer Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs dienen, sondern dem Kläger sonstige mit der Bestimmbarkeit als solcher nicht in Zusammenhang stehende Informationen über seine Rechtsverfolgung verschaffen soll.

b) So liegt der Fall hier: Der Kläger räumt ein, mit dem Auskunftsantrag zunächst die Umstände in Erfahrung bringen zu wollen, die ihm die Beurteilung ermöglichen, ob überhaupt ein amtspflichtwidriges Verhalten des beklagten Landes bei der Besetzung der Stelle des Präsidenten des Sozialgerichts vorliegt und ob dieses Verhalten gegebenenfalls ursächlich dafür geworden ist, daß er die Stelle nicht erhalten hat. Der Kläger will mit dem Auskunftsanspruch also nur in Erfahrung bringen, ob ihm überhaupt ein Amtshaftungsanspruch zusteht, sei es wegen der Nichtberücksichtigung des Klägers als solcher, sei es, weil das beklagte Land es nach Darstellung des Klägers unterlassen hat, ihm vorab mitzuteilen, daß es einen Mitbewerber bevorzugen wolle. Dagegen ist ihm eine Bezifferung des Schadensersatzanspruchs ohne weiteres möglich, da es insoweit lediglich um die Differenz der Dienstbezüge zwischen den Besoldungsgruppen R 2 und R 3 geht.

c) Da mithin die Bezifferbarkeit des erhobenen Leistungsanspruchs gerade nicht von der begehrten Auskunft abhängt, andererseits aber nach der dezidierten Erklärung des Klägers in der Schlußverhandlung vor dem Landgericht vom 3. April 1998 sein Leistungsbegehren auch nicht etwa in eine Feststellungsklage umgedeutet werden kann und soll, ist der erhobene Antrag auf Schadensersatz wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitserfordernis des
§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig. Einer der Fälle, bei denen ein unbezifferter Antrag in Betracht kommt (vgl. dazu Wurm, JA 1989, 65, 66/67), liegt nämlich nicht vor. Beide Vorinstanzen haben daher den Leistungsantrag mit Recht als unzulässig abgewiesen.
2. Der Umstand, daß im vorliegenden Fall eine Stufung der Klageanträge im Sinne des § 254 ZPO nicht in Betracht kommt, hat indessen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht die notwendige Folge, daß auch der Auskunftsanspruch von der Unzulässigkeit der gewählten Klageart erfaßt wird.

a) Der Senat sieht vielmehr keine durchgreifenden Bedenken dagegen, die als solche unzulässige Stufenklage in eine - zulässige - Klagehäufung im Sinne des § 260 ZPO umzudeuten. Das Auskunftsbegehren des Klägers ist zwar, da es wie dargelegt, nicht der Bezifferbarkeit des Leistungsantrags dient, als erste Stufe einer Stufenklage im Sinne des § 254 ZPO unzulässig. Andererseits ist dem Kläger ein - zumindest für die Rechtsschutzgewährung ausreichendes - berechtigtes Interesse an den begehrten Auskünften nicht abzusprechen. Die Frage, ob dem Kläger gegen das beklagte Land ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskünfte tatsächlich zusteht, ist dementsprechend nicht eine solche der Zulässigkeit des Auskunftsanspruchs, sondern der Begründetheit.

b) Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn nach dem Rechtsschutzziel des Klägers die Verbindung von Auskunfts- und Leistungsantrag derartig eng sein sollte, daß die gesamte Rechtsverfolgung mit dieser Stufung "stehen und fallen" sollte. Dies läßt sich indes nicht feststellen. Insbesondere der Hilfsantrag, den Auskunftsanspruch an das Verwaltungsgericht zu verwei-
sen, belegt, daß der Kläger zwar in erster Linie die begehrte Stufung weiterverfolgen wollte, jedoch für den Fall, daß dies nicht durchsetzbar war, auch eine Trennung beider Ansprüche und damit eine Verselbständigung des Auskunftsanspruchs hinzunehmen bereit war. Deswegen ist eine isolierte Sachentscheidung über den Auskunftsanspruch gegenüber dem Rechtsschutzbegehren des Klägers nicht ein "Aliud", sondern ein bloßes "Minus". Da auch sonstige Bedenken gegen die Zulässigkeit des Auskunftsanspruchs nicht ersichtlich sind, dieser insbesondere - im Gegensatz zum Leistungsantrag - nicht etwa gegen das Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO verstößt, muß daher insoweit in eine Sachprüfung eingetreten werden.

c) Diese Sachprüfung führt zu dem Ergebnis, daß der Auskunftsanspruch des Klägers zumindest im jetzt noch anhängigen Umfang unbegründet ist. Der vorliegende Fall nötigt nicht zu einer umfassenden Klärung, welche Auskünfte der unterlegene Bewerber um eine Stelle des öffentlichen Dienstes zur Vorbereitung seiner Rechtsverfolgung von dem betreffenden Dienstherrn verlangen kann. Es genügt vielmehr die Feststellung, daß der Kläger jedenfalls hier durch das Schreiben des beklagten Landes vom 9. Dezember 1997 in ausreichendem Maße über die Gründe für die anderweitige Besetzung der Stelle informiert worden ist. Die in diesem Schreiben dargelegten Gründe wurden durch den Sachvortrag des beklagten Landes im jetzigen Rechtsstreit, zuletzt in der Berufungserwiderung vom 20. Oktober 1998, noch weiter präzisiert. Dies ermöglicht dem Kläger ohne weiteres die Beurteilung, ob er sich von einer Amtshaftungsklage hinreichende Aussicht auf Erfolg versprechen kann. Noch detailliertere Informationen sind weder als Hilfsanspruch zur Vorbereitung der Amtshaftungsklage (vgl. dazu Senatsurteil BGHZ 78, 274, 277 f) noch aus dem Gesichtspunkt der dienstrechtlichen Fürsorgepflicht geboten. Insbesondere ist
das beklagte Land nicht verpflichtet, dem Kläger schon gleichsam "im Vorfeld" jedes Prozeßrisiko abzunehmen. Dies gilt um so mehr, als dem Kläger im Rechtsstreit möglicherweise die im Senatsurteil BGHZ 129, 226, 232 ff angesprochenen Darlegungs- und Beweiserleichterungen zugute kommen.

d) Der Senat ist als Rechtsmittelgericht befugt, ein die Klage als unzulässig abweisendes Prozeßurteil auch dann durch ein sachabweisendes Urteil zu ersetzen, wenn nur der Kläger das Rechtsmittel eingelegt hat (st. Rspr.; z.B. BGHZ 104, 212, 214 m.zahlr.w.N.). Auch hinsichtlich des vom Kläger einseitig für erledigt erklärten Teils des Auskunftsanspruchs hatte es bei der Klageabweisung zu verbleiben. Dem Informationsinteresse des Klägers wurde, soweit möglicherweise berechtigt, bereits durch das Schreiben des beklagten Landes vom 9. Dezember 1997 genügt. Dieses Schreiben ist nach dem Vorbringen des Klägers erst nach Einreichung der Klage bei seinen Prozeßbevollmächtigten eingegangen, aber noch vor der Zustellung, die erst am 12. Januar 1998 stattgefunden hat. Eine durch Urteil nach einseitiger Erledigungserklärung des Klägers festzustellende Erledigung der Hauptsache setzt voraus, daß die Klage
nach Eintritt ihrer Rechtshängigkeit (unzulässig oder) unbegründet geworden ist (BGHZ 83, 12). Dies war hier nicht der Fall, da die Rechtshängigkeit erst mit Klagezustellung eingetreten ist (§§ 261 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO).
Rinne Wurm Streck Schlick Dörr

Mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten können, auch wenn sie auf verschiedenen Gründen beruhen, in einer Klage verbunden werden, wenn für sämtliche Ansprüche das Prozessgericht zuständig und dieselbe Prozessart zulässig ist.

Wird mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden, was der Beklagte aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis schuldet, so kann die bestimmte Angabe der Leistungen, die der Kläger beansprucht, vorbehalten werden, bis die Rechnung mitgeteilt, das Vermögensverzeichnis vorgelegt oder die eidesstattliche Versicherung abgegeben ist.

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a) Nach § 254 ZPO kann die bestimmte Angabe der Leistungen, die der Kläger beansprucht, vorbehalten werden, wenn mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden wird, was der Beklagte aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis schuldet. Die Besonderheit der Stufenklage liegt nicht in der Zulassung einer Anspruchsverbindung in einer Klage, sondern in erster Linie in der Zulassung eines unbestimmten Antrags entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Stufenklage soll dem Kläger die Prozessführung nicht allgemein erleichtern. Vielmehr muss sein Unvermögen zur bestimmten Angabe der von ihm auf der letzten Stufe seiner Klage beanspruchten Leistung gerade auf den Umständen beruhen, über die er auf der ersten Stufe Auskunft begehrt, bzw. muss das Auskunftsbegeh- ren gerade der Vorbereitung der auf der letzten Stufe noch nachzuholenden bestimmten Angabe dienen (MünchKommZPO/Becker-Eberhard, 3. Aufl., § 254 Rn. 6 f.; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 254 Rn. 2; Baumbach /Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl., § 254 Rn. 1). Daraus folgt, dass im Rahmen der Stufenklage die Auskunft lediglich ein Hilfsmittel ist, um die (noch) fehlende Bestimmtheit des Leistungsanspruchs herbeizuführen (Zöller /Greger, ZPO, 28. Aufl., § 254 Rn. 6). Die der Stufenklage eigentümliche Verknüpfung von unbestimmtem Leistungsanspruch und vorbereitendem Auskunftsanspruch steht dagegen nicht zur Verfügung, wenn die Auskunft überhaupt nicht dem Zwecke einer Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs dienen, sondern dem Kläger sonstige mit der Bestimmbarkeit als solcher nicht in Zusammenhang stehende Informationen über seine Rechtsverfolgung verschaffen soll (BGH, Urteile vom 2. März 2000 - III ZR 65/99, NJW 2000, 1645, 1646 und vom 18. April 2002 - VII ZR 260/01, NJW 2002, 2952, 2953).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 65/99
Verkündet am:
2. März 2000
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
------------------------------------

a) Eine Stufenklage im Sinne des § 254 ZPO ist unzulässig, wenn die Auskunft
nicht dem Zweck einer Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs
dienen, sondern dem Kläger sonstige mit der Bestimmbarkeit als solcher
nicht in Zusammenhang stehende Informationen über seine Rechtsverfolgung
verschaffen soll.

b) Die Unzulässigkeit der Stufung steht einer Sachentscheidung über den
in der Klage enthaltenen Auskunftsanspruch nicht entgegen.
BGH, Urteil vom 2. März 2000 - III ZR 65/99 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. März 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Dr. Wurm, Streck, Schlick und Dörr

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 17. Dezember 1998 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Auskunftsanspruch als unbegründet abgewiesen wird.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Der Kläger ist Richter (Besoldungsgruppe R 2) in der Sozialgerichtsbarkeit des beklagten Landes. Er bewarb sich um die ausgeschriebene Stelle eines Präsidenten des Sozialgerichts (R 3), die jedoch anderweitig vergeben wurde. Mit der Behauptung, in dem Besetzungsverfahren seien Amtspflichtverletzungen zu seinen Lasten begangen worden, hat der Kläger gegen das beklagte Land Stufenklage mit einem - im ersten Rechtszug teilweise einseitig für erledigt erklärten - Antrag auf Auskunft über nähere Einzelheiten des Verfahrensablaufs und einem unbezifferten Antrag auf Schadensersatz erhoben.
Das Landgericht hat den Auskunftsantrag als unbegründet und den Zahlungsantrag als unzulässig abgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger Berufung mit folgenden Anträgen eingelegt:
"I. Das Urteil des Landgerichts K. vom 03.04.1998, ..., wird aufgehoben. II. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die Besetzungsvorgänge hinsichtlich der Besetzung der im Staatsanzeiger von Baden-Württemberg vom 01.10.1994 ausgeschriebenen Stelle des Präsidenten des Sozialgerichts M. insbesondere durch Beantwortung folgender Fragen zu erteilen: 1. Anhand welcher Kriterien wurde über die Besetzung der Stelle entschieden? 2. Wurden vor der Besetzung der Stelle Anlaßbeurteilungen für die jeweiligen Bewerber erstellt?`
9. Durch welche konkreten Kriterien wurde Herr R. besser als der Kläger eingeschätzt? 10. Hätte das Land Baden-Württemberg sich bei Nichternennung des Herrn R. für den Mitbewerber oder für den Kläger entschieden, ggf. nach welchen Kriterien? 11. Gab es für den Mitbewerber eine Anlaßbeurteilung oder dienstliche Beurteilung? Mit welchem Ergebnis endete diese ? III. Es wird festgestellt, daß der Rechtsstreit hinsichtlich der Klageanträge Ziff. 1, Unterziffer 3-8 (Klageschrift vom 16.12.1997) erledigt ist. IV. Stufe 2: Der Beklagte wird ggf. nach Erfüllung oder Erledigung des Klageantrags Ziff. II verurteilt, dem Kläger den Schaden zu ersetzen , der dem Kläger dadurch entstanden ist oder dadurch entstehen wird, daß anstelle des Klägers ein anderer Bewerber zum Präsidenten des Sozialgerichts M. ernannt wurde. V. Hilfsweise: Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht K. hinsichtlich des Klageantrags II (Auskunftsanspruch) verwiesen."
Das Berufungsgericht hat die Klage in vollem Umfang als unzulässig abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

Entscheidungsgründe


Die Revision hat im Ergebnis keinen Erfolg. Allerdings ist der Auskunftsanspruch nicht unzulässig, sondern unbegründet; insoweit ist das landgerichtliche Urteil in vollem Umfang wiederherzustellen.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß das Rechtsschutzbegehren des Klägers als Stufenklage im Sinne des § 254 ZPO unzulässig ist.

a) Nach § 254 ZPO kann die bestimmte Angabe der Leistungen, die der Kläger beansprucht, vorbehalten werden, wenn mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden wird, was der Beklagte aus dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis schuldet. Bereits aus dem Gesetzeswortlaut sowie aus der systematischen Einordnung dieser Bestimmung unmittelbar hinter § 253 ZPO wird deutlich, daß die Besonderheit der Stufenklage nicht in der Zulassung einer Anspruchsverbindung in einer Klage liegt, sondern in erster Linie in der Zulassung eines unbestimmten Antrags entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (Lent, Anmerkung zu LG Essen NJW 1954, 1289; OLG Zweibrücken, NJW 1986, 939; MünchKomm/Lüke , ZPO § 254 Rn. 6; Stein/Jonas/Schumann, ZPO 21. Aufl. § 254 Rn. 1; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 57. Aufl. § 254 Rn. 1). Daraus folgt, daß im Rahmen der Stufenklage die Auskunft lediglich ein Hilfsmittel ist, um die (noch) fehlende Bestimmtheit des Leistungsanspruchs herbeizuführen (Zöller/Greger, ZPO 21. Aufl. § 254 Rn. 4). Die der Stufenklage eigentümliche
Verknüpfung von unbestimmtem Leistungsanspruch und vorbereitendem Auskunftsanspruch steht dagegen nicht zur Verfügung, wenn die Auskunft überhaupt nicht dem Zwecke einer Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs dienen, sondern dem Kläger sonstige mit der Bestimmbarkeit als solcher nicht in Zusammenhang stehende Informationen über seine Rechtsverfolgung verschaffen soll.

b) So liegt der Fall hier: Der Kläger räumt ein, mit dem Auskunftsantrag zunächst die Umstände in Erfahrung bringen zu wollen, die ihm die Beurteilung ermöglichen, ob überhaupt ein amtspflichtwidriges Verhalten des beklagten Landes bei der Besetzung der Stelle des Präsidenten des Sozialgerichts vorliegt und ob dieses Verhalten gegebenenfalls ursächlich dafür geworden ist, daß er die Stelle nicht erhalten hat. Der Kläger will mit dem Auskunftsanspruch also nur in Erfahrung bringen, ob ihm überhaupt ein Amtshaftungsanspruch zusteht, sei es wegen der Nichtberücksichtigung des Klägers als solcher, sei es, weil das beklagte Land es nach Darstellung des Klägers unterlassen hat, ihm vorab mitzuteilen, daß es einen Mitbewerber bevorzugen wolle. Dagegen ist ihm eine Bezifferung des Schadensersatzanspruchs ohne weiteres möglich, da es insoweit lediglich um die Differenz der Dienstbezüge zwischen den Besoldungsgruppen R 2 und R 3 geht.

c) Da mithin die Bezifferbarkeit des erhobenen Leistungsanspruchs gerade nicht von der begehrten Auskunft abhängt, andererseits aber nach der dezidierten Erklärung des Klägers in der Schlußverhandlung vor dem Landgericht vom 3. April 1998 sein Leistungsbegehren auch nicht etwa in eine Feststellungsklage umgedeutet werden kann und soll, ist der erhobene Antrag auf Schadensersatz wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitserfordernis des
§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig. Einer der Fälle, bei denen ein unbezifferter Antrag in Betracht kommt (vgl. dazu Wurm, JA 1989, 65, 66/67), liegt nämlich nicht vor. Beide Vorinstanzen haben daher den Leistungsantrag mit Recht als unzulässig abgewiesen.
2. Der Umstand, daß im vorliegenden Fall eine Stufung der Klageanträge im Sinne des § 254 ZPO nicht in Betracht kommt, hat indessen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht die notwendige Folge, daß auch der Auskunftsanspruch von der Unzulässigkeit der gewählten Klageart erfaßt wird.

a) Der Senat sieht vielmehr keine durchgreifenden Bedenken dagegen, die als solche unzulässige Stufenklage in eine - zulässige - Klagehäufung im Sinne des § 260 ZPO umzudeuten. Das Auskunftsbegehren des Klägers ist zwar, da es wie dargelegt, nicht der Bezifferbarkeit des Leistungsantrags dient, als erste Stufe einer Stufenklage im Sinne des § 254 ZPO unzulässig. Andererseits ist dem Kläger ein - zumindest für die Rechtsschutzgewährung ausreichendes - berechtigtes Interesse an den begehrten Auskünften nicht abzusprechen. Die Frage, ob dem Kläger gegen das beklagte Land ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskünfte tatsächlich zusteht, ist dementsprechend nicht eine solche der Zulässigkeit des Auskunftsanspruchs, sondern der Begründetheit.

b) Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn nach dem Rechtsschutzziel des Klägers die Verbindung von Auskunfts- und Leistungsantrag derartig eng sein sollte, daß die gesamte Rechtsverfolgung mit dieser Stufung "stehen und fallen" sollte. Dies läßt sich indes nicht feststellen. Insbesondere der Hilfsantrag, den Auskunftsanspruch an das Verwaltungsgericht zu verwei-
sen, belegt, daß der Kläger zwar in erster Linie die begehrte Stufung weiterverfolgen wollte, jedoch für den Fall, daß dies nicht durchsetzbar war, auch eine Trennung beider Ansprüche und damit eine Verselbständigung des Auskunftsanspruchs hinzunehmen bereit war. Deswegen ist eine isolierte Sachentscheidung über den Auskunftsanspruch gegenüber dem Rechtsschutzbegehren des Klägers nicht ein "Aliud", sondern ein bloßes "Minus". Da auch sonstige Bedenken gegen die Zulässigkeit des Auskunftsanspruchs nicht ersichtlich sind, dieser insbesondere - im Gegensatz zum Leistungsantrag - nicht etwa gegen das Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO verstößt, muß daher insoweit in eine Sachprüfung eingetreten werden.

c) Diese Sachprüfung führt zu dem Ergebnis, daß der Auskunftsanspruch des Klägers zumindest im jetzt noch anhängigen Umfang unbegründet ist. Der vorliegende Fall nötigt nicht zu einer umfassenden Klärung, welche Auskünfte der unterlegene Bewerber um eine Stelle des öffentlichen Dienstes zur Vorbereitung seiner Rechtsverfolgung von dem betreffenden Dienstherrn verlangen kann. Es genügt vielmehr die Feststellung, daß der Kläger jedenfalls hier durch das Schreiben des beklagten Landes vom 9. Dezember 1997 in ausreichendem Maße über die Gründe für die anderweitige Besetzung der Stelle informiert worden ist. Die in diesem Schreiben dargelegten Gründe wurden durch den Sachvortrag des beklagten Landes im jetzigen Rechtsstreit, zuletzt in der Berufungserwiderung vom 20. Oktober 1998, noch weiter präzisiert. Dies ermöglicht dem Kläger ohne weiteres die Beurteilung, ob er sich von einer Amtshaftungsklage hinreichende Aussicht auf Erfolg versprechen kann. Noch detailliertere Informationen sind weder als Hilfsanspruch zur Vorbereitung der Amtshaftungsklage (vgl. dazu Senatsurteil BGHZ 78, 274, 277 f) noch aus dem Gesichtspunkt der dienstrechtlichen Fürsorgepflicht geboten. Insbesondere ist
das beklagte Land nicht verpflichtet, dem Kläger schon gleichsam "im Vorfeld" jedes Prozeßrisiko abzunehmen. Dies gilt um so mehr, als dem Kläger im Rechtsstreit möglicherweise die im Senatsurteil BGHZ 129, 226, 232 ff angesprochenen Darlegungs- und Beweiserleichterungen zugute kommen.

d) Der Senat ist als Rechtsmittelgericht befugt, ein die Klage als unzulässig abweisendes Prozeßurteil auch dann durch ein sachabweisendes Urteil zu ersetzen, wenn nur der Kläger das Rechtsmittel eingelegt hat (st. Rspr.; z.B. BGHZ 104, 212, 214 m.zahlr.w.N.). Auch hinsichtlich des vom Kläger einseitig für erledigt erklärten Teils des Auskunftsanspruchs hatte es bei der Klageabweisung zu verbleiben. Dem Informationsinteresse des Klägers wurde, soweit möglicherweise berechtigt, bereits durch das Schreiben des beklagten Landes vom 9. Dezember 1997 genügt. Dieses Schreiben ist nach dem Vorbringen des Klägers erst nach Einreichung der Klage bei seinen Prozeßbevollmächtigten eingegangen, aber noch vor der Zustellung, die erst am 12. Januar 1998 stattgefunden hat. Eine durch Urteil nach einseitiger Erledigungserklärung des Klägers festzustellende Erledigung der Hauptsache setzt voraus, daß die Klage
nach Eintritt ihrer Rechtshängigkeit (unzulässig oder) unbegründet geworden ist (BGHZ 83, 12). Dies war hier nicht der Fall, da die Rechtshängigkeit erst mit Klagezustellung eingetreten ist (§§ 261 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO).
Rinne Wurm Streck Schlick Dörr

(1) Liegen Tatsachen vor, die die Annahme begründen, dass ein Arzneimittel den Schaden verursacht hat, so kann der Geschädigte von dem pharmazeutischen Unternehmer Auskunft verlangen, es sei denn, dies ist zur Feststellung, ob ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 84 besteht, nicht erforderlich. Der Anspruch richtet sich auf dem pharmazeutischen Unternehmer bekannte Wirkungen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sowie ihm bekannt gewordene Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Wechselwirkungen und sämtliche weiteren Erkenntnisse, die für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher Wirkungen von Bedeutung sein können. Die §§ 259 bis 261 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind entsprechend anzuwenden. Ein Auskunftsanspruch besteht insoweit nicht, als die Angaben auf Grund gesetzlicher Vorschriften geheim zu halten sind oder die Geheimhaltung einem überwiegenden Interesse des pharmazeutischen Unternehmers oder eines Dritten entspricht.

(2) Ein Auskunftsanspruch besteht unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch gegenüber den Behörden, die für die Zulassung und Überwachung von Arzneimitteln zuständig sind. Die Behörde ist zur Erteilung der Auskunft nicht verpflichtet, soweit Angaben auf Grund gesetzlicher Vorschriften geheim zu halten sind oder die Geheimhaltung einem überwiegenden Interesse des pharmazeutischen Unternehmers oder eines Dritten entspricht. Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetz bleiben unberührt.

(1) Wird infolge der Anwendung eines zum Gebrauch bei Menschen bestimmten Arzneimittels, das im Geltungsbereich dieses Gesetzes an den Verbraucher abgegeben wurde und der Pflicht zur Zulassung unterliegt oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung befreit worden ist, ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen nicht unerheblich verletzt, so ist der pharmazeutische Unternehmer, der das Arzneimittel im Geltungsbereich dieses Gesetzes in den Verkehr gebracht hat, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht besteht nur, wenn

1.
das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen oder
2.
der Schaden infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation eingetreten ist.

(2) Ist das angewendete Arzneimittel nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet, den Schaden zu verursachen, so wird vermutet, dass der Schaden durch dieses Arzneimittel verursacht ist. Die Eignung im Einzelfall beurteilt sich nach der Zusammensetzung und der Dosierung des angewendeten Arzneimittels, nach der Art und Dauer seiner bestimmungsgemäßen Anwendung, nach dem zeitlichen Zusammenhang mit dem Schadenseintritt, nach dem Schadensbild und dem gesundheitlichen Zustand des Geschädigten im Zeitpunkt der Anwendung sowie allen sonstigen Gegebenheiten, die im Einzelfall für oder gegen die Schadensverursachung sprechen. Die Vermutung gilt nicht, wenn ein anderer Umstand nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet ist, den Schaden zu verursachen. Ein anderer Umstand liegt nicht in der Anwendung weiterer Arzneimittel, die nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet sind, den Schaden zu verursachen, es sei denn, dass wegen der Anwendung dieser Arzneimittel Ansprüche nach dieser Vorschrift aus anderen Gründen als der fehlenden Ursächlichkeit für den Schaden nicht gegeben sind.

(3) Die Ersatzpflicht des pharmazeutischen Unternehmers nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ist ausgeschlossen, wenn nach den Umständen davon auszugehen ist, dass die schädlichen Wirkungen des Arzneimittels ihre Ursache nicht im Bereich der Entwicklung und Herstellung haben.

8
a) Nach § 254 ZPO kann die bestimmte Angabe der Leistungen, die der Kläger beansprucht, vorbehalten werden, wenn mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung eines Vermögensverzeichnisses oder auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden wird, was der Beklagte aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis schuldet. Die Besonderheit der Stufenklage liegt nicht in der Zulassung einer Anspruchsverbindung in einer Klage, sondern in erster Linie in der Zulassung eines unbestimmten Antrags entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Stufenklage soll dem Kläger die Prozessführung nicht allgemein erleichtern. Vielmehr muss sein Unvermögen zur bestimmten Angabe der von ihm auf der letzten Stufe seiner Klage beanspruchten Leistung gerade auf den Umständen beruhen, über die er auf der ersten Stufe Auskunft begehrt, bzw. muss das Auskunftsbegeh- ren gerade der Vorbereitung der auf der letzten Stufe noch nachzuholenden bestimmten Angabe dienen (MünchKommZPO/Becker-Eberhard, 3. Aufl., § 254 Rn. 6 f.; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 254 Rn. 2; Baumbach /Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Aufl., § 254 Rn. 1). Daraus folgt, dass im Rahmen der Stufenklage die Auskunft lediglich ein Hilfsmittel ist, um die (noch) fehlende Bestimmtheit des Leistungsanspruchs herbeizuführen (Zöller /Greger, ZPO, 28. Aufl., § 254 Rn. 6). Die der Stufenklage eigentümliche Verknüpfung von unbestimmtem Leistungsanspruch und vorbereitendem Auskunftsanspruch steht dagegen nicht zur Verfügung, wenn die Auskunft überhaupt nicht dem Zwecke einer Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs dienen, sondern dem Kläger sonstige mit der Bestimmbarkeit als solcher nicht in Zusammenhang stehende Informationen über seine Rechtsverfolgung verschaffen soll (BGH, Urteile vom 2. März 2000 - III ZR 65/99, NJW 2000, 1645, 1646 und vom 18. April 2002 - VII ZR 260/01, NJW 2002, 2952, 2953).

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.


Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz –Auswärtige Kammern Neuwied- vom 11.6.2008, Az. 9 Ca 883/08- wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichenden Erfolgsaussichten im Sinne des § 114 ZPO.

2

Die Beschwerdekammer folgt zunächst der ausführlichen Begründung des Arbeitsgerichts im angefochtenen Beschluss sowie im Nicht-Abhilfebeschluss vom 2. September 2008. Ergänzend ist lediglich auszuführen:

3

1. Soweit der Antragsteller zur Begründung eines Zurückbehaltungsrechts im Rahmen der beabsichtigten Vollstreckungsabwehrklage einen Anspruch auf Auskunft bzw. Abrechnungserteilung für den Zeitraum geltend machen will, hinsichtlich dessen die Klage auf weitergehende Vergütungsansprüche durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30.11.2007, Az. 9 Sa 532/07, rechtskräftig abgewiesen worden sind (August 2005 – Oktober 2006) scheidet ein Anspruch auf Auskunft und/oder Vergütungsabrechnung von vornherein aus. Ein solcher Anspruch folgt weder aus § 108 GewO, noch aus einer nebenvertraglichen Auskunftspflicht gem. §§ 241 Abs. 2, 242 BGB.

4

Der Anspruch des Klägers auf Abrechnungen nach § 108 GewO ist erfüllt. Abrechnungen über die tatsächlich erfolgten Zahlungen liegen vor. § 108 GewO betrifft nur die Abrechnung der erfolgten Zahlung und gewährt keinen selbständigen Abrechnungsanspruch zur Vorbereitung eines Zahlungsanspruchs (BAG 12.7.2006 -5 AZR 646/05- EzA § 108 GewO Nr. 1).

5

Ein Anspruch in Form einer nebenvertraglichen Auskunfts- und Abrechnungspflicht scheidet aus, da ein solcher Anspruch einen dem Grunde nach bestehenden Zahlungsanspruch voraussetzt (BAG 27.6.1990 -5 AZR 334/90- EzA § 242 BGB Auskunftspflicht Nr 2). Ein weitergehender Vergütungsanspruch für den genannten Zeitraum steht aber dem Grunde nach nicht nur nicht ausreichend fest, sondern scheidet vielmehr aufgrund der Rechtskraft des genannten Urteils des Landesarbeitsgerichts aus.

6

2. Aber auch Auskunfts- bzw. Abrechnungsansprüche für den Zeitraum Januar 2005 bis Juli 2005 und November 2008 scheiden aus. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob auch diesbezüglich Zahlungsansprüche von vornherein im Hinblick auf das genannte Urteil des Landesarbeitsgerichts unter dem Gesichtspunkt der sog. verdeckten Teilklage ausscheiden.

7

a) Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass eine Einrede nach § 320 BGB schon deshalb ausscheidet, weil § 320 BGB nur einschlägig ist, wenn die fraglichen Verpflichtungen in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zueinander stehen, die eine Leistung also Gegenleistung für die andere ist. Dies ist im Verhältnis des Kostenerstattungsanspruchs und eines eventuellen Abrechnungs- oder Auskunftanspruchs nicht der Fall. Ein demnach einzig in Betracht kommendes Zurückbehaltungsrecht rechtfertigt im Falle seines Bestehens aber im Falle seiner Geltendmachung im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage schon nicht die vom Antragssteller mit dem Antrag erstrebte Rechtsfolge der vollständigen Einstellung der Zwangsvollstreckung, sondern nur einen Anspruch auf Abgabe einer rechtsgestaltenden Erklärung dahingehend, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Titel nur Zug-um-Zug gegen Erfüllung der geltend gemachten Verpflichtung zulässig ist (so für die Einrede nach § 320 BGB: BGH 27.6.1997 –V ZR 91/96, NJW-RR 1997, 1272; vgl. Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 767 Rz. 12 „Zurückbehaltungsrecht“).

8

b) Davon unabhängig besteht ein Anspruch des Antragstellers auf Abrechnung/Auskunftserteilung nicht.

9

Wie bereits ausgeführt, scheidet ein Anspruch nach § 108 GewO aus. Aber auch ein Anspruch aus einer vertraglichen Nebenpflicht besteht nicht.

10

Es ist anerkannt, dass Auskunftsansprüche nach Treu und Glauben bestehen können, wenn die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann Denn der Ausgleich gestörter Vertragsparität gehört zu den Hauptaufgaben des Zivilrechts. Ein Ungleichgewicht kann etwa aus einer wirtschaftlichen Übermacht oder aus einem erheblichen Informationsgefälle resultieren. Eine solche Situation kann es erfordern, Auskunftsansprüche zu statuieren, die eine Vertragspartei zur Wahrnehmung ihrer materiellen Rechte aus dem Vertrag benötigt. Im Regelfall setzt das einen dem Grunde nach feststehenden Zahlungsanspruch voraus. Innerhalb vertraglicher Beziehungen, insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen, kann der Auskunftsanspruch darüber hinaus die Funktion haben, dem Berechtigten Informationen auch schon über das Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach zu verschaffen. Im Arbeitsverhältnis wird der Inhalt der Nebenpflicht durch eine besondere persönliche Bindung der Vertragspartner geprägt. Aus dem Arbeitsverhältnis ergeben sich spezifische Pflichten zur Rücksichtnahme. Besteht ein billigenswertes Interesse an einer Auskunft, z.B. weil sie zur Geltendmachung eines Leistungsanspruchs erforderlich ist, kann sie verlangt werden, soweit eine Verpflichtung zur Auskunft keine übermäßige Belastung des Vertragspartners darstellt (vgl. zusammenfassend Müller , NZA 2008, 977, 981 mwN. zur Rechtsprechung des BAG).

11

Allerdings muss die gesetzliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Prozess berücksichtigt bleiben: Die Darlegungs- und Beweissituation darf nicht durch Gewährung materiell-rechtlicher Auskunftsansprüche unzulässig verändert werden (BAG 7.9.1995 -8 AZR 828/93- EzA § 242 BGB Auskunftspflicht Nr. 4; BAG 1.12.2004 -5 AZR 664/03- EzA § 242 BGB Gleichbehandlung Nr. 5; Müller aaO.).

12

Wie das Landesarbeitsgericht in dem genannten Urteil vom 30.11.2007 bereits ausgeführt hat, geht es dem Antragsteller nicht nur um die Geltendmachung einer tarifüblichen Vergütung für ein normales Arbeitszeitdeputat, sondern auch um die Geltendmachung von Mehrarbeitsstunden unter Hinzurechnung eines tariflichen Mehrarbeitszuschlags. Dies gilt ausweislich des Schriftsatzes des Antragstellers im vorliegenden Verfahren vom 27.6.2008 auch für den Zeitraum Januar bis Juli 2005.

13

Wie bereits im genannten Urteil des Landesarbeitsgerichts ausgeführt wurde, trifft aber den Kläger, der Ansprüche auf Mehrarbeitsvergütung geltend machen will, die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen eines Mehrarbeitsvergütungsanspruchs: Soweit es um Mehrarbeit geht, ist darüber hinaus Vortrag erforderlich, wann und in welchem Umfang genau Mehrarbeit geleistet wurde und dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren. Bezüglich der Anordnung ist weiter darzulegen, wer wann welche Überstunden angeordnet hat. Die Billigung und Duldung setzen Vortrag dazu voraus, wer wie von den geleisteten Überstunden Kenntnis erlangt und sie ausdrücklich gebilligt oder stillschweigend geduldet hat. Damit die Notwendigkeit der Überstunden nachvollzogen werden kann, ist Vortrag erforderlich, wer wann wie welche Arbeit zugewiesen hat, wie zeitaufwändig diese Arbeit war, welche Regelarbeitszeit zur Verfügung stand, wann wer welche Terminvorgaben hinsichtlich der Erledigung der Arbeit gemacht hat und weshalb insoweit die Arbeit nicht ohne Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit erledigt werden konnte (vgl. neben den Nachweisen im Urteil des Landesarbeitsgerichts zusammenfassend auch insoweit Müller , aaO., S. 978)..

14

Mit dem behaupteten Auskunfts- bzw. Abrechnungsanspruch verfolgt der Antragsteller aber gerade das Ziel, diese Darlegungs- und Beweissituation hiervon abweichend zu seinen Gunsten zu verändern.

15

c) Hinzu kommt, dass ein Auskunftsanspruch ausscheidet, wenn dem Arbeitszeitnachweis dienende Aufzeichnungen vom Arbeitgeber nicht gefertigt wurden. Den Arbeitgeber trifft insoweit keine vertragliche Nebenpflicht, Zeitaufzeichnungen anzufertigen oder anfertigen zu lassen ( Müller aao., 981).

16

Der Antragsteller geht selbst davon aus, dass Aufzeichnungen, die dem Arbeitszeitnachweis dienen, nicht existieren, sondern dies einer Rekonstruktion für jeden Tag durch den Arbeitgeber anhand anderer Unterlagen (Fahrzeugstatistiken) erfordern würde.. Der Antragsteller begehrt damit keine Auskunft anhand bestehender, dem Arbeitszeitnachweis dienender Aufzeichnungen, sondern die Anfertigung entsprechender Aufzeichnungen.

II.

17

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen. Die vorliegende Entscheidung ist, da Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht bestehen, nicht anfechtbar.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.

(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen dieses Gesetzes vor.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 14. Oktober 2010 - 6 Sa 343/10 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - soweit für die Revision von Interesse - über die Vergütung von Überstunden.

2

Der Kläger war vom 14. April 2008 bis zum 13. April 2009 bei der Beklagten aufgrund eines auf diesen Zeitraum befristeten Arbeitsvertrags als Kraftfahrer in der Lebendtierabteilung beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthält ua. folgende Regelungen:

        

„Arbeitsvertrag

                 
        

(außertariflich)

                 
        

…       

        
        

§ 2 Tätigkeit

        
        

1.    

Der Arbeitnehmer wird als Kraftfahrer eingestellt und ist mit allen einschlägigen Arbeiten nach näherer Anweisung der Geschäftsleitung bzw. der Vorgesetzten beschäftigt. Er ist verpflichtet, auch andere zumutbare Tätigkeiten zu verrichten. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich zudem, während seiner Tätigkeit auf ihn zukommende Aufgaben gewissenhaft nach bestem Vermögen zu erfüllen, in jeder Hinsicht die Interessen der Firma zu wahren und seine ganze Arbeitskraft ausschließlich dem Unternehmen zu widmen.

        
        

§ 3 Vergütung

        
        

Die monatliche Vergütung des Arbeitnehmers errechnet sich wie folgt:

        
        

außertarifliches Grundgehalt/Monat (brutto):

1.100,00 €

                 
        

Euro in Worten.

Eintausendeinhundert

                                                              
        

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freiwillige Leistungs - und Sorgfaltsprämie/Tag (brutto):

10,00 €

                          
        

wenn und soweit unfall- und schadensfrei gefahren wird und Ordnung, Sauberkeit und Fahrzeugpflege voll gewahrt werden und fehlerfreie Fahrweise, geringen Dieselverbrauch und korrektes Auftreten beim Kunden stattfindet und festgestellt wird bei Nichteinhaltung der Voraussetzungen wird die Leistungsprämie widerrufen, siehe dazu auch den Sorgfaltskatalog.

        

freiwillige Treueprämie/Tag (brutto):

10,00 €

                          
        

für jeden gefahrenen Tag über 6 Stunden Fahr-/Lenkzeit

                 
        

freiwilliger Sonntagszuschlag/Tag (brutto):***

10,00 €

                          
                 

(steuer- u. sv-frei)

                          
        

für jeden gefahrenen Sonntag über 6 Stunden Fahr-/Lenkzeit

                 
        

freiwilliger Feiertagszuschlag/Tag (brutto):***

20,00 €

                          
                 

(steuer- u. sv-frei)

                          
        

für jeden gefahrenen Feiertag über 6 Stunden Fahr-/Lenkzeit

        
                          
        

freiwilliger Nachtzuschlag/Tag (brutto):***

10,00 €**

                 

(steuer- u. sv-frei)

        

für Nachtfahrten (in der Zeit von 22:00 - 4:00 Uhr)

        
                          
        

**    

Prämie gilt bei Besetzung der Fahrzeuge mit nur einem/ einer Fahrer/-in. Bei mehr Fahrern/Fahrerinnen wird die Prämie anteilig gezahlt.

                                                     
        

***     

wird solange steuer- und sozialversicherungsfrei gezahlt, wie es der Gesetzgeber zulässt

                                                     
                 

Bei Zusammentreffen mehrerer Zuschläge gilt der jeweils höhere Zuschlag. Die Abrechnung der Spesen erfolgt nach gesetzlichen Regelungen.

                                                     
                 
        

Die Vertragspartner sind sich darüber einig, dass eventuelle Mehrarbeit mit dem Gehalt pauschal abgegolten ist.

                 
        

1.    

Der Arbeitnehmer erhält die freiwillige Leistungsprämie i. H. v. 10,00 € je gefahrenen Tag für den sorgfältigen und gewissenhaften Umgang mit den ihr anvertrauten Fahrzeugen nebst den Transportbehältnissen, sowie für den ordnungsgemäßen Umgang mit den zu beförderten Tieren. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, bei Unfällen, Verlusten und Beschädigungen unverzüglich unter Angabe sämtlicher Einzelheiten der Firma zu melden und hierüber spätestens einen Tag später schriftliche Meldung zu machen. Versäumt der Arbeitnehmer diese Meldung sowohl in mündlicher, als auch in schriftlicher Form, muss der Arbeitnehmer mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen rechnen, die aus einer verspäteten Meldung erwachsen können. Es gilt der jeweilige Sorgfaltskatalog. Ist der Fahrantritt ein Sonntag, wird dies dem Montag zugeordnet.

                          
        

…       

                                   
                                                     
        

§ 4 Arbeitszeit

                 
        

1.    

Der Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit richtet sich nach der betrieblichen Ordnung. Im Falle betrieblicher Notwendigkeit erklärt sich der Arbeitnehmer mit einer geänderten Einteilung der Arbeitszeit einverstanden (z. B. Havarie).

        

2.    

In Fällen dringenden betrieblichen Bedarfs ist der Arbeitnehmer verpflichtet, vorübergehend Mehrarbeit (Überstunden) zu leisten.

        

3.    

Bei Gehaltsempfängern sind die Überstunden, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit durch Zahlung des Gehaltes pauschal abgegolten.

        

…“    

                                                              
3

Mit der am 23. September 2009 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger zuletzt Vergütung von 978,5 Überstunden mit einem aus dem Grundgehalt abgeleiteten Stundensatz von 6,35 Euro brutto geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die pauschale Abgeltung von Überstunden sei unwirksam. Mangels einer Regelung zum Umfang der Arbeitspflicht sei auf die betriebliche Arbeitszeit im Unternehmen der Beklagten abzustellen, die 40 Stunden pro Woche betrage. Der Kläger hat unter Vorlage und Berufung auf von ihm gefertigter Listen vorgebracht, an welchem Tag er zu welcher Uhrzeit seine Arbeit im Betrieb begonnen habe, wann er vom Betrieb allein oder mit anderen Fahrern zu welchen Orten oder Mästern gefahren, er wieder in den Betrieb zurückgekehrt sei und das Fahrzeug an den Schlachthof übergeben habe. Er hat behauptet, nach einer internen Anweisung seien die Kraftfahrer der Beklagten verpflichtet, 30 bis 60 Minuten vor der geplanten Abfahrt im Betrieb zu erscheinen und die notwendigen Arbeitsvorbereitungen (technische Überprüfung, Behebung von Mängeln, Betanken etc.) vorzunehmen. Beim jeweiligen Mäster müsse dessen Personal bei der Beladung des LKW unterstützt werden. Sämtliche Fahrten seien von der Beklagten angeordnet gewesen, und zwar im Wesentlichen von der Disponentin Frau H, bei deren Verhinderung von Herrn W.

4

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6.213,50 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter zeitlicher Staffelung zu zahlen.

5

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Vergütung von Überstunden sei mit dem vereinbarten Gehalt abgegolten. Zudem habe der Kläger einen eventuellen Vergütungsanspruch verwirkt. Die Arbeitszeit des Klägers habe sich gemäß § 4 Arbeitsvertrag nach der betrieblichen Ordnung - also bei Vollzeit 40 Wochenstunden/173,33 Monatsstunden - und, weil es sich beim Kläger um einen Fahrer bzw. Beifahrer von LKW mit mehr als 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht gehandelt habe, nach den gesetzlichen Bestimmungen für Fahrpersonal in § 21a ArbZG gerichtet. Danach sei eine Arbeitszeit von 48 Wochenstunden zulässig und die Beifahrerzeit nicht vergütungspflichtig. Überstunden habe sie weder angeordnet noch gebilligt.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Klägers ist begründet.

8

I. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts nicht zurückgewiesen werden. Das Landesarbeitsgericht hat nicht beachtet, dass § 21a Abs. 3 ArbZG die Vergütung von Beifahrerzeiten nicht ausschließt, und zudem die Substantiierungslast des Arbeitnehmers im Überstundenprozess überspannt.

9

1. Der Kläger hat auch während der als Beifahrer verbrachten Zeit gearbeitet und die von ihm geschuldete Tätigkeit als Kraftfahrer erbracht. Er musste sich aufgrund der Arbeitseinteilung der Beklagten an seinem Arbeitsplatz, dem LKW, aufhalten und konnte nicht frei über die Nutzung seiner Zeit bestimmen. Nach § 21a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 ArbZG ist zwar für Arbeitnehmer, die sich beim Fahren abwechseln, die während der Fahrt neben dem Fahrer oder in einer Schlafkabine verbrachte Zeit abweichend von § 2 Abs. 1 ArbZG keine Arbeitszeit. Die Vorschrift enthält jedoch keine Modifizierung dessen, was unter Arbeit zu verstehen ist, und schließt eine Vergütung für die Arbeit als Beifahrer nicht aus (BAG 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 19 ff., AP BGB § 307 Nr. 51 = EzA BGB 2002 § 611 Mehrarbeit Nr. 3). Der Kläger kann daher auch für Beifahrertätigkeit die in § 3 Arbeitsvertrag vereinbarte Vergütung beanspruchen. Eine gesonderte Vergütungsregelung für die als Beifahrer verbrachte Zeit haben die Parteien nicht getroffen. Der Kläger war deshalb nicht gehalten, bei der Darlegung von Überstunden zwischen Zeiten, in denen er den LKW selbst gefahren hat, und solchen, in denen er als Beifahrer auf dem LKW mitgefahren ist, zu differenzieren.

10

2. Die Darlegung der Leistung von Überstunden ist nicht aus den vom Landesarbeitsgericht angenommenen Gründen unschlüssig.

11

Das Landesarbeitsgericht moniert, dem Vortrag des Klägers sei nicht zu entnehmen, wann er Pausen gemacht habe. Die Nichtangabe von Pausenzeiten impliziert zunächst aber nur die Behauptung, der Arbeitnehmer habe solche nicht gemacht. Bei Zweifeln hätte das Landesarbeitsgericht nach § 139 Abs. 1 Satz 1 ZPO nachfragen müssen, ob der Sachvortrag des Klägers dahingehend zu verstehen sei, er habe keine Pausen gemacht. Hätte der Kläger dies bejaht, wäre sein Vorbringen unter Berücksichtigung einer etwaigen Einlassung der Beklagten hierzu nach § 286 Abs. 1 ZPO zu würdigen gewesen. Hätte der Kläger die Frage verneint, wäre das Landesarbeitsgericht nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO verpflichtet gewesen, auf eine Ergänzung des Sachvortrags hinzuwirken. Dasselbe gilt für den Vorwurf, dem Sachvortrag des Klägers sei nicht zu entnehmen, warum nach Abschluss der Fahrten regelmäßig exakt 30 Minuten bis zur Übergabe des Fahrzeugs an den Schlachthof berücksichtigt seien.

12

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig.

13

1. Ein Anspruch des Klägers auf Überstundenvergütung ist nicht nach § 3 iVm. § 4 Ziff. 3 Arbeitsvertrag ausgeschlossen.

14

a) Auf die genannten Regelungen des Arbeitsvertrags sind jedenfalls § 305c Abs. 2, §§ 306 und 307 bis 309 BGB anzuwenden(§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB). Die Beklagte hat den Arbeitsvertrag vorformuliert, dem Kläger in dieser Form angeboten und damit im Rechtssinne gestellt. Ob es sich dabei um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen handelte (§ 305 Abs. 1 BGB), bedarf keiner weiteren Aufklärung, denn der Arbeitsvertrag ist ein Verbrauchervertrag iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB(vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 20 ff., AP BGB § 310 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10). Auf den Inhalt der vorformulierten Klausel zur Vergütung von Überstunden konnte der Kläger unstreitig keinen Einfluss nehmen.

15

b) Die in § 3 iVm. § 4 Ziff. 3 Arbeitsvertrag geregelte Pauschalabgeltung von Überstunden ist mangels hinreichender Transparenz unwirksam, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

16

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine die pauschale Vergütung von Überstunden regelnde Klausel nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen. Der Arbeitnehmer muss bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was ggf. „auf ihn zukommt“ und welche Leistungen er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss (vgl. dazu im Einzelnen zuletzt BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 14 mwN, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 10; 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 15 f.).

17

Nach diesen Grundsätzen ist § 3 iVm. § 4 Ziff. 3 Arbeitsvertrag nicht klar und verständlich. Der Umfang der davon erfassten Überstunden ist im Arbeitsvertrag ebenso wenig bestimmt, wie die Voraussetzungen, unter denen Überstunden zu leisten sind, also ein „Fall dringenden betrieblichen Bedarfs“ (§ 4 Ziff. 2 Arbeitsvertrag) vorliegen soll. Insbesondere lässt sich weder der Klausel selbst noch den arbeitsvertraglichen Bestimmungen im Übrigen eine Begrenzung auf die nach § 21a Abs. 4 ArbZG zulässige Höchstarbeitszeit eines als Fahrer oder Beifahrer bei Straßenverkehrstätigkeiten iSv. § 21a Abs. 1 ArbZG eingesetzten Arbeitnehmers entnehmen. Die Verwendung des Begriffs „Mehrarbeit“ in § 3 und als Synonym für Überstunden in § 4 Ziff. 2 Arbeitsvertrag deuten im Gegenteil darauf hin, dass auch eine Überschreitung der gesetzlichen Arbeitszeit von der Klausel erfasst sein soll, zumal die Beklagte den Kläger nach § 2 Ziff. 1 Arbeitsvertrag verpflichten wollte, seine „ganze Arbeitskraft“ der Beklagten zu widmen.

18

c) Ist im Arbeitsvertrag die Vergütung von Überstunden weder positiv noch negativ geregelt, kommt als Anspruchsgrundlage dafür nur § 612 Abs. 1 BGB in Betracht. Danach gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Die danach erforderliche - objektive - Vergütungserwartung (vgl. dazu BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 20, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 10; 21. September 2011 - 5 AZR 629/10 - Rn. 31, EzA BGB 2002 § 612 Nr. 11, jeweils mwN) ist gegeben. Der Kläger schuldet weder Dienste höherer Art, noch erhält er eine deutlich herausgehobene Vergütung. Die ihm nach § 3 Arbeitsvertrag zustehende Vergütung liegt auch unter Berücksichtigung der nach dem Willen der Beklagten freiwillig sein sollenden Leistungs-, Sorgfalts- und Treueprämien sowie den Zuschlägen für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit ganz erheblich unter der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung(zu deren Bedeutung vgl. BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 21).

19

2. Ein Anspruch des Klägers auf Überstundenvergütung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verwirkt.

20

Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Sie setzt voraus, dass der Gläubiger sein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat und dabei unter Umständen untätig geblieben ist, die den Eindruck erwecken konnten, er wolle auch künftig sein Recht nicht mehr geltend machen. Zudem muss der Verpflichtete sich darauf einstellen dürfen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (BAG 23. August 2011 - 3 AZR 575/09 - Rn. 57, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 20; vgl. auch 22. April 2009 - 5 AZR 292/08 - Rn. 28, AP BGB § 611 Wegezeit Nr. 11).

21

Ob eine Verwirkung des Anspruchs auf Überstundenvergütung vor Eintritt der gesetzlichen Verjährung schon deshalb ausscheidet, weil sich der Arbeitgeber, der dem Arbeitnehmer einen Formulararbeitsvertrag anbietet, durch vertragliche Ausschlussfristen (zu den Anforderungen an deren Wirksamkeit vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - BAGE 115, 19; 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - BAGE 116, 66) davor schützen kann, länger als drei Monate nach Fälligkeit des Anspruchs mit einer Geltendmachung konfrontiert zu werden, bedarf keiner Entscheidung. Denn unbeschadet der Frage, ob im Streitfall überhaupt das Zeitmoment erfüllt ist, kann sich jedenfalls ein Arbeitgeber, der - wie die Beklagte - dem Arbeitnehmer eine unwirksame Klausel zur Pauschalabgeltung von Überstunden stellt, nicht schutzwürdig darauf einrichten, der Arbeitnehmer werde die Unwirksamkeit der Klausel schon nicht erkennen und Überstundenvergütung nicht geltend machen (vgl. BAG 22. Februar 2012 - 5 AZR 765/10 - Rn. 24).

22

III. Ob und ggf. in welchem Umfang die Klage begründet ist, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Im erneuten Berufungsverfahren wird das Landesarbeitsgericht Folgendes zu beachten haben:

23

1. Der mit „Arbeitszeit“ überschriebene § 4 Arbeitsvertrag enthält zwar keine ausdrückliche Vereinbarung über eine bestimmte wöchentliche oder monatliche Arbeitszeit. Über den Verweis auf die „betriebliche Ordnung“ lässt sich aber mittelbar eine Normalarbeitszeit erschließen, deren Dauer zwischen den Parteien unstreitig ist.

24

Der Kläger hat vorgetragen, die betriebliche Arbeitszeit bei der Beklagten betrage 40 Wochenstunden. Dem ist die Beklagte nicht nur nicht entgegengetreten, sondern hat selbst vorgebracht, die Arbeitszeit des Klägers richte sich gemäß § 4 Arbeitsvertrag nach der betrieblichen Ordnung und das seien bei Vollzeit 40 Wochenstunden/173,33 Stunden im Monat. Weiter hat die Beklagte gemeint, weil es sich bei dem Kläger um einen Fahrer bzw. Beifahrer von LKW mit mehr als 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht handele, gölten auch die gesetzlichen Bestimmungen für Fahrpersonal. Das trifft zu, führt aber nicht zu einer Erhöhung der vom Kläger geschuldeten Normalarbeitszeit. § 21a Abs. 4 ArbZG regelt nur die Arbeitszeit eines Kraftfahrers, die arbeitsschutzrechtlich nicht überschritten werden darf. Die Vorschrift ersetzt nicht eine vertragliche Vereinbarung über die Arbeitszeit und tritt bei deren Fehlen nicht an deren Stelle. Einen - als vertragliche Vereinbarung auslegbaren - Hinweis auf das Arbeitszeitgesetz, insbesondere dessen § 21a Abs. 4, enthält § 4 Arbeitsvertrag nicht.

25

2. Für die Darlegung und den Beweis der Leistung von Überstunden gelten die Grundsätze wie für die Behauptung des Arbeitnehmers, die geschuldete (Normal-)Arbeit verrichtet zu haben.

26

a) Ausgehend von den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts in Verbindung mit § 614 BGB gilt im Arbeitsverhältnis der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Verlangt der Arbeitnehmer gem. § 611 BGB Arbeitsvergütung für Arbeitsleistungen, hat er deshalb darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt(zB § 1 BUrlG, §§ 615, 616 Satz 1 BGB, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 EntgeltFG, § 37 Abs. 2 BetrVG). Da die konkret zu leistende Arbeit in der Regel vom Arbeitgeber durch Weisungen zu bestimmen ist (§ 106 GewO), genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, er habe sich zur rechten Zeit am rechten Ort bereitgehalten, um Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers zu befolgen. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern. Deshalb hat der Arbeitgeber im Einzelnen vorzutragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und ob der Arbeitnehmer den Weisungen nachgekommen ist. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gelten die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Arbeitsstunden als zugestanden (vgl. zum Ganzen BAG 18. April 2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 14).

27

b) Nichts anderes gilt für die Behauptung des Arbeitnehmers, er habe die geschuldete Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet. Verlangt der Arbeitnehmer aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung, tarifvertraglicher Verpflichtung des Arbeitgebers oder § 612 Abs. 1 BGB Arbeitsvergütung für Überstunden, hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Dabei genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen - nicht - nachgekommen ist.

28

Diese Grundsätze dürfen aber nicht gleichsam schematisch angewendet werden, sondern bedürfen stets der Berücksichtigung der im jeweiligen Streitfall zu verrichtenden Tätigkeit und der konkreten betrieblichen Abläufe. So kann ein Kraftfahrer wie der Kläger, dem vom Arbeitgeber bestimmte Touren zugewiesen werden, seiner Darlegungslast bereits dadurch genügen, dass er vorträgt, an welchen Tagen er welche Tour wann begonnen und wann beendet hat. Im Rahmen der gestuften Darlegungslast ist es dann Sache des Arbeitgebers, unter Auswertung der Aufzeichnungen nach § 21a Abs. 7 Satz 1 ArbZG substantiiert darzulegen, an welchen Tagen der Arbeitnehmer aus welchen Gründen in geringerem zeitlichen Umfang als von ihm behauptet gearbeitet haben muss.

29

c) Ihrer Darlegungslast genügen weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber durch die bloße Bezugnahme auf den Schriftsätzen als Anlagen beigefügte Stundenaufstellungen oder sonstige Aufzeichnungen. Anlagen können lediglich zur Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht ersetzen (BGH 2. Juli 2007 - II ZR 111/05 - Rn. 25 mwN, NJW 2008, 69; vgl. auch BVerfG 30. Juni 1994 - 1 BvR 2112/93 - zu III 2 a der Gründe, NJW 1994, 2683). Die Darlegung der Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer bzw. die substantiierte Erwiderung hierauf durch den Arbeitgeber hat vielmehr entsprechend § 130 Nr. 3 und Nr. 4 ZPO schriftsätzlich zu erfolgen. Beigefügte Anlagen können den schriftsätzlichen Vortrag lediglich erläutern oder belegen, verpflichten das Gericht aber nicht, sich die unstreitigen oder streitigen Arbeitszeiten aus den Anlagen selbst zusammenzusuchen.

30

Nachdem das Landesarbeitsgericht die Art und Weise des Vorbringens der Parteien nicht beanstandet hat, muss ihnen im erneuten Berufungsverfahren Gelegenheit gegeben werden, ihrer jeweiligen Darlegungslast zur Leistung bzw. Nichtleistung von Überstunden schriftsätzlich nachzukommen.

31

3. Soweit die Beklagte bislang die Anordnung von Überstunden - pauschal - bestritten hat, ist das unbehelflich. Wenn ein Kraftfahrer für eine angewiesene Tour eine bestimmte Zeit benötigt und sie nur unter Leistung von Überstunden ausführen kann, waren die Überstunden - unabhängig von einer ausdrücklichen Anordnung - jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig (vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 319/04 - zu II 1 a der Gründe mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Gebäudereinigung Nr. 17 = EzA BGB 2002 § 611 Mehrarbeit Nr. 1). Etwas anderes gilt nur, wenn der Arbeitgeber darlegen kann, dass die von ihm dem Arbeitnehmer zugewiesene Tour unter Beachtung der Rechtsordnung, insbesondere der für die Beschäftigung von Arbeitnehmern als Fahrer oder Beifahrer bei Straßenverkehrstätigkeiten geltenden (Sozial-)Vorschriften und des Straßenverkehrsrechts, innerhalb der Normalarbeitszeit gefahren werden kann. Erst dann obliegt es wiederum dem Arbeitnehmer, besondere Umstände darzutun, die zur Überschreitung der Normalarbeitszeit geführt haben.

32

IV. Ob die Lohnabzüge wegen vermeintlich mangelnder Wagenpflege tatsächlich gerechtfertigt waren, ist wegen der beschränkten Revisionszulassung nicht mehr Gegenstand des erneuten Berufungsverfahrens.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    S. Röth-Ehrmann    

        

    Christen    

                 
25
2. Ferner war das Kammergericht entgegen der Auffassung der Revision der Kläger nicht gehalten, von sich aus die vorgelegten umfangreichen Ordner auf für die Frage eines Treuhandverhältnisses möglicherweise erhebliche Tatsachen durchzusehen. Anlagen können lediglich zur Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nie ersetzen (BGH, Urt. v. 27. September 2001 - V ZB 29/01, BGH-Report 2002, 257; vgl. Sen.Urt. v.

Das Berufungsgericht prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg und die Verfahrensart zulässig sind und ob bei der Berufung der ehrenamtlichen Richter Verfahrensmängel unterlaufen sind oder Umstände vorgelegen haben, die die Berufung eines ehrenamtlichen Richters zu seinem Amte ausschließen.

(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.

(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.

(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.

(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.

(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.

(1) Wird ein Computerprogramm von einem Arbeitnehmer in Wahrnehmung seiner Aufgaben oder nach den Anweisungen seines Arbeitgebers geschaffen, so ist ausschließlich der Arbeitgeber zur Ausübung aller vermögensrechtlichen Befugnisse an dem Computerprogramm berechtigt, sofern nichts anderes vereinbart ist.

(2) Absatz 1 ist auf Dienstverhältnisse entsprechend anzuwenden.

Die Fristen dieses Abschnitts beginnen mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem das für den Beginn der Frist maßgebende Ereignis eingetreten ist.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

(1) Urteile sind der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist.

(2) Hat der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig.

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. November 2009 - 8 Sa 463/09 - aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 6. Mai 2009 - 1 Ca 1025/08 - abgeändert und der Feststellungsantrag als unzulässig abgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung und der Revision hat die klagende Partei zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darum, soweit für die Revisionsinstanz von Bedeutung, ob aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) im Grundsatz auf ihr Arbeitsverhältnis anzuwenden ist.

2

Der Kläger ist seit 1991 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger im Bereich des Diakonischen Werkes beschäftigt. In seinem Arbeitsvertrag vom 28. März 1991 ist in 13 Ziffern ua. festgelegt, dass der Vertrag beiderseits mit einer Frist „lt. BAT“ gekündigt werden kann und die Gewährung des Jahresurlaubs sich nach den Bestimmungen des „BAT“ richtet. Geregelt ist dort weiter, dass die Höhe und Zusammensetzung der Vergütung sich nach den Bestimmungen des „BAT/KR./AVR“ richtet und dass die Vergütung nach der „Vergütungsgruppe 5 A des BAT/KR.“ erfolgt. Weiter ist ua. festgelegt, dass sich die Weiterzahlung der Vergütung im Krankheitsfall „nach den gesetzlichen Bestimmungen“ richtet.

3

Unter Ziffer 14 des Arbeitsvertrages der Parteien heißt es:

        

„Abgesehen von den hiermit vereinbarten Ausnahmen gelten im übrigen für das durch diesen Vertrag begründete und geregelte Beschäftigungsverhältnis die Bestimmungen des BAT/AVR.

        

Es besteht Versicherungspflicht bei der KZVK Darmstadt.

        

in der jeweils maßgebenden Fassung.“

4

Die Höhe der Arbeitsvergütung des Klägers richtete sich in der Vergangenheit stets nach den für den Bereich Bund/Länder maßgebenden Vergütungsregelungen. Nach Ersetzung des BAT durch das neue Tarifrecht für den öffentlichen Dienst bot die Beklagte dem Kläger wie auch den übrigen Beschäftigten an, das Arbeitsverhältnis künftig unter Anwendung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes (AVR) fortzuführen, was der Kläger ablehnte.

5

Mit seiner Klage hat der Kläger bezifferte Vergütungsdifferenzbeträge sowie die Feststellung verlangt, dass auf das Arbeitsverhältnis, abgesehen von den im Arbeitsvertrag vereinbarten Ausnahmen, der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD), hilfsweise der TV-L anzuwenden sei. Dies ergebe sich aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel. Es liege ein Fall der Tarifsukzession vor.

6

Der Kläger hat in erster Instanz zunächst beantragt,

        

im Wege eines Teilurteils vorab festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem mit dem Kläger am 28. März 1991 begründeten und geregelten Beschäftigungsverhältnis, abgesehen von den im Vertrag vereinbarten Ausnahmen, die Bestimmungen des TVöD, hilfsweise des TV-L, in seiner jeweils gültigen Fassung zugrunde zu legen.

7

Die Beklagte hat beantragt, den Feststellungsantrag abzuweisen. Die Formulierungen im Arbeitsvertrag seien darauf gerichtet, das Arbeitsverhältnis nach den Grundsätzen des kirchlichen Rechts zu gestalten, wozu nach der Satzung des Diakonischen Werkes auch eine Verpflichtung bestehe. Eine Gleichstellung mit Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sei nicht bezweckt worden. Der TVöD und der TV-L seien zudem keine bloße Fortschreibung des BAT, sondern jeweils ein neues, in sich geschlossenes Tarifwerk. Eine Tarifsukzession liege nicht vor.

8

Das Arbeitsgericht hat im Wege eines Teilurteils dem hilfsweise gestellten Feststellungsantrag stattgegeben und den hauptsächlich gestellten Feststellungsantrag abgewiesen. Wegen der weiterverfolgten Zahlungsanträge des Klägers haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend zum Ruhen gebracht. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte die Abweisung des Feststellungsanspruchs weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Unrecht zurückgewiesen.

10

I. Der in der Revisionsinstanz allein anhängige Feststellungsantrag, der sich auf die grundsätzliche Anwendbarkeit des TV-L im Arbeitsverhältnis bezieht, ist unzulässig. Er ist nicht hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und genügt nicht den Erfordernissen des § 256 Abs. 1 ZPO.

11

1. Für das Verständnis eines Klageantrages ist nicht am buchstäblichen Wortlaut der Antragsfassung zu haften. Das Gericht ist gehalten, Klageanträge nach Möglichkeit dahin auszulegen, dass eine Sachentscheidung über sie ergehen kann (BAG 11. November 2009 - 7 AZR 387/08 - Rn. 11, AP ZPO § 253 Nr. 50 = EzA ZPO 2002 § 253 Nr. 3; 12. August 2009 - 7 ABR 15/08 - Rn. 12, BAGE 131, 316). Das gilt auch im Revisionsverfahren (BAG 19. Februar 2008 - 9 AZR 70/07 - Rn. 16, BAGE 126, 26; 23. Januar 2007 - 9 AZR 557/06 - Rn. 20, AP BGB § 611 Mobbing Nr. 4).

12

2. Die Auslegung des vom Kläger gestellten Feststellungsantrages erlaubt jedoch nicht die Feststellung eines Antragsinhalts, mit dem dieser zulässig wäre.

13

a) Dem Kläger geht es um die dynamische Anwendung des TV-L auf sein Arbeitsverhältnis. Dieses Feststellungsbegehren wird aber im Antrag selbst dahingehend eingeschränkt, die Pflicht zur Anwendung des TV-L sei „abgesehen von den im Vertrag vereinbarten Ausnahmen“ festzustellen. Dies entspricht der Formulierung in Ziffer 14 des Arbeitsvertrages der Parteien, auf den sich der Kläger für seinen Antrag besonders stützt. Dort heißt es, dass abgesehen von den „hiermit vereinbarten Ausnahmen“, was auf die Vereinbarungen in den Ziffern 1 bis 13 des Arbeitsvertrages der Parteien bezogen ist, „im übrigen“ der „BAT/AVR“ in der jeweils maßgebenden Fassung gelten soll. Danach hat die Regelung in Ziffer 14 des Arbeitsvertrages die Funktion einer Auffangregelung.

14

Zu den „Ausnahmen“ von der Bestimmung in Ziffer 14, die vom Feststellungsantrag ausdrücklich nicht mit erfasst sind, gehört beispielsweise die in Ziffer 5 des Arbeitsvertrages enthaltene Regelung zur Höhe und Zusammensetzung der Vergütung, in der auf die Bestimmungen des „BAT/KR./AVR“ verwiesen wird, und eine Vergütung nach der „Vergütungsgruppe 5 A des BAT/KR.“ festgelegt wird. Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt hat, geht es ihm um die Feststellung, welche Regeln neben den konkreten und ausdrücklichen Vertragsvereinbarungen gelten, wobei er beispielhaft die Frage nach der ihm zustehenden Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall angesprochen hat.

15

Der Feststellungsantrag ist nach allem darauf gerichtet festzustellen, welche Bestimmungen angesichts der Ersetzung des BAT durch das neue Tarifrecht für den öffentlichen Dienst anstelle der Verweisung auf den „BAT/AVR“ in Ziffer 14 neben den ausdrücklich vereinbarten Regelungen der Ziffern 1 bis 13 des Arbeitsvertrages auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden.

16

b) Es bedarf dabei keiner Auslegung des Klageantrages hinsichtlich der Frage, für welchen Zeitraum der Kläger die wortwörtlich nur gegenwartsbezogene Feststellung über die Anwendbarkeit des TV-L begehrt. Dies ist nicht offensichtlich, weil nach dem bisherigen Prozessvortrag für den Beginn des entsprechenden Zeitraums mehrere in der Vergangenheit liegende Zeitpunkte in Betracht kommen: der Zeitpunkt der Sukzession des BAT durch den TV-L, weiterhin der 1. Januar 2008 als Beginn des Zeitraums, für den der Kläger mit seinen noch erstinstanzlich anhängigen Zahlungsanträgen Vergütung nach Maßgabe des TV-L verlangt, oder der Zeitpunkt zum Ende des von den Zahlungsanträgen noch erfassten Zeitraums. Dabei ist der zuletzt genannte Zeitpunkt zusätzlich deshalb zweifelhaft, weil der Kläger in erster Instanz noch einen Feststellungsantrag angekündigt hat, der die Verpflichtung der Beklagten zur Erhöhung des Bruttoentgelts ab dem 1. Januar 2009 zum Gegenstand hat. Denn der Antrag ist bereits aus anderen Gründen unzulässig.

17

c) Der Klageantrag ist weder hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, noch genügt er den Erfordernissen des § 256 Abs. 1 ZPO.

18

aa) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken - sog. Elementenfeststellungsklage -. Auch die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrages oder Tarifwerks auf ein Arbeitsverhältnis kann Gegenstand einer Feststellungsklage sein (st. Rspr., s. nur BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 11 mwN, BAGE 128, 165 ).

19

Auch eine Feststellungsklage muss aber nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Der Streitgegenstand und der Umfang der gerichtlichen Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis müssen klar umrissen sein (BAG 11. November 2009 - 7 AZR 387/08 - Rn. 11, AP ZPO § 253 Nr. 50 = EzA ZPO 2002 § 253 Nr. 3; 19. Februar 2008 - 9 AZR 70/07 - Rn. 16, BAGE 126, 26), so dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann (§ 322 ZPO). Bei einer stattgebenden Entscheidung darf keine Unklarheit über den Umfang der Rechtskraft bestehen (BAG 23. Januar 2002 - 4 AZR 461/99 - zu I 1 a der Gründe). Bei einer Feststellungsklage sind grundsätzlich keine geringeren Anforderungen an die Bestimmtheit zu stellen als bei einer Leistungsklage (BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 735/07 - Rn. 53, AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 20).

20

bb) Hiervon ausgehend ist der zuletzt gestellte Feststellungsantrag unzulässig.

21

(1) Die einschränkende Klausel „abgesehen von den im Vertrag vereinbarten Ausnahmen“ steht der hinreichenden Bestimmtheit des Antrages entgegen (vgl. BAG 23. Januar 2002 - 4 AZR 461/99 - zu I 1 a der Gründe und 26. Januar 2011 - 4 AZR 333/09 - Rn. 14, EzTöD 100 TVöD-AT § 2 Bezugnahmeklausel Nr. 30). Da die Einschränkung bereits Teil der Regelung in Ziffer 14 des Arbeitsvertrages ist, um deren Verständnis die Parteien streiten, ist auch keine alternative Formulierung vorstellbar, die zu einer hinreichenden Bestimmtheit des Antrages führen könnte. Bei einer stattgebenden Entscheidung bestünde keine Rechtsklarheit darüber, zu welchen konkreten vertraglichen Bedingungen zwischen der klagenden Partei und der Beklagten jeweils ein Arbeitsverhältnis besteht. Eine stattgebende Entscheidung würde den Streit zwischen den Parteien nicht beenden. Es bliebe offen, welche tarifliche Nachfolgeregelung des TV-L im Zweifel anwendbar sein soll und welche nicht. Jedenfalls können die zwischen den Parteien besonders umstrittenen Entgeltbedingungen gerade nicht durch den Feststellungsantrag geklärt werden, weil sie Teil der vom Feststellungsantrag ausdrücklich nicht erfassten „Ausnahmen“ sind. Im Übrigen gilt nichts anderes für die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung angesprochenen Bedingungen der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, die in Ziffer 10 des Arbeitsvertrages den gesetzlichen Regelungen unterworfen sind und damit ebenfalls zu den vom Feststellungsantrag ausdrücklich nicht erfassten „Ausnahmen“ gehören.

22

(2) Der Kläger hat für seinen Antrag auch nicht das besondere Feststellungsinteresse des § 256 Abs. 1 ZPO.

23

(a) § 256 Abs. 1 ZPO verlangt ein rechtliches Interesse an einer baldigen Feststellung. Zur Erstellung von Rechtsgutachten sind die Gerichte nicht berufen (vgl. BAG 21. Juli 2009 - 9 AZR 279/08 - Rn. 29, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 98; 6. Mai 2003 - 1 AZR 340/02 - zu 2 der Gründe, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 80; 21. September 1993 - 9 AZR 580/90 - zu I 2 der Gründe, BAGE 74, 201). Das besondere Feststellungsinteresse ist eine in jedem Stadium des Rechtsstreits von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzung. Es muss noch in der Revisionsinstanz gegeben sein (vgl. nur BAG 6. Juni 2007 - 4 AZR 411/06 - Rn. 66, BAGE 123, 46; 6. Mai 2003 - 1 AZR 340/02 - zu 1 der Gründe, aaO).

24

(b) Dieses Feststellungsinteresse kann der Kläger nicht für sich beanspruchen. Die von ihm angestrebte Prüfung durch die Gerichte für Arbeitssachen liefe darauf hinaus, ein - in seiner Reichweite unbestimmtes - Rechtsgutachten zu erstatten. Aus dem Klägervortrag geht lediglich hervor, dass zwischen den Parteien konkret die Höhe der Vergütung umstritten ist. Diese ist jedoch - wie dargelegt - nicht von dem Feststellungsantrag des Klägers umfasst. Auch die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angesprochene Frage der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall führt aus den bereits angesprochenen Gründen nicht zu einer anderen Beurteilung. Es ist schon nicht ersichtlich, ob es insoweit einen gegenwärtigen Streit zwischen den Parteien gibt. Im Übrigen ist auch diese Frage als „Ausnahme“ von Ziffer 14 des Arbeitsvertrages konkret geregelt und deshalb nicht Gegenstand der angestrebten gerichtlichen Feststellung.

25

3. Der Senat ist nicht gehindert, nach § 563 Abs. 3 ZPO selbst zu entscheiden und der Revision mit der Maßgabe stattzugeben, dass die Feststellungsklage unzulässig ist. Eine Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts nach § 562 Abs. 1 ZPO und die Zurückverweisung nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht ist nur dann geboten, wenn die klagende Partei nach dem Verfahrensverlauf nicht ausreichend Gelegenheit und Veranlassung gehabt hätte, einen Antrag zu stellen, der den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sowie des § 256 Abs. 1 ZPO entspricht(vgl. BAG 21. April 2010 - 4 AZR 755/08 - Rn. 32 mwN, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 101 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 9; 11. November 2009 - 7 AZR 387/08 - Rn. 16, AP ZPO § 253 Nr. 50 = EzA ZPO 2002 § 253 Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Auch wenn das Berufungsgericht auf die vorhandenen Mängel der Antragstellung hingewiesen hätte, wäre es der klagenden Partei aus den aufgezeigten strukturellen Gründen nicht möglich gewesen, bei Beibehaltung des Klageziels den in mehrfacher Hinsicht unzulässigen Feststellungsantrag so umzugestalten, dass er zulässig würde.

26

II. Die klagende Partei hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Bepler    

        

    Creutzfeldt    

        

    Winter    

        

        

        

    Hannig    

        

    Drechsler    

                 

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Dieses Gesetz dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb.

(2) Vorschriften zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer geschäftlicher Handlungen gehen bei der Beurteilung, ob eine unlautere geschäftliche Handlung vorliegt, den Regelungen dieses Gesetzes vor.

(1) Das Gericht kann, wenn sich im Laufe eines Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluss ist, die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen.

(2) Das Gericht hat die Verhandlung auf Antrag einer Partei fortzusetzen, wenn seit der Aussetzung ein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn gewichtige Gründe für die Aufrechterhaltung der Aussetzung sprechen.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.