Landgericht Köln Urteil, 20. Juni 2016 - 26 O 361/15

ECLI:ECLI:DE:LGK:2016:0620.26O361.15.00
bei uns veröffentlicht am20.06.2016

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist für die Beklagte vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages, sofern die Beklagte nicht zuvor Sicherheit leistet in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.


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Urteilsbesprechung zu Landgericht Köln Urteil, 20. Juni 2016 - 26 O 361/15

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Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG
Landgericht Köln Urteil, 20. Juni 2016 - 26 O 361/15 zitiert 8 §§.

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Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 812 Herausgabeanspruch


(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mi

Zivilprozessordnung - ZPO | § 5 Mehrere Ansprüche


Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche werden zusammengerechnet; dies gilt nicht für den Gegenstand der Klage und der Widerklage.

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Tenor Die Berufung des Klägers gegen das am 2. April 2014 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln ‑ 26 O 474/13 - wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Dieses Urteil und das angefochten

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Tenor Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18. Januar 2013 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

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(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 130/15
vom
27. Januar 2016
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2016:270116BIVZR130.15.0

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
am 27. Januar 2016

beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die Revision der Klägerseite gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 14. Januar 2015 auf deren Kosten zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen eines Monats Stellung zu nehmen.

Gründe:


1
I. Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer kapitalbildenden Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.
2
Diese wurde mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 1999 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Aufgrund Antrags d. VN vom 6. März 2000 hinsichtlich einer Höherversicherung und Tarifänderung kam es zu einer Neupolicierung rückwirkend zum 1. Dezember 1999. Unstreitig erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein, der jeweils die Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. enthielt, die Versicherungsbedingungen und eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG).
3
D. VN zahlte in der Folge die Versicherungsprämien. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2009 erklärte er u.a. den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F., hilfsweise die Kündigung und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 6. März 2012 erklärte er erneut u.a. den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F.
4
Mit der Klage begehrt d. VN - soweit für die Revisionsinstanz noch von Belang - Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteter Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufwertes, insgesamt 8.871,71 €.
5
Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil d. VN zum einen nicht ordnungsgemäß belehrt wurde und zum anderen das Policenmodell mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung des Klägers ist vom Oberlandesgericht zurückgewiesen worden.
7
II. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Die erforderliche Widerspruchsbelehrung sei ordnungsgemäß erteilt worden. Sie sei drucktechnisch hervorgehoben und inhaltlich ordnungsgemäß. Das Widerspruchsrecht sei daher nach Ablauf der 14-tägigen Frist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. erloschen. Die Reglung des Policenmodells verstoße nicht gegen die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung. Die Ausübung des Widerspruchsrechts widerspreche hier jedenfalls Treu und Glauben, weil d. VN die ihm bekannt gemachte Widerspruchsfrist beim Vertragsschluss im Jahr 2000 ungenutzt habe verstreichen lassen und jahrelang bis Dezember 2008 die Prämien gezahlt habe. Außerdem habe er die Ansprüche aus der Lebensversicherung bereits am 17. März 2000 und erneut im September 2008 zur Kreditsicherung abgetreten, wovon der Versicherer Kenntnis erhalten habe.
8
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.
9
III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
10
Das Berufungsgericht hat die Revision unbeschränkt zugelassen. Es meinte, es sei eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob wegen § 5a VVG a.F. eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Widerspruchsbelehrung auch ohne Hinweis auf das Schriftlichkeitserforder- nis gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. möglich sei. Außerdem sei noch nicht abschließend geklärt, welche Anforderungen bei Auskunftserteilung durch den Versicherer an eine geordnete Form zu stellen seien. Diese Fragen stellen sich hier jedoch nicht oder haben keine grundsätzliche Bedeutung.
11
1. Das Auskunftsbegehren ist nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens , so dass es auf die letztgenannte Frage schon deshalb nicht ankommt.
12
2. Hinsichtlich der ersten Frage besteht keine grundsätzliche Bedeutung. Die Maßstäbe einer den gesetzlichen Anforderungen genügende Widerspruchsbelehrung hinsichtlich des Schriftlichkeitserfordernis nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. sind durch die Senatsrechtsprechung geklärt. Die notwendige Belehrung über das gesetzliche Formerfordernis (vgl. Senatsurteil vom 28. Januar 2004 - IV ZR 58/03, VersR 2004, 497 unter 3b) erfolgte entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht dadurch, dass d. VN mitgeteilt wurde, zur Fristwahrung genüge die rechtzeitige "Absendung" der Widerspruchserklärung (Senatsurteil vom 17. Juni 2015 - IV ZR 426/13, juris Rn. 12). Selbst wenn ein verständiger Versicherungsnehmer nur verkörperte Erklärungen als der Absendung zugänglich ansieht, so bleibt für ihn dennoch unklar, ob hierzu eine Verkörperung in Textform ausreicht oder ob es nicht der traditionellen Schriftform bedarf (Senatsurteil vom 29. Juli 2015 - IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104 Rn. 24).
13
3. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
14
a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist d. VN nach dem Vorstehenden allerdings inhaltlich - wie die Revision zu Recht rügt - nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden, weil die Widerspruchsbelehrung keinen Hinweis darauf enthält, dass der Widerspruch schriftlich zu erheben war. Dass, wie das Berufungsgericht und die Revisionserwiderung meinen, durch die Belehrung die Schriftform abbedungen werden sollte, ist ihrem Text nicht zu entnehmen.
15
b) Anders als die Revisionserwiderung meint, war eine ordnungsgemäße Belehrung über das Widerspruchsrecht hier auch nicht ausnahmsweise deshalb entbehrlich, weil d. VN bei seinem Antrag auf Abschluss des Versicherungsvertrages durch einen Versicherungsmakler beraten worden sei. Eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung ist nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. gesetzlich vorgeschrieben. Darauf, ob d. VN im Einzelfall trotz nicht ordnungsgemäßer Belehrung von seinem Widerspruchsrecht gleichwohl zutreffend Kenntnis hatte, kommt es nicht an. Die Frage der Ordnungsgemäßheit der Belehrung ist abstrakt zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 - I ZR 73/91, BGHZ 121, 52, 57; vgl. auch Senatsurteil vom 15. Juli 2015 - IV ZR 386/13, juris Rn. 12 zur "Monatsfrist").
16
c) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis aber mit Rücksicht auf die besonderen Umstände des Falles rechtsfehlerfrei angenommen, dass ein Bereicherungsanspruch nach § 242 BGB unabhängig von Wirksamkeitszweifeln nach dem Policenmodell geschlossener Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG VersR 2015, 693 Rn. 30 ff.) wegen widersprüchlichen Verhaltens d. VN ausgeschlossen ist. Es hat zu Recht besonders gravierende Um- stände festgestellt, die d. VN die Geltendmachung seines Anspruchs hier verwehren. Dieser hatte bereits zwei Monate nach Erhalt des Versicherungsscheins am 17. März 2000 seine Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag als Sicherheit für ein Darlehen über 135.000 DM an eine Bank abgetreten, wovon die Beklagte mit Schreiben vom 24. Mai 2000 Kenntnis erhielt. Nach Prämienzahlung über mehr als acht Jahre trat d. VN die Forderungen aus dem Versicherungsvertrag im September 2008 ein weiteres Mal an eine Bank zur Sicherung der Ansprüche aus einem Kreditvertrag ab. Auch darüber wurde die Beklagte informiert. Die Abtretung umfasste jeweils ausdrücklich auch die Todesfallleistung; dies setzt, worauf auch die Revisionserwiderung zutreffend hinweist, zwingend das Bestehen eines wirksamen Vertrages voraus. Der enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Abschluss des Versicherungsvertrages und dessen Einsatz zur Kreditsicherung sowie die Abtretung auch der Todesfallleistung durfte bei dem Versicherer ein schutzwürdiges Vertrauen in den unbedingten Bestand des Vertrages begründen. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für d. VN auch erkennbar.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 25.06.2013- 10 O 458/12 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 14.01.2015- 11 U 112/13 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 513/14 Verkündet am:
11. November 2015
Heinekamp
Amtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VVG a.F. § 5a; BGB § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 818 Abs. 1 Alt. 1 und Abs. 3
1. Bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung einer fondsgebundenen Lebensversicherung
nach Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. muss sich der Versicherungsnehmer
bereicherungsmindernd anrechnen lassen, dass die Fonds, in die die
Sparanteile der von ihm gezahlten Prämien angelegt worden sind, Verluste erwirtschaftet
haben.
2. Der Versicherungsnehmer kann nur vom Versicherer tatsächlich gezogene Nutzungen
herausverlangen und trägt hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Er kann seinen
Tatsachenvortrag nicht ohne Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Versicherers
auf eine tatsächliche Vermutung einer Gewinnerzielung in bestimmter Höhe
stützen.
BGH, Urteil vom 11. November 2015 - IV ZR 513/14 - OLG Köln
LG Köln
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller auf die
mündliche Verhandlung vom 14. Oktober 2015

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 14. November 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht etwaige Fondsverluste von dem Zahlungsanspruch des Klägers nicht in Abzug gebracht hat.
Die Anschlussrevision des Klägers wird zurückgewiesen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger fordert von der Beklagten Rückzahlung von Versicherungsprämien und Nutzungsersatz wegen ungerechtfertigter Bereicherung.
2
Er schloss bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Versicherungsbeginn zum 1. September 1999 eine fondsgebundene Lebensversicherung mit dynamischer Erhöhung im so genannten Policenmodell gemäß § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) ab.
3
Auf der Rückseite des dem Kläger anschließend übersandten Versicherungsscheins war unter der fettgedruckten Überschrift "Widerspruchsrecht" eine nicht fettgedruckte Belehrung über das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. enthalten; daran schloss sich eine in Fettdruck gehaltene Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5 Abs. 1 VVG a.F. an.
4
In der Folgezeit erbrachte der Kläger Beitragszahlungen in Höhe von 11.833,30 €.
5
Mit Schreiben vom 28. Mai 2013 erklärte der Kläger den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. Die Beklagte sah den Vertrag aufgrund einer Kündigung als zum 1. Juli 2013 beendet an und zahlte daraufhin den unter Berücksichtigung der Fondsanteile aus Fondsdeckungskapital und der Fondsanteile aus Überschussguthaben errechneten Wert des Fondsvermögens in Höhe von insgesamt 8.582,07 € aus.
6
Mit der Klage hat der Kläger - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Betrages, insgesamt 9.374,67 € nebst Zinsen verlangt.
7
Er hat den vollständigen Erhalt sämtlicher Versicherungsunterlagen mit Nichtwissen bestritten. Nach seiner Auffassung ist der Versicherungsvertrag schon mangels ordnungsgemäßer Belehrung über das Wi- derspruchsrecht nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Jahresfrist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe er den Widerspruch noch erklären können.
8
Die Beklagte sieht den Widerspruch des Klägers nach § 5a VVG a.F. aufgrund Verfristung, zumindest aber aufgrund Verwirkung als unwirksam an. Sie hat außerdem die Einrede der Verjährung erhoben.
9
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung des Klägers in Höhe von 2.841,23 € nebst Zinsen stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte auch insoweit Klageabweisung. Der Kläger verfolgt mit seiner Anschlussrevision seinen weitergehenden Klageanspruch auf Zahlung von Nutzungszinsen weiter.

Entscheidungsgründe:


10
Die Revision hat teilweise, die Anschlussrevision keinen Erfolg.
11
I. Das Berufungsgericht hat dem Kläger einen Bereicherungsanspruch auf Erstattung der von ihm geleisteten Prämien abzüglich des auf den Risikoanteil für die Lebensversicherung entfallenen Prämienanteils zuerkannt und den ausgezahlten Betrag in Abzug gebracht. Es hat die Widerspruchserklärung des Klägers als nicht verfristet angesehen. Die 14-tägige Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. sei nicht wirksam in Gang gesetzt worden. Die Widerspruchsbelehrung auf der Rückseite der Versicherungspolice sei nicht hinreichend drucktechnisch hervorgehoben.

12
Der Kläger habe sein Widerspruchsrecht nicht verwirkt und mit der Erklärung des Widerspruchs im Jahr 2013 nicht gegen Treu und Glauben verstoßen, da die Beklagte es versäumt habe, den Kläger ordnungsgemäß zu belehren.
13
Der Kläger könne somit aus ungerechtfertigter Bereicherung die gezahlten Versicherungsprämien zurückverlangen. Dabei müsse er sich den darauf entfallenden Risikoanteil in Höhe von 410 € anrechnen lassen , um den während der Zeit der Prämienzahlung genossenen Versicherungsschutz als erlangten Vermögensvorteil auszugleichen. Demgegenüber komme eine Anrechnung des Prämienanteils, der auf Abschluss - und Verwaltungskosten entfallen sei, nicht in Betracht. Die Beklagte könne insoweit vor allem nicht den Einwand der Entreicherung erheben.
14
Der Kläger müsse sich auch nicht mindernd anrechnen lassen, dass die Fonds, in die die Sparanteile der Prämien angelegt worden seien , nach der unwidersprochen gebliebenen Darstellung der Beklagten Verluste erwirtschaftet hätten. Dieses Risiko müsse beim Versicherer verbleiben; es könne mit Blick darauf, dass der Lebensversicherungsvertrag nach dem wirksam ausgeübten Widerspruch ex tunc rückabzuwickeln sei, nicht dem Kläger aufgebürdet werden. Der Umstand, dass er sich für eine fondsgebundene Lebensversicherung entschieden habe, sei wegen der Unwirksamkeit des Vertrages nach Widerspruch ohne Bedeutung , weil es eine umfassende vertragliche Bindung nicht gegeben habe. Davon sei nur insoweit eine Ausnahme zu machen, als es um den von dem Versicherer faktisch gewährten Versicherungsschutz gehe.
15
Nutzungen stünden dem Kläger nicht zu. Der Anspruch aus § 818 Abs. 1 BGB beschränke sich auf die Erstattung der tatsächlich durch die Beklagte gezogenen Nutzungen. Hierfür sei der Kläger darlegungs- und beweispflichtig. Der Kläger habe Zinsen mit einem Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz geltend gemacht. Einer Vermutung, dass die Beklagte mit den eingezahlten Prämien einen entsprechenden Gewinn erzielt habe, fehle die Basis für diejenigen Prämienanteile, die auf die Verwaltungs- und Abschlusskosten entfielen. Dieser Teil der Prämie werde bestimmungsgemäß nicht zur Kapitalanlage verwendet, so dass auch nicht vermutet werden könne, die Beklagte habe insoweit aus den eingezahlten Beiträgen Nutzungen gezogen. Eine solche Vermutung gelte bei fondsgebundenen Lebensversicherungen auch nicht in Bezug auf den Sparanteil der Prämie, der vereinbarungsgemäß in Fondsanteilen angelegt werde. Dem Versicherungsnehmer stehe als tatsächlich gezogene Nutzung nur der mit der Anlage des Sparanteils erzielte Gewinn zu, der sich regelmäßig in der Differenz zwischen der Summe der Sparanteile der Prämien und dem Fondsguthaben bei Vertragsbeendigung widerspiegele. Auf Vermutungen könne ohnehin nicht abgestellt werden, weil die Beklagte im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast konkrete Angaben gemacht habe, denen der Kläger nicht entgegengetreten sei. Danach habe der Sparanteil rund 8.900 € betragen, während das Fondsvermögen bei der Auszahlung 8.562,01 € ausgemacht habe. Es seien mithin keine Gewinne erzielt worden.
16
Die Forderung des Klägers sei nicht verjährt, da sie erst mit Ausübung des Widerspruchsrechts entstanden und die Verjährung rechtzeitig gehemmt worden sei.
17
II. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hat nur hinsichtlich der zusätzlich abzuziehenden Fondsverluste Erfolg und führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
18
1. Sie ist zulässig, insbesondere gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgrund der Zulassung durch das Berufungsgericht statthaft. Dieses hat die Revision entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht nur beschränkt auf die Höhe der gegen die Beklagten bestehenden Zahlungsansprüche des Klägers zugelassen.
19
Eine Beschränkung der Revisionszulassung auf die Anspruchshöhe lässt sich dem Berufungsurteil nicht entnehmen. Ausweislich seines Tenors wurde die Revision zugelassen, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, was ihre Verurteilung dem Grunde nach mitumfasst. Eine eindeutige Zulassungsbeschränkung auf die Frage der Anspruchshöhe ist auch den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht zu entnehmen. Das Berufungsgericht hat die Zulassung damit begründet , dass die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrages , dem wirksam widersprochen worden sei, bislang in den Einzelheiten nicht geklärt sei.
20
2. Die Revision ist überwiegend unbegründet.
21
a) Zu Recht hat das Berufungsgericht dem Kläger einen Bereicherungsanspruch zuerkannt.
22
aa) Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlungen. Er ist infolge des Widerspruchs des Klägers nicht wirksam zustande gekommen. Der W i- derspruch war - ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. normierten Jahresfrist - rechtzeitig.
23
(1) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts belehrte die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Kläger nicht ordnungsgemäß i.S. von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über das Widerspruchsrecht. Die auf der Rückseite des Versicherungsscheins enthaltene Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. ist nicht drucktechnisch deutlich gestaltet. Sie ist - anders als die allgemeine Überschrift "Widerspruchsrecht" - nicht durch Fettdruck und auch nicht in sonstiger Weise vom übrigen Text abgehoben. Dadurch, dass die anschließende Belehrung über das Widerspruchsrecht nach § 5 VVG a.F. fettgedruckt ist, wird - wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat - von der (nicht hervorgehobenen ) Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a VVG a.F. abgelenkt.
24
(2) Für einen solchen Fall einer nicht ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt.
25
(a) Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort. Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR 2014, 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer - wie hier - nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.
26
(b) Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 37 m.w.N.).
27
(c) Entgegen der Auffassung der Revision hat der Kläger das Recht zum Widerspruch nicht verwirkt. Es fehlt hier jedenfalls am Umstandsmoment. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Beklagte schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie dem Kläger keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilte (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 39 m.w.N.).
28
Ob - wie die Revision meint - der Verwirkungseinwand möglich ist, wenn eine Widerspruchsbelehrung nur marginale Fehler aufweist (so Heyers, NJW 2014, 2619, 2621), braucht hier nicht entschieden zu werden. Die - hier fehlende - drucktechnisch deutliche Form wird in § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. ausdrücklich gefordert und ist eine wesentliche Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung.
29
bb) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur eine Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 42-44).

30
b) Aus der Erklärung des Widerspruchs folgende bereicherungsrechtliche Ansprüche sind nicht verjährt. Die maßgebliche regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB konnte erst mit Schluss des Jahres 2013 - nach Klageerhebung - beginnen, da der Kläger erst in diesem Jahr den Widerspruch erklärte. Der nach einem Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. geltend gemachte Bereicherungsanspruch entstand erst mit Ausübung des Widerspruchsrechts im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB; jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hatte der Versicherungsnehmer Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB (vgl. Senatsurteil vom 8. April 2015 - IV ZR 103/15, VersR 2015, 700 Rn. 19 ff.).
31
c) Das Berufungsgericht ist damit zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger von der Beklagten Prämienrückzahlung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verlangen kann. Richtig ist auch, dass der Rückgewähranspruch der Höhe nach nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien umfasst und dem Kläger bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung der jedenfalls faktisch bis zum Widerspruch genossene Versicherungsschutz anzurechnen ist. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45 m.w.N.).
32
Ausgehend davon hat das Berufungsgericht den Wertersatz auf der Grundlage der Prämienkalkulation der Beklagten in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise geschätzt. Es hat berücksichtigt, dass der Kläger bis zu seinem Widerspruch faktisch den Schutz gegen das Todesfallrisiko erlangt hatte, und den auf die gezahlten Prämien entfal- lenden Risikoanteil, der nach den nicht angegriffenen Feststellungen 410 € betrug, in Abzug gebracht.
33
d) Der von der Beklagten erhobene Einwand der Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB greift entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts allerdings zum Teil.
34
aa) Zwar kann sich die Beklagte - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - hinsichtlich der von ihr geltend gemachten Abschluss - und Verwaltungskosten nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Dies hat der Senat in den Urteilen vom 29. Juli 2015 (IV ZR 384/14, VersR 2015, 1101 Rn. 41 ff.; IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104 Rn. 46 ff.), die vergleichbare Sachverhalte betrafen, entschieden und im Einzelnen begründet.
35
bb) Anders als das Berufungsgericht gemeint hat, muss sich der Kläger aber bereicherungsmindernd anrechnen lassen, dass die Fonds, in die die Sparanteile der von ihm gezahlten Prämien angelegt worden sind, nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten Verluste erwirtschaftet haben.
36
(1) Vermögensnachteile des Bereicherungsschuldners sind nur berücksichtigungsfähig , wenn sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise adäquat-kausal auf der Bereicherung beruhen (Senatsurteile vom 29. Juli 2015 - IV ZR 384/14 aaO Rn. 42; IV ZR 448/14 aaO Rn. 47, jeweils m.w.N.). Die Fondsverluste sind insoweit adäquat kausal durch die Prämienzahlungen des Klägers entstanden, als die Sparanteile der Prämien vereinbarungsgemäß in Fonds angelegt worden sind.
37
(2) Weiterhin kommt es in Fällen bereicherungsrechtlicher Rückabwicklung von nicht zustande gekommenen oder unwirksamen Verträgen darauf an, inwieweit das jeweilige Entreicherungsrisiko nach den Vorschriften zu dem fehlgeschlagenen Geschäft oder nach dem Willen der Vertragsschließenden jeweils der einen oder anderen Partei zugewiesen sein sollte (BGH, Urteile vom 5. März 2015 - IX ZR 164/14, NJW-RR 2015, 677 Rn. 15; vom 6. Dezember 1991 - V ZR 311/89, BGHZ 116, 251, 256, jeweils m.w.N.). Das Verlustrisiko aus der Anlage der Sparanteile kann nicht mit Blick darauf, dass der Lebensversicherungsvertrag nach dem wirksam erklärten Widerspruch rückwirkend (ex tunc) und nicht erst ab der Widerspruchserklärung (ex nunc) rückabzuwickeln ist, dem Versicherer auferlegt werden. Im Falle der Leistungskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB sind die rechtsgrundlos erlangten Leistungen grundsätzlich ab dem Zeitpunkt ihres Erhalts zurück zu gewähren. Danach sind bei der Rückabwicklung eines von Anfang an nicht wirksam zustande gekommenen Versicherungsvertrages sämtliche gezahlten Prämien zu erstatten. Nach dem zum Ausdruck kommenden Willen der Vertragsparteien ist das Verlustrisiko hier dem Versicherungsnehmer zugewiesen. Bei der fondsgebundenen Lebensversicherung entscheidet sich der Versicherungsnehmer für ein Produkt, bei dem die Höhe der Versicherungsleistung - abgesehen von der Todesfallleistung - nicht von vorneherein betragsmäßig festgelegt ist, sondern vom schwankenden Wert des Fondsguthabens abhängt. Die - mit Gewinnchancen, aber auch mit Verlustrisiken behaftete - Kapitalanlage ist für den Versicherungsnehmer neben der Risikoabsicherung ein wesentlicher Gesichtspunkt , wenn er sich für eine fondsgebundene Lebensversicherung entscheidet. Dies rechtfertigt es grundsätzlich, ihm das Verlustrisiko zuzuweisen , wenn der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande kommt und rückabgewickelt werden muss. Dem steht der mit der richtlinienkon- formen Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. bezweckte Schutz des Versicherungsnehmers nicht entgegen. Dem europarechtlichen Effektivitätsgebot widerspricht es nicht, wenn der Versicherungsnehmer auch nach Ablauf der Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. dem Zustandekommen des Versicherungsvertrages widersprechen kann, aber Fondsverluste tragen muss. Das Widerspruchrecht wird jedenfalls dann nicht entwertet, wenn die Verluste nur einen geringen Teil der Sparanteile ausmachen.
38
Zur Höhe der Verluste hat das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen getroffen. Diese wird es unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 7. November 2014 nachzuholen haben.
39
III. Die Anschlussrevision ist unbegründet.
40
Das Berufungsgericht hat dem Kläger ohne Rechtsfehler einen Anspruch auf Nutzungsersatz gemäß § 818 Abs. 1 Alt. 1 BGB versagt.
41
Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass nach § 818 Abs. 1 Alt. 1 BGB nur die Nutzungen herauszugeben sind, die vom Bereicherungsschuldner tatsächlich gezogen wurden (Senatsurteile vom 29. Juli 2015 - IV ZR 384/14 aaO Rn. 46; IV ZR 448/14 aaO Rn. 51; Senatsbeschluss vom 30. Juli 2012 - IV ZR 134/11, juris Rn. 5; jeweils m.w.N.). Dabei hat es richtig erkannt, dass bei der Bestimmung der gezogenen Nutzungen die vom Kläger gezahlten Prämien nicht in voller Höhe Berücksichtigung finden können.
42
1. Die Anschlussrevision macht ohne Erfolg geltend, dass dem Kläger Nutzungen aus dem Risikoanteil zustünden, welcher der Beklagten als Wertersatz für den vom Kläger bis zu seinem Widerspruch faktisch genossenen Versicherungsschutz verbleibt. Zur Herstellung eines vernünftigen Ausgleichs und einer gerechten Risikoverteilung zwischen den Beteiligten, die im Rahmen einer gemeinschaftsrechtlich geforderten rechtsfortbildenden Auslegung bei der Regelung der Rechtsfolgen des Widerspruchs nach nationalem Recht eröffnet ist (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 Rn. 45), ist es geboten, dass der Versicherer neben dem Risikoanteil auch hieraus gegebenenfalls gezogene Nutzungen behalten darf. Es käme zu einem Ungleichgewicht innerhalb der Gemeinschaft der Versicherten, wenn die widersprechenden Versicherungsnehmer trotz Gewährung des Versicherungsschutzes alle möglicherweise durch den Versicherer aus ihren Risikobeiträgen gezogenen Nutzungen erhielten.
43
2. Auch hinsichtlich des auf die Abschluss- und Verwaltungskosten entfallenden Prämienanteils hat das Berufungsgericht jedenfalls im Ergebnis zutreffend eine Verpflichtung der Beklagten zur Herausgabe von Nutzungen abgelehnt.
44
a) Entgegen der Auffassung der Anschlussrevision bleibt der Prämienanteil , der auf die Abschlusskosten entfiel, für Nutzungsersatzansprüche außer Betracht. Der Umstand, dass sich ein Bereicherungsschuldner - wie hier die Beklagte - auf eine tatsächlich eingetretene Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB nicht berufen kann, besagt nicht, dass er sich so behandeln lassen muss, als habe er aus dem Erlangten Nutzungen gezogen, obwohl ihm in Höhe der Entreicherung ein wirtschaftlich nutzbarer Vermögenswert tatsächlich nicht zur Verfügung stand. Es muss insoweit unterschieden werden zwischen der rechtlichen Verteilung des Entreicherungsrisikos und dem tatsächlich zur Ziehung von Nutzungen zur Verfügung stehenden Vermögen (BGH, Urteil vom 12. Mai 1998 - XI ZR 79/97, NJW 1998, 2529 unter II 1 b bb (2); Rudy, r+s 2015, 115, 119 f.; a.A. MünchKomm-BGB/Schwab, 6. Aufl. § 818 BGB Rn. 18).
45
Mangels abweichender Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der Versicherer Prämienteile, welche er für Abschlusskosten aufwandte, nicht zur Kapitalanlage nutzen konnte (OLG Karlsruhe r+s 2015, 337 Rn. 46; OLG Schleswig VersR 2015, 1009 unter 2 b aa; OLG Dresden, Urteil vom 24. Februar 2015 - 4 U 786/14, juris Rn. 43; OLG Köln r+s 2015, 121 Rn. 29; a.A. Reiff, r+s 2015, 105, 113). Wenn er sich - wie die Anschlussrevision meint - gleichwohl so behandeln lassen müsste, als hätte er die Gelder gewinnbringend angelegt, stünde er schlechter, als er ohne die Prämienzahlungen des widersprechenden Versicherungsnehmers gestanden hätte. Dies ist mit der Privilegierung des gutgläubigen Bereicherungsschuldners gemäß § 818 Abs. 1 BGB nicht in Einklang zu bringen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1998 aaO).
46
b) Hinsichtlich des Verwaltungskostenanteils der Prämien kann, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, nicht vermutet werden, dass die Beklagte Nutzungszinsen in bestimmter Höhe erzielt hat.
47
Selbst wenn die Beklagte diesen Prämienanteil zur Bestreitung von Verwaltungskosten aufwandte und auf diese Weise den Einsatz sonstiger Finanzmittel ersparte (Senatsurteile vom 29. Juli 2015 - IV ZR 384/14 aaO Rn. 42; IV ZR 448/14 aaO Rn. 47), die sie zur Ziehung von Nutzungen verwenden konnte, kann, anders als die Anschlussrevision meint, nicht auf eine allgemeine Vermutung einer Renditeerzielung in bestimmter Höhe abgestellt werden.

48
Die Darlegungs- und Beweislast für die Ziehung von Nutzungen trägt, wie der Senat bereits entschieden hat, der Versicherungsnehmer. Er kann seinen Tatsachenvortrag nicht ohne Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Versicherers auf eine tatsächliche Vermutung einer Gewinnerzielung in bestimmter Höhe, etwa - wie hier - in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, stützen (Senatsurteile vom 29. Juli 2015 - IV ZR 384/14 aaO Rn. 46; IV ZR 448/14 aaO Rn. 51).
49
Es braucht hier nicht entschieden zu werden, ob der Erfahrungssatz , dass Banken für sich vereinnahmte Gelder in einer Weise verwenden , welche die Erzielung von Erträgen erwarten lässt (BGH, Urteile vom 12. Mai 1998 aaO unter II 1 c; vom 4. Juni 1975 - V ZR 184/73; BGHZ 64, 322, 323 f.), auf Versicherungsunternehmen übertragbar ist (so OLG Dresden, Urteil vom 24. Februar 2015 aaO Rn. 38; Reiff, r+s 2015, 105, 112). Jedenfalls kann nicht vermutet werden, dass ein Versicherer Nutzungen in Höhe des gesetzlichen Verzugszinses gezogen hat. Die Anschlussrevision verweist insoweit ohne Erfolg darauf, dass eine Vermutung für die Ziehung von Nutzungen in Höhe von 4% bei einem gegen einen Pensions-Sicherungs-Verein gerichteten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch angenommen worden ist (vgl. dazu BVerwGE 107, 304, 310 f.). Zum einen beruht diese Annahme auf der üblichen Zinserwartung Ende der achtziger/Anfang der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts und kann nicht ohne weiteres auf die Gegenwart übertragen werden. Zum anderen wird in der von der Anschlussrevision angeführten Entscheidung auf Erkenntnisse aus den Geschäftsunterlagen des konkreten Versicherers abgestellt (BVerwG aaO 311).
50
Zu diesen hat der Kläger hier nichts vorgebracht. Er hat nur allgemein vorgetragen, Lebensversicherungen hätten im Jahre 2001 durch- schnittlich 7,08% und im Jahre 2013 durchschnittlich 3,61% als Verzinsung erwirtschaftet; die Beklagte habe deshalb mit Sicherheit eine Rendite von 5% über dem Basiszinssatz erzielt. Damit hat er keinen aus der Ertragslage der Beklagten abgeleiteten Gewinn dargetan, sondern nur pauschal durchschnittliche Zinsgewinne behauptet. Die Anschlussrevision verweist insofern ohne Erfolg auf die Grundsätze der sekundären Darlegungslast. Es ist nicht erkennbar, dass dem Kläger entsprechender Vortrag, etwa auf der Grundlage veröffentlichter Geschäftsberichte der Beklagten, nicht möglich gewesen wäre.
51
3. Der mit der Anlage des Sparanteils erzielte Gewinn steht dem Versicherungsnehmer bei kapitalbildenden Lebensversicherungen als tatsächlich gezogene Nutzung zu, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat.
52
Allerdings kann insbesondere bei einer - hier streitgegenständlichen - fondsgebundenen Lebensversicherung nicht vermutet werden, dass der Versicherer aus den Sparanteilen der vom Versicherungsnehmer gezahlten Prämien einen entsprechenden Gewinn erzielt hat. Bei der fondsgebundenen Lebensversicherung hat der Versicherer, um seinen Verpflichtungen nachkommen zu können, die Beiträge, soweit sie der Vermögensanlage dienen, vollständig mit den vereinbarten Finanzprodukten zu bedecken (Winter in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. Lebensversicherung Einführung Rn. 71; vgl. auch Rudy, r+s 2015, 115, 119). Diese weisen anlageklassenbedingt eine mehr oder minder große Volatilität auf, so dass die mit ihnen erzielten jährlichen Wertzuwächse keiner konstanten jährlichen Verzinsung entsprechen und unter Umständen - wie hier - sogar ganz ausbleiben können. So wurden nach dem unstreitig ge- bliebenen Vortrag der Beklagten, der insoweit die sekundäre Darlegungslast oblag, mit den in die Fonds eingezahlten Sparanteilen keine Gewinne, sondern Verluste erzielt.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller

Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 25.04.2014- 26 O 308/13 -
OLG Köln, Entscheidung vom 14.11.2014 - 20 U 96/14 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 130/15
vom
27. Januar 2016
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2016:270116BIVZR130.15.0

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller
am 27. Januar 2016

beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die Revision der Klägerseite gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 14. Januar 2015 auf deren Kosten zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen eines Monats Stellung zu nehmen.

Gründe:


1
I. Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer kapitalbildenden Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.
2
Diese wurde mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 1999 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Aufgrund Antrags d. VN vom 6. März 2000 hinsichtlich einer Höherversicherung und Tarifänderung kam es zu einer Neupolicierung rückwirkend zum 1. Dezember 1999. Unstreitig erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein, der jeweils die Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. enthielt, die Versicherungsbedingungen und eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG).
3
D. VN zahlte in der Folge die Versicherungsprämien. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2009 erklärte er u.a. den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F., hilfsweise die Kündigung und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 6. März 2012 erklärte er erneut u.a. den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F.
4
Mit der Klage begehrt d. VN - soweit für die Revisionsinstanz noch von Belang - Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteter Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufwertes, insgesamt 8.871,71 €.
5
Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil d. VN zum einen nicht ordnungsgemäß belehrt wurde und zum anderen das Policenmodell mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung des Klägers ist vom Oberlandesgericht zurückgewiesen worden.
7
II. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Die erforderliche Widerspruchsbelehrung sei ordnungsgemäß erteilt worden. Sie sei drucktechnisch hervorgehoben und inhaltlich ordnungsgemäß. Das Widerspruchsrecht sei daher nach Ablauf der 14-tägigen Frist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. erloschen. Die Reglung des Policenmodells verstoße nicht gegen die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung. Die Ausübung des Widerspruchsrechts widerspreche hier jedenfalls Treu und Glauben, weil d. VN die ihm bekannt gemachte Widerspruchsfrist beim Vertragsschluss im Jahr 2000 ungenutzt habe verstreichen lassen und jahrelang bis Dezember 2008 die Prämien gezahlt habe. Außerdem habe er die Ansprüche aus der Lebensversicherung bereits am 17. März 2000 und erneut im September 2008 zur Kreditsicherung abgetreten, wovon der Versicherer Kenntnis erhalten habe.
8
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.
9
III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
10
Das Berufungsgericht hat die Revision unbeschränkt zugelassen. Es meinte, es sei eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob wegen § 5a VVG a.F. eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Widerspruchsbelehrung auch ohne Hinweis auf das Schriftlichkeitserforder- nis gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. möglich sei. Außerdem sei noch nicht abschließend geklärt, welche Anforderungen bei Auskunftserteilung durch den Versicherer an eine geordnete Form zu stellen seien. Diese Fragen stellen sich hier jedoch nicht oder haben keine grundsätzliche Bedeutung.
11
1. Das Auskunftsbegehren ist nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens , so dass es auf die letztgenannte Frage schon deshalb nicht ankommt.
12
2. Hinsichtlich der ersten Frage besteht keine grundsätzliche Bedeutung. Die Maßstäbe einer den gesetzlichen Anforderungen genügende Widerspruchsbelehrung hinsichtlich des Schriftlichkeitserfordernis nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. sind durch die Senatsrechtsprechung geklärt. Die notwendige Belehrung über das gesetzliche Formerfordernis (vgl. Senatsurteil vom 28. Januar 2004 - IV ZR 58/03, VersR 2004, 497 unter 3b) erfolgte entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht dadurch, dass d. VN mitgeteilt wurde, zur Fristwahrung genüge die rechtzeitige "Absendung" der Widerspruchserklärung (Senatsurteil vom 17. Juni 2015 - IV ZR 426/13, juris Rn. 12). Selbst wenn ein verständiger Versicherungsnehmer nur verkörperte Erklärungen als der Absendung zugänglich ansieht, so bleibt für ihn dennoch unklar, ob hierzu eine Verkörperung in Textform ausreicht oder ob es nicht der traditionellen Schriftform bedarf (Senatsurteil vom 29. Juli 2015 - IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104 Rn. 24).
13
3. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
14
a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist d. VN nach dem Vorstehenden allerdings inhaltlich - wie die Revision zu Recht rügt - nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden, weil die Widerspruchsbelehrung keinen Hinweis darauf enthält, dass der Widerspruch schriftlich zu erheben war. Dass, wie das Berufungsgericht und die Revisionserwiderung meinen, durch die Belehrung die Schriftform abbedungen werden sollte, ist ihrem Text nicht zu entnehmen.
15
b) Anders als die Revisionserwiderung meint, war eine ordnungsgemäße Belehrung über das Widerspruchsrecht hier auch nicht ausnahmsweise deshalb entbehrlich, weil d. VN bei seinem Antrag auf Abschluss des Versicherungsvertrages durch einen Versicherungsmakler beraten worden sei. Eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung ist nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. gesetzlich vorgeschrieben. Darauf, ob d. VN im Einzelfall trotz nicht ordnungsgemäßer Belehrung von seinem Widerspruchsrecht gleichwohl zutreffend Kenntnis hatte, kommt es nicht an. Die Frage der Ordnungsgemäßheit der Belehrung ist abstrakt zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 - I ZR 73/91, BGHZ 121, 52, 57; vgl. auch Senatsurteil vom 15. Juli 2015 - IV ZR 386/13, juris Rn. 12 zur "Monatsfrist").
16
c) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis aber mit Rücksicht auf die besonderen Umstände des Falles rechtsfehlerfrei angenommen, dass ein Bereicherungsanspruch nach § 242 BGB unabhängig von Wirksamkeitszweifeln nach dem Policenmodell geschlossener Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG VersR 2015, 693 Rn. 30 ff.) wegen widersprüchlichen Verhaltens d. VN ausgeschlossen ist. Es hat zu Recht besonders gravierende Um- stände festgestellt, die d. VN die Geltendmachung seines Anspruchs hier verwehren. Dieser hatte bereits zwei Monate nach Erhalt des Versicherungsscheins am 17. März 2000 seine Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag als Sicherheit für ein Darlehen über 135.000 DM an eine Bank abgetreten, wovon die Beklagte mit Schreiben vom 24. Mai 2000 Kenntnis erhielt. Nach Prämienzahlung über mehr als acht Jahre trat d. VN die Forderungen aus dem Versicherungsvertrag im September 2008 ein weiteres Mal an eine Bank zur Sicherung der Ansprüche aus einem Kreditvertrag ab. Auch darüber wurde die Beklagte informiert. Die Abtretung umfasste jeweils ausdrücklich auch die Todesfallleistung; dies setzt, worauf auch die Revisionserwiderung zutreffend hinweist, zwingend das Bestehen eines wirksamen Vertrages voraus. Der enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Abschluss des Versicherungsvertrages und dessen Einsatz zur Kreditsicherung sowie die Abtretung auch der Todesfallleistung durfte bei dem Versicherer ein schutzwürdiges Vertrauen in den unbedingten Bestand des Vertrages begründen. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für d. VN auch erkennbar.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 25.06.2013- 10 O 458/12 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 14.01.2015- 11 U 112/13 -

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 2. April 2014 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln ‑ 26 O 474/13 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18. Januar 2013 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung von Versicherungsprämien und Nutzungsersatz in Anspruch.

2

Er beantragte am 14. August 1998 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten den Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung. Nach den - von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt der Kläger im August 1998 mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und eine schriftliche Belehrung über sein Widerspruchsrecht in drucktechnisch deutlicher Form gemäß § 5a des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz - VVG) in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Juli 1994 (BGBl. I S. 1630).

3

Diese mehrfach geänderte und mit Ablauf des Jahres 2007 außer Kraft getretene Vorschrift hatte in der bis zum 31. Juli 2001 gültigen Fassung folgenden Wortlaut:

"(1) Hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes unterlassen, so gilt der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterlagen schriftlich widerspricht. …

(2) Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist. …"

4

Aufgrund eines Änderungsantrages des Klägers wurde im Januar 2004 ein neuer Versicherungsschein ausgestellt, den der Kläger nach den - von der Revision ebenfalls nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts mit den Versicherungsbedingungen, einer Verbraucherinformation und einer ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung erhielt.

5

Der Kläger zahlte von September 1998 bis März 2004 Prämien in Höhe von insgesamt 17.128,55 €. Nachdem er den Vertrag im März 2004 gekündigt hatte, kehrte ihm die Beklagte den Rückkaufswert in Höhe von 12.481,57 € aus.

6

Mit Schreiben vom 8. März 2011 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten "den Widerspruch gem. § 5a VVG a.F. bzw. nach § 8 VVG bzw. den Widerruf nach § 355 BGB".

7

Mit der Klage begehrt der Kläger die Differenz zwischen gezahlten Prämien und ausgekehrtem Rückkaufswert sowie Nutzungsersatz in Höhe einer 7%-igen Verzinsung der Prämien. Er meint, der Lebensversicherungsvertrag sei nicht wirksam zustande gekommen, weil das in § 5a VVG a.F. geregelte Policenmodell mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.

8

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Forderung weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.

10

I. Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt: Dem Kläger stünden keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche auf Rückzahlung der den Rückkaufswert übersteigenden Prämien nebst Zinsen zu. Er habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Die Regelung des Policenmodells gemäß § 5a VVG a.F. verstoße nicht gegen die Dritte Richtlinie Lebensversicherung. Das Widerspruchsrecht des Klägers sei 14 Tage nach dem Zugang der Police nebst ordnungsgemäßer Widerspruchsbelehrung, Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen erloschen. Dasselbe gelte hinsichtlich der 2004 durchgeführten Vertragsänderung, so dass offen bleiben könne, ob dem Kläger insoweit ein Recht zum Widerspruch zugestanden habe.

11

II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

12

Der Kläger kann nicht gemäß den §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 818 Abs. 1 BGB Rückzahlung der Prämien und Nutzungsersatz verlangen. Er hat die Prämien mit Rechtsgrund an die Beklagte geleistet (dazu unter 1.). Im Übrigen ist ihm nach jahrelanger Durchführung des Versicherungsvertrages die Berufung auf dessen Unwirksamkeit nach Treu und Glauben wegen widersprüchlichen Verhaltens verwehrt (dazu unter 2.).

13

1. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Lebensversicherungsvertrag ist auf der Grundlage des § 5a VVG a.F. wirksam zustande gekommen.

14

a) Diese Vorschrift regelte den Vertragsschluss nach dem so genannten Policenmodell. Es betraf Fälle, in denen der Versicherer - wie hier die Beklagte - dem Versicherungsnehmer bei dessen Antragstellung die Versicherungsbedingungen zunächst nicht übergeben und eine den Anforderungen des § 10a VAG a.F. genügende Verbraucherinformation unterlassen hatte. Der Antrag des Versicherungsnehmers stellte das Angebot zum Abschluss des Vertrages dar. Dieses nahm der Versicherer dadurch an, dass er dem Versicherungsnehmer mit der Versicherungspolice die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die für den Vertragsschluss maßgebliche Verbraucherinformation übersandte. Durch die Annahme kam der Vertrag aber noch nicht zustande; vielmehr galt er gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. erst dann als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der vollständigen Unterlagen schriftlich widersprach. Bis zum Ablauf dieser Frist war von einem schwebend unwirksamen Vertrag auszugehen (vgl. dazu Senatsurteile vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, VersR 2014, 817 Rn. 15; vom 24. November 2010 - IV ZR 252/08, VersR 2011, 337 Rn. 22 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 10 m.w.N.). Der Vertrag erlangte rückwirkend zum Zeitpunkt der Vertragsannahme Wirksamkeit, wenn der Versicherungsnehmer innerhalb der Widerspruchsfrist von seinem Recht zum Widerspruch keinen Gebrauch gemacht hatte (Senatsurteil vom 24. November 2010 aaO m.w.N.).

15

Die Voraussetzungen für ein Zustandekommen des Vertrages nach dem Policenmodell sind hier erfüllt. Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt der Kläger mit dem Versicherungsschein im August 1998 die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation und eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung. Bis zum Ablauf der damit in Gang gesetzten 14-tägigen Widerspruchsfrist erklärte der Kläger den Widerspruch nicht.

16

b) Der so geschlossene Versicherungsvertrag unterliegt entgegen der Auffassung der Revision nicht wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln. Dabei ist der erkennende Senat - anders als es in Bezug auf die Vorschrift des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. (Senatsbeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 14 ff.) der Fall war - nicht gehalten, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen. Zum einen (dazu sogleich unter c) steht die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts bei Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bezogen auf das Policenmodell außer Zweifel, so dass die Vorlagepflicht gemäß § 267 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) entfällt (vgl. EuGH Slg. 1982, 3415, 3430 und ständig; BVerfG WM 2014, 644 Rn. 27 f.; WM 2014, 647 Rn. 26 ff.). Zum anderen scheidet eine Vorlage aus, weil die Frage der Vereinbarkeit des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. mit dem Gemeinschaftsrecht im Streitfall nicht entscheidungserheblich ist (dazu unter 2.; vgl. BVerfG aaO).

17

c) Das Policenmodell steht nach Auffassung des Senats eindeutig in Einklang mit den - für den streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen - Bestimmungen der Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG (Zweite Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 330 S. 50) und Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 360 S. 1) und den inhaltsgleichen Bestimmungen der Art. 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 der späteren Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen (Abl. L 345 S. 1).

18

aa) Zwar hat ein Teil der Literatur Bedenken gegen die Richtlinienkonformität des Policenmodells geäußert (BK/Schwintowski, § 5a VVG Rn. 5; Schwintowski/Brömmelmeyer/Ebers, PK-VersR/Ebers, § 8 Rn. 9 f.; Berg, VuR 1999, 335, 341 f.; Döhmer, zfs 1997, 281, 283; Dörner in Brömmelmeyer/Heiss/Meyer/Rückle/Schwintowski/Wallrabenstein, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Private Krankenversicherung und Gesundheitsreform, Schwachstellen der VVG-Reform 2009 S. 137, 145 f.; Ebers in Micklitz, Verbraucherrecht in Deutschland - Stand und Perspektiven 2005 S. 253, 260 ff.; Lenzing in Basedow/Fock, Europäisches Versicherungsvertragsrecht, Band I 2002, S. 139, 164 f.; Meyer in Basedow/Meyer/Schwintowski, Lebensversicherung, Internationale Versicherungsverträge und Verbraucherschutz, Versicherungsvertrieb 1996 S. 157, 201 f.; Micklitz/Ebers in Basedow/Meyer/Rückle/Schwintowski, Verbraucherschutz durch und im Internet bei Abschluss von privaten Versicherungsverträgen, Altersvorsorgeverträge, VVG-Reform 2003 S. 43, 82 f.; Osing, Informationspflichten des Versicherers und Abschluß des Versicherungsvertrages 1996 S. 92 f.; Rehberg, Der Versicherungsabschluss als Informationsproblem 2003 S. 109 ff.; Schwintowski, VuR 1996, 223, 238 f.).

19

Diese Zweifel werden aber in der Instanzrechtsprechung und im weiteren Schrifttum (zu Recht) nicht geteilt (so etwa von weiteren aktuellen, zur revisionsrechtlichen Überprüfung stehenden Berufungsurteilen: OLG Köln, Urteil vom 16. Mai 2014 - 20 U 31/14, S. 7 ff. nicht veröffentlicht; OLG München, Urteil vom 8. Mai 2014 - 14 U 5100/13 S. 4 ff., nicht veröffentlicht; aus der neueren veröffentlichten Rechtsprechung u.a.: OLG München, Urteil vom 10. Oktober 2013 - 14 U 1804/12, juris Rn. 36 f.; VersR 2013, 1025, 1026; VersR 2012, 1545 f.; OLG Sachsen-Anhalt, Urteile vom 14. Februar 2013 - 4 U 63/12, juris Rn. 41 f.; vom 17. Januar 2013 - 4 U 35/12, juris Rn. 37 ff.; OLG Köln VersR 2013, 443, 445; Urteile vom 2. März 2012 - 20 U 178/11, juris Rn. 25; vom 3. Februar 2012 - 20 U 140/11, juris Rn. 47 ff.; vom 25. November 2011 - 20 U 126/11, juris Rn. 21 ff.; VersR 2011, 248; vom 9. Juli 2010 - 20 U 51/10, juris Rn. 4 ff.; vom 5. Februar 2010 - 20 U 150/09, juris Rn. 5 ff.; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 21. Dezember 2012 - 11 U 40/12, juris Rn. 17; OLG Karlsruhe VersR 2013, 440, 441 f.; OLG Stuttgart VersR 2012, 1373, 1374 f.; OLG Celle, Urteil vom 9. Februar 2012 - 8 U 191/11, juris Rn. 44 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 31. August 2011 - 20 U 81/11, juris Rn. 10 ff.; VersR 2012, 745, 746; OLG Düsseldorf VersR 2001, 837, 838 f.; LG Dessau-Roßlau NJW-RR 2014, 606, 608 f.; LG Köln, Urteil vom 4. März 2013 - 26 O 301/12, juris Rn. 40; r+s 2011, 243, 244; Urteil vom 7. Juli 2010 - 26 O 609/09, juris Rn. 24; LG Münster, Urteil vom 30. August 2011 - 115 O 53/11, juris Rn. 52 ff.; LG Bielefeld, Urteil vom 31. März 2011 - 7 O 329/10, juris Rn. 18; LG Aachen, Urteil vom 5. März 2010 - 9 O 560/09, juris Rn. 36 ff.; LG Kassel r+s 2010, 339; Bruck/Möller/Herrmann, VVG 9. Aufl. § 7 Rn. 65; Prölss/Martin/Prölss, VVG 27. Aufl. § 5a VVG Rn. 8; Römer/Langheid/Römer, VVG 2. Aufl. § 5a Rn. 3; Hofmann, Schutzbriefversicherung (Assistance) 1996 Einf. Rn. 11; Lorenz, VersR 1997, 773, 780 f.; ders. VersR 1995, 616, 625 f.; Reiff, VersR 1997, 267, 271 f.; Römer, Festschrift 50 Jahre BGH S. 375, 389 f.; Schimikowski, r+s 2000, 353, 355; Schirmer, VersR 1996, 1045, 1056; Wandt, Verbraucherinformation und Vertragsschluss nach neuem Recht 1995 S. 32 f., anders nur bezüglich § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F.).

20

bb) Der Senat sieht ebenfalls keinen Anhaltspunkt dafür, dass die einschlägigen Richtlinien dem in § 5a VVG a.F. geregelten Policenmodell entgegenstehen könnten.

21

(1) Die Widerspruchslösung des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. ist vor allem deshalb nicht zu beanstanden, weil die Richtlinien 90/619/EWG und 92/96/EWG keine Vorgaben zum Zustandekommen des Versicherungsvertrages enthalten (Senatsbeschluss vom 28. März 2012 aaO Rn. 18 f., 22). Wie der in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG erwähnte und für die rechtzeitige Information des Versicherungsnehmers maßgebliche "Abschluss" des Versicherungsvertrages auszugestalten ist, ergibt sich daraus ebenso wenig wie aus dem in Bezug genommenen Anhang. In den Materialien zu Art. 31 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung wird zu dem Passus "vor Abschluss des Vertrages" ausgeführt, die Mitgliedstaaten könnten selbst darüber bestimmen, "wann genau ein Vertrag als abgeschlossen gilt und wann genau die … vorgeschriebenen Angaben dem Versicherungsnehmer mitgeteilt werden müssen" (Ratsprotokoll Nr. 2 zu Art. 31, Dok. 7307/92, abgedruckt bei Büchner, Der Referentenentwurf eines Dritten Durchführungsgesetzes/EWG zum VAG auf dem Prüfstand, Münsteraner Reihe Bd. 18 S. 13). Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat in ihrer Stellungnahme vom 12. Oktober 2006 im Rahmen des gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens 2005/5046 ausdrücklich festgehalten, die Frage, wann ein Versicherungsvertrag als abgeschlossen gelten solle, sei "in der Tat eine Sache des nationalen Rechts".

22

Die Richtlinien 90/619/EWG und 92/96/EWG verfolgen zudem kein auf das materielle Versicherungsvertragsrecht bezogenes Harmonisierungsziel. Mit der Dritten Richtlinie Lebensversicherung sollten insbesondere Unterschiede zwischen dem Aufsichtsrecht der Mitgliedstaaten beseitigt werden. Die insoweit angestrebte Harmonisierung sollte nach Erwägungsgrund 5 der Richtlinie 92/96/EWG zu "einer gegenseitigen Anerkennung der Zulassungen und der Aufsichtssysteme" führen. Diese Zielsetzung nahm die spätere Richtlinie 2002/83/EG auf; sie wurde in Erwägungsgrund 2 dergestalt umschrieben, dass "zur Erleichterung der Aufnahme und der Ausübung der Tätigkeiten der Lebensversicherung … gewisse Unterschiede zwischen dem Aufsichtsrecht der verschiedenen Mitgliedstaaten zu beseitigen" sind, "wobei ein angemessener Schutz der Versicherten und der Begünstigten in allen Mitgliedstaaten gewahrt bleiben muss". Daraus ergibt sich, dass neben dem Verbraucherschutz auch die Tätigkeit der Lebensversicherer in den Mitgliedstaaten erleichtert werden sollte. Hingegen sollte die Harmonisierung des für den Versicherungsvertrag geltenden Rechts "keine Vorbedingung für die Verwirklichung des Binnenmarkts im Versicherungssektor" sein. Dies betont Erwägungsgrund 19 der Richtlinie 92/96/EG und führt weiter aus, die den Mitgliedstaaten belassene Möglichkeit, die Anwendung ihres eigenen Rechts für Versicherungsverträge vorzuschreiben, bei denen die Versicherungsunternehmen Verpflichtungen in ihrem Hoheitsgebiet eingehen, stelle deshalb eine hinreichende Sicherung für die Versicherungsnehmer dar (ebenso Erwägungsgrund 44 der Richtlinie 2002/83/EG). Demnach haben die Richtlinien die Regelung des Vertragsschlusses dem nationalen Gesetzgeber überlassen (Senatsbeschluss vom 28. März 2012 aaO Rn. 22 m.w.N.).

23

Der deutsche Gesetzgeber hat zur Umsetzung der genannten Richtlinien neben der aufsichtsrechtlichen Vorschrift des § 10a VAG a.F. die versicherungsvertragsrechtliche Bestimmung des § 5a VVG a.F. eingeführt (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 24 f. unter Bezugnahme auf die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses BT-Drucks. 12/7595 S. 102 m.w.N.). Mit § 5a VVG a.F. bezweckte er nicht primär eine Harmonisierung des Aufsichtsrechts (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 25). Allerdings ist für den Senat nicht ersichtlich, dass der Richtlinie 92/96/EWG aufsichtsrechtlich keine praktische Wirksamkeit verschafft wurde (vgl. BVerfG WM 2014, 644 Rn. 42; WM 2014, 647 Rn. 43). Die Aufsichtsbehörde brauchte bei Vertragsabschlüssen nach dem Policenmodell nicht einzuschreiten, wenn die Versicherer - wie im Streitfall geschehen - ihrer Informationspflicht nach § 10a VAG a.F. nachkamen und den Versicherungsnehmern mit den Policen die erforderlichen Informationen zukommen ließen. Die Überwachungspflicht gemäß § 81 Abs. 1 VAG wurde aber nicht obsolet. Verstöße gegen die Vorgaben des § 10a VAG a.F. zur Gestaltung der Verbraucherinformation waren auch in Bezug auf das Policenmodell zu ahnden.

24

(2) Ausgehend von dem sich nach nationalem Recht bestimmenden Zustandekommen des Vertrages entspricht § 5a VVG a.F. den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der in den Richtlinien geregelten Informationspflichten in der Ausprägung, die sie durch die Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union gefunden haben. Sinn und Zweck der in Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG normierten Informationspflicht sowie die wirksame Gewährleistung des Rücktrittsrechts nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 90/619/EWG rechtfertigen nach der - vom Gerichtshof der Europäischen Union bestätigten - Ansicht des Senats die Auslegung, dass ein Lebens- oder Rentenversicherungsvertrag nicht ohne Information und Belehrung des Versicherungsnehmers zustande kommen darf (Senatsbeschluss vom 28. März 2012 aaO Rn. 23; EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-209/12, VersR 2014, 225 Rn. 24 f.). Das Interesse des Versicherungsnehmers wurde im Erwägungsgrund 20 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung dergestalt umschrieben, "daß er Zugang zu einer möglichst weiten Palette von in der Gemeinschaft angebotenen Versicherungsprodukten hat, um aus ihnen das seinen Bedürfnissen am besten entsprechende Angebot auswählen zu können". Daran anknüpfend wurde der Zweck der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung im Erwägungsgrund 23 so formuliert: "Im Rahmen eines einheitlichen Versicherungsmarkts wird dem Verbraucher eine größere und weiter gefächerte Auswahl von Verträgen zur Verfügung stehen. Um diese Vielfalt und den verstärkten Wettbewerb voll zu nutzen, muss er im Besitz der notwendigen Informationen sein, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen." Im Hinblick auf diesen Informationszweck sah Art. 31 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung in Verbindung mit deren Anhang II A Nr. a.13 vor, dass dem Versicherungsnehmer "mindestens" die "Modalitäten der Ausübung des Widerrufs und Rücktrittsrechts" mitgeteilt werden mussten, und zwar "vor Abschluss des Vertrages". Sowohl aus der Struktur als auch aus dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der Dritten Richtlinie Lebensversicherung ging demnach eindeutig hervor, dass mit ihr sichergestellt werden sollte, dass der Versicherungsnehmer insbesondere über sein Rücktrittsrecht genau belehrt wird (EuGH aaO Rn. 25).

25

Diesen Anforderungen genügte § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F., indem er anordnete, dass der Vertrag erst als geschlossen galt, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der maßgeblichen Unterlagen - Versicherungsbedingungen, Verbraucherinformation und ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung - widersprach. Die Konstruktion eines schwebend unwirksamen Vertrages gewährleistete, dass der Versicherungsnehmer über sein Widerspruchsrecht belehrt worden sein musste, bevor der Vertrag wirksam werden konnte. Eine vertragliche Bindung des Versicherungsnehmers konnte erst nach der von den Richtlinien geforderten Verbraucherinformation eintreten (vgl. OLG Köln VersR 2013, 443, 445). Auf diese Weise war eine Belehrung des Versicherungsnehmers vor dem (wirksamen) Zustandekommen und damit "vor Abschluss des Vertrages" sichergestellt.

26

(3) Die für das Policenmodell charakteristische schwebende Unwirksamkeit des Vertrages wurde in dem genannten Vertragsverletzungsverfahren zunächst nicht hinreichend beachtet. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften sah in ihrem an das deutsche Bundesministerium der Justiz gerichteten Aufforderungsschreiben vom 4. April 2006 (S. 4 f.) "die praktische Folge der deutschen Regelung in § 5a VVG bezüglich des Vertragsschlusses (sog. Policenmodell)" darin, "dass ein Versicherungsvertrag zunächst als abgeschlossen gilt, obwohl dem Versicherungsnehmer im Moment seiner Entscheidung betreffend des Versicherungsprodukts keine vollständigen Verbraucherinformationen vorlagen". Daraus zog die Kommission den Schluss, der Versicherungsnehmer werde "an seine Antragstellung auch in den Fällen gebunden, in denen ihm vor Abschluss des Vertrages nicht die von den Richtlinien vorgesehenen Informationen vorlagen". Daran hielt sie nicht mehr fest, nachdem die Bundesregierung mit Schreiben vom 8. Juni 2006 darauf hingewiesen hatte, dass nach dem Policenmodell ein bindender Abschluss erst dann erfolge, wenn der Versicherungsnehmer die vorgeschriebene Verbraucherinformation erhalten habe, über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei und den Widerspruch innerhalb der gesetzlich gewährten Frist von 14 Tagen unterlassen habe. In ihrer Stellungnahme vom 12. Oktober 2006 stellte die Kommission dann ihre - ebenfalls bereits in dem Aufforderungsschreiben enthaltene - Argumentation, dass "zu dieser Zeit die Entscheidung betreffend des Versicherungsprodukts längst getroffen" sei, in den Mittelpunkt. Daher könne nach dem deutschen Recht ein Versicherungsvertrag zunächst als abgeschlossen gelten, es sei denn, dass der Versicherungsnehmer selbst aktiv werde, um der endgültigen Wirksamkeit des Vertrages zu entgehen. Dem Versicherungsnehmer werde damit eine Widerrufslast aufgebürdet. Darüber hinaus müsse der Versicherungsnehmer eine Auswahlentscheidung treffen, ohne zuvor entsprechend unterrichtet worden zu sein. Der eigentliche Zweck der Richtlinienbestimmungen, nach denen der Versicherungsnehmer vor einem Vertragsabschluss über alle notwendigen Informationen verfügen soll, werde vereitelt.

27

Das rechtfertigt ersichtlich keine abweichende Beurteilung. Da die Richtlinien - wie dargelegt - dem nationalen Gesetzgeber keine Vorgaben zum Zustandekommen des Versicherungsvertrags machten und § 5a VVG a.F. sicherstellte, dass dem Versicherungsnehmer die von den Richtlinien geforderten Informationen vorlagen, bevor der Vertrag nach nationalem Recht zustande kam, war die den Richtlinien zu entnehmende Verpflichtung, den Versicherungsnehmer vor dem ihn bindenden Vertragsschluss umfassend über den künftigen Vertragsinhalt und die ihn begleitenden Umstände zu unterrichten (EuGH VersR 2014, 225 Rn. 24 f.), durch den Regelungsgehalt des § 5a VVG a.F. ohne weiteres gewährleistet (vgl. OLG Düsseldorf VersR 2001, 837, 838 f.; Prölss/Martin/Prölss aaO § 5a Rn. 8; Lorenz, VersR 1995, 616, 625; Römer aaO; Reiff, VersR 1997, 267, 269; Wandt aaO S. 32). Die dem Versicherer in § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. eingeräumte Möglichkeit, dem Versicherungsnehmer erst nach dessen Antrag die Vertragsbestimmungen und die maßgebliche Verbraucherinformation zukommen zu lassen, führte auch nicht etwa zu einer Aushöhlung oder gar Vereitelung der sich aus den Richtlinien ergebenden Informationspflichten (a.A. Meyer aaO S. 202; Schwintowski, VuR 1996, 223, 239). § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. stellte sicher, dass die Widerspruchsfrist erst und nur dann zu laufen begann, wenn der Versicherungsnehmer entsprechend den gesetzlichen Vorgaben informiert worden war. Er konnte in Kenntnis der Vertragsbedingungen, der erforderlichen Information und des ihm zustehenden Widerspruchsrechts frei entscheiden, ob er den Vertrag wirksam werden ließ und von einem Widerspruch Abstand nahm. Damit wurde den erwähnten Erwägungsgründen 20 und 23 der Richtlinie 92/96/EWG Genüge getan, nach denen sich der Versicherungsnehmer vollständig informiert über ein bestimmtes Produkt für den Vertragsschluss entscheiden können soll (Wandt aaO S. 32).

28

(4) Das in den Richtlinien vorgesehene Informationsmodell lief durch § 5a VVG a.F. nicht etwa deshalb leer, weil innerhalb der auf 14 Tage beschränkten Widerspruchsfrist hinreichende Informationsmöglichkeiten für den Versicherungsnehmer nicht bestanden (so aber Berg, VuR 1999, 335, 339 ff.; Lenzing aaO S. 165; Meyer aaO S. 202). Während des Fristenlaufs konnte der Versicherungsnehmer die Vertragsbedingungen und sonstigen Informationen ohne weiteres eingehend durchsehen und dabei insbesondere erkennen, dass ihm die Möglichkeit zu einem Widerspruch zustand. Die Fristdauer von 14 Tagen - und von 30 Tagen für Lebensversicherungsverträge ab dem 8. Dezember 2004 - war angemessen; sie bewegte sich in dem von Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 90/619/EWG für den Rücktritt vorgegebenen Rahmen von 14 bis 30 Tagen.

29

Die hinsichtlich der Widerspruchsfrist von der Generalanwältin in ihren Schlussanträgen vom 11. Juli 2013 in der Rechtssache C-209/12 zu dem Vorlagebeschluss des Senats vom 28. März 2012 erhobenen Bedenken gegen die Europarechtskonformität des Policenmodells führen zu keiner anderen Beurteilung. Unter Hinweis auf den Erwägungsgrund 23 sieht sie den Zweck der in Art. 31 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung verankerten Mitteilungspflicht darin, den künftigen Versicherungsnehmer in die Lage zu versetzen, den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen und ihm "klare und genaue Angaben über die wesentlichen Merkmale der ihm angebotenen Produkte …" zur Verfügung zu stellen (Schlussanträge Nr. 59). Der in Art. 15 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung vorgesehene Rücktritt sei von einem Vertrag, der noch nicht geschlossen sei, weil kein Angebot und keine Annahme vorlägen, die zu einer Vereinbarung der Parteien mit bindenden Vertragsbedingungen führten, nicht möglich (Schlussanträge Nr. 60). Daraus folgert die Generalanwältin, dem (künftigen) Versicherungsnehmer müssten bestimmte Angaben vor Abschluss des Vertrages mitgeteilt werden und nach Mitteilung des Vertragsschlusses müsse ihm eine Rücktrittsfrist von 14 bis 30 Tagen zur Verfügung stehen (Schlussanträge Nr. 61). Der Zweck der Belehrungspflicht wäre nach Auffassung der Generalanwältin verfehlt worden, wenn die Informationen erst nach Abgabe des Angebots durch den Versicherungsnehmer und somit nach seiner Wahl eines Versicherers und eines Vertrages vorgelegt worden wären (Schlussanträge Nr. 62).

30

Auch daraus ergibt sich unter Berücksichtigung der in jener Sache ergangenen Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (aaO) aber kein Anhaltspunkt für eine Richtlinienwidrigkeit des Policenmodells. Der Gerichtshof hat dort ausgeführt, die Mitgliedstaaten hätten zwar in der Tat dafür zu sorgen gehabt, dass die praktische Wirksamkeit der einschlägigen Lebensversicherungsrichtlinien unter Berücksichtigung des mit diesen verfolgten Zwecks gewährleistet war (aaO Rn. 23). Er hat aber weiter betont, dass Art. 31 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung im Hinblick auf den dort angeführten Informationszweck eine Mitteilung der Informationen "vor" Abschluss des Vertrages vorsehe (aaO Rn. 25). Dem Zweck der Informationspflicht ist danach genügt, wenn der Versicherungsnehmer die Informationen erhält, bevor er - wie nach nationalem Recht in § 5a VVG a.F. geregelt - vertraglich gebunden ist (so auch OLG Köln, Urteil vom 16. Mai 2014 - 20 U 31/14 S. 10, nicht veröffentlicht). Dies ist zugleich mit Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung in Einklang zu bringen. Danach beginnt die Rücktrittsfrist, wenn der Versicherungsnehmer davon in Kenntnis gesetzt wird, "dass der Vertrag geschlossen ist". Diese Kenntnis konnte dem Versicherungsnehmer nach dem Policenmodell durch die mit dem Versicherungsschein zu erteilende Widerspruchsbelehrung vermittelt werden. Daraus konnte er entnehmen, dass ein - zunächst noch nicht wirksamer - Vertrag geschlossen würde und er sich davon bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist ohne Weiteres lösen, ein Zustandekommen des Vertrages also verhindern konnte.

31

(5) Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass § 5a VVG a.F. dem Versicherungsnehmer eine - von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften beanstandete - "Widerspruchslast" auferlegte und ihn damit zu einem Handeln verpflichtete, wollte er nach Erhalt der erforderlichen Verbraucherinformation das Zustandekommen des Vertrages in der Frist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. verhindern (so aber Micklitz/Ebers aaO S. 83; Rehberg aaO S. 98, 112 ff.; vgl. BVerfG WM 2014, 644 Rn. 42; WM 2014, 647 Rn. 43). Eine Ausgestaltung in Form einer Hinderung des Wirksamwerdens des Vertrages durch Widerspruch oder Widerruf genügt auch in anderen Fällen europarechtlichen Vorgaben bzw. beruht sogar auf solchen (vergleiche nur § 7 VerbrKrG und § 1 HWiG). Insoweit überzeugt auch der Einwand nicht, dass der künftige Versicherungsnehmer nach dem Policenmodell gegenüber mehreren Versicherern Anträge auf Abschluss von Versicherungsverträgen stellen musste, um mit den Versicherungspolicen die Informationen zu erhalten, die ihm eine sachgerechte Auswahlentscheidung ermöglichten (so Meyer S. 201 f.; vgl. BVerfG aaO). Dass ein Interessent gleichzeitig Anträge bei mehreren Versicherern stellt, um dann die nicht immer zeitgleich bei ihm eingehenden Versicherungsbedingungen während der regelmäßig unterschiedlich laufenden Widerspruchsfristen eingehend zu vergleichen, erscheint in der Tat lebensfremd (vgl. Meyer aaO S. 202 f.; BVerfG aaO m.w.N.). Ihm wurde aber nicht angesonnen, mehrere auf Abschluss verschiedener Versicherungsverträge gerichtete Willenserklärungen abzugeben, von vornherein mit der Absicht, alle Erklärungen bis auf eine fristgerecht zu widerrufen. Wenn der Versicherungsnehmer vor Abgabe einer Vertragserklärung die Leistungen verschiedener Versicherer miteinander vergleichen wollte, war er nicht gezwungen, den Abschluss mehrerer Versicherungen zu beantragen und nach Erhalt der Policen seine Auswahlentscheidung zu treffen. Vielmehr konnte er mehrere Versicherer um entsprechende Informationen oder konkrete Angebote bitten und sich für eine Versicherung entscheiden. Im Übrigen stand dem Versicherungsnehmer eine zeitlich unbegrenzte Wahlfreiheit auch bei einem Vertragsschluss nach dem so genannten Antragsmodell oder vergleichbaren Vertragsgestaltungen nicht zur Verfügung. Wenn er zunächst verschiedene Angebote bei mehreren Versicherern eingeholt hatte, musste er, nachdem er eines angenommen hatte, dann aber noch ein besseres erhielt, durch eine Widerrufs- oder Rücktrittserklärung tätig werden.

32

2. Die von der der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet im Übrigen auch bereits deshalb aus (vgl. BVerfG WM 2014, 644 Rn. 27; WM 2014, 647 Rn. 24), weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen der Richtlinien 90/619/EWG und 92/96/EWG unvereinbar ist, hier ohnedies nicht entscheidungserheblich ankommt. Offenbleiben kann daher auch, ob in diesem Fall - wie die Revision meint - alle nach dem Policenmodell geschlossenen Lebens- und Rentenversicherungsverträge ohne weiteres - selbst ohne Widerspruch - von Anfang an unwirksam wären und ob sich darauf auch Versicherer - sogar nach Auszahlung des Rückkaufswertes oder der Versicherungsleistung - berufen könnten. Die Entscheidung dieses Rechtsstreits hängt nicht von der genannten unionsrechtlichen Frage ab, weil es dem Kläger auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt ist, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten.

33

a) Widersprüchliches Verhalten ist nach der Rechtsordnung grundsätzlich zulässig und nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (Senatsurteile vom 16. Juli 2014 - IV ZR 88/13 m.w.N., zur Veröffentlichung vorgesehen; vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 40; BGH, Urteil vom 12. November 2008 - XII ZR 134/04, NJW 2009, 1343 Rn. 41; jeweils m.w.N.; vgl. Brand, VersR 2014, 269, 276).

34

b) So liegt der Fall hier. Der Kläger verhielt sich treuwidrig, indem er nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang durchführte und erst dann von der Beklagten, die auf den Bestand des Vertrags vertrauen durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte.

35

aa) Das Verhalten des Klägers war objektiv widersprüchlich. Die - ihm zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte - Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss 1998 und sogar im Zuge der Vertragsänderung 2004 ungenutzt verstreichen. Bis zur Kündigung des Vertrages im März 2004 zahlte er vielmehr regelmäßig die vereinbarten Versicherungsprämien. Nach der Kündigung ließ er rund sieben weitere Jahre vergehen, bis er sich entschied, dem Vertragsschluss zu widersprechen und sich hilfsweise darauf zu berufen, ein Vertrag sei nicht wirksam zustande gekommen. Mit seinem im eigenen Interesse begründeten und über lange Zeit fortgeführten Verhalten setzt sich der Kläger in Widerspruch, wenn er nun geltend macht, ein Vertrag habe nie bestanden (vgl. BGH, Urteile vom 7. Dezember 1989 - VII ZR 130/88, NJW-RR 1990, 417, 418; vom 23. Oktober 1986 - VII ZR 195/85, NJW-RR 1987, 335, 335 f.).

36

bb) Der Kläger war (anders als etwa der Kläger im Verfahren IV ZR 76/11) von der Beklagten in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Anforderungen des § 5a VVG a.F. über sein Widerspruchsrecht belehrt worden. Daher war ihm bekannt, dass er den Vertrag nicht hätte zustande kommen lassen müssen und ihm die Beklagte jedenfalls ein Recht zur Lösung zugestand. Vor diesem Hintergrund können seine jahrelangen Prämienzahlungen nur als Ausdruck seines Willens, den Vertrag durchzuführen, verstanden werden. Da die Beklagte die Prämien entgegennahm und erkennbar von einem bestehenden Versicherungsvertrag ausging, konnte er bis zur Kündigung erwarten, Versicherungsschutz zu genießen, der zweifelsfrei bei Eintritt eines Versicherungsfalles in Anspruch genommen worden wäre. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Kläger nicht sicher wissen konnte, ob das Policenmodell gemeinschaftsrechtswidrig war und ihm - wenn es so wäre - der geltend gemachte bereicherungsrechtliche Anspruch auf Rückzahlung der Prämien zustünde. Ein Rechtsverlust durch widersprüchliches Verhalten kann wegen der an Treu und Glauben ausgerichteten objektiven Beurteilung selbst dann eintreten, wenn der Berechtigte keine Kenntnis von seiner Berechtigung hat (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2007 - V ZR 190/06, NJW 2007, 2183 Rn. 8 m.w.N.).

37

cc) Ebenso wenig sind für den aus widersprüchlichem Verhalten hergeleiteten Einwand des Rechtsmissbrauchs unredliche Absichten oder ein Verschulden des Klägers erforderlich (vgl. BGH, Urteile vom 12. November 2008 aaO Rn. 41; vom 20. März 1968 - VIII ZR 127/67, WM 1968, 876 unter 3 c; MünchKomm-BGB/Roth/Schubert, 6. Aufl. § 242 Rn. 288 m.w.N.; Staudinger/Looschelders/Olzen, BGB [2009] § 242 Rn. 293 m.w.N.). Durch das Verhalten des Rechtsinhabers muss nur ein ihm erkennbares, schutzwürdiges Vertrauen der Gegenseite auf eine bestimmte Sach- oder Rechtslage hervorgerufen worden sein (MünchKomm-BGB/Roth/Schubert aaO Rn. 288; Staudinger/Looschelders/Olzen aaO Rn. 292 m.w.N.).

38

Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits 1998 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten Klägers haben bei der Beklagten ein solches schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Dieses Vertrauen wurde durch den Änderungsantrag des Klägers, der das Festhalten an dem Versicherungsverhältnis nochmals verdeutlichte, sogar noch verstärkt. Das Verhalten des Klägers sprach aus Sicht der Beklagten dafür, dass er selbst den Vertrag durchführen, ihn als wirksam behandeln und erfüllen wolle, und begründete das Vertrauen der Beklagten, der Kläger halte am Bestehen des Vertrages - auch für die Vergangenheit - fest.

39

Die Beklagte hatte durch die Wahl des Policenmodells zwar die Ursache für die vom Kläger behauptete Unwirksamkeit des Vertrages gesetzt. Ihr Vertrauen ist gleichwohl schutzwürdig, weil sie dem Kläger den gesetzlichen Vorgaben des nationalen Rechts entsprechend eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung und auch die weiteren Informationen erteilt hatte. Dem Vertrauensschutz der Beklagten steht auch nicht entgegen, dass die Richtlinienkonformität des Policenmodells im Schrifttum in Zweifel gezogen wurde. Das Policenmodell entsprach dem damals geltenden nationalen Recht; seine etwaige Gemeinschaftsrechtswidrigkeit stand nicht fest und konnte der Beklagten nicht positiv bekannt sein. Von einer überlegenen Rechtskenntnis auf ihrer Seite kann insoweit jedenfalls keine Rede sein.

40

Für den Kläger war die vertrauensbegründende Wirkung seines Verhaltens auch erkennbar. Er konnte bemerken, dass die Beklagte auf den Bestand des Versicherungsvertrages vertraute, nachdem er trotz Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, jahrelang die Prämien gezahlt hat, ohne die Unwirksamkeit des Vertrages geltend zu machen.

41

c) Der - von Amts wegen zu berücksichtigende, im Revisionsverfahren von der Beklagten auch geltend gemachte - Einwand von Treu und Glauben greift auch im Falle einer - zugunsten des Klägers unterstellten - Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells durch. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH GRUR 2014, 368 Rn. 42, 49; Slg. 2010, I-635 Rn. 31, 33; jeweils m.w.N.) unterliegen nationale Rechtsmaximen, die einem Anspruch entgegengehalten werden können, dem nationalen Recht, das unter Beachtung des gemeinschaftsrechtlichen Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes angewandt werden muss. Diese vom Gerichtshof anerkannten Verfahrensgrundsätze gebieten, dass die verfahrensrechtlichen Vorgaben des nationalen Rechts nicht ungünstiger sind als bei vergleichbaren Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung eingeräumten Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Die Grundsätze finden auch bei materiellen Ausschlussgründen nach nationalem Recht - wie dem Grundsatz von Treu und Glauben - Anwendung (König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs 2011 S. 114 m.w.N.) und sind hier gewahrt. Der Versicherungsnehmer, dem nach jahrelanger Durchführung des Vertrages die Berufung auf dessen Unwirksamkeit wegen Richtlinienwidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben versagt ist, wird nicht ungünstiger gestellt als bei alleiniger Anwendung des deutschen Rechts. Das in Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 90/619/EWG vorgesehene und in § 5a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 bis 3 VVG a.F. umgesetzte Recht, sich vom Vertrag zu lösen, wird dem Versicherungsnehmer dadurch nicht unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert, da der Gesichtspunkt von Treu und Glauben keineswegs stets bei ordnungsgemäßer Belehrung greift, sondern nur in Fällen jahrelanger Durchführung des Vertrages.

42

Auch zum Einwand von Treu und Glauben ist entgegen der Ansicht der Revision eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht erforderlich. Die Maßstäbe für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt. Die Anwendung auf den Einzelfall obliegt dem nationalen Gericht (EuGH Slg. 2000, I-1705 Rn. 35). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die missbräuchliche Berufung auf Gemeinschaftsrecht nicht gestattet (EuGH ZfZ 2014, 100 Rn. 29 m.w.N.; Slg. 2000 aaO Rn. 33; Slg. 1998, I-2843 Rn. 20 m.w.N.; Slg. 1996, I-2357 Rn. 24 m.w.N.). Dies hat der Gerichtshof - ähnlich wie die Anwendung nationaler Fristenregelungen (vgl. EuGH Slg. 1996, I-5223 Rn. 9, 35) - nicht davon abhängig gemacht, ob dem Berechtigten die Rechtslage bekannt war. Die nationalen Gerichte können vielmehr das missbräuchliche Verhalten des Betroffenen auf der Grundlage objektiver Kriterien in Rechnung stellen, um ihm gegebenenfalls die Berufung auf die geltend gemachte Bestimmung des Gemeinschaftsrechts zu verwehren. Dabei müssen sie jedoch die mit dieser Bestimmung verfolgten Zwecke beachten (EuGH Slg. 2000 aaO Rn. 34; Slg. 1996 aaO Rn. 25). Die Anwendung einer nationalen Vorschrift - wie hier § 242 BGB - darf somit die Wirksamkeit und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen (EuGH Slg. 2000 aaO Rn. 34 m.w.N.; Slg. 1998 aaO Rn. 22; Slg. 1996, I-1347 Rn. 68). Es obliegt dem nationalen Gericht, im bei ihm anhängigen Rechtsstreit festzustellen, ob die Anwendung der nationalen Vorschrift mit dieser Anforderung vereinbar ist (EuGH Slg. 2000 aaO Rn. 35). Hier beeinträchtigt die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben weder die Wirksamkeit noch die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts. Der vom Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 19. Dezember 2013 (aaO Rn. 25) dargelegte Zweck der Dritten Richtlinie Lebensversicherung, eine genaue Belehrung des Versicherungsnehmers über sein Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrages sicherzustellen, wird nicht berührt, wenn einem Versicherungsnehmer, der vom Versicherer dem geltenden nationalen Recht entsprechend ordnungsgemäß belehrt wurde, nach jahrelanger Durchführung des Vertrages die Geltendmachung eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs unter Berufung auf ein gemeinschaftsrechtswidriges Zustandekommen des Vertrages verwehrt wird.

Mayen                              Felsch                                 Harsdorf-Gebhardt

             Dr. Karczewski                    Dr. Brockmöller

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Handhabung der Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV in zivilrechtlichen Verfahren mit Blick auf die Rechtsfrage, ob § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. den Anforderungen des Unionsrechts genügt und ob eine Rückforderung von Versicherungsprämien und Nutzungsersatz wegen widersprüchlichen Verhaltens ausgeschlossen werden kann, weil die Berufung auf die Unwirksamkeit des Versicherungsvertrags gegen Treu und Glauben verstößt.

2

1. § 5a des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG) sah im Geltungszeitraum vom 29. Juli 1994 bis 31. Dezember 2007 (im Folgenden: VVG a.F.) die Möglichkeit vor, Versicherungsverträge im sogenannten Policenmodell abzuschließen. Dieses Verfahren war dadurch gekennzeichnet, dass der potentielle Versicherungsnehmer zunächst das von ihm unterzeichnete Antragsformular auf Abschluss des Versicherungsvertrags an den Versicherer übermittelte und dieser dem Versicherungsnehmer die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und eine Verbraucherinformation nach § 10a VAG a.F. erst zusammen mit der Versicherungspolice zukommen ließ. Widersprach der Versicherungsnehmer nicht innerhalb der Widerspruchsfrist nach Überlassung der Unterlagen schriftlich, so galt der Vertrag auf Grundlage der Allgemeinen Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen als abgeschlossen (§ 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.). In dem Antrag des Versicherungsnehmers war das Vertragsangebot, in der nachfolgenden Übersendung der Vertragsunterlagen die Annahme durch den Versicherer zu sehen. Außerdem setzte der wirksame Vertragsschluss das Unterbleiben des Widerspruchs innerhalb der Widerspruchsfrist voraus; bis zu diesem Zeitpunkt war der Versicherungsvertrag nach herrschender Meinung schwebend unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2010 - IV ZR 252/08 -, VersR 2011, S. 337 <338> Rn. 22 m.w.N.). Die Widerspruchsfrist begann nach dieser Regelung erst zu laufen, wenn der Versicherungsnehmer mit Aushändigung der Versicherungspolice über sein Widerspruchsrecht belehrt worden war; abweichend hiervon erlosch das Widerspruchsrecht - auch bei fehlender Belehrung - nach § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie.

3

2. § 5a VVG a.F. wurde durch das Dritte Gesetz zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften (Drittes Durchführungsgesetz/EWG zum VAG) vom 21. Juli 1994 (BGBl I S. 1630) in das Gesetz über den Versicherungsvertrag eingefügt und ist am 29. Juli 1994 in Kraft getreten. Er lautete, soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung:

(1) Hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes unterlassen, so gilt der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterlagen schriftlich widerspricht. […]

(2) Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist. Der Nachweis über den Zugang der Unterlagen obliegt dem Versicherer. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs. Abweichend von Satz 1 erlischt das Recht zum Widerspruch jedoch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie.

4

Nach Änderungen durch das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13. Juli 2001 (BGBl I S. 1542) und das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen vom 2. Dezember 2004 (BGBl I S. 3102), mit denen die Widerspruchsfrist bei Lebensversicherungen von 14 auf 30 Tage bei Lebensversicherungen verlängert wurde, wurde das "Policenmodell" durch die Einfügung des § 7 Abs. 1 Satz 1 VVG im Rahmen einer Ge-samtreform des Gesetzes über den Versicherungsvertrag durch das Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007 (BGBl I S. 2631) mit Wirkung zum 1. Januar 2008 abgeschafft. § 5a VVG a.F. gilt jedoch für das Zustandekommen von Versicherungsverträge fort, die in seinem Geltungszeitraum vom 29. Juli 1994 bis zum 31. Dezember 2007 in einer Vielzahl von Fällen nach dem "Policenmodell" abgeschlossen worden sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2014 - 1 BvR 2534/10 -, WM 2014, S. 644 <645> m.w.N.).

5

3. Bereits die Erste Richtlinie 79/267/EWG des Rates vom 5. März 1979 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Direktversicherung (Lebensversicherung) (ABl. EG Nr. L 63 vom 13. März 1979, S. 1 ff.; im Folgenden: Erste Lebensversicherungsrichtlinie) enthielt Regelungen für den Bereich der Lebensversicherung. Sie wurde durch die Zweite Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG (ABl. EG Nr. L 330 vom 29. November 1990, S. 50 ff.; im Folgenden: Zweite Lebensversicherungsrichtlinie) geändert und ergänzt. Die Zweite Lebensversicherungsrichtlinie wiederum wurde geändert durch die Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (ABl. EG Nr. L 360 vom 9. Dezember 1992, S. 1 ff.; im Folgenden Dritte Lebensversicherungsrichtlinie). Art. 15 der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie in der durch Art. 30 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie geänderten Fassung hatte folgenden Wortlaut:

(1) Jeder Mitgliedstaat schreibt vor, dass der Versicherungsnehmer eines individuellen Lebensversicherungsvertrags von dem Zeitpunkt an, zu dem der Versicherungsnehmer davon in Kenntnis gesetzt wird, dass der Vertrag geschlossen ist, über eine Frist verfügt, die zwischen 14 und 30 Tagen betragen kann, um von dem Vertrag zurückzutreten.

Die Mitteilung des Versicherungsnehmers, dass er vom Vertrag zurücktritt, befreit ihn für die Zukunft von allen aus diesem Vertrag resultierenden Verpflichtungen.

Die übrigen rechtlichen Wirkungen des Rücktritts und die dafür erforderlichen Voraussetzungen werden gemäß dem auf den Versicherungsvertrag nach Artikel 4 anwendbaren Recht geregelt, insbesondere was die Modalitäten betrifft, nach denen der Versicherungsnehmer davon in Kenntnis gesetzt wird, dass der Vertrag geschlossen ist.

(2) Bei Verträgen mit einer Laufzeit von höchstens sechs Monaten oder wenn der Versicherungsnehmer aufgrund seines Status oder wegen der Umstände, unter denen der Vertrag geschlossen wird, dieses besonderen Schutzes nicht bedarf, können die Mitgliedstaaten von der Anwendung von Absatz 1 absehen. Die Mitgliedstaaten legen in ihren Rechtsvorschriften die Fälle fest, in denen Absatz 1 nicht zur Anwendung gelangt.

6

In Art. 31 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie war die Verpflichtung geregelt, dem Versicherungsnehmer vor Abschluss des Vertrags bestimmte Angaben mitzuteilen:

(1) Vor Abschluss des Versicherungsvertrags sind dem Versicherungsnehmer mindestens die in Anhang II Buchstabe A aufgeführten Angaben mitzuteilen.

(2) Der Versicherungsnehmer muss während der gesamten Vertragsdauer über alle Änderungen der in Anhang II Buchstabe B aufgeführten Angaben auf dem Laufenden gehalten werden.

(3) Der Mitgliedstaat der Verpflichtung kann von den Versicherungsunternehmen nur dann die Vorlage von Angaben zusätzlich zu den in Anhang II genannten Auskünften verlangen, wenn diese für das tatsächliche Verständnis der wesentlichen Bestandteile der Versicherungspolice durch den Versicherungsnehmer notwendig sind.

(4) Die Durchführungsvorschriften zu diesem Artikel und zu Anhang II werden von dem Mitgliedstaat der Verpflichtung erlassen.

7

In Anhang II war eine Aufzählung der Informationen aufgeführt, die dem Versicherungsnehmer "entweder (A) vor Abschluss des Vertrages oder (B) während der Laufzeit des Vertrages mitzuteilen" waren. Die Informationen waren "eindeutig und detailliert schriftlich in einer Amtssprache des Mitgliedstaats der Verpflichtung abzufassen". Buchstabe A enthielt eine Tabelle, in deren linker Spalte die Informationen über das Versicherungsunternehmen und in deren rechter Spalte die Informationen über die Versicherungspolicen selbst genannt waren.

8

Die am 20. Dezember 2002 in Kraft getretene Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen (ABl. EG L 345 vom 19. Dezember 2002, S. 1 ff.) sah in ihren Art. 35 und Art. 36 vergleichbare Regelungen vor. Durch sie wurden zugleich die Erste, Zweite und Dritte Lebensversicherungsrichtlinie einschließlich ihrer Änderungen aufgehoben. Die Richtlinie 2002/83/EG wurde ihrerseits durch die Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) (ABl. EU Nr. L 335 vom 17. Dezember 2009, S. 1 ff.) mit Wirkung zum 1. November 2012 aufgehoben.

9

4. Der Beschwerdeführer beantragte am 14. August 1998 den Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung im Wege des "Policenmodells". Er erhielt mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation nach § 10a VAG und eine schriftliche Belehrung über sein Widerspruchsrecht gemäß § 5a VVG. Aufgrund eines Änderungsantrags des Beschwerdeführers im Januar 2004 wurde ihm ein neuer Versicherungsschein ausgestellt, den der Beschwerdeführer mit den Versicherungsbedingungen, einer Verbraucherinformation und einer ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung erhielt. Von September 1998 bis März 2004 zahlte er Prämien in Höhe von insgesamt 17.128,55 €. Nachdem er den Vertrag im März 2004 gekündigt hatte, kehrte ihm das beklagte Versicherungsunternehmen den Rückkaufswert in Höhe von 12.481,57 € aus. Erst mehrere Jahre später, mit Schreiben vom 8. März 2011, erklärte der Beschwerdeführer gegenüber dem Versicherungsunternehmen den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F.

10

a) Der Beschwerdeführer klagte vor dem Landgericht Gießen auf Zahlung der Differenz zwischen den gezahlten Prämien und dem ausgekehrten Rückkaufswert sowie auf Nutzungsersatz. Das Landgericht Gießen wies die Klage mit Urteil vom 21. März 2012 ab. Das Widerspruchsrecht sei unter Anwendung der Vorschrift des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. erloschen.

11

b) Die Berufung des Beschwerdeführers wies das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 18. Januar 2013 zurück. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Der Widerruf habe den Vertrag jedenfalls deshalb nicht ex tunc zum Erlöschen gebracht, weil dem Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt ein Widerspruchsrecht nicht mehr zugestanden habe. Das Widerspruchsrecht sei gemäß § 5a Abs. 1, Abs. 2 Sätze 1 bis 3 VVG a.F. erloschen.

12

c) Mit Urteil vom 16. Juli 2014 wies der Bundesgerichtshof die Revision zurück. Der Kläger könne nicht gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1, § 818 Abs. 1 BGB Rückzahlung der Prämien und Nutzungsersatz verlangen.

13

aa) Er habe die Prämien mit Rechtsgrund an die Beklagte geleistet. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Lebensversicherungsvertrag sei auf der Grundlage des § 5a VVG a.F. wirksam zustande gekommen. Hinsichtlich der Wirksamkeit des so geschlossenen Versicherungsvertrags bestünden entgegen der Auffassung der Revision im Hinblick auf die Vereinbarkeit von § 5a VVG a.F. mit dem Gemeinschaftsrecht keine Zweifel. Die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts stehe bei Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bezogen auf das "Policenmodell" außer Zweifel, so dass eine Vorlagepflicht gemäß Art. 267 AEUV entfalle. Das "Policenmodell" stehe nach Auffassung des Senats in Einklang mit den - für den streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen - Bestimmungen der Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie und Art. 31 Abs. 1 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie und den inhaltsgleichen Bestimmungen der Art. 35 Abs. 1, Art. 36 Abs. 1 der späteren Richtlinie 2002/83/EG. Zwar habe ein Teil der Literatur Bedenken gegen die Richtlinienkonformität des "Policenmodells" geäußert. Diese Zweifel würden aber in der Instanzrechtsprechung und im weiteren Schrifttum (zu Recht) nicht geteilt. Die Widerspruchslösung des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. sei vor allem deshalb nicht zu beanstanden, weil die Erste und Zweite Lebensversicherungsrichtlinie keine Vorgaben zum Zustandekommen des Versicherungsvertrags enthielten. Sie verfolgten zudem kein auf das materielle Versicherungsvertragsrecht bezogenes Harmonisierungsziel. Verstöße gegen die Vorgaben des § 10a VAG a.F. zur Gestaltung von Verbraucherinformationen seien auch in Bezug auf das "Policenmodell" zu ahnden gewesen. Die Konstruktion eines schwebend unwirksamen Vertrags habe gewährleistet, dass der Versicherungsnehmer über sein Widerspruchsrecht belehrt worden sei, bevor der Vertrag habe wirksam werden können. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass § 5a VVG a.F. dem Versicherungsnehmer eine - von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften beanstandete - "Widerspruchslast" auferlege und ihn damit zu einem Handeln verpflichtet habe, um nach Erhalt der erforderlichen Verbraucherinformationen das Zustandekommen des Vertrags in der Frist des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. zu verhindern. Die Verhinderung des Wirksamwerdens eines Vertrags durch Widerspruch oder Widerruf genüge auch in anderen Fällen europarechtlichen Vorgaben beziehungsweise beruhe sogar auf solchen (mit Verweis auf § 7 VerbrKrG und § 1 HWiG). Wenn der Versicherungsnehmer vor Abgabe einer Vertragserklärung die Leistungen verschiedener Versicherer miteinander habe vergleichen wollen, sei er nicht gezwungen gewesen, den Abschluss mehrerer Versicherungen zu beantragen und nach Erhalt der Policen seine Auswahlentscheidung zu treffen. Vielmehr habe er auch mehrere Versicherer um entsprechende Informationen oder konkrete Angaben bitten und sich dann für eine Versicherung entscheiden können. Im Übrigen habe dem Versicherungsnehmer eine zeitlich unbegrenzte Wahlfreiheit auch bei einem Vertragsschluss nach dem sogenannten Antragsmodell oder vergleichbaren Vertragsgestaltungen nicht zur Verfügung gestanden. Von einem wirksam zustande gekommenen Vertrag habe er sich auch insoweit nur durch eine Widerrufs- oder Rücktrittserklärung lösen können.

14

bb) Unabhängig davon sei dem Kläger die Berufung auf die Unwirksamkeit des Versicherungsvertrags aber auch nach Treu und Glauben wegen widersprüchlichen Verhaltens verwehrt.

15

(1) Der Kläger verhalte sich treuwidrig, weil er nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang durchgeführt habe. Dabei komme es nicht darauf an, dass der Kläger nicht sicher habe wissen können, ob das "Policenmodell" gemeinschaftsrechtswidrig gewesen sei und ihm - wenn es so wäre - der geltend gemachte bereicherungsrechtliche Anspruch auf Rückzahlung der Prämien zustünde. Ein Rechtsverlust durch widersprüchliches Verhalten könne wegen der an Treu und Glauben ausgerichteten objektiven Beurteilung selbst dann eintreten, wenn der Berechtigte keine Kenntnis von seiner Berechtigung habe. Ebenso wenig seien für den aus widersprüchlichem Verhalten hergeleiteten Einwand des Rechtsmissbrauchs unredliche Absichten oder ein Verschulden des Klägers erforderlich. Die Beklagte habe durch die Wahl des "Policenmodells" zwar die Ursache für die vom Kläger behauptete Unwirksamkeit des Vertrags gesetzt; ihr Vertrauen sei gleichwohl schutzwürdig, weil sie dem Kläger den gesetzlichen Vorgaben des nationalen Rechts entsprechend eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung und auch die weiteren Informationen erteilt habe. Dem Vertrauensschutz der Beklagten stehe auch nicht entgegen, dass die Richtlinienkonformität des "Policenmodells" im Schrifttum in Zweifel gezogen worden sei. Das "Policenmodell" habe dem damals geltenden nationalen Recht entsprochen; seine etwaige Gemeinschaftsrechtswidrigkeit habe nicht festgestanden und habe der Beklagten nicht positiv bekannt sein können.

16

(2) Der Einwand von Treu und Glauben greife auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des "Policenmodells" durch. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unterlägen nationale Rechtsmaximen, die einem Anspruch entgegengehalten werden könnten, dem nationalen Recht, das unter Beachtung des gemeinschaftsrechtlichen Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes angewandt werden müsse. Diese Grundsätze seien gewahrt. Der Versicherungsnehmer, dem nach jahrelanger Durchführung des Vertrags die Berufung auf dessen Unwirksamkeit wegen Richtlinienwidrigkeit des "Policenmodells" nach Treu und Glauben versagt sei, werde nicht ungünstiger gestellt als bei alleiniger Anwendung des deutschen Rechts. Das in Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Lebensversicherungsrichtlinie vorgesehene und in § 5a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Sätze 1 bis 3 VVG a.F. umgesetzte Recht, sich vom Vertrag zu lösen, werde dem Versicherungsnehmer dadurch nicht unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert, da der Gesichtspunkt von Treu und Glauben keineswegs stets bei ordnungsgemäßer Belehrung greife, sondern nur in Fällen einer jahrelangen Durchführung des Vertrags.

17

(3) Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union sei auch insoweit nicht erforderlich. Die Maßstäbe für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben seien in der Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt. Hiernach sei die missbräuchliche Berufung auf Gemeinschaftsrecht nicht gestattet. Dies habe der Gerichtshof nicht davon abhängig gemacht, ob dem Berechtigten die Rechtslage bekannt gewesen sei. Die nationalen Gerichte könnten vielmehr das missbräuchliche Verhalten des Betroffenen auf der Grundlage objektiver Kriterien in Rechnung stellen, um ihm gegebenenfalls die Berufung auf die geltend gemachte Bestimmung des Gemeinschaftsrechts zu verwehren. Dabei müssten sie jedoch die mit dieser Bestimmung verfolgten Zwecke beachten. Die Anwendung einer nationalen Vorschrift - wie hier § 242 BGB - dürfe somit die Wirksamkeit und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen. Es obliege dem nationalen Gericht, im bei ihm anhängigen Rechtsstreit festzustellen, ob die Anwendung der nationalen Vorschrift mit dieser Anforderung vereinbar sei. Hier beeinträchtige die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben weder die Wirksamkeit noch die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts. Der vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 19. Dezember 2013 (Endress, C-209/12, Rn. 25) dargelegte Zweck der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie, eine genaue Belehrung des Versicherungsnehmers über sein Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrags sicherzustellen, werde nicht berührt, wenn einem Versicherungsnehmer, der vom Versicherer dem geltenden nationalen Recht entsprechend ordnungsgemäß belehrt worden sei, nach jahrelanger Durchführung des Vertrags die Geltendmachung eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs unter Berufung auf ein gemeinschaftsrechtswidriges Zustandekommen des Vertrags verwehrt werde.

II.

18

Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) und des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). Der Bundesgerichtshof hätte die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Union nach Maßgabe des Art. 267 Abs. 3 AEUV vorlegen müssen.

19

1. Der Bundesgerichtshof hätte bei hinreichender Befassung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union erkennen müssen, dass die Frage der Unionsrechtskonformität des "Policenmodells" vom Gerichtshof noch nicht entschieden sei. Dieser habe im Fall Endress die Frage, ob das "Policenmodell" unionsrechtswidrig sei, offen gelassen. Aufgrund dieser Feststellung sei die Frage weiterhin klärungs- und vorlagebedürftig. Die in der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie geregelten vorvertraglichen Informationspflichten sollten sicherstellen, dass potenzielle Versicherungsnehmer den angestrebten Vertragsinhalt in den für sie willensbildungsrelevanten Regelungen erfassen könnten. Ziel der Auskunftspflicht sei somit, den Versicherungsnehmer in den Besitz der nötigen Informationen zu setzen, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auswählen und so die Vielfalt und den verstärkten Wettbewerb im Versicherungsbinnenmarkt nutzen zu können. Dies setze voraus, dass der Versicherungsnehmer die erforderlichen Informationen erhalte, bevor er eine Auswahlentscheidung für oder gegen einen angebotenen Vertrag treffe. Es sei richtig, dass die einschlägigen Richtlinien keine Vorgaben zum Zustandekommen des Versicherungsvertrags enthielten. Relevant sei aber nicht die Frage, wann ein Versicherungsvertrag abgeschlossen werde, sondern zu welchem Zeitpunkt die Verbraucherinformationen übermittelt werden müssten. Die vom Bundesgerichtshof angestellte Erwägung, mit der Richtlinie werde nur die Vereinheitlichung der aufsichtsrechtlichen Bestimmungen angestrebt, nicht aber eine Harmonisierung der versicherungsvertragsrechtlichen Regelungen, sei vom Bundesverfassungsgericht bereits verworfen worden. Die mit § 5a VVG a.F. verbundene "schwebende Unwirksamkeit" des Versicherungsvertrags ändere nichts am Umstand, dass der Versicherungsnehmer an einen Vertrag gebunden werde, obwohl er vor Abgabe seiner Willenserklärung keine Verbraucherinformationen erhalten habe. Dies habe das Bundesverfassungsgericht unter Bezugnahme auf das Vertragsverletzungsverfahren ausdrücklich hervorgehoben. Das Argument, dass den Versicherungsnehmer beim "Policenmodell" eine Widerspruchslast treffe, werde von der Kommission im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens vorgetragen. Das Bundesverfassungsgericht habe sich dieser Auffassung angeschlossen. Die Erwägung des Bundesgerichtshofs, der Versicherungsnehmer hätte mehrere Versicherer um entsprechende Informationen oder konkrete Angaben bitten können, trage nicht. Die Versicherungsgesellschaften seien überhaupt nicht bereit gewesen, unverbindliche Anfragen des Versicherungsnehmers zu beantworten. Da sich das Preis-Leistungsverhältnis von Versicherungen nach der individuellen Risikosituation des Versicherungsnehmers richte, seien Versicherer erst nach einer Risikoprüfung bereit gewesen, eine bindende Willenserklärung abzugeben. Eine solche Risikoprüfung sei in der Praxis aber erst dann vorgenommen worden, wenn der Versicherungsnehmer bereits selbst - dem "Policenmodell" entsprechend - ein bindendes Angebot unterbreitet hätte. Andernfalls habe sich der Aufwand für die Versicherungsgesellschaften nicht gelohnt. Genau aus diesem Grund habe sich die Versicherungswirtschaft auch gegen die Abschaffung des "Policenmodells" gewehrt.

20

2. Es liege allein in der Kompetenz des Gerichtshofs der Europäischen Union, zu entscheiden, welche allgemeinen Kriterien bei der Anwendung des Missbrauchsverbots zu beachten seien. Allein der Gerichtshof könne über den Inhalt der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte entscheiden. Ob verbraucherschützende Widerrufsrechte aus unionsrechtlicher Perspektive durch nationale Vorschriften zur Verwirkung beschränkt werden dürften, sei unionsrechtlich ungeklärt. Der Bundesgerichtshof verkenne, dass gerade kein "acte clair" vorliege. Ferner setze sich der Bundesgerichtshof mit seiner Auffassung, dass ein missbräuchliches Verhalten des Betroffenen auf der Grundlage objektiver Kriterien festgestellt werden könne, ganz offensichtlich in Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofs. Für das Rechtsmissbrauchsverbot habe dieser ganz im Gegenteil festgestellt, dass eine Privatperson nur dann missbräuchlich handele, wenn das Verhalten von der Absicht getragen sei, sich einen Vorteil zu verschaffen. Außerdem verstoße die Annahme einer (objektiv eintretenden) Verwirkung gegen Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts. Der Versicherer habe durch eine rechtzeitige Übermittlung der Verbraucherinformationen vor Auswahlentscheidung klare Verhältnisse schaffen können. Es sei treuwidrig, wenn sich der Unternehmer auf das Rechtsinstitut der Verwirkung berufen könnte, obwohl er selbst durch eine verspätete Information die rechtzeitige Kenntnis des Verbrauchers von seinen Rechten und Pflichten verhindert habe. Auch stehe die Annahme einer Verwirkung im Widerspruch zu der gesetzlichen Vorgabe, dass der Verbraucher auf seine Rechte nicht verzichten könne.

III.

21

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Die Voraussetzungen für eine notwendige Annahme liegen nicht vor (§ 93a Abs. 2 BVerfGG); die Annahme ist auch im Übrigen nicht angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die für die Entscheidung im Wesentlichen maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind bereits durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (vgl. BVerfGE 73, 339 <369>; 126, 286 <315>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>; 108, 129 <136>). Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. Zwar ist die Auffassung des Bundesgerichtshofs, das durch § 5a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. eröffnete "Policenmodell" sei eindeutig richtlinienkonform, objektiv unvertretbar und willkürlich, mit der Folge, dass er durch die unterlassene Vorlage zur Unionsrechtskonformität des "Policenmodells" zum Gerichtshof der Europäischen Union gegen das Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen hat. Allerdings beruht das angegriffene Urteil nicht auf diesem Verfassungsverstoß. Der Bundesgerichtshof stützt seine Entscheidung ebenfalls auf die Erwägung, dass es gegen Treu und Glauben verstoße, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrags auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen. Diese Ansicht ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Insbesondere hat der Bundesgerichtshof durch die unterlassene Vorlage zum Gerichtshof im Hinblick auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen. Er hat unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts die vertretbare Überzeugung gebildet, dass die Maßstäbe für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs in einer Weise geklärt sind, die keinen vernünftigen Zweifel offenlässt.

22

1. Der Gerichtshof der Europäischen Union ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 73, 339 <366>; 82, 159 <192>; 126, 286 <315>; 128, 157 <186 f.>; 129, 78 <105>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>). Unter den Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 AEUV sind die nationalen Gerichte von Amts wegen gehalten, den Gerichtshof anzurufen (vgl. BVerfGE 82, 159 <192 f.>; 128, 157 <187>; 129, 78 <105>; stRspr). Kommt ein deutsches Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des Gerichtshofs im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens daher nicht nach oder stellt es ein Vorabentscheidungsersuchen, obwohl eine Zuständigkeit des Gerichtshofs nicht gegeben ist (vgl. BVerfGE 133, 277 <316 Rn. 91>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>), kann dem Rechtsschutzsuchenden des Ausgangsrechtsstreits der gesetzliche Richter entzogen sein (vgl. BVerfGE 73, 339 <369>; 126, 286 <315>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>).

23

a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, C.I.L.F.I.T., C-283/81, Slg. 1982, 3415, Rn. 21) muss ein letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. auch BVerfGE 82, 159 <193>; 128, 157 <187>; 129, 78 <105 f.>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>).

24

b) Durch die grundrechtsähnliche Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wird das Bundesverfassungsgericht allerdings nicht zu einem Kontrollorgan, das jeden die gerichtliche Zuständigkeitsordnung berührenden Verfahrensfehler korrigieren müsste. Es muss vielmehr dem Umstand Rechnung tragen, dass die Kontrolle der gerichtlichen Zuständigkeitsverteilung in erster Linie in den Händen der Fachgerichte liegt (vgl. BVerfGE 82, 159 <194>). Das Bundesverfassungsgericht beanstandet die Auslegung und Anwendung von Normen, die die gerichtliche Zuständigkeitsverteilung regeln, daher nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind (vgl. BVerfGE 29, 198 <207>; 82, 159 <194>).

25

Diese Grundsätze gelten auch für die unionsrechtliche Zuständigkeitsvorschrift des Art. 267 Abs. 3 AEUV (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>). Daher stellt nicht jede Verletzung der unionsrechtlichen Vorlagepflicht zugleich einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. BVerfGE 126, 286 <315>). Das Bundesverfassungsgericht überprüft nur, ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 126, 286 <315 f.>; 128, 157 <187>; 129, 78 <106>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>). Durch die zurückgenommene verfassungsrechtliche Prüfung behalten die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung von Unionsrecht einen Spielraum eigener Einschätzung und Beurteilung, der demjenigen bei der Handhabung einfachrechtlicher Bestimmungen des nationalen Rechts entspricht. Das Bundesverfassungsgericht wacht allein über die Einhaltung der Grenzen dieses Spielraums (vgl. BVerfGE 126, 286 <316> m.w.N.). Ein "oberstes Vorlagenkontrollgericht" ist es nicht (vgl. BVerfGE 126, 286 <316>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>; BVerfGK 13, 506 <512>; 14, 230 <233>; 16, 328 <336>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 9. November 1987 - 2 BvR 808/82 -, NJW 1988, S. 1456 <1457>).

26

aa) Die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV wird in den Fällen offensichtlich unhaltbar gehandhabt, in denen ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der - seiner Auffassung nach bestehenden - Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegt und das Unionsrecht somit eigenständig fortbildet (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht; vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>).

27

bb) Gleiches gilt in den Fällen, in denen das letztinstanzliche Gericht in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft; vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>).

28

cc) Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hingegen noch nicht vor, hat eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit (Unvollständigkeit der Rechtsprechung), wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, wenn das letztinstanzliche Gericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschreitet (vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>). Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Fachgerichte das Vorliegen eines "acte clair" oder eines "acte éclairé" willkürlich bejahen (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>). Das Gericht muss sich daher hinsichtlich des materiellen Unionsrechts hinreichend kundig machen. Etwaige einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs muss es auswerten und seine Entscheidung hieran orientieren (vgl. BVerfGE 82, 159 <196>; 128, 157 <189>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>). Auf dieser Grundlage muss das Fachgericht unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts (vgl. BVerfGE 75, 223 <234>; 128, 157 <188>; 129, 78 <107>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>) die vertretbare Überzeugung bilden, dass die Rechtslage entweder von vornherein eindeutig ("acte clair") oder durch Rechtsprechung in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offenlässt ("acte éclairé"; vgl. BVerfGE 129, 78 <107>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>). Unvertretbar gehandhabt wird Art. 267 Abs. 3 AEUV im Falle der Unvollständigkeit der Rechtsprechung insbesondere dann, wenn das Fachgericht ohne sachlich einleuchtende Begründung eine von vornherein eindeutige oder zweifelsfrei geklärte Rechtslage bejaht (vgl. BVerfGE 82, 159 <196>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561, 1562, 1563, 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>; zum Vorliegen eines solchen Falles, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts gegenüber der vom Gericht zugrunde gelegten Meinung eindeutig vorzuziehen sind, vgl. BVerfGE 82, 159 <196>; 126, 286 <317>).

29

2. Nach diesen Maßstäben verletzt das Urteil des Bundesgerichtshofs den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 267 Abs. 3 AEUV. Die Auffassung des Bundesgerichtshofs, das "Policenmodell" sei eindeutig richtlinienkonform, ist objektiv unvertretbar (a). Die Verfassungsbeschwerde hat gleichwohl keinen Erfolg, weil der Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter nach der insoweit vertretbaren Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht entscheidungserheblich war. Der Bundesgerichtshof stützt seine Entscheidung zugleich und unabhängig von der Frage der Richtlinienkonformität auf die Erwägung, dass es gegen Treu und Glauben verstoße, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrags auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen. Diese Begründung ist mit Blick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 267 Abs. 3 AEUV verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (b).

30

a) Die Auffassung des Bundesgerichtshofs, die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts stehe, bezogen auf das "Policenmodell", außer Zweifel, so dass die Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchstabe b, Abs. 3 AEUV entfalle, ist nicht vertretbar und verletzt den Beschwerdeführer daher in seinem Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

31

aa) Die Frage der Richtlinienkonformität des durch § 5a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. eröffneten "Policenmodells" ist durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bisher nicht beantwortet, in seinem Urteil vom 19. Dezember 2013 (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013, Endress, C-209/12, Rn. 20 f.) hat er von einer Stellungnahme zu dieser Frage abgesehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2014 - 1 BvR 2534/10 -, WM 2014, S. 644 <646>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2014 - 1 BvR 2083/11 -, WM 2014, S. 647 <648>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. November 2014 - 2 BvR 723/12, 2 BvR 72 BvR 724/12, 2 BvR 72 BvR 725/12 -, juris, Rn. 37; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. November 2014 - 2 BvR 892/12, 2 BvR 893/12, 2 BvR 12 BvR 1969/12, 2 BvR 12 BvR 1990/12 -, juris, Rn. 40).

32

bb) Ein "acte clair" liegt nicht vor. Die Erwägungen des Bundesgerichtshofs sind auch nicht geeignet, die richtige Anwendung des Unionsrechts als derart offenkundig erscheinen zu lassen, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt.

33

(1) Der Bundesgerichtshof geht davon aus, das "Policenmodell" sei deshalb nicht zu beanstanden, weil die Zweite und Dritte Lebensversicherungsrichtlinie keine Vorgaben zum Zustandekommen des Versicherungsvertrags enthielten. Diese Erwägung ist nicht geeignet, die Richtlinienkonformität des durch § 5a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. eröffneten "Policenmodells" als "acte claire" erscheinen zu lassen. Dass den Mitgliedstaaten ein Ermessen zukommt, wie sie den Abschluss des Versicherungsvertrags ausgestalten, bedeutet nicht, dass jede Ausgestaltung des Vertragsschlusses ohne weiteres zulässig wäre. Art. 31 Abs. 1 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie zieht dem Ermessen der Mitgliedstaaten vielmehr gerade dadurch eine Grenze, dass die Verbraucherinformationen dem Versicherungsnehmer "vor Abschluss des Versicherungsvertrags" mitzuteilen sind. Diese Klausel ist unter Berücksichtigung der Ziele der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie auszulegen, zu denen auch der Verbraucherschutz gehört (Erwägungsgründe Nr. 20 und Nr. 23 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie). Bedenken an der unionsrechtlichen Zulässigkeit des "Policenmodells" lassen sich daher nicht einfach unter Verweis auf ein Ermessen der Mitgliedstaaten beiseiteschieben (vgl. Roth, VersR 2015, S. 1 <5 f., 7>).

34

(2) Auch die Annahme des Bundesgerichtshofs, die Zweite und Dritte Lebensversicherungsrichtlinie verfolgten kein auf das materielle Versicherungsvertragsrecht bezogenes Harmonisierungsziel, lässt seine Auslegung des Unionsrechts nicht als offenkundig erscheinen. Nach seiner Ansicht sind Verstöße gegen die Vorgaben des zur Umsetzung der genannten Richtlinien erlassenen § 10a VAG a.F. zur Gestaltung von Verbraucherinformationen auch in Bezug auf das "Policenmodell" zu ahnden gewesen. Diese Annahme gibt für die Auslegung des Unionsrechts freilich nichts her. Zwar war die Informationspflicht "vor" Abschluss des Vertrags in § 10a VAG a.F. aufsichtsrechtlich normiert; ihr Inhalt war jedoch durch die versicherungsvertragsrechtliche Regelung des § 5a VVG a.F. geprägt. Da Maßstab für die Versicherungsaufsicht ausweislich des § 81 Abs. 1 VAG allein die "Einhaltung der aufsichtsrechtlichen, der das Versicherungsverhältnis betreffenden und aller sonstigen die Versicherten betreffenden Vorschriften" sind, bestand für ein Einschreiten der Aufsichtsbehörden kein Anlass, solange das Versicherungsvertragsrecht das "Policenmodell" als Möglichkeit für den Abschluss eines Versicherungsvertrags vorsah (vgl. nur Ebers, in: Micklitz, Verbraucherrecht in Deutschland - Stand und Perspektiven, 2005, S. 253, 260 ff. <266 f.>). Sollte die Praxis der Informationserteilung im Rahmen des "Policenmodells" nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. der Richtlinie daher nicht entsprochen haben, hätte die Bundesrepublik Deutschland der Richtlinie auch durch das Aufsichtsrecht mithin keine praktische Wirksamkeit verschafft (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2014 - 1 BvR 2534/10 -, WM 2014, S. 644 <647>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2014 - 1 BvR 2083/11 -, WM 2014, S. 647 <649>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. Mai 2014 - 1 BvR 1408/11, 1 BvR 1415/11 -, WM 2014, S. 1270 <1272>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. Mai 2014 - 1 BvR 2020/11 -, WM 2014, S. 1183 <1184>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 10. Juni 2014 - 1 BvR 669/14 -, juris, Rn. 16; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 2. Juli 2014 - 1 BvR 543/12, 1 BvR 544/12, 1 BvR 545/12, 1 BvR 892/12, 1 BvR 81 BvR 894/12, 1 BvR 21 BvR 2476/12 -, juris, Rn. 19; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 17. September 2014 - 2 BvR 64/12 -, juris, Rn. 42; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. November 2014 - 2 BvR 723/12, 2 BvR 72 BvR 724/12, 2 BvR 72 BvR 725/12 -, juris, Rn. 42 f.; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. November 2014 - 2 BvR 892/12, 2 BvR 893/12, 2 BvR 12 BvR 1969/12, 2 BvR 12 BvR 1990/12 -, juris, Rn. 46; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 2. Dezember 2014 - 2 BvR 655/14 -, juris, Rn. 20).

35

(3) Die Erwägung des Bundesgerichtshofs, die Konstruktion eines schwebend unwirksamen Vertrags habe gewährleistet, dass der Versicherungsnehmer über sein Widerspruchsrecht belehrt worden sei, bevor der Vertrag habe wirksam werden können, ist ebenfalls nicht geeignet, die Richtlinienkonformität des "Policenmodells" als "acte claire" erscheinen zu lassen. Die Europäische Kommission hatte in ihrer Stellungnahme vom 12. Oktober 2006 zum im Jahre 2005 eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland (Nr. 2005/ 5046) darauf hingewiesen, dass der Versicherungsnehmer nach der deutschen Regelung bereits eine Auswahlentscheidung für eine Versicherung treffen müsse, bevor ihm die notwendigen Informationen erteilt würden. Nach Erhalt der Information müsse er sodann durch fristgemäßes Erheben eines Widerspruchs aktiv werden, um eine Bindung an den Vertrag zu verhindern. Es spreche daher Einiges dafür, dass dies die Zielsetzung der Richtlinie, den Versicherungsbinnenmarkt zu stärken, vereitle. Der Verbraucher solle nämlich gerade deshalb umfassend informiert werden, um die Vielfalt der Angebote im Binnenmarkt und den verstärkten Wettbewerb der Versicherer untereinander besser nutzen und einen seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auswählen zu können (siehe die Erwägungsgründe Nr. 46 und Nr. 52 der Richtlinie 2002/83/EG bzw. die Erwägungsgründe Nr. 20 und Nr. 23 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie; vgl. dazu weiter und ebenso die Generalanwältin Sharpston bei Rn. 59 ihrer Schlussanträge vom 11. Juli 2013 in der Rechtssache C-209/12 - Endress; vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2014 - 1 BvR 2534/10 -, WM 2014, S. 644 <646>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2014 - 1 BvR 2083/11 -, WM 2014, S. 647 <649>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. November 2014 - 2 BvR 723/12, 2 BvR 72 BvR 724/12, 2 BvR 72 BvR 725/12 -, juris, Rn. 40; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. November 2014 - 2 BvR 892/12, 2 BvR 893/12, 2 BvR 12 BvR 1969/12, 2 BvR 12 BvR 1990/12 -, juris, Rn. 43).

36

Nach dem "Policenmodell" musste ein Versicherungsnehmer in der Tat möglicherweise gegenüber mehreren Versicherern zunächst Anträge auf Abschluss eines Versicherungsvertrags stellen, um erst mit der Versicherungspolice die spezifischen Informationen zu erhalten, die ihm eine sachgerechte Auswahlentscheidung ermöglichten. Damit wurden ihm nicht nur eine mit erheblichen Risiken - etwa dem der Fristversäumnis - behaftete "Widerrufslast" aufgebürdet; es erscheint auch lebensfremd, dass er die nicht immer zeitgleich bei ihm eingehenden Versicherungsbedingungen während der regelmäßig unterschiedlich laufenden Widerspruchsfristen eingehend vergleichen konnte (so auch Berg, VuR 1999, S. 335 <341 f.>; Osing, Informationspflichten des Versicherers und Abschluss des Versicherungsvertrages, 1996, S. 92 f.; Rehberg, Der Versicherungsabschluss als Informationsproblem, 2003, S. 109 ff. <113 f.>). Dass die Verträge vor Ablauf der Widerspruchsfrist rechtsdogmatisch noch "schwebend unwirksam" sind, ist insoweit nicht entscheidend. Entscheidend ist vielmehr, dass dem Versicherungsnehmer angesonnen wurde, mehrere auf Abschluss verschiedener Verträge gerichtete Willenserklärungen abzugeben, von vornherein jedoch mit der Absicht, alle Erklärungen bis auf eine später zu widerrufen, nur um vor dem Wirksamwerden der Verträge in den Besitz der gebotenen Verbraucherinformation zu gelangen. Art. 31 Abs. 1 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie beziehungsweise Art. 36 Abs. 1 der Richtlinie 2002/83/EG stellen demgegenüber auf einen Zeitpunkt "vor Abschluss des Versicherungsvertrags" ab, nicht fernliegender Weise also auf den Zeitpunkt der maßgeblichen, zum Vertragsschluss führenden Willenserklärung (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2014 - 1 BvR 2534/10 -, WM 2014, S. 644 <646 f.>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2014 - 1 BvR 2083/11 -, WM 2014, S. 647 <649>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. November 2014 - 2 BvR 723/12, 2 BvR 72 BvR 724/12, 2 BvR 72 BvR 725/12 -, juris, Rn. 41; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. November 2014 - 2 BvR 892/12, 2 BvR 893/12, 2 BvR 12 BvR 1969/12, 2 BvR 12 BvR 1990/12 -, juris, Rn. 44).

37

Auch der Einwand des Bundesgerichtshofs, ein Wirksamwerden des Vertrags durch Widerspruch oder Widerruf zu verhindern, genüge auch in anderen Fällen europarechtlichen Vorgaben beziehungsweise beruhe sogar auf solchen (mit Verweis auf § 7 VerbrKrG und § 1 HWiG), lässt die Auslegung des Unionsrechts nicht als offenkundig erscheinen. Dass das Unionsrecht in bestimmten Bereichen keine vorvertragliche Informationspflicht kennt beziehungsweise kannte (vgl. die vorvertraglichen Informationspflichten in Art. 3 ff. Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. Nr. L 271 vom 9. Oktober 2002, S. 16 ff.; Art. 36 f., 41 f. Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG, ABl. Nr. L 319 vom 5. Dezember 2007, S. 1 ff.; Art. 5 f. Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates, ABl. EU Nr. L 133 vom 22. Mai 2008, S. 66 ff.; Art. 4 Richtlinie 2008/122/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Januar 2009 über den Schutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Teilzeitnutzungsverträgen, Verträgen über langfristige Urlaubsprodukte sowie Wiederverkaufs- und Tauschverträgen, ABl. Nr. L 33 vom 3. Februar 2009, S. 10 ff.; Art. 5 f. Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 304 vom 22. November 2011, S. 64 ff.; Art. 14 Richtlinie 2014/17/ЕU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung Nr. 1093/2010, ABl. Nr. L 60 vom 28. Februar 2014, S. 34 ff.), bedeutet nicht, dass dies in allen Bereichen stets der Fall sein müsste.

38

Soweit der Bundesgerichtshof einwendet, der Versicherungsnehmer sei, wenn er vor Abgabe einer Vertragserklärung die Leistungen verschiedener Versicherer miteinander habe vergleichen wollen, nicht gezwungen gewesen, den Abschluss mehrerer Versicherungen zu beantragen und nach Erhalt der Policen eine Auswahlentscheidung zu treffen, ist dies ebenfalls nicht geeignet, die Auslegung des Unionsrechts als offenkundig erscheinen zu lassen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs habe der Interessent mehrere Versicherer um entsprechende Informationen oder konkrete Angebote bitten und sich für eine Versicherung entscheiden können; es ist jedoch fraglich, ob und inwieweit die Versicherungsgesellschaften in der Praxis überhaupt bereit waren, unverbindliche Anfragen von Interessenten zu beantworten und ob es sich bei der vom Bundesgerichtshof beschriebenen Option nicht lediglich um eine theoretische Möglichkeit gehandelt hat. Dafür spricht, dass § 5a VVG a.F. auf einen Vorschlag des Finanzausschusses des Bundestages zurückgeht, der damit einer Stellungnahme der Versicherungswirtschaft Rechnung tragen wollte, wonach Informationsverpflichtungen vor Vertragsabschluss in der Praxis auf zum Teil unüberwindbare Schwierigkeiten stießen (vgl. Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BTDrucks 12/7595, S. 74, 102).

39

Dies kann jedoch dahingestellt bleiben. Aus dem Umstand, dass der Versicherungsnehmer nicht gezwungen war, den Abschluss mehrerer Versicherungen zu beantragen und nach Erhalt der Policen eine Auswahlentscheidung zu treffen, folgt schon nicht, dass die Versicherer nicht trotzdem verpflichtet waren, dem Interessenten die entsprechenden Informationen vor Abgabe der maßgeblichen, zum Vertragsschluss führenden Willenserklärung zukommen zu lassen. Der Bundesgerichtshof unterstellt, dass es sich bei der Informationspflicht aus Art. 31 Abs. 1 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie beziehungsweise Art. 36 Abs. 1 der Richtlinie 2002/83/EG um eine disponible Pflicht handelt, selbst wenn der Interessent - wie im Ausgangsverfahren - ein Verbraucher war. Diese Annahme erscheint schon mit Blick auf den einschränkungslosen Wortlaut der Vorschrift und die Erwägungsgründe der einschlägigen Richtlinien, die ausdrücklich auf den Schutz des Verbrauchers Bezug nehmen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 52 der Richtlinie 2002/83/EG bzw. Erwägungsgrund Nr. 23 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie), problematisch. Der Bundesgerichtshof geht hierauf jedoch nicht ein.

40

Nicht überzeugen kann auch der Einwand, dem Versicherungsnehmer habe eine zeitlich unbegrenzte Wahlmöglichkeit auch bei einem Vertragsschluss nach dem Antragsmodell oder vergleichbaren Vertragsgestaltungen nicht offen gestanden, weil er, wenn er in diesem Fall nach Annahme eines Angebots ein besseres habe annehmen wollen, ebenfalls durch eine Widerrufs- oder Rücktrittserklärung habe tätig werden müssen. Das geht an der Frage, auf welchen Zeitpunkt es für die Informationspflicht der Art. 31 Abs. 1 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie bzw. Art. 36 Abs. 1 der Richtlinie 2002/83/EG ankommt, vorbei. Nach der Zielsetzung der Richtlinie soll dem Verbraucher nicht eine zeitlich unbegrenzte Wahlmöglichkeit eingeräumt werden; er soll, um die Vielfalt und den verstärkten Wettbewerb voll nutzen zu können, lediglich im Besitz der notwendigen Informationen sein, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen (siehe die Erwägungsgründe Nr. 46 und Nr. 52 der Richtlinie 2002/83/EG bzw. die Erwägungsgründe Nr. 20 und Nr. 23 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie).

41

(4) Gegen die Annahme eines "acte clair" spricht nicht zuletzt (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2014 - 1 BvR 2534/10 -, WM 2014, S. 644 <647>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2014 - 1 BvR 2083/11 -, WM 2014, S. 647 <649>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 17. September 2014 - 2 BvR 64/12 -, juris, Rn. 43; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. November 2014 - 2 BvR 723/12, 2 BvR 72 BvR 724/12, 2 BvR 72 BvR 725/12 -, juris, Rn. 44; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. November 2014 - 2 BvR 892/12, 2 BvR 893/12, 2 BvR 12 BvR 1969/12, 2 BvR 12 BvR 1990/12 -, juris, Rn. 47), dass der Gesetzgeber ausweislich der Begründung zu der am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Reform des Versicherungsvertragsgesetzes die Vereinbarkeit des - abgeschafften - "Policenmodells" mit unionsrechtlichen Vorgaben als "nicht zweifelsfrei" eingeschätzt hat (vgl. BTDrucks 16/3945, S. 60) und dass die Richtlinienkonformität des "Policenmodells" im Schrifttum außerordentlich umstritten war (die Richtlinienkonformität bezweifeln: Berg, VuR 1999, S. 335 <341 f.>; Dörner, in: Brömmelmeyer/Heiss/ Meyer/Rückle/Schwintowski/Wallrabenstein, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Private Krankenversicherung und Gesundheitsreform, Schwachstellen der VVG-Reform, 2009, S. 137 <145 f.>; Dörner/Staudinger, WM 2006, S. 1710 <1712>; Ebers, in: Micklitz, Verbraucherrecht in Deutschland - Stand und Perspektiven, 2005, S. 253 <260 ff.>; Lenzing, in: Basedow/Fock, Europäisches Versicherungsvertragsrecht, Band I, 2002, S. 139 <164 f.>; Micklitz/Ebers, in: Basedow/Meyer/Rückle/Schwintowski, Verbraucherschutz durch und im Internet bei Abschluss von privaten Versicherungsverträgen - Altersvorsorgeverträge - VVG-Reform, 2003, S. 43 <82 f.>; Osing, Informationspflichten des Versicherers und Abschluss des Versicherungsvertrages, 1996, S. 92 f.; Rehberg, Der Versicherungsabschluss als Informationsproblem, 2003, S. 109 ff. <116 f.>; Schwintowski, VuR 1996, S. 223 <238 f.>; die Übereinstimmung mit den Richtlinienvorgaben bejahen: Herrmann, in: Bruck/Möller, Versicherungsvertragsgesetz, 9. Aufl. 2009, § 7 Rn. 65; Lorenz, VersR 1995, S. 616 <625 f.>; ders., VersR 1997, S. 773 <780 f.>; Prölss, in: Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl. 2004, VVG § 5a Rn. 8; Reiff, VersR 1997, S. 267 <271>; Schirmer, VersR 1996, S. 1045 <1056>; Wandt, Verbraucherinformation und Vertragsschluss nach neuem Recht - Dogmatische Einordnung und praktische Handhabung -, 1995, S. 31 ff.). Auf die Bedenken in der Literatur weist der Bundesgerichtshof selbst hin, so dass der Verweis auf die Instanzrechtsprechung und Teile des Schrifttums, die von einer Unionsrechtskonformität des "Policenmodells" ausgehen, nicht geeignet ist, die richtige Anwendung des Unionsrechts als derart offenkundig erscheinen zu lassen, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2014 - 1 BvR 2534/10 -, WM 2014, S. 644 <646 f.>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 3. März 2014 - 1 BvR 2083/11 -, WM 2014, S. 647 <648 f.>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. Mai 2014 - 1 BvR 1408/11, 1 BvR 1415/11 -, WM 2014, S. 1270 <1271 f.>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. Mai 2014 - 1 BvR 2020/11 -, WM 2014, S. 1183 <1184>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 10. Juni 2014 - 1 BvR 669/14 -, juris, Rn. 14 ff.; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 2. Juli 2014 - 1 BvR 543/12, 1 BvR 544/12, 1 BvR 545/12, 1 BvR 892/12, 1 BvR 81 BvR 894/12, 1 BvR 21 BvR 2476/12 -, juris, Rn. 19; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 17. September 2014 - 2 BvR 64/12 -, juris, Rn. 41 f.; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. November 2014 - 2 BvR 723/12, 2 BvR 72 BvR 724/12, 2 BvR 72 BvR 725/12 -, juris, Rn. 38 ff.; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 4. November 2014 - 2 BvR 892/12, 2 BvR 893/12, 2 BvR 12 BvR 1969/12, 2 BvR 12 BvR 1990/12 -, juris, Rn. 41 ff.).

42

b) Auch wenn der Bundesgerichtshof mit Blick auf die unterlassene Vorlage zum Gerichtshof der Europäischen Union zur Richtlinienkonformität des "Policenmodells" gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 267 Abs. 3 AEUV verstößt, beruht das angegriffene Urteil doch nicht auf diesem Verfassungsverstoß (vgl. BVerfGE 3, 213 <220>; 134, 106 <120 Rn. 42>; stRspr). Der Bundesgerichtshof stützt seine Entscheidung zugleich und selbständig auf die Erwägung, dass es gegen Treu und Glauben verstoße, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrags auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen. Diese Auffassung ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

43

Die Annahme des Bundesgerichtshofs, die Maßstäbe für eine Berücksichtigung der Gerichtspunkte von Treu und Glauben seien in der Rechtsprechung geklärt, ist vertretbar. Er hat die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgewertet (vgl. BGH, Urteil des 4. Zivilsenats vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13 -, NJW 2014, S. 2723 <2728 Rn. 41 f.>) und seine Entscheidung hieran orientiert. Außerdem hat er seine Rechtsprechung zum Rechtsmissbrauch aufgrund widersprüchlichen Verhaltens auf die Vereinbarkeit mit dem unionsrechtlichen Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 41) beziehungsweise auf die Vereinbarkeit mit den in der Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelten Maßstäben für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben überprüft (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 42). Auf dieser Grundlage hat er unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts die vertretbare Überzeugung gebildet, dass die Rechtslage durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offenlässt ("acte éclairé").

44

aa) Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, es sei unionsrechtlich ungeklärt, ob verbraucherschützende Widerrufsrechte durch nationale Vorschriften zum Rechtsmissbrauch beschränkt werden dürften, berührt dies zwar das Gebot der praktischen Wirksamkeit. Der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben und des Verbots widersprüchlicher Rechtsausübung (§ 242 BGB) steht dies jedoch nicht entgegen, weil zum einen die Ausübung dieser Rechte in das nationale Zivilrecht eingebettet bleibt und weil zum anderen die nationalen Gerichte ein missbräuchliches oder betrügerisches Verhalten auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union berücksichtigen dürfen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 2. Mai 1996, Paletta, C-206/94, Slg. 1996, I-2357, Rn. 25; Urteil vom 21. Juli 2011, Oguz, C-186/10, Slg. 2011, I-6957, Rn. 25 m.w.N.). Vor diesem Hintergrund und angesichts der Besonderheiten des konkreten Falles - die dem Beschwerdeführer vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss 1998 und im Zuge der vom Beschwerdeführer eingeleiteten Vertragsänderung 2004 ungenutzt verstreichen; bis zur Kündigung im Jahr 2004 zahlte er regelmäßig die vereinbarten Versicherungsprämien, die von dem Versicherer auch entgegengenommen wurden; nach der Kündigung vergingen sieben Jahre, bis er sich entschloss, dem Vertragsschluss zu widersprechen und sich hilfsweise darauf zu berufen, ein Vertrag sei nicht wirksam zustande gekommen - ist es jedenfalls nicht unhaltbar, dass der Bundesgerichtshof insoweit davon ausgegangen ist, dass die Ausübung eines möglichen Widerrufsrechts rechtsmissbräuchlich wäre.

45

bb) Auch die Auffassung, dass ein missbräuchliches Verhalten allein auf der Grundlage objektiver Kriterien festgestellt werden könne und unredliche Absichten oder ein Verschulden insoweit nicht erforderlich seien, steht nicht in einem erkennbaren Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH, Urteil vom 2. Mai 1996, Paletta, C-206/94, Slg. 1996, I-2357, Rn. 25; Urteil vom 21. Juli 2011, Oguz, C-186/10, Slg. 2011, I-6957, Rn. 25 m.w.N.). Soweit dort darauf hingewiesen wird, dass ein Missbrauch die Feststellung auch eines subjektiven Elements in dem Sinne erforderlich mache, dass aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich sein müsse, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen worden seien, um sich einen gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Vorteil zu verschaffen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2000, Emsland-Stärke, C-110/99, Slg. 2000, I-11569, Rn. 53; Urteil vom 21. Februar 2006, Halifax, C-255/02, Slg. 2006, I-1609, Rn. 75; Urteil vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, C-196/04, Slg. 2006, I-7995, Rn. 64), betrifft dies die spezielle Frage, wann mit Unionsrecht unvereinbare missbräuchliche Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern vorliegen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2000, Emsland-Stärke, C-110/99, Slg. 2000, I-11569, Rn. 51; Urteil vom 21. Februar 2006, Halifax, C-255/02, Slg. 2006, I-1609, Rn. 69; Urteil vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, C-196/04, Slg. 2006, I-7995, Rn. 64), das heißt Vorgänge, die nur zu dem Zweck stattfinden, missbräuchlich Vorteile aus dem Unionsrecht zu ziehen oder Vorschriften des Unionsrechts zu umgehen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2000, Emsland-Stärke, C-110/99, Slg. 2000, I-11569, Rn. 51; Urteil vom 21. Februar 2006, Halifax, C-255/02, Slg. 2006, I-1609, Rn. 75; EuGH, Urteil vom 6. April 2006, Agip Petroli, C-456/04, Slg. 2006, I-3395, Rn. 20; Urteil vom 13. März 2014, SICES, C-155/13, Rn. 30). Darum geht es hier aber nicht.

46

Dass die Literatur die Rechtsprechung des Gerichtshofs unterschiedlich interpretiert (vgl. nur Looschelders/Olzen, in: Staudinger, BGB, Buch 2, 2015, § 242 Rn. 1245; Roth/Schubert, in: Münchener Kommentar, BGB, 6. Aufl. 2012, § 242 BGB Rn. 156, 158; Englisch, StuW 2009, S. 3 <5 ff., 20>; Baudenbacher, ZfRV 2008, S. 205 <216>; Fleischer, JZ 2003, S. 865 <872>; Zimmermann, Das Rechtsmissbrauchsverbot im Recht der Europäischen Gemeinschaften, 2002, S. 227; Schön, in: Festschrift für Wiedemann, 2002, S. 1271 <1285 f.>) führt, für sich genommen, nicht dazu, dass der Bundesgerichtshof an der Bejahung eines "acte éclairé" gehindert wäre.

47

cc) Schließlich hat der Bundesgerichtshof den ihm zukommenden Beurteilungsrahmen nicht deshalb in unvertretbarer Weise überschritten, weil die Anwendung von § 242 BGB gegen Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts verstieße. Seine Erwägung, der Zweck der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie, eine genaue Belehrung des Versicherungsnehmers über sein Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrags sicherzustellen, werde nicht berührt, wenn einem Versicherungsnehmer, der vom Versicherer dem geltenden nationalen Recht entsprechend ordnungsgemäß belehrt worden sei, nach jahrelanger Durchführung des Vertrags die Geltendmachung eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs unter Berufung auf ein gemeinschaftsrechtswidriges Zustandekommen des Vertrags verwehrt werde, ist verständlich und nicht offensichtlich unhaltbar. Das gilt auch für die Einwände des Beschwerdeführers, der Versicherer hätte durch eine rechtzeitige Übermittlung der Verbraucherinformationen vor Auswahlentscheidung klare Verhältnisse schaffen können, und die Annahme eines Rechtsmissbrauchs stehe im Widerspruch zu der gesetzlichen Vorgabe, dass der Verbraucher auf seine Rechte nicht verzichten könne. Auch wenn der Versicherer durch die Wahl des "Policenmodells" zwar die Ursache für die Unwirksamkeit des Vertrags gesetzt hat und die Informationspflicht nach Art. 31 Abs. 1 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie zwingend ausgestaltet ist, folgt hieraus nicht, dass das Vertrauen des Versicherers in den Bestand des Vertrags im Einzelfall nicht gleichwohl vorrangig schutzwürdig sein kann (vgl. auch EuGH, Urteil vom 10. April 2008, Hamilton, C-412/06, Slg. 2008, I-2383, Rn. 49; Art. 10 Abs. 1 und Abs. 2 Richtlinie 2011/83/EU).

48

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine zivilrechtliche Auseinandersetzung über die Rückzahlung von Versicherungsprämien wegen angeblicher Unwirksamkeit des Versicherungsvertrages. Sie beanstandet das Unterlassen einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union durch das Berufungsgericht.

I.

2

1. Der Beschwerdeführer schloss im Wege des sogenannten "Policenmodells" einen Versicherungsvertrag ab. Dieses in § 5a des Gesetzes über den Versicherungsvertrag im Geltungszeitraum vom 29. Juli 1994 bis 31. Dezember 2007 (im Folgenden: VVG a.F.) geregelte Verfahren war dadurch gekennzeichnet, dass der potenzielle Versicherungsnehmer (im Folgenden: Versicherungsnehmer) zunächst das von ihm unterzeichnete Antragsformular auf Abschluss des Versicherungsvertrages an den Versicherer übermittelte und dieser dem Versicherungsnehmer die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes in seiner vor dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung (im Folgenden: VAG a.F.) erst zusammen mit der Versicherungspolice zukommen ließ. Widersprach der Versicherungsnehmer nicht binnen 14 Tagen (bei Lebensversicherungen zuletzt binnen 30 Tagen) nach Überlassung der Unterlagen schriftlich, so galt der Vertrag auf Grundlage der Allgemeinen Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen als abgeschlossen (§ 5a Abs. 1 VVG a.F.). In dem Antrag des Versicherungsnehmers war demnach das Vertragsangebot, in der nachfolgenden Übersendung der Vertragsunterlagen die Annahme durch den Versicherer zu sehen. Außerdem setzte der wirksame Vertragsschluss das Unterbleiben des Widerspruchs innerhalb der 14-tägigen (bzw. 30-tägigen) Widerspruchsfrist voraus; bis zu diesem Zeitpunkt war der Versicherungsvertrag nach herrschender Meinung schwebend unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2010 - IV ZR 252/08 -, VersR 2011, S. 337 <338> Rn. 22; Urteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11 -, VersR 2014, S. 817 <818> Rn. 15; jeweils m.w.N.). Die Widerspruchsfrist begann nach dieser Regelung erst dann zu laufen, wenn der Versicherungsnehmer mit Aushändigung der Versicherungspolice über sein Widerspruchsrecht belehrt worden war; abweichend hiervon erlosch das Widerspruchsrecht - auch bei fehlender Belehrung - nach § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie.

3

2. Der Beschwerdeführer hatte bei dem von ihm im Ausgangsverfahren verklagten Versicherer den Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung (Versicherungsbeginn: 1. September 2000) beantragt. Die Verbraucherinformation nach § 10a VAG a.F. sowie eine Belehrung über das Widerspruchsrecht übersandte der Versicherer zusammen mit der Versicherungspolice im August 2000. Im Dezember 2009 widersprach der Beschwerdeführer dem Vertragsschluss gemäß § 5a VVG a.F. und nahm, nach Erstattung des Rückkaufswertes, den Versicherer unter anderem auf Rückzahlung der den Rückkaufswert übersteigenden Prämienzahlungen in Höhe von rund 5.325 € zuzüglich Zinsen in Anspruch, weil der Versicherungsvertrag durch den erklärten Widerspruch unwirksam geworden und somit die Zahlung der Versicherungsprämien ohne rechtlichen Grund erfolgt sei.

4

Das Landgericht wies die Klage ab. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beschwerdeführers wies das Oberlandesgericht, ohne die Revision zuzulassen, durch Urteil zurück.

5

Auf die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde (1 BvR 545/12) hin stellte das Bundesverfassungsgericht eine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem verfassungsmäßigen Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG fest, weil das Oberlandesgericht die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV in offensichtlich unhaltbarer Weise nicht befolgt hatte; es verwies die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils an das Oberlandesgericht zurück (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 2. Juli 2014 - 1 BvR 543-545, 892, 894, 2476/12 -, juris).

6

Mit dem nun von der vorliegenden Verfassungsbeschwerde angegriffenen Urteil wies das Oberlandesgericht die Berufung erneut zurück. Der erst im Dezember 2009 durch den Beschwerdeführer erklärte Widerspruch sei verfristet. § 5a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. verstoße nicht gegen Unionsrecht, sondern werde den Richtlinienvorgaben inhaltlich gerecht. Das habe nunmehr der Bundesgerichtshof (mit Urteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13 -, VersR 2014, S. 1065 <1066 ff.> Rn. 16 ff.) entschieden. Dies entspreche auch der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats, an welcher festgehalten werde. Eine Verpflichtung, die Frage der Unionsrechtskonformität des "Policenmodells" dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorzulegen, bestehe nicht. Denn abgesehen davon, dass - was der Bundesgerichtshof (a.a.O. <1066 ff.> Rn. 16 ff.) bestätigt habe - die Unionsrechtskonformität des "Policenmodells" außer Zweifel stehe, komme es vorliegend auf diese Frage nicht entscheidungserheblich an. Der Bundesgerichtshof habe nämlich (a.a.O. <1069 f.> Rn. 32 ff.) entschieden, dass es einem ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrten Versicherungsnehmer auch im Falle einer unterstellten Unionsrechtswidrigkeit des "Policenmodells" nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt sei, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Auch hierzu sei eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht erforderlich, weil die Maßstäbe für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben in der Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt seien und deren Anwendung auf den Einzelfall den nationalen Gerichten obliege. Vorliegend folge die Treuwidrigkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers daraus, dass er den Vertrag mehr als neun Jahre lang durch Prämienzahlungen durchgeführt und dadurch beim beklagten Versicherer ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages geschaffen habe. Die Revision ließ das Oberlandesgericht nicht zu.

II.

7

Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die erneute Zurückweisung seiner Berufung durch das Oberlandesgericht. Er beanstandet wiederum die Handhabung der Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV und rügt eine Verletzung seiner verfassungsmäßigen Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

8

Indem das Oberlandesgericht davon abgesehen habe, sich zur unionsrechtlichen Rechtslage hinreichend kundig zu machen, und es seine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit einer offenkundig nicht tragfähigen Begründung willkürlich verneint habe, habe es das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) und auch den allgemeinen Justizgewährungsanspruch (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt. Im Einzelnen sehe sich das Urteil des Oberlandesgerichts denselben Angriffen ausgesetzt wie das von ihm zur Begründung seines Rechtsstandpunktes herangezogene Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2014 (IV ZR 73/13, VersR 2014, S. 1065), das Gegenstand einer entsprechenden Verfassungsbeschwerde (2 BvR 2437/14) sei.

9

1. Als letztinstanzlich entscheidendes Gericht sei das Oberlandesgericht verpflichtet gewesen, die Frage, ob das durch § 5a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. eröffnete "Policenmodell" den Vorgaben der Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung; ABl. EG Nr. L 360, S. 1-27 vom 9. Dezember 1992) entspreche, gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorzulegen.

10

Die Auslegung der einschlägigen Richtlinienbestimmungen, nach denen dem Versicherungsnehmer die Informationen "vor Abschluss des Versicherungsvertrages" mitzuteilen seien, sei keinesfalls zweifelsfrei (wird näher ausgeführt unter Hinweis auf das Vorbringen in dem mittlerweile durch Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14 - entschiedenen Verfahren; vgl. dort bei juris, Rn. 19).

11

2. Auch über das vom Oberlandesgericht angenommene rechtsmissbräuchliche Verhalten des Beschwerdeführers habe dieses nicht ohne Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union entscheiden dürfen.

12

Die Formulierung allgemeiner Kriterien für das als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts anerkannte Rechtsmissbrauchsverbot obliege ausschließlich dem Gerichtshof der Europäischen Union. Nur der Gerichtshof könne über den Inhalt der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte entscheiden. Ob verbraucherschützende Widerrufsrechte aus unionsrechtlicher Perspektive durch nationale Vorschriften zur Verwirkung eingeschränkt werden dürften, sei unionsrechtlich ungeklärt. Das Oberlandesgericht verkenne, dass insofern ein "acte clair" gerade nicht vorliege.

13

Ferner setze sich das Oberlandesgericht mit seiner Auffassung, dass ein missbräuchliches Verhalten des Betroffenen auf der Grundlage objektiver Kriterien festgestellt werden könne, ganz offensichtlich in Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Danach handele eine Privatperson nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn ihr Verhalten von der Absicht getragen sei, sich einen Vorteil zu verschaffen.

14

Außerdem verstoße die Annahme einer (objektiv eintretenden) Verwirkung gegen Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts. Der Versicherer habe durch eine rechtzeitige Übermittlung der Verbraucherinformationen vor der Auswahlentscheidung des Versicherungsnehmers klare Verhältnisse schaffen können. Es sei als treuwidrig anzusehen, wenn sich der Versicherer auf das Rechtsinstitut der Verwirkung berufen könne, obwohl er selbst durch eine verspätete Information die rechtzeitige Kenntnis des Versicherungsnehmers von seinen Rechten und Pflichten verhindert habe. Auch stehe die Annahme einer Verwirkung im Widerspruch zu der gesetzlichen Vorgabe, dass ein Verbraucher auf seine Rechte nicht verzichten könne.

15

Mithin sei das Oberlandesgericht in der angegriffenen Entscheidung seiner Vorlagepflicht willkürlich nicht nachgekommen. Es habe sich den Ausführungen des Bundesgerichtshofs in dessen Urteil vom 16. Juli 2014 (IV ZR 73/13, VersR 2014, S. 1065) angeschlossen und sich somit - ebenso wie der Bundesgerichtshof - weder mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union noch mit den unionsrechtlichen Vorgaben befasst.

III.

16

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG).

17

Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die für die Entscheidung im Wesentlichen maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind bereits durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (vgl. BVerfGE 73, 339 <366 ff.>; 126, 286 <315 ff.>; 128, 157 <186 ff.>; 129, 78 <105 ff.>; 135, 155 <230 ff.> Rn. 177 ff.).

18

Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten verfassungsmäßigen Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), weil die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>). Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. Zwar ist die auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2014 (IV ZR 73/13, VersR 2014, S. 1065 <1066 ff.> Rn. 16 ff.) gestützte Auffassung des Oberlandesgerichts, die Unionsrechtskonformität des "Policenmodells" stehe außer Zweifel, verfassungsrechtlich nicht haltbar. Dies hat zur Folge, dass das Oberlandesgericht durch das Unterlassen einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gegen das Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14 -, juris, Rn. 21, 29 ff.).

19

Das angegriffene Urteil beruht aber nicht auf diesem Verfassungsverstoß. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung im Anschluss an den Bundesgerichtshof (a.a.O. <1069 f.> Rn. 32 ff.) maßgeblich auf die Erwägung gestützt, dass es dem ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrten Versicherungsnehmer gemäß den Grundsätzen von Treu und Glauben ohnehin verwehrt sei, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Diese Ansicht ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Insbesondere hat das Oberlandesgericht insoweit durch das Absehen von einer Vorlage zum Gerichtshof der Europäischen Union nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen. Es hat sich unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts die vertretbare Überzeugung gebildet, dass die Maßstäbe für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in einer Weise geklärt sind, die keinen vernünftigen Zweifel offen lässt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14 -, juris, Rn. 21, 42 ff.).

20

1. a) Der Gerichtshof der Europäischen Union ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Unter den Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 AEUV sind die nationalen Gerichte von Amts wegen gehalten, den Gerichtshof anzurufen (vgl. BVerfGE 73, 339 <366 ff.>; 82, 159 <192 f.>; 126, 286 <315>; 128, 157 <186 f.>; 135, 155 <230 f.> Rn. 177; stRspr). Kommt mithin ein deutsches Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des Gerichtshofs im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nicht nach oder stellt es ein Vorabentscheidungsersuchen, obwohl eine Zuständigkeit des Gerichtshofs nicht gegeben ist (vgl. BVerfGE 133, 277 <316> Rn. 91; 135, 155 <231> Rn. 177), kann dem Rechtsschutzsuchenden des Ausgangsrechtsstreits der gesetzliche Richter entzogen sein (vgl. BVerfGE 73, 339 <366 ff.>; 126, 286 <315>; 135, 155 <231> Rn. 177).

21

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union muss ein nationales letztinstanzliches Gericht seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende unionsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union war oder dass die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, C.I.L.F.I.T., Rs. 283/81, Slg. 1982, S. 3415 <3430 f.> Rn. 21).

22

b) Durch die grundrechtsähnliche Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wird das Bundesverfassungsgericht allerdings nicht zu einem Kontrollorgan, das jeden die gerichtliche Zuständigkeitsordnung berührenden Verfahrensfehler korrigieren müsste. Das Bundesverfassungsgericht überprüft nur, ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 82, 159 <194 f.>; 126, 286 <315 f.>; 128, 157 <187>; 129, 78 <106>; 135, 155 <231 f.> Rn. 179 f.; stRspr). Durch die zurückgenommene verfassungsrechtliche Prüfung behalten die Fachgerichte bei der Auslegung und Anwendung von Unionsrecht einen Spielraum eigener Einschätzung und Beurteilung, der demjenigen bei der Handhabung einfachrechtlicher Bestimmungen des nationalen Rechts entspricht. Das Bundesverfassungsgericht wacht allein über die Einhaltung der Grenzen dieses Spielraums (vgl. BVerfGE 126, 286 <316> m.w.N.). Ein "oberstes Vorlagenkontrollgericht" ist es nicht (vgl. BVerfGE 126, 286 <316>; 135, 155 <232> Rn. 180).

23

aa) Hiernach wird die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV insbesondere in den Fällen offensichtlich unhaltbar gehandhabt, in denen ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der - seiner Auffassung nach bestehenden - Entscheidungserheblichkeit der unionsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegt (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht; vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; 135, 155 <232> Rn. 181; stRspr).

24

bb) Gleiches gilt in den Fällen, in denen das letztinstanzliche Hauptsachegericht in seiner Entscheidung bewusst von der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewusstes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft; vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; 135, 155 <232> Rn. 182; stRspr).

25

cc) Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union noch nicht vor oder hat eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht nur als entfernte Möglichkeit, so wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur dann verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (Unvollständigkeit der Rechtsprechung; vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; 135, 155 <232 f.> Rn. 183; stRspr). Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Fachgerichte das Vorliegen eines "acte clair" oder eines "acte éclairé" willkürlich bejahen (vgl. BVerfGE 135, 155 <233> Rn. 184). Das Gericht muss sich daher hinsichtlich des materiellen Unionsrechts hinreichend kundig machen. Etwaige einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs muss es auswerten und seine Entscheidung hieran orientieren (vgl. BVerfGE 82, 159 <196>; 128, 157 <189>; 135, 155 <233> Rn. 184). Auf dieser Grundlage muss sich das Fachgericht unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts (vgl. BVerfGE 75, 223 <234>; 128, 157 <188>; 129, 78 <107>; 135, 155 <233> Rn. 184) die vertretbare Überzeugung bilden, dass die Rechtslage entweder von vornherein eindeutig ("acte clair") oder durch Rechtsprechung in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offen lässt ("acte éclairé"; vgl. BVerfGE 129, 78 <107>; 135, 155 <233> Rn. 184). Unvertretbar gehandhabt wird Art. 267 Abs. 3 AEUV im Falle der Unvollständigkeit der Rechtsprechung insbesondere dann, wenn das Fachgericht ohne sachlich einleuchtende Begründung eine von vornherein eindeutige oder zweifelsfrei geklärte Rechtslage bejaht (vgl. BVerfGE 82, 159 <196>; 135, 155 <233> Rn. 185; zum Vorliegen eines solchen Falles, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Unionsrechts gegenüber der vom Gericht zugrunde gelegten Meinung eindeutig vorzuziehen sind, vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <317>).

26

Bei den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genannten Fallgruppen handelt es sich um eine nicht abschließende Aufzählung von Beispielen für eine verfassungsrechtlich erhebliche Verletzung der Vorlagepflicht. Dabei kommt es für die Prüfung einer Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch Nichtvorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union im Ausgangspunkt nicht in erster Linie auf die Vertretbarkeit der fachgerichtlichen Auslegung des für den Streitfall maßgeblichen materiellen Unionsrechts an, sondern auf die Vertretbarkeit der Handhabung der Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV (vgl. BVerfGE 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>).

27

2. Nach diesen Maßstäben verletzt das Urteil des Oberlandesgerichts den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Auffassung des Oberlandesgerichts, die Richtlinienkonformität des "Policenmodells" stehe außer Zweifel, ist objektiv unvertretbar (a). Die Verfassungsbeschwerde hat gleichwohl keinen Erfolg, weil der Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter nicht entscheidungserheblich war. Das Oberlandesgericht stützt seine Entscheidung maßgeblich und unabhängig von der Frage der Richtlinienkonformität des "Policenmodells" auf die Erwägung, dass es dem Beschwerdeführer gemäß den Grundsätzen von Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt sei, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen. Diese Begründung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (b).

28

a) Die Auffassung des Oberlandesgerichts, bezogen auf das "Policenmodell" stehe die richtige Anwendung des Unionsrechts außer Zweifel, so dass die Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchstabe b, Abs. 3 AEUV entfalle, ist nicht vertretbar und verletzt den Beschwerdeführer in seinem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

29

Insofern liegt ein "acte clair" nicht vor (in diesem Sinne auch: Brömmelmeyer, VuR 2014, S. 447 <450 f., 452>; Roth, VersR 2015, S. 1 <7 f.>). Die vom Berufungsgericht zur Begründung seiner Entscheidung in Bezug genommenen Erwägungen des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13 -, VersR 2014, S. 1065 <1066 ff.> Rn. 16 ff.) sind nicht geeignet, die richtige Anwendung des Unionsrechts als derart offenkundig erscheinen zu lassen, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt. Insoweit und wegen der weiteren Begründung wird im Einzelnen auf den Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14 - verwiesen. Durch diesen ist zwar die gegen das vom Oberlandesgericht herangezogene Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2014 (IV ZR 73/13, VersR 2014, S. 1065) gerichtete Verfassungsbeschwerde im Ergebnis nicht zur Entscheidung angenommen worden. Die 3. Kammer des Zweiten Senats hat jedoch im Einzelnen ausgeführt, dass und aus welchen Gründen die Hilfserwägungen des Bundesgerichtshofs (a.a.O. <1066 ff.> Rn. 16 ff.) zur angeblich außer Zweifel stehenden Richtlinienkonformität des "Policenmodells" im Sinne eines "acte clair" von Verfassungs wegen nicht haltbar sind und gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14 -, juris, Rn. 21, 29 ff.). Die hier zur Entscheidung berufene Kammer des Bundesverfassungsgerichts tritt diesem Standpunkt bei.

30

b) Obgleich das Oberlandesgericht im Zusammenhang mit der Frage nach der Richtlinienkonformität des "Policenmodells" wegen einer unhaltbaren Handhabung der Vorlagepflicht gemäß Art. 267 AEUV gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstößt, beruht das angegriffene Urteil allerdings nicht auf diesem Verfassungsverstoß (vgl. BVerfGE 3, 213 <220>; 134, 106 <120> Rn. 42; stRspr). Das Oberlandesgericht begründet seine Entscheidung nämlich maßgeblich damit, dass es dem ordnungsgemäß nach § 5a VVG a.F. über sein Widerspruchsrecht belehrten Beschwerdeführer wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens gemäß den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt sei, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen. Diese Auffassung ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

31

aa) Die im Anschluss an den Bundesgerichtshof vertretene Annahme des Oberlandesgerichts, die Maßstäbe für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben seien in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13 -, VersR 2014, S. 1065 <1070> Rn. 41 f.), ist vertretbar (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14 -, juris, Rn. 21, 42 ff.; in diesem Sinne auch Roth, VersR 2015, S. 1 <10>). Der Bundesgerichtshof hat die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgewertet und seine Entscheidung hieran orientiert (vgl. BGH, a.a.O. <1070> Rn. 41 f.>). Außerdem hat er seine Rechtsprechung zum Rechtsmissbrauch aufgrund widersprüchlichen Verhaltens auf die Vereinbarkeit mit dem unionsrechtlichen Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz (vgl. BGH, a.a.O. <1070> Rn. 41) beziehungsweise auf die Vereinbarkeit mit den in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union entwickelten Maßstäben für eine Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben überprüft (vgl. BGH, a.a.O. <1070> Rn. 42). Auf dieser Grundlage hat er sich unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts die vertretbare Überzeugung gebildet, dass die Rechtslage durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offen lässt ("acte éclairé").

32

bb) (1) Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, es sei unionsrechtlich ungeklärt, ob verbraucherschützende Widerrufsrechte durch nationale Vorschriften zum Rechtsmissbrauch beschränkt werden dürften, berührt dies zwar das Gebot der praktischen Wirksamkeit. Der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben und des Verbots widersprüchlicher Rechtsausübung (§ 242 BGB) steht dies jedoch nicht entgegen, weil zum einen die Ausübung dieser Rechte in das nationale Zivilrecht eingebettet bleibt und weil zum anderen die nationalen Gerichte ein missbräuchliches oder betrügerisches Verhalten auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union berücksichtigen dürfen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 2. Mai 1996, Paletta, C-206/94, Slg. 1996, I-2357, Rn. 25; Urteil vom 21. Juli 2011, Oguz, C-186/10, Slg. 2011, I-6957, Rn. 25 m.w.N.). Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Umstände des dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Falles ist es jedenfalls nicht unhaltbar, dass das Oberlandesgericht insoweit davon ausgegangen ist, die Ausübung eines möglichen Widerrufsrechts sei nach einer mehr als neun Jahre währenden Vertragsdurchführung rechtsmissbräuchlich.

33

(2) Auch die Auffassung, dass ein missbräuchliches Verhalten allein auf der Grundlage objektiver Kriterien festgestellt werden könne und unredliche Absichten oder ein Verschulden insoweit nicht erforderlich seien, steht nicht in einem erkennbaren Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH, Urteil vom 2. Mai 1996, Paletta, C-206/94, Slg. 1996, I-2357, Rn. 25; Urteil vom 21. Juli 2011, Oguz, C-186/10, Slg. 2011, I-6957, Rn. 25 m.w.N.).

34

Soweit dort darauf hingewiesen wird, ein Missbrauch mache die Feststellung auch eines subjektiven Elements in dem Sinne erforderlich, dass aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich sein müsse, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen worden seien, um sich einen gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Vorteil zu verschaffen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2000, Emsland-Stärke, C-110/99, Slg. 2000, I-11569, Rn. 53; Urteil vom 21. Februar 2006, Halifax, C-255/02, Slg. 2006, I-1609, Rn. 75; Urteil vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, C-196/04, Slg. 2006, I-7995, Rn. 64), betrifft dies die spezielle Frage, wann mit Unionsrecht unvereinbare missbräuchliche Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern vorliegen, das heißt Vorgänge, die nur zu dem Zweck stattfinden, missbräuchlich Vorteile aus dem Unionsrecht zu ziehen oder Vorschriften des Unionsrechts zu umgehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14 -, juris, Rn. 45 m.w.N.). Darum geht es hier jedoch nicht.

35

Dass das Schrifttum die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unterschiedlich interpretiert (vgl. nur Looschelders/Olzen, in: Staudinger, BGB, Buch 2, 2015, § 242 Rn. 1245; Roth/Schubert, in: Münchener Kommentar, BGB, Band 2, 6. Aufl. 2012, § 242 Rn. 156, 158; Englisch, StuW 2009, S. 3 <5 ff., 20>; Baudenbacher, ZfRV 2008, S. 205 <216>; Fleischer, JZ 2003, S. 865 <872>; Zimmermann, Das Rechtsmissbrauchsverbot im Recht der Europäischen Gemeinschaften, 2002, S. 227; Schön, in: Festschrift für Wiedemann, 2002, S. 1271 <1285 f.>), führt, für sich genommen, nicht dazu, dass das Oberlandesgericht an der Bejahung eines "acte éclairé" gehindert wäre.

36

(3) Schließlich hat das Oberlandesgericht den ihm zukommenden Beurteilungsrahmen nicht deshalb in unvertretbarer Weise überschritten, weil die Anwendung von § 242 BGB gegen Sinn und Zweck des Widerspruchsrechts verstieße. Die zugrunde liegende Erwägung, der Zweck der Dritten Richtlinie Lebensversicherung, eine genaue Belehrung des Versicherungsnehmers über sein Rücktrittsrecht vor Abschluss des Vertrages sicherzustellen, werde nicht berührt, wenn einem Versicherungsnehmer, der vom Versicherer dem geltenden nationalen Recht entsprechend ordnungsgemäß belehrt worden sei, nach jahrelanger Durchführung des Vertrages die Geltendmachung eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs unter Berufung auf ein unionsrechtswidriges Zustandekommen des Vertrages verwehrt werde, ist verständlich und nicht offensichtlich unhaltbar. Das gilt auch für die beiden Einwände des Beschwerdeführers, der Versicherer habe durch eine rechtzeitige Übermittlung der Verbraucherinformationen vor der Auswahlentscheidung des Versicherungsnehmers klare Verhältnisse schaffen können, und die Annahme eines Rechtsmissbrauchs stehe im Widerspruch zu der gesetzlichen Vorgabe, dass der Verbraucher auf seine Rechte nicht verzichten könne. Auch wenn der Versicherer den Vertragsschluss im Wege des "Policenmodells" vorgegeben hat und die Informationspflicht nach Art. 31 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung zwingend ausgestaltet ist, folgt hieraus nicht, dass das Vertrauen des Versicherers in den Bestand eines solchermaßen geschlossenen Versicherungsvertrages im Einzelfall nicht gleichwohl vorrangig schutzwürdig sein kann (vgl. auch EuGH, Urteil vom 10. April 2008, Hamilton, C-412/06, Slg. 2008, I-2383, Rn. 49; Art. 10 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/83/EU).

37

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

38

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Tenor

Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers wird die Streitwertfestsetzung im Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 22. Oktober 2014 ‑ 26 O 519/13 -abgeändert.

Der Streitwert wird auf 34.101,92 € festgesetzt.


1 2 3 4 5 6 7 8

Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche werden zusammengerechnet; dies gilt nicht für den Gegenstand der Klage und der Widerklage.