Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss, 30. Sept. 2011 - 3 Wx 128/10
Gericht
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 3. vom 12. November 2010 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oldenburg in Holstein vom 5. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 3. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 28.774,50 €.
Gründe
I.
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Die 1925 geborene und 2009 ledig sowie kinderlos verstorbene Erblasserin hatte 5 Geschwister. Ihre Eltern waren 1979 bzw. 1983 vorverstorben. Ihr Bruder A ist 1971 vorverstorben, die Beteiligten zu 2. bis 4. sind seine Kinder. Ihre Schwester E ist 1996 vorverstorben, die Beteiligten zu 6. bis 8. sind deren Kinder; die Beteiligte zu 5. ist die Tochter eines weiteren vorverstorbenen Kindes der Frau E. Der weitere Bruder der Erblasserin G ist 2003 vorverstorben, die Beteiligte zu 1. ist seine Tochter. Der weitere Bruder der Erblasserin F ist 1982 kinderlos vorverstorben. Eine weitere Schwester der Erblasserin ist schließlich die Beteiligte zu 9.
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Die Erblasserin hatte am 6. Juli 1997 durch handschriftliches Testament wie folgt letztwillig verfügt:
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„Mein letzter Wille
Mit dem heutigen Tage verfüge ich, dass mein vorhandenes Vermögen folgendermaßen aufgeteilt wird:
Meine Nichte U.
Mein Großneffe C.
Meine Nichte S.
Mein Neffe S.
Meine Nichte P.
Meine Großnichte T.
Meine Urgroßnichte (Tochter von T.)
sollen jeder 10.000,- DM erhalten.
Mein Schwager A. soll 20.000,- bekommen.
Nach Abzug aller bei meinem Tode entstandenen Unkosten erhält mein Bruder G. das restliche Vermögen.“
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Die Beteiligte zu 1. hatte zunächst einen Erbschein beantragt, der die Beteiligten zu 1. bis 9. als Erben nach der gesetzlichen Erbfolge ausweisen sollte. Nach einem Hinweis des Amtsgerichtes zur Auslegung des Testaments vom 6. Juli 1997 hat die Beteiligte zu 1. einen Erbschein beantragt, der sie als Alleinerbin ausweist.
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Nach Eingang verschiedener Stellungnahmen von Beteiligten hat das Amtsgericht am 5. Oktober 2010 beschlossen, dass die zur Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet werden. In dem Beschluss ist ausgeführt, das Testament der Erblasserin sei dahin auszulegen, dass der Bruder G als Alleinerbe berufen werden sollte, die übrigen benannten Personen sollten lediglich ein Vermächtnis erhalten. Eine Anordnung für den Fall des (eingetretenen) Vorversterbens dieses Bruders sei in dem Testament nicht getroffen worden. Die Auslegungsregel des § 2069 BGB sei mit Rücksicht darauf, dass die Erblasserin Geschwister bedacht habe, nicht einschlägig. Entscheidend sei, ob im Wege einer – gegebenenfalls – ergänzenden Testamentsauslegung ein Wille der Erblasserin dahin festgestellt werden könne, dass die Abkömmlinge der Bedachten im Falle von deren Vorversterben an deren Stelle treten sollten. Dies sei vorliegend anzunehmen, weil die Erblasserin den zum Erben berufenen G mit „Bruder“ bezeichnet habe und weil die Beteiligte zu 1. der Erblasserin in der letzten Zeit vor ihrem Ableben nahe gestanden habe.
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Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 3. mit Schriftsatz vom 12. November 2010 Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass die Erblasserin in dem Testament keine Erbeinsetzung habe anordnen wollen, sondern dass sie es bei der gesetzlichen Erbfolge belassen wollte. Jedenfalls sei dem Testament nicht zu entnehmen, dass anstelle des als Erben berufenen Bruders G ein Abkömmling von diesem treten sollte. Aus der Tatsache, dass die Erblasserin gewusst habe, dass ihr Bruder G vorverstorben sei und dass sie in dieser Kenntnis eine Änderung des Testaments unterlassen habe, könne entnommen werde, dass sie die gesetzliche Erbfolge gewünscht habe.
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Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 14. Dezember 2012 ausgeführt, der von ihm als testamentarischer Alleinerbe angesehene Bruder G sei von der Erblasserin mit Blick auf das Verwandtschaftsverhältnis als solcher bezeichnet worden. Die Beschwerdeführerin räume selbst ein, dass er der Erblasserin näher stand als die Übrigen Verwandten. Hinsichtlich der Ersatzerbfolge der Beteiligten zu 1. handele es sich um einen Fall der ergänzenden Testamentsauslegung. Die Erteilung von Bank- und Vorsorgevollmachten – wenn auch nach Testamentserrichtung – zeige, dass die Beteiligte zu 1. der Erblasserin besonders nahe gestanden habe. Der regelmäßige Kontakt habe auch schon zur Zeit der Testamentserrichtung bestanden. Es liege der Schluss nahe, dass die Erblasserin durch die vorhandene letztwillige Verfügung alles in dem Sinne als geregelt angesehen hätte, dass die Beteiligte zu 1. als Nachkomme des besonders bedachten Bruders in dessen Erbenstellung eintreten sollte.
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Der Senat hat einen Anhörungstermin anberaumt, zu dem die Beteiligte zu 1. erschienen ist. Hinsichtlich der Anhörung der Beteiligten zu 1. wird auf den Terminsvermerk vom 6. September 2011 Bezug genommen. Der Senat hat diesen Vermerk den Übrigen Beteiligten mit Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 28. September 2011 übersandt. Die Beteiligten zu 3., 4. und 9. haben sich daraufhin wie folgt geäußert:
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Die Beteiligte zu 3. hat ausgeführt, die Beteiligte zu 1. habe nach dem Tod der Erblasserin gesagt, es würden entweder alle erben oder keiner. Die Beteiligte zu 1. habe sich in ihrer Anhörung immer wieder auf Erbschaft und Vollmacht berufen. Das habe doch nichts damit zu tun, wer hier erbberechtigt sei. Es gelte gesetzliche Erbfolge. Die Beteiligte zu 3. hat mit anwaltlichem Schriftsatz gebeten, die Beteiligte zu 9. im Wege der Rechtshilfe zu hören.
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Der Beteiligte zu 4. hat ausgeführt, die Beteiligte zu 1. habe nach dem Tod der Erblasserin geschrieben, es würden entweder alle etwas bekommen, oder alle nichts. Wenn die Erblasserin gewollt hätte, dass die Beteiligte zu 1. Alleinerbin werde, dann wäre das Testament nach dem Ableben von Herrn G geändert worden. Der verbleibende Rest des Vermögens – soweit nicht Geldbeträge im Testament konkret zugeordnet würden – solle nach geltendem Recht den Beteiligten zugeordnet werden. Damit sollten sich die Beteiligten zufrieden geben. Die Beteiligte zu 9. habe zur Erblasserin in früheren Jahren engen Kontakt gehabt, in den letzten Jahren nur in unregelmäßigen Abständen. Sie hätte aber noch zwei Wochen vor ihrem Tod mit der Erblasserin telefoniert.
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Die Beteiligte zu 9. hat ausgeführt, sie habe sehr guten Kontakt zur Erblasserin gehabt, denn die Erblasserin habe über 10 Jahre bei den gemeinsamen Eltern und dem Bruder F in L Urlaub gemacht, meist 3 Wochen. Die Mutter sei 1979 gestorben, der Bruder F 1982, der Vater 1983. Danach habe die Erblasserin ihr gesagt, sie solle doch zu ihr nach H ziehen. Sie habe soviel Geld, das würde für beide reichen. Das habe die Beteiligte zu 9. aber mit Hinweis auf ihre 3 Kinder und zwei zu pflegende Gräber abgelehnt. Sie – die Beteiligte zu 9. – habe die Erblasserin dann noch 1984 und 1986 besucht. Danach hätten sie in langen Abständen telefoniert, das letzte Mal 14 Tage vor ihrem Tod.
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Auf den weiteren Inhalt der schriftlichen Stellungnahmen der Beteiligten wird ergänzend Bezug genommen.
II.
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Die Beschwerde ist nach den §§ 58 ff FamFG zulässig hat aber in der Sache keinen Erfolg, denn das Amtsgericht hat zu Recht entschieden, dass die Voraussetzungen für die Erteilung des von der Beteiligten zu 1. beantragten Erbscheins, der sie als Alleinerbin nach der Erblasserin ausweist, vorliegen.
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1. Mit dem Amtsgericht legt der Senat das Testament der Erblasserin vom 6. Juli 1997 zunächst dahin aus, dass der vorverstorbene Bruder G dort als Alleinerbe vorgesehen war, während die übrigen genannten Personen in Höhe der genannten Beträge ein Vermächtnis erhalten sollten.
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Das Amtsgericht hat zutreffend ausgeführt, es müsse dann, wenn – wie hier – der Nachlass durch letztwillige Verfügungen erschöpft werde, davon ausgegangen werden, dass diese Verfügungen auch eine Erbeinsetzung enthalten, weil regelmäßig nicht anzunehmen sei, dass der Erblasser überhaupt keine Erben berufen wolle (unter Verweis auf BayObLG FamRZ 2003, 119 ff). Aus dem Umstand, dass die Erblasserin in dem Testament ihren gesamten Nachlass verteilt hat, folgt allerdings keineswegs zwangsläufig, dass alle bedachten Personen zu Erben berufen sind.
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Im vorliegenden Fall ergeben Wortlaut und Aufbau des Testamentes bereits einen deutlichen Hinweis darauf, dass der Bruder G Alleinerbe sein sollte, die übrigen Genannten dagegen nur ein Vermächtnis erhalten sollten. Während nämlich den zunächst genannten 8 Personen jeweils konkret Summen von 10.000 DM (in sieben Fällen) bzw. 20.000 DM (in einem Fall) zugeordnet werden, heißt es sodann optisch durch Einrückung abgesetzt, dass „mein Bruder G“ das restliche Vermögen erhalten solle, und zwar „nach Abzug aller bei meinem Tode entstandenen Unkosten“. Mit der Zuwendung des restlichen Vermögens ist (allein) dem Bruder der Nachlass zugeordnet worden, während die anderen Bedachten nur eine Zahlung aus dem Nachlass erhalten sollten. Dabei ist nicht entscheidend, ob dem Erben, hier dem Bruder G, nach Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten noch ein mehr oder weniger großer wirtschaftlicher Vorteil an der Erbschaft verbleibt (BayObLG a. a. O.). Allerdings ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Erblasserin nach dem eingereichten Fragebogen zu den Nachlasswerten aus Dezember 2009 ein Vermögen in Wert von rund 92.200,00 € hinterlassen hat; daneben hat es weiteres Sparvermögen gegeben, das allerdings in der mit dem Nachlasswertfragebogen von der Beteiligten zu 1. zur Akte gereichten Bescheinigung der Sparkasse H mit „VZD“ bezeichnet worden ist. Auch wenn für das in den Nachlass fallende Vermögen nur auf die genannten 92.200 € abgestellt wird und wenn davon die Vermächtnisse in Höhe von rd. 46.000 € (90.000 DM) sowie die Beerdigungskosten abgezogen werden, ist ersichtlich, dass die Erblasserin mit der letztwilligen Zuwendung ihres restlichen Vermögens ihrem Bruder G tatsächlich einen gegenüber den einzelnen Vermächtnissen deutlich größeren Teil ihres Vermögens zugewendet hat. Das ist ein weiterer Hinweis auf die von der Erblasserin gewollte Alleinerbenstellung des Bruders G.
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Für die Auslegung eines Testamentes sind über den Wortlaut und die Systematik des Testamentstextes hinaus aber auch sonstige Umstände vor und unter Umständen auch nach der Testamtserrichtung von Bedeutung. Im vorliegenden Fall hat die Anhörung der Beteiligten zu 1. durch den Senat ergeben, dass die Erblasserin ihrem Bruder G am gleichen Tag der Testamentserrichtung, nämlich am 6. Juli 1997, eine schriftliche Bankvollmacht erteilt hat. Das unterstreicht im Besonderen das Näheverhältnis und die herausgehobene Stellung des Bruders G für die Erblasserin im Zeitpunkt der Testamentserrichtung und gibt einen weiteren Hinweis darauf, dass ihm auch in dem Testament eine besondere Stellung gegenüber den Übrigen dort genannten Verwandten zukommen soll, nämlich die des Alleinerben. Dafür spricht weiter, dass die Beteiligte zu 1. dem Senat bei ihrer Anhörung ein besonderes Näheverhältnis der Erblasserin zu diesem Bruder schon vor, aber gerade auch in der Zeit nach dem Fall der Mauer hat deutlich werden lassen.
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Dass insoweit ein besonders herzliches geschwisterliches Verhältnis zwischen der Erblasserin und G bestand, nehmen die Beschwerdeführerin und die Beteiligte zu 9. (als einzige noch Überlebende Schwester der Erblasserin) nicht in Abrede. Es kann als richtig unterstellt werden, wenn die Beteiligte zu 9. ausführt, dass auch sie ein gutes Verhältnis zur Erblasserin hatte und diese ihr sogar nach dem Tod des Vaters 1983 angeboten hatte, in H zusammenzuleben, auch und gerade von dem Geld der Erblasserin. Indes hat die Beteiligte zu 9. auch ausgeführt, dass der letzte Besuchskontakt von 1986 stammt und danach nur in längeren Abständen Telefonate stattfanden. Nicht zu übersehen ist, dass die Beteiligte zu 9. und ihre Abkömmlinge in dem Testament von 1997 nicht erwähnt und berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, ob in den späteren Lebensjahren der Erblasserin möglicherweise sogar Streit mit der Beteiligten zu 9. herrschte, oder aber weiter gutes Einvernehmen. Im Testament hat jedenfalls nur der Bruder G eine herausgehobene Stellung, eben die als Alleinerbe, gefunden.
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2. Zu Recht ist das Amtsgericht im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beteiligte zu 1. als Ersatzerbin nach ihrem Vater G Alleinerbin der Erblasserin geworden ist.
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Der Senat ist dabei von folgenden Grundsätzen ausgegangen:
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(1.) Das Recht der Ersatzerben geht dem Anwachsungsrecht vor (§ 2099 BGB). Mithin ist zunächst aufgrund Auslegung zu prüfen und festzustellen, ob eine Ersatzerbenregelung von den Testierenden gewollt gewesen ist.
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(2.) Die für die Berufung von Abkömmlingen geltende Auslegungsregel des § 2069 BGB kann im Fall der Berufung von anderen nahen Verwandten, z.B. von Geschwisterkindern nicht entsprechend angewendet werden (BGH NJW 1973, 240; Palandt-Weidlich, BGB, 70. Aufl., § 2069 Rdnr. 8).
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(3.) In einem solchen Fall ist durch Auslegung zu ermitteln, ob in der Einsetzung des Erben zugleich die Kundgabe des Willens gesehen werden kann, die Abkömmlinge des Bedachten als Ersatzerben zu berufen. Dabei ist primär zu prüfen, ob der Erblasser im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments an die Möglichkeit eines vorzeitigen Wegfalls des von ihm eingesetzten Erben tatsächlich gedacht hat und was er für diesen Fall wirklich oder mutmaßlich gewollt hat.
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(4.) Wenn der wirkliche oder mutmaßliche Wille des Erblassers nicht festgestellt werden kann, ist eine ergänzende Auslegung in Betracht zu ziehen. Danach ist zu prüfen, was von dem Erblasser zur Zeit der Errichtung des Testaments als gewollt anzusehen ist, wenn er vorausschauend das spätere Ereignis bedacht haben würde.
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(5.) Ist der Bedachte eine dem Erblasser nahe stehende Person, so legt die Lebenserfahrung die Prüfung nahe, ob der Erblasser eine Ersatzerbenberufung der Abkömmlinge des Bedachten gewollt hat oder gewollt haben würde. Entscheidend ist, ob die Zuwendung dem Bedachten als Ersten seines Stammes oder nur ihm persönlich gegolten hat.
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(6.) Dabei kann die erforderliche Andeutung im Testament schon in der Tatsache der Berufung der ihm nahestehenden Person zum Erben gesehen werden (vgl. BGH NJW 1973, 240; BayObLG FamRZ 1997, 641; ZEV 1999, 353; ZEV 2004, 463; 2007, 93; Hausmann/Hohloch, Handbuch des Erbrechts, IV Rdnr.42; MünchKomm-Leipold, BGB, 5. Aufl., § 2069 Rdnr. 33/34; Palandt-Weidlich, aaO., § 2069 Rdnr. 9/10; Staudinger/Otte, BGB, Neubearbeitung 2003, § 2060 Rdnr. 26 ff).
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Im vorliegenden Fall lässt sich im Wege der individuellen Testamentsauslegung nicht feststellen, dass die Erblasserin am 6. Juli 1997 tatsächlich an die Möglichkeit des vorzeitigen Wegfalls ihres eingesetzten Erben gedacht hat - der 1931 geborene Bruder war deutlich jünger als die 1925 geborene Erblasserin - und was sie für diesen Fall wirklich gewollt hat.
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Im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung lässt sich indes feststellen, dass die Erblasserin die Beteiligte zu 1. als Ersatzerbin berufen hätte, wenn sie das Vorversterben ihres Bruders G, des Vaters der Beteiligten zu 1., im Zeitpunkt der Testamentserrichtung bedacht hätte.
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Dem Testament kann zunächst entnommen werden, dass die Erblasserin keinesfalls gesetzliche Erbfolge wollte. Die Erblasserin hat ihre Geschwister und deren Abkömmlinge nämlich ersichtlich nicht gleichmäßig bedenken wollen. Die Kinder des vorverstorbenen Bruders A – die Beteiligten zu 2. bis 4. – und ihre Schwester U - die Beteiligte zu 9. - sowie deren Abkömmlinge sind nicht bedacht worden. Dagegen hat sie den Kindern ihrer vorverstorbenen Schwester E (einschließlich der Tochter eines vorverstorbenen Kindes der Schwester E) und deren Ehemann ein Vermächtnis ausgesetzt, ebenso der Beteiligten zu 1. als Kind ihres zum Alleinerben eingesetzten Bruders G, aber auch dem Sohn der Beteiligten zu 1.
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Den vorstehenden Ausführungen lässt sich bereits entnehmen, dass die Erblasserin ihre nahen Verwandten allerdings durchaus nach Stämmen bedacht oder eben nicht bedacht hat. Deswegen liegt die Annahme nahe, dass sie ihren Bruder G als Ersten seines Stammes zum Alleinerben berufen hat. Sie hat daneben seinen Stamm – nämlich Tochter und Enkel - weiter mit Vermächtnissen bedacht.
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Auch und gerade die Beteiligte zu 1. ist darüber hinaus schon im Zeitpunkt der Testamentserrichtung eine der Erblasserin nahe stehende Person gewesen. Die Beteiligte zu 1. hat bei ihrer Anhörung durch den Senat in jeder Hinsicht glaubwürdig deutlich gemacht, dass sich die herzliche und gute Beziehung zwischen der Erblasserin und ihrem Bruder G schon in den Zeiten der räumlichen Trennung durch den Wohnsitz der Familie des Herrn G in der DDR gerade auch auf dessen Tochter, die Beteiligte zu 1., bezog, die schon als Kind in Briefkontakt mit der Tante aus Westdeutschland stand. Kurz nach der Grenzöffnung hat dementsprechend auch nicht nur der Vater der Beteiligten zu 1. sondern auch dessen Frau, die Beteiligte zu 1. und deren Sohn die weite Fahrt mit dem Trabant zur Erblasserin angetreten und diese für immerhin 14 Tage besucht. Die Beteiligte zu 1. hat lebhaft und anschaulich das herzliche Verhältnis der Verwandten trotz der langen Trennung durch die Teilung Deutschlands beschrieben. Sie hat aber auch deutlich gemacht, dass sich in der Folgezeit nicht nur der telefonische und briefliche Kontakt zwischen ihr und der Erblasserin fortgesetzt hat, sondern es ab 1994 dann auch zu mehreren längeren Besuchen ihrerseits in H gekommen ist.
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Von Bedeutung für den Senat ist, dass sich das besondere Vertrauensverhältnis zwischen der Erblasserin und ihrem Bruder G ersichtlich nahtlos auf die Beteiligte zu 1. fortgesetzt hat. Das gilt nicht nur für die Besuchskontakte und zunehmenden Hilfeleistungen der Beteiligten zu 1. für die Erblasserin – insoweit im Unterschied zu allen anderen Beteiligten - sondern auch für die Vollmachtserteilung. Hatte die Erblasserin zunächst am Tage der Testamentserrichtung ihrem Alleinerben auch Bankvollmacht erteilt, wurden einige Jahre später dann nach dem Tode des Herrn G eben der Beteiligten zu 1. Bank- und Vorsorgevollmachten erteilt. Bereits in dem Zeitraum kurz nach Testamentserrichtung hat die Erblasserin der Beteiligten zu 1. zudem nicht nur von der Testamentserrichtung und der Einsetzung ihres Vaters berichtet, sondern ihr einen Schlüssel zu der Kassette mit der Bitte um Stillschweigen anvertraut, in der sie ein Testamentsoriginal und die Vollmacht für den Vater, später die Vollmachten für die Beteiligte zu 1. sowie weitere wichtige Unterladen verwahrte. Die Beteiligte zu 1. ist von der Erblasserin also in zeitlicher Nähe zur Testamentserrichtung über diese Dokumente nicht nur in Kenntnis gesetzt worden, sondern ihr ist seitens der Erblasserin mit der Schlüsselübergabe eine besondere, gegenüber allen anderen Verwandten herausgehobene Stellung gerade in Bezug auf das Testament zuteil geworden. Diese herausgehobene Stellung hat die Erblasserin Zeit ihres Lebens auch nicht mehr geändert, vielmehr sogar durch die Vollmachtserteilungen noch – durchaus konsequent - intensiviert.
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Das besondere Verhältnis der Beteiligten zu 1. zur Erblasserin haben die übrigen Beteiligten auch nicht in Abrede genommen. Der Beteiligte zu 4. hat mit Schreiben vom 13. Juni 2010 sogar ausdrücklich bestätigt, dass die Beteiligte zu 1. die Erblasserin „nach der Wende“ besucht und ihr geholfen habe, („weil sie seit einigen Jahren in Frührente ist“).
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Der Senat hat nach alledem keinen Zweifel, dass nicht nur der Bruder G gerade auch dessen Stamm, nämlich insbesondere die Beteiligte zu 1. als dessen Tochter, schon im Zeitpunkt der Testamentserrichtung für die Erblasserin eine gegenüber allen anderen Verwandten herausragende Bedeutung hatte, so dass die Alleinerbeneinsetzung des Bruders auch und gerade ihm als Ersten seines Stammes gegolten hat. Die Erblasserin hat ihr besonderes Vertrauen und ihre besondere Zuneigung zu diesem Bruder schon vor der Testamentserrichtung und fortlaufend darüber hinaus bis zu ihrem Tod auch in der Person der ihr nahestehenden Beteiligten zu 1. nahtlos fortgesetzt. Deshalb führt die ergänzende Testamentsauslegung zu dem Ergebnis, dass die Erblasserin die Beteiligte zu 1. im Zeitpunkt der Testamentserrichtung zur Ersatzerbin an Stelle ihres als Alleinerben eingesetzten Bruders G berufen hätte, wenn sie dessen Vorversterben seinerzeit vorausschauend bedacht hätte.
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Dieses Ergebnis der ergänzenden Testamentsauslegung wird nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass die Erblasserin ihr Testament nach dem Tod des Bruders G 2003 allerdings nicht mehr geändert hat. Denn die vorstehend aufgezeigten Umstände – insbesondere die Übergabe des Kassettenschlüssels und die Vollmachterteilung – sprechen dafür, dass die Erblasserin alles als ausreichend klar geregelt ansah.
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Für die Entscheidung hat es der vorherigen Anhörung der Beteiligten zu 9. im Wege der Rechtshilfe, wie von der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 23. September 2011 erbeten, nicht bedurft. Die Beteiligte zu 9. hat sich nämlich mehrfach schriftlich zur Sache geäußert, zuletzt nach Zusendung des Protokolls über den Anhörungstermin des Senats mit Schreiben vom 15. September 2011. Sie hat dabei die denkbaren Fragen des Senats, die er ihr bei Anwesenheit im Anhörungstermin gestellt hätte oder auch im Wege der Anhörung durch einen auswärtigen Richter hätte stellen können, bereits beantwortet. Diese Antworten hat der Senat auch bedacht. Maßgebliches für die Auslegung des Testamentes der Erblasserin ergibt sich daraus jedoch nicht. Die Beteiligte zu 9. hat von ihren guten Kontakten zu der Erblasserin und von deren Plänen und Vorschlägen einerseits zu einem gemeinsamen Leben in H und andererseits zu ihrem Nachlass im Zeitraum nach dem Tod der Eltern (1979 bzw. 1983) berichtet. Das aber war viele Jahre vor dem hier fraglichen Testament von 1997. Der letzte Besuchskontakt fand schon 1986 statt, danach telefonierten die Erblasserin und die Beteiligte zu 9. nur noch in langen Abständen. Zu dem auszulegenden Testament von 1997 hat die Beteiligte zu 9. bereits in ihrem Schreiben an das Amtsgericht vom 27. Juli 2010 erklärt, sie könne sich den Inhalt des Testamtes nicht erklären. Sie kann mithin zur Auslegung des Testamentes nichts Maßgebliches beitragen und hat auch ausdrücklich erklärt, sie könne das, was die Beteiligte zu 1. ausgesagt habe, mangels eigener Kenntnis weder bejahen noch verneinen.
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Soweit mehrere Beteiligte hervorheben, dass die Beteiligte zu 1. nach dem Tod der Erblasserin zunächst Äußerungen dahin gemacht habe, es würden alle Beteiligten erben und soweit sie zunächst auch einen entsprechenden Erbscheinsantrag zur Niederschrift der Rechtspflegerin des Amtsgerichts N gestellt hat, ergibt sich auch daraus nichts Abweichendes. Maßgeblich ist der letzte Wille der Erblasserin und mithin die Auslegung ihres Testamentes. Aus diesem ergibt sich aber nicht bereits dem Wortlaut nach, sondern erst durch ergänzende Testamentsauslegung die Ersatzerbeneinsetzung der Beteiligten zu 1., so dass nicht verwundert, dass die mit Testamentsauslegung ansonsten nicht befasste und auch anwaltlich nicht beratene Beteiligte zu 1. aus diesem Testament zunächst nicht die richtigen Schlüsse gezogen hat.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.
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Der Geschäftswert orientiert sich an dem reinen Nachlasswert nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten (§ 107 Abs. 2 KostO). Abzuziehen sind also die Beerdigungskosten, aber auch die Vermächtnisse (Lappe in Korintenberg u.a., KostO, 18. A. 2010, 3 107 Rn. 19 f). Der reine Nachlasswert folgt hier aus den Angaben der Beteiligten zu 1. in dem zur Nachlassakte gereichten Wertfragebogen unter Berücksichtigung der dort beigefügten Aufstellung der Sparkasse H. Die angegebenen Beerdigungskosten von 7.800 € und die Vermächtnisse von 46.016 € (90.000 DM) sind abgezogen, die von der Sparkasse H mit VZD bezeichneten Sparkonten nicht berücksichtigt. Dann ergäbe sich ein Wert von 38.366 €. Zu bedenken ist aber, dass die Beteiligte zu 3. der Auffassung ist, es sei gesetzliche Erbfolge eingetreten, wie von der Beteiligten zu 1. mit ihrem ursprünglichen Erbscheinsantrag geltend gemacht. Dann würde die Beteiligte zu 1. allerdings jedenfalls Miterbin zu ¼ sein, weshalb nur die restlichen ¾ des reinen Nachlasswertes den Geschäftswert des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ausmachen.
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Hat der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht und fällt dieser nach der Errichtung des Testaments weg, so ist im Zweifel anzunehmen, dass dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden.
Das Recht des Ersatzerben geht dem Anwachsungsrecht vor.
Hat der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht und fällt dieser nach der Errichtung des Testaments weg, so ist im Zweifel anzunehmen, dass dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden.
Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.