Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 11. Mai 2017 - 4 Bf 96/16

bei uns veröffentlicht am11.05.2017

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgrund mündlicher Verhandlung vom 3. Februar 2016 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt von der Beklagten, es zu unterlassen, sich aus der rückwirkenden Erhöhung des Familieneigenanteils von Leistungsberechtigten ergebende Rückforderungen mit seinen aktuellen Forderungen gegen die Beklagte, die ihren Rechtsgrund in einem Betreuungsverhältnis zu Dritten haben, zu verrechnen.

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Der Kläger betreibt die Kindertagesstätte Sch., in der im Rahmen des sog. Kita-Gutscheinsystems unter anderem ein 2009 geborenes Kind betreut wird. Mit Bescheid vom 28. Dezember 2010 bewilligte die Beklagte den selbstständig tätigen Eltern dieses Kindes für 2011 Kostenerstattung für dessen Betreuung in einer Krippe, wobei ein Familieneigenanteil in Höhe von zunächst 122,-- Euro monatlich berücksichtigt wurde. Dieser Betrag wurde aufgrund von Neuberechnungen des Einkommens der Eltern noch im Jahr 2011 auf 63,-- Euro bzw. 42,-- Euro herabgesetzt. Für die Betreuung erhielt der Kläger für den Zeitraum bis zum 31. Juli 2011 monatlich insgesamt 891,-- Euro und danach monatlich insgesamt 907,-- Euro. Der Kläger rechnete den Familieneigenanteil gegenüber den Eltern des betreuten Kindes und das restliche Entgelt gegenüber der Beklagten ab.

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Nach Vorlage des Steuerbescheides der Eltern für das Jahr 2011 vom 26. März 2013 setzte die Beklagte mit Bescheid vom 16. Oktober 2013 den Familieneigenanteil für den ursprünglichen Bewilligungszeitraum auf monatlich 428,-- Euro bzw. ab dem 1. August 2011 auf monatlich 307,-- Euro herauf. Die Differenz zwischen dem neu festgesetzten und dem ursprünglich festgesetzten Familieneigenanteil zahlten die Eltern an den Kläger.

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Mit Schreiben vom 28. Oktober 2013 unterrichtete die Beklagte den Kläger über die aktuelle monatliche Anweisung, bei der 3.856,45 Euro als für die Betreuung von L. überzahlter Betrag abgezogen wurden.

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Am 23. Mai 2014 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung hat er unter anderem vorgetragen, die Beklagte verrechne Ansprüche, die aus der rückwirkenden Verminderung des Kostenerstattungsanspruchs des Kindes resultierten, zu Unrecht mit aktuellen Zahlungsansprüchen der Träger von Kindertagesstätten, die mit der die Rückforderung begründenden Betreuungsleistung nichts zu tun hätten. An dieser Verfahrensweise halte sie trotz seines vorprozessualen Vorbringens fest. Sofern im Einzelfall überhöhte Leistungen gewährt worden seien, sei ein Rückforderungsanspruch aus § 50 SGB X gegenüber dem Kind, das auch den Zahlungsanspruch aus § 7 Abs. 1 KibeG habe, der durch Leistung an den Träger der Einrichtung erfüllt werde, geltend zu machen. Angesichts der Regelung des § 50 SGB X sei kein Raum für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Die Auslegung des § 21 Abs. 2 KibeG, auf die sich die Beklagte stütze, verletze ihn in seinen Rechten, da er das Risiko des Ausfalls seiner Forderung gegen das betreute Kind trage. § 21 Abs. 2 KibeG diene nur der kurzfristigen und unbürokratischen Korrektur von Überzahlungen infolge von Abrechnungsfehlern. In einem Fall, in dem genau das dem Leistungsberechtigten Bewilligte gezahlt worden sei, handele es sich indes nicht um eine Überzahlung im Sinne des § 21 Abs. 2 KibeG, sondern um eine originär neue Forderung der Beklagten gegen den Belasteten des Rückforderungsbescheides nach § 50 SGB X.

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Der Kläger hat beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Forderungen aus rückwirkender Neuberechnung von Familieneigenanteilen gegenüber Leistungsberechtigten nach dem KibeG mit seinen Forderungen gegen die Beklagte und/oder mit Zahlungen der Beklagten an ihn, deren Rechtsgrund in einem Verhältnis zu Dritten begründet ist, zu verrechnen.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte hat unter anderem erwidert, Rechtsgrundlage für die zur Verrechnung gestellte Gegenforderung sei der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch. Sie habe dem Kläger Kosten in nicht geschuldeter Höhe erstattet, da rückwirkend ein höherer Familieneigenanteil festgesetzt worden sei. Der ihr zustehende Rückzahlungsanspruch gegenüber dem Kläger korrespondiere mit dessen Zahlungsanspruch aus § 7 Abs. 3 KibeG. Die Fallkonstellation sei vergleichbar mit dem zivilrechtlichen Vertrag zugunsten Dritter, wobei der Kläger Dritter sei. Das bereicherungsrechtliche Leistungsverhältnis bestehe, wenn - wie hier - das Forderungsrecht gegen den Versprechenden ausschließlich dem Dritten zustehen solle, nur zwischen dem Versprechenden (Beklagte) und dem Leistungsempfänger (Kläger), gegen den sich dann auch der Bereicherungsanspruch richte. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch werde nicht durch § 50 SGB X verdrängt, da dem Kind keine finanzielle Leistung erbracht worden sei. Konsequenterweise erhielten Träger im Falle einer rückwirkenden Herabsetzung des Familieneigenanteils nachträglich auch eine höhere Kostenerstattung. Die Verrechnungspraxis sei nach § 21 Abs. 2 KibeG rechtmäßig. Die Auslegung des Klägers, wonach diese Vorschrift nur der kurzfristigen und unbürokratischen Korrektur von Fehlern diene, laufe dem sich aus der Gesetzesbegründung ergebenden Sinn und Zweck der Vorschrift, eine reibungslose Leistungsabrechnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu ermöglichen, zuwider. Der Bewilligungsbescheid werde dem Kind erteilt, er setze die Eltern in die Lage, einen privatrechtlichen Betreuungsvertrag mit dem Träger zu schließen, dem sie den vollen Kostenbetrag schuldeten. Sie, die Beklagte, verpflichte sich lediglich, einen Teil der Kosten zu übernehmen und schuldbefreiend an den Kläger zu zahlen. Im Falle einer Überzahlung aufgrund geänderter Einkommensverhältnisse erfolge die Aufhebung auf gleichem Wege gegenüber dem Adressaten des Bewilligungsbescheides und mindere gleichzeitig rückwirkend den von ihr zu leistenden Teil, so dass eine Überzahlung gegenüber dem Träger stattgefunden habe, die mit laufenden Zahlungen an diesen Träger verrechnet werden könne. Im Rahmen der Leistungsabrechnung gegenüber dem Träger erfolge der Hinweis auf den Verrechnungsbetrag, der Träger könne sich sodann im Rahmen des privatrechtlichen Betreuungsvertrages an den Vertragspartner halten, wie dies im zu Grunde liegenden Fall auch geschehen sei. Die Forderung sei durch die Eltern beglichen worden.

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Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 3. Februar 2016 stattgegeben: Rechtsgrundlage sei der allgemeine öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch. Der Beklagten stehe gegenüber dem Kläger kein Rückzahlungsanspruch zu, den sie mit seinen Forderungen verrechnen könne. In den Fällen der rückwirkenden Aufhebung eines Bewilligungsbescheides ergebe sich der Erstattungsanspruch aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Angesichts dieser spezialgesetzlichen Normierung sei ein Rückgriff auf den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch ausgeschlossen. Eine Leistung im Sinne von § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X liege gegenüber dem Kind vor, das nach § 7 Abs. 1 KibeG einen anteiligen Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Beklagten habe, der durch den Gutschein bewilligt und durch Zahlung der Beklagten an den Leistungserbringer erfüllt werde, § 7 Abs. 3 KibeG. Die Zahlung stelle auch eine Leistung an den Träger dar, dem ein eigener Anspruch auf Zahlung der Kostenerstattung nach § 21 Abs. 1 KibeG zustehe. Ein Erstattungsanspruch nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X bestehe trotz der doppelten Leistungsbeziehung indes ausschließlich im Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Kind. Dies ergebe sich aus Wertungsgesichtspunkten. So sei bei der Rückabwicklung eines echten Vertrages zugunsten Dritter dann, wenn der Rückerstattungsschuldner nicht allein anhand der Leistung ermittelt werden könne, eine wertende Entscheidung aufgrund der Interessenlage vorzunehmen. Bei Fehlern im Deckungsverhältnis könne grundsätzlich nur beim Versprechensempfänger kondiziert werden. Da das Forderungsrecht auf Zahlung der Kostenerstattung nicht ausschließlich dem Kläger, sondern auch dem Kind zustehe, komme eine Ausnahme von diesem Grundsatz nicht in Betracht. Zudem würde die mit § 21 Abs. 1 KibeG beabsichtigte Besserstellung des Klägers entwertet, wenn damit zugleich ein möglicher Rückerstattungsanspruch der Beklagten verbunden wäre. Die Geltendmachung der Rückforderung greife auch in Rechte des Klägers ein, da es ihm - anders als der Beklagten nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X - nicht möglich wäre, seinerseits eine Rückforderung gegenüber den Eltern des Kindes oder dem Kind durchzusetzen. Aufgrund der auf § 22 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 6 KibeG beruhenden Regelung in § 4 Abs. 3 des Betreuungsvertrages erlösche der vertragliche Anspruch des Klägers gegenüber den Sorgeberechtigten mit der Zahlung durch die Beklagte in entsprechender Höhe. Der Anspruch aus dem Betreuungsvertrag lebe auch durch die spätere Aufhebung des Bewilligungsbescheides gegenüber dem anspruchsberechtigten Kind nicht wieder auf. Sowohl die Sorgeberechtigten als auch das Kind könnten sich gegenüber dem Kläger auf Erfüllung in Höhe der Zahlung durch die Beklagte berufen. Einen nachträglichen Wegfall der Erfüllung kenne die Rechtsordnung nicht. Dem Kläger stehe auch kein Anspruch nach §§ 812 ff. BGB gegen die Sorgeberechtigten zu, weil diese ihre Befreiung von der Verbindlichkeit aus dem Betreuungsvertrag nicht durch eine Leistung des Klägers im bereicherungsrechtlichen Sinne, sondern durch eine Leistung der Beklagten erhalten hätten. Angesichts des Vorrangs der Leistungsbeziehung scheitere auch eine Nichtleistungskondition. Zwar hätte der Kläger sich einen vertraglichen Rückforderungsanspruch durch entsprechende Gestaltung des Betreuungsvertrages verschaffen können, er sei jedoch nicht verpflichtet, im Betreuungsvertrag über die in § 22 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 6 KibeG gesetzlich vorgeschriebenen Inhalte hinausgehende Vereinbarungen zu treffen. Das Ergebnis stehe nicht im Widerspruch zur Gesetzesbegründung des § 21 Abs. 1 KibeG und den §§ 21, 22 des Landesrahmenvertrages. Die in der Gesetzesbegründung angeführte reibungslose Leistungsabrechnung inklusive der Rückabwicklung sei bezogen auf einfache, einen überschaubaren Zeitraum betreffende und rechnerisch leicht nachvollziehbare Konstellationen. Der vorliegende Fall, in dem es nach mehreren Jahren zu einer rückwirkenden Neuberechnung der Familieneigenanteile komme, die eine teilweise Rückabwicklung der bereits über einen längeren oder sogar schon abgeschlossenen Zeitraum gewährten Mittel innerhalb des Dreiecksverhältnisses zwischen dem Kläger, der Beklagten und dem Kind notwendig mache, sei nicht erfasst. Aus dem Zusammenhang von § 21 Abs. 2 Satz 2 KibeG und § 21 Abs. 1 Satz 3 des Landesrahmenvertrages ergebe sich, dass mit der „nächsten Zahlung“ ausschließlich die auf den Monat der Überzahlung folgende Abschlagszahlung gemeint sein könne. Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen.

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Mit ihrer am 25. Juli 2016 eingegangenen Berufung wendet sich die Beklagte gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts. Sie trägt unter anderem vor, ihr stehe ein eigener Rückzahlungsanspruch gegenüber dem Kläger aus dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zu. § 50 SBG X sei nur insoweit eine abschließende spezialgesetzliche Normierung, als Rechtsbeziehungen zwischen öffentlichem Leistungsträger und Leistungsempfänger durch Verwaltungsakt geregelt würden. Der Vorrang des § 50 SGB X könne nicht gelten, wenn parallel zusätzliche, eigenständige Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten eines sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses existierten. Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kita-Träger und ihr bestimmten sich nach dem Kinderbetreuungsgesetz, der Träger habe aus § 21 Abs. 1 KibeG auch einen eigenen Zahlungsanspruch gegen sie, die Beklagte. Die Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs lägen gegenüber dem Kläger vor. Aufgrund der rückwirkenden Festsetzung des höheren Familieneigenanteils habe sie den Überzahlungsbetrag an den Kläger ohne Rechtsgrund geleistet, sodass die Voraussetzungen entsprechend § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB gegeben seien. Dabei bezieht sie sich auf die Erwägungen des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 31. März 2016 (III ZR 267/15), wonach der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gleichstufig neben dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch aus § 50 Abs. 1 bzw. § 50 Abs. 2 i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3, Abs. 4 SGB X steht. Der Kläger und das Kind seien wegen des eigenen Anspruchs des Klägers aus § 21 Abs. 1 KibeG Gesamtgläubiger im Sinne von § 428 BGB, allerdings sei gesetzlich vorgegeben, an wen der Schuldner - die Beklagte - zu leisten habe. Der Zahlungsanspruch des Leistungserbringers (Kläger) werde durch die öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen ihr, der Beklagten, und dem Leistungsempfänger, dem Kind, überlagert. Mit Aufhebung des Bewilligungsbescheides entfalle im Verhältnis zum Kläger der Rechtsgrund für die Zahlungen. Wenn der Leistungsberechtigte (Kind) keine Geldleistungen vom Sozialleistungsträger (Beklagte) erhalten habe, hingegen der Leistungserbringer (Kläger) sogar mit einem eigenen Zahlungsanspruch gegenüber dem Sozialleistungsträger ausgestattet sei, erschließe sich nicht, weshalb es im Falle einer Leistungsstörung nicht möglich sein solle, die Geldleistung direkt vom Sozialleistungsträger zurückzufordern. Der Kita-Träger habe im Übrigen immer damit zu rechnen, dass sich bei einer Änderung der für die Bewilligung maßgeblichen Umstände für den Kita-Gutschein auch die Höhe der an ihn zu leistenden Kostenerstattung ändere. Insofern stehe ihr, der Beklagten, ein allgemeiner öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gegen den Kläger gleichrangig neben dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen das Kind aus § 50 Abs. 1 SGB X zu. Der Kläger habe auch einen Zahlungsanspruch gegen das Kind bzw. dessen Eltern. Mit ihrer Zahlung bediene sie den Anspruch des Klägers aus § 21 Abs. 1 KibeG und erfülle nicht die Schuld aus dem privatrechtlichen Betreuungsvertrag. Ihre Zahlung bringe den Zahlungsanspruch des Klägers aus dem mit den Eltern geschlossenen Betreuungsvertrag nicht endgültig zum Erlöschen. Schließlich sei eine Verrechnung gemäß § 21 Abs. 2 KibeG nicht ausgeschlossen. Aus dem von der Exekutive mit den Trägerverbänden geschlossenen Landesrahmenvertrag könnten keine Indizien für einen gesetzgeberischen Willen entnommen werden. Nach § 21 Abs. 2 KibeG könnten Überzahlungen mit der nächsten Zahlung verrechnet werden.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts vom 3. Februar 2016 (13 K 2659/14) abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen

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Zur Begründung trägt er vor, entgegen der Auffassung der Beklagten könne sich die Entscheidung nicht am Urteil des Bundesgerichtshofs vom 31. März 2016 (III ZR 267/15) orientieren, da die rechtliche Ausgangssituation in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall nicht mit der des Streitfalls vergleichbar sei. Anders als in jenem Fall habe die Beklagte keine kumulative Schuldübernahme erklärt. Mit der Zahlung an den Kläger habe sie vielmehr den Anspruch des Kindes auf Kostenerstattung aus § 7 KibeG erfüllt. So sehe § 22 KibeG auch ausdrücklich vor, dass sich der Träger der Kindertageseinrichtung gegenüber dem Leistungsberechtigten verpflichte, die von der Beklagten zu zahlende Kostenerstattung als Teilerfüllung des zwischen ihm und den Sorgeberechtigten zu vereinbarenden Betreuungsentgelts anzunehmen. Damit sei eindeutig eine gesetzliche Tilgungsbestimmung getroffen. Die anderslautende Argumentation der Beklagten gehe fehl. Hilfsweise könne er sich auf Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB und, weil er auf der Grundlage des Bewilligungsbescheides geleistet habe, auf Vertrauensschutz berufen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Sachakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

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Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klage ist zulässig (I.) und begründet (II.).

I.

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Die Klage ist als Unterlassungsklage - ein Fall der allgemeinen Leistungsklage - zulässig. Diese Klageart ist zwar nicht ausdrücklich in der VwGO geregelt, wird aber in den §§ 43 Abs. 2, 111, 113 Abs. 3 VwGO vorausgesetzt und ist allgemein anerkannt. Der Kläger begehrt ein schlicht hoheitliches Unterlassen und ist insoweit auch rechtsschutzbedürftig. Entsprechend dem dem Streitfall zu Grunde liegenden Ausgangsfall verrechnet die Beklagte von ihr behauptete Rückzahlungsansprüche gegenüber dem Kläger - wie auch gegenüber anderen Trägern von Kinderbetreuungseinrichtungen - mit diesem zustehenden Kostenerstattungszahlungen. Wie sich aus dem insoweit übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten ergibt, handelt es sich dabei um eine ständige Verwaltungspraxis, an der die Beklagte auch festzuhalten gedenkt. Damit greift sie möglicherweise in Rechte des Klägers ein. Gegen die automatisiert erfolgende Verrechnung könnte sich der Kläger ansonsten nur im jedem Einzelfall mit der Geltendmachung eines ergänzenden Zahlungsanspruchs in Bezug auf die nächste Zahlung zur Wehr setzen. Ihn darauf zu verweisen, erscheint auch im Lichte von Art. 19 Abs. 4 GG nicht geboten.

II.

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Die Klage ist begründet. Anspruchsgrundlage ist in Ermangelung einer spezialgesetzlichen Grundlage der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch, der sich aus den Grundrechten ableitet, die den Grundrechtsträger vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art schützen, auch solchen durch schlichtes Verwaltungshandeln. Infolgedessen kann der Bürger, wenn ihm eine derartige Rechtsverletzung droht, gestützt auf das jeweils berührte Grundrecht Unterlassung verlangen (BVerwG, Urt. v. 21.5.2008, 6 C 13/07, BVerwGE 131, 171, juris Rn. 13). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

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Das von der Beklagten praktizierte streitgegenständliche Verrechnungsverfahren, dessen Unterlassen der Kläger begehrt, ist rechtswidrig und verletzt ihn in seinen Rechten aus § 21 Abs. 1 KibeG und Art 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG, jedenfalls aus Art. 2 Abs. 1 GG.

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Dies ergibt sich bereits daraus, dass keine Rechtsgrundlage ersichtlich ist, die die Beklagte ermächtigen würde, Forderungen aus einer rückwirkenden Neuberechnung von Familieneigenanteilen gegenüber Leistungsberechtigten nach dem Hamburger Kinderbetreuungsgesetz mit Forderungen des Klägers, deren Rechtsgrund in einem Verhältnis zu Dritten begründet ist, zu verrechnen.

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Ein solcher Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus dem Hamburger Kinderbetreuungsgesetz. § 21 Abs. 2 KiBeG sieht zwar eine monatliche Abrechnung zwischen der Beklagten und dem Kläger sowie die Möglichkeit vor, Überzahlungen mit den nächsten Zahlungen zu verrechnen, diese Verrechnungsmöglichkeit begründet jedoch selbst keinen Zahlungsanspruch der Beklagten, sondern setzt einen bestehenden Anspruch voraus.

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Ein solcher Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 50 Abs. 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Unabhängig von der Frage, ob die Zahlung der Beklagten im Zusammenhang mit der Kostenerstattung gemäß § 7 Abs. 3 KibeG eine gegenüber dem Kläger erbrachte Leistung in diesem Sinne darstellt, erfolgte sie jedenfalls nicht aufgrund eines aufgehobenen Verwaltungsakts. Der Kläger erhielt die Zahlung nicht aufgrund des Bewilligungsbescheides (Kita-Gutschein), dessen Adressat er nicht ist und der keine ihn unmittelbar begünstigende Regelung trifft. Der Kita-Gutschein bewilligt nur die Kostenerstattung für eine bestimmte Leistungsart der Kinderbetreuung, ohne eine konkrete Einrichtung bzw. einen konkreten Träger zu benennen. Die Rechtsbeziehung zum Träger wird erst durch den Abschluss des Betreuungsvertrages mit den Sorgeberechtigten (§ 22 Abs. 1 KibeG) und den Beginn der Inanspruchnahme bei der Tageseinrichtung (§ 13 Abs. 2 KibeG) begründet. Zwar hat der Kläger aus § 21 Abs. 1 KibeG seinerseits einen Zahlungsanspruch gegenüber der Beklagten, dieser ergibt sich jedoch dem Grunde nach unmittelbar aus dem Gesetz und nicht aus dem Bewilligungsbescheid. Der Bewilligungsbescheid liegt zwar auch dem Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten insoweit zu Grunde, als sich nach ihm wegen der Festsetzung des Familieneigenanteils die Höhe des Zahlungsanspruchs gegenüber der Beklagten richtet, er ist jedoch nicht Rechtsgrund für die Leistung der Beklagten (so in einem vergleichbaren Fall auch LSG München, Urt. v. 21.1.2013, L 7 AS 381/12, NZS 2013, 467, juris Rn. 40; vgl. auch Schütze in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 50 Rn. 18).

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Ein Rückforderungsanspruch aus § 50 Abs. 1 SGB X besteht mithin lediglich gegenüber dem Adressaten des Kita-Gutscheins, dem nach dem Kinderbetreuungsgesetz leistungsberechtigten Kind (vertreten durch die Sorgeberechtigten). Für die Leistung maßgebliche Verwaltungsakte waren in dem dem Streitfall zu Grunde liegenden Ausgangsfall die Kita-Gutscheine aus dem Jahre 2011. Der Änderungsbescheid vom 16. Oktober 2013, mit dem der Familieneigenanteil heraufgesetzt wurde, stellt einen Rücknahmebescheid mit Wirkung für die Vergangenheit im Sinne von § 45 SGB X dar (teilweise Rücknahme). Dem Kind hat die Beklagte durch die Zahlung an den Kläger auch eine Leistung im Sinne des § 50 Abs. 1 SGB X erbracht, indem sie damit - wie noch auszuführen sein wird - dessen Sozialleistungsanspruch aus § 24 SGB VIII i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 7 Abs. 1 KibeG erfüllt hat (vgl. zum Leistungsbegriff BVerwG, Urt. v. 10.7.2013, 5 C 24/12, BVerwGE 147, 170, juris Rn. 22). Gesetzliche Folge ist dann - unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Rücknahme (Schütze in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 50 Rn. 18) - der Erstattungsanspruch gemäß § 50 Abs. 1 SGB X.

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Weiter hat die Beklagte keinen Anspruch aus § 50 Abs. 2 SGB X. Danach sind Leistungen zu erstatten, die ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, §§ 45 und 48 gelten entsprechend. Der Kläger hat von der Beklagten eine Zahlung erhalten, mit der sein Anspruch aus § 21 Abs. 1 KibeG erfüllt worden ist und deren Rechtsgrund - wie dargelegt - kein Verwaltungsakt ist. Bei dieser Zahlung handelte es sich indes nicht um eine Leistung im Sinne von § 50 Abs. 2 SGB X. Der Begriff der Leistung im Sinne des § 50 Abs. 2 SGB X meint Sozialleistungen, die einem Berechtigten nach dem SGB erbracht worden sind, wobei die Rückabwicklungsbefugnis nach § 50 SGB X als Kehrseite eines sozialrechtlichen Leistungsverhältnisses anzusehen ist. Ein derartiges sozialrechtliches Leistungsverhältnis besteht hier nur zwischen der Beklagten und dem Kind, da nur diesem ein Anspruch aus dem SGB - hier auf Förderung in einer Tageseinrichtung nach § 24 SGB VIII - zusteht. So geht auch das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass Leistungen im Sinne von § 50 SGB X alle Vermögensverschiebungen sind, die ein Leistungsträger in Wahrnehmung seiner öffentlich-rechtlichen Verwaltungsaufgaben nach dem Sozialgesetzbuch einem Bürger erbracht hat, letztlich muss es sich danach um Sozialleistungen handeln (Urt. v. 11.7.2013, 5 C 24/12, BVerwGE 147, 170, juris Rn. 22; siehe auch Schütze in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 50 Rn. 5, 6)

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Schließlich ergibt sich ein Anspruch der Beklagten gegenüber dem Kläger nicht aus dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Der im öffentlichen Recht auch ohne ausdrückliche Normierung seit langem zumindest gewohnheitsrechtlich anerkannte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch leitet sich aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ab. Er setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind und verschafft in weitgehender Analogie zu den §§ 812 ff. BGB ein Recht auf Herausgabe des Erlangten. Beruht die Vermögensverschiebung auf einer Leistung ist allerdings der Vorrang der Leistungsbeziehung zu beachten.

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Ein Rückgriff auf den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch ist im Streitfall - da dessen Anwendungsbereich nicht eröffnet ist - nicht bereits wegen eines vorrangigen spezialgesetzlichen Anspruchs gegenüber dem Kläger aus § 50 SGB X ausgeschlossen (vgl. LSG München, Urt. v. 21.1.2013, L 7 AS 381/12, NZS 2013, 467, juris Rn. 56).

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Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch scheitert aber daran, dass keine auf diesem Wege rückabzuwickelnde Leistungsbeziehung zwischen der Beklagten und dem Kläger besteht. Mit der Zahlung an den Kläger hat die Beklagte diesem keine Leistung im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, Satz 2 BGB erbracht, wobei unter einer Leistung jede bewusste und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens zu verstehen ist (Sprau in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 76. Aufl. 2017, § 812 Rn. 14). Für die erforderliche Zweckgerichtetheit kommt es in erster Linie auf die der Zuwendung gegebene Zweckbestimmung, also darauf an, welchen Zweck die Beteiligten nach ihrem zum Ausdruck kommenden Willen verfolgt haben (BGH, Urt. v. 16.5.2013, IX ZR 204/11, NJW 2013, 2519, 2520, juris Rn. 11). Durch die Zweckgerichtetheit wird die Bezogenheit auf ein Kausalverhältnis deutlich, in dem mit der Leistung die geschuldete Erfüllung einer Verbindlichkeit bewirkt werden soll. Der Zweck der Leistung ist nach objektiven Kriterien aus der Sicht des Zahlungsempfängers zu beurteilen (BSG, Urt. v. 3.4.2014, B 2 U 21/12 R, BSGE, 115, 247, juris Rn. 23). Die von der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung formulierte Annahme, sie habe im Sinne einer Tilgungsbestimmung lediglich auf ihre eigene Schuld aus § 21 Abs. 1 KibeG, nicht jedoch auf den Anspruch des Kindes aus § 7 Abs. 1 KibeG bzw. die Schuld der Sorgeberechtigten aus dem Betreuungsvertrag gezahlt, überzeugt nicht. Die Leistungsbestimmung ist eine nach §§ 133, 157 BGB auslegungsfähige und - sofern Streit über deren Inhalt besteht - auslegungsbedürftige rechtsgeschäftsähnliche Handlung (Sprau in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 76. Aufl. 2017, § 812 Rn. 14). Die jedenfalls vom Kinderbetreuungsgesetz vorgegebene Zweckbestimmung lässt sich bereits aus §§ 7 Abs. 1 und 22 Abs. 1 Nr. 6 KibeG ersehen. Nach § 7 Abs. 1 KibeG steht dem Kind ein von der Beklagten zu erfüllender Kostenerstattungsanspruch zu und in § 22 Abs. 1 Nr. 6 KibeG wird vorgegeben, dass der zwischen der Tageseinrichtung und den Sorgeberechtigten zu schließende Betreuungsvertrag eine Bestimmung enthalten muss, wonach der Träger die von der Freien und Hansestadt Hamburg an ihn gezahlte Kostenerstattung als Teilerfüllung des zwischen dem Träger und den Sorgeberechtigten zu vereinbarenden Betreuungsentgelts annimmt. Schon daraus wird ersichtlich, dass im Streitfall mit der Zahlung an den Kläger nach der gesetzgeberischen Wertung dessen Zahlungsanspruch gegenüber den Sorgeberechtigten aus dem Betreuungsvertrag erfüllt werden soll. Da die Zahlung der Beklagten an den Kläger in erster Linie dazu dient, den Anspruch des Kindes auf Kostenerstattung aus § 7 Abs. 1 KibeG zu erfüllen und die direkte Zahlung an den Kläger letztlich - unbeschadet dessen Anspruchs aus § 21 Abs. 1 KibeG - nur eine Frage des Zahlungsweges ist, kann die Auslegung unter Berücksichtigung des Empfängerhorizontes nur ergeben, dass der von der Beklagten verfolgte Leistungszweck maßgeblich in der Erfüllung des sozialrechtlichen Anspruchs des Kindes liegt.

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Dies ergibt sich auch daraus, dass die Grundkonstellation des Streitfalls der eines Vertrages zugunsten Dritter entspricht (§§ 328 ff. BGB). Der von der Beklagten gegenüber dem Kind erlassene Bewilligungsbescheid wirkt - vergleichbar einem Vertrag - insoweit zu Gunsten eines Dritten - hier des Klägers als Kita-Träger -, als diesem als Folge des Bewilligungsbescheides ein gesetzlicher Zahlungsanspruch eröffnet wird. Leistungsbeziehungen bestehen dann im Verhältnis der Beklagten zum Kind (Deckungsverhältnis) sowie im Verhältnis des Kindes zum Kläger (Valutaverhältnis). In einer solchen Konstellation tritt das Abwicklungsverhältnis zwischen dem Versprechenden (hier also der Beklagten) und dem Dritten (Kläger) zurück, auch wenn der Dritte einen eigenen Anspruch gegenüber dem Versprechenden hat. Bei Fehlern im Deckungsverhältnis, also im Verhältnis zwischen Versprechendem (Beklagte) und Versprechensempfänger (Kind), hat die Behörde einen Bereicherungsanspruch nur gegenüber dem Versprechens-empfänger (Sprau in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 76. Aufl. 2017, § 812 Rn. 62).

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Eine Ausnahme von diesem Grundsatz, die etwa in einem Fall in Betracht kommen mag, in dem das Forderungsrecht gegenüber dem Versprechenden ausschließlich dem Dritten zusteht (P. Buck-Heeb in: Erman, BGB, 13. Aufl. 2011, § 812 Rn. 35), liegt nicht vor, da der Kostenerstattungsanspruch nicht nur dem Kläger als Drittem, sondern insbesondere gemäß § 7 Abs. 1 KibeG dem Kind als Versprechensempfänger zusteht, auch wenn es keine Zahlung an sich selbst, sondern nur an den Dritten verlangen kann. Nichts anderes würde sich ergeben, wenn man einen Durchgriff auf den Dritten in Fällen anerkennen würde, in denen das Deckungs- und das Valutaverhältnis unwirksam sind (sog. Durchgriffskondiktion, vgl. insoweit Sprau in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 76. Aufl. 2017, § 812 Rn. 67). Ein solcher Durchgriff würde vorliegend schon deshalb ausscheiden, weil das Valutaverhältnis - also das durch den Betreuungsvertrag bestimmte Verhältnis zwischen dem Kind bzw. dessen Sorgeberechtigten und dem Kläger - vom Mangel des Bewilligungsbescheides nicht betroffen ist.

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Auch das LSG München geht im Übrigen von einem Vorrang der Leistungsabwicklung innerhalb der bestehenden Leistungsbeziehung aus (LSG München, Urt. v. 21.1.2013, L 7 AS 381/12, NZS 2013, 467, juris Rn. 61) und hat in einem Fall, in dem die Übernahme der Mietkosten einem Leistungsberechtigten im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitssuchende zustand und die Zahlung direkt an den Vermieter erfolgte, nach Aufhebung des Bewilligungsbescheides einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch auf Rückzahlung gegenüber dem Vermieter verneint. Dem Vermieter stand zwar - anders als im vorliegenden Fall - kein gesetzlicher Zahlungsanspruch, sondern lediglich eine Empfangsberechtigung zu, beide Fälle haben jedoch gemein, dass gefragt wird bzw. gefragt werden muss, in welchem Verhältnis eine rückabzuwickelnde Leistungsbeziehung rechtlich besteht. Vorrangig wäre demnach eine Rückabwicklung bzw. Rückforderung innerhalb der durch Bewilligungsbescheid geregelten Leistungsbeziehung zwischen der Beklagten und dem Kind. In diesem Sinne ist auch einer Entscheidung des OVG Münster (Urt. v. 14.9.2005, 12 A 1005/05, juris Rn. 25, 27), der ein Fall zugrunde lag, in dem einem Pflegedienstleister Pflegekosten für die häusliche Pflege einer Hilfeempfängerin gezahlt wurden, die wegen nicht sachgerechter Erbringung der Pflegeleistungen zurückgefordert werden, die grundsätzliche Wertung zu entnehmen, dass derjenige erstattungspflichtig ist, der Empfänger der Sozialhilfe ist - also nicht der Pflegedienstleister. Empfänger der Sozialhilfe ist danach der sachlich-rechtliche Inhaber der Forderung gegen den Sozialhilfeträger, also grundsätzlich der Hilfesuchende, dem die Leistung zugedacht ist. Der Erstattungsanspruch ist die Kehrseite dieses Leistungsanspruchs.

35

Die Annahme eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs gegen den Kläger lässt sich auch nicht mit dem Urteil des BGH vom 31. März 2016 (III ZR 267/15, BGHZ 209, 316, juris) begründen, auf das sich die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung maßgeblich stützt und in dem der BGH ebenfalls in einer Dreiecksbeziehung zu einem direkten bereicherungsrechtlichen Anspruch des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Leistungserbringer kommt, der neben dem Erstattungsanspruch aus § 50 SGB X stehen soll (juris Rn. 28). Die rechtliche Bewertung durch den BGH lässt sich auf den Streitfall nicht übertragen, da die Sachverhalte wesentliche, für die rechtliche Beurteilung erhebliche Unterschiede aufweisen, soweit es um die rechtliche Bewertung der Stellung des Klägers einerseits und des Kindes andererseits in Bezug auf den Rückforderungsanspruch der Beklagten geht.

36

Die Ausgangssituation im Streitfall unterscheidet sich von der in dem vom BGH entschiedenen Fall bereits insofern, als der BGH aufgrund eines im Bewilligungsbescheid erklärten Schuldbeitritts eine Gesamtschuldnerschaft zwischen dem Sozialhilfeträger (Behörde) und dem Leistungsempfänger (Kind bzw. Sorgeberechtigten) angenommen hat. Eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten und des Kindes in Bezug auf die dem Kläger geschuldete Zahlung des Leistungsentgelts mit der möglichen Folge einer rückabzuwickelnden Leistungsbeziehung zwischen der Beklagten und dem Kläger, besteht im Streitfall indes nicht. Dies gilt ersichtlich für den Familieneigenanteil, den lediglich die Eltern aus dem Betreuungsvertrag schulden. Dies gilt aber auch für den darüber hinausgehenden Teil des Anspruchs des Klägers. Hier sehen der Bewilligungsbescheid sowie das Kinderbetreuungsgesetz keine Konstruktion vor, wonach die Beklagte und das Kind zum Kläger in einem gleichstufigen Schuldverhältnis stehen. Vielmehr ist eine Zahlung (ausschließlich) der Beklagten (§ 7 Abs. 3 KibeG) - ausgestaltet als gesetzlicher Anspruch (§ 21 Abs. 1 KibeG) - auf den Anspruch des Kindes (§ 7 Abs. 1 KibeG) vorgesehen. Diese gesetzliche Konstruktion ist nicht auf einen gesamtschuldnerischen Anspruch ausgelegt. Unerheblich ist, dass in § 4 Abs. 1 Satz 3 des Betreuungsvertrags bestimmt ist, dass die Sorgeberechtigten und das Kind als Gesamtschuldner schulden. Unabhängig davon, in welchem Umfang das Verhältnis von Schuldnern zueinander privatvertraglich geregelt werden kann, ist die Beklagte in diese Regelung jedenfalls nicht einbezogen. Auch die Gesetzesbegründung zu § 21 KibeG führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Darin heißt es, Abs. 1 begründe einen eigenen Anspruch des Trägers auf Zahlung des Erstattungsbetrages neben dem Erstattungsanspruch des Kindes in Form einer Gesamtgläubigerschaft (Bü-Drs. 18/88 vom 20.4.2004, S. 24). Selbst wenn man dies zugrunde legen würde, würde eine Gesamtgläubigerschaft zwischen dem Kläger und dem Kind nicht bedeuten, dass gleichsam in einer Art Umkehrschluss zwischen der - an der angenommenen Gesamtgläubigerschaft gar nicht beteiligten - Beklagten und dem Kind eine Gesamtschuldnerschaft mit der möglichen Folge einer rückabzuwickelnden Leistungsbeziehung zwischen der Beklagten und dem Kläger begründet wäre.

37

Aus der Gesamtschuldnerschaft im Grundverhältnis zwischen dem Sozialhilfeträger und dem Leistungsempfänger hat der BGH entwickelt, dass in der Rückforderungssituation eine gesamtschuldnerische Haftung des Leistungsempfängers (hier des Kindes) und des Leistungserbringers (hier des Klägers) besteht. Im Streitfall besteht jedoch, wie dargelegt, gerade keine Gesamtschuldnerschaft im Grundverhältnis. Dies bedeutet für die Rückforderungssituation, dass diese sich nicht ebenfalls an der Rückabwicklung gesamtschuldnerischer Ansprüche orientiert. Wie dargelegt, zeigt der Streitfall vielmehr Parallelen zum echten Vertrag zugunsten Dritter (§§ 328 ff. BGB) auf, sodass es sachgerecht ist, einen Rückforderungsanspruch aus dem öffentlich-rechtlichen Bereicherungsanspruch nur im Deckungsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kind anzunehmen.

38

Dabei übersieht das Berufungsgericht nicht, dass das Kinderbetreuungsgesetz als Grundkonstruktion davon ausgeht, dass der Jugendhilfeträger den Familieneigenanteil mit den Sorgeberechtigten abrechnet. Die Zahlung der Beklagten gegenüber dem Kläger als Jugendhilfeträger ist durch § 7 Abs. 3 KibeG ausdrücklich auf die Kosten abzüglich des Familieneigenanteils begrenzt. Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass Rückforderungen der Beklagten, die ihre Grundlage in einer Erhöhung des Familieneigenanteils haben, auch in dem Verhältnis zwischen dem Kind und dem Jugendhilfeträger abgewickelt werden müssen. Ein derartiger Schluss findet im Kinderbetreuungsgesetz keine Stütze. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung des Familieneigenanteils ist im Kinderbetreuungsgesetz nicht geregelt, er ergibt sich unmittelbar aus dem Betreuungsvertrag. Ebenso wenig enthält das Kinderbetreuungsgesetz Regelungen über die Rückforderung wegen einer nachträglichen Heraufsetzung des Familieneigenanteils. Diese richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften des § 50 SGB X bzw. dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, jedenfalls also nach speziellen Regelungen bzw. Rechtsinstituten außerhalb des Kinderbetreuungsgesetzes und nach den sich insoweit ergebenden Voraussetzungen. Die im Kinderbetreuungsgesetz angelegte Grundkonstruktion bezieht sich insoweit lediglich auf das tragende Grundverhältnis, nicht jedoch auf Rückforderungsfälle. Eine andere Betrachtung legt auch nicht die Gesetzesbegründung zu § 21 KibeG (Bü-Drs. 18/88 vom 20.4.2004, S. 24) nahe. Danach ist Zweck der Regelung die Ermöglichung einer in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht reibungslosen Leistungsabrechnung, in die auch die Abwicklung von Rückzahlungsansprüchen zwischen der für die Auszahlung der Erstattungsbeträge zuständigen Behörde und den Trägern eingeschlossen sein soll. Dass die Geltendmachung von Rückzahlungsansprüchen, wie sie vorliegend streitgegenständlich sind, gegenüber dem Träger der Kindertageseinrichtung - erst recht wenn sie im Verrechnungswege erfolgt - reibungslos möglich und verwaltungsökonomisch sind, liegt auf der Hand. Allerdings kann der mit der Regelung des § 21 KibeG vom Landesgesetzgeber verfolgte Zweck nur Berücksichtigung finden, sofern diese Bestimmung überhaupt anwendbar ist, was vorliegend, wie dargelegt, mangels eines der Beklagten zustehenden Zahlungsanspruchs nicht der Fall ist.

39

Zu einer anderen Betrachtung führt auch nicht eine Auslegung von § 21 Abs. 2 KibeG im Lichte des Landesrahmenvertrages „Kinderbetreuung in Tageseinrichtungen“, der als Grundsatzvereinbarung im Sinne von § 18 Abs. 1 KibeG gemäß § 21 Abs. 2 Satz 3 KibeG das Abrechnungsverfahren festlegt. In § 21 Abs. 1 des Landesrahmenvertrages wird das Verrechnungsverfahren dahin näher bestimmt, dass die Beklagte monatlich eine Abschlagszahlung für den folgenden Kalendermonat zahlt, die mit der späteren Abrechnung für diesen Kalendermonat verrechnet wird. Weiter heißt es, dass dann, wenn die Abrechnung für diesen Kalendermonat gegenüber dem vorher für diesen Kalendermonat gezahlten Abschlag eine Überzahlung ergibt, die nächste Abschlagszahlung in Höhe des Überzahlungsbetrages gemindert wird. Danach bezweckt die Verrechnungsmöglichkeit des § 21 Abs. 2 Satz 2 KibeG im Wesentlichen eine reibungslose Leistungsabrechnung für die in der Praxis häufigen Fälle, in denen die Abschlagszahlung und die spätere Abrechnung keine identischen Beträge aufweisen. Dass die Verrechnungsmöglichkeit auch für Fälle bestimmt ist, in denen Forderungen aus rückwirkender Neuberechnung von Familieneigenanteilen geltend gemacht werden sollen, lässt sich weder dem Gesetz noch der Gesetzesbegründung noch dem Landesrahmenvertrag entnehmen. Die Beklagte hat zwar in der mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2017 nachvollziehbar dargelegt, dass sich die Verrechnungsmöglichkeit nach § 21 Abs. 2 Satz 2 KibeG nach den bei den Beratungen geäußerten Vorstellungen der Parteien des Landesrahmenvertrages - entsprechend der bisherigen Praxis - auch auf die Geltendmachung derartiger Rückforderungen erstrecken sollte, dies ist jedoch unerheblich, da diese Überlegung im Text des Landesrahmenvertrages jedenfalls keinen Niederschlag gefunden hat.

III.

40

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.Vm. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

41

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe gegeben ist.

42

[Hinweis der Dokumentationsstelle: Der Berichtigungsbeschluss wurde in den Tenor eingearbeitet

43

Beschluss vom 31. Mai 2017

44

Im Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 11. Mai 2017 wird der Tenor zur vorläufigen Vollstreckbarkeit dahin geändert, dass dieser nunmehr lautet: Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

45

Gründe

46

Die Berichtigung erfolgt gemäß § 118 VwGO von Amts wegen. Den Beteiligten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

47

Der ursprüngliche Tenor zur vorläufigen Vollstreckbarkeit war offenbar unrichtig. Nach § 167 VwGO i.V.m. § 711 ZPO steht die Abwendungsbefugnis dem Schuldner - hier also der kostenbelasteten Beklagten - zu, wenn nicht der Gläubiger - hinsichtlich der Kosten also ersichtlich der Kläger - vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. Als Gläubiger ist versehentlich die Beklagte und nicht der Kläger in den Tenor aufgenommen worden. Hierbei handelt es sich um eine einem Schreibfehler ähnliche offenbare Unrichtigkeit.]

Urteilsbesprechung zu Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 11. Mai 2017 - 4 Bf 96/16

Urteilsbesprechungen zu Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 11. Mai 2017 - 4 Bf 96/16

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 11. Mai 2017 - 4 Bf 96/16 zitiert 22 §§.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 14


(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt. (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der All

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


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Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 45 Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes


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Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 50 Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen


(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten. (2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatt

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 24 Anspruch auf Förderung in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege


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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 428 Gesamtgläubiger


Sind mehrere eine Leistung in der Weise zu fordern berechtigt, dass jeder die ganze Leistung fordern kann, der Schuldner aber die Leistung nur einmal zu bewirken verpflichtet ist (Gesamtgläubiger), so kann der Schuldner nach seinem Belieben an jeden

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Tatbestand 1 Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme der Anordnung, ihn in Obhut zu nehmen und die Aufforderung, die Kosten seiner Inobhutnahme zu erstatten.

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(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.

(2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten. §§ 45 und 48 gelten entsprechend.

(2a) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes, auf Grund dessen Leistungen zur Förderung von Einrichtungen oder ähnliche Leistungen erbracht worden sind, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Satz 1 verlangt werden; Entsprechendes gilt, soweit eine Leistung in Anspruch genommen wird, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen sind; § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

(3) Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.

(4) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. § 52 bleibt unberührt.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten bei Berichtigungen nach § 38 entsprechend.

(1) Die Dienststellen haben die Kosten zu tragen, die den Vertrauenspersonenausschüssen aus deren Tätigkeit entstehen.

(2) Mitglieder der Vertrauenspersonenausschüsse erhalten für Reisen, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendig sind, Reisekostenvergütung nach den für Bundesbeamtinnen und Bundesbeamte geltenden Vorschriften.

(3) Für die Geschäftsführung und die Sitzungen stellen die Dienststellen den Vertrauenspersonenausschüssen in erforderlichem Umfang Räume, Geschäftsbedarf und Büropersonal zur Verfügung.

(4) Die Dienststellen haben die Ausbildung aller Mitglieder der Vertrauenspersonenausschüsse zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben unverzüglich nach ihrer Wahl zu veranlassen.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.

(2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten. §§ 45 und 48 gelten entsprechend.

(2a) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes, auf Grund dessen Leistungen zur Förderung von Einrichtungen oder ähnliche Leistungen erbracht worden sind, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Satz 1 verlangt werden; Entsprechendes gilt, soweit eine Leistung in Anspruch genommen wird, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen sind; § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

(3) Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.

(4) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. § 52 bleibt unberührt.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten bei Berichtigungen nach § 38 entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 267/15
Verkündet am:
31. März 2016
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Der Schuldbeitritt des Sozialhilfeträgers zur Zahlungsverpflichtung des Hilfeempfängers aus
dessen zivilrechtlichem Vertrag mit dem Leistungserbringer (hier: Schulvertrag über die Betreuung
eines behinderten Kindes) erfolgt in der Regel durch einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt
mit Drittwirkung (zugunsten des Leistungserbringers). Dadurch wird zwischen dem
Sozialhilfeträger und dem Leistungserbringer eine zivilrechtliche Rechtsbeziehung begründet.

b) Der Sozialhilfeträger ist an den im Bewilligungsbescheid im Grundverhältnis gegenüber dem
Hilfeempfänger erklärten Schuldbeitritt grundsätzlich gebunden. Diese Bindungswirkung besteht
, solange und soweit der der Bewilligung zugrunde liegende (begünstigende) Verwaltungsakt
nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf
andere Weise erledigt ist (§ 39 Abs. 2, §§ 44 ff SGB X).

c) Werden der Bewilligungsbescheid und der darin erklärte Schuldbeitritt nach Maßgabe der §§ 44
ff SGB X aufgehoben, entfällt im Verhältnis zum Leistungserbringer der Rechtsgrund für Zahlungen
des Sozialhilfeträgers. Wird der Bewilligungsbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit
zurückgenommen (§ 45 Abs. 2, 4 SGB X), sind bereits geleistete Zahlungen nach § 812 Abs. 1
Satz 2 Alt. 1 BGB auszugleichen (Bestätigung und Fortführung des Senatsurteils vom 7. Mai
2015 - III ZR 304/14, BGHZ 205, 260).
BGH, Urteil vom 31. März 2016 - III ZR 267/15 - OLG Oldenburg
LG Osnabrück
ECLI:DE:BGH:2016:310316UIIIZR267.15.0

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 31. März 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann und die Richter Wöstmann, Seiters, Dr. Remmert und Reiter

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 16. Juli 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger ist als Kommunalverband ein überörtlicher Sozialhilfeträger. Er nimmt den Beklagten, der Träger einer Förderschule ist, auf Erstattung von Kosten in Anspruch, die im Zusammenhang mit der teilstationären Betreuung des mehrfach behinderten Kindes J. -P. P. entstanden sind (Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach §§ 53 ff SGB XII).
2
Nachdem das am 21. Februar 2002 geborene Kind (im Folgenden auch: Hilfeempfänger) zunächst den heilpädagogischen Sonderkindergarten des Beklagten besucht und der Kläger insoweit die Kosten übernommen hatte, sollte es nach dem Willen seiner Eltern mit Beginn der Schulpflicht in der angrenzenden , ebenfalls vom Beklagten getragenen S. -R. -Schule teilstationär betreut werden. Den entsprechenden Antrag auf Kostenübernahme vom 3. Juni 2008 lehnte der Kläger mit Bescheid vom 18. Juli 2008 ab, da die MichaelisSchule in G. die für den Förderbedarf des Kindes zuständige Einrichtung sei und durch Aufnahme in die S. -R. -Schule unverhältnismäßige Mehrkosten im Rahmen der Sozialhilfe entstehen würden. Gleichwohl erklärte sich der Kläger bereit, dem Kind den Besuch der S. -R. -Schule bis Ende 2008 zu ermöglichen. Für die Zeit danach lehnte er die weitere Betreuung des Kindes ohne gleichzeitige Klärung der Kostenfrage ab.
3
Auf Antrag des Kindes verpflichtete das Sozialgericht den Kläger mit Beschluss vom 24. November 2008 im Wege einstweiliger Anordnung, ab dem 1. Januar 2009 vorläufig die Kosten des Besuchs der S. -R. -Schule als Leistung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu übernehmen. Daraufhin bewilligte der Kläger mit Bescheid vom 7. Mai 2009 Sozialhilfe für das Kind und übernahm vorläufig "entsprechend dem Beschluss des Sozialgerichts" für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Mai 2009 die Kosten der teilstationären Betreuung. Darüber hinaus wurden die Kosten "vorläufig für jeweils einen weiteren Monat bis zur weiteren Klärung" übernommen. Gleichzeitig wies der Kläger darauf hin, "dass die Übernahme ab dem 01.01.2009 ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Rückforderung, vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 945 ZPO, steht", die Kosten der Betreuung direkt an die Einrichtung bezahlt würden und diese darüber informiert werde. Dementsprechend unterrichtete der Kläger den Beklagten am selben Tag über den Inhalt des Bewilligungsbescheids.
4
Auf die Beschwerde des Klägers hob das Landessozialgericht durch Beschluss vom 17. Mai 2010 die einstweilige Anordnung des Sozialgerichts auf und wies den Antrag des Kindes auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unanfechtbar zurück. Der Kläger teilte dem Beklagten die Entscheidung des Landessozialgerichts mit und beendete die vorläufige Kostenzusage zum 31. Mai 2010.
5
Durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 18. Mai 2011 wies das Sozialgericht im Hauptsacheverfahren die Klage des Kindes auf Übernahme der Kosten für den Besuch der S. -R. -Schule ab. In der Folgezeit nahm der Kläger unter dem 16. Mai 2012 den Bescheid zur vorläufigen Kostenübernahme vom 7. Mai 2009 zurück und ordnete gegenüber dem Kind die Erstattung der Kosten für den Besuch der S. -R. -Schule in der Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Mai 2010 in Höhe von 35.009,92 € an. Mit Bescheid vom 18. Mai 2012 forderte er den Beklagten unter Berufung auf die Rechtsbeziehungen im so genannten "sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis" ebenfalls zur Rückzahlung der für den Schulbesuch aufgewendeten Kosten "nach allgemeinen Grundsätzen des Bereicherungsrechts" auf, da der Kläger rechtsgrundlos geleistet habe. Am 1. Januar 2013 begannen die Eltern des Kindes mit der Rückerstattung der gewährten Sozialhilfeleistungen (monatliche Raten von je- weils 250 €) an den Kläger.
6
Das Landgericht hat die auf Rückzahlung der an den Beklagten geleisteten 35.009,92 € gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt er seinen Rückerstattungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe


7
Die zulässige Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


8
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
9
Der Kläger habe gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Rück- zahlung der geleisteten Sozialhilfe in Höhe von 35.009,92 €. Dieser Anspruch finde auch im Bereicherungsrecht keine rechtliche Grundlage. Der in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entwickelte Grundsatz eines sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses zwischen Hilfeempfänger, Sozialleistungsträger und Leistungserbringer führe zu keiner abweichenden Beurteilung. Danach seien grundlegend zu unterscheiden das privatrechtliche Verhältnis zwischen dem Kind - gesetzlich vertreten durch seine Eltern - als Hilfeempfänger und dem Beklagten als Leistungserbringer sowie das öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis (Grundverhältnis) zwischen dem Kind als Hilfeempfänger und dem Kläger als Sozialhilfeträger. Untrennbarer Bestandteil der Sachleistungsver- pflichtung des Sozialhilfeträgers sei die "Übernahme" der dem Leistungserbringer (Einrichtungen beziehungsweise Dienste im Sinne des § 75 Abs. 1 SGB XII) zustehenden Vergütung. Damit sei eine kumulative Schuldübernahme durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung gemeint. Der Schuldbeitritt habe dann einen unmittelbaren Zahlungsanspruch des Leistungserbringers gegen den Sozialhilfeträger und einen Anspruch des Hilfeempfängers gegen den Sozialhilfeträger auf Zahlung an den Leistungserbringer zur Folge. Auf diese Weise trete der Sozialhilfeträger als Gesamtschuldner in Höhe der bewilligten Leistungen an die Seite des Sozialhilfeempfängers.
10
Der Sozialhilfeträger könne zwar für die Dauer des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses wegen einer "schlichten Zuvielzahlung" mit der von ihm gegenüber dem Leistungserbringer geschuldeten zivilrechtlichen Zahlungsverpflichtung aufrechnen. Denn dabei bewege er sich in demselben rechtlichen Rahmen, wie er auch für den Hilfeempfänger als Vertragspartner des Leistungserbringers gelte. Diesen Rahmen verlasse der Sozialhilfeträger jedoch, soweit er Änderungen des Leistungsanspruchs auf Grund des öffentlichrechtlichen Grundverhältnisses geltend mache. Dann habe eine Rückabwicklung ausschließlich im Grundverhältnis nach §§ 45, 48 SGB X zu erfolgen. Weitergehende Rechte auf Rückzahlung stünden dem Sozialhilfeträger nach Beendigung des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses nicht zu. Da der Leistungserbringer nicht gleichzeitig dem öffentlich-rechtlich ausgestalteten Grundverhältnis zwischen dem Hilfeempfänger und dem Sozialleistungsträger beitrete , könne er für überzahlte Sozialhilfe nicht unter dem Gesichtspunkt des öffentlich -rechtlichen Erstattungsanspruchs oder des privatrechtlichen Bereicherungsrechts in Anspruch genommen werden.
11
Für dieses Ergebnis spreche auch eine Gesamtbetrachtung des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses in all seinen Auswirkungen. Könnte sich der Sozialhilfeträger im Falle einer Änderung des Leistungsanspruchs im Grundverhältnis beim Leistungserbringer nach Bereicherungsrecht schadlos halten, würden die sonst vom Sozialhilfeträger im Fall einer Rückforderung gegenüber dem Sozialhilfeempfänger zu beachtenden Regeln über die Rücknahme beziehungsweise den Widerruf von begünstigenden Verwaltungsakten nach §§ 44 ff SGB X unterlaufen (insbesondere § 45 Abs. 2, 4 SGB X). Es komme hinzu, dass die Bejahung eines Rückforderungsanspruchs des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Leistungserbringer in den Fällen einer Überzahlung der Eingliederungshilfe im Grundverhältnis stets dazu führen würde, dass der Leistungserbringer ohne Planungssicherheit im Rahmen einer Kalkulation der dienstvertraglichen Entgelte Vereinbarungen (nach § 75 Abs. 3 SGB XII) mit dem Sozialleistungsträger schließen müsste, ohne zu wissen, ob er das vereinbarte Entgelt trotz erbrachter Leistung später wieder zurückzahlen müsse. Soweit das Grundverhältnis zwischen dem Hilfeempfänger und dem Sozialhilfeträger - wie vorliegend - durch eine einstweilige Anordnung des Sozialgerichts inhaltlich bestimmt werde, stehe dem Leistungserbringer die Entscheidung zur Aufnahme des Hilfeempfängers in seiner Einrichtung nicht frei.

II.


12
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
13
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB zu. Er kann nach Rücknahme des Bewilligungsbe- scheids vom 7. Mai 2009 mit Wirkung für die Vergangenheit die in dem Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Mai 2010 rechtsgrundlos geleisteten Zahlungen zurückverlangen. Dabei sind jedoch vom Hilfeempfänger bereits erstattete Beträge gemäß § 422 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 362 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen , da dieser neben dem Beklagten als Gesamtschuldner haftet.
14
1. Die Rechtsbeziehung zwischen dem Kläger als Sozialhilfeträger und dem Beklagten als Leistungserbringer im Rahmen des Schulverhältnisses ist zivilrechtlich zu beurteilen. Ohne Rechtsgrund erbrachte Zahlungen des Sozialhilfeträgers sind nach Maßgabe der §§ 812 ff BGB auszugleichen.
15
a) Das Leistungserbringungsrecht der Sozialhilfe ist im Bereich der sozialen Dienste und Einrichtungen (§ 75 Abs. 1 SGB XII) durch das so genannte sozialhilferechtliche Dreiecksverhältnis geprägt, das die wechselseitigen und unterschiedlichen Rechtsbeziehungen zwischen dem Träger der Sozialhilfe, dem Leistungsberechtigten (Hilfeempfänger) und dem Leistungserbringer (Dienst, Einrichtung) beschreibt (grundlegend BSGE 102, 1 Rn. 15 ff). Die Besonderheit und zugleich Schwierigkeit bei der Beurteilung von Ansprüchen der im sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis verbundenen Beteiligten besteht darin, dass die im Leistungsdreieck zusammengefassten Beziehungen unterschiedlicher Rechtsnatur sind.
16
aa) Zwischen dem bedürftigen Hilfeempfänger und dem Sozialhilfeträger besteht ein öffentlich-rechtliches Leistungsverhältnis (Grundverhältnis), das sich nach den Vorschriften des SGB XII beurteilt (hier: Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach §§ 53 ff SGB XII). Die Entscheidung über die Gewährung von Sozialhilfeleistungen ergeht durch Verwaltungsakt. Das Grundverhältnis ist Fundament und rechtlicher Maßstab für die übrigen Rechtsbeziehungen des sozialhilferechtlichen Dreiecks. Diese dienen der Erfüllung der Ansprüche im Grundverhältnis. Das Grundverhältnis an sich und die dieses Verhältnis prägenden Vorschriften sind daher bei der Auslegung der übrigen Vertragsbeziehungen zu berücksichtigen (Ausstrahlungswirkung des Grundverhältnisses). Im Rahmen des Grundverhältnisses stehen dem Sozialhilfeempfänger keine Primäransprüche auf Zahlung entstehender oder entstandener Kosten an sich selbst zu; er kann vom Sozialhilfeträger ausschließlich die Übernahme dieser Kosten in Form der Zahlung an den Leistungserbringer verlangen (Anspruch auf Sachleistungsverschaffung; Senatsurteil vom 7. Mai 2015 - III ZR 304/14, BGHZ 205, 260 Rn. 21; Jaritz/Eicher, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl., § 75 SGB XII Rn. 32, 38; Eicher, SGb 2013, 127, 128). Das gesetzliche Regelungskonzept geht somit davon aus, dass der Sozialhilfeträger die ihm (im Rahmen seiner Sachleistungsverschaffungspflicht/Gewährleistungsverantwortung) obliegende Leistung nicht als Geldleistung an den jeweiligen Hilfeempfänger erbringt, um diesem die Zahlung des vertraglichen Entgelts aus dem Vertrag über die Erbringung von Pflegeleistungen zu ermöglichen, sondern dass die Zahlung direkt an den Dienst erfolgt, der die Pflege leistet (BSG, NVwZ-RR 2015, 501 Rn. 14; vgl. auch BSGE aaO Rn. 19 f).
17
bb) Der Kostenübernahmeanspruch des Leistungsempfängers gegenüber dem Sozialhilfeträger setzt voraus, dass zwischen Ersterem und dem Leistungserbringer ein zivilrechtlicher Vertrag geschlossen wird, auf Grund dessen ein Anspruch auf Erbringung von Betreuungs-, Hilfe- und Förderleistungen sowie gegebenenfalls Unterkunft und Verpflegung besteht (privatrechtliches Erfüllungsverhältnis als zivilrechtliche Seite des sozialhilferechtlichen Dreiecks; hier: Schulvertrag mit dem Beklagten als Träger der S. -R. -Schule). Im Gegenzug ist der bedürftige Hilfeempfänger zur Zahlung des vertraglich vereinbarten Entgelts verpflichtet. Die gegenüber dem Leistungserbringer bestehende Zahlungsverpflichtung des Hilfeempfängers ist der Bedarf, den der Sozialhilfeträger im Grundverhältnis - durch Vergütungsübernahme - decken muss (Senatsurteil vom 7. Mai 2015 aaO Rn. 22; Jaritz/Eicher aaO Rn. 34; Eicher aaO).
18
cc) Die Rechtsbeziehungen zwischen den Leistungserbringern undden Sozialhilfeträgern werden in ihrem Rahmen durch die öffentlich-rechtlich zu qualifizierenden Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII (öffentlichrechtliches Sachleistungsverschaffungsverhältnis; Senatsurteil vom 7. Mai 2015 aaO Rn. 23; Jaritz/Eicher aaO Rn. 36; Eicher aaO) bestimmt. Da der Sozialhilfeträger die Leistungen grundsätzlich nicht selbst erbringt, hat er durch Verträge mit den Leistungserbringern eine Sachleistung durch diese sicherzustellen. Dadurch wird den Hilfeempfängern die Sozialleistung verschafft (Senat aaO; BSGE 102, 1 Rn. 17). Zugleich modifizieren die Vereinbarungen das Grundverhältnis und beeinflussen ("überlagern") das Erfüllungsverhältnis (Senatsurteil vom 7. Mai 2015 aaO Rn. 23, 26; Jaritz/Eicher aaO Rn. 36, 40). Das zwischen Sozialhilfeträger und Leistungserbringer bestehende Sachleistungsverschaffungsverhältnis verbindet somit das öffentlich-rechtliche Grundverhältnis und das privatrechtliche Erfüllungsverhältnis zu einer dreiseitigen Rechtsbeziehung.
19
b) Nach dem Gesetzeskonzept ist die "Übernahme" der dem Leistungserbringer zustehenden Vergütung (vgl. § 75 Abs. 3 SGB XII) untrennbarer ergänzender Bestandteil der Sachleistungsverschaffungspflicht des Trägers der Sozialhilfe.
20
aa) Rechtlich geschieht dies - bei unverändert fortbestehender Verpflichtung des Hilfeempfängers aus dem im Erfüllungsverhältnis geschlossenen privatrechtlichen Vertrag - in Form eines Schuldbeitritts des Sozialhilfeträgers (kumulative Schuldübernahme). Der Sozialhilfeträger tritt der Zahlungsverpflich- tung des bedürftigen Hilfeempfängers aus dessen zivilrechtlichem Vertrag mit dem Leistungserbringer und somit einer privatrechtlichen Schuld gegenüber dem Leistungserbringer bei. Dabei wird der Schuldbeitritt in dem im öffentlichrechtlichen Grundverhältnis ergehenden Bewilligungsbescheid über die Sozialhilfeleistung erklärt. Dementsprechend handelt es sich bei dem Bewilligungsbescheid um einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung (zugunsten des Leistungserbringers ) nach § 31 SGB X (Senatsurteil vom 7. Mai 2015 aaO Rn. 24; s. auch BSGE 102, 1 Rn. 22 ff; BSG, BeckRS 2014, 68095 Rn. 7 und NVwZ 2015, 501 Rn. 14; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. Februar 2011 - L 1 SO 33/09, BeckRS 2011, 69866 = juris Rn. 26; Bayerisches LSG, Beschluss vom 26. November 2012 - L 18 SO 173/12 B, BeckRS 2013, 68424 = juris Rn. 15 ff; Jaritz/Eicher aaO Rn. 42, 46).
21
bb) Der Schuldbeitritt hat sowohl einen unmittelbaren Zahlungsanspruch des Leistungserbringers gegen den Sozialhilfeträger als auch einen Anspruch des Hilfeempfängers gegen den Sozialhilfeträger auf Zahlung an den Leistungserbringer zur Folge. Der Sozialhilfeträger tritt auf diese Weise als Gesamtschuldner im Sinne der §§ 421 ff BGB in Höhe der bewilligten Leistung, wie sie in dem gegenüber dem Hilfsbedürftigen ergehenden Kostenübernahmebescheid ausgewiesen ist, an die Seite des Sozialhilfeempfängers (Senatsurteil vom 7. Mai 2015 aaO). Dadurch, dass der Sozialhilfeträger mit dem Kostenübernahmebescheid der Schuld des Hilfeempfängers beitritt und der Leistungserbringer auf Grund dieses Schuldbeitritts direkt einen Zahlungsanspruch gegen den Sozialhilfeträger hat, wandelt sich die zivilrechtliche Schuld aus dem im Erfüllungsverhältnis zwischen dem Hilfeempfänger und dem Leistungserbringer geschlossenen (Dienst-)Vertrag nicht in eine öffentlich-rechtliche um. Denn ein Schuldbeitritt teilt seinem Wesen nach die Rechtsnatur der Forderung des Gläubigers, zu der er erklärt wird (Senatsurteile vom 6. November 2008 - III ZR 279/07, BGHZ 178, 243 Rn. 14 und vom 7. Mai 2015 aaO; BGH, Urteil vom 16. Oktober 2007 - XI ZR 132/06, BGHZ 174, 39 Rn. 23; Senatsbeschlüsse vom 17. September 2008 - III ZB 19/08, WM 2008, 2153 Rn. 15 und III ZB 50/08, BeckRS 2008, 21300 Rn. 16).
22
cc) Da der Sozialhilfeträger somit durch den Schuldbeitritt Gesamtschuldner einer zivilrechtlichen Forderung wird, ist die Entscheidung des Sozialhilfeträgers im Grundverhältnis über die Schuldmitübernahme (Bewilligungsbescheid ) als privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt mit Drittwirkung zu qualifizieren (vgl. Jaritz/Eicher aaO Rn. 46 mwN), der zwischen dem Sozialhilfeträger und dem Leistungserbringer eine zivilrechtliche Rechtsbeziehung entstehen lässt, so dass die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten. Der Schuldbeitritt des Sozialhilfeträgers begründet - wie Garantie oder Bürgschaft - eine eigene Schuld und stellt diese neben die des Schuldners. Zahlt der Beitretende an den Gläubiger, leistet er in der Regel auf diese Verpflichtung. Besteht sie nicht, hat er einen Anspruch aus Leistungskondiktion gegen den Gläubiger (vgl. Palandt/Sprau, BGB 75. Aufl., § 812 Rn. 83 zur Konstellation bei der Bürgschaft ). Die Schuld des Beitretenden ist nicht akzessorisch zur Haupt-/Urschuld. Nach Inhalt und Umfang bemisst sie sich lediglich in der Sekunde ihrer Begründung (hier: durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung) nach der Haupt-/Urschuld. Ab diesem Zeitpunkt liegen Einzelverpflichtungen vor, die nach allgemeinen Gesamtschuldgrundsätzen eine selbständige und durchaus unterschiedliche Entwicklung nehmen können, wenn nicht ein Fall der Wirkungserstreckung nach §§ 424 ff BGB vorliegt (MüKoBGB/Bydlinski, 7. Aufl., Vor § 414 Rn. 17; Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., Überblick vor § 414 Rn. 7; Staudinger/ Rieble, BGB, Neubearbeitung 2012, § 414 Rn. 25).
23
c) Aus den zu dem sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis entwickelten Grundsätzen folgt für den vorliegenden Fall, dass der Kläger durch den Leistungsbescheid vom 7. Mai 2009 in dem dort ausgewiesenen Umfang der Zahlungsverpflichtung des hilfebedürftigen Kindes aus dem mit dem Beklagten abgeschlossenen Schulvertrag beigetreten ist. Auf Grund dieses Beitritts ist der Beklagte als Leistungserbringer Gläubiger eines den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts unterliegenden Zahlungsanspruchs gegen den Kläger als Gesamtschuldner geworden. Soweit das Berufungsgericht meint, der Bewilligungsbescheid vollziehe nur die einstweilige Anordnung vom 24. November 2008 und weise keinen eigenständigen Regelungscharakter im Sinne des § 31 SGB X auf, werden sowohl die privatrechtsgestaltende Drittwirkung des Bescheids als auch der Umstand außer Acht gelassen, dass die zu erbringenden Sozialhilfeleistungen durch den Bescheid näher konkretisiert wurden (vgl. Luthe in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31 Rn. 53).
24
2. Durch die rückwirkende Aufhebung der Sozialhilfebewilligung mit Bescheid des Klägers vom 16. Mai 2012 ist der Rechtsgrund für die in dem Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Mai 2010 an den Beklagten geleisteten Zahlungen nachträglich weggefallen (§ 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB).
25
a) Der Sozialhilfeträger ist an den im Bewilligungsbescheid im Grundverhältnis erklärten Schuldbeitritt grundsätzlich gebunden. Diese Bindungswirkung besteht entgegen der der Auffassung des Berufungsgerichts zugrunde liegenden Annahme, solange und soweit der der Bewilligung zugrunde liegende (begünstigende ) Verwaltungsakt nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§ 39 Abs. 2, §§ 44 ff SGB X). Die Wirksamkeit des Schuldbeitritts hängt somit vom Schicksal des Bewilligungsbescheids ab. Um von seiner zivilrechtlichen Ver- pflichtung gegenüber dem Leistungserbringer frei zu werden, muss der Sozialhilfeträger den Bewilligungsbescheid insgesamt, das heißt auch den darin enthaltenen Schuldbeitritt, nach §§ 44 ff SGB XII aufheben (Jaritz/Eicher aaO Rn. 49). Insoweit strahlt das öffentlich-rechtliche Grundverhältnis auf das privatrechtliche Erfüllungsverhältnis aus, da der Schuldbeitritt aufgrund der privatrechtsgestaltenden Wirkung des Bewilligungsbescheids erfolgte. Ohne eine Entscheidung im Grundverhältnis nach §§ 44 ff SGB X bleibt der Schuldbeitritt grundsätzlich bindend. Soweit der Bewilligungsbescheid nicht widerrufen oder zurückgenommen ist, können Zahlungen des Sozialhilfeträgers an den Leistungserbringer deshalb nicht nach Bereicherungsrecht mit der Begründung zurückgefordert werden, die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung seien nicht erfüllt. Werden hingegen der Bewilligungsbescheid und der darin erklärte Schuldbeitritt nach Maßgabe der §§ 44 ff SGB X aufgehoben, entfällt im Verhältnis zum Leistungserbringer der Rechtsgrund für die Zahlungen des Sozialhilfeträgers. Wird der Bewilligungsbescheid - ausnahmsweise - mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (§ 45 Abs. 2, 4 Satz 1 SGB X), sind bereits geleistete Zahlungen nach § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB auszugleichen.
26
b) Im vorliegenden Fall hat der Kläger die Sozialhilfebewilligung nebst Schuldbeitritt mit gegenüber dem Hilfeempfänger und dem Beklagten bestandskräftigem Bescheid vom 16.Mai 2012 (in Verbindung mit dem Bescheid an den Beklagten vom 18. Mai 2012) gemäß 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3, Abs. 4 Satz 1 SGB X zurückgenommen. Dies erfolgte mit Wirkung für die Vergangenheit , wie sich insbesondere daraus ergibt, dass sowohl der Hilfeempfänger als auch der Beklagte auf Erstattung der seit dem 1. Januar 2009 geleisteten Zahlungen in Anspruch genommen wurden.
27
3. Auf einen Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) kann der Beklagte sich nicht berufen (§ 820 Abs. 1 Satz 2 BGB). Er durfte nicht darauf vertrauen , dass die im vorläufigen Rechtsschutz erstinstanzlich ergangene Entscheidung , auf der der Bewilligungsbescheid beruhte, im Rechtsmittelverfahren und später im Hauptsacheverfahren bestätigt wird. Der Bescheid ist zudem unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Rückforderung ergangen (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 1991 - 7 RAr 60/89, juris Rn. 29 f; KassKomm/Steinwedel, SGB X, 88. EL Dezember 2015, § 50 Rn. 39; Keller in Meyer-Ladewig/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 86b Rn. 22, 49). Es kommt hinzu, dass der Beklagte den Schulvertrag in Kenntnis der ungesicherten Finanzierung und vor Erlass der einstweiligen Anordnung vom 24. November 2008 abgeschlossen hat, also bewusst auf Planungssicherheit verzichtete.
28
4. Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - die Frage, ob der Leistungserbringer und der Hilfeempfänger als Gesamtschuldner nach § 421 BGB haften, offen gelassen. Dies ist zu bejahen. Der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen den Beklagten und der öffentlich -rechtliche Erstattungsanspruch aus § 50 Abs. 1 beziehungsweise § 50 Abs. 2 i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3, Abs. 4 SGB X gegen den Hilfeempfänger stehen gleichstufig nebeneinander. Denn nach den Grundsätzen des sozialhilferechtlichen Dreiecks hat der Kläger seine gegenüber dem Hilfeempfänger bestehende Sachleistungsverschaffungspflicht dadurch erfüllt, dass er das aus dem Schulvertrag geschuldete Entgelt an den Beklagten gezahlt hat. Der Hilfeempfänger hat wiederum eine diesen Zahlungen entsprechende Sachleistung erhalten, ohne das hierfür vereinbarte Entgelt entrichten zu müssen. Die Gleichstufigkeit der Rückerstattungsverpflichtungen ergibt sich daraus, dass der Beklagte und der Hilfeempfänger in gleichem Umfang bereichert und beide zur Rückzahlung verpflichtet sind, ohne dass einer der Schuldner nur subsidiär o- der vorläufig für die andere Verbindung einstehen muss. Insoweit wird ein inhaltsgleiches Gläubigerinteresse befriedigt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Dezember 2011 - VII ZR 7/11, NJW 2012, 1071 Rn. 18; Palandt/Grüneberg aaO § 421 Rn. 7 mwN). Unerheblich ist, dass der Beklagte zivilrechtlich haftet, während sich die Haftung des Hilfeempfängers nach öffentlichem Recht richtet (vgl. Palandt /Grüneberg aaO Rn. 10).
29
Die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner wirkt gemäß § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB auch für den anderen Gesamtschuldner. Die von den Eltern des Hilfeempfängers seit dem 1. Januar 2013 erstatteten Beträge kommen deshalb auch dem Beklagten zugute (§ 362 Abs. 1 BGB). Zur konkreten Höhe dieser Zahlungen fehlen bislang nähere Feststellungen.

III.


30
Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Das Oberlandesgericht hat nunmehr insbesondere die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zur Höhe der bislang geleisteten Rückzahlungen nachzuholen und auf dieser Grundlage zu beurteilen, in welcher Höhe ein Rückzahlungsanspruch gegen den Beklagten noch besteht.
Herrmann Wöstmann Seiters
Remmert Reiter
Vorinstanzen:
LG Osnabrück, Entscheidung vom 04.03.2015 - 10 O 1371/14 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 16.07.2015 - 14 U 22/15 -

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

Sind mehrere eine Leistung in der Weise zu fordern berechtigt, dass jeder die ganze Leistung fordern kann, der Schuldner aber die Leistung nur einmal zu bewirken verpflichtet ist (Gesamtgläubiger), so kann der Schuldner nach seinem Belieben an jeden der Gläubiger leisten. Dies gilt auch dann, wenn einer der Gläubiger bereits Klage auf die Leistung erhoben hat.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.

(2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten. §§ 45 und 48 gelten entsprechend.

(2a) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes, auf Grund dessen Leistungen zur Förderung von Einrichtungen oder ähnliche Leistungen erbracht worden sind, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Satz 1 verlangt werden; Entsprechendes gilt, soweit eine Leistung in Anspruch genommen wird, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen sind; § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

(3) Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.

(4) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. § 52 bleibt unberührt.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten bei Berichtigungen nach § 38 entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 267/15
Verkündet am:
31. März 2016
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Der Schuldbeitritt des Sozialhilfeträgers zur Zahlungsverpflichtung des Hilfeempfängers aus
dessen zivilrechtlichem Vertrag mit dem Leistungserbringer (hier: Schulvertrag über die Betreuung
eines behinderten Kindes) erfolgt in der Regel durch einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt
mit Drittwirkung (zugunsten des Leistungserbringers). Dadurch wird zwischen dem
Sozialhilfeträger und dem Leistungserbringer eine zivilrechtliche Rechtsbeziehung begründet.

b) Der Sozialhilfeträger ist an den im Bewilligungsbescheid im Grundverhältnis gegenüber dem
Hilfeempfänger erklärten Schuldbeitritt grundsätzlich gebunden. Diese Bindungswirkung besteht
, solange und soweit der der Bewilligung zugrunde liegende (begünstigende) Verwaltungsakt
nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf
andere Weise erledigt ist (§ 39 Abs. 2, §§ 44 ff SGB X).

c) Werden der Bewilligungsbescheid und der darin erklärte Schuldbeitritt nach Maßgabe der §§ 44
ff SGB X aufgehoben, entfällt im Verhältnis zum Leistungserbringer der Rechtsgrund für Zahlungen
des Sozialhilfeträgers. Wird der Bewilligungsbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit
zurückgenommen (§ 45 Abs. 2, 4 SGB X), sind bereits geleistete Zahlungen nach § 812 Abs. 1
Satz 2 Alt. 1 BGB auszugleichen (Bestätigung und Fortführung des Senatsurteils vom 7. Mai
2015 - III ZR 304/14, BGHZ 205, 260).
BGH, Urteil vom 31. März 2016 - III ZR 267/15 - OLG Oldenburg
LG Osnabrück
ECLI:DE:BGH:2016:310316UIIIZR267.15.0

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 31. März 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann und die Richter Wöstmann, Seiters, Dr. Remmert und Reiter

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 16. Juli 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger ist als Kommunalverband ein überörtlicher Sozialhilfeträger. Er nimmt den Beklagten, der Träger einer Förderschule ist, auf Erstattung von Kosten in Anspruch, die im Zusammenhang mit der teilstationären Betreuung des mehrfach behinderten Kindes J. -P. P. entstanden sind (Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach §§ 53 ff SGB XII).
2
Nachdem das am 21. Februar 2002 geborene Kind (im Folgenden auch: Hilfeempfänger) zunächst den heilpädagogischen Sonderkindergarten des Beklagten besucht und der Kläger insoweit die Kosten übernommen hatte, sollte es nach dem Willen seiner Eltern mit Beginn der Schulpflicht in der angrenzenden , ebenfalls vom Beklagten getragenen S. -R. -Schule teilstationär betreut werden. Den entsprechenden Antrag auf Kostenübernahme vom 3. Juni 2008 lehnte der Kläger mit Bescheid vom 18. Juli 2008 ab, da die MichaelisSchule in G. die für den Förderbedarf des Kindes zuständige Einrichtung sei und durch Aufnahme in die S. -R. -Schule unverhältnismäßige Mehrkosten im Rahmen der Sozialhilfe entstehen würden. Gleichwohl erklärte sich der Kläger bereit, dem Kind den Besuch der S. -R. -Schule bis Ende 2008 zu ermöglichen. Für die Zeit danach lehnte er die weitere Betreuung des Kindes ohne gleichzeitige Klärung der Kostenfrage ab.
3
Auf Antrag des Kindes verpflichtete das Sozialgericht den Kläger mit Beschluss vom 24. November 2008 im Wege einstweiliger Anordnung, ab dem 1. Januar 2009 vorläufig die Kosten des Besuchs der S. -R. -Schule als Leistung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu übernehmen. Daraufhin bewilligte der Kläger mit Bescheid vom 7. Mai 2009 Sozialhilfe für das Kind und übernahm vorläufig "entsprechend dem Beschluss des Sozialgerichts" für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Mai 2009 die Kosten der teilstationären Betreuung. Darüber hinaus wurden die Kosten "vorläufig für jeweils einen weiteren Monat bis zur weiteren Klärung" übernommen. Gleichzeitig wies der Kläger darauf hin, "dass die Übernahme ab dem 01.01.2009 ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Rückforderung, vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 945 ZPO, steht", die Kosten der Betreuung direkt an die Einrichtung bezahlt würden und diese darüber informiert werde. Dementsprechend unterrichtete der Kläger den Beklagten am selben Tag über den Inhalt des Bewilligungsbescheids.
4
Auf die Beschwerde des Klägers hob das Landessozialgericht durch Beschluss vom 17. Mai 2010 die einstweilige Anordnung des Sozialgerichts auf und wies den Antrag des Kindes auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unanfechtbar zurück. Der Kläger teilte dem Beklagten die Entscheidung des Landessozialgerichts mit und beendete die vorläufige Kostenzusage zum 31. Mai 2010.
5
Durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 18. Mai 2011 wies das Sozialgericht im Hauptsacheverfahren die Klage des Kindes auf Übernahme der Kosten für den Besuch der S. -R. -Schule ab. In der Folgezeit nahm der Kläger unter dem 16. Mai 2012 den Bescheid zur vorläufigen Kostenübernahme vom 7. Mai 2009 zurück und ordnete gegenüber dem Kind die Erstattung der Kosten für den Besuch der S. -R. -Schule in der Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Mai 2010 in Höhe von 35.009,92 € an. Mit Bescheid vom 18. Mai 2012 forderte er den Beklagten unter Berufung auf die Rechtsbeziehungen im so genannten "sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis" ebenfalls zur Rückzahlung der für den Schulbesuch aufgewendeten Kosten "nach allgemeinen Grundsätzen des Bereicherungsrechts" auf, da der Kläger rechtsgrundlos geleistet habe. Am 1. Januar 2013 begannen die Eltern des Kindes mit der Rückerstattung der gewährten Sozialhilfeleistungen (monatliche Raten von je- weils 250 €) an den Kläger.
6
Das Landgericht hat die auf Rückzahlung der an den Beklagten geleisteten 35.009,92 € gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt er seinen Rückerstattungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe


7
Die zulässige Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


8
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
9
Der Kläger habe gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Rück- zahlung der geleisteten Sozialhilfe in Höhe von 35.009,92 €. Dieser Anspruch finde auch im Bereicherungsrecht keine rechtliche Grundlage. Der in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entwickelte Grundsatz eines sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses zwischen Hilfeempfänger, Sozialleistungsträger und Leistungserbringer führe zu keiner abweichenden Beurteilung. Danach seien grundlegend zu unterscheiden das privatrechtliche Verhältnis zwischen dem Kind - gesetzlich vertreten durch seine Eltern - als Hilfeempfänger und dem Beklagten als Leistungserbringer sowie das öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis (Grundverhältnis) zwischen dem Kind als Hilfeempfänger und dem Kläger als Sozialhilfeträger. Untrennbarer Bestandteil der Sachleistungsver- pflichtung des Sozialhilfeträgers sei die "Übernahme" der dem Leistungserbringer (Einrichtungen beziehungsweise Dienste im Sinne des § 75 Abs. 1 SGB XII) zustehenden Vergütung. Damit sei eine kumulative Schuldübernahme durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung gemeint. Der Schuldbeitritt habe dann einen unmittelbaren Zahlungsanspruch des Leistungserbringers gegen den Sozialhilfeträger und einen Anspruch des Hilfeempfängers gegen den Sozialhilfeträger auf Zahlung an den Leistungserbringer zur Folge. Auf diese Weise trete der Sozialhilfeträger als Gesamtschuldner in Höhe der bewilligten Leistungen an die Seite des Sozialhilfeempfängers.
10
Der Sozialhilfeträger könne zwar für die Dauer des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses wegen einer "schlichten Zuvielzahlung" mit der von ihm gegenüber dem Leistungserbringer geschuldeten zivilrechtlichen Zahlungsverpflichtung aufrechnen. Denn dabei bewege er sich in demselben rechtlichen Rahmen, wie er auch für den Hilfeempfänger als Vertragspartner des Leistungserbringers gelte. Diesen Rahmen verlasse der Sozialhilfeträger jedoch, soweit er Änderungen des Leistungsanspruchs auf Grund des öffentlichrechtlichen Grundverhältnisses geltend mache. Dann habe eine Rückabwicklung ausschließlich im Grundverhältnis nach §§ 45, 48 SGB X zu erfolgen. Weitergehende Rechte auf Rückzahlung stünden dem Sozialhilfeträger nach Beendigung des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses nicht zu. Da der Leistungserbringer nicht gleichzeitig dem öffentlich-rechtlich ausgestalteten Grundverhältnis zwischen dem Hilfeempfänger und dem Sozialleistungsträger beitrete , könne er für überzahlte Sozialhilfe nicht unter dem Gesichtspunkt des öffentlich -rechtlichen Erstattungsanspruchs oder des privatrechtlichen Bereicherungsrechts in Anspruch genommen werden.
11
Für dieses Ergebnis spreche auch eine Gesamtbetrachtung des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses in all seinen Auswirkungen. Könnte sich der Sozialhilfeträger im Falle einer Änderung des Leistungsanspruchs im Grundverhältnis beim Leistungserbringer nach Bereicherungsrecht schadlos halten, würden die sonst vom Sozialhilfeträger im Fall einer Rückforderung gegenüber dem Sozialhilfeempfänger zu beachtenden Regeln über die Rücknahme beziehungsweise den Widerruf von begünstigenden Verwaltungsakten nach §§ 44 ff SGB X unterlaufen (insbesondere § 45 Abs. 2, 4 SGB X). Es komme hinzu, dass die Bejahung eines Rückforderungsanspruchs des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Leistungserbringer in den Fällen einer Überzahlung der Eingliederungshilfe im Grundverhältnis stets dazu führen würde, dass der Leistungserbringer ohne Planungssicherheit im Rahmen einer Kalkulation der dienstvertraglichen Entgelte Vereinbarungen (nach § 75 Abs. 3 SGB XII) mit dem Sozialleistungsträger schließen müsste, ohne zu wissen, ob er das vereinbarte Entgelt trotz erbrachter Leistung später wieder zurückzahlen müsse. Soweit das Grundverhältnis zwischen dem Hilfeempfänger und dem Sozialhilfeträger - wie vorliegend - durch eine einstweilige Anordnung des Sozialgerichts inhaltlich bestimmt werde, stehe dem Leistungserbringer die Entscheidung zur Aufnahme des Hilfeempfängers in seiner Einrichtung nicht frei.

II.


12
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
13
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB zu. Er kann nach Rücknahme des Bewilligungsbe- scheids vom 7. Mai 2009 mit Wirkung für die Vergangenheit die in dem Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Mai 2010 rechtsgrundlos geleisteten Zahlungen zurückverlangen. Dabei sind jedoch vom Hilfeempfänger bereits erstattete Beträge gemäß § 422 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 362 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen , da dieser neben dem Beklagten als Gesamtschuldner haftet.
14
1. Die Rechtsbeziehung zwischen dem Kläger als Sozialhilfeträger und dem Beklagten als Leistungserbringer im Rahmen des Schulverhältnisses ist zivilrechtlich zu beurteilen. Ohne Rechtsgrund erbrachte Zahlungen des Sozialhilfeträgers sind nach Maßgabe der §§ 812 ff BGB auszugleichen.
15
a) Das Leistungserbringungsrecht der Sozialhilfe ist im Bereich der sozialen Dienste und Einrichtungen (§ 75 Abs. 1 SGB XII) durch das so genannte sozialhilferechtliche Dreiecksverhältnis geprägt, das die wechselseitigen und unterschiedlichen Rechtsbeziehungen zwischen dem Träger der Sozialhilfe, dem Leistungsberechtigten (Hilfeempfänger) und dem Leistungserbringer (Dienst, Einrichtung) beschreibt (grundlegend BSGE 102, 1 Rn. 15 ff). Die Besonderheit und zugleich Schwierigkeit bei der Beurteilung von Ansprüchen der im sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis verbundenen Beteiligten besteht darin, dass die im Leistungsdreieck zusammengefassten Beziehungen unterschiedlicher Rechtsnatur sind.
16
aa) Zwischen dem bedürftigen Hilfeempfänger und dem Sozialhilfeträger besteht ein öffentlich-rechtliches Leistungsverhältnis (Grundverhältnis), das sich nach den Vorschriften des SGB XII beurteilt (hier: Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach §§ 53 ff SGB XII). Die Entscheidung über die Gewährung von Sozialhilfeleistungen ergeht durch Verwaltungsakt. Das Grundverhältnis ist Fundament und rechtlicher Maßstab für die übrigen Rechtsbeziehungen des sozialhilferechtlichen Dreiecks. Diese dienen der Erfüllung der Ansprüche im Grundverhältnis. Das Grundverhältnis an sich und die dieses Verhältnis prägenden Vorschriften sind daher bei der Auslegung der übrigen Vertragsbeziehungen zu berücksichtigen (Ausstrahlungswirkung des Grundverhältnisses). Im Rahmen des Grundverhältnisses stehen dem Sozialhilfeempfänger keine Primäransprüche auf Zahlung entstehender oder entstandener Kosten an sich selbst zu; er kann vom Sozialhilfeträger ausschließlich die Übernahme dieser Kosten in Form der Zahlung an den Leistungserbringer verlangen (Anspruch auf Sachleistungsverschaffung; Senatsurteil vom 7. Mai 2015 - III ZR 304/14, BGHZ 205, 260 Rn. 21; Jaritz/Eicher, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl., § 75 SGB XII Rn. 32, 38; Eicher, SGb 2013, 127, 128). Das gesetzliche Regelungskonzept geht somit davon aus, dass der Sozialhilfeträger die ihm (im Rahmen seiner Sachleistungsverschaffungspflicht/Gewährleistungsverantwortung) obliegende Leistung nicht als Geldleistung an den jeweiligen Hilfeempfänger erbringt, um diesem die Zahlung des vertraglichen Entgelts aus dem Vertrag über die Erbringung von Pflegeleistungen zu ermöglichen, sondern dass die Zahlung direkt an den Dienst erfolgt, der die Pflege leistet (BSG, NVwZ-RR 2015, 501 Rn. 14; vgl. auch BSGE aaO Rn. 19 f).
17
bb) Der Kostenübernahmeanspruch des Leistungsempfängers gegenüber dem Sozialhilfeträger setzt voraus, dass zwischen Ersterem und dem Leistungserbringer ein zivilrechtlicher Vertrag geschlossen wird, auf Grund dessen ein Anspruch auf Erbringung von Betreuungs-, Hilfe- und Förderleistungen sowie gegebenenfalls Unterkunft und Verpflegung besteht (privatrechtliches Erfüllungsverhältnis als zivilrechtliche Seite des sozialhilferechtlichen Dreiecks; hier: Schulvertrag mit dem Beklagten als Träger der S. -R. -Schule). Im Gegenzug ist der bedürftige Hilfeempfänger zur Zahlung des vertraglich vereinbarten Entgelts verpflichtet. Die gegenüber dem Leistungserbringer bestehende Zahlungsverpflichtung des Hilfeempfängers ist der Bedarf, den der Sozialhilfeträger im Grundverhältnis - durch Vergütungsübernahme - decken muss (Senatsurteil vom 7. Mai 2015 aaO Rn. 22; Jaritz/Eicher aaO Rn. 34; Eicher aaO).
18
cc) Die Rechtsbeziehungen zwischen den Leistungserbringern undden Sozialhilfeträgern werden in ihrem Rahmen durch die öffentlich-rechtlich zu qualifizierenden Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII (öffentlichrechtliches Sachleistungsverschaffungsverhältnis; Senatsurteil vom 7. Mai 2015 aaO Rn. 23; Jaritz/Eicher aaO Rn. 36; Eicher aaO) bestimmt. Da der Sozialhilfeträger die Leistungen grundsätzlich nicht selbst erbringt, hat er durch Verträge mit den Leistungserbringern eine Sachleistung durch diese sicherzustellen. Dadurch wird den Hilfeempfängern die Sozialleistung verschafft (Senat aaO; BSGE 102, 1 Rn. 17). Zugleich modifizieren die Vereinbarungen das Grundverhältnis und beeinflussen ("überlagern") das Erfüllungsverhältnis (Senatsurteil vom 7. Mai 2015 aaO Rn. 23, 26; Jaritz/Eicher aaO Rn. 36, 40). Das zwischen Sozialhilfeträger und Leistungserbringer bestehende Sachleistungsverschaffungsverhältnis verbindet somit das öffentlich-rechtliche Grundverhältnis und das privatrechtliche Erfüllungsverhältnis zu einer dreiseitigen Rechtsbeziehung.
19
b) Nach dem Gesetzeskonzept ist die "Übernahme" der dem Leistungserbringer zustehenden Vergütung (vgl. § 75 Abs. 3 SGB XII) untrennbarer ergänzender Bestandteil der Sachleistungsverschaffungspflicht des Trägers der Sozialhilfe.
20
aa) Rechtlich geschieht dies - bei unverändert fortbestehender Verpflichtung des Hilfeempfängers aus dem im Erfüllungsverhältnis geschlossenen privatrechtlichen Vertrag - in Form eines Schuldbeitritts des Sozialhilfeträgers (kumulative Schuldübernahme). Der Sozialhilfeträger tritt der Zahlungsverpflich- tung des bedürftigen Hilfeempfängers aus dessen zivilrechtlichem Vertrag mit dem Leistungserbringer und somit einer privatrechtlichen Schuld gegenüber dem Leistungserbringer bei. Dabei wird der Schuldbeitritt in dem im öffentlichrechtlichen Grundverhältnis ergehenden Bewilligungsbescheid über die Sozialhilfeleistung erklärt. Dementsprechend handelt es sich bei dem Bewilligungsbescheid um einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung (zugunsten des Leistungserbringers ) nach § 31 SGB X (Senatsurteil vom 7. Mai 2015 aaO Rn. 24; s. auch BSGE 102, 1 Rn. 22 ff; BSG, BeckRS 2014, 68095 Rn. 7 und NVwZ 2015, 501 Rn. 14; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. Februar 2011 - L 1 SO 33/09, BeckRS 2011, 69866 = juris Rn. 26; Bayerisches LSG, Beschluss vom 26. November 2012 - L 18 SO 173/12 B, BeckRS 2013, 68424 = juris Rn. 15 ff; Jaritz/Eicher aaO Rn. 42, 46).
21
bb) Der Schuldbeitritt hat sowohl einen unmittelbaren Zahlungsanspruch des Leistungserbringers gegen den Sozialhilfeträger als auch einen Anspruch des Hilfeempfängers gegen den Sozialhilfeträger auf Zahlung an den Leistungserbringer zur Folge. Der Sozialhilfeträger tritt auf diese Weise als Gesamtschuldner im Sinne der §§ 421 ff BGB in Höhe der bewilligten Leistung, wie sie in dem gegenüber dem Hilfsbedürftigen ergehenden Kostenübernahmebescheid ausgewiesen ist, an die Seite des Sozialhilfeempfängers (Senatsurteil vom 7. Mai 2015 aaO). Dadurch, dass der Sozialhilfeträger mit dem Kostenübernahmebescheid der Schuld des Hilfeempfängers beitritt und der Leistungserbringer auf Grund dieses Schuldbeitritts direkt einen Zahlungsanspruch gegen den Sozialhilfeträger hat, wandelt sich die zivilrechtliche Schuld aus dem im Erfüllungsverhältnis zwischen dem Hilfeempfänger und dem Leistungserbringer geschlossenen (Dienst-)Vertrag nicht in eine öffentlich-rechtliche um. Denn ein Schuldbeitritt teilt seinem Wesen nach die Rechtsnatur der Forderung des Gläubigers, zu der er erklärt wird (Senatsurteile vom 6. November 2008 - III ZR 279/07, BGHZ 178, 243 Rn. 14 und vom 7. Mai 2015 aaO; BGH, Urteil vom 16. Oktober 2007 - XI ZR 132/06, BGHZ 174, 39 Rn. 23; Senatsbeschlüsse vom 17. September 2008 - III ZB 19/08, WM 2008, 2153 Rn. 15 und III ZB 50/08, BeckRS 2008, 21300 Rn. 16).
22
cc) Da der Sozialhilfeträger somit durch den Schuldbeitritt Gesamtschuldner einer zivilrechtlichen Forderung wird, ist die Entscheidung des Sozialhilfeträgers im Grundverhältnis über die Schuldmitübernahme (Bewilligungsbescheid ) als privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt mit Drittwirkung zu qualifizieren (vgl. Jaritz/Eicher aaO Rn. 46 mwN), der zwischen dem Sozialhilfeträger und dem Leistungserbringer eine zivilrechtliche Rechtsbeziehung entstehen lässt, so dass die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten. Der Schuldbeitritt des Sozialhilfeträgers begründet - wie Garantie oder Bürgschaft - eine eigene Schuld und stellt diese neben die des Schuldners. Zahlt der Beitretende an den Gläubiger, leistet er in der Regel auf diese Verpflichtung. Besteht sie nicht, hat er einen Anspruch aus Leistungskondiktion gegen den Gläubiger (vgl. Palandt/Sprau, BGB 75. Aufl., § 812 Rn. 83 zur Konstellation bei der Bürgschaft ). Die Schuld des Beitretenden ist nicht akzessorisch zur Haupt-/Urschuld. Nach Inhalt und Umfang bemisst sie sich lediglich in der Sekunde ihrer Begründung (hier: durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung) nach der Haupt-/Urschuld. Ab diesem Zeitpunkt liegen Einzelverpflichtungen vor, die nach allgemeinen Gesamtschuldgrundsätzen eine selbständige und durchaus unterschiedliche Entwicklung nehmen können, wenn nicht ein Fall der Wirkungserstreckung nach §§ 424 ff BGB vorliegt (MüKoBGB/Bydlinski, 7. Aufl., Vor § 414 Rn. 17; Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., Überblick vor § 414 Rn. 7; Staudinger/ Rieble, BGB, Neubearbeitung 2012, § 414 Rn. 25).
23
c) Aus den zu dem sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis entwickelten Grundsätzen folgt für den vorliegenden Fall, dass der Kläger durch den Leistungsbescheid vom 7. Mai 2009 in dem dort ausgewiesenen Umfang der Zahlungsverpflichtung des hilfebedürftigen Kindes aus dem mit dem Beklagten abgeschlossenen Schulvertrag beigetreten ist. Auf Grund dieses Beitritts ist der Beklagte als Leistungserbringer Gläubiger eines den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts unterliegenden Zahlungsanspruchs gegen den Kläger als Gesamtschuldner geworden. Soweit das Berufungsgericht meint, der Bewilligungsbescheid vollziehe nur die einstweilige Anordnung vom 24. November 2008 und weise keinen eigenständigen Regelungscharakter im Sinne des § 31 SGB X auf, werden sowohl die privatrechtsgestaltende Drittwirkung des Bescheids als auch der Umstand außer Acht gelassen, dass die zu erbringenden Sozialhilfeleistungen durch den Bescheid näher konkretisiert wurden (vgl. Luthe in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31 Rn. 53).
24
2. Durch die rückwirkende Aufhebung der Sozialhilfebewilligung mit Bescheid des Klägers vom 16. Mai 2012 ist der Rechtsgrund für die in dem Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Mai 2010 an den Beklagten geleisteten Zahlungen nachträglich weggefallen (§ 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB).
25
a) Der Sozialhilfeträger ist an den im Bewilligungsbescheid im Grundverhältnis erklärten Schuldbeitritt grundsätzlich gebunden. Diese Bindungswirkung besteht entgegen der der Auffassung des Berufungsgerichts zugrunde liegenden Annahme, solange und soweit der der Bewilligung zugrunde liegende (begünstigende ) Verwaltungsakt nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§ 39 Abs. 2, §§ 44 ff SGB X). Die Wirksamkeit des Schuldbeitritts hängt somit vom Schicksal des Bewilligungsbescheids ab. Um von seiner zivilrechtlichen Ver- pflichtung gegenüber dem Leistungserbringer frei zu werden, muss der Sozialhilfeträger den Bewilligungsbescheid insgesamt, das heißt auch den darin enthaltenen Schuldbeitritt, nach §§ 44 ff SGB XII aufheben (Jaritz/Eicher aaO Rn. 49). Insoweit strahlt das öffentlich-rechtliche Grundverhältnis auf das privatrechtliche Erfüllungsverhältnis aus, da der Schuldbeitritt aufgrund der privatrechtsgestaltenden Wirkung des Bewilligungsbescheids erfolgte. Ohne eine Entscheidung im Grundverhältnis nach §§ 44 ff SGB X bleibt der Schuldbeitritt grundsätzlich bindend. Soweit der Bewilligungsbescheid nicht widerrufen oder zurückgenommen ist, können Zahlungen des Sozialhilfeträgers an den Leistungserbringer deshalb nicht nach Bereicherungsrecht mit der Begründung zurückgefordert werden, die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung seien nicht erfüllt. Werden hingegen der Bewilligungsbescheid und der darin erklärte Schuldbeitritt nach Maßgabe der §§ 44 ff SGB X aufgehoben, entfällt im Verhältnis zum Leistungserbringer der Rechtsgrund für die Zahlungen des Sozialhilfeträgers. Wird der Bewilligungsbescheid - ausnahmsweise - mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (§ 45 Abs. 2, 4 Satz 1 SGB X), sind bereits geleistete Zahlungen nach § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB auszugleichen.
26
b) Im vorliegenden Fall hat der Kläger die Sozialhilfebewilligung nebst Schuldbeitritt mit gegenüber dem Hilfeempfänger und dem Beklagten bestandskräftigem Bescheid vom 16.Mai 2012 (in Verbindung mit dem Bescheid an den Beklagten vom 18. Mai 2012) gemäß 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3, Abs. 4 Satz 1 SGB X zurückgenommen. Dies erfolgte mit Wirkung für die Vergangenheit , wie sich insbesondere daraus ergibt, dass sowohl der Hilfeempfänger als auch der Beklagte auf Erstattung der seit dem 1. Januar 2009 geleisteten Zahlungen in Anspruch genommen wurden.
27
3. Auf einen Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) kann der Beklagte sich nicht berufen (§ 820 Abs. 1 Satz 2 BGB). Er durfte nicht darauf vertrauen , dass die im vorläufigen Rechtsschutz erstinstanzlich ergangene Entscheidung , auf der der Bewilligungsbescheid beruhte, im Rechtsmittelverfahren und später im Hauptsacheverfahren bestätigt wird. Der Bescheid ist zudem unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Rückforderung ergangen (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 1991 - 7 RAr 60/89, juris Rn. 29 f; KassKomm/Steinwedel, SGB X, 88. EL Dezember 2015, § 50 Rn. 39; Keller in Meyer-Ladewig/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 86b Rn. 22, 49). Es kommt hinzu, dass der Beklagte den Schulvertrag in Kenntnis der ungesicherten Finanzierung und vor Erlass der einstweiligen Anordnung vom 24. November 2008 abgeschlossen hat, also bewusst auf Planungssicherheit verzichtete.
28
4. Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - die Frage, ob der Leistungserbringer und der Hilfeempfänger als Gesamtschuldner nach § 421 BGB haften, offen gelassen. Dies ist zu bejahen. Der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen den Beklagten und der öffentlich -rechtliche Erstattungsanspruch aus § 50 Abs. 1 beziehungsweise § 50 Abs. 2 i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3, Abs. 4 SGB X gegen den Hilfeempfänger stehen gleichstufig nebeneinander. Denn nach den Grundsätzen des sozialhilferechtlichen Dreiecks hat der Kläger seine gegenüber dem Hilfeempfänger bestehende Sachleistungsverschaffungspflicht dadurch erfüllt, dass er das aus dem Schulvertrag geschuldete Entgelt an den Beklagten gezahlt hat. Der Hilfeempfänger hat wiederum eine diesen Zahlungen entsprechende Sachleistung erhalten, ohne das hierfür vereinbarte Entgelt entrichten zu müssen. Die Gleichstufigkeit der Rückerstattungsverpflichtungen ergibt sich daraus, dass der Beklagte und der Hilfeempfänger in gleichem Umfang bereichert und beide zur Rückzahlung verpflichtet sind, ohne dass einer der Schuldner nur subsidiär o- der vorläufig für die andere Verbindung einstehen muss. Insoweit wird ein inhaltsgleiches Gläubigerinteresse befriedigt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Dezember 2011 - VII ZR 7/11, NJW 2012, 1071 Rn. 18; Palandt/Grüneberg aaO § 421 Rn. 7 mwN). Unerheblich ist, dass der Beklagte zivilrechtlich haftet, während sich die Haftung des Hilfeempfängers nach öffentlichem Recht richtet (vgl. Palandt /Grüneberg aaO Rn. 10).
29
Die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner wirkt gemäß § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB auch für den anderen Gesamtschuldner. Die von den Eltern des Hilfeempfängers seit dem 1. Januar 2013 erstatteten Beträge kommen deshalb auch dem Beklagten zugute (§ 362 Abs. 1 BGB). Zur konkreten Höhe dieser Zahlungen fehlen bislang nähere Feststellungen.

III.


30
Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Das Oberlandesgericht hat nunmehr insbesondere die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zur Höhe der bislang geleisteten Rückzahlungen nachzuholen und auf dieser Grundlage zu beurteilen, in welcher Höhe ein Rückzahlungsanspruch gegen den Beklagten noch besteht.
Herrmann Wöstmann Seiters
Remmert Reiter
Vorinstanzen:
LG Osnabrück, Entscheidung vom 04.03.2015 - 10 O 1371/14 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 16.07.2015 - 14 U 22/15 -

(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.

(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.

(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.

(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.

(2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten. §§ 45 und 48 gelten entsprechend.

(2a) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes, auf Grund dessen Leistungen zur Förderung von Einrichtungen oder ähnliche Leistungen erbracht worden sind, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Satz 1 verlangt werden; Entsprechendes gilt, soweit eine Leistung in Anspruch genommen wird, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen sind; § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

(3) Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.

(4) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. § 52 bleibt unberührt.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten bei Berichtigungen nach § 38 entsprechend.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.

(2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten. §§ 45 und 48 gelten entsprechend.

(2a) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes, auf Grund dessen Leistungen zur Förderung von Einrichtungen oder ähnliche Leistungen erbracht worden sind, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Satz 1 verlangt werden; Entsprechendes gilt, soweit eine Leistung in Anspruch genommen wird, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen sind; § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

(3) Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.

(4) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. § 52 bleibt unberührt.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten bei Berichtigungen nach § 38 entsprechend.

(1) Ein Kind, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist in einer Einrichtung oder in Kindertagespflege zu fördern, wenn

1.
diese Leistung für seine Entwicklung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit geboten ist oder
2.
die Erziehungsberechtigten
a)
einer Erwerbstätigkeit nachgehen, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder Arbeit suchend sind,
b)
sich in einer beruflichen Bildungsmaßnahme, in der Schulausbildung oder Hochschulausbildung befinden oder
c)
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne des Zweiten Buches erhalten.
Lebt das Kind nur mit einem Erziehungsberechtigten zusammen, so tritt diese Person an die Stelle der Erziehungsberechtigten. Der Umfang der täglichen Förderung richtet sich nach dem individuellen Bedarf.

(2) Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Ein Kind, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, hat bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben darauf hinzuwirken, dass für diese Altersgruppe ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. Das Kind kann bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in Kindertagespflege gefördert werden.

(4) Für Kinder im schulpflichtigen Alter ist ein bedarfsgerechtes Angebot in Tageseinrichtungen vorzuhalten. Absatz 1 Satz 3 und Absatz 3 Satz 3 gelten entsprechend.

(5) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die von ihnen beauftragten Stellen sind verpflichtet, Eltern oder Elternteile, die Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 in Anspruch nehmen wollen, über das Platzangebot im örtlichen Einzugsbereich und die pädagogische Konzeption der Einrichtungen zu informieren und sie bei der Auswahl zu beraten. Landesrecht kann bestimmen, dass die erziehungsberechtigten Personen den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die beauftragte Stelle innerhalb einer bestimmten Frist vor der beabsichtigten Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis setzen.

(6) Weitergehendes Landesrecht bleibt unberührt.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme der Anordnung, ihn in Obhut zu nehmen und die Aufforderung, die Kosten seiner Inobhutnahme zu erstatten.

2

Der Kläger reiste im November 2004 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Vor der Ausländerbehörde der beklagten Stadt gab er wahrheitswidrig an, er heiße Ali Halch, sei am 13. August 1988 in Darfur geboren und sudanesischer Staatsangehöriger. Daraufhin wurde er am 29. November 2004 dem Jugendamt der beklagten Stadt übergeben, das mit Rücksicht auf die nach den Angaben des Klägers bestehende Minderjährigkeit am selben Tag die Inobhutnahme des Klägers anordnete und ihn in einer Einrichtung der Arbeiterwohlfahrt unterbrachte. Dort hielt sich der Kläger vom 29. November bis zum 17. Dezember 2004 und vom 1. April bis zum 3. Mai 2005 auf.

3

Nachdem das Jugendamt der beklagten Stadt davon Kenntnis erlangt hatte, dass der Kläger in Wahrheit aus Tunesien stammt und im Zeitpunkt der Einreise volljährig gewesen ist, nahm es mit Bescheid vom 20. April 2006 die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen nach § 42 Achtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VIII - für die Zeiträume vom 29. November bis 17. Dezember 2004 und vom 1. April bis 3. Mai 2005 zurück und forderte den Kläger auf, die zu Unrecht erbrachten Leistungen in Höhe von 9 253,37 € gemäß § 50 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - zu erstatten.

4

Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage, die vom Kläger der Höhe nach auf das von der Beklagten aufgrund der Entgeltvereinbarung an den Einrichtungsträger für seine Unterbringung, Verpflegung und sozialpädagogische Betreuung gezahlte Entgelt von insgesamt 9 056,98 € beschränkt wurde, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen.

5

Das Oberverwaltungsgericht hat der Berufung des Klägers stattgegeben und die angefochtenen Bescheide in dem beantragten Umfang aufgehoben. Die Inobhutnahme sei ein Verwaltungsakt. Dies gelte unabhängig davon, ob die aktenkundig am 29. November 2004 erfolgte Inobhutnahme dem Kläger selbst gegenüber schriftlich angeordnet worden sei, weil eine solche Maßnahme auch mündlich erlassen werden könne. Die Inobhutnahme sei objektiv rechtswidrig gewesen, weil der Kläger im November 2004 nicht mehr minderjährig gewesen sei. Ob die Inobhutnahme dem Kläger gegenüber als begünstigender oder als belastender (bzw. "sonstiger") Verwaltungsakt anzusehen sei, könne offenbleiben, da sowohl ein belastender ("sonstiger") Verwaltungsakt als auch ein sogenannter gemischter Verwaltungsakt beim Vorliegen der in § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X genannten Voraussetzungen wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit rückwirkend aufgehoben werden dürfe. Der Kläger könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil er die Inobhutnahme durch seine vorsätzlich falsche Altersangabe bewirkt habe. Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X sei gewahrt. Hinsichtlich des "Ob" der Rücknahme der Entscheidung, den Kläger in Obhut zu nehmen, habe es angesichts von dessen Bösgläubigkeit keiner vertieften Ermessenserwägungen bedurft.

6

Der Erstattungsanspruch finde seine Rechtsgrundlage in § 50 Abs. 1 SGB X. Da der Beklagten im Anwendungsbereich des § 50 Abs. 1 SGB X kein Ermessen zustehe, ob sie den Erstattungsanspruch geltend mache, habe sie bei der Aufhebung des Verwaltungsaktes eine Ermessensentscheidung über den Umfang der zu erstattenden Leistungen zu treffen. Dieser Ermessensentscheidung liege ein unzutreffender Maßstab zugrunde. Im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis seien die erbrachten Leistungen im Sinne des § 50 Abs. 1 SGB X nicht mit dem zwischen dem Jugendamt und dem Träger der Einrichtung vereinbarten Entgelt gleichzusetzen. Die Entgeltvereinbarung mit dem Einrichtungsträger bilde auch keine hinreichende Grundlage für eine schätzungsweise Ermittlung der beim Kläger eingetretenen Vermögensmehrung. Der festgestellte Ermessensfehler bei der Rücknahmeentscheidung wirke sich im Entscheidungsverbund mit § 50 Abs. 1 SGB X unmittelbar auf den festgesetzten Erstattungsbetrag aus.

7

Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Sie rügt eine Verletzung des § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Die an den Kläger erbrachten Leistungen entsprächen den Aufwendungen, die sich aus der zwischen ihr und dem Einrichtungsträger geschlossenen Entgeltvereinbarung ergäben.

8

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die entscheidungstragenden Annahmen des Oberverwaltungsgerichts, die Beklagte habe im Rahmen der Ermessensausübung nach § 45 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl I S. 130) und der im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung geltenden Änderung durch Art. 11 Nr. 2 des Gesetzes vom 21. Juni 2002 (BGBl I S. 2167) - SGB X - eine Ermessensentscheidung über den Umfang der nach § 50 Abs. 1 SGB X zu erstattenden Leistungen zu treffen, deren Wert nicht anhand der Entgeltvereinbarung bemessen werden dürfe, die zwischen der Beklagten und dem Einrichtungsträger geschlossen worden sei, verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Weil der Senat mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden kann, ist die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

10

Nach § 50 Abs. 1 SGB X sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, bereits erbrachte Leistungen zu erstatten (Satz 1). Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten (Satz 2). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Inobhutnahme des Klägers nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Achtes Buch Sozialgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 1998 (BGBl I S. 3546) und der im Zeitraum der streitgegenständlichen Inobhutnahme geltenden Änderung durch Art. 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2004 (BGBl I S. 3852) - stellt einen diesem gegenüber ergangenen Verwaltungsakt dar (1). Aufgrund dessen sind Leistungen erbracht worden (2.). Der Verwaltungsakt der Inobhutnahme wurde mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (3.). Die Erstattung der erbrachten Leistungen ist auf den Ersatz ihres Wertes gerichtet, der sich grundsätzlich nach dem Entgelt bestimmt, das die Träger der Jugendhilfe hierfür vereinbart haben (4.).

11

1. Die Inobhutnahme ist ein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X (a). Dieser ist dem Kläger gegenüber wirksam ergangen (b) und hatte bis zum Zeitpunkt der Rücknahme seine Wirksamkeit nicht verloren (c).

12

a) Das Jugendamt der beklagten Stadt hat - was vom Kläger im Revisionsverfahren auch nicht mehr in Abrede gestellt wird - mit der auf § 42 SGB VIII gestützten Inobhutnahme des Klägers, die von dem Vollzugsakt seines tatsächlichen Verbringens und Betreuens in der Einrichtung zu unterscheiden ist, eine Entscheidung im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen. Denn die Inobhutnahme verschafft dem Jugendamt der beklagten Stadt im konkreten Hilfefall eine Position, die das (vermeintliche) elterliche Sorgerecht für die Dauer der Inobhutnahme überlagert. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme den notwendigen Unterhalt des Klägers und die Krankenhilfe sicherzustellen (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII). Es übt das Recht der Beaufsichtigung, Erziehung und Aufenthaltsbestimmung aus (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 1 SGB VIII) und hat für das Wohl des Klägers zu sorgen, ihn in seiner gegenwärtigen Lage zu beraten und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 5 SGB VIII). Die von der Inobhutnahme umfasste Befugnis des Jugendamtes, den Kläger in einer Einrichtung unterzubringen (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII), begründet für diesen die Verpflichtung, vorübergehend den Anweisungen des Jugendamtes im Hinblick auf seine Anwesenheit in der Einrichtung zu folgen. Zugleich verleiht die Inobhutnahme dem Kläger einen Anspruch darauf, in der Einrichtung aufgenommen, verpflegt und betreut zu werden. Da die Inobhutnahme ihrem objektiven Sinngehalt entsprechend verbindliche Wirkung gegenüber dem Kläger entfaltet, ist sie auch auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet.

13

b) Die Inobhutnahme ist dem Kläger gegenüber wirksam bekanntgegeben worden.

14

Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekanntgegeben wird. Hierfür reicht es aus, dass die Behörde - willentlich - dem Adressaten von dem Inhalt des Verwaltungsaktes Kenntnis verschafft (vgl. Beschluss vom 11. Februar 1994 - BVerwG 2 B 173.93 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 258 S. 1). Dies kann, soweit - wie hier - nichts anders vorgeschrieben ist, auch mündlich geschehen. So verhält es sich im vorliegenden Fall. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, an die der Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO), ist die aktenkundig am 29. November 2004 erfolgte Inobhutnahme dem Kläger gegenüber mündlich eröffnet worden.

15

Ob eine Inobhutnahme Minderjährigen gegenüber - wie die Revision meint - nur wirksam bekanntgegeben werden kann, wenn sie ihren Eltern gegenüber eröffnet wird bzw. die Wirksamkeit der Bekanntgabe die Handlungsfähigkeit nach § 36 Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch vom 11. Dezember 1975 (BGBl I S. 3015), im Zeitraum der streitgegenständlichen Inobhutnahme zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 21. März 2005 (BGBl I S. 818) - SGB I - bzw. § 11 SGB X voraussetzt, braucht hier nicht entschieden zu werden, da der Kläger nach den ebenfalls bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts im Zeitpunkt der Bekanntgabe 23 Jahre alt und damit sowohl nach bürgerlichem Recht geschäftsfähig als auch nach Maßgabe der vorgenannten Vorschriften handlungsfähig war.

16

Dem steht auch § 33a Abs. 1 SGB I nicht entgegen. Danach ist, wenn Rechte oder Pflichten davon abhängig sind, dass eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder nicht überschritten ist, das Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten gegenüber einem Sozialleistungsträger ergibt. Diese Vorschrift ist entgegen der Rechtsansicht der Revision jedenfalls deshalb auf die Bekanntgabe der Inobhutnahme nicht anwendbar, weil sie nur für Sozialleistungen im Sinne von § 11 SGB I gilt (vgl. BSG, Urteile vom 19. Oktober 2000 - B 8 KN 3/00 R - juris Rn. 35 und vom 31. März 1998 - B 8 KN 11/95 R - SozR 3-1200 § 33a Nr. 2). Zu diesen gehört die Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII nicht.

17

Nach § 11 Satz 1 SGB I sind Sozialleistungen die im Sozialgesetzbuch vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen, die Gegenstand sozialer Rechte sind. Die persönlichen und erzieherischen Hilfen werden zu den Dienstleistungen gezählt (§ 11 Satz 2 SGB I). Die nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vorgesehenen Sozialleistungen werden in § 27 Abs. 1 SGB I aufgezählt. Die Inobhutnahme ist in dieser Aufzählung nicht enthalten. Ebenso wenig wird sie im Katalog der Leistungen der Jugendhilfe nach § 2 Abs. 2 SGB VIII genannt. Stattdessen führt sie das Gesetz ausdrücklich in § 2 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII unter der Kategorie der sonstigen Aufgaben der Jugendhilfe auf. Diese systematische und begriffliche Unterscheidung im Achten Buch Sozialgesetzbuch setzt sich in den Regelungen über die örtliche Zuständigkeit fort. So hat der Gesetzgeber ausweislich der gesetzlichen Überschriften in § 86 SGB VIII die "örtliche Zuständigkeit für Leistungen" geregelt, während er in § 87 SGB VIII eine gesonderte Zuständigkeitsregelung für die Inobhutnahme getroffen und diese als "örtliche Zuständigkeit für andere Aufgaben" bzw. "für vorläufige Maßnahmen" gekennzeichnet hat. Dass die Inobhutnahme selbst keine Leistung im oben genannten Sinne ist, ergibt sich schließlich auch aus § 86 Abs. 7 Satz 1 Halbs. 2 SGB VIII, welcher (mit der Formulierung "geht der Leistungsgewährung eine Inobhutnahme voraus ...") die Inobhutnahme der Leistungsgewährung gegenüberstellt.

18

c) Der Verwaltungsakt der Inobhutnahme war im Zeitpunkt der Rücknahme noch wirksam. Dadurch, dass die Inobhutnahme zu diesem Zeitpunkt bereits vollzogen und beendet war, ist keine Erledigung eingetreten.

19

Ein Verwaltungsakt bleibt gemäß § 39 Abs. 2 SGB X wirksam, solange und soweit er nicht erledigt ist. Allein der Vollzug eines Handlungspflichten auferlegenden Verwaltungsaktes muss nicht bereits zu dessen Erledigung führen und zwar auch dann nicht, wenn hiermit irreversible Tatsachen geschaffen werden. Die Erledigung eines Verwaltungsaktes tritt vielmehr erst ein, wenn dieser nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist (vgl. Urteil vom 25. September 2008 - BVerwG 7 C 5.08 - Buchholz 345 § 6 VwVG Nr. 1 Rn. 13 m.w.N.). Daran gemessen hatte sich der Verwaltungsakt der Inobhutnahme im Zeitpunkt der Rücknahme noch nicht erledigt.

20

Zwar hatte sich die Verpflichtung des Klägers, sich der Obhut zu unterstellen, mit dem Vollzug und der Beendigung der Inobhutnahme verbraucht. Der Verwaltungsakt der Inobhutnahme entfaltet darüber hinaus aber auch eine Sperrwirkung. Solange er nicht aufgehoben worden ist, hindert er den Rückgriff auf den Hilfeempfänger im Wege eines möglichen Erstattungsanspruchs nach § 50 Abs. 1 SGB X. Diese Funktion des Verwaltungsaktes dauert bis zu seiner Aufhebung an.

21

2. Aufgrund des Verwaltungsaktes der Inobhutnahme sind Leistungen im Sinne des § 50 Abs. 1 SGB X erbracht worden. Der Leistungsbegriff des § 50 Abs. 1 SGB X erfasst auch die Inobhutnahme (a). Die dem Kläger in Durchführung der Inobhutnahme gewährten geldwerten Sach- und Dienstleistungen wurden aufgrund eines Verwaltungsaktes erbracht (b). Dass sich die Beklagte dabei der Hilfe eines freien Trägers der Jugendhilfe bedient hat, hindert nicht, die Leistungen als von der Beklagten erbracht anzusehen (c).

22

a) Leistungen im Sinne des § 50 SGB X sind alle durch Geld-, Sach- oder Dienstleistungen bewirkten Vermögensverschiebungen, die ein Leistungsträger in Wahrnehmung seiner öffentlich-rechtlichen Verwaltungsaufgaben nach dem Sozialgesetzbuch einem Bürger erbracht hat. Denn gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB X gilt auch § 50 SGB X für die gesamte öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden, die nach dem Sozialgesetzbuch ausgeübt wird. Der Leistungsbegriff des § 50 SGB X umfasst dementsprechend nicht nur die Sozialleistungen im Sinne von § 11 und §§ 18 bis 29 SGB I, bei denen ein Leistungsträger eine Vermögensverschiebung zugunsten eines Bürgers zur Erfüllung eines vermeintlich bestehenden sozialen Rechts vornimmt, und zu denen die Inobhutnahme als solche - wie dargelegt - nicht gehört. Vielmehr ist für die Annahme einer Leistung im Sinne des § 50 SGB X erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Leistungsträger einem Bürger eine Geld-, Sach- oder Dienstleistung in Ausführung einer ihm nach dem Sozialgesetzbuch zugewiesenen Aufgabe erbracht hat (vgl. BSG, Urteile vom 7. September 2006 - B 4 RA 43/05 R - BSGE 97, 94 und vom 1. Februar 1995 - 6 RKa 9/94 - SozR 3-2500 § 76 Nr. 2).

23

Dieses weite Verständnis ist vom Wortlaut des § 50 Abs. 1 SGB X gedeckt und wird vom Sinn und Zweck der Norm, das ohne Rechtsgrundlage Erlangte abzuschöpfen, gefordert. Insbesondere wird dieses Auslegungsergebnis durch systematische Erwägungen getragen. So sind in § 50 Abs. 2a SGB X ausdrücklich auch "Leistungen zur Förderung von Einrichtungen" erwähnt, die ebenfalls keine Sozialleistungen im Sinne von § 11 SGB I sind. Zudem zeigt auch § 91 Abs. 1 Nr. 7 SGB VIII i.V.m. § 92 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII, wonach Kinder und Jugendliche zu den Kosten der Inobhutnahme (§ 42 SGB VIII) heranzuziehen sind, dass der Gesetzgeber dasjenige, was dem Hilfeempfänger auf der Grundlage einer Inobhutnahme zugewandt wird, der Sache nach als ausgleichsfähigen und ausgleichsbedürftigen geldwerten Vorteil ansieht. Das Argument des Klägers, dass es sich bei der Inobhutnahme nur um eine Eingriffsmaßnahme handelt, greift nicht durch.

24

In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben handelt es sich bei der mit der Inobhutnahme verbundenen Unterkunft, Verpflegung und sozialpädagogischen Betreuung des Klägers um Leistungen im Sinne des § 50 Abs. 1 SGB X.

25

b) Aus der systematischen Betrachtung der Vorschrift folgt, dass § 50 Abs. 1 SGB X eine Leistung aufgrund eines Verwaltungsaktes voraussetzt. Denn § 50 Abs. 2 SGB X erfasst ausdrücklich die Fälle der Leistungserbringung "ohne Verwaltungsakt" und bildet damit das Gegenstück zu § 50 Abs. 1 SGB X, der die Leistung "mit Verwaltungsakt" zum Gegenstand hat. Erbracht ist eine Leistung im Sinne von § 50 Abs. 1 SGB X, wenn sie dem Leistungsempfänger zur Erfüllung einer Leistungsverpflichtung bzw. eines Leistungsanspruchs in einem öffentlich-rechtlichen Leistungsverhältnis zwischen dem Leistungsberechtigten und dem Leistungsträger zugewandt worden ist (vgl. BSG, Urteile vom 30. Januar 2002 - B 5 RJ 26/01 R - SozR 3-1300 § 50 Nr. 25; vom 24. Juli 2001 - B 4 RA 102/00 R - SozR 3-1300 § 50 Nr. 24 und vom 28. Juni 1991 - 11 RAr 47/90 - SozR 3-1300 § 50 Nr. 10). In diesem Sinne sind dem Kläger aufgrund der Inobhutnahme Leistungen erbracht worden.

26

Zwar ist kein ausdrücklicher Leistungsbescheid ergangen, wie es für die Fälle des § 50 Abs. 1 SGB X typisch ist. Allerdings ist mit der Inobhutnahme insoweit eine Leistungsverpflichtung des Jugendamtes der beklagten Stadt verbunden, als dieses gemäß § 42 Abs. 1 Satz 5 SGB VIII für das Wohl des Klägers zu sorgen hat. Die Beklagte hat von Gesetzes wegen die Unterbringung, Verpflegung und sozialpädagogische Betreuung des Klägers während der Zeit der Inobhutnahme zu gewährleisten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII). Dass der Kläger entsprechende Zuwendungen in Form von Sach- und Dienstleistungen zur Erfüllung der zuvor genannten Verpflichtung tatsächlich erhalten hat, steht nicht im Streit.

27

c) Die dem Kläger in Durchführung der Inobhutnahme in der Einrichtung eines freien Trägers der Jugendhilfe gewährte Unterkunft, Verpflegung und sozialpädagogische Betreuung sind als Leistungen der Beklagten anzusehen. Denn sie wurden im Auftrag der Beklagten zweckgerichtet zur Durchführung der Inobhutnahme erbracht.

28

Ein Träger der öffentlichen Jugendhilfe hat Leistungen im Sinne des § 50 Abs. 1 SGB X erbracht, wenn er diese - hier in Wahrnehmung einer ihm nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch obliegenden Aufgabe - entweder unmittelbar selbst erbracht hat oder mittelbar durch einen Dritten hat erbringen lassen. Zwar richtet sich die Berechtigung und Verpflichtung zur Inobhutnahme im Sinne des § 42 SGB VIII an den Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit der Folge, dass dieser im Verhältnis zum Hilfeempfänger in der Pflicht und Verantwortung steht. Aus der Organisations- und Personalhoheit folgt aber das Recht des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe zu bestimmen, wie er die seiner Zuständigkeit unterliegenden Aufgaben im Einzelnen wahrnimmt und deren ordnungsgemäße und effektive Erledigung sicherstellt. Dies schließt grundsätzlich die Entscheidung darüber ein, ob eine bestimmte Sach- und Dienstleistung durch eigene Mitarbeiter erbracht oder ein Dritter mit der Durchführung einer Aufgabe beauftragt wird. Letzteres ist dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe verwehrt, wenn die Übertragung der Aufgabenwahrnehmung auf Dritte im Einzelfall gesetzlich ausdrücklich oder sie aus anderen Gründen ausgeschlossen ist, etwa weil eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung nach der Natur der Aufgabe oder ihren inhaltlichen oder organisatorischen Anforderungen nur durch Mitarbeiter des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe gewährleistet ist (vgl. Urteil vom 22. Oktober 2009 - BVerwG 5 C 16.08 - BVerwGE 135, 150 = Buchholz 436.511 § 37 KJHG/SGB VIII Nr. 1 Rn. 17). Beides ist hinsichtlich der hier in Rede stehenden Gewährung von Unterkunft, Verpflegung und sozialpädagogischer Betreuung des in Obhut genommenen Klägers nicht der Fall.

29

Das Gesetz sieht ausdrücklich vor, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe anerkannte Träger der freien Jugendhilfe an der Durchführung der Inobhutnahme gemäß § 42 SGB VIII als eine andere Aufgabe der Jugendhilfe beteiligen oder ihnen diese Aufgabe zur Ausführung übertragen können (vgl. § 76 Abs. 1 SGB VIII). Die Arbeiterwohlfahrt gehört zu den anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe. Die in Durchführung der Inobhutnahme zu gewährende Unterkunft, Verpflegung und Betreuung des in Obhut Genommenen sind weder in inhaltlicher noch in organisatorischer Hinsicht von solcher Art und Qualität, dass sie in der Regel nicht auch von einem Träger der freien Jugendhilfe mit entsprechend fachlich qualifiziertem Personal erfüllt werden können (vgl. Urteil vom 22. Oktober 2009 a.a.O. Rn. 17).

30

Dass ein Träger der öffentlichen Jugendhilfe grundsätzlich befugt ist, sich zur Erfüllung der ihm obliegenden Aufgabe der Inobhutnahme der Hilfe Dritter zu bedienen, entspricht auch dem Subsidiaritätsgrundsatz in § 4 Abs. 2 SGB VIII. Danach soll die öffentliche Jugendhilfe von eigenen Maßnahmen absehen, soweit geeignete Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen von anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe betrieben werden oder rechtzeitig geschaffen werden können. Die Erfüllung dieser Verpflichtung setzt aber zwingend voraus, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe einem anerkannten Träger der freien Jugendhilfe die Durchführung von Aufgaben der Jugendhilfe überlässt. Der Vorrang des § 4 Abs. 2 SGB VIII erfasst grundsätzlich alle Handlungsfelder der Jugendhilfe, also auch die Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII (vgl. vgl. Urteil vom 22. Oktober 2009 a.a.O. Rn. 18 m.w.N.).

31

3. Der Verwaltungsakt der Inobhutnahme wurde mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Als ein sowohl belastende als auch begünstigende Wirkungen entfaltender Verwaltungsakt unterliegt die Rücknahme der Inobhutnahme den Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 bis 4 SGB X für die Rücknahme von begünstigenden Verwaltungsakten (a). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt (b). Die Beklagte hat im Ergebnis auch das ihr eingeräumte Ermessen bezüglich des "Ob" der Rücknahme fehlerfrei ausgeübt (c).

32

a) Bei der Inobhutnahme handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit sowohl belastender als auch begünstigender Wirkung.

33

Nach der Legaldefinition in § 45 Abs. 1 SGB X ist ein begünstigender Verwaltungsakt ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat. Ein belastender Verwaltungsakt ist demgegenüber ein Verwaltungsakt, mit dem in ein Recht eingegriffen oder eine Begünstigung verweigert wird. Ob es sich bei einem Verwaltungsakt in einem - wie hier - mehrpoligen Verwaltungsrechtsverhältnis um einen begünstigenden oder belastenden Verwaltungsakt handelt, ist allein nach der Wirkung beim Adressaten zu beurteilen (vgl. Urteil vom 9. Mai 2012 - BVerwG 6 C 3.11 - BVerwGE 143, 87 = Bucholz 442.066 § 37 TKG Nr. 4 Rn. 46 m.w.N.). Für den Kläger als Adressaten der Inobhutnahme kommt dieser insoweit belastende Wirkung zu, als der Kläger - wie dargelegt - verpflichtet ist, sich der Obhut zu unterstellen und den Anweisungen des Jugendamtes im Hinblick auf seine Anwesenheit in der Einrichtung zu folgen. Begünstigend wirkt sich die Inobhutnahme aus, weil sie Voraussetzung dafür ist, dass der Kläger von der Einrichtung des freien Trägers aufgenommen wird und dort für die Dauer der Inobhutnahme Unterkunft, Verpflegung und sozialpädagogische Betreuung erhält.

34

Verwaltungsakte mit einer derartigen Mischwirkung sind insgesamt als begünstigend zu behandeln und den strengeren Rücknahmevoraussetzungen des § 45 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 bis 4 SGB X zu unterstellen, sofern sich begünstigende und belastende Elemente - wie hier - nicht voneinander trennen lassen (vgl. Urteil vom 9. Mai 2012 a.a.O. Rn. 47 m.w.N.).

35

b) Nach § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und Abs. 4 SGB X kann der Leistungsträger einen rechtswidrigen (aa) Verwaltungsakt mit Mischwirkung ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknehmen, wenn der Begünstigte deswegen nicht auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertrauen durfte, weil dieser auf Angaben beruht, die er vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig gemacht hat (bb). Die Rücknahme ist innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen auszusprechen (cc). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

36

aa) Das Oberverwaltungsgericht hat - was auch zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht - zu Recht dahin erkannt, dass die auf § 42 SGB VIII gestützte Inobhutnahme des Klägers rechtswidrig war.

37

Nach § 42 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII ist das Jugendamt verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Obhutnahme erfordert. Ein derartiger Fall kann vorliegen, wenn ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlichen unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten. Kind ist, wer noch nicht 14 Jahre alt ist (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII). Jugendlicher ist, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII). Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts war der Kläger - wie dargelegt - im Zeitpunkt der Inobhutnahme bereits 23 Jahre alt und damit weder Kind noch Jugendlicher. Dem steht § 33a Abs. 1 SGB I nicht entgegen, weil diese Vorschrift - wie dargelegt - nur bei Sozialleistungen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB I anwendbar ist, zu denen die Inobhutnahme nicht gehört.

38

bb) Das Oberverwaltungsgericht hat in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass das Vertrauen des Klägers nicht schutzwürdig ist und die Inobhutnahme mit Wirkung für die Vergangenheit (§ 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X) zurückgenommen werden durfte, weil diese - auf der Grundlage der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts - im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X auf einer vorsätzlich falschen Altersangabe des Klägers beruhte. Dies steht zwischen den Beteiligten gleichfalls nicht im Streit.

39

cc) Zwischen den Beteiligten ist auch zu Recht nicht streitig, dass die Beklagte die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X eingehalten hat.

40

c) Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis auch zutreffend festgestellt, dass die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen bezüglich des "Ob" der Rücknahme fehlerfrei ausgeübt hat.

41

Die auf § 45 Abs. 1 und 4 SGB X gestützte Rücknahme eines von Anfang an rechtswidrigen Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit steht im Ermessen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe. Die Ermessensentscheidung erfordert eine sachgerechte Abwägung des öffentlichen Interesses an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände mit dem privaten Interesse des Adressaten an der Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes. Die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Bestandskraft von Verwaltungsakten stehen dabei gleichberechtigt nebeneinander. Dies gilt auch, wenn eine Berufung auf Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X ausscheidet (vgl. Urteil vom 14. März 2013 - BVerwG 5 C 10.12 - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen = juris Rn. 29 m.w.N.). Maßgeblich sind insoweit die Erwägungen im Widerspruchsbescheid. Denn eine behördliche Entscheidung, deren Recht- und Zweckmäßigkeit - wie hier - durch die Widerspruchsbehörde nachgeprüft werden kann, erhält gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO erst durch den Widerspruchsbescheid ihre für das gerichtliche Verfahren maßgebliche Gestalt (vgl. zuletzt Urteil vom 14. März 2013 a.a.O. Rn. 39 m.w.N.).

42

Zwar ist im Rahmen der Ermessensausübung nach § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X auch zu entscheiden, ob der Verwaltungsakt ganz oder teilweise zurückgenommen wird. Des Weiteren sind gegebenenfalls die Folgen, die sich aus der Rücknahme für den Betroffenen ergeben (hier: Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs in Höhe von 9 056,98 €) in den Blick zu nehmen. Beides führt aber nicht dazu, dass im Rahmen der Ermessensausübung nach § 45 Abs. 1 und 4 SGB X eine Ermessensentscheidung über den Umfang der nach § 50 Abs. 1 SGB X zu erstattenden Leistungen zu treffen ist. Die gegenteilige Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist mit Bundesrecht nicht vereinbar. Sie vermischt die Rücknahme nach § 45 SGB X einerseits mit dem Erstattungsanspruch des § 50 Abs. 1 SGB X andererseits in einer nicht zulässigen Weise. Sobald der Verwaltungsakt zurückgenommen worden ist, steht dem Leistungsträger nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X ("... sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten.") kein Ermessen zu, ob und in welchem Umfang er den Erstattungsanspruch geltend macht (vgl. BSG, Urteil vom 22. April 1987 - 10 RKg 16/85 - SozR 1300 § 50 Nr. 16).

43

In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist die Ausübung des Rücknahmeermessens durch die Beklagte im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagten war ausweislich des Widerspruchsbescheides bewusst, dass ihr Ermessen zusteht, und sie hat dieses erkennbar ausgeübt. Sie hat sich bei der Ausübung des Ermessens gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I am Zweck der Ermächtigung orientiert. Sie hat das Interesse des Klägers an der Bestandskraft der rechtswidrigen Inobhutnahme mit dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes abgewogen. Letzteres schließt die Einbeziehung fiskalischer Interessen nicht aus (vgl. zuletzt Urteil vom 14. März 2013 a.a.O. Rn. 40 m.w.N.). Daher ist es nicht zu beanstanden, dass sich die Beklagte von dem Gedanken hat leiten lassen, das Interesse des Klägers an der Bestandskraft der rechtswidrigen Inobhutnahme habe hinter das öffentliche Interesse an einer wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung öffentlicher Haushaltsmittel zurückzutreten. Sonstige Gründe, aus denen die Rücknahme eine Härte bedeuten würde oder aus denen von einer Rücknahme abgesehen werden sollte, seien nicht ersichtlich. Da der Kläger bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens keine für die Ermessensausübung relevanten Gesichtspunkte vorgetragen hat, konnte sich die Beklagte auch auf diese knappe allgemeine Interessenabwägung beschränken.

44

4. Der Erstattungsanspruch nach § 50 Abs. 1 SGB X ist ein Anspruch auf Wertersatz und bemisst sich grundsätzlich nach dem Entgelt, das die Beklagte aufgrund der zwischen ihr und dem Träger der freien Jugendhilfe geschlossenen Entgeltvereinbarung an diesen für die Sach- und Dienstleistungen gezahlt hat.

45

Die zu erstattenden Leistungen sind in Geld festzusetzen (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Dies macht eine Bewertung der erbrachten Sach- und Dienstleistungen in Geld erforderlich. Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Regelung darüber, wie eine Umrechnung der erbrachten Sach- und Dienstleistungen in einen Geldbetrag zu erfolgen hat. Hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe - wie hier - im Einklang mit dem Gesetz von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die ihm nach dem Gesetz obliegenden Sach- und Dienstleistungen gegen Entgelt durch einen Träger der freien Jugendhilfe erbringen zu lassen, bestimmt sich deren Wert grundsätzlich nach dem Entgelt, das die Träger der Jugendhilfe hierfür vereinbart haben. Denn das vereinbarte Entgelt spiegelt in der Regel den objektiven Wert wider, der den Leistungen bei ihrer Gewährung im maßgebenden Gebiet zukommt.

46

Dafür spricht, dass sich die Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe als gleichberechtigte und sachkundige Vertragspartner gegenüberstehen. Dies bietet die Gewähr dafür, dass das von ihnen ausgehandelte und vereinbarte Entgelt grundsätzlich den für die Leistungen während des Leistungszeitraums im maßgebenden Gebiet üblichen Wert abbildet. Hinzu kommt, dass das vereinbarte Entgelt von dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe unabhängig davon zu entrichten ist, ob ihm gegebenenfalls ein Erstattungsanspruch nach § 50 Abs. 1 SGB X zusteht. Daher ist zu erwarten, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe sich nicht zur Zahlung eines Entgelts verpflichtet, das außerhalb der Bandbreite der Entgelte anderer Einrichtungsträger im maßgebenden Gebiet liegt. Diese Annahme wird dadurch bestätigt, dass das Achte Buch Sozialgesetzbuch den Entgeltvereinbarungen von Trägern der öffentlichen und freien Jugendhilfe eine besondere Bedeutung zuweist. Das Gesetz verpflichtet die Träger der öffentlichen Jugendhilfe zum Abschluss von Entgeltvereinbarungen, wenn diese Einrichtungen und Dienste der Träger der freien Jugendhilfe für die Gewährung der in § 78a Abs. 1 SGB VIII aufgeführten Leistungen in Anspruch nehmen. Eine derartige Verpflichtung besteht nach § 78a Abs. 2 SGB VIII für andere Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch und die Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII, sofern das Landesrecht dies bestimmt. Macht das Landesrecht von der Ermächtigung des § 78a Abs. 2 SGB VIII - wie hier - keinen Gebrauch, haben die Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach § 77 Satz 1 SGB VIII derartige Vereinbarungen zumindest anzustreben. Die Entgeltvereinbarungen sollen im Bereich der stationären und teilstationären Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe zu einer Kostendämpfung beitragen, eine stärkere Transparenz von Kosten und Leistungen schaffen und die Effizienz der eingesetzten Mittel verbessern (vgl. BTDrucks 13/10330 S. 16).

47

Die gerichtliche Prüfung beschränkt sich auf eine Plausibilitäts- und Willkürkontrolle des vereinbarten Entgelts, d.h. das Gericht prüft, ob bei einer überschlägigen Betrachtung Anhaltspunkte bestehen, dass das vereinbarte Entgelt willkürlich gegriffen oder wirklichkeitsfremd ist und daher ausnahmsweise nicht den objektiven Wert der Leistungen darstellt. Indiz hierfür kann beispielweise ein überhöhter Rechnungsposten oder ein Entgelt sein, das erheblich über dem mit anderen Trägern Vereinbarten liegt. Die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ermöglichen dem Senat keine abschließende Beurteilung, ob das vereinbarte pauschale Entgelt, dessen Berechtigung der Kläger in Zweifel gezogen hat, im zu entscheidenden Rechtsstreit ausnahmsweise nicht dem im fraglichen Zeitraum für Unterkunft, Verpflegung und sozialpädagogische Betreuung in einer Einrichtung Üblichen entspricht. Der Rechtsstreit ist deshalb an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann.

48

5. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.

(2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten. §§ 45 und 48 gelten entsprechend.

(2a) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes, auf Grund dessen Leistungen zur Förderung von Einrichtungen oder ähnliche Leistungen erbracht worden sind, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Satz 1 verlangt werden; Entsprechendes gilt, soweit eine Leistung in Anspruch genommen wird, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen sind; § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

(3) Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.

(4) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. § 52 bleibt unberührt.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten bei Berichtigungen nach § 38 entsprechend.

(1) Ein Kind, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist in einer Einrichtung oder in Kindertagespflege zu fördern, wenn

1.
diese Leistung für seine Entwicklung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit geboten ist oder
2.
die Erziehungsberechtigten
a)
einer Erwerbstätigkeit nachgehen, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder Arbeit suchend sind,
b)
sich in einer beruflichen Bildungsmaßnahme, in der Schulausbildung oder Hochschulausbildung befinden oder
c)
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne des Zweiten Buches erhalten.
Lebt das Kind nur mit einem Erziehungsberechtigten zusammen, so tritt diese Person an die Stelle der Erziehungsberechtigten. Der Umfang der täglichen Förderung richtet sich nach dem individuellen Bedarf.

(2) Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Ein Kind, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, hat bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben darauf hinzuwirken, dass für diese Altersgruppe ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. Das Kind kann bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in Kindertagespflege gefördert werden.

(4) Für Kinder im schulpflichtigen Alter ist ein bedarfsgerechtes Angebot in Tageseinrichtungen vorzuhalten. Absatz 1 Satz 3 und Absatz 3 Satz 3 gelten entsprechend.

(5) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die von ihnen beauftragten Stellen sind verpflichtet, Eltern oder Elternteile, die Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 in Anspruch nehmen wollen, über das Platzangebot im örtlichen Einzugsbereich und die pädagogische Konzeption der Einrichtungen zu informieren und sie bei der Auswahl zu beraten. Landesrecht kann bestimmen, dass die erziehungsberechtigten Personen den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die beauftragte Stelle innerhalb einer bestimmten Frist vor der beabsichtigten Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis setzen.

(6) Weitergehendes Landesrecht bleibt unberührt.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.

(2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten. §§ 45 und 48 gelten entsprechend.

(2a) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes, auf Grund dessen Leistungen zur Förderung von Einrichtungen oder ähnliche Leistungen erbracht worden sind, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Satz 1 verlangt werden; Entsprechendes gilt, soweit eine Leistung in Anspruch genommen wird, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen sind; § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

(3) Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.

(4) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. § 52 bleibt unberührt.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten bei Berichtigungen nach § 38 entsprechend.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme der Anordnung, ihn in Obhut zu nehmen und die Aufforderung, die Kosten seiner Inobhutnahme zu erstatten.

2

Der Kläger reiste im November 2004 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Vor der Ausländerbehörde der beklagten Stadt gab er wahrheitswidrig an, er heiße Ali Halch, sei am 13. August 1988 in Darfur geboren und sudanesischer Staatsangehöriger. Daraufhin wurde er am 29. November 2004 dem Jugendamt der beklagten Stadt übergeben, das mit Rücksicht auf die nach den Angaben des Klägers bestehende Minderjährigkeit am selben Tag die Inobhutnahme des Klägers anordnete und ihn in einer Einrichtung der Arbeiterwohlfahrt unterbrachte. Dort hielt sich der Kläger vom 29. November bis zum 17. Dezember 2004 und vom 1. April bis zum 3. Mai 2005 auf.

3

Nachdem das Jugendamt der beklagten Stadt davon Kenntnis erlangt hatte, dass der Kläger in Wahrheit aus Tunesien stammt und im Zeitpunkt der Einreise volljährig gewesen ist, nahm es mit Bescheid vom 20. April 2006 die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen nach § 42 Achtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VIII - für die Zeiträume vom 29. November bis 17. Dezember 2004 und vom 1. April bis 3. Mai 2005 zurück und forderte den Kläger auf, die zu Unrecht erbrachten Leistungen in Höhe von 9 253,37 € gemäß § 50 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - zu erstatten.

4

Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage, die vom Kläger der Höhe nach auf das von der Beklagten aufgrund der Entgeltvereinbarung an den Einrichtungsträger für seine Unterbringung, Verpflegung und sozialpädagogische Betreuung gezahlte Entgelt von insgesamt 9 056,98 € beschränkt wurde, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen.

5

Das Oberverwaltungsgericht hat der Berufung des Klägers stattgegeben und die angefochtenen Bescheide in dem beantragten Umfang aufgehoben. Die Inobhutnahme sei ein Verwaltungsakt. Dies gelte unabhängig davon, ob die aktenkundig am 29. November 2004 erfolgte Inobhutnahme dem Kläger selbst gegenüber schriftlich angeordnet worden sei, weil eine solche Maßnahme auch mündlich erlassen werden könne. Die Inobhutnahme sei objektiv rechtswidrig gewesen, weil der Kläger im November 2004 nicht mehr minderjährig gewesen sei. Ob die Inobhutnahme dem Kläger gegenüber als begünstigender oder als belastender (bzw. "sonstiger") Verwaltungsakt anzusehen sei, könne offenbleiben, da sowohl ein belastender ("sonstiger") Verwaltungsakt als auch ein sogenannter gemischter Verwaltungsakt beim Vorliegen der in § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X genannten Voraussetzungen wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit rückwirkend aufgehoben werden dürfe. Der Kläger könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil er die Inobhutnahme durch seine vorsätzlich falsche Altersangabe bewirkt habe. Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X sei gewahrt. Hinsichtlich des "Ob" der Rücknahme der Entscheidung, den Kläger in Obhut zu nehmen, habe es angesichts von dessen Bösgläubigkeit keiner vertieften Ermessenserwägungen bedurft.

6

Der Erstattungsanspruch finde seine Rechtsgrundlage in § 50 Abs. 1 SGB X. Da der Beklagten im Anwendungsbereich des § 50 Abs. 1 SGB X kein Ermessen zustehe, ob sie den Erstattungsanspruch geltend mache, habe sie bei der Aufhebung des Verwaltungsaktes eine Ermessensentscheidung über den Umfang der zu erstattenden Leistungen zu treffen. Dieser Ermessensentscheidung liege ein unzutreffender Maßstab zugrunde. Im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis seien die erbrachten Leistungen im Sinne des § 50 Abs. 1 SGB X nicht mit dem zwischen dem Jugendamt und dem Träger der Einrichtung vereinbarten Entgelt gleichzusetzen. Die Entgeltvereinbarung mit dem Einrichtungsträger bilde auch keine hinreichende Grundlage für eine schätzungsweise Ermittlung der beim Kläger eingetretenen Vermögensmehrung. Der festgestellte Ermessensfehler bei der Rücknahmeentscheidung wirke sich im Entscheidungsverbund mit § 50 Abs. 1 SGB X unmittelbar auf den festgesetzten Erstattungsbetrag aus.

7

Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Sie rügt eine Verletzung des § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Die an den Kläger erbrachten Leistungen entsprächen den Aufwendungen, die sich aus der zwischen ihr und dem Einrichtungsträger geschlossenen Entgeltvereinbarung ergäben.

8

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die entscheidungstragenden Annahmen des Oberverwaltungsgerichts, die Beklagte habe im Rahmen der Ermessensausübung nach § 45 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl I S. 130) und der im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung geltenden Änderung durch Art. 11 Nr. 2 des Gesetzes vom 21. Juni 2002 (BGBl I S. 2167) - SGB X - eine Ermessensentscheidung über den Umfang der nach § 50 Abs. 1 SGB X zu erstattenden Leistungen zu treffen, deren Wert nicht anhand der Entgeltvereinbarung bemessen werden dürfe, die zwischen der Beklagten und dem Einrichtungsträger geschlossen worden sei, verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Weil der Senat mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden kann, ist die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

10

Nach § 50 Abs. 1 SGB X sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, bereits erbrachte Leistungen zu erstatten (Satz 1). Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten (Satz 2). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Inobhutnahme des Klägers nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Achtes Buch Sozialgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 1998 (BGBl I S. 3546) und der im Zeitraum der streitgegenständlichen Inobhutnahme geltenden Änderung durch Art. 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2004 (BGBl I S. 3852) - stellt einen diesem gegenüber ergangenen Verwaltungsakt dar (1). Aufgrund dessen sind Leistungen erbracht worden (2.). Der Verwaltungsakt der Inobhutnahme wurde mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (3.). Die Erstattung der erbrachten Leistungen ist auf den Ersatz ihres Wertes gerichtet, der sich grundsätzlich nach dem Entgelt bestimmt, das die Träger der Jugendhilfe hierfür vereinbart haben (4.).

11

1. Die Inobhutnahme ist ein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X (a). Dieser ist dem Kläger gegenüber wirksam ergangen (b) und hatte bis zum Zeitpunkt der Rücknahme seine Wirksamkeit nicht verloren (c).

12

a) Das Jugendamt der beklagten Stadt hat - was vom Kläger im Revisionsverfahren auch nicht mehr in Abrede gestellt wird - mit der auf § 42 SGB VIII gestützten Inobhutnahme des Klägers, die von dem Vollzugsakt seines tatsächlichen Verbringens und Betreuens in der Einrichtung zu unterscheiden ist, eine Entscheidung im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen. Denn die Inobhutnahme verschafft dem Jugendamt der beklagten Stadt im konkreten Hilfefall eine Position, die das (vermeintliche) elterliche Sorgerecht für die Dauer der Inobhutnahme überlagert. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme den notwendigen Unterhalt des Klägers und die Krankenhilfe sicherzustellen (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII). Es übt das Recht der Beaufsichtigung, Erziehung und Aufenthaltsbestimmung aus (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 1 SGB VIII) und hat für das Wohl des Klägers zu sorgen, ihn in seiner gegenwärtigen Lage zu beraten und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 5 SGB VIII). Die von der Inobhutnahme umfasste Befugnis des Jugendamtes, den Kläger in einer Einrichtung unterzubringen (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII), begründet für diesen die Verpflichtung, vorübergehend den Anweisungen des Jugendamtes im Hinblick auf seine Anwesenheit in der Einrichtung zu folgen. Zugleich verleiht die Inobhutnahme dem Kläger einen Anspruch darauf, in der Einrichtung aufgenommen, verpflegt und betreut zu werden. Da die Inobhutnahme ihrem objektiven Sinngehalt entsprechend verbindliche Wirkung gegenüber dem Kläger entfaltet, ist sie auch auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet.

13

b) Die Inobhutnahme ist dem Kläger gegenüber wirksam bekanntgegeben worden.

14

Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekanntgegeben wird. Hierfür reicht es aus, dass die Behörde - willentlich - dem Adressaten von dem Inhalt des Verwaltungsaktes Kenntnis verschafft (vgl. Beschluss vom 11. Februar 1994 - BVerwG 2 B 173.93 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 258 S. 1). Dies kann, soweit - wie hier - nichts anders vorgeschrieben ist, auch mündlich geschehen. So verhält es sich im vorliegenden Fall. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, an die der Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO), ist die aktenkundig am 29. November 2004 erfolgte Inobhutnahme dem Kläger gegenüber mündlich eröffnet worden.

15

Ob eine Inobhutnahme Minderjährigen gegenüber - wie die Revision meint - nur wirksam bekanntgegeben werden kann, wenn sie ihren Eltern gegenüber eröffnet wird bzw. die Wirksamkeit der Bekanntgabe die Handlungsfähigkeit nach § 36 Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch vom 11. Dezember 1975 (BGBl I S. 3015), im Zeitraum der streitgegenständlichen Inobhutnahme zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 21. März 2005 (BGBl I S. 818) - SGB I - bzw. § 11 SGB X voraussetzt, braucht hier nicht entschieden zu werden, da der Kläger nach den ebenfalls bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts im Zeitpunkt der Bekanntgabe 23 Jahre alt und damit sowohl nach bürgerlichem Recht geschäftsfähig als auch nach Maßgabe der vorgenannten Vorschriften handlungsfähig war.

16

Dem steht auch § 33a Abs. 1 SGB I nicht entgegen. Danach ist, wenn Rechte oder Pflichten davon abhängig sind, dass eine bestimmte Altersgrenze erreicht oder nicht überschritten ist, das Geburtsdatum maßgebend, das sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten gegenüber einem Sozialleistungsträger ergibt. Diese Vorschrift ist entgegen der Rechtsansicht der Revision jedenfalls deshalb auf die Bekanntgabe der Inobhutnahme nicht anwendbar, weil sie nur für Sozialleistungen im Sinne von § 11 SGB I gilt (vgl. BSG, Urteile vom 19. Oktober 2000 - B 8 KN 3/00 R - juris Rn. 35 und vom 31. März 1998 - B 8 KN 11/95 R - SozR 3-1200 § 33a Nr. 2). Zu diesen gehört die Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII nicht.

17

Nach § 11 Satz 1 SGB I sind Sozialleistungen die im Sozialgesetzbuch vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen, die Gegenstand sozialer Rechte sind. Die persönlichen und erzieherischen Hilfen werden zu den Dienstleistungen gezählt (§ 11 Satz 2 SGB I). Die nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vorgesehenen Sozialleistungen werden in § 27 Abs. 1 SGB I aufgezählt. Die Inobhutnahme ist in dieser Aufzählung nicht enthalten. Ebenso wenig wird sie im Katalog der Leistungen der Jugendhilfe nach § 2 Abs. 2 SGB VIII genannt. Stattdessen führt sie das Gesetz ausdrücklich in § 2 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII unter der Kategorie der sonstigen Aufgaben der Jugendhilfe auf. Diese systematische und begriffliche Unterscheidung im Achten Buch Sozialgesetzbuch setzt sich in den Regelungen über die örtliche Zuständigkeit fort. So hat der Gesetzgeber ausweislich der gesetzlichen Überschriften in § 86 SGB VIII die "örtliche Zuständigkeit für Leistungen" geregelt, während er in § 87 SGB VIII eine gesonderte Zuständigkeitsregelung für die Inobhutnahme getroffen und diese als "örtliche Zuständigkeit für andere Aufgaben" bzw. "für vorläufige Maßnahmen" gekennzeichnet hat. Dass die Inobhutnahme selbst keine Leistung im oben genannten Sinne ist, ergibt sich schließlich auch aus § 86 Abs. 7 Satz 1 Halbs. 2 SGB VIII, welcher (mit der Formulierung "geht der Leistungsgewährung eine Inobhutnahme voraus ...") die Inobhutnahme der Leistungsgewährung gegenüberstellt.

18

c) Der Verwaltungsakt der Inobhutnahme war im Zeitpunkt der Rücknahme noch wirksam. Dadurch, dass die Inobhutnahme zu diesem Zeitpunkt bereits vollzogen und beendet war, ist keine Erledigung eingetreten.

19

Ein Verwaltungsakt bleibt gemäß § 39 Abs. 2 SGB X wirksam, solange und soweit er nicht erledigt ist. Allein der Vollzug eines Handlungspflichten auferlegenden Verwaltungsaktes muss nicht bereits zu dessen Erledigung führen und zwar auch dann nicht, wenn hiermit irreversible Tatsachen geschaffen werden. Die Erledigung eines Verwaltungsaktes tritt vielmehr erst ein, wenn dieser nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist (vgl. Urteil vom 25. September 2008 - BVerwG 7 C 5.08 - Buchholz 345 § 6 VwVG Nr. 1 Rn. 13 m.w.N.). Daran gemessen hatte sich der Verwaltungsakt der Inobhutnahme im Zeitpunkt der Rücknahme noch nicht erledigt.

20

Zwar hatte sich die Verpflichtung des Klägers, sich der Obhut zu unterstellen, mit dem Vollzug und der Beendigung der Inobhutnahme verbraucht. Der Verwaltungsakt der Inobhutnahme entfaltet darüber hinaus aber auch eine Sperrwirkung. Solange er nicht aufgehoben worden ist, hindert er den Rückgriff auf den Hilfeempfänger im Wege eines möglichen Erstattungsanspruchs nach § 50 Abs. 1 SGB X. Diese Funktion des Verwaltungsaktes dauert bis zu seiner Aufhebung an.

21

2. Aufgrund des Verwaltungsaktes der Inobhutnahme sind Leistungen im Sinne des § 50 Abs. 1 SGB X erbracht worden. Der Leistungsbegriff des § 50 Abs. 1 SGB X erfasst auch die Inobhutnahme (a). Die dem Kläger in Durchführung der Inobhutnahme gewährten geldwerten Sach- und Dienstleistungen wurden aufgrund eines Verwaltungsaktes erbracht (b). Dass sich die Beklagte dabei der Hilfe eines freien Trägers der Jugendhilfe bedient hat, hindert nicht, die Leistungen als von der Beklagten erbracht anzusehen (c).

22

a) Leistungen im Sinne des § 50 SGB X sind alle durch Geld-, Sach- oder Dienstleistungen bewirkten Vermögensverschiebungen, die ein Leistungsträger in Wahrnehmung seiner öffentlich-rechtlichen Verwaltungsaufgaben nach dem Sozialgesetzbuch einem Bürger erbracht hat. Denn gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB X gilt auch § 50 SGB X für die gesamte öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden, die nach dem Sozialgesetzbuch ausgeübt wird. Der Leistungsbegriff des § 50 SGB X umfasst dementsprechend nicht nur die Sozialleistungen im Sinne von § 11 und §§ 18 bis 29 SGB I, bei denen ein Leistungsträger eine Vermögensverschiebung zugunsten eines Bürgers zur Erfüllung eines vermeintlich bestehenden sozialen Rechts vornimmt, und zu denen die Inobhutnahme als solche - wie dargelegt - nicht gehört. Vielmehr ist für die Annahme einer Leistung im Sinne des § 50 SGB X erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Leistungsträger einem Bürger eine Geld-, Sach- oder Dienstleistung in Ausführung einer ihm nach dem Sozialgesetzbuch zugewiesenen Aufgabe erbracht hat (vgl. BSG, Urteile vom 7. September 2006 - B 4 RA 43/05 R - BSGE 97, 94 und vom 1. Februar 1995 - 6 RKa 9/94 - SozR 3-2500 § 76 Nr. 2).

23

Dieses weite Verständnis ist vom Wortlaut des § 50 Abs. 1 SGB X gedeckt und wird vom Sinn und Zweck der Norm, das ohne Rechtsgrundlage Erlangte abzuschöpfen, gefordert. Insbesondere wird dieses Auslegungsergebnis durch systematische Erwägungen getragen. So sind in § 50 Abs. 2a SGB X ausdrücklich auch "Leistungen zur Förderung von Einrichtungen" erwähnt, die ebenfalls keine Sozialleistungen im Sinne von § 11 SGB I sind. Zudem zeigt auch § 91 Abs. 1 Nr. 7 SGB VIII i.V.m. § 92 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII, wonach Kinder und Jugendliche zu den Kosten der Inobhutnahme (§ 42 SGB VIII) heranzuziehen sind, dass der Gesetzgeber dasjenige, was dem Hilfeempfänger auf der Grundlage einer Inobhutnahme zugewandt wird, der Sache nach als ausgleichsfähigen und ausgleichsbedürftigen geldwerten Vorteil ansieht. Das Argument des Klägers, dass es sich bei der Inobhutnahme nur um eine Eingriffsmaßnahme handelt, greift nicht durch.

24

In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben handelt es sich bei der mit der Inobhutnahme verbundenen Unterkunft, Verpflegung und sozialpädagogischen Betreuung des Klägers um Leistungen im Sinne des § 50 Abs. 1 SGB X.

25

b) Aus der systematischen Betrachtung der Vorschrift folgt, dass § 50 Abs. 1 SGB X eine Leistung aufgrund eines Verwaltungsaktes voraussetzt. Denn § 50 Abs. 2 SGB X erfasst ausdrücklich die Fälle der Leistungserbringung "ohne Verwaltungsakt" und bildet damit das Gegenstück zu § 50 Abs. 1 SGB X, der die Leistung "mit Verwaltungsakt" zum Gegenstand hat. Erbracht ist eine Leistung im Sinne von § 50 Abs. 1 SGB X, wenn sie dem Leistungsempfänger zur Erfüllung einer Leistungsverpflichtung bzw. eines Leistungsanspruchs in einem öffentlich-rechtlichen Leistungsverhältnis zwischen dem Leistungsberechtigten und dem Leistungsträger zugewandt worden ist (vgl. BSG, Urteile vom 30. Januar 2002 - B 5 RJ 26/01 R - SozR 3-1300 § 50 Nr. 25; vom 24. Juli 2001 - B 4 RA 102/00 R - SozR 3-1300 § 50 Nr. 24 und vom 28. Juni 1991 - 11 RAr 47/90 - SozR 3-1300 § 50 Nr. 10). In diesem Sinne sind dem Kläger aufgrund der Inobhutnahme Leistungen erbracht worden.

26

Zwar ist kein ausdrücklicher Leistungsbescheid ergangen, wie es für die Fälle des § 50 Abs. 1 SGB X typisch ist. Allerdings ist mit der Inobhutnahme insoweit eine Leistungsverpflichtung des Jugendamtes der beklagten Stadt verbunden, als dieses gemäß § 42 Abs. 1 Satz 5 SGB VIII für das Wohl des Klägers zu sorgen hat. Die Beklagte hat von Gesetzes wegen die Unterbringung, Verpflegung und sozialpädagogische Betreuung des Klägers während der Zeit der Inobhutnahme zu gewährleisten (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII). Dass der Kläger entsprechende Zuwendungen in Form von Sach- und Dienstleistungen zur Erfüllung der zuvor genannten Verpflichtung tatsächlich erhalten hat, steht nicht im Streit.

27

c) Die dem Kläger in Durchführung der Inobhutnahme in der Einrichtung eines freien Trägers der Jugendhilfe gewährte Unterkunft, Verpflegung und sozialpädagogische Betreuung sind als Leistungen der Beklagten anzusehen. Denn sie wurden im Auftrag der Beklagten zweckgerichtet zur Durchführung der Inobhutnahme erbracht.

28

Ein Träger der öffentlichen Jugendhilfe hat Leistungen im Sinne des § 50 Abs. 1 SGB X erbracht, wenn er diese - hier in Wahrnehmung einer ihm nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch obliegenden Aufgabe - entweder unmittelbar selbst erbracht hat oder mittelbar durch einen Dritten hat erbringen lassen. Zwar richtet sich die Berechtigung und Verpflichtung zur Inobhutnahme im Sinne des § 42 SGB VIII an den Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit der Folge, dass dieser im Verhältnis zum Hilfeempfänger in der Pflicht und Verantwortung steht. Aus der Organisations- und Personalhoheit folgt aber das Recht des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe zu bestimmen, wie er die seiner Zuständigkeit unterliegenden Aufgaben im Einzelnen wahrnimmt und deren ordnungsgemäße und effektive Erledigung sicherstellt. Dies schließt grundsätzlich die Entscheidung darüber ein, ob eine bestimmte Sach- und Dienstleistung durch eigene Mitarbeiter erbracht oder ein Dritter mit der Durchführung einer Aufgabe beauftragt wird. Letzteres ist dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe verwehrt, wenn die Übertragung der Aufgabenwahrnehmung auf Dritte im Einzelfall gesetzlich ausdrücklich oder sie aus anderen Gründen ausgeschlossen ist, etwa weil eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung nach der Natur der Aufgabe oder ihren inhaltlichen oder organisatorischen Anforderungen nur durch Mitarbeiter des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe gewährleistet ist (vgl. Urteil vom 22. Oktober 2009 - BVerwG 5 C 16.08 - BVerwGE 135, 150 = Buchholz 436.511 § 37 KJHG/SGB VIII Nr. 1 Rn. 17). Beides ist hinsichtlich der hier in Rede stehenden Gewährung von Unterkunft, Verpflegung und sozialpädagogischer Betreuung des in Obhut genommenen Klägers nicht der Fall.

29

Das Gesetz sieht ausdrücklich vor, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe anerkannte Träger der freien Jugendhilfe an der Durchführung der Inobhutnahme gemäß § 42 SGB VIII als eine andere Aufgabe der Jugendhilfe beteiligen oder ihnen diese Aufgabe zur Ausführung übertragen können (vgl. § 76 Abs. 1 SGB VIII). Die Arbeiterwohlfahrt gehört zu den anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe. Die in Durchführung der Inobhutnahme zu gewährende Unterkunft, Verpflegung und Betreuung des in Obhut Genommenen sind weder in inhaltlicher noch in organisatorischer Hinsicht von solcher Art und Qualität, dass sie in der Regel nicht auch von einem Träger der freien Jugendhilfe mit entsprechend fachlich qualifiziertem Personal erfüllt werden können (vgl. Urteil vom 22. Oktober 2009 a.a.O. Rn. 17).

30

Dass ein Träger der öffentlichen Jugendhilfe grundsätzlich befugt ist, sich zur Erfüllung der ihm obliegenden Aufgabe der Inobhutnahme der Hilfe Dritter zu bedienen, entspricht auch dem Subsidiaritätsgrundsatz in § 4 Abs. 2 SGB VIII. Danach soll die öffentliche Jugendhilfe von eigenen Maßnahmen absehen, soweit geeignete Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen von anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe betrieben werden oder rechtzeitig geschaffen werden können. Die Erfüllung dieser Verpflichtung setzt aber zwingend voraus, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe einem anerkannten Träger der freien Jugendhilfe die Durchführung von Aufgaben der Jugendhilfe überlässt. Der Vorrang des § 4 Abs. 2 SGB VIII erfasst grundsätzlich alle Handlungsfelder der Jugendhilfe, also auch die Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII (vgl. vgl. Urteil vom 22. Oktober 2009 a.a.O. Rn. 18 m.w.N.).

31

3. Der Verwaltungsakt der Inobhutnahme wurde mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Als ein sowohl belastende als auch begünstigende Wirkungen entfaltender Verwaltungsakt unterliegt die Rücknahme der Inobhutnahme den Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 bis 4 SGB X für die Rücknahme von begünstigenden Verwaltungsakten (a). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt (b). Die Beklagte hat im Ergebnis auch das ihr eingeräumte Ermessen bezüglich des "Ob" der Rücknahme fehlerfrei ausgeübt (c).

32

a) Bei der Inobhutnahme handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit sowohl belastender als auch begünstigender Wirkung.

33

Nach der Legaldefinition in § 45 Abs. 1 SGB X ist ein begünstigender Verwaltungsakt ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat. Ein belastender Verwaltungsakt ist demgegenüber ein Verwaltungsakt, mit dem in ein Recht eingegriffen oder eine Begünstigung verweigert wird. Ob es sich bei einem Verwaltungsakt in einem - wie hier - mehrpoligen Verwaltungsrechtsverhältnis um einen begünstigenden oder belastenden Verwaltungsakt handelt, ist allein nach der Wirkung beim Adressaten zu beurteilen (vgl. Urteil vom 9. Mai 2012 - BVerwG 6 C 3.11 - BVerwGE 143, 87 = Bucholz 442.066 § 37 TKG Nr. 4 Rn. 46 m.w.N.). Für den Kläger als Adressaten der Inobhutnahme kommt dieser insoweit belastende Wirkung zu, als der Kläger - wie dargelegt - verpflichtet ist, sich der Obhut zu unterstellen und den Anweisungen des Jugendamtes im Hinblick auf seine Anwesenheit in der Einrichtung zu folgen. Begünstigend wirkt sich die Inobhutnahme aus, weil sie Voraussetzung dafür ist, dass der Kläger von der Einrichtung des freien Trägers aufgenommen wird und dort für die Dauer der Inobhutnahme Unterkunft, Verpflegung und sozialpädagogische Betreuung erhält.

34

Verwaltungsakte mit einer derartigen Mischwirkung sind insgesamt als begünstigend zu behandeln und den strengeren Rücknahmevoraussetzungen des § 45 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 bis 4 SGB X zu unterstellen, sofern sich begünstigende und belastende Elemente - wie hier - nicht voneinander trennen lassen (vgl. Urteil vom 9. Mai 2012 a.a.O. Rn. 47 m.w.N.).

35

b) Nach § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und Abs. 4 SGB X kann der Leistungsträger einen rechtswidrigen (aa) Verwaltungsakt mit Mischwirkung ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknehmen, wenn der Begünstigte deswegen nicht auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertrauen durfte, weil dieser auf Angaben beruht, die er vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig gemacht hat (bb). Die Rücknahme ist innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen auszusprechen (cc). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

36

aa) Das Oberverwaltungsgericht hat - was auch zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht - zu Recht dahin erkannt, dass die auf § 42 SGB VIII gestützte Inobhutnahme des Klägers rechtswidrig war.

37

Nach § 42 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII ist das Jugendamt verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Obhutnahme erfordert. Ein derartiger Fall kann vorliegen, wenn ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlichen unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten. Kind ist, wer noch nicht 14 Jahre alt ist (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII). Jugendlicher ist, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII). Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts war der Kläger - wie dargelegt - im Zeitpunkt der Inobhutnahme bereits 23 Jahre alt und damit weder Kind noch Jugendlicher. Dem steht § 33a Abs. 1 SGB I nicht entgegen, weil diese Vorschrift - wie dargelegt - nur bei Sozialleistungen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB I anwendbar ist, zu denen die Inobhutnahme nicht gehört.

38

bb) Das Oberverwaltungsgericht hat in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass das Vertrauen des Klägers nicht schutzwürdig ist und die Inobhutnahme mit Wirkung für die Vergangenheit (§ 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X) zurückgenommen werden durfte, weil diese - auf der Grundlage der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts - im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X auf einer vorsätzlich falschen Altersangabe des Klägers beruhte. Dies steht zwischen den Beteiligten gleichfalls nicht im Streit.

39

cc) Zwischen den Beteiligten ist auch zu Recht nicht streitig, dass die Beklagte die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X eingehalten hat.

40

c) Das Oberverwaltungsgericht hat im Ergebnis auch zutreffend festgestellt, dass die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen bezüglich des "Ob" der Rücknahme fehlerfrei ausgeübt hat.

41

Die auf § 45 Abs. 1 und 4 SGB X gestützte Rücknahme eines von Anfang an rechtswidrigen Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit steht im Ermessen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe. Die Ermessensentscheidung erfordert eine sachgerechte Abwägung des öffentlichen Interesses an der Herstellung gesetzmäßiger Zustände mit dem privaten Interesse des Adressaten an der Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes. Die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Bestandskraft von Verwaltungsakten stehen dabei gleichberechtigt nebeneinander. Dies gilt auch, wenn eine Berufung auf Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X ausscheidet (vgl. Urteil vom 14. März 2013 - BVerwG 5 C 10.12 - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen = juris Rn. 29 m.w.N.). Maßgeblich sind insoweit die Erwägungen im Widerspruchsbescheid. Denn eine behördliche Entscheidung, deren Recht- und Zweckmäßigkeit - wie hier - durch die Widerspruchsbehörde nachgeprüft werden kann, erhält gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO erst durch den Widerspruchsbescheid ihre für das gerichtliche Verfahren maßgebliche Gestalt (vgl. zuletzt Urteil vom 14. März 2013 a.a.O. Rn. 39 m.w.N.).

42

Zwar ist im Rahmen der Ermessensausübung nach § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X auch zu entscheiden, ob der Verwaltungsakt ganz oder teilweise zurückgenommen wird. Des Weiteren sind gegebenenfalls die Folgen, die sich aus der Rücknahme für den Betroffenen ergeben (hier: Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs in Höhe von 9 056,98 €) in den Blick zu nehmen. Beides führt aber nicht dazu, dass im Rahmen der Ermessensausübung nach § 45 Abs. 1 und 4 SGB X eine Ermessensentscheidung über den Umfang der nach § 50 Abs. 1 SGB X zu erstattenden Leistungen zu treffen ist. Die gegenteilige Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ist mit Bundesrecht nicht vereinbar. Sie vermischt die Rücknahme nach § 45 SGB X einerseits mit dem Erstattungsanspruch des § 50 Abs. 1 SGB X andererseits in einer nicht zulässigen Weise. Sobald der Verwaltungsakt zurückgenommen worden ist, steht dem Leistungsträger nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X ("... sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten.") kein Ermessen zu, ob und in welchem Umfang er den Erstattungsanspruch geltend macht (vgl. BSG, Urteil vom 22. April 1987 - 10 RKg 16/85 - SozR 1300 § 50 Nr. 16).

43

In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist die Ausübung des Rücknahmeermessens durch die Beklagte im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagten war ausweislich des Widerspruchsbescheides bewusst, dass ihr Ermessen zusteht, und sie hat dieses erkennbar ausgeübt. Sie hat sich bei der Ausübung des Ermessens gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I am Zweck der Ermächtigung orientiert. Sie hat das Interesse des Klägers an der Bestandskraft der rechtswidrigen Inobhutnahme mit dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes abgewogen. Letzteres schließt die Einbeziehung fiskalischer Interessen nicht aus (vgl. zuletzt Urteil vom 14. März 2013 a.a.O. Rn. 40 m.w.N.). Daher ist es nicht zu beanstanden, dass sich die Beklagte von dem Gedanken hat leiten lassen, das Interesse des Klägers an der Bestandskraft der rechtswidrigen Inobhutnahme habe hinter das öffentliche Interesse an einer wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung öffentlicher Haushaltsmittel zurückzutreten. Sonstige Gründe, aus denen die Rücknahme eine Härte bedeuten würde oder aus denen von einer Rücknahme abgesehen werden sollte, seien nicht ersichtlich. Da der Kläger bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens keine für die Ermessensausübung relevanten Gesichtspunkte vorgetragen hat, konnte sich die Beklagte auch auf diese knappe allgemeine Interessenabwägung beschränken.

44

4. Der Erstattungsanspruch nach § 50 Abs. 1 SGB X ist ein Anspruch auf Wertersatz und bemisst sich grundsätzlich nach dem Entgelt, das die Beklagte aufgrund der zwischen ihr und dem Träger der freien Jugendhilfe geschlossenen Entgeltvereinbarung an diesen für die Sach- und Dienstleistungen gezahlt hat.

45

Die zu erstattenden Leistungen sind in Geld festzusetzen (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Dies macht eine Bewertung der erbrachten Sach- und Dienstleistungen in Geld erforderlich. Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Regelung darüber, wie eine Umrechnung der erbrachten Sach- und Dienstleistungen in einen Geldbetrag zu erfolgen hat. Hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe - wie hier - im Einklang mit dem Gesetz von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die ihm nach dem Gesetz obliegenden Sach- und Dienstleistungen gegen Entgelt durch einen Träger der freien Jugendhilfe erbringen zu lassen, bestimmt sich deren Wert grundsätzlich nach dem Entgelt, das die Träger der Jugendhilfe hierfür vereinbart haben. Denn das vereinbarte Entgelt spiegelt in der Regel den objektiven Wert wider, der den Leistungen bei ihrer Gewährung im maßgebenden Gebiet zukommt.

46

Dafür spricht, dass sich die Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe als gleichberechtigte und sachkundige Vertragspartner gegenüberstehen. Dies bietet die Gewähr dafür, dass das von ihnen ausgehandelte und vereinbarte Entgelt grundsätzlich den für die Leistungen während des Leistungszeitraums im maßgebenden Gebiet üblichen Wert abbildet. Hinzu kommt, dass das vereinbarte Entgelt von dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe unabhängig davon zu entrichten ist, ob ihm gegebenenfalls ein Erstattungsanspruch nach § 50 Abs. 1 SGB X zusteht. Daher ist zu erwarten, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe sich nicht zur Zahlung eines Entgelts verpflichtet, das außerhalb der Bandbreite der Entgelte anderer Einrichtungsträger im maßgebenden Gebiet liegt. Diese Annahme wird dadurch bestätigt, dass das Achte Buch Sozialgesetzbuch den Entgeltvereinbarungen von Trägern der öffentlichen und freien Jugendhilfe eine besondere Bedeutung zuweist. Das Gesetz verpflichtet die Träger der öffentlichen Jugendhilfe zum Abschluss von Entgeltvereinbarungen, wenn diese Einrichtungen und Dienste der Träger der freien Jugendhilfe für die Gewährung der in § 78a Abs. 1 SGB VIII aufgeführten Leistungen in Anspruch nehmen. Eine derartige Verpflichtung besteht nach § 78a Abs. 2 SGB VIII für andere Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch und die Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII, sofern das Landesrecht dies bestimmt. Macht das Landesrecht von der Ermächtigung des § 78a Abs. 2 SGB VIII - wie hier - keinen Gebrauch, haben die Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach § 77 Satz 1 SGB VIII derartige Vereinbarungen zumindest anzustreben. Die Entgeltvereinbarungen sollen im Bereich der stationären und teilstationären Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe zu einer Kostendämpfung beitragen, eine stärkere Transparenz von Kosten und Leistungen schaffen und die Effizienz der eingesetzten Mittel verbessern (vgl. BTDrucks 13/10330 S. 16).

47

Die gerichtliche Prüfung beschränkt sich auf eine Plausibilitäts- und Willkürkontrolle des vereinbarten Entgelts, d.h. das Gericht prüft, ob bei einer überschlägigen Betrachtung Anhaltspunkte bestehen, dass das vereinbarte Entgelt willkürlich gegriffen oder wirklichkeitsfremd ist und daher ausnahmsweise nicht den objektiven Wert der Leistungen darstellt. Indiz hierfür kann beispielweise ein überhöhter Rechnungsposten oder ein Entgelt sein, das erheblich über dem mit anderen Trägern Vereinbarten liegt. Die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ermöglichen dem Senat keine abschließende Beurteilung, ob das vereinbarte pauschale Entgelt, dessen Berechtigung der Kläger in Zweifel gezogen hat, im zu entscheidenden Rechtsstreit ausnahmsweise nicht dem im fraglichen Zeitraum für Unterkunft, Verpflegung und sozialpädagogische Betreuung in einer Einrichtung Üblichen entspricht. Der Rechtsstreit ist deshalb an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann.

48

5. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.

(2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten. §§ 45 und 48 gelten entsprechend.

(2a) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes, auf Grund dessen Leistungen zur Förderung von Einrichtungen oder ähnliche Leistungen erbracht worden sind, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Satz 1 verlangt werden; Entsprechendes gilt, soweit eine Leistung in Anspruch genommen wird, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen sind; § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

(3) Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.

(4) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. § 52 bleibt unberührt.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten bei Berichtigungen nach § 38 entsprechend.

11
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Empfänger einer Leistung wegen ungerechtfertigter Bereicherung nur vom Leistenden mit einer Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB) belangt werden. Ein Anspruch wegen Bereicherung in sonstiger Weise (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB) kann nur dann entstehen, wenn der Bereicherungsgegenstand dem Empfänger überhaupt nicht, also von niemandem geleistet worden ist (Grundsatz des Vorrangs der Leistungskondiktion, vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 1963 - VII ZR 285/61, BGHZ 40, 272, 278; vom 21. Oktober 2004 - III ZR 38/04, NJW 2005, 60 mwN; vom 21. Juni 2012 - III ZR 291/11, VersR 2012, 1307 Rn. 28). Unter einer Leistung im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB ist die bewusste und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens zu verstehen. Dabei kommt es in erster Linie auf die der Zuwendung gegebene Zweckbestimmung, also darauf an, welchen Zweck die Beteiligten nach ihrem zum Ausdruck gekommenen Willen verfolgt haben.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 8. Juni 2012 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert wird auf 101 749,12 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt als privates Krankenversicherungsunternehmen von der Beklagten die Erstattung von Aufwendungen, die sie aufgrund eines Krankenvollversicherungsvertrages dem Versicherungsnehmer K. G. (G.) für Heilbehandlungsmaßnahmen und Hilfsmittel erbracht hat.

2

Der Versicherungsnehmer G. betreibt ein Fahrradgeschäft. Er verunglückte am 6.2.2010 bei einer Testfahrt mit einem Mountainbike auf der Insel Teneriffa schwer. Die Beklagte lehnte gegenüber G. zunächst eine "Entschädigung" des Unfalls ab, weil der Aufenthalt auf Teneriffa im Wesentlichen durch private Tätigkeiten geprägt und nicht betrieblich bedingt gewesen sei (Bescheid vom 16.4.2010). Daraufhin beglich die Klägerin die ihr für die Krankenhausbehandlung des G. und dessen Versorgung mit Hilfsmitteln in Rechnung gestellten Kosten.

3

Auf den Widerspruch des G. erkannte die Beklagte sodann den Unfall vom 6.2.2010 als Arbeitsunfall an (Bescheid vom 1.9.2010). Am 8.12.2010 trat dieser seine "Ansprüche auf Erstattung sämtlicher Krankheitskosten" gegen die Beklagte aufgrund seines Unfalls an die Klägerin ab. Die Klägerin forderte die Beklagte zuletzt mit Schreiben vom 28.2.2011 erfolglos auf, die Behandlungskosten zu erstatten. Sie erhob daraufhin am 25.7.2011 Klage.

4

Das SG Köln hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Kostenerstattungspflicht der Beklagten bestehe nicht. Ein Ausgleichsanspruch nach § 102 SGB X scheitere daran, dass die Klägerin kein Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sei. Auch das Gesetz über den Versicherungsvertrag (VVG) sei nicht einschlägig. Für eine analoge Anwendung des § 13 Abs 3 SGB V fehle es an einer Regelungslücke. Einem Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) stehe entgegen, dass die Klägerin die Rechnungen in Erfüllung ihrer vertraglichen Leistungsverpflichtung gegenüber G. beglichen und damit kein fremdes Geschäft habe besorgen wollen. Die Voraussetzungen eines Bereicherungsanspruchs nach § 812 Abs 1 Satz 1 BGB seien ebenfalls nicht erfüllt. Die Beklagte habe als vermögenswerten Vorteil zwar die Befreiung von einer Verbindlichkeit, nicht aber eine ausgleichspflichtige Leistung von der Klägerin erlangt. Zudem ergebe sich aus § 5 Abs 3 der Musterbedingungen 1994 zur Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (MB/KK 94) ein Rückgriffsrecht des Versicherers gegenüber seinen Versicherten.

5

Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt die Klägerin die Verletzung der § 86 VVG, § 13 Abs 3 SGB V, § 683 Satz 1 BGB sowie des § 812 Abs 1 Satz 1 BGB. Der mit der rechtswidrigen Ablehnung eines Arbeitsunfalles entstandene Kostenerstattungsanspruch des G. gegenüber der Beklagten nach § 13 Abs 3 SGB V sei nach § 86 VVG auf den Versicherer übergegangen. Zudem sei dieser Anspruch wirksam abgetreten worden. Mit den Zahlungen an G. sei zumindest auch ein fremdes Geschäft iS einer GoA besorgt worden. Außerdem bestehe ein Bereicherungsanspruch. Die Beklagte sei durch die Leistungserbringung aufgrund des Krankenvollversicherungsvertrages von ihren eigenen Verbindlichkeiten befreit worden und habe damit einen vermögenswerten Vorteil erlangt. Für die Vermögensverschiebung fehle es wegen der Subsidiaritätsklausel des § 5 Abs 3 MB/KK 94 an einem rechtfertigenden Grund.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 8. Juni 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 101 749,12 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. Juli 2011 zu zahlen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend. Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung würden vom Forderungsübergang des § 86 VVG nicht erfasst. Der bereicherungsrechtlich allein in Betracht kommenden Leistungskondiktion stehe entgegen, dass die Klägerin aufgrund des privaten Versicherungsvertrages eine bewusste Zuwendung gegenüber G. vorgenommen habe. Deren vertragliche Leistungspflicht sei über § 5 Abs 3 MB/KK 94 auch nicht nachträglich entfallen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Sprungrevision ist iS der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das SG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Entgegen der Rechtsansicht des SG steht der Klägerin ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch dem Grunde nach zu, weil sie die Beklagte mit der Kostenübernahme ohne Rechtsgrund bereichert hat. Die vom SG festgestellten Tatsachen reichen allerdings für eine abschließende Entscheidung über die Höhe des von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsanspruchs nicht aus.

10

1. Für den hier geltend gemachten Erstattungs- und Zinsanspruch ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten schon wegen der Bindung des Revisionsgerichts nach § 17a Abs 5 GVG an die Rechtswegbestimmung durch das SG eröffnet. Abgesehen davon hat sich das SG zu Recht auf § 51 Abs 1 Nr 3 SGG gestützt, wonach die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der Überwachung der Maßnahmen zur Prävention durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung entscheiden. Die Klägerin macht die Erstattung von Aufwendungen für eine stationäre Behandlung des G. und dessen Versorgung mit Hilfsmitteln geltend, auf die Versicherte infolge eines Arbeitsunfalles gegenüber dem zuständigen Unfallversicherungsträger nach § 26 Abs 1 Satz 1 iVm § 27 Abs 1 Nr 4 und 6 SGB VII Anspruch haben. Das Streitverhältnis ist damit dem gesetzlichen Unfallversicherungsrecht zuzuordnen.

11

Die auf Zahlung von Aufwendungsersatz gerichtete (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG ist statthaft und zulässig. Die Beklagte ist weder berechtigt noch verpflichtet, über das Bestehen und die Höhe des geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Zahlungsanspruchs durch Verwaltungsakt gegenüber der Klägerin zu entscheiden. Eine ausdrückliche Ermächtigung hierzu ist weder durch Gesetz noch aufgrund eines Gesetzes bestimmt. Besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen sind daher nicht zu beachten. Damit war weder ein Vorverfahren durchzuführen noch eine Klagefrist einzuhalten.

12

Die Klage ist auch dem Grunde nach begründet. Die Klägerin kann sich zwar nicht auf den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch des § 13 Abs 3 SGB V berufen, und zwar weder aus abgetretenem Recht(dazu 2.) noch aufgrund eines gesetzlichen Forderungsübergangs (dazu 3.). Als Rechtsgrundlage kommt auch nicht § 683 BGB in analoger Anwendung wegen einer öffentlich-rechtlichen GoA in Betracht(dazu 4.). Der Klägerin steht wegen der an die Beklagte ohne Rechtsgrund erbrachten Zahlungen aber ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch dem Grunde nach zu (dazu 5.). Dem stehen die Rechtsgedanken der § 818 Abs 3 und § 814 BGB nicht entgegen(dazu 6.). Allerdings kann aufgrund fehlender Feststellungen des SG nicht abschließend beurteilt werden, in welcher Höhe die Beklagte Aufwendungen erspart hat (dazu 7.).

13

2. Ein Anspruch der Klägerin aus abgetretenem Recht besteht nicht, denn sie hat mit der Abtretung der "Ansprüche auf Erstattung sämtlicher Krankheitskosten" durch G. nicht die Befugnis erlangt, einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V prozessual zu verfolgen. § 53 Abs 2 SGB I schließt die Abtretung eines solchen Anspruchs zwar nicht aus, soweit es sich um einen bezifferten Erstattungsbetrag handelt. Die Abtretung erstreckt sich aber im Rahmen eines Sozialrechtsverhältnisses nicht auf das Recht, den Kostenerstattungsanspruch im Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren feststellen zu lassen.

14

Nach § 53 Abs 1 SGB I können Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen weder übertragen noch verpfändet werden. Gemäß § 26 Abs 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte nach Maßgabe der folgenden Vorschriften und unter Beachtung des SGB IX Anspruch auf ua Heilbehandlung einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Diese Leistungen sind nach § 26 Abs 4 Satz 2 SGB VII als Sach- und Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen und daher als "Naturalleistung" zu gewähren, soweit das SGB VII oder SGB IX keine Abweichungen vorsehen. Übertragbar sind allerdings unter Berücksichtigung der weiteren Voraussetzungen des § 53 Abs 2 SGB I Ansprüche auf Geldleistungen. Der Kostenerstattungsanspruch des § 13 Abs 3 SGB V, der an die Stelle des Naturalleistungsanspruchs tritt, ist auf Geldleistungen gerichtet(BSG vom 3.7.2012 - B 1 KR 6/11 R - BSGE 111, 137 = SozR 4-2500 § 13 Nr 25, RdNr 10 mwN)und damit grundsätzlich abtretbar (BSG vom 18.7.2006 - B 1 KR 24/05 R - BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 13 mwN).

15

§ 13 Abs 3 SGB V ist in der gesetzlichen Unfallversicherung auch entsprechend anwendbar, weil hierdurch eine in diesem Sozialversicherungszweig hinsichtlich der Kostenerstattung bestehende Regelungslücke sachgerecht ausgefüllt wird(BSG vom 20.3.2007 - B 2 U 38/05 R - SozR 4-1300 § 48 Nr 10 RdNr 13 mwN). Danach hat der Unfallversicherungsträger, der eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, dem Verletzten die Kosten einer von ihm selbst getragenen notwendigen Heilbehandlung oder Rehabilitation zu erstatten.

16

Es kann aber dahingestellt bleiben, ob vorliegend die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs 3 SGB V erfüllt sind und dessen Abtretbarkeit iS des § 53 Abs 2 oder 3 SGB I gegeben ist. Der Senat braucht auch nicht zu entscheiden, ob die von G. erklärte Abtretung der "Ansprüche auf Erstattung sämtlicher Krankheitskosten" hinreichend bestimmt und damit wirksam vereinbart worden ist. Eine Abtretung genügt nur dann dem Bestimmtheitserfordernis, wenn die betreffende Forderung und ihr Rechtsgrund so genau bezeichnet sind, dass bei verständiger Auslegung unzweifelhaft feststeht, welche Forderung Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein soll (BSG vom 19.3.1992 - 7 RAr 26/91 - BSGE 70, 186, 192 = SozR 3-1200 § 53 Nr 4, S 22). Denn auch bei einer ordnungsgemäßen Abtretung eines Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs 3 SGB V ist jedenfalls nur das Recht auf Auszahlung des festgestellten und damit bezifferten Erstattungsbetrages abtretbar, nicht aber zugleich die Befugnis, einen darauf gerichteten Anspruch prozessual zu verfolgen. Durch den Anspruchsübergang tritt im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs der Abtretungsempfänger nicht in die gesamte Rechtsstellung des Abtretenden aus dem Sozialrechtsverhältnis ein. Anders als im Bürgerlichen Recht ist im Sozialrecht mit der Abtretung keine umfassende Neubestimmung der Gläubigerstellung verbunden. Um dem besonderen Schutzbedürfnis der Sozialleistungsberechtigten und ihrer Einbindung in spezifische Mitwirkungslasten (§§ 60 ff SGB I) Rechnung zu tragen, wird dem Abtretungsempfänger aus dem Gesamtkomplex der das Sozialrechtsverhältnis prägenden Rechtsbeziehungen nur ein auf die Auszahlung begrenzter Anspruch übertragen, ohne dass sich der Inhalt des zugrunde liegenden Rechts verändert (BSG vom 3.7.2012 - B 1 KR 6/11 R - BSGE 111, 137 = SozR 4-2500 § 13 Nr 25, RdNr 9, und vom 18.7.2006 - B 1 KR 24/05 R - BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 14 mwN). Dieser Rechtsprechung des 1. Senats des BSG schließt sich der erkennende Senat an. Die damit für das Sozialrechtsverhältnis geltende Beschränkung einer Abtretung auf bezifferte Geldforderungen schließt die Geltendmachung eines - wie hier - noch nicht festgestellten Kostenerstattungsanspruchs durch den Abtretungsempfänger - hier die Klägerin - aus.

17

3. Einen uneingeschränkten Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V hat die Klägerin auch nicht im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs gemäß § 86 Abs 1 Satz 1 iVm § 194 Abs 1 VVG erworben.

18

Steht einem Versicherungsnehmer ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zu, geht dieser Anspruch nach § 86 Abs 1 Satz 1 VVG auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Diese Regelung ist über § 194 Abs 1 Satz 1 VVG auch für die private Krankenversicherung maßgebend, soweit der Krankenversicherungsschutz nach den Grundsätzen der Schadensversicherung gewährt wird. Voraussetzung für den gesetzlichen Forderungsübergang ist ua eine Kongruenz zwischen der Leistung des Versicherers und dem Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers (OLG Frankfurt/M vom 6.11.2002 - 23 U 17/02 - juris RdNr 2 mwN). Der Rechtsübergang erfasst Ansprüche, die dem Ausgleich des dem Versicherungsnehmer entstandenen Schadens dienen. Ob ein noch nicht festgestellter Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V in einer solchen Kongruenz zu den von der Klägerin erbrachten Leistungen steht, kann der Senat aus denselben Gründen offen lassen, die bereits soeben(unter 2.) im Zusammenhang mit der Abtretung nach § 53 SGB I dargelegt wurden. Der Erstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V ist schon deshalb nicht übergangsfähig, weil - ebenso wie bei der Abtretung - das aus dem Sozialrechtsverhältnis resultierende besondere Schutzbedürfnis des Sozialleistungsberechtigten den Verlust seines Rechts auf Feststellung eines vermeintlichen Kostenerstattungsanspruchs im Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren auch durch gesetzlichen Forderungsübergang verbietet. § 86 Abs 1 Satz 1 VVG bezweckt zweierlei. Einerseits soll der zur Leistung verpflichtete Dritte keinen Vorteil durch die Leistung des Versicherers erzielen und nicht von seiner Verpflichtung befreit werden. Andererseits soll eine Bereicherung des Berechtigten und Versicherungsnehmers durch einen doppelten Leistungsbezug verhindert werden. Der gesetzlich vorgesehene Forderungsübergang zielt aber ebenso wenig wie die grundsätzlich nach § 53 Abs 2 SGB I zulässige Abtretung darauf ab, den Sozialleistungsberechtigten aus dem gesamten Sozialrechtsverhältnis zu verdrängen und ihn durch einen neuen Gläubiger zu ersetzen. Denn ansonsten würde der sozialrechtliche Anspruch auch inhaltlich verändert (vgl BSG vom 18.7.2006 - B 1 KR 24/05 R - BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 14 mwN).

19

4. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch lässt sich ferner nicht aus den Vorschriften über eine GoA gemäß §§ 677 ff BGB ableiten, die im öffentlichen Recht entsprechend anzuwenden sind(BSG vom 27.6.1990 - 5 RJ 39/89 - BSGE 67, 100, 101 = SozR 3-7610 § 683 Nr 1, S 2 mwN). Für den Bereich der Sozialversicherung gilt dies jedenfalls dann, wenn der Geschäftsführer - wie hier die Klägerin - kein Leistungsträger iS der §§ 102 ff SGB X ist, mithin ein Erstattungsanspruch nach diesen Bestimmungen ausscheidet, und der Geschäftsführer mit der Geschäftsführung eine Aufgabe eines sozialrechtlichen Leistungsträgers übernommen hat(BSG vom 17.11.1999 - B 6 KA 14/99 R - SozR 3-2500 § 75 Nr 11 S 56 mwN). Die öffentlich-rechtliche Natur der GoA ergibt sich hier daraus, dass die Klägerin die Kosten für Heilbehandlungsmaßnahmen und Hilfsmittel übernommen hat, die von der Beklagten als zuständiger Unfallversicherungsträger als Sachleistung zur Verfügung zu stellen sind (§ 26 Abs 1 Satz 1, Abs 4 Satz 2, § 27 Abs 1 Nr 4 und 6 SGB VII). An besonderen Bestimmungen, die das Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Geschäftsherrn abweichend regeln, die den Handelnden zum unentgeltlichen Tätigwerden verpflichten oder die einen Rückgriff auf die Grundsätze über die GoA nicht erlauben, fehlt es im vorliegenden Verfahren (vgl BSG aaO). Allerdings ist die Voraussetzung, dass die Klägerin ein fremdes Geschäft führte, als sie die Zahlungen an G. erbrachte, nicht erfüllt.

20

Nach § 677 BGB liegt eine GoA vor, wenn jemand ein Geschäft für einen anderen besorgt, ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein. Der Geschäftsführer kann gemäß § 683 BGB wie ein Beauftragter(§ 670 BGB) Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, wenn die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. An der damit erforderlichen Fremdgeschäftsführung fehlt es hier, weil die Klägerin mit der Kostenübernahme eine aus dem Krankenversicherungsvertrag resultierende eigene Verbindlichkeit gegenüber ihrem Versicherungsnehmer G. erfüllte. Bei einem solch objektiv eigenen Geschäft kann nur dann eine Geschäftsführung für einen anderen vorliegen, wenn der Wille des Geschäftsführers zur vornehmlichen Wahrnehmung fremder Interessen nach außen hinreichend deutlich in Erscheinung tritt (BGH vom 3.3.2009 - XI ZR 41/08 - NJW 2009, 1879, 1881 f). Für einen derartigen Fremdgeschäftsführungswillen der Klägerin ist hier nichts ersichtlich.

21

5. Der Klägerin steht jedoch dem Grunde nach ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu. Da hier - wie bereits ausgeführt - die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten öffentlich-rechtlich geprägt sind, tritt an die Stelle des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs nach § 812 BGB der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch(BSG vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 9).

22

Der im öffentlichen Recht auch ohne ausdrückliche Normierung seit langem zumindest gewohnheitsrechtlich anerkannte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch (vgl nur BSG vom 30.1.1962 - 2 RU 219/59 - BSGE 16, 151, 156 = SozR Nr 1 zu § 28 BVG mwN zur älteren Rspr und Literatur; vgl Wolff/Bachof, Allgemeines Verwaltungsrecht, I § 55 RdNr 26; BVerwG vom 12.3.1985 - 7 C 48/82 - BVerwGE 71, 85 f) leitet sich aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ab. Er setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind und verschafft in weitgehender Analogie zu den §§ 812 ff BGB ein Recht auf Herausgabe des Erlangten. Beruht die Vermögensverschiebung auf einer Leistung ist allerdings der Vorrang der Leistungsbeziehung zu beachten. In einem solchen Fall kommt ein Erstattungsanspruch nur zwischen den an der Leistungsbeziehung direkt Beteiligten in Betracht (BSG vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 11; vom 27.8.2011 - B 4 AS 1/10 R - BSGE 109, 70 = SozR 4-4200 § 16 Nr 9, RdNr 24 und vom 28.10.2008 - B 8 SO 23/07 R - BSGE 102, 10 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2, RdNr 27, jeweils mwN). Vorliegend hat die Klägerin durch die Übernahme der Behandlungs- und Hilfsmittelkosten für G. dennoch eine Leistung an die Beklagte erbracht (hierzu unter a). Da sie hierzu im Umfang des gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes nicht verpflichtet war, ist die Beklagte ohne Rechtsgrund bereichert und damit zur Erstattung der ersparten Aufwendungen verpflichtet (b).

23

a) Mit der Begleichung der für die Krankenhausbehandlung des G. und dessen Versorgung mit Hilfsmitteln in Rechnung gestellten Kosten hat die Klägerin eine Leistung iS des § 812 Abs 1 Satz 1 Alt 1 BGB erbracht. Darunter ist die bewusste und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens zu verstehen. Für die erforderliche Zweckgerichtetheit kommt es in erster Linie auf die der Zuwendung gegebene Zweckbestimmung, also darauf an, welchen Zweck die Beteiligten nach ihrem zum Ausdruck gekommenen Willen verfolgt haben (BGH vom 16.5.2013 - IX ZR 204/11 - NJW 2013, 2519, 2520). Durch die Zweckgerichtetheit wird die Bezogenheit auf ein Kausalverhältnis deutlich, in dem mit der Leistung die geschuldete Erfüllung einer Verbindlichkeit bewirkt werden soll (BGH vom 27.2.2007 - XI ZR 56/06 - NJW 2007, 3127, 3130). Der Zweck der Leistung ist nach objektiven Kriterien aus der Sicht des Zahlungsempfängers zu beurteilen. Der Zuwendende leistet an den Zahlungsempfänger, wenn er aus der Sicht des Zahlungsempfängers diesem gegenüber einen eigenen Leistungszweck verfolgt und nicht die Schuld eines Dritten erfüllt. Es ist nicht entscheidend, wer Gläubiger der Forderung ist, auf die eine Zuwendung erfolgt. Leistungsempfänger ist vielmehr derjenige, dessen Vermögen der Leistende durch die Zahlung vermehren will (BGH vom 10.2.2005 - VII ZR 184/04 - BGHZ 162, 157, 160 = NJW 2005, 1356 f). Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin mit ihrer Zahlung zwar zunächst eine Leistung an ihren Versicherungsnehmer G. in Erfüllung des Krankenvollversicherungsvertrages bewirkt. Aufgrund einer - auch im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs - zulässigen nachträglichen Tilgungsbestimmung hat sie aber auch eine Leistung an die Beklagte erbracht.

24

Nachdem die Beklagte "die Entschädigung" des Unfalls abgelehnt hatte, war die Klägerin aufgrund des privatrechtlichen Krankenversicherungsvertrages verpflichtet, ihren Versicherungsnehmer G. von seinen Verbindlichkeiten gegenüber den Sachleistungserbringern freizustellen (vgl zur Haftpflichtversicherung BGH vom 29.2.2000 - VI ZR 47/99 - NJW 2000, 1718, 1719). Diese Leistungspflicht ist nachträglich mit der Anerkennung des Arbeitsunfalls durch Bescheid vom 1.9.2010 entfallen, weil durch einen Arbeitsunfall geschädigte Versicherte gegenüber dem zuständigen Unfallversicherungsträger ua nach § 26 Abs 1 Satz 1 iVm § 27 Abs 1 Nr 4 und 6 SGB VII Anspruch auf stationäre Behandlung sowie Versorgung mit Hilfsmitteln haben und der private Krankenversicherer in einem solchen Fall nach § 5 Abs 3 MB/KK 94 nur für diejenigen Aufwendungen leistungspflichtig ist, welche trotz der gesetzlichen Leistungen notwendig bleiben. Da die Beklagte nicht erst mit der Feststellung des Arbeitsunfalles, sondern unmittelbar nach seinem Eintritt verpflichtet war, den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern (§ 1 Nr 2, § 26 Abs 2 Nr 1 SGB VII), hat die Klägerin irrtümlich Versicherungsleistungen gewährt. Nach der Rechtsprechung des BGH zu § 812 BGB ist ein Leistender, der in der irrigen Annahme einer eigenen Schuld Leistungen erbracht hat, aus Billigkeitsgründen berechtigt, durch Zahlungsaufforderung nachträglich auf Bereicherungsansprüche gegen den Gläubiger zu verzichten und zu erklären, dass seine Leistungen als für den ersatzpflichtigen Schuldner bewirkt gelten sollen. Dem Zuwendenden müsse es nach Treu und Glauben gestattet sein, sich an den durch die rechtsgrundlos erbrachten Leistungen letztlich allein Begünstigten zu halten, sofern keine schutzwürdigen Interessen beeinträchtigt würden. Es wäre unbillig, wenn ihm gerade daraus ein Nachteil erwachse, dass er zunächst wegen einer angenommenen Eintrittspflicht die Heilbehandlungskosten übernehme und damit die notwendige ärztliche Versorgung ermögliche (BGH vom 15.5.1986 - VII ZR 274/85 - NJW 1986, 2700 f). Dieser Rechtsprechung des BGH, die in der zivilrechtlichen Literatur zum Teil auf Widerspruch gestoßen ist (vgl Krüger, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl 2012, § 267 RdNr 12; Bittner, in: Staudinger, Komm zum BGB, 2009, § 267 RdNr 45; Medicus, Bürgerliches Recht, 24. Aufl RdNr 951) schließt sich der erkennende Senat im vorliegenden Fall auch für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch an. Seine Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen entsprechen denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs, es sei denn, sie sind spezialgesetzlich geregelt. Ein Rückgriff auf die zivilrechtlichen Normen scheidet allerdings aus, soweit der im öffentlichen Recht selbstständig entwickelte Erstattungsanspruch reicht. Dies gilt für bereicherungsrechtliche Vorschriften und Grundsätze, denen öffentlich-rechtliche Wertungszusammenhänge entgegenstehen (vgl BSG vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 11). Das ist bei der nachträglichen Tilgungsbestimmung indes nicht der Fall.

25

Die vom BGH aufgezeigten Billigkeitserwägungen greifen auch hier. Die Klägerin hat allein wegen der anfänglichen Leistungsablehnung durch die Beklagte gegenüber G. ihre Eintrittspflicht angenommen. Mit der Aufforderung an die Beklagte, die Kosten zu erstatten, hat die Klägerin auf einen Bereicherungsanspruch gegen den Versicherungsnehmer G. verzichtet und zum Ausdruck gebracht, dass die Leistungserbringung als gegenüber der Beklagten erfolgt gelten soll. Die Klägerin hat sich damit lediglich mit dem Ziel, den vertrags- und gesetzmäßigen Zustand herzustellen, an die zur Leistung verpflichtete Beklagte gewandt. Einer solchen zulässigen nachträglichen Zweck- und Tilgungsbestimmung stehen schutzwürdige Interessen der Beklagten nicht entgegen. Der mögliche Einwand, durch die Zulassung einer nachträglichen Leistungsbestimmung im Rahmen öffentlich-rechtlicher Beziehungen würde dem zuständigen Leistungsträger eine Leistung aufgedrängt, über deren Gewährung er selbst zu entscheiden habe, ihm eine bestimmte Auffassung von der Anwendung materiellen Rechts aufgezwungen und vollendete Tatsachen geschaffen (OVG Nordrhein-Westfalen vom 12.5.2006 - 1 A 3106/04 - juris RdNr 49; offen gelassen von VGH Kassel vom 17.9.1992 - 7 UE 1791/87 - juris RdNr 35), verfängt nicht. Die Beklagte wird durch die nachträgliche Leistungsbestimmung der Klägerin nicht schlechter gestellt. Als zuständiger Unfallversicherungsträger war sie von Anfang an nach den gesetzlichen Vorschriften des SGB VII zur Heilbehandlung und Hilfsmittelversorgung verpflichtet. Durch ihre spätere Inanspruchnahme wird die Beklagte lediglich so gestellt, wie sie ohne ihre anfängliche Leistungsablehnung gestanden hätte. Es wäre unbillig, die Beklagte auf Kosten Dritter zu entlasten, weil ihre mit der irrtümlichen Leistungserbringung durch die Klägerin verbundene Begünstigung letztlich auf eigenem fehlerhaftem Verwaltungshandeln in Gestalt einer rechtswidrigen Leistungsablehnung beruht.

26

b) Mit den Zahlungen der Klägerin hat die Beklagte einen Vorteil erlangt, der ihr wirtschaftliches Vermögen vermehrt hat (vgl BGH vom 7.10.1994 - V ZR 4/94 - NJW 1995, 53, 54). Sie ist dadurch von einer eigenen Leistungspflicht gegenüber G. befreit worden. Da die Beklagte die Leistungen der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt beanspruchen kann, sind sie auch ohne rechtlichen Grund erbracht worden.

27

6. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch scheitert nicht an § 818 Abs 3 oder § 814 BGB. Die Unfallversicherungsträger sind - wie die gesamte öffentliche Hand - dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verpflichtet. Ihr Interesse muss darauf gerichtet sein, eine ohne Rechtsgrund eingetretene Vermögensverschiebung zu beseitigen und den rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen. Daher ist der Einwand sowohl der Entreicherung nach § 818 Abs 3 BGB(BVerwG vom 12.3.1985 - 7 C 48/82 - BVerwGE 71, 85, 90; vgl auch BSG vom 6.10.1977 - 7 RAr 55/76 - BSGE 45, 38, 46 f = SozR 4100 § 40 Nr 17, S 54)als auch der positiven Kenntnis von der Nichtschuld nach § 814 BGB ausgeschlossen(VGH Kassel vom 17.7.1990 - 11 UE 1487/89 - NJW 1991, 510, 512).

28

7. Die Beklagte ist im Wege des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs wie eine ungerechtfertigt Bereicherte nach § 812 Abs 1 Satz 1 BGB zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet. Wie dargelegt, hat die Beklagte wegen der Kostenübernahme der Klägerin entgegen des in § 5 Abs 3 MB/KK 94 geregelten Vor- und Nachrangverhältnisses die Befreiung von ihrer im SGB VII normierten Leistungspflicht erlangt. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch besteht daher der Höhe nach nur insoweit, als die Beklagte selbst wegen der durch den Arbeitsunfall verursachten Gesundheitsschäden Heilbehandlungsmaßnahmen nach § 27 Abs 1 Nr 4 und 6 SGB VII hätte erbringen müssen. Für die Kostenübernahme von Leistungen, die von der Klägerin aufgrund des Krankenvollversicherungsvertrages mit G. erbracht worden sind, aber nicht vom Leistungskatalog des SGB VII erfasst werden oder zur Krankenbehandlung nicht notwendig waren (vgl hierzu BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 28/08 R - BSGE 105, 210 = SozR 4-2700 § 33 Nr 1, RdNr 26), ist die Beklagte nicht eintrittspflichtig. Die Aufwendungen für solche über die gesetzliche Leistungspflicht nach dem SGB VII hinausgehende Leistungen sind nicht Gegenstand der ungerechtfertigten Bereicherung und lassen sich der Beklagten im Wege des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs nicht "aufdrängen".

29

Inwieweit danach der geltend gemachte Zahlungsanspruch besteht, kann mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entschieden werden. Es fehlt an Feststellungen sowohl zur Notwendigkeit der von der Klägerin im Wege des Aufwendungsersatzes erbrachten Sachleistungen als auch zur Höhe der Aufwendungen für medizinisch gebotene Heilbehandlungsmaßnahmen und Hilfsmittel, die die Beklagte infolge der rechtsgrundlosen Zahlung durch die Klägerin erspart hat. Diese Feststellungen wird das SG nachzuholen haben. Im wieder eröffneten Klageverfahren wird es auch über den geltend gemachten Zinsanspruch zu entscheiden haben, den die Klägerin nunmehr zeitlich zutreffend auf den Beginn der Rechtshängigkeit der Klage (§ 291 BGB) beschränkt hat.

30

Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren bleibt dem SG vorbehalten. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 52 Abs 3 und § 47 Abs 1 Satz 1 GKG idF vom 5.5.2004 (BGBl I 718).

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 267/15
Verkündet am:
31. März 2016
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Der Schuldbeitritt des Sozialhilfeträgers zur Zahlungsverpflichtung des Hilfeempfängers aus
dessen zivilrechtlichem Vertrag mit dem Leistungserbringer (hier: Schulvertrag über die Betreuung
eines behinderten Kindes) erfolgt in der Regel durch einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt
mit Drittwirkung (zugunsten des Leistungserbringers). Dadurch wird zwischen dem
Sozialhilfeträger und dem Leistungserbringer eine zivilrechtliche Rechtsbeziehung begründet.

b) Der Sozialhilfeträger ist an den im Bewilligungsbescheid im Grundverhältnis gegenüber dem
Hilfeempfänger erklärten Schuldbeitritt grundsätzlich gebunden. Diese Bindungswirkung besteht
, solange und soweit der der Bewilligung zugrunde liegende (begünstigende) Verwaltungsakt
nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf
andere Weise erledigt ist (§ 39 Abs. 2, §§ 44 ff SGB X).

c) Werden der Bewilligungsbescheid und der darin erklärte Schuldbeitritt nach Maßgabe der §§ 44
ff SGB X aufgehoben, entfällt im Verhältnis zum Leistungserbringer der Rechtsgrund für Zahlungen
des Sozialhilfeträgers. Wird der Bewilligungsbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit
zurückgenommen (§ 45 Abs. 2, 4 SGB X), sind bereits geleistete Zahlungen nach § 812 Abs. 1
Satz 2 Alt. 1 BGB auszugleichen (Bestätigung und Fortführung des Senatsurteils vom 7. Mai
2015 - III ZR 304/14, BGHZ 205, 260).
BGH, Urteil vom 31. März 2016 - III ZR 267/15 - OLG Oldenburg
LG Osnabrück
ECLI:DE:BGH:2016:310316UIIIZR267.15.0

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 31. März 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann und die Richter Wöstmann, Seiters, Dr. Remmert und Reiter

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 16. Juli 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger ist als Kommunalverband ein überörtlicher Sozialhilfeträger. Er nimmt den Beklagten, der Träger einer Förderschule ist, auf Erstattung von Kosten in Anspruch, die im Zusammenhang mit der teilstationären Betreuung des mehrfach behinderten Kindes J. -P. P. entstanden sind (Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach §§ 53 ff SGB XII).
2
Nachdem das am 21. Februar 2002 geborene Kind (im Folgenden auch: Hilfeempfänger) zunächst den heilpädagogischen Sonderkindergarten des Beklagten besucht und der Kläger insoweit die Kosten übernommen hatte, sollte es nach dem Willen seiner Eltern mit Beginn der Schulpflicht in der angrenzenden , ebenfalls vom Beklagten getragenen S. -R. -Schule teilstationär betreut werden. Den entsprechenden Antrag auf Kostenübernahme vom 3. Juni 2008 lehnte der Kläger mit Bescheid vom 18. Juli 2008 ab, da die MichaelisSchule in G. die für den Förderbedarf des Kindes zuständige Einrichtung sei und durch Aufnahme in die S. -R. -Schule unverhältnismäßige Mehrkosten im Rahmen der Sozialhilfe entstehen würden. Gleichwohl erklärte sich der Kläger bereit, dem Kind den Besuch der S. -R. -Schule bis Ende 2008 zu ermöglichen. Für die Zeit danach lehnte er die weitere Betreuung des Kindes ohne gleichzeitige Klärung der Kostenfrage ab.
3
Auf Antrag des Kindes verpflichtete das Sozialgericht den Kläger mit Beschluss vom 24. November 2008 im Wege einstweiliger Anordnung, ab dem 1. Januar 2009 vorläufig die Kosten des Besuchs der S. -R. -Schule als Leistung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu übernehmen. Daraufhin bewilligte der Kläger mit Bescheid vom 7. Mai 2009 Sozialhilfe für das Kind und übernahm vorläufig "entsprechend dem Beschluss des Sozialgerichts" für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Mai 2009 die Kosten der teilstationären Betreuung. Darüber hinaus wurden die Kosten "vorläufig für jeweils einen weiteren Monat bis zur weiteren Klärung" übernommen. Gleichzeitig wies der Kläger darauf hin, "dass die Übernahme ab dem 01.01.2009 ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Rückforderung, vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 945 ZPO, steht", die Kosten der Betreuung direkt an die Einrichtung bezahlt würden und diese darüber informiert werde. Dementsprechend unterrichtete der Kläger den Beklagten am selben Tag über den Inhalt des Bewilligungsbescheids.
4
Auf die Beschwerde des Klägers hob das Landessozialgericht durch Beschluss vom 17. Mai 2010 die einstweilige Anordnung des Sozialgerichts auf und wies den Antrag des Kindes auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unanfechtbar zurück. Der Kläger teilte dem Beklagten die Entscheidung des Landessozialgerichts mit und beendete die vorläufige Kostenzusage zum 31. Mai 2010.
5
Durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 18. Mai 2011 wies das Sozialgericht im Hauptsacheverfahren die Klage des Kindes auf Übernahme der Kosten für den Besuch der S. -R. -Schule ab. In der Folgezeit nahm der Kläger unter dem 16. Mai 2012 den Bescheid zur vorläufigen Kostenübernahme vom 7. Mai 2009 zurück und ordnete gegenüber dem Kind die Erstattung der Kosten für den Besuch der S. -R. -Schule in der Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Mai 2010 in Höhe von 35.009,92 € an. Mit Bescheid vom 18. Mai 2012 forderte er den Beklagten unter Berufung auf die Rechtsbeziehungen im so genannten "sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis" ebenfalls zur Rückzahlung der für den Schulbesuch aufgewendeten Kosten "nach allgemeinen Grundsätzen des Bereicherungsrechts" auf, da der Kläger rechtsgrundlos geleistet habe. Am 1. Januar 2013 begannen die Eltern des Kindes mit der Rückerstattung der gewährten Sozialhilfeleistungen (monatliche Raten von je- weils 250 €) an den Kläger.
6
Das Landgericht hat die auf Rückzahlung der an den Beklagten geleisteten 35.009,92 € gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt er seinen Rückerstattungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe


7
Die zulässige Revision des Klägers hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


8
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
9
Der Kläger habe gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Rück- zahlung der geleisteten Sozialhilfe in Höhe von 35.009,92 €. Dieser Anspruch finde auch im Bereicherungsrecht keine rechtliche Grundlage. Der in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entwickelte Grundsatz eines sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses zwischen Hilfeempfänger, Sozialleistungsträger und Leistungserbringer führe zu keiner abweichenden Beurteilung. Danach seien grundlegend zu unterscheiden das privatrechtliche Verhältnis zwischen dem Kind - gesetzlich vertreten durch seine Eltern - als Hilfeempfänger und dem Beklagten als Leistungserbringer sowie das öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis (Grundverhältnis) zwischen dem Kind als Hilfeempfänger und dem Kläger als Sozialhilfeträger. Untrennbarer Bestandteil der Sachleistungsver- pflichtung des Sozialhilfeträgers sei die "Übernahme" der dem Leistungserbringer (Einrichtungen beziehungsweise Dienste im Sinne des § 75 Abs. 1 SGB XII) zustehenden Vergütung. Damit sei eine kumulative Schuldübernahme durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung gemeint. Der Schuldbeitritt habe dann einen unmittelbaren Zahlungsanspruch des Leistungserbringers gegen den Sozialhilfeträger und einen Anspruch des Hilfeempfängers gegen den Sozialhilfeträger auf Zahlung an den Leistungserbringer zur Folge. Auf diese Weise trete der Sozialhilfeträger als Gesamtschuldner in Höhe der bewilligten Leistungen an die Seite des Sozialhilfeempfängers.
10
Der Sozialhilfeträger könne zwar für die Dauer des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses wegen einer "schlichten Zuvielzahlung" mit der von ihm gegenüber dem Leistungserbringer geschuldeten zivilrechtlichen Zahlungsverpflichtung aufrechnen. Denn dabei bewege er sich in demselben rechtlichen Rahmen, wie er auch für den Hilfeempfänger als Vertragspartner des Leistungserbringers gelte. Diesen Rahmen verlasse der Sozialhilfeträger jedoch, soweit er Änderungen des Leistungsanspruchs auf Grund des öffentlichrechtlichen Grundverhältnisses geltend mache. Dann habe eine Rückabwicklung ausschließlich im Grundverhältnis nach §§ 45, 48 SGB X zu erfolgen. Weitergehende Rechte auf Rückzahlung stünden dem Sozialhilfeträger nach Beendigung des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses nicht zu. Da der Leistungserbringer nicht gleichzeitig dem öffentlich-rechtlich ausgestalteten Grundverhältnis zwischen dem Hilfeempfänger und dem Sozialleistungsträger beitrete , könne er für überzahlte Sozialhilfe nicht unter dem Gesichtspunkt des öffentlich -rechtlichen Erstattungsanspruchs oder des privatrechtlichen Bereicherungsrechts in Anspruch genommen werden.
11
Für dieses Ergebnis spreche auch eine Gesamtbetrachtung des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses in all seinen Auswirkungen. Könnte sich der Sozialhilfeträger im Falle einer Änderung des Leistungsanspruchs im Grundverhältnis beim Leistungserbringer nach Bereicherungsrecht schadlos halten, würden die sonst vom Sozialhilfeträger im Fall einer Rückforderung gegenüber dem Sozialhilfeempfänger zu beachtenden Regeln über die Rücknahme beziehungsweise den Widerruf von begünstigenden Verwaltungsakten nach §§ 44 ff SGB X unterlaufen (insbesondere § 45 Abs. 2, 4 SGB X). Es komme hinzu, dass die Bejahung eines Rückforderungsanspruchs des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Leistungserbringer in den Fällen einer Überzahlung der Eingliederungshilfe im Grundverhältnis stets dazu führen würde, dass der Leistungserbringer ohne Planungssicherheit im Rahmen einer Kalkulation der dienstvertraglichen Entgelte Vereinbarungen (nach § 75 Abs. 3 SGB XII) mit dem Sozialleistungsträger schließen müsste, ohne zu wissen, ob er das vereinbarte Entgelt trotz erbrachter Leistung später wieder zurückzahlen müsse. Soweit das Grundverhältnis zwischen dem Hilfeempfänger und dem Sozialhilfeträger - wie vorliegend - durch eine einstweilige Anordnung des Sozialgerichts inhaltlich bestimmt werde, stehe dem Leistungserbringer die Entscheidung zur Aufnahme des Hilfeempfängers in seiner Einrichtung nicht frei.

II.


12
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
13
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB zu. Er kann nach Rücknahme des Bewilligungsbe- scheids vom 7. Mai 2009 mit Wirkung für die Vergangenheit die in dem Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Mai 2010 rechtsgrundlos geleisteten Zahlungen zurückverlangen. Dabei sind jedoch vom Hilfeempfänger bereits erstattete Beträge gemäß § 422 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 362 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen , da dieser neben dem Beklagten als Gesamtschuldner haftet.
14
1. Die Rechtsbeziehung zwischen dem Kläger als Sozialhilfeträger und dem Beklagten als Leistungserbringer im Rahmen des Schulverhältnisses ist zivilrechtlich zu beurteilen. Ohne Rechtsgrund erbrachte Zahlungen des Sozialhilfeträgers sind nach Maßgabe der §§ 812 ff BGB auszugleichen.
15
a) Das Leistungserbringungsrecht der Sozialhilfe ist im Bereich der sozialen Dienste und Einrichtungen (§ 75 Abs. 1 SGB XII) durch das so genannte sozialhilferechtliche Dreiecksverhältnis geprägt, das die wechselseitigen und unterschiedlichen Rechtsbeziehungen zwischen dem Träger der Sozialhilfe, dem Leistungsberechtigten (Hilfeempfänger) und dem Leistungserbringer (Dienst, Einrichtung) beschreibt (grundlegend BSGE 102, 1 Rn. 15 ff). Die Besonderheit und zugleich Schwierigkeit bei der Beurteilung von Ansprüchen der im sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis verbundenen Beteiligten besteht darin, dass die im Leistungsdreieck zusammengefassten Beziehungen unterschiedlicher Rechtsnatur sind.
16
aa) Zwischen dem bedürftigen Hilfeempfänger und dem Sozialhilfeträger besteht ein öffentlich-rechtliches Leistungsverhältnis (Grundverhältnis), das sich nach den Vorschriften des SGB XII beurteilt (hier: Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach §§ 53 ff SGB XII). Die Entscheidung über die Gewährung von Sozialhilfeleistungen ergeht durch Verwaltungsakt. Das Grundverhältnis ist Fundament und rechtlicher Maßstab für die übrigen Rechtsbeziehungen des sozialhilferechtlichen Dreiecks. Diese dienen der Erfüllung der Ansprüche im Grundverhältnis. Das Grundverhältnis an sich und die dieses Verhältnis prägenden Vorschriften sind daher bei der Auslegung der übrigen Vertragsbeziehungen zu berücksichtigen (Ausstrahlungswirkung des Grundverhältnisses). Im Rahmen des Grundverhältnisses stehen dem Sozialhilfeempfänger keine Primäransprüche auf Zahlung entstehender oder entstandener Kosten an sich selbst zu; er kann vom Sozialhilfeträger ausschließlich die Übernahme dieser Kosten in Form der Zahlung an den Leistungserbringer verlangen (Anspruch auf Sachleistungsverschaffung; Senatsurteil vom 7. Mai 2015 - III ZR 304/14, BGHZ 205, 260 Rn. 21; Jaritz/Eicher, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl., § 75 SGB XII Rn. 32, 38; Eicher, SGb 2013, 127, 128). Das gesetzliche Regelungskonzept geht somit davon aus, dass der Sozialhilfeträger die ihm (im Rahmen seiner Sachleistungsverschaffungspflicht/Gewährleistungsverantwortung) obliegende Leistung nicht als Geldleistung an den jeweiligen Hilfeempfänger erbringt, um diesem die Zahlung des vertraglichen Entgelts aus dem Vertrag über die Erbringung von Pflegeleistungen zu ermöglichen, sondern dass die Zahlung direkt an den Dienst erfolgt, der die Pflege leistet (BSG, NVwZ-RR 2015, 501 Rn. 14; vgl. auch BSGE aaO Rn. 19 f).
17
bb) Der Kostenübernahmeanspruch des Leistungsempfängers gegenüber dem Sozialhilfeträger setzt voraus, dass zwischen Ersterem und dem Leistungserbringer ein zivilrechtlicher Vertrag geschlossen wird, auf Grund dessen ein Anspruch auf Erbringung von Betreuungs-, Hilfe- und Förderleistungen sowie gegebenenfalls Unterkunft und Verpflegung besteht (privatrechtliches Erfüllungsverhältnis als zivilrechtliche Seite des sozialhilferechtlichen Dreiecks; hier: Schulvertrag mit dem Beklagten als Träger der S. -R. -Schule). Im Gegenzug ist der bedürftige Hilfeempfänger zur Zahlung des vertraglich vereinbarten Entgelts verpflichtet. Die gegenüber dem Leistungserbringer bestehende Zahlungsverpflichtung des Hilfeempfängers ist der Bedarf, den der Sozialhilfeträger im Grundverhältnis - durch Vergütungsübernahme - decken muss (Senatsurteil vom 7. Mai 2015 aaO Rn. 22; Jaritz/Eicher aaO Rn. 34; Eicher aaO).
18
cc) Die Rechtsbeziehungen zwischen den Leistungserbringern undden Sozialhilfeträgern werden in ihrem Rahmen durch die öffentlich-rechtlich zu qualifizierenden Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII (öffentlichrechtliches Sachleistungsverschaffungsverhältnis; Senatsurteil vom 7. Mai 2015 aaO Rn. 23; Jaritz/Eicher aaO Rn. 36; Eicher aaO) bestimmt. Da der Sozialhilfeträger die Leistungen grundsätzlich nicht selbst erbringt, hat er durch Verträge mit den Leistungserbringern eine Sachleistung durch diese sicherzustellen. Dadurch wird den Hilfeempfängern die Sozialleistung verschafft (Senat aaO; BSGE 102, 1 Rn. 17). Zugleich modifizieren die Vereinbarungen das Grundverhältnis und beeinflussen ("überlagern") das Erfüllungsverhältnis (Senatsurteil vom 7. Mai 2015 aaO Rn. 23, 26; Jaritz/Eicher aaO Rn. 36, 40). Das zwischen Sozialhilfeträger und Leistungserbringer bestehende Sachleistungsverschaffungsverhältnis verbindet somit das öffentlich-rechtliche Grundverhältnis und das privatrechtliche Erfüllungsverhältnis zu einer dreiseitigen Rechtsbeziehung.
19
b) Nach dem Gesetzeskonzept ist die "Übernahme" der dem Leistungserbringer zustehenden Vergütung (vgl. § 75 Abs. 3 SGB XII) untrennbarer ergänzender Bestandteil der Sachleistungsverschaffungspflicht des Trägers der Sozialhilfe.
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aa) Rechtlich geschieht dies - bei unverändert fortbestehender Verpflichtung des Hilfeempfängers aus dem im Erfüllungsverhältnis geschlossenen privatrechtlichen Vertrag - in Form eines Schuldbeitritts des Sozialhilfeträgers (kumulative Schuldübernahme). Der Sozialhilfeträger tritt der Zahlungsverpflich- tung des bedürftigen Hilfeempfängers aus dessen zivilrechtlichem Vertrag mit dem Leistungserbringer und somit einer privatrechtlichen Schuld gegenüber dem Leistungserbringer bei. Dabei wird der Schuldbeitritt in dem im öffentlichrechtlichen Grundverhältnis ergehenden Bewilligungsbescheid über die Sozialhilfeleistung erklärt. Dementsprechend handelt es sich bei dem Bewilligungsbescheid um einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung (zugunsten des Leistungserbringers ) nach § 31 SGB X (Senatsurteil vom 7. Mai 2015 aaO Rn. 24; s. auch BSGE 102, 1 Rn. 22 ff; BSG, BeckRS 2014, 68095 Rn. 7 und NVwZ 2015, 501 Rn. 14; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18. Februar 2011 - L 1 SO 33/09, BeckRS 2011, 69866 = juris Rn. 26; Bayerisches LSG, Beschluss vom 26. November 2012 - L 18 SO 173/12 B, BeckRS 2013, 68424 = juris Rn. 15 ff; Jaritz/Eicher aaO Rn. 42, 46).
21
bb) Der Schuldbeitritt hat sowohl einen unmittelbaren Zahlungsanspruch des Leistungserbringers gegen den Sozialhilfeträger als auch einen Anspruch des Hilfeempfängers gegen den Sozialhilfeträger auf Zahlung an den Leistungserbringer zur Folge. Der Sozialhilfeträger tritt auf diese Weise als Gesamtschuldner im Sinne der §§ 421 ff BGB in Höhe der bewilligten Leistung, wie sie in dem gegenüber dem Hilfsbedürftigen ergehenden Kostenübernahmebescheid ausgewiesen ist, an die Seite des Sozialhilfeempfängers (Senatsurteil vom 7. Mai 2015 aaO). Dadurch, dass der Sozialhilfeträger mit dem Kostenübernahmebescheid der Schuld des Hilfeempfängers beitritt und der Leistungserbringer auf Grund dieses Schuldbeitritts direkt einen Zahlungsanspruch gegen den Sozialhilfeträger hat, wandelt sich die zivilrechtliche Schuld aus dem im Erfüllungsverhältnis zwischen dem Hilfeempfänger und dem Leistungserbringer geschlossenen (Dienst-)Vertrag nicht in eine öffentlich-rechtliche um. Denn ein Schuldbeitritt teilt seinem Wesen nach die Rechtsnatur der Forderung des Gläubigers, zu der er erklärt wird (Senatsurteile vom 6. November 2008 - III ZR 279/07, BGHZ 178, 243 Rn. 14 und vom 7. Mai 2015 aaO; BGH, Urteil vom 16. Oktober 2007 - XI ZR 132/06, BGHZ 174, 39 Rn. 23; Senatsbeschlüsse vom 17. September 2008 - III ZB 19/08, WM 2008, 2153 Rn. 15 und III ZB 50/08, BeckRS 2008, 21300 Rn. 16).
22
cc) Da der Sozialhilfeträger somit durch den Schuldbeitritt Gesamtschuldner einer zivilrechtlichen Forderung wird, ist die Entscheidung des Sozialhilfeträgers im Grundverhältnis über die Schuldmitübernahme (Bewilligungsbescheid ) als privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt mit Drittwirkung zu qualifizieren (vgl. Jaritz/Eicher aaO Rn. 46 mwN), der zwischen dem Sozialhilfeträger und dem Leistungserbringer eine zivilrechtliche Rechtsbeziehung entstehen lässt, so dass die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten. Der Schuldbeitritt des Sozialhilfeträgers begründet - wie Garantie oder Bürgschaft - eine eigene Schuld und stellt diese neben die des Schuldners. Zahlt der Beitretende an den Gläubiger, leistet er in der Regel auf diese Verpflichtung. Besteht sie nicht, hat er einen Anspruch aus Leistungskondiktion gegen den Gläubiger (vgl. Palandt/Sprau, BGB 75. Aufl., § 812 Rn. 83 zur Konstellation bei der Bürgschaft ). Die Schuld des Beitretenden ist nicht akzessorisch zur Haupt-/Urschuld. Nach Inhalt und Umfang bemisst sie sich lediglich in der Sekunde ihrer Begründung (hier: durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung) nach der Haupt-/Urschuld. Ab diesem Zeitpunkt liegen Einzelverpflichtungen vor, die nach allgemeinen Gesamtschuldgrundsätzen eine selbständige und durchaus unterschiedliche Entwicklung nehmen können, wenn nicht ein Fall der Wirkungserstreckung nach §§ 424 ff BGB vorliegt (MüKoBGB/Bydlinski, 7. Aufl., Vor § 414 Rn. 17; Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., Überblick vor § 414 Rn. 7; Staudinger/ Rieble, BGB, Neubearbeitung 2012, § 414 Rn. 25).
23
c) Aus den zu dem sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis entwickelten Grundsätzen folgt für den vorliegenden Fall, dass der Kläger durch den Leistungsbescheid vom 7. Mai 2009 in dem dort ausgewiesenen Umfang der Zahlungsverpflichtung des hilfebedürftigen Kindes aus dem mit dem Beklagten abgeschlossenen Schulvertrag beigetreten ist. Auf Grund dieses Beitritts ist der Beklagte als Leistungserbringer Gläubiger eines den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts unterliegenden Zahlungsanspruchs gegen den Kläger als Gesamtschuldner geworden. Soweit das Berufungsgericht meint, der Bewilligungsbescheid vollziehe nur die einstweilige Anordnung vom 24. November 2008 und weise keinen eigenständigen Regelungscharakter im Sinne des § 31 SGB X auf, werden sowohl die privatrechtsgestaltende Drittwirkung des Bescheids als auch der Umstand außer Acht gelassen, dass die zu erbringenden Sozialhilfeleistungen durch den Bescheid näher konkretisiert wurden (vgl. Luthe in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 31 Rn. 53).
24
2. Durch die rückwirkende Aufhebung der Sozialhilfebewilligung mit Bescheid des Klägers vom 16. Mai 2012 ist der Rechtsgrund für die in dem Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Mai 2010 an den Beklagten geleisteten Zahlungen nachträglich weggefallen (§ 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB).
25
a) Der Sozialhilfeträger ist an den im Bewilligungsbescheid im Grundverhältnis erklärten Schuldbeitritt grundsätzlich gebunden. Diese Bindungswirkung besteht entgegen der der Auffassung des Berufungsgerichts zugrunde liegenden Annahme, solange und soweit der der Bewilligung zugrunde liegende (begünstigende ) Verwaltungsakt nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§ 39 Abs. 2, §§ 44 ff SGB X). Die Wirksamkeit des Schuldbeitritts hängt somit vom Schicksal des Bewilligungsbescheids ab. Um von seiner zivilrechtlichen Ver- pflichtung gegenüber dem Leistungserbringer frei zu werden, muss der Sozialhilfeträger den Bewilligungsbescheid insgesamt, das heißt auch den darin enthaltenen Schuldbeitritt, nach §§ 44 ff SGB XII aufheben (Jaritz/Eicher aaO Rn. 49). Insoweit strahlt das öffentlich-rechtliche Grundverhältnis auf das privatrechtliche Erfüllungsverhältnis aus, da der Schuldbeitritt aufgrund der privatrechtsgestaltenden Wirkung des Bewilligungsbescheids erfolgte. Ohne eine Entscheidung im Grundverhältnis nach §§ 44 ff SGB X bleibt der Schuldbeitritt grundsätzlich bindend. Soweit der Bewilligungsbescheid nicht widerrufen oder zurückgenommen ist, können Zahlungen des Sozialhilfeträgers an den Leistungserbringer deshalb nicht nach Bereicherungsrecht mit der Begründung zurückgefordert werden, die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung seien nicht erfüllt. Werden hingegen der Bewilligungsbescheid und der darin erklärte Schuldbeitritt nach Maßgabe der §§ 44 ff SGB X aufgehoben, entfällt im Verhältnis zum Leistungserbringer der Rechtsgrund für die Zahlungen des Sozialhilfeträgers. Wird der Bewilligungsbescheid - ausnahmsweise - mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (§ 45 Abs. 2, 4 Satz 1 SGB X), sind bereits geleistete Zahlungen nach § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB auszugleichen.
26
b) Im vorliegenden Fall hat der Kläger die Sozialhilfebewilligung nebst Schuldbeitritt mit gegenüber dem Hilfeempfänger und dem Beklagten bestandskräftigem Bescheid vom 16.Mai 2012 (in Verbindung mit dem Bescheid an den Beklagten vom 18. Mai 2012) gemäß 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3, Abs. 4 Satz 1 SGB X zurückgenommen. Dies erfolgte mit Wirkung für die Vergangenheit , wie sich insbesondere daraus ergibt, dass sowohl der Hilfeempfänger als auch der Beklagte auf Erstattung der seit dem 1. Januar 2009 geleisteten Zahlungen in Anspruch genommen wurden.
27
3. Auf einen Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) kann der Beklagte sich nicht berufen (§ 820 Abs. 1 Satz 2 BGB). Er durfte nicht darauf vertrauen , dass die im vorläufigen Rechtsschutz erstinstanzlich ergangene Entscheidung , auf der der Bewilligungsbescheid beruhte, im Rechtsmittelverfahren und später im Hauptsacheverfahren bestätigt wird. Der Bescheid ist zudem unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Rückforderung ergangen (vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 1991 - 7 RAr 60/89, juris Rn. 29 f; KassKomm/Steinwedel, SGB X, 88. EL Dezember 2015, § 50 Rn. 39; Keller in Meyer-Ladewig/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 86b Rn. 22, 49). Es kommt hinzu, dass der Beklagte den Schulvertrag in Kenntnis der ungesicherten Finanzierung und vor Erlass der einstweiligen Anordnung vom 24. November 2008 abgeschlossen hat, also bewusst auf Planungssicherheit verzichtete.
28
4. Das Berufungsgericht hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - die Frage, ob der Leistungserbringer und der Hilfeempfänger als Gesamtschuldner nach § 421 BGB haften, offen gelassen. Dies ist zu bejahen. Der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen den Beklagten und der öffentlich -rechtliche Erstattungsanspruch aus § 50 Abs. 1 beziehungsweise § 50 Abs. 2 i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3, Abs. 4 SGB X gegen den Hilfeempfänger stehen gleichstufig nebeneinander. Denn nach den Grundsätzen des sozialhilferechtlichen Dreiecks hat der Kläger seine gegenüber dem Hilfeempfänger bestehende Sachleistungsverschaffungspflicht dadurch erfüllt, dass er das aus dem Schulvertrag geschuldete Entgelt an den Beklagten gezahlt hat. Der Hilfeempfänger hat wiederum eine diesen Zahlungen entsprechende Sachleistung erhalten, ohne das hierfür vereinbarte Entgelt entrichten zu müssen. Die Gleichstufigkeit der Rückerstattungsverpflichtungen ergibt sich daraus, dass der Beklagte und der Hilfeempfänger in gleichem Umfang bereichert und beide zur Rückzahlung verpflichtet sind, ohne dass einer der Schuldner nur subsidiär o- der vorläufig für die andere Verbindung einstehen muss. Insoweit wird ein inhaltsgleiches Gläubigerinteresse befriedigt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Dezember 2011 - VII ZR 7/11, NJW 2012, 1071 Rn. 18; Palandt/Grüneberg aaO § 421 Rn. 7 mwN). Unerheblich ist, dass der Beklagte zivilrechtlich haftet, während sich die Haftung des Hilfeempfängers nach öffentlichem Recht richtet (vgl. Palandt /Grüneberg aaO Rn. 10).
29
Die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner wirkt gemäß § 422 Abs. 1 Satz 1 BGB auch für den anderen Gesamtschuldner. Die von den Eltern des Hilfeempfängers seit dem 1. Januar 2013 erstatteten Beträge kommen deshalb auch dem Beklagten zugute (§ 362 Abs. 1 BGB). Zur konkreten Höhe dieser Zahlungen fehlen bislang nähere Feststellungen.

III.


30
Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Das Oberlandesgericht hat nunmehr insbesondere die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zur Höhe der bislang geleisteten Rückzahlungen nachzuholen und auf dieser Grundlage zu beurteilen, in welcher Höhe ein Rückzahlungsanspruch gegen den Beklagten noch besteht.
Herrmann Wöstmann Seiters
Remmert Reiter
Vorinstanzen:
LG Osnabrück, Entscheidung vom 04.03.2015 - 10 O 1371/14 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 16.07.2015 - 14 U 22/15 -

(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.

(2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten. §§ 45 und 48 gelten entsprechend.

(2a) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes, auf Grund dessen Leistungen zur Förderung von Einrichtungen oder ähnliche Leistungen erbracht worden sind, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Satz 1 verlangt werden; Entsprechendes gilt, soweit eine Leistung in Anspruch genommen wird, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen sind; § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

(3) Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.

(4) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. § 52 bleibt unberührt.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten bei Berichtigungen nach § 38 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil sind jederzeit vom Gericht zu berichtigen.

(2) Über die Berichtigung kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung entschieden werden. Der Berichtigungsbeschluß wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Ist das Urteil elektronisch abgefasst, ist auch der Beschluss elektronisch abzufassen und mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.