Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 18. Jan. 2018 - 1 A 11459/17

ECLI:ECLI:DE:OVGRLP:2018:0205.1A11459.17.00
bei uns veröffentlicht am18.01.2018

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt der Kläger.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zum Umbau und zur Änderung der Nutzung eines ehemaligen Einkaufsmarktes.

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Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung K..., Flur ..., Parzelle Nr. .... Das Grundstück ist rechteckig geschnitten, ca. 11 m breit und etwa 45 m lang und stößt mit der schmalen Seite an den S... Weg. Dort steht ein mehrgeschossiges Wohn- und Geschäftsgebäude (S... Weg ...). Vom S... Weg aus gesehen dahinter steht an der nordwestlichen Grundstücksgrenze das Gebäude S... Weg ... Es wurde nach der Baugenehmigung vom 5. September 1988 von einer Schreinerei zu einem Wohnhaus umgebaut. Es weist im vorderen Teil vier und im hinteren drei Stockwerke auf; letzterer weicht leicht zurück. In den Bauplänen findet sich eine von der Geländeoberfläche zur Unterkante des Erdgeschosses führende Treppe samt Balkon. Das Kellergeschoss verfügt über ebenerdige Zugänge und eine Garagenzufahrt. An der Grundstücksgrenze zu den Grundstücken der Beigeladenen ist ein Carport errichtet, sein Dach wird als Terrasse genutzt. Der Carport beginnt an der südwestlichen Gebäudeecke und endet oberhalb der Zufahrt zum Kellergeschoss.

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Südöstlich des klägerischen Grundstücks schließen sich die Parzellen Flur ... Nrn. .../..., .../... und .../... an. An diese grenzen im Südosten die Parzellen Nrn. ... und .../... Auf diesen Grundstücken war Ende der 90er Jahre der Neubau eines Lebensmittelmarktes mit Büro- und Wohngeschoss genehmigt worden. Errichtet wurden ein mehrstöckiges Gebäude entlang der Steinstraße mit gemischter Nutzung sowie eine eingeschossige Verkaufshalle eines Lebensmittelmarktes im dahinterliegenden Bereich.

4

Die Grundstücke des Klägers und der Beigeladenen liegen im Bereich des Bebauungsplans der Stadt K... „A... Straße – R... H... Straße – E... Gasse – S... Weg“ (Teilgebiet VI.). Der Plan sieht ein Mischgebiet und entlang der namengebenden Straßen eine zwei- bis dreigeschossige, ansonsten eine eingeschossige Bauweise vor. Im Bereich des Lebensmittelmarkts sind die Grundflächenzahl auf 0,7 und die Geschossflächenzahl auf 1,4 festgesetzt. Nach Nr. 5.5 der Begründung des Bebauungsplans ist es ein Ziel der Planung, die Blockrandbebauung zu schließen. Die planerische Begründung zu Art und Maß der baulichen Nutzung (Nr. 10) verhält sich nicht zum Schutz individueller Rechte. Die folgende Nr. 11 beschäftigt sich in Abs. 3 mit der Entkernung von Innenhöfen; Hinweise zum Schutz von Individualrechten finden sich hier ebenfalls nicht.

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Am 16. September 2014 beantragte die Beigeladene eine Baugenehmigung für das Vorhaben „Teilaufstockung/Umbau und Nutzungsänderung ehem. Einkaufsmarkt und Arztpraxen im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss zu Läden, Büro und Fitnessstudio“. Geplant war unter anderem die Errichtung einer Fitnesshalle samt Besprechungsraum auf dem Flachdach der ehemaligen Verkaufshalle. Die Aufstockung hat in Richtung des Grundstücks des Klägers eine Länge von etwa 21,50 m, davon entfallen ca. 17,5 m auf die Halle und 4 m auf den Besprechungsraum. Die Aufstockung hält vom Rand des darunterliegenden Geschosses im Bereich der Fitnesshalle einen Abstand von 73,5 cm und im Bereich des Besprechungsraums einen von 29,5 cm ein. Der Abstand des Bestandsbaus zum Grundstück des Klägers beträgt nach einer Vermessung zwischen 2,91 m und 2,99 m. In nordöstlicher Richtung bleibt die Aufstockung 5 m hinter dem Erdgeschoss zurück. Dort ist keine Nutzung vorgesehen. Die Fitnesshalle ist 3,50 m bis 4,40 m und der Besprechungsraum 3 m hoch.

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Mit den Bauunterlagen wurden Nachweise zur Geschosszahl und Berechnungen zur Grundflächen-, Geschossflächen- und Baumassenzahl vorgelegt. Ferner reichten die Architekten der Beigeladenen mit dem Bauantrag eine Abstandsflächenberechnung ein, nach der das Vorhaben im Bereich der Fitnesshalle einen Abstand von 3,50 m zum Grundstück des Klägers einhält.

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Im weiteren Verwaltungsverfahren beanstandete der Kläger die Nichteinhaltung der Festsetzungen im Bebauungsplan zum Maß der baulichen Nutzung. Diese würden nur durch eine künstliche Vereinigung der Grundstücke eingehalten. Das Vorhaben sei ihm gegenüber rücksichtslos, da der erforderliche Abstand nicht eingehalten werde. Dies ergebe sich daraus, dass die alte Verkaufshalle nicht – wie genehmigt – 4 m, sondern bis zu 4,60 m hoch sei. Des Weiteren werde sein Grundstück unzumutbar verschattet, weil der geplante Baukörper nicht erheblich unter einer mit 45° ansteigenden Ebene zurückbleibe, die in Bodenhöhe anzusetzen sei.

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Die Beigeladene legte daraufhin über ihren Architekten unter dem 8. Januar 2015 eine Neuberechnung zur Baumassenzahl und eine neue Abstandsflächenberechnung vor, in der der Abstand des geplanten Gebäudes zum Grundstück des Klägers im Bereich der Fitnesshalle mit 3,60 m angegeben ist. Ferner wies die Beigeladene darauf hin, bei der Belichtung sei der 45°-Winkel an der Unterkante der Fenster anzulegen. Im Übrigen seien die Flächen ihrer Grundstücke, auf denen das Vorhaben errichtet werden solle, bereits bei der alten Baugenehmigung vereinigt worden.

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Am 20. Januar 2015 erteilte der Beklagte die beantragte Baugenehmigung mit dem Hinweis, sie werde nach Eintragung einer Baulast zur Vereinigung der Grundstücke Gemarkung K..., Flur ... Nrn. .../..., .../..., ..., .../... entsprechend den mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauunterlagen erteilt. Während die von der Beigeladene mit dem Bauantrag vom 16. September 2014 vorgelegte Abstandsflächenberechnung einen solchen Genehmigungsvermerk enthielt (vgl. Bl. 70 der Verwaltungsakten), wies die von der Beigeladenen überarbeitete Abstandsflächenberechnung vom 8. Januar 2015 einen solchen Vermerk nicht auf (vgl. Bl. 158 der Verwaltungsakte). Unter Ziffer 14 der Nebenbestimmungen setzte der Beklagte fest, dass die Immissionsrichtwerte der TA Lärm für Mischgebiete von tags 60 dB(A) und nachts 45 dB(A) zu beachten seien.

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Am 20. Januar 2015 legte der Kläger unter Bezugnahme auf sein Vorbringen aus dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren Widerspruch gegen die Baugenehmigung ein. Ergänzend trug er vor, der Beklagte gehe von einem falschen Sachverhalt aus, denn das Bestandsbauwerk sei höher und sein Grenzabstand geringer als angenommen. Sein Einwand zur Verschattung sei nicht entkräftet, weil der von Bebauung freizuhaltende Winkel vom Boden aus zu messen sei. Schließlich wirke das Vorhaben der Beigeladenen auf Grund seiner optischen Präsenz erdrückend und verstoße deshalb gegen das Gebot der Rücksichtnahme.

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Am 17. Juli 2015 hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben, nachdem über seinen Widerspruch bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht entschieden war. Zur Begründung wiederholte er seine Einwände aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren und trug weiter vor, bei der Aufstockung der Fitnesshalle handele es sich um ein Vollgeschoss, das gegen eine drittschützende Regel im Bebauungsplan verstoße. Die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung ergebe sich auch daraus, dass die Beigeladene bei der inzwischen erfolgten Durchführung des Vorhabens auf die Herstellung der gegenüber seinem Grundstück geplanten Fenster verzichtet habe.

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Der Kläger hat beantragt,

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die Baugenehmigung des Beklagten vom 20. Januar 2015 aufzuheben.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er hat vorgetragen, es sei auf die Baugenehmigung als solche abzustellen. Auf die von der Genehmigung abweichend nicht ausgeführten Fenster komme es deshalb nicht an. Im Übrigen halte das Vorhaben, wie sich aus der überarbeiteten, unter dem 8. Januar 2015 vorgelegten Berechnung ergebe, die gesetzlichen Vorgaben zu den Abstandsflächen und zum Maß der baulichen Nutzung ein. Die letztgenannten Bestimmungen dienten zudem nicht dem Nachbarschutz.

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Die Beigeladene hat beantragt,

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die Klage abzuweisen

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und vorgetragen, auf die sich aus der genehmigten Planung ergebenden Fenster an der Außenwand gegenüber dem Grundstück des Klägers sei aus Rücksicht auf dessen Interessen verzichtet worden. Die Fenster könnten aber auch nachträglich eingebaut werden.

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Mit Urteil vom 6. Oktober 2016 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei, nachdem über den Widerspruch des Klägers bis dato nicht entschieden worden sei, als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig, führe in der Sache aber nicht zum Erfolg, weil die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung den Kläger nicht in eigenen Rechten verletze. Das von der Beklagten genehmigte Bauvorhaben, auf das allein abzustellen sei, verstoße weder gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts noch gegen solche des Bauplanungsrechts. Das Vorhaben der Beigeladenen halte insbesondere die nach § 8 Abs. 1 Satz 1 der Landesbauordnung (LBauO) bauordnungsrechtlich vorgeschriebenen Abstandsflächen zum Grundstück des Klägers ein. Aus dem vom Architekten der Beigeladenen vorgelegten Plan ergebe sich für den Bereich der Fitnesshalle eine erforderliche Abstandsfläche von 3,517 m zum Grundstück des Klägers, die nach der genannten überarbeiteten Planung vom 8. Januar 2015 eingehalten sei, weil hiernach die Gebäudeaufstockung in diesem Bereich in einem Abstand von 3,60 m vorgesehen sei. Auch sonstige nachbarschützende bauordnungsrechtliche Vorschriften seien nicht verletzt. Die bauordnungsrechtlichen Bestimmungen über die Belichtung, auf die sich der Kläger stütze, seien hier nicht einschlägig. Die Vorschrift des § 8 Abs. 8 Satz 2 LBauO, wonach bestimmte bauliche Anlagen nur dann in den Abstandsflächen von Gebäuden errichtet werden dürfen, wenn die Beleuchtung mit Tageslicht nicht erheblich beeinträchtigt wird, gelte gemäß § 8 Abs. 8 Satz 1 LBauO ausdrücklich nicht für oberirdische Gebäude wie das der Beigeladenen. Auch auf eine Verletzung der Bestimmung des § 8 Abs. 9 Satz 3 LBauO, die den Nachbarn eines Vorhabens vor erheblichen Beeinträchtigungen der Beleuchtung von Aufenthaltsräumen mit Tageslicht schütze, könne sich der Kläger mit Erfolg nicht berufen, weil die Anwendung dieser Norm voraussetze, dass ein Vorhaben innerhalb der Abstandsflächen errichtet werde, das Vorhaben der Beigeladenen aber außerhalb der Abstandsflächen liege. Überdies führe die Errichtung des genehmigten Vorhabens tatsächlich zu keiner relevanten Verschattung von Aufenthaltsräumen im Gebäude des Klägers. Das Vorhaben der Beigeladenen stehe auch in Einklang mit nachbarschützenden Bestimmungen des Bauplanungsrechts. Soweit der Kläger sich auf einen Verstoß gegen die Bestimmungen des hier einschlägigen Bebauungsplans über das Maß der baulichen Nutzung berufe, stehe dem entgegen, dass diese Bestimmungen, wie sich aus der Planbegründung ergebe, nicht nachbarschützend seien. Zudem seien die diesbezüglichen Vorgaben des Bebauungsplans über die Grund- und Grundflächenzahl, die Baumassen- und die Geschosszahl eingehalten. Letztendlich stehe das genehmigte Vorhaben auch im Einklang mit dem planungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme, weil von diesem entgegen der Auffassung des Klägers keine erdrückende Wirkung auf die auf seinem Grundstück vorhandene Bebauung ausgehe.

21

Mit Beschluss vom 14. August 2017 hat der Senat auf den Antrag des Klägers die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen.

22

Unter 17. Oktober 2017 hat der Beklagte der Beigeladenen eine „Ergänzungs-Baugenehmigung“ zur Klarstellung und Berichtigung der Baugenehmigung vom 20. Januar 2015 erteilt und in der Begründung ausgeführt, Grundlage der erteilten Baugenehmigung sei der von der Beigeladenen überarbeitete Abstandsflächenplan vom 8. Januar 2015, der für den Bereich der Fitnesshalle zum Grundstück des Klägers einen Abstand von 3,60 m vorsehe.

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Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, die angefochtene Baugenehmigung sei bereits deshalb rechtwidrig und verletze ihn in seinen Rechten, weil sie gegen das Bestimmtheitsgebot in seiner nachbarrechtlichen Ausprägung verstoße, denn in der Baugenehmigung fehlten konkrete Angaben zu den Fitnessgeräten, die zum Einsatz kommen dürften, zur Lüftung der Räume und zu den zu erwartenden Lärmemissionen. Des Weiteren rügt der Kläger mit wiederholendem und vertiefendem Vorbringen die bereits im Verwaltungsverfahren und im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht geltend gemachten Verstöße gegen bauordnungs- und bauplanungsrechtliche Vorschriften, namentlich gegen die Bestimmungen über die Abstandsflächen und die Belichtung, gegen das durch den einschlägigen Bebauungsplan vorgegebene Maß der baulichen Nutzung sowie die Missachtung des Gebots der Rücksichtnahme, wobei er insbesondere nochmals hervorhebt, von dem zwischenzeitlich realisierten Vorhaben der Beigeladenen gehe eine erdrückende Wirkung aus.

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Der Kläger beantragt,

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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 6. Oktober 2016 die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 20. Januar 2015 in Gestalt der Ergänzungs-Baugenehmigung vom 17. Oktober 2017 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

28

Er wiederholt und vertieft zur Begründung sein erstinstanzliches Vorbringen und bezieht sich auf die Ausführungen in dem Urteil des Verwaltungsgerichts, das er verteidigt. Ergänzend trägt er vor, entgegen der Auffassung des Klägers leide die erteilte Baugenehmigung nicht an einem Bestimmtheitsmangel, weil das genehmigte Vorhaben hinreichend deutlich gekennzeichnet worden sei. Aus der der Baugenehmigung zugrundeliegenden Beschreibung werde der genehmigte Betrieb als „Fitness-Studio“ mit festgelegten Betriebszeiten und einer erforderlichen Sichtverbindung nach außen ausreichend beschrieben. Zudem sei durch die Nebenbestimmung Nr. 14 der Baugenehmigung, die die von dem Vorhaben ausgehenden Lärmimmissionen auf tags 65 dB(A) und nachts 45 dB(A) begrenze, nachbarrechtlichen Belangen ausreichend Rechnung getragen. Die erteilte Baugenehmigung verstoße im Übrigen weder gegen bauordnungs- noch gegen bauplanungsrechtliche nachbarschützende Vorschriften, insbesondere sei durch die erteilte Ergänzungs-Baugenehmigung vom 17. Oktober 2017 sichergestellt, dass die bauordnungsrechtlich vorgegebenen Abstandsflächen eingehalten würden.

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Die Beigeladene beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

31

Sie hält die ihr erteilte Baugenehmigung für rechtmäßig und eine Verletzung des Klägers in eigenen Rechten für nicht gegeben. Im Einzelnen tritt sie dem Vorbringen des Klägers im Wesentlichen mit der Begründung des verwaltungsgerichtlichen Urteils entgegen.

32

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schrift-sätze der Beteiligten, die Verwaltungsakte des Beklagten, den einschlägigen Bebauungsplan der Stadt K... samt Planbegründung sowie auf die zu den Akten gereichten Pläne und Lichtbilder Bezug genommen. Diese Unterlagen lagen dem Senat vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

34

Das Verwaltungsgericht hat die Untätigkeitsklage des Klägers zurecht abgewiesen, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung vom 20. Januar 2015.

35

Maßgeblich abzustellen ist dabei vorliegend auf die Baugenehmigung in der Fassung der Ergänzungs-Baugenehmigung vom 17. Oktober 2017, mit der der Beklagte die ursprünglich erteilte Baugenehmigung vom 20. Januar 2015 in Bezug auf den einzuhaltenden Grenzabstand zum Grundstück des Klägers abgeändert hat. Diese im Berufungsverfahren erfolgte Modifizierung der streitbefangenen Baugenehmigung hat der Kläger im Wege der in dieser Konstellation allein sachgerechten Klageänderung im Sinne von § 91 VwGO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. April 1998 – 4 B 40/98 – und OVG MV, Urteil vom 5. November 2008 – 3 L 281/03 –, jeweils nach juris), der im Übrigen auch der Beklagte zugestimmt hat, zulässigerweise in den Prozess einbezogen.

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In der danach maßgeblichen Gestalt der Ergänzungs-Baugenehmigung verletzt die streitgegenständliche Baugenehmigung den Kläger nicht in nachbarschützenden Rechten.

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1. Soweit der Kläger geltend macht, die erteilte Baugenehmigung verstoße gegen das in § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 37 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – normierte Bestimmtheitsgebot und verletze dadurch seine Nachbarrechte, weil Nutzungen nicht auszuschließen seien, die zu einer Beeinträchtigung nachbarlicher Belange führen könnten, vermag der Senat dem nicht zu folgen.

38

Zwar weist der Kläger zutreffend darauf hin, das Bestimmtheitsgebot in seiner nachbarrechtlichen Ausprägung verlange, einer Baugenehmigung und den genehmigten Bauvorlagen müsse mit der erforderlichen Sicherheit entnommen werden können, dass nur solche Nutzungen erlaubt sind, die Nachbarrechte nicht beeinträchtigen können. Fehlt es in dieser Hinsicht an einer hinreichenden Bestimmtheit der Baugenehmigung und ist insoweit eine Verletzung von Nachbarrechten nicht auszuschließen, so steht dem betroffenen Nachbarn ein Abwehrrecht hiergegen zu (vgl. OVG RP, Urteil vom 2. Mai 2013 – 1 A 11021/12.OVG – sowie Jeromin, LBauO RP, 4. Auflage 2016, § 70 Rn. 39a).

39

Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor, weil die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung den genannten Erfordernissen der Bestimmtheit genügt. Die Betriebsbeschreibung vom 12. September 2014 bezeichnet als Teil der Baugenehmigung sowohl die Art des Betriebes (Fitnessstudio), die Betriebszeiten (9.00 Uhr bis 24.00 Uhr) und die Sichtverbindung nach außen (Trainingsraum/Geräteraum). Soweit der Kläger unter dem Aspekt der Bestimmtheit Angaben zur Art, der Zahl und dem Aufstellungsort von Maschinen oder Apparaten sowie zu den zu erwartenden Emissionen für erforderlich hält, führt das Fehlen der genannten Angaben nicht zu einer Unbestimmtheit der Baugenehmigung. Die Betriebsbezeichnung als Fitnessstudio schließt vielmehr hinreichend deutlich aus, dass in den Betriebsräumen lärmemittierende Maschinen oder Apparate zum Einsatz kommen. Jedenfalls bietet Ziffer 14 der Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung, wonach die für das hier vorliegende Mischgebiet nach der TA-Lärm geltenden Immissionsrichtwerte von tags 60 dB(A) und nachts 45 dB(A) zu beachten sind, die Gewähr dafür, dass solche Nutzungen ausgeschlossen sind, die unter dem Aspekt der Lärmimmissionen zu einer Beeinträchtigung von Nachbarrechten des Klägers führen könnten. Dass die genannten Immissionsrichtwerte bei dem Betrieb des Fitnessstudios nicht eingehalten werden können, hat der Kläger weder vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich.

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2. Die streitbefangene Baugenehmigung in der Fassung der Ergänzungs-Baugenehmigung vom 17. Oktober 2017 verstößt auch nicht gegen die nachbarschützenden Abstandsvorschriften des § 8 LBauO. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt, dass das Vorhaben der Beigeladenen die nach § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 6 LBauO vorgeschriebenen Abstandsflächen zum Grundstück des Klägers wahrt, soweit es im Bereich der Fitnesshalle einen Abstand von 3,517 m einhält. Auf die entsprechenden Ausführungen zur Berechnung der Tiefe der erforderlichen Abstandsflächen im angefochtenen Urteil (S. 7/8 des Urteilsabdrucks), die hinsichtlich des errechneten Mindestabstands auch vom Kläger nicht beanstandet werden, nimmt der Senat ausdrücklich Bezug. Soweit der Kläger diesbezüglich geltend macht, die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung beinhalte einen Abstand zur Grundstücksgrenze von 3,50 m bezüglich der Fitnesshalle und 3,00 m bezüglich des Aufenthaltsraumes und liege damit für den Bereich der Fitnesshalle um 1,57 cm unter der nach § 8 Abs. 6 LBauO erforderlichen Abstandstiefe von 3,517 m, hat der Beklagte diesem zutreffenden Einwand mit dem Erlass der Ergänzungs-Baugenehmigung Rechnung getragen. Denn die Beigeladene hat ihre ursprünglich dem Bauantrag zugrundeliegende Entwurfsplanung noch im Verwaltungsverfahren geändert und mit Schriftsatz ihres beauftragten Architekten vom 8. Januar 2015 (Bl. 143 bis 148 VA) eine neue Planung vorgelegt, wonach das zur Genehmigung gestellte Vorhaben im Bereich der Fitnesshalle einen Abstand von 3,60 m zu der zwischen den Grundstücken des Klägers und der Beigeladenen verlaufenden Grenze aufweist. Diese geänderte Planung ist Gegenstand der Ergänzungs-Baugenehmigung vom 17. Oktober 2017, sodass die nach § 8 Abs. 6 LBauO zu wahrende Abstandstiefe von 3,517 m eingehalten ist.

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3. Dem genehmigten Vorhaben stehen auch die nachbarschützenden Bestimmungen des § 8 Abs. 8 Satz 2 und Abs. 9 Satz 3 LBauO, die besondere Anforderungen an die Beleuchtung mit Tageslicht stellen, nicht entgegen. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht dargelegt, dass diese Vorschriften hier keine Anwendung finden. § 8 Abs. 8 LBauO erfasst nach Satz 1 nur solche baulichen Anlagen und Einrichtungen, die anders als das genehmigte Vorhaben keine oberirdischen Gebäude darstellen, während § 8 Abs. 9 Satz 3 LBauO, wie sich aus der Bezugnahme auf Satz 1 ergibt, nur für solche baulichen Anlagen gesonderte Anforderungen an die Belichtung mit Tageslicht stellt, die gegenüber Grundstücksgrenzen ohne Abstandsflächen oder mit einer geringeren Tiefe der Abstandsflächen errichtet werden dürfen. Da das Vorhaben der Beigeladenen jedoch nicht innerhalb der Abstandsflächen errichtet wird, sondern wie oben festgestellt, die Tiefe der Abstandsflächen einhält, ergeben sich diesbezüglich aus § 8 Abs. 9 Satz 3 LBauO keine weiteren Anforderungen im Hinblick auf die Beleuchtung des Grundstücks des Klägers.

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4. Die angefochtene Baugenehmigung verstößt auch nicht deshalb gegen nachbarschützende bauordnungsrechtliche Vorgaben, weil, wie der Kläger vorträgt, das genehmigte Gebäude der Beigeladenen eine unzumutbare Verschattung seines Grundstücks bewirke.

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Da das Vorhaben der Beigeladenen, wie oben dargelegt, die Abstandsflächen zum Grundstück des Klägers wahrt, bedarf es grundsätzlich keiner gesonderten bauordnungsrechtlichen Prüfung dahingehend, ob das Vorhaben die Belichtung des Nachbargrundstücks beeinträchtigt. Vielmehr geht der Gesetzgeber der Landesbauordnung davon aus, dass mit der Festsetzung von Abstandsflächen unter anderem den Erfordernissen einer ausreichenden Belichtung und Besonnung der Gebäude und der Gebäude zueinander gewährleistet ist. Einer besonderen Prüfung der Belichtungsverhältnisse bedarf es vielmehr kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung lediglich in den oben genannten, hier jedoch nicht vorliegenden Fällen der § 8 Abs. 8 und 9 LBauO.

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5. Auch die vom Kläger geltend gemachte Verletzung nachbarschützender Vorschriften des Bauplanungsrechts vermag der Senat nicht festzustellen.

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Soweit der Kläger diesbezüglich mit seiner Berufung vorträgt, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass das genehmigte Vorhaben gegen die Festsetzungen des hier einschlägigen Bebauungsplanes „A... Straße – R... H... Straße – E... Gasse – S... Weg“ hinsichtlich der Grundflächen-, der Geschossflächen- und der Baumassenzahl sowie der Zahl der Vollgeschosse verstoße, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Das Verwaltungsgericht hat insoweit in seinem Urteil zutreffend unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom 14. August 2014 – 1 A 10252/14.OVG –) dargelegt, dass die Festsetzungen des Bebauungsplanes zum Maß der baulichen Nutzung grundsätzlich nicht nachbarschützend sind, weil sie in der Regel ausschließlich städtebaulichen Zwecken dienen. Drittschutz vermitteln solche Festsetzungen nur dann, wenn sich ein dahingehender Wille des Planungsträgers mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Bebauungsplan, aus seiner Begründung oder aus seiner Entstehungsgeschichte ergibt. Das ist indessen hier nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat in Würdigung der Planbegründung (Ziffer 5.5 und 11) vielmehr zutreffend festgestellt, dass sich hieraus keine Anhaltspunkte für eine drittschützende Wirkung der Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung ergeben. Auf die entsprechenden Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts nimmt der Senat Bezug und sieht insoweit gemäß § 130b VwGO von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

46

Vor diesem Hintergrund kommt es auf die konkrete Berechnung des Verwaltungsgerichts bezüglich der genannten Maße, die der Kläger insbesondere wegen der der Berechnung der zugrunde zu legenden Grundstücksfläche für fehlerhaft hält, entscheidungserheblich nicht an.

47

Soweit der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung einwendet, die erteilte Baugenehmigung verstoße gegen § 31 Abs. 2 BauGB, weil der Beklagte defacto eine Befreiung von dem im Bebauungsplan festgesetzten Maß der baulichen Nutzung im Hinblick auf die Grundflächen-, die Geschossflächen- und die Baumassenzahl sowie die Zahl der Vollgeschosse erteilt habe, ohne indessen diesbezüglich Ermessenerwägungen angestellt zu haben, ergibt sich auch hieraus kein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts.

48

Insoweit ist zunächst festzustellen, dass mit der Baugenehmigung ausdrücklich keine Befreiung von den Festsetzungen hinsichtlich der genannten Parameter erteilt worden ist, sondern der Beklagte und ihm folgend das Verwaltungsgericht davon ausgegangen sind, dass das Vorhaben mit den Festsetzungen des Bebauungsplanes in Einklang steht. Wurde aber eine Befreiung tatsächlich nicht erteilt, so kann sich der Kläger als Nachbar des genehmigten Vorhabens lediglich auf die Beachtung des nachbarschützenden allgemeinen Rücksichtnahmegebotes berufen (vgl. BVerwG, Urteil vom 06. Oktober 1989 – 4 C 14/87 –, juris).

49

Ein solcher Verstoß gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot liegt hier indessen nicht vor.

50

Das Gebot der Rücksichtnahme soll die bei der Verwirklichung von Bauvorhaben aufeinanderstoßenden Interessen angemessen ausgleichen. Ob ein Vorhaben das Gebot der Rücksichtnahme verletzt, hängt im Wesentlichen von den jeweiligen konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Je empfindlicher und schutzbedürftiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann eine Rücksichtnahme verlangt werden; umgekehrt braucht derjenige, der ein Vorhaben verwirklichen will, umso weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm verfolgten Interessen sind. Für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalles kommt es demnach wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmeberechtigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichtenden nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Dementsprechend ist das Rücksichtnahmegebot verletzt, wenn unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit der Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was billigerweise noch zumutbar ist, überschritten wird (vgl. Urteil des Senats vom 14. August 2014 – 1 A 10252/14.OVG – unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1997 – 4 C 22.75 –, BRS 32, Nr. 155).

51

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe erweist sich das geplante Vorhaben nicht als rücksichtslos. Dies folgt hinsichtlich der Belange einer ausreichenden Belichtung, Beleuchtung und Belüftung sowie des Brandschutzes in tatsächlicher Hinsicht bereits daraus, dass das Bauvorhaben zum Grundstück des Klägers hin mit der die vorgenannten Belange des Rücksichtnahmegebotes konkretisierenden Abstandsflächenvorschrift des § 8 LBauO in Einklang steht. Ausweislich des genehmigten Abstandsflächenplans in der Fassung der Ergänzungs-Baugenehmigung hält das Vorhaben, wie oben dargelegt, zum Grundstück des Klägers hin die nach § 8 Abs. 6 Satz 1 LBauO erforderliche Tiefe der Abstandsfläche ein.

52

Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt das Vorhaben der Beigeladenen auch ansonsten nicht gegen das Rücksichtnahmegebot. Zwar sind in der Rechtsprechung Konstellationen anerkannt, in denen trotz Beachtung des Abstandsflächenrechts eine Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens gegenüber benachbarten Grundstücken bestehen kann. Hierbei handelt es sich jedoch um seltene Ausnahmefälle, bei denen aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls, insbesondere der Kombination verschiedener nachhaltiger Auswirkungen, eine bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit angenommen wird. So kann insbesondere eine Bebauung wegen ihrer optisch bedrängenden Wirkung auf Nachbargebäude gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen. Das ist dann der Fall, wenn von dem Vorhaben eine erdrückende Wirkung auf Nachbargebäude ausgeht. Das ist beispielsweise in solchen Fällen anzunehmen, in denen durch eine neue bauliche Anlage für das Nachbargrundstück eine „Abriegelungswirkung“ oder das Gefühl des „Eingemauertseins“ entsteht (vgl. OVG RP, Urteil vom 14. August 2014 – 1 A 10252/14.OVG –, Urteil vom 13. März 1981 – 4 C 1.78 –, BRS 38, Nr. 1869).

53

Das erkennende Gericht hat ein solches „Eingemauertsein“ beispielsweise in einen Fall bejaht, in dem das Nachbargrundstück auf drei Seiten auf insgesamt 120 m Länge von einem 9 m hohen Gebäude umfasst würde (vgl. OVG RP, Beschluss vom 24. März 2004 – 8 B 10320/04.OVG –, juris). Demgegenüber kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei gleicher Geschosshöhe der benachbarten Gebäude eine erdrückende Wirkung grundsätzlich nicht in Betracht (BVerwG, Urteil vom 30. September 1983 – 4 C 16/80 –, NJW 1984, 250). Der Senat hat eine erdrückende Wirkung auch bei einem Nebeneinander von Gebäuden mit unterschiedlichen Höhen dann verneint, wenn es nur um ein oder zwei zusätzliche Geschosse geht (Beschluss vom 10. November 2006 – 1 B 11327/06.OVG –, juris).

54

Nach Maßgabe dieser Grundsätze kommt der Senat in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung des in den Akten befindlichen Kartenmaterials und der Lichtbilder, die die Verhältnisse nach der Errichtung des genehmigten Vorhabens eindeutig zeigen, so dass es der Durchführung einer Ortsbesichtigung im Rahmen einer weiteren Sachverhaltsaufklärung nicht bedarf (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2014 – 4 B 51/13 – unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung, nach juris) zu der Erkenntnis, dass das Vorhaben der Beigeladenen gegenüber dem Kläger keine erdrückende Wirkung in dem vorgenannten Sinn hat. Dabei spricht bereits entscheidend gegen eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes in der dargestellten Ausprägung einer vom Vorhaben der Beigeladenen ausgehenden erdrückenden Wirkung, dass das genehmigte Gebäude auf dem Grundstück der Beigeladenen optisch zwar zwei Stockwerke umfasst, das vorhandene Gebäude des Klägers auf dessen Grundstück sich demgegenüber aber über insgesamt vier Stockwerke erstreckt und letztendlich deutlich über das Vorhaben der Beigeladenen hinausragt. Zudem entsteht die vom Kläger empfundene einengende Wirkung auf seinem Grundstück nicht in erster Linie durch den Neubau, sondern durch den Zuschnitt seines Grundstücks und die darauf vorhandene Bebauung, nicht zuletzt durch seinen im Bauwich errichteten Carport und die darüber befindliche Terrasse.

55

Danach war die Berufung mit der sich aus § 154 Abs. 2 VwGO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen, wobei es der Billigkeit entspricht, dem Kläger gemäß § 162 Abs. 3 VwGO auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil diese im Berufungsverfahren einen eigenen Antrag gestellt und sich damit dem Risiko, im Fall des Unterliegens gemäß § 154 Abs. 3 VwGO selbst mit Kosten belastet zu werden, ausgesetzt und mit ihrem Antrag obsiegt hat.

56

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 Abs. 2 und 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.

57

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

Beschluss

58

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 7.500,00 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 18. Jan. 2018 - 1 A 11459/17

Urteilsbesprechungen zu Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 18. Jan. 2018 - 1 A 11459/17

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 18. Jan. 2018 - 1 A 11459/17 zitiert 15 §§.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

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(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. (2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüg

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 75


Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von d

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 91


(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. (2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersp

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 130b


Das Oberverwaltungsgericht kann in dem Urteil über die Berufung auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug nehmen, wenn es sich die Feststellungen des Verwaltungsgerichts in vollem Umfange zu eigen macht. Von einer weiteren Darstellung d

Referenzen - Urteile

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 18. Jan. 2018 - 1 A 11459/17 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 18. Jan. 2018 - 1 A 11459/17 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 30. Juni 2014 - 4 B 51/13

bei uns veröffentlicht am 30.06.2014

Tenor Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. August 2013 wird zurückgewiesen.

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 05. Nov. 2008 - 3 L 281/03

bei uns veröffentlicht am 05.11.2008

Tenor Das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 23.10.2003 wird geändert. Die Baugenehmigung des Beklagten vom 11.03.1998 in der Fassung der Genehmigung vom 08.12.1998 wird aufgehoben. Der Bauvorbescheid des Beklagten vom 29.05.1997 wi

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Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.

(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 23.10.2003 wird geändert.

Die Baugenehmigung des Beklagten vom 11.03.1998 in der Fassung der Genehmigung vom 08.12.1998 wird aufgehoben.

Der Bauvorbescheid des Beklagten vom 29.05.1997 wird aufgehoben.

Der Antragsgegner und die Beigeladene zu 1 tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2 sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldner dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin, die Hansestadt Rostock, wendet sich gegen einen Bauvorbescheid sowie eine Baugenehmigung, die der Beklagte der Beigeladenen zu 1. für die Errichtung und den Betrieb eines sogenannten "Rest-und Sonderposten-Centers" auf dem Gebiet der Gemeinde K., Flurstücke 203, 204, 207, 238, Flur 1, Gemarkung B., erteilt hat. Das Gebiet liegt an der BAB 19 ca. 7km von der Innenstadt der Hansestadt Rostock entfernt.

2

Der am 11.02.1992 in Kraft getretene "Bebauungsplan Nr. 1" der Beigeladenen zu 2., der Gemeinde K., trifft für den Bereich der oben genannten Flurstücke die Festsetzung "Sondergebiet Verbrauchermarkt". Nach Nr. 1 Abs. 1 der 1. Planergänzung sind im "Sondergebiet Verbrauchermarkt" zulässig: "Verbrauchermarkt (Sortiment: Lebensmittel, Ge- und Verbrauchsgüter des kurz- und mittelfristigen Bedarfes), Verkaufsfläche max. 3.500 qm; Fachmärkte (branchenspezifisches Sortiment), Verkaufsfläche max. 800 qm; Läden, Büros und Dienstleistungseinrichtungen; Tankstelle mit Autowaschanlage und Werkstatt). Diesen Festsetzungen lag folgendes Aufstellungsverfahren zugrunde:

3

Am 03.09.1990 fasste die Gemeindevertretung der Beigeladenen zu 2. den Beschluss zur Aufstellung des Bebauungsplans.

4

In der Begründung zu dem 1. Entwurf des Bebauungsplans vom 18.12.1990 wird ausgeführt: Die Gemeinde möchte ihre Wirtschaftskraft entwickeln und Voraussetzungen für Arbeitsplätze schaffen. Im Sonder- und Gewerbegebiet 1 könnten ca. 300 Arbeitsplätze geschaffen werden. Aufgrund der exponierten Lage zur Stadt Rostock werde das Sondergebiet auch eine überregionale Funktion ausüben. Maßgebend für die Wahl des Standortes sei die gute verkehrliche Anbindung an die Bundesstraße 103 und günstige Lage zur Stadt Rostock sowie der Planungsgrundsatz, dass in K. extensive Flächen für den Wohnungsbau nicht mehr ausgewiesen würden. Diese Begründung wurde in dem 2. Entwurf vom 18.02.1991 weitgehend übernommen.

5

Der Wirtschaftsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern - Amt für Regionalplanung Rostock - gab unter dem 21.05.1991 eine landesplanerische Stellungnahme zum Flächennutzungsplan der Beigeladenen zu 2. ab. Es werde dem 4. Entwurf vom 29.04.1991 grundsätzlich zugestimmt. Die Ausweisung des Sondergebietes SO 1 - diverse Fachmärkte - sei mit der Hansestadt Rostock als Oberzentrum abzustimmen. In der landesplanerischen Stellungnahme vom 27.08.1991 zu dem Bebauungsplan Nr. 1 wird ausgeführt: Den Zielen und Grundsätzen der Raumordnung und Landesplanung werde entsprochen. Dabei sei die von der Stadt Rostock vorgegebene Größenordnung an Verkaufsflächen einzuhalten. Da es sich bei dem Plangebiet um Flächen im Außenbereich handele, werde empfohlen, die ausgewiesenen MI-Flächen als GE-Flächen festzusetzen. Die Art der baulichen Nutzung nach § 6 BauNVO (MI) diene vorwiegend dem Wohnen und schaffe damit Voraussetzungen der Landschaftszersiedlung durch Schaffung neuer Wohnplätze. Die Stellungnahme beziehe sich nur auf die Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung und greife damit der nach dem BauGB erforderlichen Prüfung des Bauleitplans nicht vor.

6

Die Klägerin nahm in einem Schreiben vom 22.05.1991 wie folgt Stellung. In Vorbesprechungen sei folgende Einigung erzielt worden: Entsprechend bisherigen Festlegungen über Flächen für Sondergebiete des Handels außerhalb der Grenzen des Oberzentrums Rostock werde festgelegt, dass für die Gemeinde K. eine Veränderung vorgenommen werde, die eine Verkaufsraumfläche für SB-Markt von 3.000 bis 3.500 qm zulasse. Die einzelnen Fachmärkte laut Bebauungsplan Nr.1/3 hätten die entsprechenden Größenordnungen außerhalb von Sondergebieten des Handels (1.200 qm Bruttofläche) zu berücksichtigen. Diese Fläche bleibe aber Bestand der Gesamtfläche laut Festlegung des Schreibens vom 17.04.1991 des Oberbürgermeisters. Im weiteren Schreiben vom 18.07.1991 führte die Klägerin aus: Es könne nicht bestätigt werden, dass der Entwurf des Bebauungsplans mit dem Entwurf des Flächennutzungsplans übereinstimme. So sei die Baufläche GE 1 stark reduziert und eine Nutzungsänderung in MI vorgenommen. Diese Reduzierung finde Zustimmung, da die Flächenausweisungen für Gewerbe und Handelseinrichtungen vom Eigenbedarf der Gemeinde ausgehen sollten. Dabei sei nach Aussagen der Kreisverwaltung beim Sondergebiet Verbrauchermarkt eine Größe von 3.600 qm Verkaufsfläche einzuhalten. Mit der umfangreichen Ausweisung von Bauflächen für Gewerbe und große Handelseinrichtungen, wie sie auch in den Gemeinden Roggentin, Broderstorf und Bentwisch erfolge, werde eine Häufung dieser Einrichtungen an der östlichen Peripherie der Stadt Rostock programmiert, die im Widerspruch zu dem Prinzip der Bildung von Ober-, Mittel- und Unterzentren stehe und die nicht im Interesse der Stadt Rostock liege. Die dadurch entstehende Situation halte man aus landesplanerischer Sicht für nicht vertretbar. In den Verwaltungsvorgängen der Beigeladenen zu 2. findet sich im Anhang zu den genannten Schreiben der Klägerin eine Stellungnahme der Stadt Rostock zu "Sondergebieten für großflächigen Einzelhandel" in den Flächennutzungsplanentwürfen der Umlandgemeinden vom 17.04.1991.

7

Am 29.07.1991 beschloss die Gemeindevertretung der Beigeladenen zu 2. den Bebauungsplan und die Behandlung der eingegangenen Anregungen und Bedenken. Der Plan enthält als textliche Festsetzung für das Sondergebiet Verbrauchermarkt folgende Regelung: Zulässig sind Verbrauchermarkt (Sortiment: Lebensmittel, Ge- und Verbrauchsgüter des kurz- und mittelfristigen Bedarfes), Verkaufsfläche max. 3.500 qm; Fachmärkte (branchenspezifisches Sortiment), Verkaufsfläche max. 800 qm; Läden; Büros und Dienstleistungseinrichtungen; Tankstelle mit Autowaschanlage und Werkstatt. In dem festgesetzten Mischgebiet sind danach Einzelhandelsbetriebe nur zulässig, wenn sie die Vermarktung von auf gleichem Grundstück produzierten Waren dienen (§ 1 Abs. 9 BauNVO).

8

Zu den mit Schreiben vom 22.05. und 18.07.1991 unterbreiteten Gesichtspunkten der Klägerin wurde folgende Stellungnahme beschlossen: Die Festlegung der Verkaufsfläche auf max. 3.500 qm sei in dem ausgelegten Entwurf bereits berücksichtigt worden. Die Fachmärkte seien größenmäßig auf 800 qm (entsprechend 1.200 qm Bruttofläche) limitiert und würden auf die Sondergebietsfläche beschränkt. Es werde daher eine zusätzliche textliche Festsetzung unter Punkt 1.3 aufgenommen, die den nichtproduktionsbezogenen Handel im Mischgebiet ausschließe. Zu dem Hinweis der Klägerin auf die umfangreichen Ausweisungen von Bauflächen für Gewerbe und große Handelseinrichtungen in den Nachbargemeinden Roggentin, Broderstorf und Bentwisch wird ausgeführt: Diese Stellungnahme beziehe sich nicht unmittelbar auf den Planentwurf, sondern eher auf die Flächennutzungspläne der genannten Gemeinden. Dies werde zur Kenntnis genommen. Die gemeindenachbarlichen Abstimmungen seien vorgenommen.

9

Die Genehmigung des Bebauungsplans lehnte der Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit Erlass vom 13.02.1992 ab. Zur Begründung führte er aus: Einer städtebaulichen Entwicklung am vorgesehenen Standort würde jeglicher städtebaulicher Bezug zu vorhandenen Ortslagen fehlen. Dies sei ein Verstoß gegen § 1 Abs. 5 Nr. 4 BauGB (a.F.). Mit dem Plan trage die Gemeinde dem Erfordernis der Ausrichtung der Bauleitplanung auf die innerörtliche Entwicklung bzw. der baulichen Ergänzung vorhandener Orte nicht Rechnung. Die Planung verstoße gegen die Bodenschutzklausel des § 1 Abs. 5 Satz 3 BauGB (a.F.). Das Amt für Regionalplanung Rostock habe in seiner Stellungnahme vom 27.08.1991 darauf hingewiesen, dass mit der Festsetzung von Mischgebietsflächen, die der gewerblichen Nutzung und dem Wohnen dienten, die Voraussetzungen für Landschaftszersiedlung durch Schaffung neuer Wohnplätze gegeben seien. Zur Einhaltung einer nicht den landesplanerischen Zielen entsprechenden Zersiedlung rege das Amt an, die Mischgebietsflächen in Gewerbeflächen umzuwandeln. Dies sei nicht geschehen. Es sei daher davon auszugehen, dass die Gemeinde den Belang der Landschaftszersiedlung nicht in Abwägung eingestellt habe. Die Gemeinde habe desweiteren in dem Satzungsbeschluss vom 29.07.1991 ausgeführt, die Belange der Natur- und Landschaftspflege seien berücksichtigt worden. Diese Feststellung habe sie ohne nachweisliche Teilnahme von fachkundigen Gutachtern und ohne nochmalige Abstimmung mit dem Staatlichen Amt für Umwelt und Natur getroffen.

10

Mit Erlass vom 15.05.1992 hob der Innenminister den Versagungsbescheid vom 13.02.1992 auf, da die Versagung nicht fristwahrend der Gemeinde am 15.02.1992 zugestellt worden sei. Damit sei die Genehmigungsfiktion eingetreten.

11

Bereits am 03.02.1992 war die Bekanntmachung der Genehmigung des Bebauungsplans wegen Fristablaufs am 15.02.1992 veranlasst worden. Der Bebauungsplan trat am 11.02.1992 in Kraft.

12

Am 26.03.1992 fasste die Gemeindevertretung den Aufstellungsbeschluss zur 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 1.

13

Das Amt für Raumordnung und Landesplanung Rostock führte mit Schreiben vom 04.06.1992 zu der beabsichtigten Planänderung aus: Zu den geänderten Festsetzungen bestünden keine Einwände. Aufgrund des erreichten Planungsstands bei großflächigen Handelseinrichtungen und ihrer zu erwartenden raumbeeinflussenden Einwirkungen werde der Gemeinde empfohlen, zur Schaffung langfristig tragbarer Handelsstrukturen im Siedlungsraum Rostock im SO-Gebiet (Verbrauchermarkt) innenstadtrelevante Sortimente auszuschließen. Der Standortvorteil für Sortimente des mittel- und langfristigen Bedarfs durch verkehrliche Lagegunst sollte nochmals bedacht werden.

14

Die Klägerin nahm unter dem 02.07.1993 wie folgt Stellung: Der beabsichtigten Flächenausweisung (Möbelmarkt mit maximal 8.000 qm Verkaufsfläche, maximal 5 Märkte [branchenspezifisches Sortiment] mit einer Verkaufsfläche von jeweils maximal 800 qm, Läden, Büros und Dienstleistungseinrichtungen, Tankstelle mit Autowaschanlage und Werkstatt) werde nicht zugestimmt. Es werde damit eine Entwicklung eines Einzelhandelspotenzials von 12.000 qm VKF angestrebt. Die dadurch mitverursachte Entwicklung der Einzelhandelsflächen im Umland wirke sich negativ auf die Situation des Oberzentrums aus und biete kaum noch Möglichkeiten, innerhalb der Stadtgrenzen notwendige Ansiedlungen vorzunehmen.

15

Im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange legte die Handwerkskammer Rostock in ihrer Stellungnahme vom 06.05.1992 dar: Sie habe massive Vorbehalte gegen die vorgesehene Ausweisung SO Verbrauchermarkt. Diese Fläche stehe in keinem Zusammenhang mit einem Siedlungsgebiet. Durch Verbrauchermärkte in dieser Lage werde eine wohnortnahe Versorgung zerstört.

16

In dem Abwägungsbeschluss vom 17.03.1993 führte die Beigeladene zu 2. hierzu aus: Das betreffende Sondergebiet Verbrauchermarkt werde nunmehr als Sondergebiet Facheinzelhandel festgesetzt. Die zulässige Art der Nutzung werde ebenfalls spezifiziert, sodass die Ansiedlung nur eines einzigen großen Verbrauchermarktes ausgeschlossen werde und die geäußerten Bedenken größtenteils gegenstandslos würden. Die Ansiedlung einzelner Läden und kleinerer Fachmärkte sei vielmehr beabsichtigt, die angeführte Verkaufsfläche von 800 qm werde ausdrücklich als Maximalwert festgeschrieben.

17

Aufgrund dieser Änderungen fand eine zweite öffentliche Auslegung statt.

18

Die Industrie- und Handelskammer Rostock führte in ihrem Schreiben vom 29.04.1993 nunmehr aus: Die vorgesehenen Verkaufsflächen erschienen, obgleich "Möbel" angeboten werden sollten, insgesamt überhöht und ließen den Planungsstand und die Planungsabsichten im Raum Rostock unberücksichtigt. Bei Fachgeschäften sollte der Ausschluss innenstadtrelevanter Sortimente verbindlich festgelegt werden. Die Flächenverträglichkeit sollte, sofern die Planung nicht revidiert werde, anhand eines Kaufkraftgutachtens nachgewiesen werden. Im Übrigen werde auf die bereits 1991 vorgebrachten Bedenken verwiesen.

19

Das Amt für Raumordnung und Landesplanung hielt in seinem Schreiben vom 09.06.1993 ein Plangespräch für erforderlich. Dazu solle kurzfristig eingeladen werden. In der Abwägungsdokumentation heißt es hierzu: Eine entsprechende Einladung sei bislang nicht erfolgt, daher scheint eine besondere Bedeutung der Einwände nicht gegeben zu sein. Da es sich bei den Planungsabsichten der Gemeinde um keine Neuausweisung oder grundlegende Änderung von Baugebieten handele, könne nicht nachvollzogen werden, inwieweit sich in Bezug auf das laufende Änderungsverfahren durch ein derartiges Gespräch noch neue Aspekte ergeben könnten.

20

Am 29.06.1993 fasste die Gemeindevertretung der Beigeladenen zu 2. den Beschluss über die Abwägung der Anregungen und Bedenken und den Satzungsbeschluss. In dem beschlossenen Plan ist als Art der baulichen Nutzung für das Sondergebiet Verbrauchermarkt textlich festgesetzt:

21

"In dem festgesetzten Sondergebiet Verbrauchermarkt sind zulässig: Verbrauchermarkt (Sortiment: Lebensmittel, Geh- und Verbrauchsgüter des kurz- und mittelfristigen Bedarfs), Verkaufsfläche max. 3.500 qm, Fachmärkte (branchenspezifisches Sortiment), Verkaufsfläche max. 800 qm; Läden; Büros und Dienstleistungseinrichtungen; Tankstelle mit Autowaschanlage und Werkstatt. Als GRZ ist 0,5 als GFZ 0,6 und als GH 10,0 m festgesetzt."

22

In der Begründung wird unter anderem ausgeführt: Die 1. Änderung umfasse nur den neu festgesetzten Bereich Gewerbegebiet mit Ausschluss produktionsunabhängiger Einzelhandelseinrichtungen, das unmittelbar an der B 103 gelegene Gewerbegebiet mit einer Änderung der maximalen Gebäudehöhe und das neu ausgewiesene Gewerbegebiet im Südwesten. Außerdem seien einige baugestalterische Festsetzungen geringfügig geändert worden.

23

Zu den Bedenken der Industrie- und Handelskammer Rostock wird im Abwägungsbeschluss ausgeführt: Es entspreche nicht den Tatsachen, dass die Verkaufsfläche gegenüber dem rechtskräftigen Plan erhöht worden sei. Es werde außerdem nicht begründet, inwieweit die vorgesehene Fläche für Möbel überhöht sei. Der rechtskräftige Planungsstand ermögliche derzeit eine Geschossfläche von 21.000 qm. Eine Reduzierung dieser Fläche ließe sich, ohne dass die Gemeinde dem Grundstückseigentümer schadensersatzpflichtig werde, nur im Einvernehmen mit diesem durchführen. Insoweit sei der Spielraum der Gemeinde beschränkt. Ein Ausschluss der Zulässigkeit innenstadtrelevanter Fachgeschäfte werde in den Text aufgenommen. Ein Kaufkraftgutachten solle nicht eingeholt werden, da die Gesamtkaufsfläche aus den o. g. Gründen nicht zur Disposition stehe.

24

Nach einem Aktenvermerk vom 17.08.1993 fand eine Beratung am 16.08.1993 im Wirtschaftsministerium zum 1. Änderungsentwurf des Bebauungsplans Nr. 1 statt. An dieser Besprechung nahmen Vertreter der Beigeladenen zu 2. und des Amts W.-Ost teil. Laut Vermerk stimmte die Klägerin der 1. Änderung des Bebauungsplanes nur unter der Bedingung zu, dass in dem Sondergebiet Facheinzelhandel ein SB-Markt mit maximal 3.500 qm und ein Fachmarkt mit max. 800 qm Verkaufsfläche zulässig sei. Das Innenministerium habe festgestellt, dass auf der Grundlage des rechtskräftigen Bebauungsplans eine maximale Verkaufsraumfläche von 4.300 qm, davon 3.500 qm SB-Verbrauchermarkt und ein Fachmarkt 800 qm zulässig sei. Als Ergebnis wird festgehalten: Die von Planbeteiligten geäußerten Bedenken ermöglichten keine befriedigende Lösung im Sinne der Planungsabsicht der Gemeinde. Das Änderungsverfahren werde abgebrochen. Die Gemeinde ziehe den 1. Änderungsentwurf des Bebauungsplans zurück.

25

Der Beklagte schrieb unter dem 24.08.1993 an das Innenministerium: Bei der Umsetzung der Planungsabsichten des Bebauungsplans Nr. 1 sei festgestellt worden, dass die Formulierung der textlichen Festsetzung Nr. 1 zur zulässigen Art der baulichen Nutzung im Sondergebiet widersprüchlich ausgelegt werden könne. Über die zulässige Größe der Fachmärkte bestünden unterschiedliche Auffassungen. Nach der Grundstücksgröße von 3,7 ha und den weiteren Festsetzungen des Bebauungsplans sei wohl beabsichtigt, eine nicht begrenzte Anzahl von Fachmärkten mit einer Größe von je 800 qm anzusiedeln. Dem stehe die Auffassung entgegen, die 800 qm würden sich auf die Summe aller Fachmärkte beziehen. Damit wäre nur eine Ansiedlung von Fachmärkten in sehr geringem Umfang möglich. In der Begründung zum Bebauungsplan werde hierzu nichts Näheres ausgeführt. Es werde um rechtliche Klärung gebeten. Eine Antwort des Innenministeriums ist nicht ergangen.

26

Mit Schreiben vom 25.01.1994 übersandte das Verwaltungsamt "W.-Ost" der Kreisverwaltung des Landkreises Rostock-Land die 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 1 zur Genehmigung; mit Schreiben vom 01.02.1994 bestätigte die Kreisverwaltung den Eingang des Genehmigungsantrags und seine Zuständigkeit. In dem Prüfbogen zum Genehmigungsverfahren wird ausgeführt, innenstadtrelevante Sortimente würden nicht ausgeschlossen, obwohl dies in der Abwägung festgesetzt werde.

27

In den Verwaltungsvorgängen des Kreises findet sich ein Vermerk des Inhalts: "Die Unterlagen zum Genehmigungsantrag, Fristbeginn 31.01.1994, wurden der Gemeinde zur Überarbeitung zur Verfügung gestellt - 08.03.1994 Wilke - erhalten: Wulf (d. i. der seinerzeitige Bürgermeister der Beigeladenen zu 2.)."

28

In der Verfahrenszeile der 1. Änderung des Bebauungsplans wird unter dem 30.05.1994 festgehalten, die Genehmigung des Bebauungsplans sei fiktiv durch Verfristung eingetreten. Gemäß der Übersicht "Verfahrensstand" in der Akte des Kreises wird demgegenüber angegeben, der Antrag auf Genehmigung sei am 25.01.1994 gestellt worden, Fristbeginn sei der 31.01.1994 gewesen und die Genehmigung fiktiv am 02.05.1994 eingetreten. Am 30.05.1994 wurde die 1. Änderung des Bebauungsplans ausgefertigt.

29

Durch Landesverordnung vom 18.10.1994 wurde das Regionale Raumordnungsprogramm Mittleres Mecklenburg/Rostock - im Folgenden RROP - aufgrund des § 9 Abs. 5 des Landesplanungsgesetztes vom 31. März 1992 (GVOBl. M-V S. 242), geändert durch Artikel 24 des Gesetzes vom Mai 1994 (GVOBl. M-V S. 566), für verbindlich erklärt; die Landesverordnung wurde im GVOBl. M-V vom Nr. 24, S. 1022, verkündet und trat am 11.11.1994 in Kraft.

30

Nr. 1.1. bestimmt:

31

(1) In der Planungsregion Mittleres Mecklenburg/Rostock wird dem Oberzentrum Rostock ein Ordnungsraum zugewiesen.

32

(2) Planungen und Maßnahmen von überörtlicher Bedeutung bedürfen im Ordnungsraum einer besonders engen Abstimmung zwischen den betroffenen Gemeinden. Eine ringförmige Entwicklung von Bauflächen um das Siedlungszentrum Rostock ist zu vermeiden.

33

(3) Der Ordnungsraum umfaßt neben der Hansestadt Rostock die Gemeinden Admannshagen/Bargeshagen, ... K.... .

34

Nach Tabelle 3 ist die Beigeladene zu 2. eine Gemeinde des Nahbereichs Rostock und hat keine Zentrumsfunktion, auch nicht als Ländlicher Zentralort.

35

Unter 6.2.2. "Einzelhandel" wird ausgeführt:

36

"(3) Großflächige Einzelhandelseinrichtungen müssen nach Art und Umfang mit der Versorgungsfunktion der Standortgemeinde übereinstimmen. Mögliche Standorte sind in der Regel die zentralen Orte. Großflächige Einzelhandelseinrichtungen sind so anzusiedeln, daß von ihnen keine negativen Auswirkungen auf die Standortgemeinde, das Umland sowie auf andere zentrale Orte ausgehen.

37

(4) Großflächige Einzelhandelseinrichtungen sind vorrangig an städtebaulich integrierten Standorten anzusiedeln. Durch die Ansiedlung großflächiger Einzelhandelseinrichtungen, die Erweiterungen bzw. Nutzungsänderung bestehender Einzelhandelseinrichtungen zu großflächigen Handelsbetrieben darf weder infolge der Größen- und Branchengestaltung des jeweiligen Vorhabens noch durch Folgewirkung die zentralörtliche Funktion oder das städtebauliche Gefüge nachhaltig beeinträchtigt werden."

38

Unter "Begründung" heißt es:

39

"Zu 3: Großflächige Einzelhandelseinrichtungen sind Betriebe mit über 1200 m2 Geschoßfläche (700 m2 Verkaufsraumfläche). Zentrale Orte bieten als funktionale Zentren ihrer Verflechtungsbereiche für die Ansiedlung besonders gute Voraussetzungen. Die Größenverträglichkeit richtet sich nach der Bedeutung des zentralen Ortes für das Umland. Der Einzugsbereich des Vorhabens soll den Verflechtungsbereich des zentralen Ortes nicht wesentlich überschreiten.

40

Zu 4: Einzelhandelsgroßbetriebe am Rande oder außerhalb von Gemeinden können erhebliche Auswirkungen auf die städtebauliche Entwicklung in ihrer näheren Umgebung, der Zentrumsbereiche oder ihrer Nachbargemeinden haben. Aufgrund der bereits überdimensionierten Ansiedlung an der Peripherie der meisten zentralen Orte sollen großflächige Einzelhandelseinrichtungen zukünftig möglichst nur noch an städtebaulich integrierten Orten entstehen. Ansiedlungs-, Erweiterungs- und Vorhaben zur Nutzungsänderung sollen vor der Genehmigung einer gutachterlichen Prüfung hinsichtlich möglicher negativer Auswirkungen unterzogen werden. Falsche Standortwahl führt zu nachteiligen Strukturveränderungen in den Innenbereichen. Nur bei Vorhaben, die aufgrund ihres Warenangebotes geringe Auswirkungen auf die Zentrumsstruktur bzw. das städtebauliche Gefüge besitzen, ist eine Ansiedlung in städtebaulicher Randlage unbedenklich. Hierbei handelt es sich vor allem um Bau- und Heimwerkermärkte, Gartencenter, Kfz-Märkte, Möbelmärkte mit begrenzten Rand- und Nebensortimenten. Eine Ansiedlung von Einzelhandel in Gewerbe- und Industriegebieten kann zu unerwünschten Kaufkraftabzügen im innerstädtischen Bereich führen. Sie sollten nur in Ausnahmefällen und wenn keine Auswirkungen auf eine geordnete räumliche Einzelhandelsstruktur zu befürchten sind, für großflächige Einzelhandelseinrichtungen in Anspruch genommen werden."

41

Die Genehmigung der 1. Änderung des Bebauungsplans wurde als "durch Fristablauf gemäß § 6 Abs. 4, § 246 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB als genehmigt" geltend im Amtsanzeiger von Dezember 1996 bekannt gemacht.

42

Bereits am 26.02.1996 hatte die Gemeindevertretung der Beigeladenen zu 2. die Einleitung eines Verfahrens zur 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. 1 beschlossen. Es würden folgende Planziele angestrebt: Änderung des bisherigen Sondergebiets Verbrauchermarkt in ein Mischgebiet und Ergänzung um eine Mischgebietsfläche im Bereich zwischen dem Mümmelken Soll und dem Sondergebiet Forschungseinrichtung. In der Plananzeige vom 08.03.1996 wird hierzu ausgeführt: Aufgrund der Änderung der Rahmenbedingungen im Ordnungsraum Rostock durch die Entstehung großflächiger Handelseinrichtungen in und um Rostock könne der Bedarf an Flächen für großflächige Verbrauchermärkte als gedeckt angesehen werden. Diesen veränderten Rahmenbedingungen entspreche die Beigeladene zu 2. mit den Ausweisungen von Flächennutzungen, die sich langfristigen Bedarf im Ordnungsraum anpassten. Es sei geplant, die Mischgebietsfläche vorrangig für gewerbliche Zwecke zu nutzen. Die geplante Nutzungsänderung solle in den Entwurf des Flächennutzungsplans übernommen werden.

43

In der Stellungnahme des Amts für Raumordnung und Landesplanung vom 24.04.1996 wird hierzu ausgeführt: Mit dem Verzicht auf die Sondergebietsfläche für großflächigen Einzelhandel reagiere die Gemeinde auf die konkrete Situation des Überangebots von Handelseinrichtungen im Umland des Oberzentrums Rostock. Der Planungsabsicht, ein Mischgebiet auszuweisen, könne aus raumordnerischer Sicht nicht zugestimmt werden. Die Ausweisung einer 6,9 ha großen Mischfläche sei aufgrund der zulässigen Nutzung (Wohnen und nichtstörende Gewerbebetriebe) der Eigenentwicklung der Gemeinde nicht angepasst und führe zu einer Zersiedlung des Raumes. Der Kreis Rostock-Land - Sachgebiet Regionalplanung - nahm in seiner Stellungnahme vom 02.05.1996 ebenfalls ablehnend Stellung.

44

Durch Beschluss vom 20.05.1997 hob die Gemeindevertretung der Beigeladenen zu 2. den Aufstellungsbeschluss zur 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. 1 auf.

45

Am 26.08.1997 beschloss die Gemeindevertretung der Beigeladenen zu 2. den Flächennutzungsplan. Dieser wurde durch Teilgenehmigung des Ministeriums für Bau, Landesentwicklung und Umwelt am 23.02.1998 genehmigt und insoweit bekannt gemacht und ist am 16.04.1998 in Kraft getreten. Die Darstellungen hinsichtlich der Wohnbaufläche in Hohenschwarfs, die von der Genehmigung vom 23.02.1998 ausgenommen war, wurde mit Erlass des Ministeriums für Arbeit und Bau vom 25.11.1998 mit einer Auflage erteilt. Die Gemeindevertretung hat den Beitretungsbeschluss am 08.03.1999 gefasst. Die Teilgenehmigung wurde mit Wirkung vom 16.03.1999 bekannt gemacht.

46

Das Verfahren zur Genehmigung des streitbefangenen Vorhabens stellt sich wie folgt dar:

47

Bereits im März 1991 hatten Investoren (Architekten Y. und Z.) bei dem Landrat des ehemaligen Kreises Rostock-Land eine Bauvoranfrage für die Errichtung eines Einkaufszentrums mit drei Fachmärkten (1320, 880 und 935 qm Verkaufsflächen), einem SB-Markt sowie einer Gesamtverkaufsfläche von 9.460 qm gestellt, die unter dem Bezug "Einkaufszentrum K." auf der Grundlage von § 33 BauGB am 27.03.1991 positiv beschieden wurde.

48

Am 06.12.1996 stellte die Beigeladene zu 1. bei dem Beklagte eine Bauvoranfrage für die Errichtung eines "Markthallen und Sonderposten Center K." mit einer Gesamtverkaufsfläche von ca. 9.000 qm. Beabsichtigt ist danach neben dem Bau einer Tankstelle die Errichtung eines Verbrauchermarktes von ca. 3.500 qm, neun weiterer Verkaufseinrichtungen (Restposten, Discounter, Blumen, Angelshop etc.) mit einer Größe zwischen 330 und 800 qm sowie einer Markthalle mit ca. 26 Einzeleinheiten von ca. 30 qm pro Stand.

49

Am 03.04.1997 fand eine Beratung über den Ansiedlungswunsch der Beigeladenen zu 1. beim Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Umwelt statt. In dem darüber am 22.04.1997 gefertigten Vermerk wird ausgeführt: Die Untersuchungsergebnisse der GWH - Dr. L. und Partner von 12/1996 belegten, dass es keinen Spielraum für eine Einzelhandelsentwicklung außerhalb der Innenstadt Rostock gebe. Vielmehr sei die Marktsituation durch eine überdimensionierte Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben in den Umlandgemeinden der Hansestadt Rostock (37 % des Gesamtflächenbestandes) bezüglich peripherer Standorte auf Rostocker Stadtgebiet (insgesamt sind 51 % des Flächenbestandes an der Peripherie der Stadt bzw. im Umland konzentriert) gekennzeichnet. Die Begründung für den Bebauungsplan Nr. 1 zur Ausweisung eines Sondergebiets Verbrauchermarkt aus dem Jahre 1991 (Nachholbedarf an Einzelhandelsflächen in der Region) sei insofern nicht mehr relevant. Diese veränderten Marktbedingungen seien letztendlich auch Anlass der 1. und 2. Änderung gewesen. Zum Zeitpunkt der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 1 im Jahre 1991 habe es weder ein Landes- noch ein Regionales Raumordnungsprogramm gegeben. Die positive landesplanerische Stellungnahme zur Ansiedlung eines Verbrauchermarkts mit 3.500 qm begründe sich zum damaligen Zeitpunkt aus dem enormen Nachholbedarf von Einzelhandelsflächen. Diese Rahmenbedingungen seien heute nicht mehr relevant. Es sei zu prüfen, inwieweit die Gemeinde gemäß § 1 Abs. 4 BauGB den Bebauungsplan an die Ziele der Raumordnung und Landesplanung anpassen müsse, zumal es sich um eine fiktive Genehmigung handele. Die textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 1 seien recht uneindeutig und eröffneten Interpretationsspielräume. Das Bauministerium sowie die Genehmigungsbehörde des Kreises gingen von einer einzelhandelsrelevanten Verkaufsfläche von insgesamt 4.300 qm, davon Verbrauchermarkt 3.500 qm und Fachmärkte mit insgesamt 8.000 qm aus. Als Ergebnis der Beratung wird festgehalten: Mit Aufhebung der 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. 1 durch die Gemeinde erlange der Bebauungsplan Nr. 1 vom 11.03.1992 wieder Rechtskraft. Eine landesplanerische Prüfung des Vorhabens sei nur im Falle der Anpassungspflicht des Bebauungsplans an die Ziele der Raumordnung und Landesplanung nach § 1 Abs. 3 BauGB relevant; dazu bedürfe es einer generellen Entscheidung durch das Bauministerium.

50

Mit Erlass vom 11.07.1997 an das Amt W.-Ost teilte das Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Umwelt "in Umsetzung der Ergebnisse der Beratung vom 03.04.1997" mit: Die Planungsinhalte gemäß Planungsanzeige zur Errichtung eines Markthallen- und Sonderpostencenters mit 9.000 qm Verkaufsfläche widersprächen den Zielen der Raumordnung und Landesplanung. Das Problem der Anpassungspflicht sei mit folgendem Ergebnis geprüft worden: Von einer Anpassungspflicht des Bebauungsplans Nr. 1 der Gemeinde an die Ziele der Raumordnung gemäß § 22 Landesplanungsgesetz werde Abstand genommen.

51

Der Beklagte hatte der Beigeladenen zu 1. bereits am 29.05.1997 den begehrten, hier streitgegenständlichen Bauvorbescheid auf der Grundlage des Bebauungsplanes Nr. 1 erteilt. Der Bescheid wurde der Klägerin nicht bekanntgegeben.

52

Am 16.10.1997 beantragte die Beigeladene zu 1. die Erteilung der Baugenehmigung für den Bau eines "Rest- und Sonderposten-Centers" mit einem Verbrauchermarkt von 932 qm Verkaufsflächengröße sowie 26 weiteren Handelseinrichtungen mit einer Verkaufsflächengröße zwischen 75 und 776 qm.

53

Im Rahmen der fachaufsichtlichen Prüfung teilte das Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Umwelt durch Erlass vom 26.01.1998 dem Beklagten mit: Das Vorhaben solle im Bebauungsplan Nr. 1 errichtet werden. Dieser Bebauungsplan sei seit dem 11.03.1992 rechtskräftig. Die Errichtung des Rest- und Sonderpostencenters verstoße gegen die Festsetzung des Bebauungsplans. Der Bauantrag ziele auf die Errichtung von insgesamt 29 Fachmärkten und Läden. Die Errichtung eines Verbrauchermarktes sei nicht geplant. Nach dem Bebauungsplan solle der Verbrauchermarkt die zentrale Nutzung sein. Damit erfülle der Bauantrag nicht das Ziel des Bebauungsplans und verstoße somit gegen die Festsetzungen. Eine Anwendung des § 31 BauGB komme nicht in Betracht. Es sei nicht auszuschließen, dass ein geänderter Antrag mit einem Verbrauchermarkt eingereicht werde. Da die Festsetzungen des Bebauungsplans nicht eindeutig seien, werde gebeten, das Ministerium zu beteiligen. Zu den geänderten Bauantragsunterlagen (Nachtrag vom 11.02.1998) nahm das Ministerium mit Erlass vom 25.02.1998 wie folgt Stellung: Die Planung sehe nunmehr die Errichtung eines Verbrauchermarktes vor. Aufgrund der vorliegenden Rechtslage werde die Erteilung der Baugenehmigung nicht zu verhindern sein. Aus raumordnerischer Sicht blieben die Bedenken gegen die Errichtung eines solchen Centers an einem solchen Standort bestehen.

54

Der Beklagte erteilte - ebenfalls ohne Bekanntgabe an die Klägerin - der Beigeladenen zu 1. am 11.03.1998 die beantragte Baugenehmigung. Vorgesehene Flurstücke sind 203/1, 204/6, 238/1 und 238/2. Es handelt sich im wesentlichen um die im Bebauungsplan als "SO Verbrauchermarkt" festgesetzte Fläche.

55

Am 13.08.1998 stellte die Beigeladene zu 1. den Antrag zu einem Nachtrag zur Baugenehmigung. Danach soll eine Grundrissänderung gegenüber der erteilten Baugenehmigung vorgenommen werden. In der Aufstellung der Verkaufsfläche im Rest- und Sonderpostencenter soll die Nutzfläche von bislang 9.900 auf 10.763 qm erweitert werden, davon der Verbrauchermarkt von 933 auf 1.084 qm, das Kindererlebniscenter von 430 auf 225 qm verändert werden. Demgemäß solle sich die FOC-relevante Fläche um 13 % von 8.287 auf 7.215 qm reduzieren und die FOC-nichtrelevante Verkaufsfläche sich von 1.128 auf 1.294 qm erhöhen. Mit Bescheid vom 08.12.1998 erteilte der Beklagte den Nachtrag zur Baugenehmigung. In der Genehmigung wird festgehalten, dass der Nachtrag insbesondere eine Nutzflächenänderung beinhalte, unter anderem die Vergrößerung der Fläche für den Verbrauchermarkt im Erdgeschoss und die des gastronomischen Bereichs im Obergeschoss. Zugleich werde die Rest- und Sonderpostenmarkt relevante Verkaufsraumfläche von 8.287 auf 7215 qm reduziert.

56

Die Klägerin erhob unter dem 07.05.1998 gegen Vorbescheid sowie Baugenehmigung Widerspruch und begehrte vorläufigen Rechtsschutz. Den Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 16.12.1998 zurück. Der Ausgangspunkt der Klägerin, der Bebauungsplan Nr. 1 sei unwirksam, treffe nicht zu. Der Plan sei mit ihr abgestimmt. Der durch das Vorhaben verursachte Kaufkraftabfluss sei kein taugliches Kriterium für eine Abstimmungspflicht nach § 2 Abs. 2 BauGB, da diese Vorschrift keinen Wettbewerbsschutz gegen Einzelhandelseinrichtungen im eigenen Gemeindegebiet gebe. Der Plan verstoße auch nicht gegen Ziele der Raumordnung. Diese dienten nämlich nicht den Interessen einzelner Gemeinden. Sie habe die geänderten Rahmenbedingungen vor Genehmigung des Vorhabens erkannt und eine entsprechende Anpassung des Bebauungsplans beschlossen. Da jedoch diese Änderung weder vom Amt für Raumordnung und Landesplanung noch vom Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Umwelt als zwingend notwendig erachtet worden sei, zumal zwischenzeitlich die Bauvoranfrage eingegangen sei, habe die Gemeinde den Änderungsbeschluss wiederaufgehoben. Zu diesem Zeitpunkt hätten die im Widerspruch geäußerten Bedenken der Klägerin bereits hinreichend bekannt sein müssen. Sie habe es jedoch trotz der gefürchteten massiven negativen Auswirkungen unterlassen, ihre Rechte insbesondere durch Einlegung eines geeigneten Rechtsmittels geltend zu machen.

57

Das Vorhaben sei von den Festsetzungen des Bebauungsplans gedeckt. Wegen der geänderten Verhältnisse hätten zwar das Amt für Raumordnung und Landesplanung wie auch das Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Umwelt auf den Erlass des Bauvorbescheids einwirken können, sie hätten jedoch von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Bei der Bewertung des Bauantrags sei jede Nutzungseinheit für sich zu betrachten, d. h. jeder Fachmarkt für sich verkaufe Rest- und Sonderposten seines branchenspezifisch umfassten und dauerhaften Sortiments. Die flächenmäßigen Begrenzungen der Märkte seien eingehalten. Dieser Widerspruchsbescheid wurde den Bevollmächtigten der Klägerin am 23.12.1998 zugestellt.

58

Am 22.01.1999 hat die Klägerin Klage erhoben.

59

Auf Beschwerde der Klägerin ordnete der Senat mit Beschluss vom 30.06.1999 - 3 M 144/98 (VwRR MO 1999, 385 = NordÖR 1999, 522 = NVwZ-RR 2000, 559 = BRS 62 Nr. 62 = DÖV 2001, 134) die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen den Bauvorbescheid und die Baugenehmigung an. Er führte aus: Die Bescheide erwiesen sich als voraussichtlich rechtswidrig. Das geplante FOC sei als Einkaufszentrum in dem "Sondergebiet Verbrauchermarkt" unzulässig. Die Frage, ob die Klägerin durch die rechtswidrig erteilten Bescheide in ihren subjektiven Rechten als Nachbargemeinde verletzt werde, lasse sich ohne nähere Kenntnis von den tatsächlichen Auswirkungen des beabsichtigten FOC auf die städtebauliche Entwicklung der Klägerin nicht abschließend beurteilen und müsse mangels sachverständiger Äußerungen als offen eingeschätzt werden. Eine Verletzung in eigenen Rechten der Klägerin als der dem geplanten Vorhaben benachbarten Gemeinde könne sich grundsätzlich aus § 11 Abs. 3 BauNVO ergeben.

60

Unter Vorlage eines Gutachtens des Hamburger P.-Instituts mit Standort- und Marktanalyse für das FOC vom Oktober 1999 beantragte die Beigeladene zu 1. die Änderung des Beschlusses vom 30.06.1999 nach § 80 Abs. 7 VwGO. Dies lehnte der Senat auf die Beschwerde der Beigeladenen zu 1. gegen die stattgebende Entscheidung des Verwaltungsgerichts mit Beschluss vom 20.04.2000 - 3 M 16/00 (VwRR MO 2000, 423 = BRS 63 Nr. 65) ab. Der Senat beurteile die Frage, ob die Klägerin durch die Baugenehmigung und den Bauvorbescheid betreffend die Errichtung des FOC in ihren Nachbarrechten verletzt werden kann, und damit die der Erfolgsaussichten der Hauptsache, weiterhin als offen. Das P.-Institut ergänzte sein Gutachten unter dem 26.01.2000 und 24.03.2000.

61

Das Verwaltungsgericht erhob aufgrund des Beschlusses vom 12.02.2001 Beweis über die zu erwartenden Umverteilungen der Kaufkraft aus den Gebieten der Klägerin und der Stadt Güstrow und über städtebauliche Auswirkungen auf die Gebiete beider Städte für den Fall der Errichtung und Nutzung der mit den angefochtenen Bescheiden genehmigten Verkaufseinrichtungen durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Mit der Begutachtung wurde die Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung, Ludwigsburg, - GMA - beauftragt.

62

Das Gutachten der GMA von März 2002 kommt zu dem Ergebnis, bei dem Planobjekt sei von einer Mischform zwischen dem Konzept eines klassischen Einkaufszentrums und dem typischen Konzept eines FOC auszugehen. Der Planstandort weise aus betrieblicher Sicht nur eine stark eingeschränkte Standorteignung auf. Zwar sei positiv herauszustellen, dass das wenig ausgeprägte Markenangebot (insbesondere im hochpreisigen Designer- und A-Marken-Segment) in den Haupteinkaufslagen der Städte im Umfeld (z. B. Rostock) kaum wesentliche Konflikte solcher Hersteller mit bestehenden Vertriebspartnern erwarten lasse. Gleichwohl bestünden vor dem Hintergrund der Erfahrungen bei bestehenden FOC in Europa gewisse Zweifel, ob überhaupt eine ausreichende Flächennachfrage von Herstellern an diesem Standort bestehe. Aus städtebaulicher Sicht handele es sich um einen dezentralen, städtebaulich nicht integrierten Standort. Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass - abgesehen von der geplanten Nutzung als FOC - sämtliche Nutzungsoptionen keine ökonomische Tragfähigkeit erwarten ließen. Auf der Grundlage der ermittelten Kaufkraftbewegungen sei festzustellen, dass das Planobjekt gegenüber dem Einzelhandel in Rostock (inklusive Fachmarktzentrum in Randgemeinden) zu einer Umsatzverteilung in Höhe von ca. 17,0 Millionen Euro führe. Damit erziele das FOC ca. 55,6 % seiner Umsatzerwartung durch einen Umsatzabzug gegenüber dem Einzelhandelsstandort Rostock. Dieser sehr hohe Umsatzanteil unterstreiche die Bedeutung und Zentralität von Rostock als Einzelhandelsstandort im Untersuchungsraum. In einem abschließenden Fazit könne konstatiert werden, dass das Planobjekt in K. als städtebaulich und raumordnerisch noch verträglich eingestuft werden könne.

63

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 23.10.2003 abgewiesen. Das Gutachten der GMA komme zu dem Ergebnis, dass es hinsichtlich des FOC zu einem Kaufkraftabfluss aus der Innenstadt der Klägerin von insgesamt 5 % kommen werde. Damit sei die vom Senat im Beschwerdeverfahren geäußerte Unsicherheit, ob das Vorhaben der Beigeladenen negative Auswirkungen in Form von mehr 10 % Kaufkraftabfluss aus dem Innenstadtbereich der Klägerin verursachen werde, beseitigt.

64

Dieses Urteil wurde der Klägerin am 06.11.2003 zugestellt. Am 17.11.2003 hat die Klägerin den Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Diesem Antrag hat der Senat durch Beschluss vom 14.08.2007 entsprochen. Er wurde der Klägerin am 17.08.2007 zugestellt.

65

Am 17.09.2007 hat die Klägerin ihre Berufung wie folgt begründet:

66

Die angefochtenen Bescheide verletzten sie in ihrem Recht auf interkommunale Abstimmung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB. Das Vorhaben könne nicht nach § 35 Abs. 2 BauGB genehmigt werden. Von dieser Rechtslage sei auszugehen, da der zugrundeliegende Bebauungsplan Nr. 1 in der Fassung der 1. Änderung unwirksam sei. Dies ergebe sich aus den Gründen der Versagung der Genehmigung des Bebauungsplans durch Erlass vom 13.02.1991. Das Gebot der interkommunalen Abstimmung folge schon daraus, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Vorhaben um ein Einkaufszentrum im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO handele und das Stadtgebiet der Hansestadt Rostock zum Einzugsbereich des Vorhabens gehöre. Es komme daher entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes nicht auf das Ausmaß der tatsächlichen Auswirkungen auf die Nachbargemeinde an.

67

Das Vorhaben widerspreche auch den Zielen des Regionalen Raumordnungsprogramms Mittleres Mecklenburg/Rostock und sei daher gemäß § 35 Abs. 3 Satz 2 und § 2 Abs. 2 Satz 2 BauGB unzulässig. Das RROP weise die Hansestadt Rostock als Oberzentrum aus. Es handele sich hierbei um ein Ziel der Raumordnung.

68

Im Übrigen sei mit § 11 Abs. 3 BauNVO eine weitere drittschützende Norm verletzt. Es handele sich um ein Einkaufszentrum nach Nr. 1 dieser Vorschrift. Die Errichtung und der Betrieb eines Einkaufszentrums sei in dem im Bebauungsplan festgesetzten Sondergebiet Verbrauchermarkt planungsrechtlich unzulässig. Damit die in § 11 Abs. 3 BauNVO genannten Rechtsfolgen eintreten, bedürfe es bei Einkaufszentren nicht eigens der Feststellung, welche nachteiligen Wirkungen konkret zu erwarten seien.

69

Hinzu kämen nachteilige Auswirkungen auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO. Dabei könne nicht auf die Grenze einer Umsatzverteilung von 10 % als Kriterium abgestellt werden. Die zu erwartenden Umsatzverteilungen seien als Kriterium für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit ungeeignet, weil sie von verschiedenen, baurechtlich nicht beeinflussbaren Faktoren abhingen. Es sei vielmehr auf primär baurechtlich relevante und vom Baurecht erfasste Vorhabensmerkmale abzustellen. In erster Linie maßgebend sei, welche Verkaufsfläche der jeweils in Rede stehende Betrieb im Vergleich zu der gesamten Verkaufsfläche derselben Branche in dem zentralen Versorgungsbereich habe, auf den er nach dem bereits genannten Kriterien einwirke. Diese Grenze sei überschritten, da mit ca. 8.000 qm Verkaufsfläche etwa ein Viertel der vorhandenen innerstädtischen Verkaufsflächen für innerstädtische Sortimente der Klägerin umfasst würden. Schließlich dürften entgegen der Feststellung des Verwaltungsgerichtes die maßgebende Umsatzverteilung zu Lasten der zentralen Versorgungsbereiche bei mindestens 10 % liegen.

70

Die Klägerin beantragt,

71

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 23.10.2003

72

1. die Baugenehmigung des Beklagten vom 11.03.1998 in der Fassung der Genehmigung vom 08.12.1998 aufzuheben

73

2. den Bauvorbescheid des Beklagten vom 29.05.1997 aufzuheben.

74

Der Beklagte beantragt,

75

die Berufung zurückzuweisen.

76

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

77

Die Beigeladene zu 1. beantragt,

78

die Berufung zurückzuweisen.

79

Sie trägt vor: Es liege kein Verstoß gegen das gemeindliche Abstimmungsverbot nach § 2 Abs. 2 BauGB vor, da im Rahmen des Aufstellungsverfahrens des Bebauungsplans Nr. 1 eine Abstimmung mit der Klägerin herbeigeführt worden und deren Anregungen übernommen worden seien. Im Übrigen habe die Klägerin kein Normenkontrollverfahren gegen den Plan angestrengt.

80

Das Verwaltungsgericht sei im Übrigen zu Recht davon ausgegangen, dass von dem Vorhaben keine städtebaulich negativen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche der Klägerin ausgingen. Aus einem Gutachten der GMA von Oktober 1997, das im Auftrag des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau erstellt worden sei, ergäben sich Grenzwerte der Umsatzverteilung nach Sortimenten, bei deren Überschreitung mit schädlichen Folgen zu rechnen sei. Die Gutachter seien auf folgende Werte gekommen:

81
innenstadt-
relevant
nicht
innenstadt-
relevant
Erhebliche Folgen auf den Wettbewerb: größer 10 % größer 10 %
Erhebliche städtebauliche Folgen: 10 - 20 % keine
Erhebliche raumordnerische Folgen: größer 20 % 20 - 30 %
82

Das P.-Gutachten und das Gutachten der GMA wichen im Übrigen nicht wesentlich voneinander ab. Es sei auch inhaltlich und methodisch zutreffend.

83

Von einer Nichtigkeit des Bebauungsplans wegen fehlender Abstimmung oder Verstoßes gegen raumordnerische Vorschriften könne nicht die Rede sein. Die Klägerin habe in einer Stellungnahme vom 22.05.1991 ihre ausdrückliche Zustimmung zu dem Einkaufszentrum K. erteilt, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt würden, die von der Beigeladenen zu 1. "gehorsam erfüllt wurden". Der Plan sei im Übrigen ohne Verletzung von Zielen der Raumordnung und Landesplanung aufgestellt worden, weil der Erste Landesraumordnungsplan erst am 30.07.1993 im Amtsblatt veröffentlicht worden sei. Zudem habe das Wirtschaftsministerium mit Schreiben vom 27.08.1991 eine Übereinstimmung des Vorhabens mit den Zielen bestätigt. Die in dem verspäteten und daher wiederaufgehobenen Versagungsbescheid vom 13.02.1991 aufgeführten Versagungsgründe lägen nicht vor und hätten der Genehmigung nicht entgegengehalten werden dürfen.

84

Im Übrigen entspreche das Vorhaben den Festsetzungen des Bebauungsplans. Insoweit habe der Senat Anlass, seine in den Beschlüssen vom 30.07.1999 und 27.04.2000 geäußerten Auffassungen zu überdenken. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Bebauungsplanes in § 11 BauNVO ein Sondergebiet Verbrauchermarkt nicht vorgesehen sei. Welche der Typen der seinerzeit genannten Betriebsformen (Einkaufszentrum, großflächiger Einzelhandelsbetrieb, sonstiger großflächiger Handelsbetrieb) gemeint sei, sei daher durch Auslegung zu ermitteln.

85

Die Beigeladene zu 2. beantragt ebenfalls,

86

die Berufung zurückzuweisen.

87

Sie schließt sich den Ausführungen der Beigeladenen zu 1. an.

88

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie der Verfahren Verwaltungsgericht Schwerin 2 B 1030/99, 2 B 269/98, 2 B 970/98 2 A 1136/99 sowie die zu diesem Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Beigeladenen zu 2. ergänzend Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

89

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen, da die angefochtenen Genehmigungen rechtswidrig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

90

A. Gegenstand der Klage ist die Baugenehmigung in der Fassung der 1. Änderung. Zwar hat die Klägerin hiergegen keinen Widerspruch eingelegt und sie erst in der Berufungsinstanz in den Prozess einbezogen. Dies steht der Zulässigkeit der darin liegenden Klageänderung im Sinne von §91 VwGO nicht entgegen. Dies ergibt sich aus Folgendem:

91

Es ist durch Auslegung zu ermitteln, ob ein Änderungsbescheid eigenständige ergänzende Regelungen treffen will oder die neuen Regelungen unmittelbar, d. h. ohne jede weitere verfahrensrechtliche Umsetzung an die Stelle der entsprechenden Regelungen des ursprünglichen Genehmigungsbescheides treten und auf diese Weise bewirken soll, dass wiederum ein einheitlicher wenn auch teilweise inhaltlich geänderter Genehmigungsbescheid vorliegt (vgl. BVerwG, U. v. 21.02.1992 - 7 C 11/91 -, BVerwGE 90, 42 = NVwZ 1993, 366). So liegt der Fall hier: Durch die Änderungen werden die Nutzflächen in ihrer Größe neu festgelegt. Die Fläche für den Verbrauchermarkt im Erdgeschoss und der gastronomische Bereich im Obergeschoss wird vergrößert. Zugleich wird der Rest- und Sonderpostenmarkt in seiner Verkaufsraumfläche von 8.287 auf 7.215 qm reduziert. Dies umschreibt eine Neuheit des einheitlich zu beurteilenden Vorhabens. Dieses Vorhaben will die Beigeladene zu 1. nunmehr realisieren. In diesem Falle wäre die Klage ohne Einbeziehung der Änderung unzulässig. Dies ist nämlich der Fall, wenn ein angefochtener Verwaltungsakt während des gerichtlichen Verfahrens geändert wird, sich der Kläger aber, ohne den Änderungsbescheid im Wege der Klageänderung in das anhängige Verfahren einzubeziehen, weiterhin gegen Genehmigungsteile wendet, die durch die Neuregelung gegenstandslos geworden ist (vgl. BVerwG, B. v. 23.04.1998 - 4 B 40/98 -, NVwZ 1998, 1179). Diese Überlegungen führen zugleich dazu, dass die Klageänderung auch ohne Zustimmung der übrigen Beteiligten zulässig ist, da sie sachgerecht ist. Die Aktualisierung des Klageantrags hängt nicht von der Einhaltung einer Widerspruchs- oder Klagefrist ab. Denn der Änderungsbescheid ersetzt den Ursprungsbescheid nicht vollständig. Er bleibt Grundlage des Folgebescheids. Der Änderungsbescheid hat somit hinsichtlich der Gesamtplanung keinen eigenständigen Rechtscharakter. Es besteht daher auch kein Bedürfnis zur Einhaltung von Fristen, wenn die grundlegende Entscheidung bereits angefochten worden ist (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 21.02.1991 - 7 L 110/89 -, OVGE 42, 370 - zit. nach juris -).

92

B. Die Frage, ob die angefochtene Baugenehmigung die Klägerin als Drittbetroffene in ihren Rechten verletzt, beurteilt sich grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung; spätere Änderungen zu Lasten des Bauherrn haben außer Betracht zu bleiben, nachträgliche Änderungen zu seinen Gunsten sind dagegen zu berücksichtigen. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass es mit der Maßgabe des einschlägigen Rechts gewährleisteten Baufreiheit nicht vereinbar wäre, eine zur Zeit des Erlasses rechtswidrige Baugenehmigung aufzuheben, die sogleich nach der Aufhebung wiedererteilt werden müsste (ständige Rechtsprechung; vgl. zuletzt BVerwG, U. v. 20.08.2008 - 4 C 10/07 -, zit. nach juris). Maßgebend ist somit im Ausgangspunkt der Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung. Wegen der Änderungsgenehmigung ist dies der 08.12.1998.

93

C. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung des Bauvorbescheids vom 29.05.1997 besteht, obwohl die Baugenehmigung vom 11.03./08.12.1998 erlassen worden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entscheidet das Landesrecht, ob die Regelungswirkungen des Bauvorbescheids mit der Erteilung einer Baugenehmigung entfallen (vgl. BVerwG, U. v. 09.02.1995 - 4 C 23.94 -, NVwZ 1995, 894). Dies ist nach dem Wortlaut der Vorschriften der alten wie der neuen Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern zum Vorbescheid nicht der Fall. Nach § 68 Abs. 1 Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern in der zum maßgebenden Zeitpunkt geltenden Fassung durch Bekanntmachung vom 06.05.1998 (GVOBl. M-V S. 468, 612) - LBauO MV a.F. - kann vor Einreichung des Bauantrages auf schriftlichen Antrag des Bauherrn über einzelne Fragen, über die im Baugenehmigungsverfahren zu entscheiden ist und die selbständig beurteilt werden können, ein schriftlicher Bescheid (Vorbescheid) erteilt werden. Der Vorbescheid gilt drei Jahre. Die Frist kann auf schriftlichen Antrag jeweils bis zu einem Jahr verlängert werden. § 66 Abs. 1 bis 4, § 69 Abs. 1 und 2, § 71, § 72 Abs. 1 bis 4 und § 74 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes gelten entsprechend. § 75 LBauO M-V n.F. in der jetzt geltenden Fassung gem. Artikel 1 des Gesetzes zur Neugestaltung der Landesbauordnung und zur Änderung anderer Gesetze vom 18.04.2006 (GVOBl. M-V S. 102) bestimmt in ähnlicher Weise: Vor Einreichung des Bauantrags ist auf Antrag des Bauherrn zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens ein Vorbescheid zu erteilen. Der Vorbescheid gilt drei Jahre. Die Frist kann auf schriftlichen Antrag jeweils bis zu einem Jahr verlängert werden. §§ 68 bis 70, 72 Abs. 1 bis 5 und § 73 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes gelten entsprechend. Hieraus ergeben sich keine Hinweise, dass mit Erteilung einer Baugenehmigung die Rechtswirkungen eines Vorbescheids entfallen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sie fortwirken und dessen Regelung in die Baugenehmigung lediglich nach Art des "Baukastenprinzips" inkooperiert wird. Eine andere Annahme käme nur dann in Betracht, wenn die Bauaufsichtsbehörde mit der Erteilung der Baugenehmigung den Bauvorbescheid ausdrücklich für erledigt erklärt und so seine Wirkung aufhebt. Dies ist nicht geschehen (in diesem Sinne auch OVG Lüneburg, U. v. 24.04.1997 - 6 L 5476/95 -, OVGE 47, 338 - zit. nach juris -). Für dieses Verständnis spricht auch, dass dann, wenn sich aus Gesichtspunkten, die nicht Gegenstand des Bauvorbescheides sind, die nachfolgende Baugenehmigung als rechtswidrig erweist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, der Bauherr der Bindungswirkung des Bauvorbescheids für eine nachfolgende erneute Entscheidung über einen geänderten Bauantrag verlustig gehen würde. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob hier die Baugenehmigung den vorweggenommenen Regelungen des Bauvorbescheids (vollständig) entspricht.

94

D. Das Vorhaben ist sowohl in der Form des Bauvorbescheids wie in der der Baugenehmigung und ihrer Änderung bauplanungsrechtlich unzulässig.

95

I. Sofern die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 1 in der Fassung der 1. Änderung wirksam sind, ist das Vorhaben mit dessen Festsetzung im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB in der hier maßgebenden Fassung der Bekanntmachung vom 27.08.1997 (BGBl. I 1997, 2141, ber. BGBl. I 1998, 137), zul. geändert durch Begleitgesetz zum Telekommunikationsgesetz (BegleitG) vom 17.12.1997 (BGBl. I, 3108) nicht vereinbar.

96

Das Vorhaben soll auf den Flurstücken 203/1, 204/6, 238/1 und 238/2 errichtet werden. Es handelt sich im Wesentlichen um die im Bebauungsplan als "SO Verbrauchermarkt" festgesetzte Fläche.

97

Der Senat hat zur Frage der Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Fortsetzungen des Bebauungsplans ausgeführt (B. v. 30.06.1999 - 3 M 144/98 - a.a.O.):

98

"Dem Vorhaben stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen (§§ 68 Abs. 1 und 2, 72 Abs. 1 LBauO MV (a.F.), § 30 Abs. 1 BauGB i. V. m. den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 1). Die Beigeladene zu 1. beabsichtigt mit dem geplanten Neubau eines "Markthallen und Sonderposten-Center" (Voranfrage) bzw. "Rest- und Sonderpostencenter" (Bauantrag laut Nachtrag vom 12.08.1998) die Errichtung eines Einkaufszentrums i.S.v. § 11 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO und nicht lediglich eines großflächigen Einzelhandelsbetriebes nach § 11 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO, wie es das Verwaltungsgericht nach seinen Ausführungen auf Seite 8 des Beschlußabdrucks angenommen hat. Nach den maßgeblichen Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 1 ist die Errichtung eines Einkaufszentrums in dem "Sondergebiet Verbrauchermarkt" jedoch unzulässig.

99

a) Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, daß es sich bei dem in Aussicht genommenen Vorhaben um ein sogenanntes "factory outlet center" handelt, in dem u.a. Vorjahresprodukte, solche mit Fehlern, Restposten, Auslaufmodelle oder Produkte, die exklusiv für den Fabrikverkauf hergestellt werden, vertrieben werden. "Factory outlet center" erfüllen i. d. R. die Merkmale eines Einkaufszentrums i.S.d. Baunutzungsverordnung (vgl. OVG Koblenz, Beschluß vom 08.01.1999 - 8 B 12650/98, NVwZ 1999, 435; Jahn, Einkaufen auf amerikanisch?, GewArch 1997, 456, 457/458; Runkel, Factory-Outlet-Center, UPR 1998, 241, 244; Reidt, Factory-Outlet- und Sonderpostenmärkte als besondere Formen des großflächigen Einzelhandels, NVwZ 1999, 45, 46; vgl. zur Betriebsform "Einkaufscenter" grundlegend: BVerwG, Urteil v. 27.4.1990 - 4 C 16/87 -, NVwZ 1990, 1074). Auch das hier streitige Vorhaben erfüllt die in der Rechtsprechung als für ein Einkaufszentrum kennzeichnend angesehenen Merkmale eines von vornherein einheitlich geplanten, finanzierten, gebauten und verwalteten Gebäudekomplexes mit mehreren Einzelhandelsbetrieben verschiedener Art und Größe. Soweit die Auffassung vertreten wird, wegen der Beschränkung auf wenige Warengruppen mit einer geringen Sortimentsbreite, insbesondere auch durch den Ausschluß von Waren des täglichen Bedarfs sowie von Dienstleistungen, sei ein "FOC" kein Einkaufszentrum, sondern ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb i.S.d. § 11 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO (Moench/Sander, Die Planung und Zulassung von Factory Outlet Centern, NVwZ 1999, 337ff., 339), kann sich der Senat dem jedenfalls für das vorliegend geplante "FOC" nicht anschließen. Die genannten Angebotsbegrenzungen weist das geplante Vorhaben nicht auf. Mit seinen nahezu 30, wesentliche Bereiche innenstadtrelevanter Sortimente abdeckenden Einzelgeschäften, einem "Verbrauchermarkt", einem Bäckereigeschäft sowie gastronomischen Einrichtungen kann an einer Bewertung als Einkaufszentrum kein ernsthafter Zweifel bestehen (vgl. insoweit auch Reidt, a.a.O., 46.

100

b) Der Bebauungsplan Nr. 1 sieht die Errichtung eines Einkaufszentrums im "Sondergebiet Verbrauchermarkt" nicht vor. Nach dem Wortlaut der Planfestsetzungen über das Sondergebiet ist die planungsrechtliche Zulässigkeit eines Einkaufszentrums weder im positiven noch im negativen Sinne ausdrücklich geregelt. Die gebotene Auslegung der Bebauungsplanfestsetzungen (vgl. BVerwG, Urteil v. 18.2.1983 - 4 C 18.81 -, BRS 40 Nr. 64; Ziegler in Brügelmann, Baugesetzbuch, Band 5, § 1, Rn. 259) ergibt, daß Bau und Betrieb eines Einkaufszentrums unzulässig sind:

101

Nach § 11 Abs. 2 BauNVO sind für Sondergebiete die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung festzusetzen. Aus der Zweckbestimmung ergeben sich Maßstäbe und Grenzen für die Anwendung verschiedener baurechtlicher Bestimmungen (BVerwG, Urteil v. 18.2.1983, a.a.O.). Sie ist Voraussetzung für die Sicherstellung der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung und gibt den Rahmen für die Festsetzung der Art der Nutzung (Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: März 1998, § 11 BauNVO, Rn. 30). Die festzusetzende Art der Nutzung entscheidet konkret über die Zulässigkeit von Vorhaben (Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., Rn. 31). Zweckbestimmung und Art der Nutzung müssen hinreichend bestimmt festgesetzt sein. Daher dürfen zwischen beiden Festsetzungen keine durch Auslegung nicht zu behebende Widersprüche bestehen (Ziegler, a.a.O. § 11 BauNVO, Rn. 32). Vorliegend führte man einen solchen Widerspruch zwischen allgemeiner Zweckbestimmung ("Verbrauchermarkt") und der Art der zulässigen Nutzung herbei, wenn man davon ausginge, daß die Planfestsetzungen auch ein Einkaufszentrum umfaßten.

102

aa) Die vorliegend getroffene Zweckbestimmung "Verbrauchermarkt" läßt ein den Begriff des Einkaufszentrums einbeziehendes Auslegungsergebnis nicht zu. Unter einem Verbrauchermarkt wird ein preispolitisch aggressiver, großflächiger Einzelhandelsbetrieb mit mindestens 1.000 qm Verkaufsfläche verstanden (vgl. Fickert/Fieseler, Baunutzungsverordnung, 8. Auflage, § 11, Rn. 19.4.). Er ist mit dem Begriff des "Einkaufszentrums" nicht deckungsgleich, das zwar seinerseits - neben weiteren Einzelhandelseinrichtungen - aus einem oder mehreren Verbrauchermärkten bestehen kann, darüber hinaus aber durch eine besondere Betriebsform mit besonderer Anziehungswirkung auf die Kundschaft gekennzeichnet ist (vgl. BVerwG, Urteil v. 27.4.1990, a.a.O.). Den Begriff "Verbrauchermarkt" hat die Baunutzungsverordnung bis zu ihrer Änderung im Jahre 1977 in Abgrenzung zu dem des "Einkaufszentrums" selbst verwendet. Mit der Neufassung des § 11 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ist dann, weil nicht alle regelungswürdigen Fälle abgedeckt werden konnten, an die Stelle des Begriffes "Verbrauchermarkt" derjenige des "großflächigen Einzelhandelsbetriebes" unter Beibehaltung der Kategorie "Einkaufszentrum" in § 11 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO getreten (vgl. Thies, Einzelhandelsgroßbetrieb im Städtebaurecht, Rn. 20ff.l). Die allgemeine Zweckbestimmung des Sondergebietes (= "Verbrauchermarkt") ist insoweit, was die Abgrenzung zu einem Einkaufszentrum angeht, rechtlich eindeutig.

103

bb) Der Senat hält es zwar mit der Beigeladenen zu 1. für denkbar, die Zulässigkeit eines Einkaufszentrums im Textteil des Bebauungsplanes unter "Art der baulichen Nutzung" zu regeln, ohne diesen Begriff ausdrücklich zu verwenden, sondern die Betriebsform lediglich ihren typischen Merkmalen nach zu beschreiben. Das ist hier aber nicht geschehen. Mit den getroffenen Festsetzungen unter Nr. 1 der Planfestsetzungen ist ein Einkaufszentrum seinen typischen, von großflächigen Einzelhandelsbetrieben abweichenden Merkmalen nach nicht ausreichend beschrieben. Wie zwischen den Beteiligten vor dem Hintergrund der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urteil v. 27.4.1990, a.a.O.) eingehend erörtert, erfordert die Annahme eines Einkaufszentrums mehr als die Häufung der einzelnen Handels- und Dienstleistungseinrichtungen. Hinzutreten muß entscheidend, daß die einzelnen Betriebe aus Sicht des Kunden als aufeinander bezogen, als durch ein gemeinsames Konzept und durch Kooperation miteinander verbunden in Erscheinung treten. Dieser entscheidende Aspekt wird von den Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung ersichtlich nicht erfaßt. Ein auch ein Einkaufszentrum umfassendes Verständnis von der Art der zulässigen Nutzung würde den Rahmen der zuvor erörterten allgemeinen Zweckbestimmung überschreiten und insoweit zu einem unzulässigen Widerspruch zwischen der allgemeinen Zweckbestimmung und der Art der zulässigen Nutzung führen.

104

Der Senat hat vor dem Hintergrund der Bauvoranfrage der Architekten Ho. und Ha. aus dem Jahre 1991, in der von einem "Einkaufszentrum K." die Rede ist, erwogen, die Planfestsetzungen ("Verbrauchermarkt") als bloße Falschbezeichnung übereinstimmend gewollter, anders lautender Festsetzungen anzusehen. Eine solche Auslegung verbietet sich jedoch angesichts des Normcharakters der umstrittenen Planfestsetzungen. Umstände, die nicht allen Normunterworfenen bekannt sein können, wie Abstimmungen mit lediglich bestimmten Beteiligten, können für das - allgemeine - Verständnis der Norm nicht berücksichtigt werden (vgl. Palandt, BGB, 58. Aufl., § 133 Rn. 12)."

105

Daran hält der Senat im Ergebnis fest.

106

Textlich ist festgesetzt: "In dem festgesetzten Sondergebiet Verbrauchermarkt sind zulässig: Verbrauchermarkt (Sortiment: Lebensmittel, Geh- und Verbrauchsgüter des kurz- und mittelfristigen Bedarfs), Verkaufsfläche max. 3.500 qm, Fachmärkte (branchenspezifisches Sortiment), Verkaufsfläche max. 800 qm; Läden; Büros und Dienstleistungseinrichtungen; Tankstelle mit Autowaschanlage und Werkstatt. Als GRZ ist 0,5 als GFZ 0,6 und als GH 10,0 m festgesetzt."

107

Schon die grammatikalische Gegenüberstellung "Verbrauchermarkt" und "Fachmärkte", "Läden, Büros und Dienstleistungseinrichtungen" ergibt, dass nur ein einziger Verbrauchermarkt zulässig sein soll. Ein anderes Verständnis scheitert auch an einer dann unzulässigen Verkaufsflächenbegrenzung. Wird die Bestimmung nämlich so ausgelegt, dass nicht ein einziger Verbrauchermarkt mit einer max. Verkaufsfläche von 3.500 qm vorgesehen ist, sondern mehrere, wäre eine solche gebietsbezogene Verkaufsflächenbegrenzung unwirksam. Aus dem Urteil des BVerwG vom 27.04.1990 - 4 C 36/87 - NVwZ 1990, 1071 lässt sich nicht herleiten, dass die Festsetzung gebietsbezogener Verkaufsflächenbeschränkungen zulässig ist. Eine solche Kontingentierung der Verkaufsflächen, die auf das Sondergebiet insgesamt bezogen ist, wäre das Tor für sog. "Windhundrennen" potentieller Investoren und Bauantragsteller und schließt die Möglichkeit ein, dass Grundeigentümer im Fall der Erschöpfung des Kontingents von der kontingentierten Nutzung ausgeschlossen sind. Dieses Ergebnis widerspricht dem der Baugebietstypologie (§§ 2 bis 9 BauNVO) zugrunde liegenden Regelungsansatz, demzufolge im Geltungsbereich eines Bebauungsplans im Grunde jedes Baugrundstück für jede nach dem Nutzungskatalog der jeweiligen Baugebietsvorschrift zulässige Nutzung in Betracht kommen können soll (BVerwG, U. v. 03.04.2008 - 4 CN 3/07 - NVwZ 2008, 902; Garz in: jurisPR-BVerwG 16/2008 Anm. 2).

108

Bei der Auslegung des Begriffs "Verbrauchermarkt" im Bebauungsplan ist davon auszugehen, dass das seinerzeitige Verständnis im bauplanungsrechtlichen Zusammenhang maßgebend war. Das BVerwG (U. v. 18.06.2003 - 4 C 5/02 - NVwZ 2003, 1387) hat ausgeführt:

109

"Verbrauchermarkt (ist) ein Einzelhandelsbetrieb ..., der sich von den ehemals vorherrschenden Formen wohnungsnaher Einzelhandelsbetriebe und Läden unterscheidet, die in die ausschließlich, überwiegend oder zumindest auch dem Wohnen dienenden Gebiete gehören und dort typischerweise auch zu finden sind. Das maßgebende Abgrenzungsmerkmal ist die Großflächigkeit. Ein Verbrauchermarkt verfügt über eine größere Verkaufsfläche als die Einzelhandelsbetriebe der wohnungsnahen Versorgung, deren Verkaufsflächen-Obergrenze nicht wesentlich unter 700 qm, aber auch nicht wesentlich darüber liegen dürfte (BVerwG, U. v. 22.05.1987 - 4 C 19.85 - BRS 47 Nr. 56). Dagegen kommt es auf Merkmale wie aggressive Preispolitik, Tendenz zum Verkauf in größeren Mengen und Einkauf im Wege der Selbstbedienung nicht an. Sie sind keine begrifflichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Verbrauchermarkts, sondern beschreiben, ebenso wie das Angebot auch von Lebensmitteln, dessen häufige Erscheinungsformen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Juli 1986 - BVerwG 4 B 144.86 - ZfBR 1986, 243 = NVwZ 1987, 50 <51>)."

110

Die Flächengröße hat das BVerwG zwischenzeitlich unter Anpassung an die Gegebenheiten des Markts aus 800 qm erhöht (BVerwG, U. v. 24.11.2005 - 4 C 10/04 - BVerwGE 124, 364 = NVwZ 2006, 452).

111

Allerdings hat das BVerwG (U. v. 18.06.2003 a.a.O.) bei der Auslegung des § 11 BauNVO 1968 angenommen, der Begriff des Verbrauchermarkts beschränke sich nicht auf großflächige Einzelhandelsbetriebe mit einem hauptsächlich auf Lebensmittel und verwandte Waren ausgerichteten oder mit einem insgesamt warenhausähnlichen Sortiment; auch ein so genannter Fachmarkt (etwa für Fahrräder und Sportbedarf) könne ein Verbrauchermarkt sein. Diese Auslegung ergab sich aber aus den spezifischen, dargelegten Zusammenhängen des § 11 BauNVO 1968 und ist hier nicht übertragbar, weil der Satzungsgeber ausdrücklich andere Flächen als SO Fachmarkt ausgewiesen hat, so dass er ein anderes Verständnis des "Verbrauchermarkts" zu Grunde legt.

112

Ein Verbrauchermarkt ist von einem Einzelhandelszentrum abzugrenzen: Ein Verbrauchermarkt stellt eine Einkaufsgelegenheit für Endverbraucher dar, die in der Regel durch den Verkauf von Waren in größerer Menge, preisgünstige Angebote und das Selbstbedienungsprinzip gekennzeichnet ist. Eine besondere Zusammensetzung oder Begrenzung des Warenangebots wird nicht gefordert. Verbrauchermärkte lassen sich ohne weiteres von "Einkaufszentren" nach § 11 Abs. 3 BauNVO abgrenzen, die eine Zusammenfassung von Betrieben verschiedener Branchen und Größenordnung darstellen (VGH München, B. v. 21.07.2000 - 25 ZB 99.3662 - juris unter Hinweis auf vgl. BR-Drs. 402/68 zu 6). "Einkaufszentren" als spezielle, unter einheitlichem Management stehende Agglomerationsform des Einzelhandels sind im Verständnis der BauNVO per se großflächige Einzelhandelsbetriebe (BVerwG, U. v. 27.04.1990 - 4 C 16/87 - NVwZ 1990, 1074; Callies: Kommunale Einzelhandelszentrenkonzepte und ihre Anwendung als Steuerungsinstrument der städtischen Einzelhandelsentwicklung - Ziele, Ansätze, Wirkungsweise und Erfahrungen aus der Praxis, 2004 S. 263). Bei einem Einkaufszentrum im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO handelt es sich somit um einen Gebäudekomplex, in dem Einzelhandelsbetriebe verschiedener Art und Größe räumlich konzentriert werden und die einzelnen Betriebe aus der Sicht der Kunden als aufeinander bezogen, als durch ein räumliches Konzept und durch Kooperation miteinander verbunden in Erscheinung treten (BVerwG, B. v. 12.07.2007 - 4 B 29/07 - BauR 2007, 2023). Das gilt auch für factory-outlet-Zentren; sie werden - nur - durch die Festsetzung "SO großflächiger Einzelhandel" oder "SO Einkaufszentrum" erfasst, nicht aber Verbrauchermarkt (vgl. Ernst: Standortsteuerung durch Landesplanung und kommunale Leitplanung, 2006 S. 196, 202).

113

Wegen der unterschiedlichen planungsrechtlichen Inhalte von Verbrauchermarkt und Einkaufszentrum kann der Überlegung der Beigeladenen zu 1. nicht gefolgt werden, der im Bebauungsplan gewählte Begriff "Verbrauchermarkt" habe jedenfalls nach den Planungsvorstellungen auch ein Einkaufszentrum umfasst. Zwar mag diese Vorstellung auf Seiten der Investoren oder weiterer Beteiligter vorhanden gewesen sein, sie kommt jedoch nicht in den Festsetzungen zum Ausdruck. Ein solches Verständnis würde auch an dem Bestimmtheitsgrundsatz planerischer Festsetzungen scheitern. Aus § 11 Abs. 2 S. 2 BauNVO wird deutlich, dass zwischen Einkaufszenten und sonstigen großflächigen Handelsbetrieben in der Zweckbestimmung eines Sondergebiets zu unterscheiden ist. Allerdings ist die Gemeinde, soweit sie einen Begriff aus dem Nutzungsartenkatalog der BauNVO verwendet, nicht gehindert, ihn entsprechend der besonderen Zweckbestimmung des Sondergebiets abzuwandeln (BVerwG, B. v. 08.05.1989 - 4 B 78.89 - NVwZ 1989, 1060). Hierfür müssen sich aber Anhaltspunkte aus der Auslegung der Festsetzung ergeben. Für die Auslegung ist auch die Begründung heranzuziehen (BVerwG 4. Senat, U. v. 22.05.1987 - 4 C 57/84 - BVerwGE 77, 300 = NVwZ 1988, 54); sie ist indessen in Ziff. 3. (2) der ursprünglichen Planung völlig unergiebig. Auch in den übrigen Vorgängen über die Aufstellung des Bebauungsplans, die die Beigeladene zu 2 dem Senat überreicht hat, ist an keiner Stelle ersichtlich, dass ein Einkaufszentrum ermöglicht werden soll. Es ist von einem SB-Markt von max. 3.500 qm und Fachmärkten von max. 800 qm Verkaufsfläche die Rede (vgl. etwa Satzungsbeschluss vom 29.07.1991 unter Ziff. 1 (1)). Hierunter kann eine Einheit nach Art eines Einkaufszentrums nicht verstanden werden. Sollte das Sondergebiet beide Nutzungsarten ermöglichen, hätte dies in der textlichen Festsetzung ausdrücklich geregelt werden müssen, etwa durch Nennung beider Nutzungsarten (vgl. zur Kombination mehrerer Nutzungsarten Fickert/Fieseler, Baunutzungsverordnung, 11. Aufl. 2008 § 11 Rn. 10.1). Außerdem setzt eine sachgerechte Abwägung wegen der unterschiedlichen städtebaulichen Auswirkungen voraus, dass die Gemeinde sich darüber Klarheit verschafft, ob sie ein Einkaufzentrum oder einen Verbrauchermarkt oder beides zugleich planerisch zulassen will.

114

Das hier genehmigte Vorhaben sieht 29 Verkaufsflächen, davon "Verbrauchermarkt" 933 qm (ursprüngliche Baugenehmigung) bzw. 30 Verkaufsflächen, davon "Verbrauchermarkt" 1084 qm zzgl. 1 Bäcker und Verkaufsbuden (Nachtragsgenehmigung) vor. Damit liegt - auch nach den eigenen Angaben der Beigeladenen zu 1 - ein Einkaufszentrum mit einem Verbrauchermarkt vor.

115

II. Unabhängig davon richtet sich die Zulässigkeit des Vorhabens nicht nach § 30 Abs. 1 BauGB, da sich der Bebauungsplan der Beigeladenen zu 2. sowohl in der Fassung der 1. Änderung (2.) wie in der Ursprungsfassung als unwirksam erweist (3.). Dies beruht darauf, dass das RROG Ziele der Raumordnung enthält, die die Beigeladene zu 2 nicht beachtet hat (1.). Das Vorhaben ist mit den den dann maßgebenden Vorgaben des § 35 BauGB nicht vereinbar (4.)

116

1. Die Bestimmung nach 6.2.2. i.V.m. Ziff. 1.1. des RROG, das am 11.11.1994 in Kraft trat, enthält ein Ziel der Raumordnung.

117

Unabhängig von der Wortwahl (vgl. zur Bedeutung der Begrifflichkeiten für Raumordnungspläne vor dem 01.07.1998 BVerwG, U. v. 18.09.2003 - 4 CN 20/02 - BVerwGE 119, 54 = NVwZ 2004, 226 -) ist ein Ziel die verbindliche Vorgabe in Form von räumlichen und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Landes- oder Regionalplanung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen. Aus der Formulierung des Textes muss deutlich werden, dass die Gemeinden gerade nicht die Möglichkeit haben sollen, sich über die landesplanerischen Abwägung hinwegzusetzen (Senatsurteil vom 09.04.2008 - 3 L 84/05)

118

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 17.09.2003 - 4 C 14.01 - NVwZ 2004, 220, 224) stellt der Konzentrationsgrundsatz ein Ziel der Raumordnung dar. Nach dieser Rechtsprechung ist die Standortplanung für Einzelhandelsgroßbetriebe nicht auf die Instrumente der Bauleitplanung beschränkt. Das Bundesverwaltungsgericht führt hierzu weiter aus:

119

"Sie (die Standortplanung) kann bereits auf der Ebene der Landesplanung einsetzen und - in unterschiedlicher Gestalt - mit der zentralörtlichen Gliederung ("polyzentrale Siedlungsstruktur") verbunden werden. Die Verbindung großflächiger Einzelhandelsbetriebe mit einer bestimmten Zentralitätsstufe soll die Versorgung in allen Teilen des Landes entsprechend dem Bedarf in zumutbarer Entfernung auch für die nicht-mobile Bevölkerung sicherstellen und zugleich einer Unterversorgung zentraler Wohnbereiche entgegenwirken, die eintritt, wenn die Konzentration des großflächigen Einzelhandels an Standorten, die gar nicht zum Netz der zentralen Orte gehören oder innerhalb des hierarchisch gegliederten Systems auf einer niedrigen Zentralitätsstufe liegen, zu einem "flächendeckenden" Kaufkraftabzug aus den Versorgungszentren der höherstufigen zentralen Orte führt".

120

Dieser Zielsetzung entspricht die in Plansatz 6.2.2 Abs. 3 S. 2. RROG enthaltene Aussage, wonach mögliche Standorte für großflächige Einzelhandelseinrichtungen (Betriebe über 1200 qm Geschossfläche - 700 qm Verkaufsfläche) in der Regel die zentralen Orten sind. Die in Plansatz 6.2.2 Abs. 4 RROG getroffenen Regelungen beinhalten nähere Vorgaben für so zulässige Ansiedlungen großflächiger Einzelhandelseinrichtungen. Soweit sie Ausnahmen ermöglichen soll ("in der Regel"), entsprechen sie den Bestimmtheitsanforderungen. Landesplanerische Aussagen, die eine Regel-Ausnahme-Struktur aufweisen, erfüllen die Merkmale eines Ziels der Raumordnung, wenn der Planungsträger neben den Regel- auch die Ausnahmevoraussetzungen mit hinreichender tatbestandlicher Bestimmtheit oder doch wenigstens Bestimmbarkeit selbst festlegt (BVerwG, U. v. 18.09.2003 - 4 CN 20/02 - BVerwGE 119, 54 = NVwZ 2004, 226). Dies ist hier der Fall: Aus Ziff. 6.2.2. Abs. 3 S. 3 und der dazu gegebenen Begründung wird deutlich, dass eine Ausnahme dann in Betracht kommt, wenn keine negativen Auswirkungen auf die Standortgemeinde, das Umland und auf andere zentrale Orte ausgehen und Besonderheiten des Verflechtungsbereichs der Standortgemeinde bestehen, die einem zentralen Ort nahe kommen. Auch das in Ziff. 1.1. RROG enthaltene Zentrale-Orte-Prinzip ist als verbindliches raumordnerisches Ziel anerkannt (VGH Mannheim, U. v. 13.07.2004, VBlBW 2005, 67; U. v. 08.12.2005 - 3 S 2693/04 - und dazu BVerwG, B. v. 08.06.2006 - 4 BN 8.06 -; Beschl. v. 09.12.2005 - 8 S 1754/05; U. v. 27.09.2007 - 3 S 2875/06 -; zur Bedeutung des Systems der zentralörtlichen Gliederung als Grundprinzip der Raumordnung in anderen Bundesländern vgl. ferner die Urteile des OVG Berlin-Brandenburg v. 12.05.2006 - 12 A 28.05 - juris, und des OVG Lüneburg v. 01.05.2005 - 1 LC 107/05 - juris).

121

2. Die 1. Änderung ist unwirksam, weil sie gegen § 1 Abs. 4 BauGB in der maßgebenden Fassung des Gesetzes zur Erleichterung von Investitionen und der Ausweisung und Bereitstellung von Wohnbauland (InvErlWoBauldG) vom 22.04.1993 (BGBl. I 466) - BauGB 1993 -, zul. geändert durch das Gesetz zur Regelung des Planungsverfahrens für Magnetschwebebahnen (MBPlanG) vom 23.11.1994 (BGBl. I 3486) verstößt. Danach sind Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung und Landesplanung anzupassen. Diese Bestimmung galt unverändert sowohl im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die streitbefangene 1. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 010 wie im Zeitpunkt der Ausfertigung und Bekanntmachung derselben.

122

a) Die Anpassungspflicht des § 1 Abs. 4 BauGB wird - unbeschadet der Anpassungspflicht für bestehende Bauleitpläne - jedenfalls dann aktiviert, wenn ein von den Zielen der Raumordnung abweichender Bebauungsplan geändert wird. Dies gilt unabhängig vom Umfang der Änderung. Anderenfalls könnte sich das Ziel der Raumordnung gegen ältere Bebauungspläne, die dieses Ziel nicht berücksichtigen, nicht durchsetzen, wenn sich Änderungen des Bebauungsplanes nicht auf diese Zielfestlegung oder nur parziell darauf beziehen. Dies widerspräche dem System der Planung im Raum, das eine materielle Konkordanz zwischen der übergeordneten Landesplanung und der gemeindlichen Bauleitplanung voraussetzt (vgl. BVerwG, U. v. 30.01.2003 - 4 CN 14.01 -, BVerwGE 117, 351 ff.; BauR 2003, 1175 = UPR 2003, 3004; Senatsurteil vom 21.01.2008 - 3 K 30/06 - NordÖR 2008, 397).

123

Die Anpassungspflicht nach § 1 Abs. 4 BauGB verlangt, dass die Ziele der Raumordnung im Bebauungsplan beachtet werden, das heißt, die Festsetzungen des Bebauungsplanes dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen (vgl. Erbguth/Wagner, Grundzüge des öffentlichen Baurechts, 4. Aufl. 2005 § 5 Rn. 90). Die Gemeinde darf die Ziele der Raumordnung zwar je nach deren Aussageschärfe konkretisieren und ausgestalten, sich über sie aber nicht im Wege der Abwägung hinwegsetzen. An die Ziele der Raumordnung sind die örtlichen Planungsträger strikt gebunden. Planungen, die einem geltenden Ziel der Regionalplanung widersprechen, haben sie zu unterlassen. Legt ein RROP als Ziel der Raumordnung fest, dass innerhalb eines bestimmten Gebiets eine bestimmte Art der Nutzung nicht stattfinden darf, muss die Gemeinde bei einer Überplanung des Gebiets diese beachten (vgl. BVerwG, B. v. 07.02.2005 - 4 BN 1/05 - NVwZ 2005, 584)

124

Der Plansatz 6.2.2 Abs. 3 S. 2. RROG enthält die Aussage, dass großflächige Einzelhandelseinrichtungen (Betriebe über 1200 qm Geschossfläche - 700 qm Verkaufsfläche) in der Regel nur in Zentralen Orten errichtet werden dürfen. Die Beigeladene zu 2 hat nicht den Status eines Zentralen Orts. Mit dem Begriff "großflächige Einzelhandelseinrichtungen" hat das RROG erkennbar - wie die Begründung zu Ziff. 6.2.2. erkennen lässt - an die seinerzeitige Rechtsprechung des BVerwG angeknüpft. Im Urteil vom 22.05.1987 - 4 C 19.85 - NVwZ 1987, 1076 war das BVerwG davon ausgegangen, dass die Großflächigkeit dort beginne, wo üblicherweise die Größe der wohnungsnahen Versorgung dienender Einzelhandelsbetriebe, seinerzeit auch "Nachbarschaftsläden" genannt, ihre Obergrenze finde. Vieles spreche dafür, dass sie die Verkaufsfläche nicht wesentlich unter 700 qm, aber auch nicht wesentlich darüber liege. Damit ist die Festsetzung, dass ein Verbrauchermarkt von max. 3.500 qm zulässig ist, mit Ziff. 6.2.2. des RROP nicht vereinbar. Ob die übrigen Fachmärkte etc. bei der Bestimmung der Großflächigkeit hinzu- oder zusammengerechnet werden müssen, kann danach offen bleiben. Hier wäre zu berücksichtigen: Ob es sich um einen einzigen oder um mehrere Betriebe handelt, bestimmt sich nach baulichen und betrieblich-funktionellen Gesichtspunkten. Ein Einzelhandelsbetrieb ist nur dann als selbstständig anzusehen, wenn er unabhängig von anderen Betrieben genutzt werden kann und deshalb als eigenständiges Vorhaben genehmigungsfähig wäre. Dies ist bei einem Betrieb zu bejahen, der über einen eigenen Eingang, eine eigene Anlieferung und eigene Personalräume verfügt (BVerwG, U. v. 24.11.2005 - 4 C 8/05 - BauR 2006, 648). Wenn man der Auffassung folgen wollte, die Festsetzungen ermöglichten ein Einkaufszentrum von ca. 9.000 qm, wäre die Nichterfüllung des Anpassungsgebots noch bedeutsamer.

125

Allerdings ist die 1. Änderung am 20.03.1993 beschlossen worden, als das RROP noch nicht in Kraft gewesen war. Dies geschah am 11.11.1994. Die 1. Änderung ist jedoch erst am 16.12.1996 bekannt gemacht worden. Wenn nach Beschlussfassung des Bebauungsplans ein Ziel der Raumordnung rechtswirksam wird, das eine Anpassungspflicht begründet, darf der Bebauungsplan nicht bekanntgemacht werden. Dies gilt in besonderer Weise, wenn ein Ziel der Raumordnung ersichtlich mit der Absicht erlassen worden ist, eine bestimmte gemeindliche Planung oder Planungen zu verhindern (vgl. BVerwG, B. v. 14.05.2007 - 4 BN 8/07 - NVwZ 2007, 953).

126

b) Ein Verstoß gegen § 1 Abs. 4 BauGB ist nach § 214 BauGB in allen Fassungen beachtlich. Damit erweist sich schon aus diesem Grund die 1. Änderung als unwirksam.

127

c) Ob der Plan nicht aus anderen Gründen, etwa der Nichtnachvollziehbarkeit des Genehmigungsverfahrens unwirksam ist, kann dahinstehen.

128

d) Ob die Unwirksamkeit sich auch auf den Bebauungsplan in der ursprünglichen Fassung erstreckt, richtet sich nach danach, ob die Gemeinde neben der Änderung oder Ersetzung ihres Bebauungsplans gleichzeitig hinsichtlich früherer bauplanerischer Festsetzungen einen - im textlichen Teil des Plans zum Ausdruck zu bringenden - Aufhebungsbeschluss fasst. Erforderlich ist dies allerdings nur dann, wenn die Festsetzungen des früheren Bebauungsplans auf jeden Fall - und sei es bei Unwirksamkeit der Festsetzungen des neuen Bebauungsplans auch ersatzlos - beseitigt werden sollen. Ein selbständiger Aufhebungsbeschluss muss erkennen lassen, dass er auch dann Bestand haben soll, wenn die neuen Festsetzungen unwirksam sein sollten. In diesem Fall muss die Aufhebung zudem auch inhaltlich den Erfordernissen des Abwägungsgebots genügen (BVerwG, U. v. 10.08.1990 - 4 C 3/90 - BVerwGE 85, 289 = NVwZ 1991, 673). Es ist nicht festzustellen, dass die Beigeladene zu 2 einen Aufhebungsbeschluss über den früheren Bebauungsplan fassen wollte. Die 1. Änderung soll den neu festgesetzten Bereich "Gewerbegebiet" mit Ausschluss produktionsunabhängiger Einzelhandelseinrichtungen umfassen, das unmittelbar an der B 103 gelegene Gewerbegebiet mit einer Änderung der maximalen Gebäudehöhe und das neu ausgewiesene Gewerbegebiet im Südwesten; außerdem seien einige baugestalterische Festsetzungen geringfügig geändert worden. Diesem Ziel stünde es fern, wenn man von einer Aufhebung der früheren bauplanerischen Festsetzungen auch für den Fall auszugehen hätte, dass die Änderung unwirksam wäre.

129

3. Der Bebauungsplan in der ursprünglichen Fassung verstößt zwar nicht gegen § 1 Abs. 4 BauGB (a), er war aber zum maßgebenden Zeitpunkt des 08.12.1998 funktionslos geworden (b).

130

a) Gemäß § 233 Abs. 1 BauGB, eingeführt durch das BauROG 1998 mit Wirkung zum 01.01.1998, bestimmt, dass Verfahren nach diesem Gesetz, die vor Inkrafttreten einer Gesetzesänderung förmlich eingeleitet worden sind, nach den bisher geltenden Rechtsvorschriften abgeschlossen werden, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist. Damit ist für den Bebauungsplan Nr. 1 in der ursprünglichen Fassung auf die Vorschriften, die zum Zeitpunkt des Aufstellungsbeschlusses am 03.09.1990 galten, abzustellen. Insoweit war gemäß § 246 a Abs. 3 Satz 1 BauGB 1990/93 das Verfahren nach den Vorschriften des Baugesetzbuches fortzuführen, jedoch unter Beachtung der Maßgaben des § 246 a Abs. 1 BauGB 1990. Die Maßgaben des § 246 a Abs. 1 BauGB 1990 übernahmen die vom Baugesetzbuch abweichenden Regelungen der Bauzulassungsverordnung der DDR - BauZVO - (vgl. Bielenberg/Söffker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Kommentar §233 Rn. 39).

131

Nach § 1 Abs. 4 BauGB 1990 sind die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung und Landesplanung anzupassen. Nach § 246 a BauGB gilt ergänzend § 1 Abs. 4 Satz 2 BauZVO, wonach dann, wenn keine Ziele i.S.d. § 1 Abs. 4 BauGB vorhanden sind, die aus den Grundsätzen der Raumordnung und aus Raumordnungsverfahren entwickelten sonstigen Erfordernisse der Raumordnung in der Abwägung zu berücksichtigen sind (Bielenberg/Krautzberger/Söffker, Städtebaurecht in den neuen Ländern, 2. Aufl. 1992 S. 218). Damit galt das Anpassungsgebot grundsätzlich seit Inkrafttreten des Ziels am 11.11.1994.

132

Indessen ist der Bebauungsplan bereits im Februar 1992 in Kraft getreten, so dass eine Anpassungspflicht aus dem erst am 11.11.1994 in Kraft getreten Bebauungsplan nicht bestand. Auch aus dem Ersten Landesraumordnungsprogramm Mecklenburg-Vorpommern (LROP) - Landesverordnung vom 16.07.1993 - können sich keine Vorgaben ergeben haben.

133

b) Nach - soweit ersichtlich - herrschender Meinung, der sich der Senat angeschlossen hat (Senatsurteil vom 17.02.2004 - 3 K 12/00 -), lösen später in Kraft tretende Ziele der Raumordnung, sofern sie nicht bereits als sonstige Erfordernisse der Raumordnung in der Abwägung als in Aufstellung befindlich zu berücksichtigen waren, eine Anpassungspflicht im Sinne einer nachträglichen Planänderungspflicht aus. § 1 Abs. 4 BauGB richtet an den Planungsträger das Gebot zu dauerhafter materieller Übereinstimmung der Bauleitplanung mit den Zielen der Raumordnung und Landesplanung. Das Anpassungsgebot erfasst nach Sprachgebrauch und der Bedeutung des Begriffs "Anpassen" sowohl den in der Aufstellung befindlichen Bauleitplan als auch die Änderung und Neuaufstellung bestehender Bauleitpläne (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 28.03.1980 - VIII 1272/79 -, BRS 36 Nr. 1; OVG Lüneburg, Urt. v. 09.06.1976 - 1 A 10/76 -, BRS 30 Nr. 10; BVerwG, Beschl. v. 30.08.1995 - 4 B 86.95 -, BauR 1995, 802; Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Loseblatt-Kommentar, Stand Mai 2003, § 1 Rn. 69). Dies führt jedoch nicht dazu, dass ein Bebauungsplan schon deshalb seine Geltung verliert, weil er noch nicht an ein in einem zeitlich nachfolgenden Regionalplan enthaltenes Ziel angepasst wurde (VGH München, Urt. v. 16.11.1993 - 8 B 92.3559 -, BRS 55 Nr. 45; OVG Lüneburg, Urt. v. 16.06.1982 - 1 A 194/80 -, BRS 39 Nr. 58). Zur Durchsetzung der Anpassungspflicht bedarf es vielmehr eines speziellen verfahrensrechtlichen Instruments im jeweiligen Landesplanungsgesetz oder einer kommunalaufsichtlichen Anordnung (vgl. näher Gaentzsch in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3.Aufl. 2002, Stand August 2003, § 1 Rn. 42 ff.). Eine solche kommunalaufsichtliche Anordnung ist hier nicht ergangen. Vielmehr haben die zuständigen Behörden trotz der Erkenntnis, dass der Bebauungsplan mit den Zielen der Raumordnung nicht mehr vereinbar ist, ausdrücklich davon abgesehen, auf eine Änderung hinzuwirken. Dies gilt namentlich für den Erlass des Ministeriums für Bau, Landesentwicklung und Umwelt gemäß seinem Erlass vom 11.07.1997.

134

Der Bebauungsplan ist wegen der hier gegebenen besonderen Umstände aber funktionslos geworden. Durch das RROP ist eine Änderung der Plangrundlagen eingetreten. Das BVerwG hat für die Folgen einer Gebietsneugliederung bzgl. eines Flächennutzungsplans (BVerwG, U. v. 22.02.1974 - IV C 6.73 - BVerwGE 45, 25 = BRS 28 Nr. 3 = NJW 1974, 1010) und bzgl. eines Bebauungsplans (BVerwG, U. v. 10.09.1976 - IV C 5.76 - DVBl 1977, 41 = BRS 37 Nr. 6) die grundsätzlichen Fortgeltung angenommen, aber einen Fortfall der Gültigkeit wegen Funktionslosigkeit angenommen, wenn der Plan - insgesamt oder doch in dem von der Änderung betroffenen Teil - durch die Änderung der Verhältnisse in seiner Ordnungsfunktion erschüttert worden und als Folge dessen entweder nicht mehr brauchbar oder wegen der Art der durch ihn festgeschriebenen Abwägung der betroffenen Belange nicht mehr vertretbar ist (vgl. auch Gaentzsch in Berliner Komm. zum BauGB § 10 Rn. 47 a.E.). Dies ist hier der Fall. Das RROP ist am 11.11. 1994 in Kraft getreten, die Baugenehmigung wurde 1998 erteilt. Das Planergebnis ist deswegen nicht mehr brauchbar, weil die Beigeladene zu 2 einer Planungspflicht unterlag und unterliegt. Der Regelungszweck des § 1 Abs. 4 BauGB liegt in der Gewährleistung umfassender materieller Konkordanz zwischen der übergeordneten Landesplanung und der gemeindlichen Bauleitplanung. Die Pflicht zur Anpassung, die § 1 Abs. 4 BauGB statuiert, zielt nicht auf "punktuelle Kooperation", sondern auf dauerhafte Übereinstimmung der beiden Planungsebenen. Die Gemeinde (unter dem Vorbehalt der materiellrechtlichen und zeitlichen Erforderlichkeit im Einzelfall) ist daher nicht nur zur Anpassung an die Ziele der Raumordnung verpflichtet, wenn sie Bauleitpläne aus eigenem Entschluss und allein aus städtebaulichen Gründen aufstellt oder ändert, sondern sie muss auch dann planerisch aktiv werden, wenn allein geänderte oder neue Ziele der Raumordnung eine Anpassung der Bauleitpläne erfordern. Diese Verpflichtung kann sich gerade auch ergeben, wenn es darum geht, weit übersetzte Einzelhandelsflächen zu unterbinden (so BVerwG, U. v. 17.09.2003 - 4 C 14/01 - BVerwGE 119, 25 = NVwZ 2004, 220). Ob dieser Umstand allein die Funktionslosigkeit begründet, kann dahinstehen. Im vorliegenden Fall hatten sich nämlich die tatsächlichen Verhältnisse wesentlich geändert. Der in der Begründung des Plans hervorgehobene Umstand einer anhaltenden Unterversorgung der Region mit Einrichtungen des Einzelhandels traf nicht mehr zu; hierauf hatte die Klägerin auch hingewiesen. Auch die Beigeladene zu 2 selbst ist im Jahre 1996 hiervon ausgegangen: Am 26.02.1996 hatte die Gemeindevertretung der Beigeladenen zu 2. die 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. 1 beschlossen und in der Plananzeige vom 08.03.1996 ausgeführt; aufgrund der Änderung der Rahmenbedingungen im Ordnungsraum Rostock durch die Entstehung großflächiger Handelseinrichtungen in und um Rostock könne der Bedarf an Flächen für großflächige Verbrauchermärkte als gedeckt angesehen werden. Dieser Sicht trat auch das Amt für Raumordnung und Landesplanung in seiner Stellungnahme vom 24.04.1996 bei. Die Untersuchungsergebnisse der GWH - Dr. L. und Partner von 12/1996 belegten, dass es keinen Spielraum für eine Einzelhandelsentwicklung außerhalb der Innenstadt Rostock gebe. Vielmehr müsse die Marktsituation durch eine überdimensionierte Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben in den Umlandgemeinden der Hansestadt Rostock (37 % des Gesamtflächenbestandes) bezüglich peripherer Standorte auf Rostocker Stadtgebiet (insgesamt sind 51 % des Flächenbestandes an der Peripherie der Stadt bzw. im Umland konzentriert) gekennzeichnet. Davon war auch das Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Umwelt in der Besprechung am 03.04.1997 ausgegangen. Weiter kommt schließlich hinzu, dass die Festsetzungen der Beigeladenen zu 2. hinsichtlich der Ansiedlung großflächigen Einzelhandels auch nicht teilweise realisiert waren.

135

4. Die Voraussetzungen für eine Baugenehmigung nach § 35 BauGB liegen nicht vor. Das Vorhaben beurteilt sich als ein "sonstiges Vorhaben" im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB. Nach dieser Vorschrift kann ein derartiges Vorhaben im Einzelfall nur zugelassen werden, wenn seine Ausführung und Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. Das Vorhaben beeinträchtigt den Belang des Erfordernisses einer förmlichen Planung. Hier sind die Grundsätze maßgebend, die das BVerwG im U. v. 01.08.2002 - 4 C 5/01 - BVerwGE 117, 25 = NVwZ 2003, 86 aufgestellt hat.

136

Nach § 11 Abs. 3 BauNVO reicht es nicht aus, dass die Standortgemeinde überhaupt planerisch tätig wird. Selbst wenn im Gemeindegebiet Misch-, Gewerbe- oder Industriegebiete zur Verfügung stehen, in denen Einzelhandelsbetriebe zulässig sind, muss die Gemeinde von ihrer Planungsbefugnis gezielt in einer bestimmten Richtung Gebrauch machen, um den Weg für eine Zulassung frei zu machen. Erforderlich ist eine auf die Anlagenspezifika zugeschnittene Planung. Diese Grundentscheidung des Normgebers beansprucht allgemeine Beachtung. Eine Zulassung ohne jegliche - rechtswirksame - Planung läuft zwangsläufig auf eine Beeinträchtigung der öffentlichen Belange hinaus, zu deren Wahrung sich der Normgeber der Baunutzungsverordnung ausdrücklich und gezielt des Mittels planerischer Steuerung bedient.

137

Ein Abstimmungsbedarf im Sinne des § 2 Abs. 2 BauGB besteht. Die Auswirkungen des von der Klägerin bekämpften Vorhabens beschränken sich nicht auf das Gebiet der Beigeladenen zu 2. Das Vorhaben ist von seinem Zuschnitt her nicht darauf ausgerichtet, den örtlichen Bedarf zu decken. So geht das Gutachten der GMA davon aus, dass das Naheinzugsgebiet des Vorhabens das Gebiet der Klägerin sowie die damaligen Landkreise Bad Doberan, Güstrow und Nordvorpommern umfasst. Auf dieses Gebiet entfallen 33,4 % der Einwohner (Gutachten S. 32 f.), worauf 34,6 % des einzelhandelsrelevanten Kaufkraftvolumens entfallen (GMA, S. 37).

138

Insbesondere aus § 11 Abs. 3 BauNVO ist zu entnehmen, dass eine Abstimmung nach § 2 Abs. 2 BauGB hier unumgänglich ist. Diese Bestimmung ist Ausdruck der Erkenntnis, dass Einkaufszentren und sonstige großflächige Einzelhandelsbetriebe unter den dort genannten Voraussetzungen regelmäßig geeignet sind, Nachbargemeinden in so gewichtiger Weise zu beeinträchtigen, dass sie ohne eine förmliche Planung, die dem Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 BauGB gerecht wird, nicht zugelassen werden dürfen. Damit die in § 11 Abs. 3 BauNVO genannten Rechtsfolgen eintreten, bedarf es nicht eigens der Feststellung, welche nachteiligen Wirkungen konkret zu erwarten sind. Der Normgeber geht davon aus, dass sich die in § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO bezeichneten Auswirkungen bei Einkaufszentren generell nicht ausschließen lassen. Eine Einzelfallprüfung erübrigt sich. Damit ergibt sich auch ohne weiteres der qualifizierte Abstimmungsbedarf nach § 2 Abs. 2 BauGB (BVerwG, U. v. 01.08.2002 - 4 C 5/01 - BVerwGE 117, 25 = NVwZ 2003, 86).

139

Der Senat hält es im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerwG für zutreffend, dass die in § 11 Abs. 3 BauNVO genannten Rechtsfolgen bei Einkaufszentren eintreten, ohne dass es eigens der Feststellung bedarf, welche nachteiligen Wirkungen konkret zu erwarten sind. Der Normgeber geht davon aus, dass sich die in § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO bezeichneten Auswirkungen bei Einkaufszentren generell nicht ausschließen lassen. Aus diesem Grunde kann andererseits von einem Einkaufszentrum auch nur dann gesprochen werden, wenn es deutlich über den Größenvorgaben für Anlagen nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 BauNVO einschließlich der Vermutensregeln nach § 11 Abs. 3 Satz 3 bis 5 BauNVO liegen (Stock in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 2. Aufl. § 11 Rdn. 46; vgl. auch Boeddinghaus, BauNVO, 5. Aufl. § 11 Rn. 16). Dies ist hier mit ca. 10.000 qm Verkaufsfläche deutlich der Fall.

140

Dieser Schlussfolgerung für Einkaufszentren, dass nämlich ein Abstimmungsbedarf unabhängig von der im konkreten Fall gegebenen Intensität der Einwirkungen im Falle eines Einkaufszentrums besteht, ist entgegengehalten worden, § 11 Abs. 3 BauNVO könne lediglich eine Aussage zur grundsätzlichen Raumbedeutsamkeit von Einkaufszentren entnommen werden. Hierdurch werde das regelmäßige Planungsbedürfnis für derartige Anlagen begründet und, würden sie ohne einen entsprechenden Bauleitplan genehmigt, die Genehmigung objektiv rechtswidrig sein. Es bedürfe aber weiterer Klärung, welche Nachbargemeinde eine subjektive Rechtsposition besitze des Inhalts, das der objektive Rechtsverstoß diese in eigenen Rechten verletzt. Da § 2 Abs. 2 BauGB nicht auf die räumliche Nähe zur planenden Gemeinde abstelle, sei eine Ermittlung der Intensität der Auswirkungen unabdingbar (so etwa Uechtritz in Jarass [Hg.], Interkommunale Abstimmung in der Bauleitplanung, 2003, S. 59, 65 ff.). Zutreffend ist allerdings der Hinweis, dass § 2 Abs. 2 BauGB nicht nur die örtlich angrenzenden Gemeinden umfasst, sondern alle diejenigen als Nachbargemeinden ansieht, die von den planungsrechtlichen Auswirkungen betroffen sind (BVerwG, B. v. 09.01.1995 - 4 NB 42/94 -, NVwZ 1995, 694). Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass jeweils im konkreten Einzelfall ermittelt werden muss, ob das Einzelhandelszentrum (erhebliche) städtebauliche Auswirkungen auf eine der Nachbargemeinden hat. Wer als Nachbargemeinde im Zusammenhang mit § 11 Abs. 3 BauNVO in Betracht kommt, ist vielmehr nach der Reichweite der Vermutungswirkung der nachteiligen Auswirkungen zu ermitteln. Diese ergeben sich aus dem "Einwirkungsbereich" des geplanten Vorhabens. In die gebotene Beurteilung einzubeziehen ist damit nicht nur die Standortgemeinde, sondern sind auch Auswirkungen in anderen Gemeinden. Angesichts der typisierenden Regelung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO ist ebenso typisierend zu bestimmen, wie weit der Einwirkungsbereich eines Einzelhandelszentrums reicht. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass die negativen Auswirkungen eines Einkaufszentrums bei einer kleinen Standortgemeinde jedenfalls die unmittelbar angrenzenden Gemeinden betreffen (vgl. Uechtritz, a.a.O., Fn. 25). Dass für die Vermutungswirkung der Einzugsbereich des Vorhabens maßgebend ist, wird auch aus § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO deutlich. Dieses umfasst jedenfalls den oberzentralen Verflechtungsraum der Stadt Rostock. Zu diesem Ergebnis kommt sowohl das Prisma-Gutachten (S. 44) wie auch das GMA-Gutachten (S. 33).

141

D. Die Klägerin wird durch die sich somit als rechtswidrig erweisenden Bescheide auch in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO)

142

I. Das Vorhaben beurteilt sich nach § 35 BauGB. Aus § 2 Abs. 2 BauGB folgt, dass sich die Nachbargemeinde unabhängig davon, welche planerischen Absichten sie für ihr Gebiet verfolgt oder bereits umgesetzt hat, gegen unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf dem benachbarten Gemeindegebiet zur Wehr setzen kann. Aus § 11 Abs. 3 BauNVO folgt - wie dargelegt - dass für das Einkaufszentrum Auswirkungen unwiderlegbar vermutet werden, die eine qualifizierte Abstimmung nach § 2 Abs. 2 BauGB unumgänglich machen. Einkaufszentren und sonstige großflächige Einzelhandelsbetriebe sind unter den dort genannten Voraussetzungen regelmäßig geeignet, Nachbargemeinden in gewichtiger Weise zu beeinträchtigen (vgl. BVerwG, U. v. 01.08.2002 - 4 C 5/01 - a.a.O.; Halama DVBl 2004, 79, 82 f.; Schenke VerwArch 2008, 448, 451).

143

II. Die Klägerin ist auch dadurch in ihren Rechten verletzt, dass das Vorhaben nicht mit den Festsetzungen des Bebauungsplans vereinbar ist.

144

Es müssen hier die Grundsätze, die das Bundesverwaltungsgericht für Genehmigungen auf der Grundlage des § 35 BauGB aufgestellt hat, übertragen werden. Sinn und Zweck dieser Rechtsprechung ist es, das Planbedürfnis des Vorhabens festzuschreiben und den betroffenen Nachbargemeinden einen durchsetzbaren Anspruch auf substanzielle Abstimmung nach § 2 Abs. 2 BauGB zu gewährleisten. Dieser Anspruch könnte umgangen werden, wenn die Standortgemeinde einen Bebauungsplan erlässt und auf dessen Grundlage - ohne eine (rechtsmäßige) Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB - ein planwidriges Vorhaben im Sinne von § 11 BauNVO genehmigt erhält (vgl. auch Schenke, VerwArch 2008, 448, 569).

145

III. Der Klägerin ist die Berufung auf § 2 Abs. 2 BauGB nicht - wie die Beigeladene zu 1. in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat - verwehrt, weil mit ihr das Vorhaben abgestimmt gewesen wäre.

146

Die Beigeladene zu 1. beruft sich hierbei in erster Linie auf das Schreiben des Senats der Hansestadt Rostock vom 22.05.1991 an den Rechtsvorgänger des Beklagten. In dieser Stellungnahme zum Bebauungsplan Nr. 1 wird ausgeführt: Zu dem Antrag auf Bauvorbescheid habe es Vorbesprechungen am 13. und 07.05.1991 gegeben. Hierbei sei Einigkeit erzielt worden. Entsprechend bisherigen Festlegungen über Flächen von Sondergebieten des Handels außerhalb der Grenzen des Oberzentrums Rostock sei festgelegt worden, dass für die Gemeinde K. eine Veränderung vorgenommen werde, die eine Verkaufsraumfläche für SB-Markt von 3.000 bis 3500 qm zulasse. Die einzelnen Fachmärkte laut Bebauungsplan Nr. 1/3 hätten die entsprechenden Größenordnungen außerhalb von Sondergebieten des Handels (1.200 qm Bruttofläche) zu berücksichtigen. Diese Fläche bleibe aber Bestandteil der Gesamtfläche laut Festlegung des Schreibens vom 17.04.1991 des damaligen Oberbürgermeisters Dr. K.. Die heutige Festlegung sei auch eine Korrektur der seit dem 10.04.1991 vorliegenden Stellungnahme zum Flächennutzungsplan der Gemeinde K..

147

In diesem Schreiben liegt schon deswegen nicht die zum Zeitpunkt der Genehmigung erforderliche Abstimmung mit dem Vorhaben, weil sie nahezu 7 Jahre zuvor erteilt worden ist. Aus dem oben Dargelegten ergibt sich, dass zum maßgebenden Zeitpunkt der Bebauungsplan Nr. 1 nicht mehr Rechtsgrundlage der angefochtenen Genehmigung sein konnte. Er war insoweit funktionslos geworden. Selbst wenn der Wertung der Beigeladenen zu 2. gefolgt werden könnte, dass in diesem Schreiben eine Abstimmung im Sinne von § 2 Satz 2 BauGB vorlag, bezog sie sich auf die seinerzeitige Planung. Eine Abstimmung mit dem Vorhaben, das sich nunmehr im Jahre 1998 nach § 35 BauGB, d. h. ohne planerische Grundlage beurteilt, liegt hierin nicht.

148

Hinzukommt, dass aus dieser Stellungnahme gerade hervorgeht, dass sie keine abschließende Abstimmung enthält. Indem nämlich ausgeführt wird, dass die der Beigeladenen zu 1. zugestandenen Flächen Bestandteil der Gesamtfläche gemäß Schreiben vom 17.04.1991 sein sollte, blieb insoweit offen, inwieweit die Beigeladene zu 2. hiervon Gebrauch machen konnte. Es war nach dem eindeutigen Wortlaut dieses Schreibens somit ausgeschlossen, dass die Beigeladene zu 2. die genannten Flächen allein "für sich in Anspruch nahm". Dies ist aber durch den Bebauungsplan Nr. 1 geschehen. Auch aus dem Schreiben vom 18.07.1991 geht hervor, dass es der Klägerin um die Gesamtsituation am östlichen Rand ihres Hoheitsgebietes ging.

149

F. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO sowie § 154 Abs. 3 i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO.

150

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.

151

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Das Oberverwaltungsgericht kann in dem Urteil über die Berufung auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug nehmen, wenn es sich die Feststellungen des Verwaltungsgerichts in vollem Umfange zu eigen macht. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe kann es absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. August 2013 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die allein auf den Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Verfahrensfehler liegen nicht vor.

2

Die Beschwerde macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe seine Pflicht zur Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 i.V.m. § 128 VwGO) sowie den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweiserhebung (§ 96 VwGO) verletzt; der angegriffene Beschluss beruhe auf diesen Verfahrensmängeln. Das Berufungsgericht habe die klägerseits geforderte Beweisaufnahme durch Einnahme eines Augenscheins mit der in sich widersprüchlichen Begründung verneint, dass es für die Beurteilung der Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankomme, die klägerseits geforderte Ortsbesichtigung aber gleichwohl nicht notwendig sei. Die entscheidungserhebliche Frage der Rücksichtslosigkeit des streitgegenständlichen Bauvorhabens lasse sich aber nicht anhand von Höhenlagen, die in der Bauvorlage vermerkt seien, oder anhand der Baugenehmigungsunterlagen abschließend beurteilen. Einen die Zulassung der Revision rechtfertigenden Verfahrensfehler legt die Beschwerde damit nicht dar.

3

Der Klägerin kann allerdings nicht zum Nachteil gereichen, dass sie eine Beweisaufnahme durch Augenscheineinnahme in der Berufungsinstanz nicht beantragt hatte (vgl. hierzu Beschluss vom 5. August 1997 - BVerwG 1 B 144.97 - NJW-RR 1998, 784). Im Rahmen der Anhörung zu der beabsichtigten Entscheidung nach § 130a VwGO hatte sie sich ausdrücklich auf den Standpunkt gestellt, dass die Entscheidung über eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots ohne Kenntnis der Örtlichkeit aus ihrer Sicht weder möglich noch vorstellbar sei, und dass sie deshalb auch in der Berufungsinstanz die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie einer Augenscheineinnahme für erforderlich halte. Das Oberverwaltungsgericht hat gleichwohl nach § 130a VwGO ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Beschluss entschieden. Damit war der Klägerin die Möglichkeit genommen, die Augenscheineinnahme förmlich zu beantragen. Hinsichtlich der gerügten Verletzung des § 86 Abs. 1 VwGO ist die Klägerin deshalb so zu stellen, wie sie stehen würde, wenn sie den schriftsätzlich angekündigten Beweisantrag in einer mündlichen Verhandlung gestellt hätte.

4

Die erhobene Verfahrensrüge ist gleichwohl nicht begründet. Dem Beschwerdevorbringen ist nicht zu entnehmen, dass das Oberverwaltungsgericht die seitens der Klägerin geforderte Augenscheineinnahme unter Verletzung ihrer Sachaufklärungspflicht abgelehnt hätte. Auszugehen ist von dem allgemeinen Grundsatz, dass das Gericht Umfang und Art der Tatsachenermittlung nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt (Urteil vom 14. November 1991 - BVerwG 4 C 1.91 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 236 m.w.N.). So hat der Senat bereits entschieden, dass auch von den Beteiligten vorgelegte und zu den Akten genommene Karten, Lagepläne, Fotos und Luftbildaufnahmen im Rahmen von § 86 Abs. 1 VwGO unbedenklich verwertbar sein können, wenn sie die Örtlichkeit in ihren für die gerichtliche Beurteilung maßgeblichen Merkmalen so eindeutig ausweisen, dass sich der mit einer Ortsbesichtigung erreichbare Zweck mit ihrer Hilfe ebenso zuverlässig erfüllen lässt. Ist dies der Fall, bedarf es unter dem Gesichtspunkt des Untersuchungsgrundsatzes keiner Durchführung einer Ortsbesichtigung. Das gilt nur dann nicht, wenn ein Beteiligter geltend macht, dass die Karten oder Lichtbilder in Bezug auf bestimmte, für die Entscheidung wesentliche Merkmale keine Aussagekraft besitzen, und dies zutreffen kann (stRspr; vgl. z.B. Beschluss vom 3. Dezember 2008 - BVerwG 4 BN 26.08 - ZfBR 2009, 277 = BauR 2009, 617 = BRS 73 Nr. 91 Rn. 3 m.w.N.). Daran fehlt es hier.

5

Nach dem materiell-rechtlichen Standpunkt des Oberverwaltungsgerichts, auf den bei der Prüfung eines Verfahrensfehlers abzustellen ist, auch wenn er verfehlt sein sollte (Beschluss vom 23. Januar 1996 - BVerwG 11 B 150.95 - Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1 = NVwZ-RR 1996, 369), kommt den Festsetzungen des Bebauungsplans, von denen bei der Erteilung der Baugenehmigung befreit wurde, keine drittschützende Wirkung zu. Einen somit entscheidungserheblichen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme hat das Oberverwaltungsgericht (BA S. 8 ff.) unter zwei Aspekten geprüft und verneint: Zum einen sei eine wesentliche Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks wegen einer unzureichenden Belichtung bzw. einer unzumutbaren (zusätzlichen) Verschattung im Hinblick auf die Lage der Grundstücke und der Baukörper zueinander auszuschließen (BA S. 9). Zum anderen entfalte das geplante Vorhaben gegenüber dem Nachbargrundstück auch keine erdrückende Wirkung. Es sei als zweigeschossige Bebauung nebst Staffelgeschoss genehmigt und somit gegenüber dem dreigeschossigen Wohnhaus auf dem Grundstück der Klägerin nicht etwa größer dimensioniert. Die Höhe des geplanten Gebäudes biete bezogen auf die Höhe des Gebäudes der Klägerin ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine erdrückende Wirkung; dies gelte auch unter Berücksichtigung des von der Klägerin vorgetragenen Verlaufs der Geländeoberfläche; die Klägerin verkenne die Höhe der genehmigten Geländeoberfläche des Vorhabengrundstücks, die insoweit maßgeblich sei. Hinzu komme, dass die überbaubare Grundstücksfläche im Verhältnis zum Grundstück der Klägerin ebenfalls untergeordnet sei. Schließlich könne auch wegen der im Verhältnis zum streitigen Vorhaben leicht versetzten Lage des Wohngebäudes der Klägerin, des großzügigen Zuschnitts ihres Grundstücks und der verbleibenden Freiflächen um das aufstehende Gebäude, die seine Eigenständigkeit gewährleiste, von einer bedrängenden Wirkung des Vorhabens keine Rede sein (BA S. 10).

6

Dass das Oberverwaltungsgericht (BA S. 5) die für seine rechtlichen Schlussfolgerungen für erforderlich gehaltenen tatsächlichen Feststellungen allein der angefochtenen Baugenehmigung und den zugehörigen Bauvorlagen entnommen hat, ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden. Die für die Frage einer unzumutbaren (zusätzlichen) Verschattung vom Oberverwaltungsgericht für maßgeblich gehaltene Lage der Grundstücke und der Baukörper lässt sich dem in den Bauvorlagen enthaltenen Lageplan ohne Weiteres entnehmen. Die Zahl der zulässigen Geschosse und die überbaubare Grundstücksfläche, auf die das Oberverwaltungsgericht bei der Frage einer erdrückenden Wirkung des Vorhabens abstellt, sind in der Baugenehmigung geregelt. Gleiches gilt für den in der Baugenehmigung festgesetzten Verlauf der Geländeoberfläche, die das Oberverwaltungsgericht anstelle der tatsächlichen Geländeoberfläche rechtlich für maßgeblich hält. Die vom Oberverwaltungsgericht festgestellte leicht versetzte Lage des Wohngebäudes, der großzügige Zuschnitt des klägerischen Grundstücks und die verbleibenden Freiflächen, ergeben sich wiederum aus den eingereichten Lageplänen. Inwieweit diese herangezogenen Erkenntnismittel in Bezug auf bestimmte für die Entscheidung wesentliche Merkmale keine Aussagekraft besitzen sollen oder inwiefern eine Ortsbesichtigung einen darüber hinausgehenden Erkenntnisgewinn bringen soll, legt die Beschwerde nicht konkret dar. Ihr pauschal erhobener Einwand, das Oberverwaltungsgericht verhalte sich widersprüchlich, wenn es annehme, dass es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankomme, die geforderte Ortsbesichtigung aber gleichwohl für nicht notwendig erachte, hilft ihr nicht weiter. Denn die ihm zugrunde liegende Vorstellung, dass sich die Umstände des Einzelfalls ausschließlich durch gerichtlichen Augenschein ermitteln lassen, geht fehl. Das gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als nach den für den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben noch nicht verwirklicht worden ist (BA S. 5).

7

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.