Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Okt. 2018 - 6 C 11916/17

ECLI:ECLI:DE:OVGRLP:2018:1026.6C11916.17.00
bei uns veröffentlicht am26.10.2018

Tenor

Die Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung von Entgelten für die öffentliche Abwasserbeseitigung in den Ortsgemeinden Altenbamberg, Duchroth, Feilbingert, Hallgarten, Hochstätten, Niederhausen, Norheim, Oberhausen und Traisen – Abwasserentgeltsatzung BME – vom 19. Dezember 2016 ist unwirksam.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Mit ihrem Normenkontrollantrag wenden sich die Antragstellerinnen gegen die Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung von Entgelten für die öffentliche Abwasserbeseitigung in den Ortsgemeinden Altenbamberg, Duchroth, Feilbingert, Hallgarten, Hochstätten, Niederhausen, Norheim, Oberhausen und Traisen vom 19. Dezember 2016 – Abwasserentgeltsatzung BME –.

2

Die Antragstellerinnen sind Eigentümer von im Geltungsbereich dieser Satzung gelegenen Grundstücken und seit dem 1. Januar 2017 Rechtsnachfolger der früheren Verbandsgemeinde Bad Münster am Stein-Ebernburg, soweit die Ortsgemeinden Duchroth, Niederhausen, Norheim, Oberhausen an der Nahe und Traisen (Antragstellerin zu 1) sowie die Ortsgemeinden Altenbamberg, Feilbingert, Hallgarten und Hochstätten (Antragstellerin zu 2) betroffen sind. Die ursprünglich ebenfalls der früheren Verbandsgemeinde Bad Münster am Stein-Ebernburg angehörende Stadt Bad Münster am Stein-Ebernburg wurde mit Wirkung vom 1. Juli 2014 in die Antragsgegnerin eingegliedert.

3

Am 24. Juni 2014 schlossen die Antragsgegnerin und die frühere Verbandsgemeinde Bad Münster am Stein-Ebernburg eine Zweckvereinbarung, mit der die Aufgabe der öffentlichen Abwasserbeseitigung einschließlich der Satzungshoheit zum 1. Juli 2014 auf die Antragsgegnerin übertragen wurde.

4

Auf Anregung der Antragsgegnerin hob der Verbandsgemeinderat der (früheren) Verbandsgemeinde Bad Münster am Stein-Ebernburg am 6. Dezember 2016 deren Entgeltsatzung Abwasserbeseitigung aus dem Jahr 2007 auf. Unter dem 9. Dezember 2016 gab die Antragsgegnerin der (früheren) Verbandsgemeinde Bad Münster am Stein-Ebernburg den Entwurf einer neuen Entgeltsatzung zur Kenntnis. Diese Entgeltsatzung wurde vom Stadtrat der Antragsgegnerin am 19. Dezember 2016 beschlossen, von ihrer Oberbürgermeisterin ausgefertigt und aufgrund von E-Mails der Antragsgegnerin vom 16. Januar 2017 in den Amtsblättern der Antragstellerinnen öffentlich bekanntgemacht.

5

Ihren am 14. Dezember 2017 eingegangenen Normenkontrollantrag begründen die Antragstellerinnen im Wesentlichen mit Zweifeln an der Wirksamkeit sowohl der Zweckvereinbarung vom 24. Juni 2014 als auch der Entgeltsatzung vom 19. Dezember 2016.

6

Die Zweckvereinbarung sei zu beanstanden, weil die Aufgabe der öffentlichen Abwasserbeseitigung kurze Zeit vor der Auflösung einer beseitigungspflichtigen Körperschaft nur aufgrund eines Gesetzes, nicht durch Vereinbarung zwischen der übernehmenden und der demnächst aufzulösenden Gebietskörperschaft für einen Zeitraum von 30 Jahren übertragen werden dürfe. Außerdem weiche die unterzeichnete Fassung der Zweckvereinbarung in wesentlicher inhaltlicher Hinsicht von dem Entwurf ab, der seinerzeit vom Verbandsgemeinderat beraten worden sei. Bedenklich sei auch die auf der Zweckvereinbarung beruhende Entgeltsatzung vom 19. Dezember 2016. Insoweit fehle es an der erforderlichen vorherigen Zustimmung sowohl der (früheren) Verbandsgemeinde Bad Münster am Stein-Ebernburg als auch der Antragstellerinnen zu der Satzung. Ferner sei zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin die öffentliche Abwasserbeseitigung in ihrem Stadtgebiet getrennt von derjenigen in den Ortsgemeinden Duchroth, Niederhausen, Norheim, Oberhausen an der Nahe, Traisen, Altenbamberg, Feilbingert, Hallgarten und Hochstätten durchführe und kalkuliere.

7

Die Antragstellerinnen beantragen,

8

die Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung von Entgelten für die öffentliche Abwasserbeseitigung in den Ortsgemeinden Altenbamberg, Duchroth, Feilbingert, Hallgarten, Hochstätten, Niederhausen, Norheim, Oberhausen und Traisen – Abwasserentgeltsatzung BME – vom 19. Dezember 2016 für unwirksam zu erklären.

9

Die Antragsgegnerin beantragt,

10

den Normenkontrollantrag abzulehnen.

11

Sie bezweifelt die Zulässigkeit des Antrags, weil die Antragstellerinnen die Möglichkeit gehabt hätten, den Eintritt der Rechtswirksamkeit der Entgeltsatzung vom 19. Dezember 2016 zu verhindern, indem sie deren öffentliche Bekanntmachung in ihren beiden Amtsblättern verweigert hätten. Der Normenkontrollantrag müsse jedenfalls in der Sache erfolglos bleiben. Die angegriffene Entgeltsatzung beruhe auf der Aufgabenübertragung in der Zweckvereinbarung vom 24. Juni 2014. Hierzu bedürfe es keiner normativen Grundlage. Da der Bürgermeister die Verbandsgemeinde nach außen vertrete, sei die Zweckvereinbarung mit dem von ihm unterschriebenen Inhalt geschlossen worden. Ob diese Fassung vom Rat gebilligt worden sei, spiele für ihre Verbindlichkeit gegenüber dem Vertragspartner keine Rolle. Die Zustimmung der (früheren) Verbandsgemeinde Bad Münster am Stein-Ebernburg zur angegriffenen Entgeltsatzung liege vor, weil diese ihre Entgeltsatzung aus dem Jahr 2007 im Dezember 2016 aufgehoben habe und außerdem über den Satzungsentwurf der Antragsgegnerin informiert worden sei. Die beiden Antragstellerinnen hätten der Entgeltsatzung außerdem konkludent durch ihre Mitwirkung im Normsetzungsverfahren zugestimmt, nämlich durch deren öffentliche Bekanntmachung in den beiden Amtsblättern. Die Schaffung getrennter Abwasserbeseitigungseinrichtungen sei zulässig, wenn unterschiedliche Entwässerungskosten und Kalkulationen vorlägen. Nur damit werde verhindert, dass die Entgeltpflichtigen im Stadtgebiet der Antragsgegnerin Kosten tragen müssten, die den Ortsgemeinden der (früheren) Verbandsgemeinde Bad Münster am Stein-Ebernburg zuzurechnen seien.

12

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten mit ihren Anlagen, sowie die vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

13

Der Normenkontrollantrag ist zulässig (1.) und begründet (2.).

14

1. Er ist rechtzeitig innerhalb der Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 der VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – gestellt worden. Die Antragstellerinnen sind antragsbefugt (a); ihr Begehren, dem es an dem notwendigen Rechtsschutzbedürfnis nicht fehlt (b), ist nicht rechtsmissbräuchlich (c).

15

a) Die Antragsbefugnis der Antragstellerinnen ergibt sich aus ihrem Eigentum an Grundstücken, die im Geltungsbereich der angegriffenen Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung von Entgelten für die öffentliche Abwasserbeseitigung in den Ortsgemeinden Altenbamberg, Duchroth, Feilbingert, Hallgarten, Hochstätten, Niederhausen, Norheim, Oberhausen und Traisen vom 19. Dezember 2016 liegen. Sie können im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO geltend machen, durch die Entgeltsatzung oder ihre Anwendung − insbesondere die Heranziehung als Grundstückseigentümer zu Beiträgen und Gebühren − in absehbarer Zeit in ihren Rechten verletzt zu werden.

16

b) Die Antragstellerinnen haben auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis (vgl. OVG RP, Urteil vom 27. September 2018 – 6 C 10513/18.OVG –) für eine Kontrolle der angegriffenen Entgeltsatzung im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht. Das Rechtsschutzbedürfnis einer Behörde in einem Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO kann allenfalls bezweifelt werden, wenn sie selbst über die Norm verfügen, sie insbesondere aufheben oder ändern kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 – 4 CN 4.10 –, BVerwGE 140, 54). Diese Befugnis steht den Antragstellerinnen in Bezug auf die Abwasserentgeltsatzung BME jedoch nicht zu. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus der Bestimmung des § 67 Abs. 1 Nr. 6 der Gemeindeordnung − GemO −, wonach die Verbandsgemeinde die Abwasserbeseitigung in ihrem Gebiet als eigene Aufgabe wahrnimmt. Denn diese Aufgabe wurde hinsichtlich der Ortsgemeinden Duchroth, Niederhausen, Norheim, Oberhausen an der Nahe, Traisen, Altenbamberg, Feilbingert, Hallgarten und Hochstätten durch die Zweckvereinbarung vom 24. Juni 2014 für einen Zeitraum von mindestens dreißig Jahren auf die Antragsgegnerin übertragen.

17

c) Der Normenkontrollantrag ist ferner nicht deshalb rechtsmissbräuchlich und unzulässig, weil die Antragstellerinnen an der öffentlichen Bekanntmachung der angegriffenen Entgeltsatzung „beteiligt“ waren. Insbesondere setzen sie sich mit ihrem Antrag nicht in Widerspruch zu ihrem Verhalten im Zusammenhang mit den öffentlichen Bekanntmachungen der Entgeltsatzung in ihren Amtsblättern (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 22. Juni 2011 – 4 CN 4.10 –, BVerwGE 140, 54; BVerwG, Beschluss vom 7. März 2013 – 4 BN 33.12 –, BauR 2013, 1101; BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 1992 – 4 NB 2.90 –, NVwZ 1992, 974; VGH BW, Urteil vom 10. Oktober 2017 – 3 S 153/17 –, ZfBR 2018, 174; OVG SL, Urteil vom 12. Juni 2008 – 2 C 469/07 –, BauR 2009, 629; OVG RP, Urteil vom 7. Juni 1983 – 10 C 26/82 –, AS 18, 159).

18

Zwar stellt die öffentliche Bekanntmachung einer Satzung den letzten Schritt ihrer Inkraftsetzung und damit einen Teil des Normsetzungsvorgangs dar (BVerwG, Beschluss vom 8. Juli 1992 – 4 NB 20/92 –, NVwZ-RR 1993, 262). Dieser Teil, der notwendig ist, um der Satzung zu rechtlicher Existenz zu verhelfen (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1976 – 1 BvL 19/75 –, BVerfGE 42, 263; BVerfG, Beschluss vom 22. November 1983 – 2 BvL 25/81 –, BVerfGE 65, 283), besteht jedoch lediglich in der verwaltungstechnischen Umsetzung der Bekanntmachungsanordnung, die nicht förmlich verfügt werden muss, sondern konkludent erfolgen kann. Diese Bekanntmachungsanordnung trifft der Bürgermeister der Gemeinde, die die Satzung im Rahmen ihrer Aufgaben und der Gesetze nach § 24 Abs. 1 GemO erlassen hat. Er hat gemäß § 10 Abs. 1 der Landesverordnung zur Durchführung der Gemeindeordnung – GemODVO – die nach § 24 Abs. 3 GemO vorgeschriebene öffentliche Bekanntmachung zu vollziehen. Im Allgemeinen geschieht dies durch Veröffentlichung einer ausgefertigten Satzung in dem Amtsblatt der Gemeinde, bei Ortsgemeinden im Amtsblatt der Verbandsgemeinde, oder in einer oder mehreren Zeitungen, die mindestens einmal wöchentlich erscheinen (§ 7 Abs. 1 GemODVO). Betrifft die Satzung jedoch (auch) eine andere Gemeinde als diejenige, die sie erlassen hat, oder deren Einwohner bzw. Grundstückseigentümer, muss sie auch dort der Öffentlichkeit in einer solchen Weise förmlich zugänglich gemacht werden, die es den Betroffenen ermöglicht, sich verlässlich Kenntnis von ihrem Inhalt zu verschaffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 1983 – 2 BvL 25/81 –, BVerfGE 65, 283). In einem solchen Fall bedient sich der Bürgermeister, der die öffentliche Bekanntmachung gemäß § 10 Abs. 1 GemODVO zu vollziehen hat, (auch) des Bekanntmachungsorgans dieser (fremden) Gemeinde, um die Satzung zu veröffentlichen. Dabei ist diese (fremde) Gemeinde nicht berechtigt, die öffentliche Bekanntmachung einer Satzung zu verweigern, wenn sie selbst oder ihre Einwohner bzw. Grundstückseigentümer von der Satzung betroffen sind. Insbesondere steht der um die Bekanntmachung ersuchten Gemeinde grundsätzlich keine Befugnis zu, die Satzung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen und durch Verweigerung der Aufnahme in ihr Amtsblatt den Eintritt der Rechtswirksamkeit der Satzung zu verhindern.

19

In Bezug auf die angegriffene Abwasserentgeltsatzung BME oblag die Vollziehung der öffentlichen Bekanntmachung der Oberbürgermeisterin der Antragsgegnerin, die diese Satzung ausgefertigt und deren Veröffentlichung durch konkludente Bekanntmachungsanordnung veranlasst hat. Da diese Entgeltsatzung mit dem Tag, ab dem sie gelten soll (1. Januar 2017), Ortsgemeinden betrifft, die zu den Antragstellerinnen gehören, musste sie in deren Bekanntmachungsorganen veröffentlicht werden, ohne dass die Antragstellerinnen am Vollzug der Bekanntmachungen mit einer eigenen Entscheidung beteiligt waren. Vielmehr leisteten sie der Oberbürgermeisterin der Antragsgegnerin insofern lediglich verwaltungstechnische Hilfe.

20

2. Der Normenkontrollantrag hat in der Sache Erfolg; die Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung von Entgelten für die öffentliche Abwasserbeseitigung in den Ortsgemeinden Altenbamberg, Duchroth, Feilbingert, Hallgarten, Hochstätten, Niederhausen, Norheim, Oberhausen und Traisen vom 19. Dezember 2016 ist unwirksam.

21

Zwar wurde der Antragsgegnerin die Befugnis zum Erlass der Abwasserentgelt-satzung BME durch die Zweckvereinbarung vom 24. Juni 2014 übertragen (a). Die Entgeltsatzung ist jedoch unwirksam, weil ihr die in § 13 Abs. 2 des Landesgesetzes über die kommunale Zusammenarbeit − KomZG − vorgeschriebene Zustimmung fehlt (b).

22

a) Die Antragsgegnerin war aufgrund der Zweckvereinbarung vom 24. Juni 2014 befugt, die angegriffene Abwasserentgeltsatzung BME durch ihren Stadtrat zu erlassen.

23

aa) Einer gesetzlichen Ermächtigung zur Übertragung der Satzungsbefugnis auf die Antragsgegnerin bedurfte es nicht. § 1 Abs. 1 Satz 1 KomZG lässt eine kommunale Zusammenarbeit für alle öffentlichen Aufgaben der kommunalen Gebietskörperschaften zu (LTDrs. 15/4488, S. 42). Eine gesetzliche Regelung zur Übertragung freier Selbstverwaltungsaufgaben, von Pflichtaufgaben der Selbstverwaltung und von Auftragsangelegenheiten ist nicht erforderlich (vgl. LTDrs. 15/4488, S. 43). Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 27. April 2004 – 6 A 10035/04.OVG –, AS 31, 283 = NVwZ-RR 2005, 499) können Zweckvereinbarungen grundsätzlich auch auf dem Gebiet des kommunalen Abgabenrechts geschlossen werden. Mit einer Zweckvereinbarung kann neben einer bestimmten öffentlichen Aufgabe auch die Befugnis zum Erlass von Satzungen zur Refinanzierung der Aufwendungen für die Aufgabenwahrnehmung durch den Beauftragten übertragen werden.

24

Unter den vorliegenden Umständen gilt nichts hiervon Abweichendes. Zwar wurde die Aufgabe der öffentlichen Abwasserbeseitigung nur kurze Zeit vor der Auflösung der (früheren) Verbandsgemeinde Bad Münster am Stein-Ebernburg als der seinerzeit beseitigungspflichtigen Körperschaft durch die von ihr und der Antragsgegnerin geschlossene Zweckvereinbarung vom 24. Juni 2014 für einen Zeitraum von mindestens 30 Jahren übertragen. Diese Besonderheiten machten aber keine gesetzliche Regelung darüber notwendig, sondern konnten in der Zweckvereinbarung berücksichtigt werden, beispielsweise durch eine entsprechend kurze Laufzeit der Vereinbarung bis zur endgültigen Auflösung der Verbandsgemeinde Bad Münster am Stein-Ebernburg oder durch die Einräumung der Möglichkeit einer Kündigung der Vereinbarung durch den oder die Rechtsnachfolger.

25

bb) Die Wirksamkeit der Zweckvereinbarung kann nicht erfolgreich mit dem Hinweis in Frage gestellt werden, der von den Bürgermeistern als den dazu berufenen Vertretern der Vertragschließenden unterzeichnete Vereinbarungstext stimme nicht mit der Fassung überein, die dem Rat vorgelegen habe, als er über die Zweckvereinbarung beriet.

26

Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, hat die Fassung der Zweckvereinbarung Verbindlichkeit für die Vertragschließenden erlangt, die von deren Bürgermeistern unterschrieben und gemäß § 12 Abs. 5 Satz 1 KomZG öffentlich bekannt gemacht wurde. Denn die organschaftliche Vertretungsmacht des Bürgermeisters ist gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 GemO – ggf. i. V. m. § 64 Abs. 2 GemO – im Außenverhältnis allumfassend und unbeschränkt; infolgedessen wird die (Verbands-) Gemeinde auch durch solche Rechtshandlungen des Bürgermeisters im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Zweckvereinbarung berechtigt und verpflichtet, die dieser ohne die erforderliche Beschlussfassung des (Verbands-) Gemeinderats vorgenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 2016

V ZR 266/14 –, BGHZ 213, 30; BGH, Urteil vom 16. November 1978
III ZR 81/77 –, NJW 1980, 117; OVG RP, Beschluss vom 18. März 2015
7 B 10021/15.OVG –, LKRZ 2015, 377).

27

cc) Die Zweckvereinbarung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil sie die Möglichkeit ihrer Kündigung erst nach Ablauf von 30 Jahren vorsieht (§ 9 Nr. 1 der Zweckvereinbarung).

28

Damit wird § 9 der Zweckvereinbarung in formaler Hinsicht dem Erfordernis des § 13 Abs. 3 Satz 1 KomZG gerecht, wonach in der Zweckvereinbarung die Voraussetzungen für eine Aufhebung durch alle Beteiligten und für eine Kündigung durch einen einzelnen Beteiligten sowie die Folgen daraus zu regeln sind (vgl. auch LTDrs. 15/4488 S. 44). Denn eine einvernehmliche Aufhebung durch die Vertragschließenden bzw. ihre Rechtsnachfolger ist ohne Weiteres möglich; die Kündigung − nach dreißigjähriger Laufzeit – ist ausdrücklich geregelt, wie auch die Folgen der Beendigung (§ 9 Nr. 2 der Zweckvereinbarung).

29

Aus dem Versäumnis, die Möglichkeit einer Beendigung der Zweckvereinbarung vor Ablauf von 30 Jahren vorzusehen, ist auch nicht deshalb auf deren Unwirksamkeit zu schließen, weil seinerzeit das Ausscheiden der Stadt Bad Münster am Stein-Ebernburg aus der Verbandsgemeinde Bad Münster am Stein-Ebernburg unmittelbar bevorstand und die vollständige Auflösung dieser Verbandsgemeinde mit Ablauf des 31. Dezember 2016 − wie bereits erwähnt − absehbar war. Für die Rechtsnachfolger der an der Vereinbarung beteiligten Verbandsgemeinde Bad Münster am Stein-Ebernburg kann nämlich ein Kündigungsrecht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (1) bzw. in entsprechender Anwendung bürgerlich-rechtlicher Grundsätze (2) angenommen werden.

30

(1) Weist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag eine Regelungslücke auf, ist diese durch eine ergänzende Vertragsauslegung zu schließen (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2009 – 9 B 23.09 –, juris; BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2015 – 3 C 1.15 –, NVwZ 2016, 152). Die Zweckvereinbarung vom 24. Juni 2014 ist insoweit unvollständig, als sie keine frühere als die nach einer Laufzeit von 30 Jahren eingeräumte Kündigungsmöglichkeit für den oder die Rechtsnachfolger der Verbandsgemeinde Bad Münster am Stein-Ebernburg vorsieht, obwohl dies notwendig ist. Das ergibt sich aus dem Folgenden:

31

Nach § 12 Abs. 4 KomZG gilt für Zweckvereinbarungen § 1 Abs. 1 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes in Verbindung mit §§ 57 bis 60 und 62 des VerwaltungsverfahrensgesetzesVwVfG −. § 58 VwVfG regelt, dass ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, der in Rechte eines Dritten eingreift, erst dann wirksam wird, wenn der Dritte schriftlich zustimmt. Ist im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses davon auszugehen, dass es zu einem Eingriff in Rechte eines Dritten kommen wird, steht der betroffene Dritte, beispielsweise der Rechtsnachfolger eines Vertragspartners, aber noch nicht fest, kann eine Zustimmung nach § 58 VwVfG nicht eingeholt werden. Unter solchen Umständen ist in dem Vertrag Vorsorge zu treffen, dass der Dritte, sobald er durch den Vertrag in seinen Rechten betroffen wird, seine Interessen in ebenso wirksamer Weise zur Geltung bringen kann, wie dies das Zustimmungserfordernis des § 58 VwVfG ermöglicht, beispielsweise durch die Einräumung eines Kündigungsrechts.

32

So liegen die Dinge hier. Die Antragstellerinnen waren am Abschluss der Zweckvereinbarung vom 24. Juni 2014 nicht beteiligt. Vielmehr hat die (frühere) Verbandsgemeinde Bad Münster am Stein-Ebernburg die Zweckvereinbarung mit der Antragsgegnerin geschlossen, obwohl die Verkleinerung dieser Verbandsgemeinde durch die bevorstehende Eingliederung der Stadt Bad Münster am Stein-Ebernburg in die Antragsgegnerin sowie ihre vollständige Auflösung mit Ablauf des 31. Dezember 2016 − wie schon erwähnt − absehbar waren. Durch die Rechtsnachfolgeklausel in § 8 Nr. 2 Satz 2 der Zweckvereinbarung vom 24. Juni 2014 traten die Antragstellerinnen in alle Rechte und Pflichten der (früheren) Verbandsgemeinde Bad Münster am Stein-Ebernburg aus der Zweckvereinbarung ein, weil die Ortsgemeinden Altenbamberg, Duchroth, Feilbingert, Hallgarten, Hochstätten, Niederhausen, Norheim, Oberhausen und Traisen in ihre „Aufgabenträgerschaft“ hinsichtlich der Abwasserbeseitigung wechselten. Da mit der Zweckvereinbarung in das Recht der Antragstellerinnen, gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 6 GemO die Abwasserbeseitigung in ihrem (gesamten) Gebiet als eigene Aufgabe wahrzunehmen, eingegriffen wird, die Zweckvereinbarung dem aber nicht Rechnung trägt, weist sie eine Lücke auf, die im Wege ergänzender Vertragsauslegung durch ein Kündigungsrecht für die Antragstellerinnen auszufüllen ist.

33

(2) Ferner kann in entsprechender Anwendung bürgerlich-rechtlicher Grundsätze ein außerordentliches Kündigungsrecht, das aus wichtigem Grund bei Dauerschuldverhältnissen besteht (vgl. etwa BGH, Urteil vom 13. Juli 2016 – VIII ZR 296/15 –, NJW 2016, 3720), auch für Zweckvereinbarungen gelten. Dies lässt sich auch der gemäß § 12 Abs. 4 KomZG anwendbaren Bestimmung des § 60 VwVfG entnehmen, wonach bei wesentlicher Änderung der Verhältnisse, die für den Vertragsinhalt maßgebend waren, die Vertragspartei, der ein Festhalten an der vertraglichen Vereinbarung nicht zuzumuten ist, eine Anpassung des Vertragsinhalts verlangen oder kündigen kann.

34

b) Die Entgeltsatzung vom 19. Dezember 2016 ist unwirksam, weil sie nicht im Einklang mit § 13 Abs. 2 Satz 1 KomZG erlassen wurde. Nach dieser Bestimmung bedürfen Satzungen und Verordnungen, die der beauftragte Beteiligte auch für die übrigen Beteiligten erlässt, deren Zustimmung und sind in den Bekanntmachungsorganen aller beteiligten kommunalen Gebietskörperschaften öffentlich bekannt zu machen.

35

An der danach erforderlichen Zustimmung fehlt es. Dass eine Zustimmung, die vor der Verabschiedung der Satzung erfolgt, das Erfordernis des § 13 Abs. 2 Satz 1 KomZG erfüllt, liegt auf der Hand. Es genügt aber auch, wenn diese Zustimmung nach der Verabschiedung der Satzung erteilt wird (aa). Der Entgeltsatzung vom 19. Dezember 2016 wurde allerdings weder vor dem Satzungsbeschluss (bb) noch in der Zeit danach (cc) ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt.

36

aa) Eine nachträgliche Zustimmung ist ohne Weiteres ausreichend, wenn Einvernehmen zwischen den Beteiligten über den Satzungsinhalt besteht.

37

Aber auch im Falle unterschiedlicher Auffassungen über die satzungsrechtlichen Regelungen ist eine Zustimmung vor dem Satzungsbeschluss nicht erforderlich, um die Interessen des zustimmungsberechtigten Beteiligten zu wahren. Zwar räumt § 13 Abs. 2 Satz 1 KomZG den von der Satzung eines fremden Normgebers betroffenen Beteiligten – gleichsam als Ausgleich für den Eingriff in ihre Rechte bzw. Kompetenzen – mit dem Zustimmungserfordernis eine qualifizierte Einflussmöglichkeit auf den Satzungsinhalt ein, die im Allgemeinen besonders dann effektiv ausgeübt werden kann, wenn über die Einzelheiten der Satzung noch keine abschließende Entscheidung getroffen wurde. Mit der Verweigerung der nachträglichen Zustimmung kann der zustimmungsberechtigte Beteiligte jedoch das Wirksamwerden der Satzung in der verabschiedeten Fassung, deren genaue Einzelheiten erst nach dem Satzungsbeschluss feststehen, verhindern, wenn er mit ihr nicht einverstanden ist. Dadurch vermag er seinen Interessen wirksam Geltung zu verschaffen.

38

bb) Eine Zustimmung zu der angegriffenen Entgeltsatzung wurde vor dem Satzungsbeschluss nicht erteilt.

39

Die (frühere) Verbandsgemeinde Bad Münster am Stein-Ebernburg hat der Entgeltsatzung vom 19. Dezember 2016 nicht durch die am 6. Dezember 2016 erfolgte Aufhebung ihrer Entgeltsatzung vom 17. September 2007 (mit späteren Änderungen) mit Ablauf des 31. Dezember 2016 stillschweigend zugestimmt. Abgesehen davon, dass dies auf Anregung der Antragsgegnerin geschah und „ausschließlich der Rechtssicherheit“ dienen sollte, lag seinerzeit – nach dem Vorbringen der Beteiligten – der (früheren) Verbandsgemeinde Bad Münster am Stein-Ebernburg nicht einmal ein Entwurf der Abwasserentgeltsatzung BME vor. Auch andere Anhaltspunkte für eine konkludente Zustimmung durch die Satzungsaufhebung vom 6. Dezember 2016 sind nicht ersichtlich.

40

Auf die seitens der Antragsgegnerin in Erfüllung der „Informationsverpflichtung aus § 6 der Zweckvereinbarung“ unter dem 9. Dezember 2016 abgesandte Zuleitung (auch) eines Entwurfs der angegriffenen Entgeltsatzung an die Verbandsgemeinde Bad Münster am Stein-Ebernburg mit der Bitte um Kenntnisnahme erfolgte ebenfalls keine Zustimmung.

41

Das Ausbleiben einer Reaktion der (früheren) Verbandsgemeinde Bad Münster am Stein-Ebernburg kann mangels diesbezüglicher Anhaltspunkte auch nicht als stillschweigende Zustimmung gewertet werden.

42

Ebenso wenig kommt eine Zustimmungsfiktion in Betracht. Weder dem Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit noch der Vereinbarung vom 24. Juni 2014 kann entnommen werden, dass eine nach § 13 Abs. 2 KomZG erforderliche Zustimmung als erteilt gilt, wenn einem vorgelegten Satzungsentwurf nicht binnen einer bestimmten Frist widersprochen wird oder Änderungen nicht verlangt werden.

43

cc) In der Zeit nach dem Beschluss des Stadtrats der Antragsgegnerin über die angegriffene Entgeltsatzung wurde dieser ebenso wenig zugestimmt.

44

Für die von der Antragsgegnerin vermutete Zustimmung der Verbandsgemeinde Bad Münster am Stein-Ebernburg „noch im Dezember 2016“ ist den Normsetzungsvorgängen nichts zu entnehmen.

45

Die Antragstellerinnen, die von der beschlossenen und ausgefertigten Entgeltsatzung durch E-Mails der Antragsgegnerin vom 16. Januar 2017 Kenntnis erlangten, haben ihr ebenfalls nicht zugestimmt.

46

Anders als die Antragsgegnerin meint, kann die öffentliche Bekanntmachung der Entgeltsatzung in den Amtsblättern der Antragstellerinnen nicht als konkludente Zustimmung betrachtet werden. Wie bereits ausgeführt wurde, stellt die öffentliche Bekanntmachung einer Satzung zwar einen Teil des Normsetzungsvorgangs dar. Die öffentlichen Bekanntmachungen in den Amtsblättern der Antragstellerinnen, die durch die Oberbürgermeisterin der Antragsgegnerin zu vollziehen waren, stellten jedoch lediglich die verwaltungstechnische Umsetzung ihrer Bekanntmachungsanordnung dar. Mit der Aufnahme der Entgeltsatzung in die Amtsblätter der Antragstellerinnen haben sie dieser Satzung schon deshalb nicht stillschweigend zugestimmt, weil sie − wie erwähnt − nicht berechtigt waren, durch Weigerung der öffentlichen Bekanntmachung den Eintritt der Rechtswirksamkeit der Entgeltsatzung zu verhindern.

47

c) Angesichts dessen braucht nicht entschieden zu werden, ob die Entgeltsatzung vom 19. Dezember 2016 wegen Verstoßes gegen § 3 Nr. 2 der Zweckvereinbarung vom 24. Juni 2014 zu beanstanden ist. Diese Bestimmung sieht vor, dass nach Aufhebung der alten Entgeltsatzung der (früheren) Verbandsgemeinde Bad Münster am Stein-Ebernburg spätestens zum 31. Dezember 2016 die Entgeltsatzung der Antragsgegnerin gilt.

48

d) Ebenso wenig bedarf die Zulässigkeit unterschiedlicher Entgeltsysteme im Stadtgebiet der Antragsgegnerin einerseits und in den Ortsgemeinden Altenbamberg, Duchroth, Feilbingert, Hallgarten, Hochstätten, Niederhausen, Norheim, Oberhausen sowie Traisen andererseits einer abschließenden Erörterung.

49

Allerdings spricht wenig dafür, dass sich die Antragsgegnerin insoweit auf § 10 des Landesgesetzes über die Grundsätze der Kommunal- und Verwaltungsreform berufen kann. Denn diese Bestimmung ermöglicht (nur) einer aufnehmenden oder neu gebildeten kommunalen Gebietskörperschaft, für die Beitrags- und Gebührenkalkulationen die von den bisherigen kommunalen Gebietskörperschaften betriebenen Einrichtungen der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung für einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren nach der Gebietsänderung als getrennte Einrichtungen zu behandeln. Die Antragsgegnerin hat aber die Ortsgemeinden Altenbamberg, Duchroth, Feilbingert, Hallgarten, Hochstätten, Niederhausen, Norheim, Oberhausen und Traisen nicht aufgenommen; sie ist auch nicht unter Eingliederung dieser Ortsgemeinden neu gebildet worden.

50

Soweit die Antragsgegnerin die Zulässigkeit unterschiedlicher Entgeltsysteme aus § 7 Abs. 1 Satz 6 des Kommunalabgabengesetzes – KAG – ableitet, kann für die Gebührenerhebung ein Abweichen von der in § 7 Abs. 1 Satz 5 KAG normierten Einrichtungseinheit im Hinblick auf besondere örtliche Gegebenheiten in Betracht kommen. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 4 KAG können Beiträge auch für nutzbare Teile einer Einrichtung oder Anlage (Aufwands-/Kostenspaltung) erhoben werden, bei der Abwasserbeseitigungseinrichtung beispielsweise für die Anlagen der Schmutzwasserbeseitigung einerseits und der Oberflächenentwässerung andererseits (vgl. OVG RP, Beschluss vom 1. September 2016 – 6 B 10452/16.OVG –).

51

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

52

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

53

Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Beschluss

54

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).

Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Okt. 2018 - 6 C 11916/17

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Referenzen - Gesetze

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 47


(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit 1. von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 de

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 62 Ergänzende Anwendung von Vorschriften


Soweit sich aus den §§ 54 bis 61 nichts Abweichendes ergibt, gelten die übrigen Vorschriften dieses Gesetzes. Ergänzend gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend.

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 60 Anpassung und Kündigung in besonderen Fällen


(1) Haben die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, sich seit Abschluss des Vertrags so wesentlich geändert, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzum

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 57 Schriftform


Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist schriftlich zu schließen, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist.

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 58 Zustimmung von Dritten und Behörden


(1) Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, der in Rechte eines Dritten eingreift, wird erst wirksam, wenn der Dritte schriftlich zustimmt. (2) Wird anstatt eines Verwaltungsaktes, bei dessen Erlass nach einer Rechtsvorschrift die Genehmigung, die Zusti

Referenzen - Urteile

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Okt. 2018 - 6 C 11916/17 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Okt. 2018 - 6 C 11916/17 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Juli 2016 - VIII ZR 296/15

bei uns veröffentlicht am 13.07.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL VIII ZR 296/15 Verkündet am: 13. Juli 2016 Ermel, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 31

Bundesgerichtshof Urteil, 18. Nov. 2016 - V ZR 266/14

bei uns veröffentlicht am 18.11.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 266/14 Verkündet am: 18. November 2016 Weschenfelder Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Referenzen

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 266/14 Verkündet am:
18. November 2016
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
GO BY Art. 38 Abs. 1
Die organschaftliche Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters einer bayerischen
Gemeinde ist im Außenverhältnis allumfassend und unbeschränkt; infolgedessen
wird die Gemeinde auch durch solche Rechtshandlungen des ersten
Bürgermeisters berechtigt und verpflichtet, die dieser ohne die erforderliche Beschlussfassung
des Gemeinderats vorgenommen hat.
BGH, Urteil vom 18. November 2016 - V ZR 266/14 - OLG Nürnberg
LG Ansbach
ECLI:DE:BGH:2016:181116UVZR266.14.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. November 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg - 4. Zivilsenat - vom 28. Oktober 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist eine Große Kreisstadt in Bayern. Im Zuge der Verlegung zweier Bundesstraßen erwarb die beklagte Bundesrepublik Deutschland von einem Dritten im Jahr 1986 ein Grundstück, an dem eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit in Gestalt eines Rohrleitungsrechts zugunsten der Klägerin bestand. Ausweislich der Bestellungsurkunde war die Klägerin verpflichtet, im Falle einer Wegmessung nicht betroffener Grundstücksteile die „Pfandfreigabe“ zu erklären.
2
Aus Neuvermessungen ging unter anderem ein Grundstück hervor, auf dem eine durch die Dienstbarkeit gesicherte Rohrleitungstrasse der Klägerin die Bundesstraße B 2 unterquert (Flurstück Nr. 2394/1). Am 30. April 1997 erklärte der damalige Oberbürgermeister der Klägerin als deren Vertreter gegenüber einem Notar unter anderem für dieses Grundstück die Pfandfreigabe. Daraufhin wurde das Rohrleitungsrecht im Grundbuch gelöscht. Als die Leitung im Jahr 2009 wegen Baumaßnahmen der Beklagten tiefer gelegt werden sollte, wurde die fehlende dingliche Sicherung der auf dem Flurstück Nr. 2394/1 verlaufenden Leitung bemerkt.
3
Die auf Wiedereintragung der Grunddienstbarkeit gerichtete Klage der Gemeinde hat das Landgericht abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht ihr stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:


I.


4
Das Berufungsgericht lässt dahinstehen, ob es an einem Rechtsgrund für die Pfandfreigabe fehle, weil die Klägerin schuldrechtlich hierzu nicht verpflichtet gewesen sei oder weil sie die Pfandfreigabe wirksam angefochten habe. Einem auf Bereicherungsrecht gestützten Grundbuchberichtigungsanspruch stehe jedenfalls die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen.
5
Die Klägerin könne jedoch gemäß § 894 BGB Berichtigung des Grundbuchs verlangen. Die Unrichtigkeit ergebe sich daraus, dass die von dem Oberbürgermeister der Klägerin erklärte Pfandfreigabe mangels Vertretungsmacht unwirksam sei. Der Oberbürgermeister habe erkennbar im vermeintlichen Vollzug der Verpflichtung zur Freigabe aus dem Kaufvertrag gehandelt. Die Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters - der in einer Großen Kreisstadt wie der Klägerin gemäß Art. 34 Abs. 1 Satz 2 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (BayGO) die Amtsbezeichnung Oberbürgermeister führt - nach Art. 38 Abs. 1 BayGO bestehe nicht. Sie erstrecke sich nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayGO nur auf die laufenden Angelegenheiten, die für die Gemeinde keine grundsätzliche Bedeutung haben und keine erheblichen Verpflichtungen erwarten lassen. Ob die Pfandfreigabe zu den laufenden Angelegenheiten zähle, könne dahinstehen, weil sie erhebliche Pflichten erwarten lasse. Auch aus § 10 der Geschäftsordnung des Stadtrats der Klägerin ergebe sich keine Vertretungsbefugnis. Die Befugnisse des Bürgermeisters würden hiernach zwar auf „die Entscheidung über den Erwerb, Veräußerung oder Verpfändung von Ver- mögensgegenständen (insbesondere von Grundstücken) bis zu einem Wert von 30.000 DM“ erstreckt. Hierzu zähle jedoch nicht der Verzicht auf ein Recht, der der Gemeinde nur Nachteile bringen könne; er habe zur Folge, dass nunmehr die Gemeinde die Kosten einer Trassenverlegung zu tragen habe. Der Oberbürgermeister sei allenfalls befugt gewesen, die vertragliche Freigabeverpflichtung zu vollziehen. Da sich diese gerade nicht auf das Flurstück Nr. 2394/1 beziehe , habe es eines Gemeinderatsbeschlusses bedurft, der sich aus den Grundakten nicht ergebe.

II.


6
Die Revision hat Erfolg. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung, wonach die von dem Oberbürgermeister der Klägerin hinsichtlich des Rohrleitungsrechts abgegebene Pfandfreigabeerklärung unwirksam ist, weil der nach der gemeindeinternen Zuständigkeitsverteilung erforderliche Gemeinderatsbeschluss fehlt, kann eine Unrichtigkeit des Grundbuchs im Sinne von § 894 BGB nicht angenommen werden.
7
1. Für das Kommunalrecht anderer Bundesländer entspricht es ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass die organschaftliche Vertretungsmacht des Bürgermeisters (bzw. des Landrats) im Außenverhältnis allumfassend und unbeschränkt ist. Die Gemeinde wird durch seine Erklärungen grundsätzlich auch dann verpflichtet, wenn es an einem erforderlichen Beschluss der Gemeindevertretung fehlt (Senat, Urteil vom 20. April 1966 - V ZR 50/65, MDR 1966, 669: Baden-Württemberg; BGH, Urteil vom 16. November 1978 - III ZR 81/77, NJW 1980, 117, 118: Rheinland-Pfalz; BGH, Urteil vom 20. September 1984 - III ZR 47/83, BGHZ 92, 164, 169 f.: NordrheinWestfalen ; BGH, Urteil vom 6. März 1986 - VII ZR 235/84, BGHZ 97, 224, 226: Saarland; BGH, Urteil vom 17. April 1997 - III ZR 98/96, VersR 1998, 118; BGH, Urteil vom 4. November 1997 - VI ZR 348/96, BGHZ 137, 89, 93 f.: DDRKommunalverfassung ). Dies orientiert sich an der im Kommunalrecht anerkannten strikten Unterscheidung zwischen interner Willensbildung und externer Vertretungsbefugnis (BGH, Urteil vom 17. April 1997 - III ZR 98/96, VersR 1998, 118 mwN) und an der herrschenden Meinung für die Vertretung juristischer Personen des Zivilrechts durch ihre Organe (BGH, Urteil vom 20. Februar 1979 - VI ZR 256/77, NJW 1980, 115). Von einer unbeschränkten Vertretungsmacht des Bürgermeisters geht auch das Bundesarbeitsgericht für die Länder Baden- Württemberg (BAGE 47, 179, 184 f.) und Sachsen (NJW 2002, 1287, 1289) aus.
8
2. Ob diese Erwägungen auf das bayerische Kommunalrecht übertragbar sind, ist umstritten. Der Bundesgerichtshof hat diese Rechtsfrage bislang offen gelassen (Urteil vom 20. Februar 1979 - VI ZR 256/77, NJW 1980, 115; Beschluss vom 25. April 2006 - 1 StR 539/05, wistra 2006, 306; Urteil vom 11. Juni 1992 - VII ZR 110/91, NJW-RR 1992, 1435 f. zu Art. 35 Abs. 1 BayLKrO).
9
a) In ständiger Rechtsprechung verneinen die bayerischen Gerichte - wie das Berufungsgericht - eine unbeschränkte Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters (vgl. BayObLGZ 1952, 271 ff.; 1971, 252, 256; 1974, 81, 84; 1974, 374, 376; 1986, 112; 1997, 37, 41; BayObLG, BayVBl. 1973, 131, 313; 1974, 706; 1998, 122; BayVerfGH 25, 27, 43; BayVGH, BayVBl. 2012, 177 Rn. 30; 2012, 341; OLG München, MittBayNot 2009, 222 f.; 2012, 248 ff.; Beschluss vom 18. Juni 2010 - 34 Wx 65/10, juris Rn. 7; Beschlussvom 28. Januar 2013 - 34 Wx 390/12, juris Rn. 9; offen gelassen durch BayObLG, BayVBl. 1999, 473). Diese Ansicht hat auch das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil vom 8. Dezember 1959 vertreten (3 AZR 348/56, juris Rn. 25; vgl. auch BAG, Urteil vom 18. Oktober 1990 - 2 AZR 157/90, juris Rn. 24 zu Art. 35 Abs. 1 BayLKrO - obiter dictum). Art. 38 Abs. 1 BayGO begründe lediglich das Vertretungsrecht des ersten Bürgermeisters, nicht aber seine Vertretungsmacht. Letztere ergebe sich aus Art. 37 BayGO, sofern das Rechtsgeschäft unter den dort genannten Voraussetzungen in seinen eigenen Zuständigkeitsbereich falle. Soweit dagegen der Gemeinderat als willensbildendes Organ der Gemeinde zu entscheiden habe (Art. 29 BayGO), werde die Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters erst durch einen entsprechenden Gemeinderats- oder Ausschussbeschluss be- gründet (vgl. nur BayObLGZ 1974, 81, 84; BayObLG, BayVBl. 1974, 706). Insoweit sei der erste Bürgermeister bloßes Vollzugsorgan (Art. 36 Abs. 1 BayGO). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu anderen Bundesländern sei wegen der Eigenständigkeit des jeweiligen Gemeinderechts nicht auf Bayern zu übertragen. Die jahrzehntelang dauernde tatsächliche Übung und in Bayern herrschende Meinung könne sich nicht nur auf das Gesetz, sondern auch auf die Gesetzesmaterialien und das Herkommen stützen (vgl. nur BayObLGZ 1986, 112, 114 f.; 1997, 37, 41). Entgegen dieser internen Zuständigkeitsverteilung vorgenommene zivilrechtliche Rechtsgeschäfte seien nach §§ 177 ff. BGB schwebend unwirksam (BayVGH, BayVBl. 2012, 177 Rn. 30 mwN).
10
Dieser Ansicht folgen Teile der Rechtsliteratur (Masson, Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern, (1952), Art. 38 BayGO Anm. 2; Steiner in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner, Staats- und Verwaltungsrecht in Bayern, 6. Aufl., S. 137, 145; Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Art. 29 BayGO Rn. 25 [Stand Dezember 2014] und Art. 38 BayGO Rn. 3 [Stand November 2013]; Demharter, GBO, 29. Aufl., § 19 Rn. 85; Schaub in: Bauer/v. Oefele, GBO, 3. Aufl., AT VII Rn. 327 ff.; Wachsmuth in: Schulz/Wachsmuth/Zwick, Kommunalverfassungsrecht Bayern, Art. 38 BayGO Anm. 2.2 [Stand Juni 2013], anders allerdings Art. 36 BayGO Anm. 3.5 [Stand Mai 2015]; Boley, BayBgm 1953, 244 f. und 267; Wegmann, BayKommP 1997, 313, 316).
11
b) In weiten Teilen der Rechtsliteratur wird die Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters dagegen im Grundsatz als unbeschränkt angesehen (Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung mit Verwaltungsgemeinschaftsordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung für den Freistaat Bayern, Art. 38 BayGO Erl. 2.1 [Stand Oktober 2013]; Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke, Kommunalrecht in Bayern, Art. 38 GO Anm. 1.1 [Stand März 2015]; Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 38 BayGO Rn. 3 [Stand Juli 2015]; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 257 Fn. 86; Gern, Deutsches Kommunalrecht, 3. Aufl., Rn. 369 und 433; Lange, Kommunalrecht, 2013, Kap. 8 Rn. 166 ff.; Lissack, Bayerisches Kommunalrecht, 3. Aufl., § 4 Rn. 36; Becker in: Becker/Heckmann/Kempen/Mansen, Öffentliches Recht in Bayern, 6. Aufl., Rn. 166; Burgi, Kommunalrecht, 3. Aufl., S. 173 f.; Schoch/Röhl, Besonderes Verwaltungsrecht, 15. Aufl., Kommunalrecht Rn. 147 Fn. 448; Berroth, Die Vertretung der Gemeinde nach außen, 1964, S. 71 f.; Fritz, Vertrauensschutz im Privatrechtsverkehr mit Gemeinden, 1983, S. 63 f.; Karstendiek, Vertretungsmängel bei öffentlichen Auftraggebern, 1990, S. 63 ff.; Habermehl, DÖV 1987, 144, 147 Fn. 23; Reuter, DtZ 1997, 15, 16; Brötel, NJW 1998, 1676, 1679 ff.).
12
3. Der Senat entscheidet die Rechtsfrage im Sinne der zweiten Ansicht. Die organschaftliche Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters einer bayerischen Gemeinde gemäß Art. 38 Abs. 1 BayGO ist im Außenverhältnis allumfassend und unbeschränkt; infolgedessen wird die Gemeinde auch durch solche Rechtshandlungen des ersten Bürgermeisters berechtigt und verpflichtet, die dieser ohne die erforderliche Beschlussfassung des Gemeinderats vorgenommen hat. Soweit der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 8. Dezember 1959 (3 AZR 348/56, juris) die gegenteilige Auffassung vertreten hat, hat der nunmehr zuständige Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts auf vorgeschaltete Anfrage des erkennenden Senats gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 RsprEinhG (Senat, Beschluss vom 18. März 2016 - V ZR 266/14, BayVBl 2016, 716 ff.) mitgeteilt, dass er hieran nicht festhält (BAG, Beschluss vom 22. August 2016 - 2 AZB 26/16, NZA 2016, 1296). Im Ergebnis kann deshalb dahinstehen, ob ein Geschäft der laufenden Verwaltung im Sinne von Art. 37 Abs. 1 Nr. 1 BayGO vorlag oder ob sich aus der Geschäftsordnung der Klägerin eine Eigenentscheidungsbefugnis des ersten Bürgermeisters ergab.
13
Ob Beschränkungen Außenwirkung haben, ist durch Auslegung der die Vertretung regelnden Normen zu ermitteln; die Regelungen der bayerischen Gemeindeordnung weisen keine Besonderheiten auf, die eine von der Rechtslage in den anderen Bundesländern abweichende Reichweite der Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters rechtfertigen könnten.
14
a) Unter der Überschrift „Verpflichtungsgeschäfte; Vertretung der Gemeinde nach außen“ regelt Art. 38 Abs. 1 BayGO, dass der erste Bürgermeister die Gemeinde nach außen vertritt. Nur dieser (und nicht der Gemeinderat) kann für die Gemeinde nach außen handeln. Aus dem Wortlaut der Norm ergeben sich keine Einschränkungen der Vertretungsbefugnis. Danach begründet sie im Zweifel nicht nur ein formelles Vertretungsrecht, sondern eine unbeschränkte organschaftliche Vertretungsmacht (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 1977 - II ZR 236/75, MDR 1978, 388 f.) oder - mit anderen Worten - die materielle Befugnis zur Vornahme des betreffenden Geschäfts im Außenverhältnis.
15
b) Die systematische Auslegung ergibt nichts Gegenteiliges. Die Vorschriften der bayerischen Gemeindeordnung, die die Zuständigkeit von Gemeinderat und erstem Bürgermeister abgrenzen (Art. 29, 30 Abs. 2, Art. 36, 37 BayGO), regeln lediglich die gemeindeinterne Kompetenzverteilung. Insbesondere trifft Art. 36 Satz 1 BayGO, wonach der erste Bürgermeister die Beschlüsse des Gemeinderats vollzieht, keine Aussage über die in Art. 38 Abs. 1 BayGO eigenständig geregelte Vertretung der Gemeinde nach außen. Der Bestimmung lässt sich auch nicht entnehmen, dass der erste Bürgermeister „bloßes Vollzugsorgan“ ist. In Art. 29 BayGO wird er wie der Gemeinderat ausdrücklich als Hauptorgan bezeichnet. Als grundsätzlich gleichgewichtiges Hauptorgan neben dem Gemeinderat hat er einen eigenen, in Art. 37 BayGO positiv definierten Aufgabenbereich (Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung mit Verwaltungsgemeinschaftsordnung , Landkreisordnung und Bezirksordnung für den Freistaat Bayern, Art. 38 BayGO Erl. 2.1 [Stand Mai 2006]; Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 29 BayGO Rn. 1 [Stand Juli 2015]; Gönnenwein, Gemeinderecht, 1963, S. 320 f.; ähnlich Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Art. 29 BayGO Rn. 21 [Stand Dezember 2014]).
16
c) Der Entstehungsgeschichte der bayerischen Gemeindeordnung lässt sich ein auf eine Beschränkung der Vertretungsmacht gerichteter Wille des Gesetzgebers nicht entnehmen.
17
aa) Eine ausdrückliche Stellungnahme hierzu findet sich in den Gesetzesmaterialien nicht. Soweit in dem Regierungsentwurf zu Art. 39 Abs. 1 (entspricht Art. 38 Abs. 1 BayGO) ausgeführt wird, die Vertretung der Gemeinde im Rechtsverkehr sei herkömmlich Sache des ersten Bürgermeisters, der allerdings den betreffenden Gemeinderats- oder Ausschussbeschluss dem Vertragspartner der Gemeinde oder dem beurkundenden Notar auf Verlangen nachzuweisen habe (Regierungsentwurf, Landtagsdrucksachen 1951/1952 Beilage 1140, S. 35), ist dies unergiebig (aA BayObLGZ 1952, 271, 274). Denn der Entwurf erfuhr im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens noch umfangreiche Änderungen, durch die die Stellung des ersten Bürgermeisters gegenüber dem Gemeinderat deutlich gestärkt wurde. So wird der erste Bürgermeister in allen Gemeinden vom Volk gewählt (Art. 17 BayGO), während der Regierungsentwurf eine direkte Wahl nur in Gemeinden bis zu 20.000 Einwohnern und für größere Gemeinden die Wahl durch den Gemeinderat vorgesehen hatte (Art. 17 Abs. 1, Art. 35 Abs. 1 Satz 2). Art. 29 BayGO, wonach der Gemeinderat die Gemeinde verwaltet, soweit nicht der erste Bürgermeister selbständig ent- scheidet, erhielt die Überschrift „Hauptorgane“ (vgl. Sitzungsprotokoll der 60. Sitzung des Landtags vom 19. Dezember 1951, S. 1083, 1085). In Art. 30 Abs. 2 BayGO wurde die Passage eingefügt, wonach der Gemeinderat (nur) „im Rahmen des Art. 29“ über alle Angelegenheiten bestimmt, für die nicht beraten- de Ausschüsse bestellt sind (Sitzungsprotokoll der 60. Sitzung des Landtags vom 19. Dezember 1951, S. 1085). Dieser Einschub nimmt die in Art. 37 BayGO festgelegten selbständigen Befugnisse des ersten Bürgermeisters ausdrücklich vom Aufgabenbereich des Gemeinderates aus. Schließlich wurde dem Gemeinderat auf Einwendung des Bayerischen Senats die ursprünglich in Art. 38 Abs. 2 Sätzen 2 und 3 des Entwurfs vorgesehene Möglichkeit genommen , den von dem ersten Bürgermeister getätigten dringlichen Anordnungen und unaufschiebbaren Geschäften vorbehaltlich entstandener Rechte Dritter die Genehmigung zu versagen (vgl. Protokoll der Plenarsitzung des Bayerischen Senats vom 11. Januar 1952, Anlage 5, S. 7 und Sitzungsprotokoll der 66. Sitzung des Landtags vom 18. Januar 1952, S. 1305 f., 1310).
18
bb) Demgegenüber spricht der Vergleich mit den in dem Regierungsentwurf nicht erwähnten Vorgängerregelungen in den Gemeindeordnungen vom 17. Oktober 1927 (GVBl. S. 293) und vom 18. Dezember 1945 (GVBl. 1946 S. 225) eher für eine nunmehr unbeschränkte Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters im Außenverhältnis (Fritz, Vertrauensschutz im Privatrechtsverkehr mit Gemeinden, 1983, S. 64; aA BayObLGZ 1952, 271, 274). In diesen Vorgängerregelungen kam die außerhalb der Eigenentscheidungsbefugnis bestehende Abhängigkeit der Vertretungsmacht von der internen Willensbildung im Gesetzeswortlaut nämlich noch deutlich zum Ausdruck. Nach Art. 17 Abs. 1 Satz 3 BayGO 1927 vollzog der erste Bürgermeister die Beschlüsse des Gemeinderats und vertrat „hierbei“ den Gemeinderat (Art. 23 Abs. 1 Satz 2 BayGO 1945: die Gemeinde) nach außen. Deshalb wurde ein solcher Beschluss als Voraussetzung der Vertretungsmacht angesehen (vgl. Stöhsel/Stenger, Die neue bayerische Gemeindegesetzgebung, 1929, Art. 17 BayGO Anm. 5; Woerner, Kommentar zur bayerischen Gemeindeordnung vom 17. Oktober 1927, 1931, Art. 17 BayGO Anm. 11). Diese Einschränkung findet sich in der nunmehr geltenden Fassung des Art. 38 Abs. 1 BayGO gerade nicht mehr.
19
d) Signifikante Unterschiede zu dem Kommunalrecht der anderen Bundesländer , die nur in Bayern die Annahme einer beschränkten Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters im Außenverhältnis erlauben könnten, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil entspricht die dualistische Struktur der bayerischen Kommunalverfassung derjenigen der baden-württembergischen Gemeindeordnung. Dieses Konzept der süddeutschen Kommunalverfassung ist in Abwandlungen inzwischen in den meisten Bundesländern übernommen worden (näher Wolff/Bachhof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, 7. Aufl., § 97 Rn. 7; Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, 12. Aufl., Rn. 292). Auch der badenwürttembergische Gemeinderat ist gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 GO BW Hauptorgan der Gemeinde. Gleichwohl ist die Vertretungsmacht des Bürgermeisters gemäß § 42 Abs. 1 Satz 2 GO BW unbeschränkt (vgl. Senat, Urteil vom 20. April 1966 - V ZR 50/65, MDR 1966, 669 sowie BAGE 47, 179 ff. zu § 37 Abs. 1 Satz 2 LKrO BW). Selbst für das frühere nordrhein-westfälische Kommunalverfassungsrecht , das eine Allzuständigkeit des Gemeinderats (§ 28 GO NRW aF) und eine entsprechend schwächere Stellung des Gemeindedirektors vorsah, war die umfassende Außenvertretungsmacht des Gemeindedirektors anerkannt (eingehend OLG Köln, DVBl. 1960, 816, 817 f. mit Anm. Roemer; BGH, Urteil vom 20. September 1984 - III ZR 47/83, BGHZ 92, 164, 169 zu §§ 28, 55 GO NRW i.d.F. von 1969).
20
e) Entscheidend für die Auslegung des Art. 38 Abs. 1 BayGO als Einräumung einer umfassenden Vertretungsmacht im Außenverhältnis spricht - wie in den anderen Bundesländern auch - das Bedürfnis nach Rechtssicherheit und angemessenem Verkehrsschutz (vgl. BGH, Urteil vom 17. April 1997 - III ZR 98/96, VersR 1998, 118; U. Stelkens, Verwaltungsprivatrecht , 2005, S. 207: sinnvolles Ordnungsprinzip; hierzu auch BAG, Beschluss vom 22. August 2016 - 2 AZB 26/16, NZA 2016, 1296 Rn. 11).
21
aa) Der Erklärungsempfänger - in der Regel der Bürger - muss sich auf die Vertretungsbefugnis des für die Gemeinde nach außen handelnden Organs verlassen können. Demgegenüber bleibt es der Gemeinde unbenommen, gegen ihr pflichtwidrig handelndes Organ beamtenrechtliche Sanktionen zu verhängen bzw. Schadensersatzforderungen geltend zu machen. Es erscheint unangemessen , das Risiko fehlerhaften Organhandelns dem Erklärungsempfänger aufzubürden, der die Vorgänge bei der internen Willensbildung als außenstehender Dritter in aller Regel nicht erkennen kann. Insbesondere wird ein ausreichender Schutz nicht dadurch gewährleistet, dass er von der für die Gemeinde handelnden Person den Nachweis ihrer Befugnis zur Vornahme des betreffenden Geschäfts verlangen kann (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 1977 - II ZR 236/75, MDR 1978, 388; aA BayObLGZ 1952, 271, 274; 1974, 374, 376; 1986, 112, 115 mwN). Dabei verbleiben nämlich erhebliche Ungewissheiten. Wird dem Erklärungsempfänger die Ausfertigung eines Gemeinderatsbeschlusses vorgelegt (vgl. Art. 54 BayGO), müsste er überprüfen, ob dieser wirksam ist und das konkrete Rechtsgeschäft umfasst. Hat der Gemeinderat keinen Beschluss gefasst, kann eine schwierige Abgrenzung der gemeindeinternen Zuständigkeiten erforderlich sein, insbesondere im Hinblick auf die oft zweifelhafte Einordnung einer Rechtshandlung als Geschäft der laufenden Verwaltung (vgl. hierzu etwa BayObLGZ 1974, 374, 377). Dies ist umso problematischer, als sich die Gemeinde im Falle einer Fehleinschätzung unter Umständen noch Jahrzehnte später auf eine fehlende Vertretungsbefugnis des für sie handelnden Bürgermeisters berufen kann (vgl. z.B. BayObLG, MittBayNot 1997, 120 ff.).
22
bb) Vor denselben praktischen Schwierigkeiten und der damit verbundenen Rechtsunsicherheit stehen nach der bislang in Bayern herrschenden Meinung die dortigen Grundbuchämter. Sie dürfen Eintragungen in das Grundbuch nur dann vornehmen, wenn die Vertretungsbefugnis des ersten Bürgermeisters in der Form des § 29 GBO nachgewiesen ist. Dementsprechend betrifft ein großer Teil der oben (unter II.2a)) zitierten Entscheidungen der bayerischen Gerichte die Frage, ob dieser Nachweis als erbracht anzusehen ist oder nicht (vgl. nur aus jüngerer Zeit OLG München, MittBayNot 2009, 222 f.; 2012, 248 ff.; Beschluss vom 18. Juni 2010 - 34 Wx 65/10, juris; Beschluss vom 28. Januar 2013 - 34 Wx 390/12, juris). Den Grundbuchämtern wird in diesem Zusammenhang ggf. die Auslegung von Gemeinderatsbeschlüssen abverlangt (vgl. z.B. OLG München, MittBayNot 2012, 248 ff.); sie haben strenge Anforderungen an die Beweisführung zu stellen und die Eintragung im Zweifel abzulehnen (BayOblGZ 1974, 374, 376 ff.). Nach der von dem Senat vorgenommenen Auslegung des Art. 38 Abs. 1 BayGO ist dieser Nachweis entbehrlich; es ist nicht Aufgabe der Grundbuchämter, die Einhaltung der gemeindlichen Zuständigkeitsordnung zu überwachen.
23
f) Schließlich kann den Überlegungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts , wonach die von den bayerischen Gerichten seit 1952 vorgenom- mene Auslegung des Art. 38 Abs. 1 BayGO zu der Entstehung von Gewohnheitsrecht geführt haben könnte (BayObLGZ 1986, 112, 115), nicht beigetreten werden. Gewohnheitsrecht entsteht durch längere tatsächliche Übung, die eine dauernde und ständige, gleichmäßige und allgemeine ist und von den Beteiligten als verbindliche Rechtsnorm anerkannt wird (vgl. nur Senat, Urteil vom 21. November 2008 - V ZR 35/08, NJW-RR 2009, 311 Rn. 12; BVerfGE 122, 248, 269). Diese Voraussetzungen liegen schon deshalb nicht vor, weil der Bundesgerichtshof die Frage bereits 1966 für die sehr ähnlich gelagerte badenwürttembergische Gemeindeordnung anders entschieden und dies im Jahr 1979 für Bayern ausdrücklich offen gelassen hat; zudem wurden in der Rechtsliteratur schon frühzeitig Bedenken im Hinblick auf den Verkehrsschutz erhoben (vgl. z.B. Walz in Peters, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, 1. Aufl. [1956] Bd. I, S. 235, 266 f.). Darüber hinaus hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem (auf Anfrage des erkennenden Senats in dieser Sache ergangenen) Beschluss vom 22. August 2016 (2 AZB 26/16, NZA 2016, 1296 Rn. 11) zutreffend darauf hingewiesen, dass die Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters nach Art. 38 Abs. 1 BayGO nicht auf der Bildung einer Rechtsüberzeugung in den beteiligten Kreisen beruhe; da zu diesen auch Dritte gehörten, die in rechtsgeschäftliche Beziehungen zu den bayerischen Kommunen treten, dürfte schon wegen des Umfangs und der Unbestimmtheit dieses Personenkreises eine einheitlich als richtig angesehene Rechtsüberzeugung nicht feststellbar sein.

III.


24
Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), da sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
25
1. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung lässt sich ein auf § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB gestützter Anspruch der Klägerin auf Berichtigung des Grundbuchs nicht verneinen.
26
a) Ein solcher Anspruch kann sich daraus ergeben, dass eine schuldrechtliche Verpflichtung der Klägerin zur Pfandfreigabe - also zur dinglichen Aufgabe des Rohrleitungsrechts (§ 875 Abs. 1 BGB) hinsichtlich des Flurstücks Nr. 2394/1 und zur Abgabe der darauf bezogenen Löschungsbewilligung - nicht bestand. Insoweit macht die Klägerin geltend, ihre Verpflichtung zur Pfandfreigabe habe sich nur auf die Wegmessung nicht betroffener Grundstücksteile bezogen; die Beklagte hat bestritten, dass die Pfandfreigabe irrtümlich erfolgte. Hiervon hängt ab, ob die Beklagte ihre vorteilhafte Buchposition ohne Rechtsgrund erlangt hat.
27
b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Verjährung des Anspruchs nicht eingetreten.
28
aa) Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass der im Jahr 1997 entstandene Anspruch zunächst der Verjährungsfrist von dreißig Jahren unterlag (§ 195 BGB aF). Ab dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zum 1. Januar 2002 galt gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB die (kürzere) zehnjährige Verjährungsfrist des § 196 BGB nF, die von diesem Tag an zu berechnen war. Die Frist lief daher am Montag, dem 2. Januar 2012, ab. Dem für die Vertretung des Freistaats Bayern (als Vertreter der Bundesrepublik Deutschland) zuständigen Landesamt für Finanzen wurde die im Dezember 2011 eingereichte Klage erst am 20. Januar 2012 zugestellt.
29
bb) Gleichwohl ist die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB durch die Erhebung der Klage gehemmt worden. Denn die Zustellung wirkt, anders als das Berufungsgericht meint, auf die vor Ablauf der Verjährungsfrist erfolgte Einreichung der Klage zurück, da sie „demnächst“ im Sinne von § 167 ZPO er- folgt ist. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung wird eine der Partei zuzurechnende Zustellungsverzögerung von bis zu 14 Tagen regelmäßig hingenommen (vgl. nur Senat, Urteil vom 10. Juli 2015 - V ZR 154/14, NJW 2015, 2666 Rn. 5 mwN). Dieser Zeitraum ist nicht überschritten. Zuzurechnen ist der Klägerin zwar, dass in der Klageschrift das (unzuständige) Staatliche Bauamt Ansbach als Vertreterin der Beklagten benannt worden ist. Aber nach einem Hinweis des Gerichts hat sie bereits am 10. Januar 2012 die Zustellung der Klage an das (zuständige) Landesamt für Finanzen beantragt, deren Ausführung dem Gericht oblag. Da die hinzunehmende Zustellungsverzögerung von bis zu 14 Tagen nach ständiger Rechtsprechung erst vom Tag des Ablaufs der Verjährungsfrist an berechnet wird (vgl. Senat, Versäumnisurteil vom 25. September 2015 - V ZR 203/14, NJW 2016, 568 Rn. 11; BGH, Urteil vom 10. September 2015 - IX ZR 255/14, NJW 2016, 151 Rn. 15, jeweils mwN), hier also ab dem 2. Januar 2012, kommt es - anders als der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gemeint hat - auf den fehlgeschlagenen Zustellungsversuch im Dezember 2011 nicht an.
30
c) Inhaltlich hat sich das Berufungsgericht mit diesem Anspruch - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - bislang nicht befasst. Die insoweit getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um dem Revisionsgericht eine eigene Prüfung zu ermöglichen. Zwar geht das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang, nämlich bei der - nach den Ausführungen unter II.3. entbehrlichen - Prüfung, ob ein Geschäft der laufenden Verwaltung im Sinne von Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayGO vorlag, davon aus, dass sich die Verpflichtung der Klägerin zu der Pfandfreigabe nicht auf das Flurstück Nr. 2394/1 bezog und der Bürgermeister irrtümlich auf das Rohrleitungsrecht verzichtet habe. Bei der entscheidenden Prüfung eines Anspruchs gemäß § 812 Abs. 1 BGB lässt es aber ausdrücklich offen, ob die Klägerin schuldrechtlich zu der Pfandfreigabe verpflichtet war. Das Berufungsgericht wird infolgedessen zunächst tragfähige Feststellungen zu den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien zu treffen haben , um auf dieser Grundlage zu beurteilen, ob ein Rechtsgrund für die Pfandfreigabe bestand oder nicht; die Darlegungs- und Beweislast trifft insoweit die Klägerin.
31
2. Darüber hinaus kann sich ein Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs aus der Anfechtung der Pfandfreigabeerklärung ergeben. Diese kann im Hinblick auf die Anfechtung der dinglich wirkenden Aufgabe des Rohrleitungsrechts (§ 875 Abs. 1 BGB) und der verfahrensrechtlichen Löschungsbewilligung ebenfalls einen Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB begründen; daneben kann ein Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß § 894 BGB bestehen.

Da die Anfechtung bei Abgabe der Anfechtungserklärung am 6. Mai 2010 jedenfalls nicht durch Zeitablauf ausgeschlossen war (Art. 229 § 6 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 EGBGB, § 121 Abs. 2 aF, § 121 Abs. 2 nF BGB), wird das Berufungsgericht ggf. Feststellungen zu der - von dem Landgericht verneinten - Einhaltung der Frist des § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB treffen müssen.
Stresemann Schmidt-Räntsch Brückner
Göbel Haberkamp

Vorinstanzen:
LG Ansbach, Entscheidung vom 16.08.2013 - 2 O 1474/11 Öff -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 28.10.2014 - 4 U 1900/13 -

Soweit sich aus den §§ 54 bis 61 nichts Abweichendes ergibt, gelten die übrigen Vorschriften dieses Gesetzes. Ergänzend gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend.

(1) Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, der in Rechte eines Dritten eingreift, wird erst wirksam, wenn der Dritte schriftlich zustimmt.

(2) Wird anstatt eines Verwaltungsaktes, bei dessen Erlass nach einer Rechtsvorschrift die Genehmigung, die Zustimmung oder das Einvernehmen einer anderen Behörde erforderlich ist, ein Vertrag geschlossen, so wird dieser erst wirksam, nachdem die andere Behörde in der vorgeschriebenen Form mitgewirkt hat.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
VIII ZR 296/15
Verkündet am:
13. Juli 2016
Ermel,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
§ 314 Abs. 3 BGB findet auf die fristlose Kündigung eines (Wohnraum-)
Mietverhältnisses nach §§ 543, 569 BGB keine Anwendung.
BGH, Versäumnisurteil vom 13. Juli 2016 - VIII ZR 296/15 - LG Düsseldorf
AG Düsseldorf
ECLI:DE:BGH:2016:130716UVIIIZR296.15.0

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juli 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterinnen Dr. Hessel und Dr. Fetzer sowie die Richter Dr. Bünger und Kosziol
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 16. Dezember 2015 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich des Räumungsund Herausgabeantrags zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 6. Mai 2015 wird insgesamt zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Beklagte mietete im Jahr 2006 von der Klägerin eine Wohnung in Düsseldorf, deren Miete zuletzt monatlich 619,50 € zuzüglich Vorauszahlung auf die Nebenkosten betrug. Die Beklagte zahlte die Mieten für die Monate Februar und April 2013 nicht. Die Klägerin mahnte die Zahlung dieser Beträge deswegen mit Schreiben vom 14. August 2013 an. Mit Schreiben vom 3. September 2013 teilte die Beklagte mit, sie habe diese Mieten leider nicht überwiesen und entschuldige sich dafür, beglich die Mietrückstände aber in der Folgezeit nicht. Daraufhin erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 15. November 2013 die fristlose Kündigung.
2
Das Amtsgericht hat der auf Räumung und Herausgabe sowie auf Zahlung einer Betriebskostennachforderung für das Jahr 2012 in Höhe von 1.577,50 € nebst Zinsen gerichteten Klage - bis auf einen Betrag von 515,21 € nebst Zinsen - stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das amtsgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert, indem es die Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung abgewiesen hat. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die vollständige Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

3
Die Revision hat Erfolg.
4
Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden , da die Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - VIII ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 f.).

I.

5
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
6
Die Klage auf Räumung sei unbegründet. Zwar habe sich die Beklagte zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung mit zwei Monatsmieten im Verzug befunden. Dabei könne dahinstehen, ob die Miete wegen der von der Beklagten behaupteten Mängel der Mietsache gemäß § 536 BGB gemindert gewesen sei, weil es jedenfalls am Zugang einer Mängelanzeige gefehlt habe. Die Beklagte sei daher gemäß § 536c Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BGB mit der Geltendmachung ihrer Rechte ausgeschlossen.
7
Die Kündigungserklärung vom 15. November 2013 sei aber gemäß § 314 Abs. 3 BGB unwirksam, weil sie nicht innerhalb einer angemessenen Frist ab Kenntniserlangung der Klägerin von dem Kündigungsgrund erfolgt sei. Die Vorschrift finde im Wohnraummietverhältnis Anwendung. Das Kündigungsrecht sei ausgeschlossen, wenn seit der Kenntniserlangung des Vermieters von dem Eintritt der Kündigungsvoraussetzungen längere Zeit vergangen sei und der Mieter aufgrund konkreter Umstände davon ausgehen dürfe, dass der Vermieter von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen werde.
8
Für die Anwendung des § 314 Abs. 3 BGB spreche, dass es sich um eine außerordentliche Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund handele. Die Interessenabwägung gehe in den Fällen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB zu Lasten des Mieters aus, weil der Vermieter erhebliche finanzielle Einbußen durch Mietrückstände erleide. Es sei aber nicht ersichtlich, warum der Vermieter noch weiter geschützt werden solle, indem er das ihm zustehende Kündigungsrecht zeitlich unbegrenzt ausüben könne. Vielmehr sei einem Vermieter, der trotz Kenntnis des Vorliegens der Kündigungsvoraussetzungen nicht innerhalb einer angemessenen Frist von seinem Kündigungsrecht Gebrauch mache, die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist oder aber der sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses zuzumuten. In diesen Fällen sei der Mieter schutzwürdiger, der auf- grund konkreter Umstände davon ausgehen dürfe, der Vermieter werde von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch mehr machen.
9
Die Beklagte habe darauf vertrauen dürfen, dass eine fristlose Kündigung wegen der Mietrückstände aus Februar und April 2013 mehr als sieben Monate später im November 2013 nicht mehr erfolgen werde. Es seien bis zum Zeitpunkt der Kündigung keine weiteren Umstände hinzugetreten, die das Zuwarten der Klägerin und die im Anschluss erfolgte Kündigung nachvollziehbar machten, wie etwa die Entstehung weiterer Mietrückstände. Der Umstand, dass die Klägerin die Beklagte zuvor gemahnt habe, stehe einem schutzwürdigen Vertrauen auf Seiten der Beklagten nicht entgegen. Die Beklagte habe davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin zwar darauf bestehe, dass die offenen Mieten noch gezahlt werden, dies jedoch nicht zum Anlass nehmen werde, das Mietverhältnis fristlos zu kündigen.
10
In diesem Zusammenhang gewinne auch der Umstand an besonderer Bedeutung, dass es sich bei der Klägerin um eine Kirchengemeinde handele, der die Beklagte zudem früher als Küsterin auch beruflich verbunden gewesen sei. Es habe daher für die Beklagte durchaus nahegelegen, dass die Klägerin von ihrem Kündigungsrecht aus sozialen oder auch ethischen Erwägungen keinen Gebrauch machen werde.

II.

11
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 15. November 2013 und die Begründetheit des hierauf gestützten Anspruchs auf Räumung und Herausgabe der gemieteten Wohnung (§§ 546, 985 BGB) nicht verneint werden. Denn der Zeitablauf von sieben Monaten zwischen der erstmaligen Kündigungsmöglichkeit wegen Zahlungsver- zugs (5. April 2013) und der Erklärung der Kündigung am 15. November 2013 steht der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen.
12
1. Das Berufungsgericht hat einen Räumungsanspruch der Klägerin (§§ 546, 985) verneint, weil die mit Schreiben vom 15. November 2015 erklärte Kündigung der Klägerin das Mietverhältnis mit der Beklagten nicht beendet habe. Dabei hat das Berufungsgericht - insoweit rechtsfehlerfrei - einen Zahlungsverzug in Höhe von zwei Monatsmieten bejaht, der den Vermieter grundsätzlich zur Kündigung nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b BGB berechtigt. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Kündigung sei gleichwohl unwirksam, weil sie erst sieben Monate nach der ersten Kündigungsmöglichkeit und deshalb nicht in einer angemessenen Frist (§ 314 Abs. 3 BGB) erklärt worden sei, ist indes mit Rechtsfehlern behaftet.
13
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Vorschrift des § 314 Abs. 3 BGB auf die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses gemäß §§ 543, 569 BGB schon nicht anwendbar. Davon abgesehen wäre die vom Berufungsgericht innerhalb der von ihm bejahten Anwendung des § 314 Abs. 3 BGB vorgenommene Beurteilung aber auch nach den Maßstäben dieser Bestimmung rechtsfehlerhaft. Denn die Annahme, die Kündigung sei nicht in angemessener Frist ausgesprochen worden, ist angesichts des vom Berufungsgericht nicht berücksichtigten Umstands, dass die Zahlungsrückstände trotz Mahnung fortbestanden und die Klägerin durch das Zuwarten mit der Kündigung Rücksicht auf die Belange der Beklagten genommen hat (vgl. § 543 Abs. 2 Satz 2 BGB), nicht berechtigt. Die Sichtweise des Berufungsgerichts liefe darauf hinaus, dass ein für die Mieter gerade günstiges Zuwarten unterbliebe und der Vermieter gehalten wäre, zur Vermeidung eigener Nachteile, frühestmöglich eine fristlose Kündigung auszusprechen.
14
a) § 314 Abs. 3 BGB findet auf die fristlose Kündigung eines (Wohnraum -)Mietverhältnisses nach §§ 543, 569 BGB keine Anwendung.
15
Allerdings hat der Senat diese Frage bisher offen gelassen (vgl. Senatsurteile vom 15. April 2015 - VIII ZR 281/13, NJW 2015, 2417 Rn. 29; vom 11. März 2009 - VIII ZR 115/08, WuM 2009, 231 Rn. 17; Senatsbeschluss vom 13. April 2010 - VIII ZR 206/09, NZM 2011, 32 Rn. 5; vgl. in diesem Zusammenhang ferner zur Gewerberaummiete BGH, Urteil vom 21. März 2007 - XII ZR 36/05, NJW-RR 2007, 886 Rn. 21: dort wurde eine illoyale Verspätung sowohl im Rahmen der Verwirkung als auch im Rahmen des § 314 Abs. 3 BGB verneint, ohne dass dessen Anwendbarkeit näher erörtert wurde), weil sie nicht entscheidungserheblich war. Dem lag die Überlegung zugrunde, dass es (bei Anlegung eines zutreffenden Maßstabes) im Falle einer nach § 314 Abs. 3 BGB durchgreifenden illoyalen Verspätung typischerweise ebenso an einer Unzumutbarkeit nach § 543 Abs. 1 BGB fehlen wird oder die Voraussetzungen des Einwandes von Treu und Glauben, insbesondere der Verwirkung, erfüllt sein werden (vgl. Senatsbeschluss vom 13. April 2010 - VIII ZR 206/09, aaO Rn. 5 mwN), wohingegen es bei Einhaltung einer angemessenen Frist nach § 314 Abs. 3 BGB ohnehin bei der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung nach § 543 BGB verbliebe.
16
b) Nunmehr gibt die vom Berufungsgericht zugelassene Revision Anlass, die Frage zu klären, ob § 314 Abs. 3 BGB auf die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses gemäß §§ 543, 569 BGB überhaupt Anwendung findet oder ob es sich bei diesen Bestimmungen um abschließende Sonderregelungen handelt.
17
aa) Schon der Wortlaut dieser Vorschriften spricht gegen eine zeitliche Schranke für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung (vgl. Senatsbeschluss vom 13. April 2010 - VIII ZR 206/09, aaO). § 543 BGB, der - sei es als Generalklausel (Abs. 1), sei es als Regeltatbestände (Abs. 2) - die Voraussetzungen für die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses regelt, bestimmt in seinen weiteren Absätzen im Einzelnen die Modalitäten der Kündigung. Eine zeitliche Beschränkung für den Ausspruch der Kündigung schreibt diese Bestimmung nicht vor. Ebenso wenig enthält sie einen Verweis auf § 314 Abs. 3 BGB. Auch § 569 BGB, der für Wohnraummietverhältnisse die Vorschrift des § 543 BGB um weitere Tatbestände und Kündigungsmodalitäten ergänzt, sieht weder eine Zeitspanne , innerhalb derer die fristlose Kündigung auszusprechen ist, noch einen Verweis auf § 314 Abs. 3 BGB vor.
18
bb) Dies wird bestätigt durch die in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommene Zielsetzung des Gesetzgebers. Aus den Gesetzesmaterialien zu §§ 543, 569 BGB und zu § 314 BGB ergibt sich eindeutig, dass die Vorschriften über die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses als abschließende spezielle Regelung konzipiert sind und von der Einfügung einer Bestimmung , wonach die Kündigung in "angemessener Frist" zu erfolgen habe, bewusst abgesehen wurde.
19
(1) Die Neufassung der mietrechtlichen Kündigungsbestimmungen im Rahmen des Mietrechtsreformgesetzes vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1149) sollte die bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze ablösen und das zuvor aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen hergeleitete fristlose Kündigungsrecht aus wichtigem Grund sowie die über mehrere Einzelvorschriften verstreuten speziellen Kündigungsgründe ablösen (BT-Drucks. 14/4553, S. 43). Mit Ausnahme der Verlängerung der Schonfrist (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) sollte damit eine inhaltliche Änderung nicht verbunden sein (BT-Drucks. 14/4553, S. 64). Die Regelung des § 314 BGB oder eine vergleichbare allgemeine Vorschrift gab es zum da- maligen Zeitpunkt nicht. Auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung war ein allgemeiner Grundsatz dieses Inhalts nicht entwickelt worden.
20
Es war allerdings seit langem anerkannt, dass eine längere Verzögerung der Kündigungserklärung Rechtsfolgen nach sich zieht, etwa in der Weise, dass es bei Kündigungstatbeständen, die auf eine Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung abstellen, angesichts einer längeren Kündigungsverzögerung an einer solchen Unzumutbarkeit und somit an einem durchgreifenden Kündigungsgrund fehlen kann (vgl. dazu Senatsurteil vom 23. September 1987 - VIII ZR 265/86, NJW-RR 1988, 77, unter II 2 a mwN [zu § 554a BGB aF]). Ebenso stand und steht außer Frage, dass eine fristlose Kündigung im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände treuwidrig, insbesondere verwirkt sein kann (vgl. BGH, Urteile vom 29. April 2009 - VIII ZR 142/08, NJW 2009, 2297 Rn. 17; vom 18. Oktober 2006 - XII ZR 33/04, NJW 2007, 147 Rn. 11; vgl. ferner die frühere Rechtsprechung zur Verwirkung eines Rechts zur fristlosen Kündigung des Mieters gemäß § 542 BGB aF bei vorbehaltloser Weiterzahlung der Miete für eine gewisse Zeit, dazu BGH, Urteil vom 31. Mai 2000 - XII ZR 41/98, NJW 2000, 2663 unter II 3).
21
(2) Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber bei der Mietrechtsreform vom 19. Juni 2001 bewusst davon abgesehen festzulegen, dass die Kündigung innerhalb einer "angemessenen Zeit" ab Kenntnis vom Kündigungsgrund zu erfolgen hat (BT-Drucks. 14/4553, S. 44) Die Gesetzesbegründung verweist darauf, dass nach ständiger Rechtsprechung ein Kündigungsrecht verwirkt werden könne und deshalb ein Bedürfnis für eine solche Festlegung nicht bestehe. Zusätzlich wird darauf abgestellt, dass eine einheitliche konkrete Ausschlussfrist angesichts der Vielgestaltigkeit der Mietverhältnisse nicht festgelegt werden könne und eine "offenere" Bestimmung eine Auslegung durch die Rechtsprechung erfordere und somit kaum etwas zur Vereinfachung des Mietrechts beitragen könne. Wörtlich heißt es hierzu in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 14/4553, S. 44): "Es wird davon abgesehen, festzulegen, dass die Kündigung innerhalb einer angemessenen Zeit seit der Kenntnis vom Kündigungsgrund zu erfolgen hat. Ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund kann schon jetzt nach ständiger Rechtsprechung verwirkt werden […]. Eine einheitliche feste Ausschlussfrist in Anlehnung an § 626 Abs. 2 BGB sowie §§ 6, 24 und 70 VVG erscheint wegen der Vielgestaltigkeit der Mietverhältnisse (Wohnraum, Geschäfts- raum, Grundstücke, bewegliche Sachen) nicht möglich […]. Eine offenere Bestimmung wäre durch die Rechtsprechung in jedem Falle auslegungsbedürftig. Die mögliche Regelung könnte damit nur wenig zur Vereinfachung des Mietrechts beitragen."
22
(3) Hieran hat die Einführung des § 314 BGB durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) nichts geändert. Es erschien dem Gesetzgeber zwar geboten, bei einer allgemeinen Überarbeitung des Leistungsstörungsrechts die Kündigung aus wichtigem Grund bei Dauerschuldverhältnissen in das Bürgerliche Gesetzbuch aufzunehmen. Dafür sprach sowohl die erhebliche praktische Bedeutung dieses Rechtsinstituts als auch die seit langem gefestigte Rechtsprechung zu seinem Anwendungsbereich (BT-Drucks. 14/6040, S. 177). Schon der Gesetzgeber sah jedoch, dass § 314 BGB damit als lex generalis in einem Konkurrenzverhältnis zu zahlreichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze steht, in denen die Kündigung aus wichtigem Grund bei einzelnen Dauerschuldverhältnissen besonders geregelt ist. Wörtlich heißt es in der Gesetzesbegründung hierzu: "Diese Einzelbestimmungen sollen nicht aufgehoben oder geändert werden, sondern als leges speciales Vorrang vor § 314 RE haben." (BT-Drucks. 14/6040, S. 177).
23
Dementsprechend hat der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zwar an manchen Stellen im Mietrecht Anpassungen vorgenommen , so auch bei § 543 Abs. 4 Satz 1 BGB (vgl. die Übersicht zu den Änderungen bei Palandt/Weidenkaff, BGB, 75. Aufl., Einf v § 535 Rn. 77a), jedoch davon abgesehen, in §§ 543, 569 BGB einen Verweis auf § 314 Abs. 3 BGB aufzunehmen.
24
Die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses ist also in §§ 543, 569 BGB abschließend geregelt und eine Anwendung des § 314 Abs. 3 BGB somit ausgeschlossen (ebenso MünchKommBGB/Gaier, 7. Aufl., § 314 Rn. 9; Erman/ Böttcher, aaO, § 314 Rn 5; Palandt/Grüneberg, aaO, § 314 Rn. 4; Palandt/ Weidenkaff, aaO, § 543 Rn. 44 f.). Die von Teilen der Literatur (vgl. Häublein, ZMR 2005, 1 f; Staudinger/V. Emmerich, Neubearb. 2014, § 543 BGB Rn. 2, 90; Erman/Lützenkirchen, BGB, 14. Aufl., § 543 Rn. 12 ff., 49) vertretene gegenteilige Auffassung verkennt die aus den Materialien ersichtliche eindeutige Zielsetzung des Gesetzgebers.
25
2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Zwar finden - wie bereits oben unter II 1 a ausgeführt - bei einer auf § 543 Abs. 2 BGB gestützten Kündigungserklärung die Grundsätze von Treu und Glauben, insbesondere der Verwirkung, Anwendung. Die vom Berufungsgericht beanstandete "Verzögerung" der Kündigung erfüllt jedoch die Voraussetzungen der Verwirkung schon deshalb nicht, weil es - offensichtlich - an einem Umstandsmoment (vgl. dazu Senatsurteil vom 31. Juli 2013 - VIII ZR 162/09, BGHZ 198, 111 Rn. 66) fehlt. Tragfähige Anhaltspunkte für ein Vertrauen der Beklagten, die Klägerin werde von ihrem Recht zur fristlosen Kündigung wegen Verzugs mit zwei Monatsmieten keinen Gebrauch machen, sind vom Berufungsgericht nicht festgestellt und auch sonst nicht ersichtlich. Sie liegen insbesondere nicht schon darin, dass es sich bei der Klägerin um eine Kirchengemeinde handelt und die Beklagte früher bei ihr als Küsterin beschäftigt gewesen ist.

III.

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Das Berufungsurteil kann demnach keinen Bestand haben, soweit bezüglich der Räumung zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).
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Der Senat entscheidet in der Sache selbst, da es keiner weiteren Feststellungen mehr bedarf und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten und somit zur vollständigen Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils. Die Räumungs- und Herausgabeklage ist begründet (§§ 546, 985 BGB), weil die fristlose Kündigung der Klägerin vom 15. November 2013 das Mietverhältnis beendet hat. Denn die Beklagte befand sich im Zeitpunkt der Kündigung mit den Mieten für die Monate Februar und April 2013 in Verzug, so dass die Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b BGB berechtigt war.
Rechtsbehelfsbelehrung Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils bei dem Bundesgerichtshof, Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.
Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Fetzer Dr. Bünger Kosziol
Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 06.05.2015 - 23 C 626/14 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 16.12.2015 - 5 S 40/15 -

(1) Haben die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, sich seit Abschluss des Vertrags so wesentlich geändert, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, so kann diese Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen oder, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, den Vertrag kündigen. Die Behörde kann den Vertrag auch kündigen, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.

(2) Die Kündigung bedarf der Schriftform, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist. Sie soll begründet werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.