Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 18. Apr. 2016 - 2 M 89/15
Gründe
I.
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Der Antragsteller wendet sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Schweinemastanlage.
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Mit Bescheid vom 30.04.2013 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen eine Genehmigung nach § 4 BImSchG für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zum Halten von 8.250 Mastschweinen, die Errichtung von zwei Güllebehältern (je VNetto = 3.618 m³) mit Gülleabfüllplatz, zwei Vorgruben, acht Futtersilos, das Aufstellen eines Kadavercontainers, die Einrichtung von Sanität- und Sozialbereichen sowie das Aufstellen von zwei Flüssiggastanks (je 5.100 l) am Standort K-Stadt, OT (...). Der Bescheid wurde der Beigeladenen am 08.05.2013 zugestellt und am 17.05.2013 im Amtsblatt des Antragsgegners öffentlich bekanntgemacht.
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Am 13.06.2013 erhob der Antragsteller beim Verwaltungsgericht im Verfahren 4 A 101/14 MD Klage.
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Am 21.08.2014 ordnete der Antragsgegner auf Antrag der Beigeladenen gemäß § 80a Abs. 1 Nr. 1, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung des Bescheides an.
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Am 03.11.2014 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht beantragt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid wiederherzustellen, hilfsweise die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides dahingehend zu ändern, dass sie nur gegen eine angemessene Sicherheitsleitung, die den beabsichtigten Investitionen der Höhe nach entspricht, angeordnet wird.
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Mit Beschluss vom 27.05.2015 – 4 B 246/14 MD – hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 30.04.2013 wiederhergestellt. Es bestünden erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit sowohl der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung als auch an der Anordnung der sofortigen Vollziehung. Dem Antragsteller dürfte nach der gebotenen summarischen Prüfung ein Abwehrrecht aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG unter dem Gesichtspunkt der Geruchsbelastungen gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zustehen. Die Rechtmäßigkeit der Genehmigung sei Zweifeln ausgesetzt, weil die Vorbelastung nicht nachvollziehbar und umfassend ermittelt worden sei. Es könne daher nicht eingeschätzt werden, ob eine Überschreitung des Immissionswertes von 0,10 (10 % der Jahresgeruchsstunden) bzw. 0,15 (15 % der Jahresgeruchsstunden) an den in der Immissionsprognose der IfU GmbH vom 30.08.2011 begutachteten sechs Immissionsorten ausgeschlossen sei. Das Gutachten der IfU GmbH komme im Hinblick auf die Immissionsorte MA bis MD zu dem Ergebnis, dass die durch das Vorhaben zu erwartende Zusatzbelastung 0,02 betrage und damit gemäß Nr. 3.3 der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) irrelevant sei, so dass die Vorbelastung nicht berücksichtigt werden müsse. Dies begegne bei der konkreten Sachlage erheblichen Bedenken. In dem Gebiet befänden sich acht weitere für das Beurteilungsgebiet relevante Tierhaltungsanlagen. Insbesondere die Hühnermastanlage in J-Stadt mit einer Tierplatzzahl von ca. 160.000 Masthähnchen dürfte unter Berücksichtigung der Geruchsausbreitung sowie des um ein Vielfaches höheren Gewichtungsfaktors von 1,5 (im Vergleich zu Schweinemastanlagen von 0,75) für eine erhebliche Vorbelastung der südlichen Beurteilungsflächen im Beurteilungsgebiet sprechen. Allein die Anzahl von acht weiteren Tierhaltungsanlagen hätte Anlass geben müssen, zu prüfen, ob das Irrelevanzkriterium aufgrund der Kumulation von Tierhaltungsanlagen vorliegend ausnahmeweise nicht maßgeblich sei. Nach den Auslegungshinweisen zur GIRL hätte man sich mit dieser Vorbelastung zumindest auseinandersetzen müssen. Bestehe – wie hier – eine atypische Belastungssituation durch bereits vorhandene Anlagen, müsse die Gesamtbelastung unter Berücksichtigung der bestehenden Anlagen ermittelt werden, um "auf der sicheren Seite" zu sein. Wenn bereits die Vorbelastung für einen Nachbarn nicht mehr zumutbar sei, sei auch eine weitere die Irrelevanzgrenze nicht erreichende Zusatzbelastung unzulässig. Der Antragsgegner habe sich insgesamt mit den speziellen Bedingungen nicht nachvollziehbar auseinandergesetzt. Nach derzeitiger Sach- und Rechtslage bestünden mithin ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Genehmigung. Die Vollziehungsanordnung erweise sich ferner als rechtswidrig, weil das öffentliche Interesse durch den Antragsgegner nicht hinreichend begründet worden sei. Allein die durch den Antragsgegner geltend gemachte Rechtmäßigkeit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung rechtfertige die Durchbrechung des Grundsatzes des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht.
II.
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Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Beigeladenen ist zulässig und begründet. Die dargelegten Gründe gebieten die Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts bestehen bei summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung des Antragsgegners vom 30.04.2013 (dazu 1). Auch entspricht die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 21.08.2014 den Anforderungen (dazu 2). Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist auch nicht – auf den Hilfsantrag des Antragstellers – von der Leistung einer Sicherheit abhängig zu machen (dazu 3).
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1. Der Prüfungsmaßstab für das vorliegende Verfahren ergibt sich aus § 4a Abs. 3 des Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz – UmwRG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 08.04.2013 (BGBl. I S. 753). Danach ist § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen oder wiederherstellen kann, wenn im Rahmen einer Gesamtabwägung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. Mit dieser Regelung knüpft § 4a Abs. 3 UmwRG an die für Anträge auf gerichtliche Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs allgemein geltenden Maßstäbe an. In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO bzw. § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht auf der Grundlage einer eigenen Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen. Wesentliches Element dieser Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann (BVerwG, Beschl. v. 16.09.2014 – BVerwG 7 VR 1.14 – juris RdNr. 10). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts i.S.d. § 4a Abs. 3 UmwRG bestehen dabei regelmäßig erst dann, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Erfolg des Antragstellers in der Hauptsache zu erwarten ist (OVG NW, Beschl. v. 23.07.2014 – 8 B 356/14 –, juris RdNr. 62 ff.; Beschl. v. 24.06.2015 – 8 B 315/15 –, juris RdNr. 14). Bei der Verbandsklage nach dem UmwRG ist die Prüfung nicht auf drittschützende Vorschriften beschränkt. Die Prüfung erstreckt sich vielmehr gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UmwRG auf sämtliche Vorschriften, die dem Umweltschutz dienen (BVerwG, Urt. v. 24.10.2013 – BVerwG 7 C 36.11 –, juris RdNr. 22). Einer Prüfung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung bedarf es dagegen nicht. Wird von einem Dritten die einem anderen erteilte, diesen begünstigende Genehmigung angegriffen, besteht weder von Verfassungs wegen noch nach der Verwaltungsgerichtsordnung ein grundsätzlicher Vorrang der aufschiebenden Wirkung vor der sofortigen Vollziehbarkeit (BVerfG, Beschl. v. 01.10.2008 – 1 BvR 2466/08 –, juris RdNr. 21; OVG BBg, Beschl. v. 15.01.2009 – OVG 9 S 70.08 –, juris RdNr. 4; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 80a RdNr. 66). Die Entscheidung über die Vollzugsanordnung hat eher schiedsrichterlichen Charakter im Verhältnis zwischen den von der Genehmigung Betroffenen (OVG SH, Beschl. v. 29.07.1994 – 4 M 58/94 –, juris RdNr. 5). Bei dreipoligen Rechtsverhältnissen ist Maßstab vorrangig die Erfolgsaussicht des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs (Beschl. d. Senats v. 21.03.2013 – 2 M 154/12 –, juris RdNr. 13; Beschl. v. 18.05.2015 – 2 M 33/15 –, juris RdNr. 19; NdsOVG, Beschl. v. 05.03.2008 – 7 MS 115/07 –, juris RdNr. 27; OVG NW, Beschl. v. 05.09.2008 – 13 B 1013/08 –, juris RdNr. 8). Ist es wegen der besonderen Dringlichkeit einer alsbaldigen Entscheidung oder wegen der Komplexität der Sach- und Rechtsfragen nicht möglich, die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wenigstens summarisch zu beurteilen, so sind allein die einander gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einerseits und deren Ablehnung andererseits verbundenen Folgen zu gewichten. § 4a Abs. 3 UmwRG modifiziert diesen Prüfungsmaßstab nur bezogen auf die gebotene Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs, an dem Erfordernis einer umfassenden Interessenabwägung ändert sich hingegen nichts (BVerwG, Beschl. v. 16.09.2014 – BVerwG 7 VR 1.14 –, a.a.O. RdNr. 11; Beschl. v. 23.01.2015 – BVerwG 7 VR 6.14 –, juris RdNr. 8). Im Rahmen der Gesamtabwägung ist bei offenen Erfolgs-aussichten zu berücksichtigen, ob besonders gravierende, möglicherweise nicht reversible Folgen drohen, wenn das Vorhaben vor Unanfechtbarkeit der Genehmigung verwirklicht wird (OVG NW, Beschl. v. 23.07.2014 – 8 B 356/14 –, a.a.O. RdNr. 62; Beschl. v. 24.06.2015 – 8 B 315/15 –, a.a.O. RdNr. 14).
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Nach diesen Grundsätzen führt die gemäß § 4a Abs. 3 UmwRG i.V.m. §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers mit dem Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der Genehmigung zu dem Ergebnis, dass das Vollzugsinteresse überwiegt. Es lässt sich im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, ob die angegriffene Genehmigung rechtmäßig ist. Zwar ergeben sich – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts – keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Genehmigung wegen der von der Anlage ausgehenden Geruchsbelastungen (dazu a). Die vom Antragsteller in seinem Antrag nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO erhobenen weiteren Rügen können jedoch – auch summarisch – zum Teil nicht abschließend geprüft werden und müssen einer vertiefenden Bewertung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben (dazu b). Im Rahmen der bei offenen Erfolgsaussichten vorzunehmenden Gesamtabwägung hat das Interesse der Beigeladenen an der vorläufigen weiteren Ausnutzung der ihr erteilten Genehmigung Vorrang vor dem Suspensivinteresse des Antragstellers (dazu c).
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a) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sind bei summarischer Prüfung durch die Errichtung und den Betrieb der Schweinemastanlage (...) keine schädlichen Umwelteinwirkungen i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG durch Geruchsimmissionen zu erwarten.
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Bei der Beurteilung, ob Geruchsbelastungen für die Nachbarschaft zumutbar sind, bietet die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) in der Fassung vom 29.02.2008 mit einer Ergänzung vom 10.09.2008 eine sachgerechte Entscheidungshilfe. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die GIRL bei der tatrichterlichen Bewertung der Erheblichkeit von Geruchsbelastungen als Orientierungshilfe herangezogen werden kann (OVG NW, Urt. v. 01.06.2015 – 8 A 1760/13 –, juris RdNr. 51 m.w.N.). Die Anwendung der GIRL gewährleistet eine hinreichend verlässliche Prognose und Bewertung von Geruchsbelastungen (Urt. d. Senats v. 24.03.2015 – 2 L 184/10 –, juris RdNr. 95). Die GIRL ist ein technisches Regelwerk, deren Werte auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von Experten beruhen und das insoweit die Bedeutung eines antizipierten generellen Sachverständigengutachtens hat (BVerwG, Beschl. v. 05.08.2015 – BVerwG 4 BN 28.15 –, juris RdNr. 5).
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Zur Ermittlung der zu erwartenden Geruchshäufigkeit bedarf es grundsätzlich einer "auf der sicheren Seite" liegenden Prognose, bei der aus der Vorbelastung und der Zusatzbelastung im Wege einer Ausbreitungsrechnung die voraussichtliche Gesamtbelastung ermittelt wird. Diese ist sodann an dem nach der GIRL maßgeblichen Immissionswert zu messen (OVG NW, Beschl. v. 31.03.2016 – 8 B 1341/15 –, juris RdNr. 65 m.w.N.).
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Von einer Ermittlung der Vorbelastung kann unter den Voraussetzungen der Nr. 3.3 GIRL abgesehen werden. Hiernach soll die Genehmigung für eine Anlage auch bei Überschreitung der Immissionswerte der GIRL nicht wegen der Geruchsimmissionen versagt werden, wenn der von der zu beurteilenden Anlage in ihrer Gesamtheit zu erwartende Immissionsbeitrag auf keiner Beurteilungsfläche, auf der sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, den Wert 0,02 (2 % der Jahresgeruchsstunden) überschreitet. Bei Einhaltung dieses Wertes ist davon auszugehen, dass die Anlage die belästigende Wirkung der vorhandenen Belastung nicht relevant erhöht (Irrelevanz der zu erwartenden Zusatzbelastung – Irrelevanzkriterium). Gegen die Verwendung des Irrelevanzkriteriums bestehen keine Bedenken. Nach der Geruchsimmissionsrichtlinie ist zwar grundsätzlich auf die Vorbelastung und Zusatzbelastung durch die neu hinzutretende Anlage abzustellen, aus der sich die Gesamtbelastung ergibt (Nr. 4.6 GIRL). Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Erweist sich die prognostizierte Zusatzbelastung nach allgemeiner fachlicher Einschätzung als geringfügig und damit als irrelevant, darf von der Ermittlung der vorhandenen Vorbelastung abgesehen werden. Bei Einhaltung des als Irrelevanzschwelle verstandenen Wertes von 0,02 wird davon ausgegangen, dass die hinzutretende Anlage die belästigende Wirkung der vorhandenen Belastung nicht relevant erhöht. Die Regelung markiert einen zulässigen Bagatellvorbehalt (BVerwG, Urt. v. 19.04.2012 – BVerwG 4 CN 3.11 –, juris RdNr. 16).
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Hiervon ausgehend gelangt die Immissionsprognose der IfU GmbH vom 30.08.2011 (BA T Bl. 78 ff.) nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass erhebliche Geruchsbelästigungen durch die geplante Schweinemastanlage (...) nicht zu erwarten sind. Für die Immissionsorte MA ((...)), MB (Wohnbebauung entlang der L 23), MC (N-Stadt) und MD (S-Stadt) wurde eine Zusatzbelastung von jeweils 2 % ermittelt (BA T Bl. 122). Im Hinblick auf das Irrelevanzkriterium der Nr. 3.3 der GIRL wurde insoweit auf eine Ermittlung der Vorbelastung verzichtet. Dies ist – entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts – rechtlich nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner ist zu Recht davon ausgegangen, dass gemäß Nr. 3.3 der GIRL wegen der geringen Zusatzbelastung von 0,02 an den Immissionsorten MA bis MD unabhängig von der insbesondere in den Ortslagen (...) und N-Stadt bestehenden Vorbelastung keine erheblichen Geruchsbelästigungen durch die von der Anlage ausgehenden Geruchsimmissionen zu erwarten sind. Die Vorbelastung an den Immissionsorten MA bis MD ist ohne Belang, weil die von der streitigen Anlage ausgehende Zusatzbelastung den Wert von 0,02 (2 % der Jahresgeruchsstunden) nicht überschreitet und damit nach Nr. 3.3 der GIRL irrelevant ist.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.3 der GIRL, insbesondere zur Anwendung des Irrelevanzkriteriums im Außenbereich. Diese lauten wie folgt:
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"Im Außenbereich, in dem die Landwirtschaft privilegiert ist und in dem sie ihre Entwicklungsmöglichkeiten soweit wie möglich nutzen will, gibt es praktisch keine räumlichen Begrenzungen. Es ist durchaus möglich, dass um ein Wohngebiet herum eine Vielzahl von Anlagen existiert bzw. gebaut oder erweitert wird, deren Beitrag zur Geruchsimmissionssituation in der Wohnbebauung jeweils irrelevant ist. Dies würde beträchtliche Kumulationen nach sich ziehen. Die Erfahrungen aus der Praxis belegen, dass Immissionswertüberschreitungen in diesen Fällen nicht auszuschließen sind.
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Auf diese Problematik wurde in der Vergangenheit unterschiedlich reagiert. So gibt es in Teilen Niedersachsens eine sogenannte „kleine“ Irrelevanzregelung. Sie geht davon aus, dass eine berechnete Geruchshäufigkeit von 0,004, verursacht durch einen geplanten Stallneubau, sich nicht in der gerundeten Kenngröße nach Nr. 4.6 GIRL auswirkt und der Stall gebaut werden könnte.
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Eine andere Möglichkeit besteht darin, in Fällen in denen übermäßige Kumulationen befürchtet werden, zusätzlich zu den erforderlichen Berechnungen auch die Gesamtbelastung im Istzustand in die Beurteilung einzubeziehen. D. h. es ist zu prüfen, ob bei der bereits vorhandenen Belastung noch ein zusätzlicher Beitrag von 0,02 toleriert werden kann.
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Vor diesem Hintergrund ist es durchaus möglich, dass zwar die erste Anlage, die einen irrelevanten Beitrag zur Geruchsimmissionsbelastung leistet, noch eine Genehmigung erhält, aber der zweiten irrelevanten Anlage die Genehmigung verweigert wird. Im Sinne der Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen entsprechend § 3 BImSchG ist dies berechtigt, da u. U. eine fortschreitende Kumulation zu befürchten ist. Auf Nr. 5 der GIRL wird verwiesen."
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Diese Auslegungshinweise behandeln das Problem der Kumulation mehrerer für sich betrachtet irrelevanter (Zusatz-)Belastungen durch verschiedene Anlagen, die in der Summe eine unzumutbare Gesamtbelastung ergeben. Es handelt sich um ein Problem der Genehmigungspraxis. Soweit diese Situation gegeben ist, soll abweichend vom Regelfall des Nr. 3.3 GIRL auch die "Gesamtbelastung im Istzustand" – also die Vorbelastung – in die Betrachtung einbezogen werden. Rechtsfolge kann sein, dass auch ein eigentlich nach Nr. 3.3 GIRL irrelevanter Zusatzbeitrag von 0,02 nicht mehr tolerierbar ist, so dass dieser eigentlich irrelevanten Anlage die Genehmigung verweigert wird. Als Voraussetzung dieser besonderen Verfahrensweise wird genannt, dass
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- um ein Wohngebiet herum
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- eine Vielzahl von Anlagen existiert bzw. gebaut oder erweitert wird
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- deren Beitrag zur Geruchsimmissionssituation jeweils irrelevant ist.
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Diese Auslegungshinweise bedürfen einer Abstimmung mit der Grundregel der Nr. 3.3 GIRL, wonach bei einer Anlage mit einer Zusatzbelastung von 0,02 auch bei Überschreitung der Immissionswerte die Genehmigung nicht versagt werden soll. Eine Gesamtbetrachtung der Grundregel der Nr. 3.3 GIRL einerseits sowie der Auslegungshinweise zu Nr. 3.3 GIRL andererseits ergibt, dass
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- die "Kumulationsregel" der Auslegungshinweise im Regelfall der Irrelevanzregel des Nr. 3.3 GIRL nicht zur Anwendung kommt,
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- dieser Regelfall vorliegt, wenn eine Anlage mit irrelevanter Zusatzbelastung auf eine vorhandene Vorbelastung trifft,
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- im Regelfall die Genehmigung auch bei Überschreitung der Immissionswerte erteilt werden soll und daher von der Ermittlung der Vorbelastung abgesehen werden kann,
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- die "Kumulationsregel" nur dann anwendbar ist, wenn mehrere Anlagen, die jeweils eine irrelevante Zusatzbelastung aufweisen, gleichzeitig oder nacheinander zur Genehmigung stehen,
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- bei Anwendung der "Kumulationsregel" die Genehmigung für eine Anlage auch dann versagt werden kann, wenn von dieser eine irrelevante Zusatzbelastung verursacht wird und dies zu einer Überschreitung des Immissionswertes führt.
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Die "Kumulationsregel" der Auslegungshinweise zu Nr. 3.3 GIRL kommt im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung, da hier der Regelfall der Nr. 3.3 GIRL vorliegt. Die von der Beigeladenen geplante Anlage trifft auf eine bestehende Vorbelastung durch die Tierhaltungsanlagen in (...), N-Stadt, J-Stadt, St-Stadt und A-Stadt (BA T Bl. 315) und verursacht an den Immissionsorten MA bis MD eine irrelevante Zusatzbelastung von 0,02. Weitere Anlagen um die Immissionsorte MA bis MD herum mit einer irrelevanten Zusatzbelastung stehen nicht zur Genehmigung an. Vor diesem Hintergrund konnte im Hinblick auf die Immissionsorte MA bis MD von der Ermittlung der Vorbelastung abgesehen werden.
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Die Ermittlung der Vorbelastung an den Immissionsorten MA bis MD ist auch nicht deswegen notwendig, weil geprüft werden müsste, ob die Vorbelastung durch die vorhandenen Tierhaltungsanlagen insbesondere in (...) oder N-Stadt über der absoluten Obergrenze von 0,25 liegt. Zwar wird in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, das Irrelevanzkriterium der GIRL sei unanwendbar, wenn bereits die Geruchsvorbelastung über der absoluten Obergrenze liege; sei schon die Geruchsvorbelastung nicht mehr zumutbar, sei auch eine weitere die Irrelevanzgrenze nicht erreichende Zusatzbelastung unzulässig (OVG NW, Beschl. v. 23.03.2009 – 10 B 259/09 –, juris RdNr. 20; VG Düsseldorf, Urt. v. 24.04.2012 – 3 K 6274/09 –, juris RdNr. 91). Es ist jedoch fraglich, ob der Wert von 0,25 eine absolute Obergrenze für landwirtschaftliche Gerüche im Außenbereich darstellt (OVG NW, Urt. v. 01.06.2015 – 8 A 1760/13 –, a.a.O. RdNr. 82). Der Antragsgegner ist der Annahme einer absoluten Obergrenze nicht grundsätzlich entgegengetreten, sondern hält eine Einzelfallbetrachtung für erforderlich. In N-Stadt liege eine Situation vor, in der die Vorbelastung durch die bestehende Milchviehanlage durch die von der geplanten Anlage ausgehende irrelevante Zusatzbelastung nicht erhöht werde, da sich der Standort der Neuanlage im gleichen Windrichtungsvektor wie die Altanlage, jedoch in deutlich größerer Entfernung befinde und die Zusatzbelastung durch die neue Anlage daher von dem von der Altanlage ausgehenden Geruch überlagert werde (GA 4 A 101/14 MD, Bl. 237 ff.). Diese Überlegungen gelten jedoch nicht für die in der Immissionsprognose der IfU GmbH ebenfalls nicht erfassten Vorbelastungen im Beurteilungsgebiet durch die Milchviehanlage in (...) mit 926 Tierplätzen, die Schweinemastanlage in N-Stadt mit 1.700 Tierplätzen, die Rinderanlagen in J-Stadt mit 180 Tierplätzen sowie die Hähnchenmastanlagen in J-Stadt mit insgesamt ca. 160.000 Tierplätzen. Die von den Tierhaltungsanlage in J-Stadt herrührende Vorbelastung ist auch nicht deshalb ohne Belang, weil sich dieser Ort wegen seiner Entfernung zur Emissionsquelle außerhalb des Beurteilungsgebiets (Nr. 4.4.2 GIRL) befindet. Es steht vielmehr grundsätzlich im Einklang mit der GIRL, für eine vollständige Vorbelastungserfassung auch weiter entfernte geruchsemittierende Quellen einzubeziehen. Ziel einer Beurteilung nach der GIRL ist es, die Gesamtbelastung im Beurteilungsgebiet zu ermitteln. Dies erfordert gegebenenfalls, auch Emittenten in die Untersuchung aufzunehmen, die sich außerhalb des Beurteilungsgebiets befinden, aber relevant auf dieses einwirken (OVG NW, Beschl. v. 09.12.2013 – 8 A 1451/12 –, juris RdNr. 32; anders noch OVG NW, Beschl. v. 14.01.2010 – 8 B 1015/09 –, juris RdNr. 42). Die Belgeladene macht jedoch zu Recht geltend, dass im Regelfall der Nr. 3.3 der GIRL, in welchem – wie hier – eine neue Anlage auf eine bestehende Vorbelastung trifft, die Anwendung des Irrelevanzkriteriums nicht von der Höhe der Vorbelastung abhängig ist. Die GIRL selbst enthält keine solche Einschränkung. Sie würde auch, wie in der Stellungnahme der IfU GmbH vom 10.07.2015 (GA Bl. 326 ff.) dargelegt wird, zu widersinnigen Ergebnissen führen. Bei Unanwendbarkeit des Irrelevanzkriteriums im Fall einer Überschreiten einer absoluten Obergrenze durch die Vorbelastung wäre die Unzumutbarkeit der von der neuen Anlage ausgehenden irrelevanten Geruchsbelastung auch dann anzunehmen, wenn von dieser nur eine minimale Zusatzbelastung von 0,01 (1 % der Jahresstunden) in einem stark vorbelasteten Bereich verursacht würde. Dies würde dazu führen, dass das Beurteilungsgebiet – entsprechend der Auslegungshinweise zu Nr. 4.4.2 der GIRL – stark ausgeweitet werden müsste, da eine von der neuen Anlage ausgehende Zusatzbelastung von 0,01, die bei einem Zusammentreffen mit einer über der absoluten Obergrenze liegenden Vorbelastung unzulässig wäre, auch in großer Entfernung zu der neuen Anlage auftreten könnte. Die Einschränkung der Irrelevanzregel würde zudem dazu führen, dass die Ermittlung der Vorbelastung stets erforderlich wäre, um zu klären, ob das Irrelevanzkriterium wegen einer über der absoluten Obergrenze liegenden Vorbelastung auf einer im Beurteilungsgebiet liegenden Beurteilungsfläche, auf der sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, unanwendbar ist. Diese Konsequenzen sind erkennbar sachwidrig und werden der GIRL nicht gerecht. Eine extrem hohe Vorbelastung, die im Einzelfall zur Unzumutbarkeit selbst einer irrelevanten Zusatzbelastung führen kann, ist allenfalls als Ergebnis einer Prüfung im Einzelfall nach Nr. 5 GIRL denkbar. Im vorliegenden Fall sind indessen keine Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer solchen Einzelfallprüfung erkennbar.
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Die Immissionsprognose der IfU GmbH vom 30.08.2011 kommt auch hinsichtlich der Immissionsorte ME (A-Stadt) und MF (R-Stadt) nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass von der streitigen Anlage keine erheblichen Geruchsbelästigungen ausgehen. Für die Immissionsorte ME und MF wurde eine Zusatzbelastung von 0,03 (3 %) bzw. 0,04 (4 %) ermittelt. Unter Berücksichtigung der Vorbelastung durch die Schweinemastanlage nördlich von St-Stadt sowie die Milchviehanlage in A-Stadt ergab sich eine Gesamtbelastung an den Immissionsorten ME von 0,05 bis 0,07 (5 bis 7 %) und MF von 0,04 bis 0,05 (4 bis 5 %) (BA T Bl. 123). Die von den Tierhaltungsanlagen in J-Stadt, (...) und N-Stadt ausgehenden Fernwirkungen wurden bei der Ermittlung der Vorbelastung außer Betracht gelassen, da diese wegen der Abstände von 2.000 bis 4.000 m als mit hoher Wahrscheinlichkeit irrelevant eingeschätzt wurden und die einschlägigen Immissionswerte von 0,10 (10 %, R-Stadt) bzw. 0,15 (15 %, A-Stadt) jeweils zu weniger als der Hälfte ausgeschöpft werden (Genehmigungsbescheid, S. 74). Anhaltspunkte dafür, dass diese Vorgehensweise nicht sachgerecht ist, sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
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b) Der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts ist auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis richtig. Eine Beschwerde hat in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht schon dann Erfolg, wenn mit ihr die tragende Begründung des Verwaltungsgerichts zu Recht in Zweifel gezogen wird, sondern erst dann, wenn sich die Entscheidung auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist. Insoweit beschränkt § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO die Prüfung nicht auf die vorgebrachten Beschwerdegründe (OVG NW, Beschl. v. 18.03.2002 – 7 B 315/02 –, juris RdNr. 5; Beschl. v. 31.03.2016 – 8 B 1341/15 –, a.a.O. RdNr. 12; BayVGH, Beschl. v. 21.05.2003 – 1 CS 03.60 –, juris RdNr. 16; VGH BW, Beschl. v. 25.11.2004 – 8 S 1870/04 –, juris RdNr. 6; OVG LSA, Beschl. v. 26.10.2010 – 1 M 125/10 –, juris RdNr. 13). Die hiernach gebotene Prüfung ergibt, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auch nicht aus anderen, von diesem nicht herangezogenen Gründen im Ergebnis bestätigt werden kann.
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aa) Soweit der Antragsteller eine nicht ordnungsgemäße Ermittlung des Sachverhaltes rügt, kann sich hieraus ein Erfolg im Hauptsacheverfahren nicht ergeben. Unabhängig von der Frage, ob ein solcher Verstoß gegen § 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG vorliegt, führt er nach § 46 VwVfG nicht zur Aufhebung der Genehmigung, weil offensichtlich ist, dass die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst worden ist. Die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ist nach § 6 Abs. 1 BImSchG eine gebundene Entscheidung. Soweit die Genehmigung im Ergebnis nicht gegen Rechtsvorschriften verstößt, die dem Umweltschutz dienen (§ 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UmwRG), was im Hauptsacheverfahren abschließend zu klären ist, kann sich ein etwaiger Aufklärungsmangel gemäß § 46 VwVfG nicht zu Lasten des Antragstellers ausgewirkt haben (OVG NW, Urt. v. 10.11.2015 – 8 A 1031/15 –, juris RdNr. 44; Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 24 RdNr. 59). Auch die Frage, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung wegen einer unzureichenden Sachverhaltsermittlung fehlerhaft war, stellt sich nicht. Das Gericht trifft im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO – wie ausgeführt – eine eigenständige Ermessensentscheidung und prüft nicht die Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung.
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bb) Ohne Erfolg rügt der Antragsteller, in der Immissionsprognose vom 30.08.2011 sei die Abluftmenge fehlerhaft angegeben worden. Zwar trifft es zu, dass die Abluftmenge in der Immissionsprognose mit 20.257 m³/h je Stall angegeben wird (BA T Bl. 110), während sie tatsächlich ausweislich der Nachreichung der Landesgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH vom 31.08.2012 (BA J Bl. 4) 244.500 m³/h je Stall beträgt. Dies führt jedoch nicht zur Fehlerhaftigkeit der Immissionsprognose. Nach den Erläuterungen des Antragsgegners ist die Abluftmenge bzw. der Volumenstrom für die vorliegende Ausbreitungsrechung nicht relevant, da die Abluft aus den Ställen als kalte Quellen in Form von Punktquellen modelliert worden seien. Nach Anhang 3 der TA Luft seien Eingangsdaten einer Ausbreitungsrechnung bei Punktquellen
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- die Lagekoordinaten x, y, z,
- 38
- der Emissionsmassenstrom,
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- die Abluftgeschwindigkeit,
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- der Quelldurchmesser und
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- der Wärmestrom.
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Der Wärmestrom berechne sich aus dem Volumenstrom und der Abgastemperatur und diene der Bestimmung der effektiven Quellhöhe. Bei kalten Quellen sei der Wärmestrom gleich Null. Demzufolge sei eine Dateneingabe für den Volumenstrom und die Abgastemperatur nicht erforderlich (GA 4 A 101/14 MD, Bl. 233 f.). Diesen nachvollziehbaren Erläuterungen ist der Antragsteller nicht entgegengetreten.
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cc) Keine durchgreifenden Zweifel an der korrekten Modellierung der Quellen ergeben sich aus der Rüge des Antragstellers, die vom DWD angegebenen Gauß-Krüger-Koordinaten stimmten nicht mit den von der IfU GmbH verwendeten Koordinaten überein, so dass der Berechnung ein Punkt zugrunde liege, der mehr als 200 m von allen realen Emissionsquellen entfernt liege. Zwar trifft es zu, dass der DWD in der Qualifizierten Prüfung (QPR) der Übertragbarkeit von Februar 2010 als Standort der Anlage die Gauß-Krüger-Koordinaten 4433900 m (Rechtswert) und 5827900 m (Hochwert) angegeben hat (BA T Bl. 146), während in der Immissionsprognose der IfU GmbH die Gauß-Krüger-Koordinaten des Nullpunktes des lokalen Koordinatensystems mit 4434000 m (Rechtswert) und 5828000 m (Hochwert) angegeben werden (BA T Bl. 102). Hierzu hat der Antragsgegner jedoch nachvollziehbar ausgeführt, die Rüge des Antragstellers beruhe auf einem Missverständnis, da gemäß Nr. 3.3.1 der Immissionsprognose ein lokales kartesisches Koordinatensystem verwendet worden sei. Der Antragsteller habe offenbar angenommen, dass der Nullpunkt des lokalen Koordinatensystems mit dem Emissionsschwerpunkt der Anlage im Zentrum der Beurteilungsfläche 0/0 gleichzusetzen sei. Dem sei aber nicht so. Aus Abbildung 11 der Immissionsprognose (BA T Bl. 114) werde deutlich, dass die Quellen in korrekter Lage modelliert worden seien. Die Anlage mit den Emissionsquellen sei in Abbildung 11 weiß dargestellt und befinde sich im Zentrum der Beurteilungsfläche 0/0. Wäre die Quellmodellierung wie vom Antragsteller angenommen erfolgt, so wäre in Abbildung 11 die braune Isofläche um ca. 700 m nach Osten an den Waldrand heran verschoben.
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dd) Keinen Erfolg hat die Rüge des Antragstellers, der von der Anlage hervorgerufene Stickstoffeintrag führe in den östlich der Anlage gelegenen Waldgebieten zu einer unzulässigen Gesamtbelastung. Zwar umfasst der Schutz vor erheblichen Nachteilen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG auch den Schutz von Pflanzen (NdsOVG, Beschl. v. 27.07.2001 – 1 MB 2587/01 –, juris RdNr. 8). Insoweit ist in Nr. 4.8 TA Luft eine Sonderfallprüfung vorgesehen, soweit Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Schutz vor erheblichen Nachteilen durch Schädigung empfindlicher Pflanzen und Ökosysteme durch Stickstoffdeposition nicht gewährleistet ist. Kriterien für eine solche Sonderfallprüfung bietet der Leitfaden zur Ermittlung und Bewertung von Stickstoffeinträgen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz in der Fassung vom 01.03.2012 (sog. LAI-Papier). Dieser enthält in Anhang II, Tabelle A.II.1, empirische critical loads der Stickstoffdeposition (kg N ha-1 a-1) für bestimmte Ökosysteme, u.a. für Wälder. Ergänzend sind in Nr. 6.1 des LAI-Papiers Zuschlagsfaktoren zur Ableitung des Beurteilungswertes in Abhängigkeit von der Schutzkategorie und der Gefährdungsstufe vorgesehen. Der Beurteilungswert bildet den Maßstab für die Bewertung von Stickstoffeinträgen, die sich aus der Vorbelastung und der anlagenspezifischen Zusatzbelastung zusammensetzen. Hiervon ausgehend nimmt der Antragsteller – in Übereinstimmung mit der Umweltverträglichkeitsstudie (BA T Bl. 319) – eine Gesamtbelastung von 29 kg N/ha*a an, die sich aus einer Vorbelastung von 22 kg N/ha*a und einer anlagenbedingten Zusatzbelastung von 7 kg N/ha*a zusammensetze. Diese liege über dem Beurteilungswert von 21,25 kg N/ha*a, der sich aus dem critical load von 12,5 kg N/ha*a und einem Zuschlagsfaktor von 1,7 ergebe. Der critical load sei ein Mittelwert aus dem für Kiefernwald maßgeblichen critical load von 5 bis 15 kg N/ha*a, der hier angezeigt sei, da es sich um eine Mischwald mit hohen Kiefernbestand handele. Der Zuschlagsfaktor von 1,7 ergebe sich durch Zuordnung zu der Schutzkategorie Regulationsfunktion und einer mittleren Gefährdungsstufe. Es spreche sogar einiges dafür, dass hier eine hohe Gefährdungsstufe und damit ein Zuschlagsfaktor von 1,5 zugrunde zu legen sei. Auch liege die Zusatzbelastung von 7 kg N/ha*a über dem nach der 30-%-Regel des LAI-Papiers zulässigen Wert von 6,375 kg N/ha*a.
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Ob diese vom Antragsteller zugrunde gelegten Werte zutreffend sind, ist unklar. Die Beigeladene geht von einer Gesamtbelastung von 29 kg N/ha*a und einem critical load von 15 kg N/ha*a aus und hält – insoweit in Übereinstimmung mit der Umweltverträglichkeitsstudie – einen Zuschlagsfaktor von 2,5 und damit ein Beurteilungswert von 37,5 kg N/ha*a für maßgeblich, da der Wald der Schutzkategorie Produktionsfunktion sowie einer mittleren Gefährdungsstufe zuzuordnen sei. Der Antragsgegner hält demgegenüber eine differenzierende Betrachtungsweise für geboten. Soweit Laubmischwald- und Laubwaldbestände betroffen seien, sei nach der Umweltverträglichkeitsstudie von einer Vorbelastung von 21 kg N/ha*a, einer Zusatzbelastung von 7 kg N/ha*a und damit einer Gesamtbelastung von 28 kg N/ha*a auszugehen, die über dem Beurteilungswert von 25,5 kg N/ha*a liege. Dieser ergebe sich aus dem critical load von 15 kg N/ha*a sowie einem Zuschlagsfaktor von 1,7. Denkbar sei aber auch, den in der Umweltverträglichkeitsstudie angenommenen critical load von 17,5 kg N/ha*a zugrunde zu legen, woraus sich ein Beurteilungswert von 29,75 kg N/ha*a ergebe, der nicht erreicht werde. Selbst wenn von einem critical load von 15 kg N/ha*a ausgegangen werde, ergebe sich noch kein immissionsschutzrechtlicher Konflikt, da insoweit die 30-%-Regelung des LAI-Papiers (S. 40 f.) anzuwenden sei. Hiernach sei eine Einzelfallprüfung nicht notwendig, obwohl die Gesamtbelastung an einem Beurteilungspunkt den Beurteilungswert überschreite, wenn die Zusatzbelastung einen Wert von 30 % des Beurteilungswertes nicht überschreite. Das sei hier der Fall. 30 % des Beurteilungswertes von 25,5 kg N/ha*a seien 7,65 kg N/ha*a. Dieser Wert werde von der Zusatzbelastung von 7 kg N/ha*a nicht überschritten. Für den größeren Flächenanteil der Waldflächen, bei denen es sich um Kiefernforste handele, sei von einer Gesamtbelastung von 29 – 29,5 kg N/ha*a auszugehen. Diese setze sich nach der Umweltverträglichkeitsstudie zusammen aus einer Vorbelastung von 23 kg N/ha*a und einer Zusatzbelastung von maximal 6 – 6,5 kg N/ha*a. Dass die Zusatzbelastung im Hinblick auf den Kiefernbestand unter 7 kg N/ha*a liege, ergebe sich aus der Karte 1 zur Umweltverträglichkeitsstudie (BA T Bl. 427) sowie der Abbildung 3 auf Seite 9 des 1. Nachtrags zur Immissionsprognose vom 19.03.2012 (BA X Bl. 172). Im Hinblick auf die Kiefernforste sei von einem Beurteilungswert von 22,5 kg N/ha*a auszugehen, der sich aus dem critical load von 15 kg N/ha*a und einem Zuschlagsfaktor von 1,5 ergebe. Der Zuschlagsfaktor resultiere aus der Zuordnung zu der Schutzkategorie Regulationsfunktion sowie der Gefährdungsstufe "hoch". Damit übersteige die Stickstoffdeposition den Beurteilungswert innerhalb der Kiefernforste deutlich. Allerdings sei auch hier die 30-%-Regelung des LAI-Papiers anzuwenden. 30 % des Beurteilungswertes von 22,5 kg N/ha*a seien 6,75 kg N/ha*a. Die Zusatzbelastung im Bereich der Kiefernforste liege unter diesem Wert. Die Vorgaben des LAI-Papiers würden somit eingehalten.
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Hiernach ist die Frage, ob die von der Anlage ausgehenden Stickstoffeinträge in den östlich gelegenen Waldgebieten zu erheblichen Nachteilen i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG führen, als offen anzusehen. Die dargestellten Meinungsverschiedenheiten zu der Frage der sachgerechten Ermittlung und Bewertung der von der Anlage ausgehenden Stickstoffeinträge wirft komplexe naturschutzfachliche Fragen aus, die im Rahmen des vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend geklärt werden können, sondern einer vertiefenden Betrachtung im Rahmen des Hauptsacheverfahrens bedürfen.
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ee) Soweit der Antragsteller auf den anlagebedingten Eintrag von Stickstoff in das Grundwasser über den Luftpfad hinweist, ergeben sich keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Genehmigung. Der Antragsteller meint, insoweit liege eine Gewässerbenutzung i.S.d. § 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG vor, die wegen der umfassenden Prüfpflicht der Immissionsschutzbehörde gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Genehmigung nicht außer Betracht bleiben könne. Zwar hat die Immissionsschutzbehörde grundsätzlich auch zu prüfen, ob dem Vorhaben wasserrechtliche Hindernisse entgegenstehen (OVG NW, Urt. v. 01.12.2011 – 8 D 58/08.AK –, juris RdNr. 430; VG Magdeburg, Urt. v. 07.07.2015 – 4 A 222/14 –, juris RdNr. 29). Der anlagebedingte Eintrag von Stickstoff über den Luftpfad in das Grundwasser ist jedoch wasserrechtlich nicht relevant. Die Benutzungstatbestände des § 9 WHG setzen ein zweckgerichtetes Verhalten voraus. Ein rein kausales Geschehen reicht nicht aus (BVerwG, Urt. v. 16.11.1973 – BVerwG 4 C 44.69 –, juris RdNr. 13). Hiernach erfüllt der Eintrag des von der Anlage ausgehenden Stickstoffs über den Luftpfad in das Grundwasser nicht den Benutzungstatbestand des § 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG, denn ein zweckgerichtetes Handeln, also eine absichtliche Gewässerbenutzung, liegt insoweit nicht vor.
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ff) Bei summarischer Prüfung liegt auch keine Verletzung der Betreiberpflicht zur ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung von Abfällen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG durch die geplante Ausbringung der in der Anlage anfallenden Gülle auf den in der Flur 10 der Gemarkung (...) liegenden Flächen vor. Im Hinblick auf die anlagenexterne Entsorgung von Abfällen ergeben sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG Pflichten zu Vorbereitungsmaßnahmen im Anlagenbereich. Bei Abfällen, die die Anlage verlassen und außerhalb der Anlage verwertet oder beseitigt werden sollen, hat der Anlagenbetreiber alle erforderlichen Vorbereitungen zu treffen, um zu gewährleisten, dass Abfälle nach den einschlägigen Vorschriften ordnungsgemäß verwertet bzw. ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden können (BT-Drs. 16/4599, S. 127; Jarass, BImSchG, 11. Aufl. 2015, § 5 RdNr. 88). Soweit es um den Verbleib von beim Betrieb von Tierhaltungsanlagen anfallenden Wirtschaftsdünger i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 2 des Düngegesetzes (DüngG) vom 09.01.2009 (BGBl. I S. 54) geht, kann von einer ordnungsgemäßen Verwendung dann ausgegangen werden, wenn der Tierhalter über Flächen verfügt, die den Wirtschaftsdünger nach Maßgabe des § 3 Abs. 2 DüngG in Verbindung mit den Vorschriften der Düngeverordnung (DüV) vom 27.02.2007 (BGBl. I S. 221) im Sinne einer Anwendung "nach guter fachlicher Praxis" aufnehmen können. Verfügt der Tierhalter und Anlagenbetreiber nicht über ausreichende eigene Flächen, so muss sichergestellt sein, dass der Wirtschaftsdünger aufgrund langfristiger Verträge abgenommen und einer ordnungsgemäßen den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Verwendung zugeführt wird (NdsOVG, Beschl. v. 23.01.2003 – 7 ME 203/02 –, juris RdNr. 6; VG Osnabrück, Urt. v. 21.01.2016 – 2 A 1646/13 –, juris RdNr. 50). Die sich aus dem DüngG und der DüV ergebenden Anforderungen an die Ausbringung der Gülle nach guter fachlicher Praxis werden – soweit derzeit ersichtlich – erfüllt. Nach den Angaben des Antragsgegners sind gemäß § 4 Abs. 3 DüV zur ordnungsgemäßen Verwertung des Stickstoffs bei Annahme eines mittleren bis guten Ertragspotentials ca. 546 ha landwirtschaftliche Nutzfläche (LN) notwendig. Die zur Verwertung der jährlich anfallenden Gülle der Beigeladenen auf vertraglicher Grundlage durch andere landwirtschaftliche Betriebe bereitgestellte Fläche betrage 613,44 ha LN und sei ausreichend (GA 4 A 101/14 MD, Bl. 259 f.). Vor diesem Hintergrund bedarf es vorliegend keiner Vertiefung, ob es sich bei der in dem geplanten Schweinemastbetrieb anfallenden Gülle überhaupt um Abfall handelt (vgl. EuGH, Urt. v. 03.10.2013 – C-113/12 –, juris RdNr. 43 ff.).
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Zu keinem anderen Ergebnis führt der Umstand, dass das Grundwasser im Bereich der Ausbringungsfläche für die anfallende Gülle in der Flur 10 der Gemarkung (...) nach den Angaben in der Ergänzung des Landesgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH zum Thema Grundwasserschutz vom 29.03.2012 (BA X Bl. 803 ff.
) mit Nitrat (NO3) in einer über dem Grenzwert des § 6 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Anlage 2 Teil I Nr. 9 der Trinkwasserverordnung vom 21.05.2001 (BGBl. I S. 959) von 50 mg/l liegenden Konzentration belastet ist. Die Nitratbelastung des Grundwassers stellt nach geltendem Recht keine rechtliche Schranke für die Aufbringung von Dünger in der Landwirtschaft dar. Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie des Rates vom 12.12.1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (91/676/EWG) (ABl. L 375 vom 31.12.1991, S. 1) i.V.m. § 62a WHG ist insoweit allein die Erarbeitung eines nationalen Aktionsprogramms zum Schutz von Gewässern vor Nitrateinträgen aus Anlagen vorgesehen.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Desinfektionsmittel Aldekol im Rahmen des Anlagenbetriebes verwendet wird. Zwar ist dieses Desinfektionsmittel nach dem einschlägigen EG-Sicherheitsdatenblatt als stark wassergefährdend einzustufen (GA 4 A 101/14 MD, Bl. 259). Gleichwohl kann hieraus – entgegen der Ansicht des Antragstellers – nicht ohne weiteres gefolgert werden, dass die im Rahmen des Anlagenbetriebs anfallende Schweinegülle für eine Verwendung als Dünger gänzlich ungeeignet sei, weil hiermit auch das im Betrieb verwendete Aldekol in das Grundwasser gelangen könne. Düngemittel dürfen gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c i.V.m. Nr. 8.3.8 der Tabelle 8 in Anlage 2 der Düngemittelverordnung (DüMV) vom 05.12.2012 (BGBl. I S. 2482) als Nebenbestandteile auch Reinigungs- und Desinfektionsmittel enthalten, sofern diese Anteile im Rahmen der notwendigen Reinigung und Desinfektion von Ställen und Anlagen unvermeidbar sind und es sich nicht um perflourierte Tenside handele. Nach den Angaben der Beigeladenen liegen beide Voraussetzungen hier vor, so dass auch eine mögliche Restbelastung der Gülle mit dem Desinfektionsmittel Aldekol ihrer Eignung als Düngemittel nicht entgegenstehe (GA Bl. 193). Diese Problematik kann im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nicht abschließend geklärt werden und bedarf einer vertiefenden Betrachtung im Rahmen des Hauptsacheverfahrens.
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gg) Es ergeben sich auch nicht deshalb ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Genehmigungsbescheides, weil hierin nicht der Einbau einer Abluftreinigungsanlage zur Vorsorge gegen Bioaerosol-Emissionen angeordnet wurde. Die Vermeidung bzw. Senkung von erhöhten Bioaerosol-Konzentrationen ist nicht den drittschützenden Betreiberpflichten des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, sondern den Vorsorgeanforderungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG zuzuordnen (OVG NW, Urt. v. 10.11.2015 – 8 A 1031/15 –, a.a.O. RdNr. 110). Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen. Die Rügebefugnis des Antragstellers umfasst gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UmwRG auch diesen nicht drittschützenden Vorsorgegrundsatz (VGH BW, Urt. v. 20.07.2011 – 10 S 2102/09 –, juris RdNr. 76). Dem in dieser Vorschrift angesprochenen Stand der Technik kommt dabei keine Sperrwirkung für über diesen Stand hinausgehende Vorsorgemaßnahmen zu. Eine Maßnahme zur Emissionsbegrenzung – etwa zur Vorsorge gegen eine von Tierhaltungsanlagen ausgehende Bioaerosol-Belastung der Nachbarschaft – kann vielmehr auch dann eine erforderliche und wirtschaftlich zumutbare Vorsorgemaßnahme sein, wenn sie zur Emissionsminderung praktisch geeignet ist, aber aus wirtschaftlichen Gründen noch nicht dem Stand der Technik entspricht (BVerwG, Urt. v. 23.07.2015 – BVerwG 7 C 10.13 –, juris RdNr. 21). Ob eine über den Stand der Technik hinausgehende Abluftbehandlung zur Minderung von Bioaerosol-Emissionen verhältnismäßig und damit geboten ist, kann in unmittelbarer Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG auf den jeweiligen Einzelfall entschieden werden. Dabei muss die Vorsorge nach Umfang und Ausmaß dem Risikopotential der Immissionen, die sie verhindern soll, proportional sein. Der Grundsatz der Risikoproportionalität setzt eine Bagatellgrenze voraus, bei deren Unterschreitung emissionsbegrenzende Maßnahmen nicht angeordnet werden dürfen (BVerwG, Urt. v. 23.07.2015 – BVerwG 7 C 10.13 –, a.a.O. RdNr. 23 f.). Kriterien für die Erforderlichkeit von Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Senkung von Bioaerosol-Konzentrationen lassen sich dem Leitfaden zur Ermittlung und Bewertung von Bioaerosol-Immissionen der Bund/Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz vom 31.01.2014 entnehmen. Der Leitfaden dient der Prüfung, ob insbesondere von Tierhaltungsanlagen schädliche Umwelteinwirkungen i.S.d. BImSchG hervorgerufen werden können, und stellt deshalb Kriterien dafür auf, wann eine Sonderfallprüfung zu den Bioaerosol-Emissionen der Anlage erforderlich ist. Folgende Kriterien werden in Anlehnung an die Hinweise der VDI-Richtlinie 4250, Blatt 1, genannt:
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- Abstand zwischen Wohnort/Aufenthaltsort und Anlage (Beispiele: < 500 m zu Geflügelhaltungsanlagen, halboffenen und offenen Kompostierungsanlagen; < 350 m zu Schweinemastbetrieben; < 200 m zu geschlossenen Kompostierungsanlagen),
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- ungünstige Ausbreitungsbedingungen, z. B. Kaltluftabflüsse in Richtung der Wohnbebauung,
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- weitere Bioaerosol-emittierende Anlagen in der Nähe (1000 m-Radius),
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- empfindliche Nutzungen (z. B. Krankenhäuser),
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- gehäufte Beschwerden der Anwohner wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen, die durch Emissionen aus Bioaerosol-emittierenden Anlagen verursacht sein können (spezifische Erkrankungsbilder).
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Da nach den Angaben des Antragsgegners im vorliegenden Fall keines der Kriterien für die Notwendigkeit einer Sonderfallprüfung auf Bioaerosolbelastungen erfüllt ist (GA 4 A 101/14 MD, Bl. 256 f.), spricht – bei summarischer Prüfung – überwiegendes dafür, dass Vorsorgemaßnahmen zur Vermeidung bzw. Senkung von Bioaerosol-Emissionen, etwa der Einbau einer Abluftreinigungsanlage, nicht erforderlich sind.
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hh) Der Genehmigungsbescheid ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil die Änderungen des BImSchG durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen vom 08.04.2013 (BGBl. I S. 734) nicht beachtet wurden. Insbesondere folgt die Fehlerhaftigkeit des Bescheides – entgegen der Ansicht des Antragstellers – nicht aus einem Verstoß gegen § 10 Abs. 1a BImSchG. Hiernach hat derjenige, der beabsichtigt, eine Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie zu betreiben, in der relevante gefährliche Stoffe verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden, mit den Unterlagen nach Absatz 1 einen Bericht über den Ausgangszustand vorzulegen, wenn und soweit eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück durch die relevanten gefährlichen Stoffe möglich ist. Nähere Vorschriften über den mit den Antragsunterlagen vorzulegenden Bericht über den Ausgangszustand enthält § 4 Abs. 4a der 9. BImSchV. Es bedarf hier keiner Vertiefung, ob die am 02.05.2013 in Kraft getretenen Vorschriften des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen, wozu auch § 10 Abs. 1a BImSchG zählt, in zeitlicher Hinsicht auf den Bescheid vom 30.04.2013 anwendbar sind, weil dieser erst am 08.05.2013 durch Bekanntgabe an die Beigeladene gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG wirksam geworden ist. Es bedarf auch keiner Vertiefung, ob die von der Beigeladenen geplante Schweinemastanlage (...) eine Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie ist, in der relevante gefährliche Stoffe (§ 3 Nr. 10 BImSchG) verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden. Es kann ferner offen bleiben, ob es sich bei dem in § 10 Abs. 1a BImSchG vorgeschriebenen Ausgangszustandsbericht um eine Genehmigungsvoraussetzung handelt. Die Vorlage eines Ausgangszustandsberichts war im vorliegenden Genehmigungsverfahren jedenfalls auf Grund der Übergangsregelung § 25 Abs. 2 Satz 1 der 9. BImSchV nicht erforderlich. Hiernach ist § 4a Absatz 4 Satz 1 bis 5 bei Anlagen, die sich am 02.05.2013 in Betrieb befanden oder für die vor diesem Zeitpunkt eine Genehmigung erteilt oder für die vor diesem Zeitpunkt von ihren Betreibern ein vollständiger Genehmigungsantrag gestellt wurde, bei dem ersten nach dem 7. Januar 2014 gestellten Änderungsantrag hinsichtlich der gesamten Anlage anzuwenden, unabhängig davon, ob die beantragte Änderung die Verwendung, die Erzeugung oder die Freisetzung relevanter gefährlicher Stoffe betrifft. Hiernach bedurfte es jedenfalls deshalb im vorliegenden Genehmigungsverfahren keiner Vorlage eines Berichts über den Ausgangszustand, weil am 02.05.2013 bereits ein vollständiger Genehmigungsantrag der Beigeladenen vorlag.
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ii) Es liegen auch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass die Errichtung oder der Betrieb der Anlage gegen die Energiesparpflicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG verstoßen, wonach Anlagen so zu errichten und zu betreiben sind, dass Energie sparsam und effizient verwendet wird. Es bedarf keiner Vertiefung, ob der Antragsteller insoweit gemäß § 2 Abs. 3 UmwRG präkludiert ist oder ob der Einwendungsausschluss nach dieser Vorschrift unionsrechtswidrig und daher nicht mehr anzuwenden ist (OVG NW, Beschl. v. 31.03.2016 – 8 B 1341/15 –, a.a.O.). Allein aus dem – vom Antragsteller gerügten – Umstand, dass die Antragsunterlagen hierzu keine Ausführungen enthalten, kann nicht gefolgert werden, dass die Errichtung oder der Betrieb der Anlage gegen diese Betreiberpflicht verstößt.
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c) Die bei offener Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache erforderliche weitere Interessenabwägung fällt zugunsten der Beigeladenen aus. Ihr drohen bei einer vorläufigen Einstellung der Errichtung und des Betriebs der geplanten Schweinemastanlage erhebliche wirtschaftliche Einbußen, die in der konkreten Verfahrenssituation unbillig wären und die vom Antragsteller geltend gemachten Belange überwiegen. Die Beigeladene wäre im Falle der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der gegen die Genehmigung erhobenen Anfechtungsklage gezwungen, die Errichtung und den Betrieb der Anlage zumindest bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zurückzustellen. Zwar trägt die Beigeladene das Risiko, dass getätigte Investitionen verloren sind, wenn die gegen die Genehmigung gerichtete Verbandsklage Erfolg hat (OVG NW, Beschl. v. 31.03.2016 – 8 B 1341/15 –, a.a.O. RdNr. 106). Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache hat die Beigeladene aber ein berechtigtes Interesse daran, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Genehmigung aufrechterhalten bleibt. Abweichendes würde lediglich dann gelten, wenn der Rechtsbehelf des Antragstellers in der Hauptsache erkennbar Aussicht auf Erfolg hätte. Das ist aber nicht der Fall, weil die Rechtmäßigkeit der Genehmigung – wie dargelegt – mit der erforderlichen Sicherheit im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht geklärt werden kann. Dem Antragsteller kann demgegenüber zugemutet werden, für den Zeitraum bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache die Errichtung und den Betrieb der Schweinemastanlage hinzunehmen, da keine besonders gravierenden, möglicherweise nicht reversiblen Folgen drohen, wenn das Vorhaben vor Unanfechtbarkeit der Genehmigung verwirklicht wird.
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2. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung auch nicht deshalb rechtswidrig, weil das öffentliche Interesse durch den Antragsgegner nicht hinreichend begründet wurde. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung steht vielmehr in Einklang mit den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO, da die Gründe in nachvollziehbarer Weise die konkreten Erwägungen erkennen lassen, die den Antragsgegner dazu veranlasst haben, von der Anordnungsmöglichkeit Gebrauch zu machen. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verpflichtet die Behörde, mit einer auf den konkreten Fall abgestellten und nicht lediglich "formelhaften" schriftlichen Begründung das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung darzulegen (VGH BW, Beschl. v. 29.06.1994 - 10 S 2510/93 –, juris RdNr. 10). Dies gilt auch für die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Interesse eines Beteiligten gemäß § 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Zwar verweist § 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO nicht ausdrücklich auf § 80 Abs. 3 VwGO. Gleichwohl ist die Vorschrift auch bei der Vollziehbarkeitsanordnung im Beteiligteninteresse anwendbar (Külpmann, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Aufl. 2011, RdNr. 804; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 80a RdNr. 30). Eine Darlegung der Dringlichkeit ist jedoch – anders als beim Sofortvollzug im öffentlichen Interesse – nicht erforderlich. Den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügt es vielmehr, wenn dargelegt wird, dass und warum der Drittrechtsbehelf keine Aussicht auf Erfolg hat (Külpmann, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O., RdNr. 806; Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 80a RdNr. 32). Hiernach genügt die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 21.08.2014 dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO, denn hierin wurde auf den Seiten 5 – 30 umfangreich dargelegt, weshalb die Anfechtungsklage des Antragstellers ohne Erfolg bleiben wird. Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob in einem Verfahren nach § 80a VwGO allein ein Mangel in der Begründung des Sofortvollzugs grundsätzlich nicht zur Widerherstellung der aufschiebenden Wirkung führt (OVG SH, Beschl. v. 29.07.1994 – 4 M 58/94 –, a.a.O. RdNr. 13 ff.).
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3. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist auch nicht – auf den Hilfsantrag des Antragstellers – von der Leistung einer Sicherheit abhängig zu machen, die den beabsichtigen Investitionen der Höhe nach entspricht. Nach § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig machen. Die Vorschrift sieht eine gerichtliche Gestaltungsbefugnis ausdrücklich nur für den Fall eines erfolgreichen Aussetzungsantrages vor (Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 80 RdNr. 437). Auch die Befugnis nach § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO, einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten zu treffen, besteht nur bei einem erfolgreichen Aussetzungsantrag etwa für den Fall, dass der von einem Verwaltungsakt Begünstigte die auf Antrag des Dritten wiederhergestellte aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs missachtet (NdsOVG, Beschl. v. 03.04.2014 – 12 ME 236/13 –, juris RdNr. 13). Das zu sichernde Recht des Dritten im Sinne des § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO besteht in der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs (BayVGH, Beschl. v. 27.11.2014 – 22 CS 14.2378 –, juris RdNr. 11). Es kann offen bleiben, ob die Vorschrift des § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO in entsprechender Anwendung auch bei Ablehnung eines Aussetzungsantrages Auflagen zu Gunsten des Betroffenen zulässt (dafür etwa SächsOVG, Beschl. v. 12.11.2007 – 5 BS 336/07 –, juris RdNr. 28; Kopp/Schenke, VwGO, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 80 RdNr. 169; Külpmann, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, a.a.O., RdNr. 1004; dagegen Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 80 RdNr. 438; NdsOVG, Beschl. v. 27.10.1997 – 7 M 4238/97 –, juris RdNr. 9). Jedenfalls besteht nach der Regelung des vorläufigen Rechtsschutzes bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung in § 80a VwGO bei Ablehnung eines Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs kein Raum mehr für Auflagen zu Lasten des Genehmigungsbegünstigten (Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 80 RdNr. 438; NdsOVG, Beschl. v. 27.10.1997 – 7 M 4238/97 –, a.a.O.). Insbesondere besteht keine gesetzliche Grundlage dafür, die Anordnung der sofortigen Vollziehung von einer Sicherheitsleistung des Begünstigten abhängig zu machen (Traumann, NVwZ 1988, 415). Hiernach kann der Hilfsantrag des Antragstellers, die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides dahingehend zu ändern, dass sie nur gegen eine angemessene Sicherheitsleitung angeordnet wird, keinen Erfolg haben, da es an einer gesetzlichen Grundlage für eine derartige Einschränkung der Anordnung der sofortigen Vollziehung fehlt.
- 63
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Hinsichtlich der Festsetzung des Streitwertes folgt der Senat der Festsetzung des Verwaltungsgerichts.
Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 18. Apr. 2016 - 2 M 89/15
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Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 18. Apr. 2016 - 2 M 89/15 zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).
(1) Auf Antrag wird einer inländischen oder ausländischen Vereinigung die Anerkennung zur Einlegung von Rechtbehelfen nach diesem Gesetz erteilt. Die Anerkennung ist zu erteilen, wenn die Vereinigung
- 1.
nach ihrer Satzung ideell und nicht nur vorübergehend vorwiegend die Ziele des Umweltschutzes fördert, - 2.
im Zeitpunkt der Anerkennung mindestens drei Jahre besteht und in diesem Zeitraum im Sinne der Nummer 1 tätig gewesen ist, - 3.
die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung, insbesondere für eine sachgerechte Beteiligung an behördlichen Entscheidungsverfahren, bietet; dabei sind Art und Umfang ihrer bisherigen Tätigkeit, der Mitgliederkreis sowie die Leistungsfähigkeit der Vereinigung zu berücksichtigen, - 4.
gemeinnützige Zwecke im Sinne von § 52 der Abgabenordnung verfolgt und - 5.
jeder Person den Eintritt als Mitglied ermöglicht, die die Ziele der Vereinigung unterstützt; Mitglieder sind Personen, die mit dem Eintritt volles Stimmrecht in der Mitgliederversammlung der Vereinigung erhalten; bei Vereinigungen, deren Mitgliederkreis zu mindestens drei Vierteln aus juristischen Personen besteht, kann von der Voraussetzung nach Halbsatz 1 abgesehen werden, sofern die Mehrzahl dieser juristischen Personen diese Voraussetzung erfüllt.
(2) Für eine ausländische Vereinigung sowie für eine Vereinigung mit einem Tätigkeitsbereich, der über das Gebiet eines Landes hinausgeht, wird die Anerkennung durch das Umweltbundesamt ausgesprochen. Bei der Anerkennung einer Vereinigung nach Satz 1, die im Schwerpunkt die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert, ergeht diese Anerkennung im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Naturschutz. Für die Anerkennung werden keine Gebühren und Auslagen erhoben.
(3) Für eine inländische Vereinigung mit einem Tätigkeitsbereich, der nicht über das Gebiet eines Landes hinausgeht, wird die Anerkennung durch die zuständige Behörde des Landes ausgesprochen.
(1) Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, die auf Grund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebs in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen, sowie von ortsfesten Abfallentsorgungsanlagen zur Lagerung oder Behandlung von Abfällen bedürfen einer Genehmigung. Mit Ausnahme von Abfallentsorgungsanlagen bedürfen Anlagen, die nicht gewerblichen Zwecken dienen und nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, der Genehmigung nur, wenn sie in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen oder Geräusche hervorzurufen. Die Bundesregierung bestimmt nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anlagen, die einer Genehmigung bedürfen (genehmigungsbedürftige Anlagen); in der Rechtsverordnung kann auch vorgesehen werden, dass eine Genehmigung nicht erforderlich ist, wenn eine Anlage insgesamt oder in ihren in der Rechtsverordnung bezeichneten wesentlichen Teilen der Bauart nach zugelassen ist und in Übereinstimmung mit der Bauartzulassung errichtet und betrieben wird. Anlagen nach Artikel 10 in Verbindung mit Anhang I der Richtlinie 2010/75/EU sind in der Rechtsverordnung nach Satz 3 zu kennzeichnen.
(2) Anlagen des Bergwesens oder Teile dieser Anlagen bedürfen der Genehmigung nach Absatz 1 nur, soweit sie über Tage errichtet und betrieben werden. Keiner Genehmigung nach Absatz 1 bedürfen Tagebaue und die zum Betrieb eines Tagebaus erforderlichen sowie die zur Wetterführung unerlässlichen Anlagen.
(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde
- 1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen, - 2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.
(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.
(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden vom 18. März 2014 ‑ mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung ‑ geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers mit dem Aktenzeichen 11 K 3060/13 (VG Minden) gegen die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheide vom 25. Juni 2013 (Errichtung und Betrieb von zwei Windenergieanlagen des Typs Enercon E-101 in Q. P. /T. ), vom 12. August 2013 (Errichtung und Betrieb einer Windenergieanlage des o.g. Typs in Q. P. /T1. ) und vom 14. August 2013 (Errichtung und Betrieb von zwei Windenergieanlagen des o.g. Typs in Q. P. /H. ) wird wiederhergestellt.
Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge je zur Hälfte.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 22.500,- € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg.
3A. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheide des Antragsgegners vom 25. Juni 2013, vom 12. August 2013 und vom 14. August 2013 abgelehnt. Der Antrag sei unzulässig. Dem Antragsteller fehle die im Rahmen eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes analog § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis. Die Antragsbefugnis ergebe sich insbesondere nicht aus dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG).
4Hinsichtlich der in der Gemarkung H. geplanten und mit Bescheid des Antragsgegners vom 14. August 2013 genehmigten Windenergieanlagen G 1 und G 1 (Typ Enercon E-101 mit einer Gesamthöhe von 149,50 m, einer Nabenhöhe von 99 m und einem Rotordurchmesser von 101 m) sei der Anwendungsbereich dieses Gesetzes nicht eröffnet. Die von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a UmwRG geforderte Möglichkeit einer UVP-Pflicht des Vorhabens bestehe von vorneherein nicht. Eine (standortbezogene) Vorprüfung des Einzelfalls gemäß § 3 c Satz 2 UVPG sei nach Nr. 1.6.3 der Anlage 1 zum UVPG erst für Windfarmen ab drei Windenergieanlagen durchzuführen. Die Windenergieanlagen G 1 und G 2 bildeten wegen des großen Abstands auch nicht gemeinsam mit den drei in der Gemarkung T1. geplanten und mit Bescheiden des Antragsgegners vom 25. Juni 2013 sowie vom 12. August 2013 genehmigten Windenergieanlagen S 1, S 2 und S 3 des gleichen Typs eine Windfarm.
5Für die Windenergieanlagen S 1, S 2 und S 3 sei zwar die Durchführung einer standortbezogenen Vorprüfung im Einzelfall erforderlich und damit der Anwendungsbereich des Umweltrechtsbehelfsgesetzes eröffnet. Insoweit fehle es jedoch an der Zulässigkeitsvoraussetzung des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UmwRG. Der Antragsteller sei auch als Teil der betroffenen Öffentlichkeit in dem vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG, wie es hier durchgeführt worden sei, nicht zur Beteiligung berechtigt gewesen. Die Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 4 BImSchG finde gemäß § 19 Abs. 2 BImSchG im vereinfachten Verfahren keine Anwendung. Ein Beteiligungsrecht des Antragstellers ergebe sich auch nicht aus der Auffangvorschrift des § 9 Abs. 1 UVPG. Das Vorhaben unterliege nach dem Ergebnis der standortbezogenen Vorprüfung nicht der UVP-Pflicht. Die Gelegenheit zur Äußerung sei dem Antragsteller schließlich auch nicht entgegen den geltenden Rechtsvorschriften versagt worden. Das Ergebnis der standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls sei gemessen an § 3 a Satz 4 UVPG nachvollziehbar.
6B. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO beschränkt ist, stellt diese Annahmen des Verwaltungsgerichts durchgreifend in Frage. Der Antrag des Antragstellers nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheide des Antragsgegners vom 25. Juni 2013, vom 12. August 2013 und vom 14. August 2013 ist zulässig (unten I.) und begründet (unten II.).
7I. Der Antrag ist zulässig. Es fehlt insbesondere nicht an einem Klagerecht des Antragstellers in der Hauptsache. Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz findet hinsichtlich aller angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheide Anwendung (unten 1.). Dem Antragsteller steht als anerkanntem Umweltverband jedenfalls das Verbandsklagerecht aus § 2 Abs. 1 UmwRG zu (unten 2.).
81. Der Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes ist eröffnet. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a UmwRG findet das Gesetz Anwendung für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen im Sinne von § 2 Abs. 3 UVPG über die Zulässigkeit von Vorhaben, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
9Es besteht die konkrete Möglichkeit, dass nicht nur die Windenergieanlagen S 1, S 2 und S 3, sondern auch die Windenergieanlagen G 1 und G 2 der UVP-Pflicht unterliegen.
10Vgl. Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, 70. Erg. 2013, § 1 UmwRG Rn. 29.
11Nach Nr. 1.6 der Anlage 1 zum UVPG bedarf die Errichtung und der Betrieb einer Windfarm mit Anlagen in einer Gesamthöhe von jeweils mehr als 50 m mit 3 bis weniger als 6 Windkraftanlagen einer standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls gemäß § 3 c Satz 2 UVPG. Für den vorliegenden Sachverhalt kommt in Betracht, dass die fünf betroffenen Windenergieanlagen als sogenannte Windfarm ein einheitliches Vorhaben bilden.
12Eine Windfarm im Sinne der Nr. 1.6 der Anlage 1 zum UVPG ist dadurch gekennzeichnet, dass sie aus mindestens drei Windenergieanlagen besteht, die einander räumlich so zugeordnet sind, dass sich ihre Einwirkungsbereiche überschneiden oder wenigstens berühren. Entscheidend für das Vorhandensein einer Windfarm ist der räumliche Zusammenhang der einzelnen Anlagen. Sind die Anlagen so weit voneinander entfernt, dass sich die maßgeblichen Auswirkungen nicht summieren, so behält jede für sich den Charakter einer Einzelanlage. Verbindliche gesetzliche Bewertungsvorgaben etwa in der Form standardisierter Maßstäbe oder Rechenverfahren hinsichtlich der räumlichen Zuordnung von Windenergieanlagen, die eine Windfarm bilden, gibt es nicht. Welche Bewertungskriterien heranzuziehen sind, hängt vielmehr von den tatsächlichen Gegebenheiten im Einzelfall ab, deren Feststellung und Würdigung im Streitfall dem Tatrichter obliegt. Aufgrund besonderer tatsächlicher Umstände kann daher eine von typisierenden Bewertungsvorgaben - wie etwa dem Abstellen auf eine Entfernung von weniger als dem 10-fachen des Rotordurchmessers, auf die Anlagenhöhe oder auf den geometrischen Schwerpunkt der von den Anlagen umrissenen Fläche - losgelöste Einzelfallbeurteilung anhand der konkreten Auswirkungen auf die Schutzgüter des UVP- und Immissionsschutzrechts angebracht sein.
13Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2004 - 4 C 9.03 -, BVerwGE 121, 182 = juris Rn. 33, sowie Beschluss vom 8. Mai 2007 - 4 B 11.07 -, BRS 71 Nr. 101 (2007) = juris Rn. 7; OVG NRW, Urteil vom 13. März 2006 - 7 A 3415/04 -, juris Rn. 41 ff.; Bay.VGH, Urteil vom 12. Januar 2007 - 1 B 05.3387 u.a. -, NVwZ 2007, 1213 = juris Rn. 23.
14Der kürzeste Abstand zwischen den Windenergieanlagen G 1 und G 1 und den Windenergieanlagen S 1, S 2 und S 3 ist mit etwa 1.250 m größer als das 10-fache des Rotordurchmessers von hier 1.010 m. Dieser Abstand ist jedoch nicht von vorneherein so groß, dass nicht besondere tatsächliche Umstände unter Einbeziehung der konkreten Umweltauswirkungen der Anlagen auf der Grundlage einer von diesem typisierenden Merkmal losgelösten Einzelfallbeurteilung die Einschätzung rechtfertigen könnten, es handele sich ungeachtet dieses Abstands um eine Windfarm. Der vorliegende Sachverhalt bietet auch einen ausreichenden Anhalt für die Annahme, dass solche besonderen Umstände vorliegen könnten, da sich in der Umgebung der geplanten Windenergieanlagen Brutplätze des Weißstorches und der Rohrweihe befinden, die wiederholt genutzt worden sind und die sich zumindest teilweise im Einflussbereich sowohl der Windenergieanlagen S 1, S 2 und S 3 als auch der Windenergieanlagen G 1 und G 2 befinden. Diese Vogelarten gelten im Hinblick auf Windenergieanlagen als besonders störempfindlich bzw. gefährdet.
15Vgl. Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG-VSW), Abstandsregelungen für Windenergieanagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten (2007) ‑ LAG-VSW 2007 -, Tabelle 2; Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MKULNV) und Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (LANUV), Leitfaden Umsetzung des Arten- und Habitatschutzes bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanalgen in Nordrhein-Westfalen (Fassung: 12. November 2013) - Leitfaden 2013 -, Anhang 2 und Anhang 4.
162. Dem Antragsteller steht auch ein Klagerecht zu.
17a) Der Senat kann offen lassen, ob der Antragsteller geltend machen kann, er sei aufgrund einer unvollständigen und damit fehlerhaften Vorprüfung des Einzelfalls in eigenen Rechten im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO verletzt.
18Vgl. zur Frage des Drittschutzes der UVP-Verfahrensvorschriften allgemein u.a.: Ziekow, NVwZ 2007, 259 ff.; Appel, NVwZ 2010, 473 ff.; Steinbeiß-Winkelmann, NJW 2010, 1233, 1236; Held, NVwZ 2012, 461 ff.; Seibert, NVwZ 2013, 2014 ff.; Gärditz, NVwZ 2014, 1 ff.; Schlacke, NVwZ 2014, 11 ff.; Sauer, ZUR 2014, 195 ff.; Greim, NuR 2014, 81 ff.; Bunge, NuR 2014, 305 ff.; Greim, Rechtsschutz bei Verfahrensfehlern im Umweltrecht, Schriften zum Umweltrecht, Band 177, 2013, S. 91 ff.; Kment, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Auflage 2012, Einleitung UVPG Rn. 48 und § 4 Rn. 6 ff.; die Frage des Drittschutzes der Verfahrensvorschriften offenlassend: EuGH, Urteil Altrip vom 7. November 2013, C-72/12, EU:C:2013:712, NVwZ 2014, 49 = juris Rn. 55.
19Es spricht allerdings Erhebliches für die Annahme, dass das Unionsrecht die Zuerkennung von Rügerechten der betroffenen Öffentlichkeit nach § 2 Abs. 6 UVPG hinsichtlich der Verletzung von Verfahrenserfordernissen der Umweltverträglichkeitsprüfung einschließlich der in § 4 Abs. 1 UmwRG bezeichneten Verfahrensregelungen gebietet.
20Vgl. zum unionsrechtlichen Umfang des Rügerechts: EuGH, Urteil Altrip vom 7. November 2013, C-72/12, EU:C:2013:712, NVwZ 2014, 49 = juris Rn. 36, 38 und 47.
21Denn es bestehen auch bei einer generellen Erweiterung des Prüfprogramms des § 113 VwGO auf das Vorliegen (objektiv-rechtlicher) UVP-Verfahrensfehler,
22vgl. zu § 4 UmwRG: BVerwG, Urteile vom 20. Dezember 2011 - 9 A 30.10 -, NVwZ 2012, 573 = juris Rn. 20 ff., vom 2. Oktober 2013 - 9 A 23.12 -, NVwZ 2014, 367 = juris Rn. 21 ff., vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 -, ZNER 2014, 205 = juris Rn. 41, sowie Beschluss vom 27. Juni 2013 ‑ 4 B 37.12 - , BauR 2013, 2014 = juris Rn. 9 ff.; auch: OVG Münster, Urteil vom 14. Oktober 2013 ‑ 20 D 7/09.AK -, DVBl 2014, 185 = juris Rn. 33,
23Zweifel, ob der unionsrechtlich geforderte weite und effektive Zugang zu einer gerichtlichen Überprüfung von Zulassungsentscheidungen UVP-pflichtiger Vorhaben ausreichend gewährleistet ist. Dies wird insbesondere dann deutlich, wenn Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die nicht nach § 2 Abs. 1 UmwRG klageberechtigt sind, selbstständig ‑ ohne eine mögliche Verletzung (auch) in eigenen materiellen Rechten ‑ Fehler der Umweltverträglichkeitsprüfung geltend machen. In diesen Fällen würde eine Aufhebung der Zulassungsentscheidung nach § 4 Abs. 1 und Abs. 3 UmwRG oder § 46 VwVfG auch bei einer solchen Erweiterung regelmäßig unabhängig davon ausscheiden, ob der Verfahrensfehler tatsächlich vorliegt. Die allein in Betracht kommenden Rechtsbehelfe nach der Verwaltungsgerichtsordnung würden bereits auf der Zulässigkeitsebene mangels Klagebefugnis scheitern.
24Vgl. zu § 46 VwVfG Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 46 Rn. 28; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Auflage 2013 , § 46 Rn. 8, 18.
25Ein weiter und effektiver Zugang zu Gerichten setzt indes voraus, dass die Verfahrensfehler der Umweltverträglichkeitsprüfung auch selbständig gerügt werden können. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Gerichtshof) folgt aus der UVP-Richtline ein eigenständiges Recht „des betroffenen Einzelnen“ auf Bewertung der Umweltauswirkungen des fraglichen Projekts durch die zuständigen Stellen und auf Anhörung dazu.
26Vgl. EuGH, Urteil Leth vom 14. März 2013, C‑420/11, EU:C:2013:166, NVwZ 2013, 565 = juris Rn. 32; ferner EuGH, Urteil Wells vom 7. Januar 2004, C-201/02, EU:C:2004:12, NVwZ 2004, 593 ff. = juris Rn. 56 ff.
27Da die Richtlinie u. a. zur Festlegung von Verfahrensgarantien dient, die insbesondere eine bessere Information und eine Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung öffentlicher und privater Projekte mit unter Umständen erheblichen Umweltauswirkungen ermöglichen sollen, kommt der Überprüfung der Einhaltung der Verfahrensregeln in diesem Bereich besondere Bedeutung zu. Die betroffene Öffentlichkeit muss daher, im Einklang mit dem Ziel, ihr einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren, zur Stützung eines Rechtsbehelfs, mit dem die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen im Sinne der Richtlinie angefochten wird, grundsätzlich jeden Verfahrensfehler geltend machen können.
28Vgl. EuGH, Urteil Altrip vom 7. November 2013, C‑72/12, EU:C:2013:712, NVwZ 2014, 49 = juris Rn. 48.
29Es ist dabei zwar grundsätzlich Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung, die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die den Schutz der „dem Einzelnen“ aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Die Mitgliedstaaten sind allerdings für den wirksamen Schutz dieser Rechte in jedem Einzelfall verantwortlich.
30Vgl. EuGH, Urteil Slowakischer Braunbär vom 8. März 2011, C-240/09, EU:C:2011:125, NVwZ 2011, 673 = juris Rn. 47.
31Diesen Anforderungen dürfte nur dann Rechnung getragen sein, wenn Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit als „betroffenen Einzelnen“ im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs bei wesentlichen Fehlern der Umweltverträglichkeitsprüfung sowohl ein (absoluter oder relativer) Aufhebungsanspruch auf der Ebene der Begründetheit als auch - systematisch vorrangig -
32vgl. Held, NVwZ 2012, 461, 463; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 45 Rn. 118, 125 und § 46 Rn. 29; ferner Seibert, NVwZ, 2013, 1040, 1045,
33auf der Ebene der Zulässigkeit ein entsprechendes Rügerecht zusteht. Ob dieses individuell klagbare Recht als subjektives Recht im Sinne der Schutznormtheorie zu qualifizieren wäre und § 42 Abs. 2 VwGO analog oder direkt eingreifen würde, kann im Ergebnis offen bleiben. Das Effektivitätsprinzip verlangt die Umsetzung des unionsrechtlich gebotenen Individualschutzes gegebenenfalls auch unter unionsrechtlicher „Überformung“ oder „Aufladung“ der anerkannten Klagerechte mit der Folge, dass § 42 Abs. 2 VwGO jedenfalls analog anwendbar wäre.
34Vgl. Steinbeiß-Winkelmann, NJW 2010, 1233, 1235; zum Gebot unionsfreundlicher Auslegung nationaler Normen auch: EuGH, Urteil Slowakischer Braunbär vom 8. März 2011, C-240/09, EU:C:2011:125, NVwZ 2011, 673 = juris Rn. 50; Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 42 Rn. 400.
35Die Befürchtung, dass es bei einer Anerkennung einer solchen klagbaren Rechtsposition zu versteckten Popularklagen kommen könne,
36vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 - 9 A 30.10 -, NtVwZ 2012,573 = juris Rn. 20 ff.,
37dürfte unbegründet sein. Nach § 2 Abs. 6 Satz 2 UVPG sind natürliche und juristische Personen „betroffene“ Öffentlichkeit, wenn sie durch die - ein UVP-pflichtiges Vorhaben betreffende - Zulassungsentscheidung in ihren Belangen „berührt“ werden. Bei Berücksichtigung dieser faktischen Komponente ist eine Klage (nur) dann zulässig, wenn der Kläger durch die Entscheidung tatsächlich in seinen Interessen beeinträchtigt wird.
38Vgl. hierzu Seibert, NVwZ 2013, 1040, 1045, m.w.N.
39Dass die unionsrechtliche Forderung nach einem weiten Zugang der „betroffenen Einzelnen“ zu den Gerichten grundsätzlich die Zuerkennung eines diesen Zugang ermöglichenden Rügerechts verlangt, wird - ungeachtet ihrer Reichweite im Übrigen - auch in der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Klagerechten von Umweltverbänden außerhalb des Anwendungsbereichs der Verbandsklage anerkannt.
40Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21/12 -, NVwZ 2013, 64 = juris, Rn. 48; hierzu Bunge, ZUR 2014, 3 ff. sowie NuR 2014, 305.
41Der Gesetzgeber war sich dieses Zusammenhangs bei der Kodifizierung des § 4 UmwRG ebenfalls bewusst.
42Vgl. Begründung zum Entwurf über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35 EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz) vom 4. September 2006, BT-Drucksache 16/2495, insbesondere Seiten 7 f., 11 f. und 13 f.
43Die Begründung nimmt ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs Bezug, wonach der Einzelne sich auf Bestimmungen der UVP-Richtlinie berufen können müsse.
44Vgl. Urteil Wells vom 7. Januar 2004, C-201/02, EU:C:2004:12, NVwZ 2004, 593 ff. = juris; vgl. auch Urteile Leth vom 14. März 2013, C-420/11, EU:C:2013:166, NVwZ 2013, 565 = juris Rn. 32 und Altrip vom 7. November 2013, C-72/12, EU:C.2013:712, NVwZ 2014, 49 = juris Rn. 48, hierzu auch: Siegel, NJW 2014, 973, sowie Graim, NuR 2014, 81 ff.; Bunge, NuR 2014, 305; auch Urteil Edwards und Pallikarapoulos vom 11. April 2013, C‑260/11, EU:C:2013:221, NVwZ 2013, 855 = juris Rn. 32.
45Es heißt dort, Art. 10 a der geänderten UVP-Richtlinie fordere, dass die Überprüfung der verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeit einer Zulassungsentscheidung für ein UVP-pflichtiges Vorhabenbeantragt werden könne. Diesen Anforderungen stehe jedoch derzeit die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entgegen, wonach das Recht der Umweltverträglichkeitsprüfung aufgrund seiner Einstufung als Verfahrensrecht keine selbstständig durchsetzbaren Rechtspositionen vermittelte. Nach bisheriger Rechtslage könnten die Verfahrensregelungen der Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen Drittschutz nur begründen, wenn die konkrete Möglichkeit bestehe, dass die angegriffene Entscheidung ohne den Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre. Die Regelung des § 4 Abs. 1 UmwRG erfolge (auch) vor diesem Hintergrund (Hervorhebungen durch den Senat). Diese Ausführungen haben einen sinnvollen Kontext nur im Zusammenhang mit einer selbständig durchsetzbaren Rechtsposition und damit insbesondere auch in der Zulässigkeit der Klage.
46Für die ab dem 2. Mai 2013 geltende Neufassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes wird mit dem Hinweis auf das „subjektiv-öffentliche Rügerecht“ nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwRG ausdrücklich klargestellt, dass jedenfalls die in § 4 Abs. 1 UmwRG aufgeführten UVP-Verfahrenserfordernisse rügefähig sein sollen.
47Vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften, BT-Drucksache 17/10957, S. 17; dazu auch: Sauer, ZUR 2014, 195, 200.
48b) Der Antragsteller ist ungeachtet all dessen jedenfalls nach § 2 Abs. 1 UmwRG klageberechtigt. Gemäß § 2 Abs. 1 UmwRG in der hier nach der Übergangsvorschrift des § 5 Abs. 4 UmwRG maßgeblichen, seit dem 2. Mai 2013 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 8. April 2013 (BGBl. I S. 753) kann eine nach § 3 UmwRG anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen einlegen, wenn die Vereinigung geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen und für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht (Nr. 1), sie geltend macht, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen berührt zu sein (Nr. 2), und sie zur Beteiligung in einem Verfahren nach § 1 Abs. 1 Satz 1 berechtigt war und sie sich hierbei in der Sache gemäß den geltenden Rechtsvorschriften geäußert hat oder ihr entgegen den geltenden Rechtsvorschriften keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist (Nr. 3).
49aa) Die Vorgabe des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG ist erfüllt.
50Der Antragsteller kann sich auf die Möglichkeit einer Verletzung des artenschutzrechtlichen Tötungsverbots nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG berufen. Er kann daneben auch die Möglichkeit von Fehlern der Vorprüfung des Einzelfalls im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 UmwRG sowie § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG geltend machen. Auch insoweit beruft er sich auf die Verletzung von Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen. Hierunter fallen neben den materiell-rechtlichen Vorschriften des Umweltrechts auch formell-rechtliche Verfahrensvorschriften, die dem Umweltschutz dienen. Dies sind insbesondere die Verfahrensregelungen der Umweltverträglichkeitsprüfung.
51Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 - 9 A 31.10 -, BVerwGE 141, 282 = juris Rn. 20; Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, Stand 70. Erg. 2013, § 1 UmwRG, Rn. 10; EuGH, Urteil Edwards und Pallikarapoulos vom 11. April 2013, C-260/11, EU:C:2013:221, NVwZ 2013, 855 = juris Rn. 32; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Auflage 2013, § 63, Rn. 30.
52Ob diese Verfahrensregelungen subjektive Rügerechte begründen, ist ohne Belang. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG verlangt in Umsetzung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht (mehr), dass die gerügten Rechtsvorschriften Rechte Dritter begründen.
53Vgl. EuGH, Urteil Trianel vom 12. Mai 2011, C‑115/09, EU:C:2011:289, NJW 2011, 2779 = juris.
54Es besteht auch die konkrete Möglichkeit, dass die in § 4 Abs. 1 UmwRG genannten UVP-Verfahrenserfordernisse verletzt sind. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Ergebnis der durchgeführten standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls im Sinne des § 3 a Satz 4 UVPG nicht nachvollziehbar ist, vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG.
55Beruht die Feststellung, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung unterbleiben soll, auf einer Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3 c UVPG, ist die Einschätzung der zuständigen Behörde in einem gerichtlichen Verfahren betreffend die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens nur daraufhin zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben von § 3 c UVPG durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist, § 3 a Satz 4 UVPG. § 4 a Abs. 2 UmwRG bestimmt, dass eine behördliche Entscheidung, soweit der Verwaltungsbehörde - wie in § 3 a Satz 4 UVPG - bei der Anwendung umweltrechtlicher Vorschriften ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist, im gerichtlichen Verfahren nur daraufhin zu überprüfen ist, ob der Sachverhalt vollständig und zutreffend erfasst wurde (Nr. 1), die Verfahrensregeln und die rechtlichen Bewertungsgrundsätze eingehalten wurden (Nr. 2), das anzuwendende Recht verkannt wurde (Nr. 3), oder sachfremde Erwägungen vorliegen (Nr. 4).
56Das Ergebnis der durchgeführten standortbezogenen Vorprüfung ist gemessen hieran dann nicht nachvollziehbar, wenn es einer Einbeziehung der Windenergieanlagen G 1 und G 2 in die durchgeführte standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3 c Satz 2 UVPG bedurft hätte, weil sie gemeinsam mit den in die Betrachtung einbezogenen Windenergieanlagen S1, S 2 und S 3 eine Windfarm bilden. In diesem Fall fehlt es bezogen auf die Windenergieanlagen G 1 und G 2 auch an der erforderlichen Vorprüfung des Einzelfalls. Wie oben ausgeführt besteht vorliegend die konkrete Möglichkeit, dass es sich bei dem Vorhaben insgesamt um eine Windfarm handelt.
57bb) Es fehlt ferner nicht an der Zulässigkeitsvoraussetzung des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UmwRG. Danach muss die anerkannte Vereinigung zur Beteiligung in einem Verfahren nach § 1 Abs. 1 Satz 1 berechtigt gewesen sein und sich hierbei in der Sache gemäß den geltenden Rechtsvorschriften geäußert haben oder ihr muss entgegen den geltenden Rechtsvorschriften keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden sein.
58Die Regelung knüpft an das jeweilige Fachrecht an und bestimmt, dass die dortigen Bestimmungen von der Vereinigung eingehalten werden müssen, damit sie einen Rechtsbehelf nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz geltend machen kann. Diese Voraussetzungen müssen grundsätzlich objektiv gegeben sein; ein bloßes Behaupten durch die Umweltvereinigung genügt im Gegensatz zu § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 UmwRG aufgrund des abweichenden Wortlauts nicht.
59Vgl. Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, 70. Erg. 2013, § 1 UmwRG Rn. 29.
60Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes reicht es in der vorliegenden Fallkonstellation aus, dass bei summarischer Prüfung überwiegend wahrscheinlich vom Vorliegen eines Verfahrensfehlers im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG und deshalb auch von einem rechtswidrigen Unterbleiben der Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit an der Umweltverträglichkeitsprüfung auszugehen ist. Auf die entsprechenden Ausführungen unten unter II. 2 wird Bezug genommen.
61II. Der Antrag ist auch begründet.
621. Nach § 4 a Abs. 3 UmwRG ist § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO im Anwendungsbereich des Umweltrechtsbehelfsgesetzes mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen oder wiederherstellen kann, wenn im Rahmen einer Gesamtabwägung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen.
63Der Vorschrift des § 4 a Abs. 3 UmwRG ist nicht eindeutig zu entnehmen, welchen Wahrscheinlichkeitsgrad der Gesetzgeber mit dem Hinweis auf das Vorliegen „ernstlicher Zweifel“ als Prüfungsmaßstab konkret angewendet wissen wollte. Der Verweis des Gesetzgebers auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO trägt insoweit nichts zur Klärung bei. Die gleichlautende Formulierung in diesen und in anderen Normen wird nämlich nicht in einem gleichen Sinne verstanden. Ungeachtet dessen stehen die „ernstlichen Zweifel“ in § 4 a Abs. 3 UmwRG auch in einem anderen Kontext als in den zitierten Vorschriften. Dort sind sie alleiniges Tatbestandsmerkmal, während § 4 a Abs. 3 UmwRG die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, ob die aufschiebende Wirkung angeordnet oder wiederhergestellt wird, von einer Gesamtabwägung abhängig macht; die erheblichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind lediglich Bestandteil dieser notwendigen Gesamtabwägung. Im Rahmen dieser Gesamtabwägung kommt es jedoch nicht nur auf einen bestimmten, für alle Fälle gleichen Wahrscheinlichkeitsgrad der rechtlichen Bedenken an. Vielmehr kann hier auch ein schwächerer Grad der rechtlichen Bedenken etwa ergänzt oder verstärkt werden durch den Umstand, dass besonders gravierende, möglicherweise nicht reversible Folgen drohen, wenn das Vorhaben vor Unanfechtbarkeit der Genehmigung verwirklicht wird.
64Je berechtigter und gewichtiger andererseits Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung sind, desto eher ist der Sofortvollzug auszusetzen. Ist ein voraussichtlicher Erfolg in der Hauptsache offensichtlich, wird sich ein privates oder öffentliches Vollzugsinteresse nur ausnahmsweise durchsetzen können. Ausgehend von diesen Grundsätzen kommt eine Aussetzung des Sofortvollzuges nicht stets erst dann in Betracht, wenn das Verwaltungsgericht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgeht, dass die Klage in der Hauptsache begründet ist. Vielmehr können im Rahmen einer Gesamtabwägung begründete Zweifel ausreichen, die die Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung in Frage stellen. Insbesondere bei komplexen und komplizierten Verfahren können sich offene Erfolgsaussichten auch ohne detaillierte Prüfungen ergeben.
65Vgl. hierzu: Seibert, NVwZ 2013, 1040, 1046 ff.; BVerwG, Beschlüsse vom 15. April 2013 - 9 VR 1/13 -, juris Rn. 2, und vom 13. Juni 2013 - 9 VR 3/13 -, NVwZ 2013, 101 = juris Rn. 4.
662. Dies zugrunde gelegt fällt die Gesamtabwägung nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand zu Lasten des Antragsgegners aus. Bei summarischer Prüfung ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Erfolg des Antragstellers in der Hauptsache zu erwarten. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheide des Antragsgegners vom 25. Juni 2013, vom 12. August 2013 und vom 14. August 2013. Dem gegenüber überwiegende Interessen des Antragsgegners oder der Beigeladenen an der weiteren sofortigen Vollziehung der Bescheide sind nicht zu erkennen.
67Die durchgeführte standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens dürfte dem Maßstab des § 3 a Satz 4 UVPG i.V.m. § 4 a Abs. 2 UmwRG nicht entsprechen. Das Ergebnis der Vorprüfung, wie es sich aufgrund der vom Antragsgegner gegebenen, maßgeblichen Begründung des Prüfergebnisses,
68vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 - 9 A 31.10 -, BVerwGE 141, 282 = juris Rn. 29; OVG Lüneburg, Beschluss vom 29. August 2013 - 4 ME 76/13 -, ZUR 2013, 683 = juris Rn. 31,
69in der Dokumentation vom 18. Juni 2013 darstellt, ist nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nicht nachvollziehbar, weil der Sachverhalt hier nicht vollständig und zutreffend erfasst worden sein dürfte, vgl. § 4 a Abs. 2 Nr. 1 UmwRG.
70Es fehlt an der erforderlichen Einbeziehung der Windenergieanlagen G 1 und G 2 in die Bewertung der Umweltauswirkungen im Sinne des § 12 UVPG. Die fünf von dem Beigeladenen geplanten Windenergieanlagen bilden bei summarischer Prüfung gemessen an den oben dargelegten Anforderungen insgesamt eine vorprüfungspflichtige Windfarm im Sinne der Nr. 1.6 der Anlage 1 zum UVPG. Der weitere Fehler, dass hinsichtlich der Windenergieanlagen G 1 und G 2 die standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls danach auch im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG fehlt, geht hierin auf.
71Dass die Windenergieanlagen G 1 und G 2 für sich betrachtet aufgrund ihrer räumlichen Zuordnung als Einheit betrachtet werden müssen, wird zu Recht nicht in Frage gestellt. Dasselbe gilt für die isolierte Betrachtung der Windenergieanlagen S 1, S 2 und S 3, die der Antragsgegner bereits zutreffend als Windfarm qualifiziert und einer standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls unterzogen hat. Die Windenergieanlagen sind jedoch - ungeachtet des Umstands, dass die geringste Entfernung zwischen ihnen das 10-fache des Rotordurchmessers überschreitet - einander insgesamt räumlich so zugeordnet, dass sich ihre Einwirkungsbereiche bezogen auf das UVP-Schutzgut „Tiere“ im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UVPG überschneiden, und zwar konkret bezogen auf die Vogelarten Weißstorch und Rohrweihe. Die in der Umgebung der Anlagen aufgefundenen Horst- bzw. Brutstätten dieser Arten befinden sich innerhalb der Einwirkungsbereiche aller fünf Windenergieanlagen.
72Der Einwirkungsbereich einer Windenenergieanlage bestimmt sich insoweit anhand der artspezifischen Empfindlichkeit oder Gefährdung der im Einzelfall konkret betroffenen Arten gegenüber der Errichtung und/oder dem Betrieb von Windenergieanlagen. Neben optischen und akustischen Beeinträchtigungen sind auch andere Nachteile wie etwa ein artbedingtes Kollisionsrisiko oder Meideverhalten, Auswirkungen auf Fortpflanzungs- oder Ruhestätten sowie auf die Nahrungssituation oder eine besondere Empfindlichkeit der jeweiligen Art gegenüber betriebsbedingten Veränderungen der physikalischen Umgebung in den Blick zu nehmen. Die in erster Linie auf optische und akustische Beeinträchtigungen zugeschnittene typisierende Betrachtung anhand des am Rotordurchmesser orientierten Abstands der Anlagen ist allein nicht hinreichend aussagekräftig; auch hinsichtlich der anderen artspezifischen Beeinträchtigungen muss ermittelt werden, bis zu welchem Abstand sie zu erwarten sind.
73Nicht erforderlich ist allerdings, dass die artspezifischen nachteiligen Auswirkungen tatsächlich bzw. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreten oder dass sie konkret möglich sind. Die Zuordnung zu einer Nummer der Anlage 1 zum UVPG löst die Pflicht zur Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung bzw. der Vorprüfung des Einzelfalls aus und kann nicht erst von deren Ergebnis abhängen. Die Prüfung, ob ein Vorhaben überhaupt einer der Nummern der Anlage 1 zum UVPG zuzuordnen ist, darf weder die Umweltverträglichkeitsprüfung noch die Vorprüfung des Einzelfalls vorwegnehmen; der Prüfungsmaßstab muss vielmehr weiter sein als bei den nachgelagerten Umweltprüfungen. Die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der tatsächlichen oder der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Umweltauswirkungen eines Vorhabens auf die UVP-Schutzgüter ist nach den §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung, während die Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3 c Satz 1 UVPG die überschlägige Prüfung, ob das Vorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, und damit deren konkrete Möglichkeit verlangt. Kommt es - wie hier bei der Windfarm - für die Frage der UVP-Pflichtigkeit eines Vorhabens auf dessen nachteilige Auswirkungen an, reicht danach die abstrakte („generelle“) Möglichkeit ihres Eintritts aus.
74Für die Entscheidung, in welchem räumlichen Umkreis um oder in welchem Abstand zu einer Windenergieanlage abstrakt mit artspezifischen Nachteilen zu rechnen sein kann, bieten entsprechende natur- und artenschutzfachliche Erkenntnisse sachgerechte Anhalte. In Betracht kommen etwa die oben angeführten Abstandsempfehlungen der LAG-VSW für Windenergieanlagen. Die LAG-VSW hat in Ermangelung bundesweit einheitlicher Empfehlungen die aus artenschutzfachlicher Sicht notwendigen Abstandsregelungen für Windenergieanlagen zu avifaunistisch bedeutsamen Gebieten sowie zu Brutplätzen besonders störempfindlicher oder durch Windenergieanlagen besonders gefährdeter Vogelarten definiert. Die Empfehlungen sollen nach der Intention der LAG-VSW unter anderem auch zu sachgerechten Entscheidungen im immissionsrechtlichen Verfahren beitragen. Sie verstehen sich als Mindestforderungen, die abweichende - größere Abstände regelnde - Festlegungen in einzelnen Ländern gegebenenfalls ergänzen und eine erforderliche Einzelfallprüfung nicht ersetzen. Die Empfehlungen unterscheiden zwischen Ausschlussbereichen (= Mindestabstand zwischen dem Brutplatz bzw. Revierzentrum einer bestimmten Art und geplanter Windenergieanlage) und sogenannten Prüfbereichen. Die Prüfbereiche sind Radien um jede einzelne Windenergieanlage, innerhalb derer zu prüfen ist, ob Nahrungshabitate der betreffenden Art vorhanden sind. Die LAG-VSW empfiehlt für den Weißstorch und die Rohrweihe einen Mindestabstand zwischen Brutplatz und Windenergieanlage im Sinne eines Ausschlussbereichs von 1.000 m und einen Prüfbereich um die einzelne Windenergieanlage von 6.000 m.
75Der Leitfaden 2013 der Fachministerien des Landes Nordrhein-Westfalen kann zwar ergänzend herangezogen werden, allerdings unter Berücksichtigung, dass diese Empfehlungen erst für die - der Umweltverträglichkeitsprüfung nachgehende - Planungsebene der artschutzrechtlichen Prüfung gelten sollen und deshalb nur bedingt auch als Maßstab für die UVP-Pflichtigkeit eines Vorhabens dienen können. Der Leitfaden 2013 orientiert sich in Anhang 2 (Empfehlungen für die Untersuchungsgebiets-Abgrenzung für WEA-empfindliche Vogelarten in Nordrhein-Westfalen) zwar an den Empfehlungen der LAG-VSW. Er stellt zum einen Empfehlungen für den Radius des Untersuchungsgebietes um die geplante Windenergieanlage für eine vertiefende Prüfung (Artenschutzprüfung, Stufe II) sowie für ein erweitertes Untersuchungsgebiet dar. Letzteres werde nur relevant bei Vorliegen ernst zu nehmender Hinweise auf regelmäßig genutzte, essentielle Nahrungshabitate oder Flugkorridore. Der Radius des Untersuchungsgebiets für die vertiefende Artenschutzprüfung beträgt für den Weißstorch und die Rohrweihe 1.000 m, das erweiterte Untersuchungsgebiet für die Rohrweihe 6.000 m. Für den Weißstorch werden keine Angaben zu einem erweitertes Untersuchungsgebiet gemacht.
76Dies zugrunde gelegt besteht vorliegend die abstrakte Möglichkeit kumulierender nachteiliger Auswirkungen für die im Umfeld der Windenergieanlagen wiederholt angetroffenen und brütenden Vogelarten Weißstorch und Rohrweihe. Der Abstand der nördlich von O. gelegenen Weißstorchbrutstätte zu den Standorten sowohl der geplanten Windenergieanlagen G 1 und G2 als auch zu der Windenergieanlage S 3 beträgt weniger als 1.000 m. Diese drei Windenergieanlagen liegen damit innerhalb des Ausschlussbereichs dieser Brutstätte. Die Windenergieanlage S 3 bildet schon aufgrund der räumlichen Nähe ein einheitliches Vorhaben mit den Windenergieanlagen S 1 und S 2. Sowohl die oben angeführte Brutstätte, als auch die südöstlich von M. gelegene weitere Brutstätte des Weißstorchs und die Brutstätte der Rohrweihe an den Teichen südwestlich von M. liegen zudem innerhalb des für beide Arten maßgeblichen Prüfbereichs von 6000 m um jede der fünf Windenergieanlagen. Die vorliegenden Erkenntnisse bieten auch keinen Anhalt für die Annahme, es sei aufgrund des Abstands der Standorte der Windenergieanlagen voneinander ungeachtet dieser Überschneidungen der artbezogenen Einwirkungsbereiche von vorneherein ausgeschlossen, dass es zu einer Kumulation der möglichen nachteiligen Auswirkungen komme. Die Anlagen bilden grob gesehen eine von Nordosten nach Südwesten verlaufende Linie südlich von M. und werden offenkundig über denselben Weg erschlossen. Es ist auch nicht erkennbar, dass sich zwischen den Anlagen S 1 bis S 3 und den Anlagen G1 und G 2 trennende topographische oder bauliche Hindernisse befinden würden.
77Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und orientiert sich am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Der danach im Hauptsacheverfahren auf 45.000,- € festzusetzende Streitwert ist mit Blick auf die Vorläufigkeit des vorliegenden Verfahrens auf die Hälfte zu reduzieren.
78Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 und 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 25. Februar 2015 geändert.
Die aufschiebende Wirkung der bei dem Verwaltungsgericht Arnsberg erhobenen Klage 4 K 1917/14 wird wiederhergestellt.
Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge jeweils zur Hälfte mit der Maßgabe, dass zwischen ihnen ein Ausgleich ihrer außergerichtlichen Kosten nicht stattfindet.
Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 22.500,‑ € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg. Sie führt zur Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts.
3Der Antrag ist zulässig (dazu I.) und begründet (dazu II.).
4I. Der Antrag ist zulässig; insbesondere ist die Antragstellerin analog § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Sie kann geltend machen, durch die der Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheide des Antragsgegners vom 20. Juni 2014 zur Errichtung und zum Betrieb von drei Windkraftanlagen vom Typ Senvion 3.0M122 auf den Grundstücken Gemarkung I. , sowie in X. in der Fassung der Änderungs‑/Ergänzungsbescheide vom 4. November 2014 in ihren Rechten verletzt zu sein.
5Die Antragstellerin kann geltend machen, die im Laufe des gerichtlichen Verfahrens durchgeführte allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit genüge nicht dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG, weil sie nicht den Vorgaben von § 3c UVPG entsprochen habe und das Ergebnis nicht nachvollziehbar sei. Dieses Rügerecht ergibt sich aus § 4 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 und 2 UmwRG, der im Lichte des - individualschützende Verfahrensrechte verleihenden - Unionsrechts auszulegen ist.
6Der sachliche Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes ist eröffnet, weil infolge der von § 3c Satz 1 i.V.m. Anlage 1 Nr. 1.6.2 UVPG angeordneten allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls für die angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheide eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) UmwRG bestehen kann.
7Die Antragstellerin kann sich dabei unabhängig von einer Betroffenheit in eigenen materiellen Rechten auf eine fehlerhafte Durchführung der Vorprüfung des Einzelfalls berufen. Die Verfahrensvorschriften der UVP-Richtlinie 2011/92/EU sind bei unionsrechtskonformer Auslegung Schutznormen im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO. § 4 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 und 2 UmwRG räumt ihr nach der Auffassung des Senats ein selbstständig durchsetzbares, absolutes Verfahrensrecht ein.
8Vgl. dazu ausführlich OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2015 - 8 A 959/10 -, ZNER 2015, 177 = juris Rn. 51 ff. m.w.N; vgl. ebenfalls OVG NRW, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 8 B 356/14 -, DVBl. 2014, 1415 = juris Rn. 17.
9Im vorliegenden Fall besteht die hinreichend konkrete Möglichkeit, dass die in § 4 Abs. 1 UmwRG genannten UVP-Verfahrenserfordernisse verletzt sind. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Ergebnis der durchgeführten allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls im Sinne des § 3a Satz 4 UVPG nicht nachvollziehbar ist, vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG. Es kommt in Betracht, dass der Antragsgegner bei der allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls die Auswirkungen der vorhandenen Windkraftanlagen auf das UVP-Schutzgut „Tiere“ i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UVPG nicht vollständig berücksichtigt und mithin den Sachverhalt nicht zutreffend erfasst hat.
10Im Übrigen erweist sich die Antragstellerin schon deshalb als antragsbefugt, weil die Möglichkeit besteht, dass sie in eigenen materiellen Rechtspositionen verletzt ist. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Diese Bestimmung ist für die Nachbarn drittschützend. Dabei sind als Nachbarn einer immissionsschutzrechtlich genehmigten Anlage alle Personen, die sich auf Dauer im Einwirkungsbereich der Anlage aufhalten, oder Eigentümer von Grundstücken im Einwirkungsbereich der Anlage anzusehen.
11Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 7 C 19/02 -, BVerwGE 119, 329 = juris Rn. 11; Beschluss vom 24. Juli 2008 - 7 B 19/08 -, juris Rn. 12; Jarass, BImSchG, 10. Auflage 2013, § 5 Rn. 120, § 3 Rn. 34; Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: November 2014, § 5 BImSchG Rn. 114.
12Ein zu Lasten der Antragstellerin wirkender Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ist jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen. Insoweit hat die Klägerin schädliche Umwelteinwirkungen durch die Windkraftanlagen in Gestalt von Lärmimmissionen und Schattenwurf auf ihr Grundstück geltend gemacht.
13II. Der Antrag ist auch begründet.
14Nach § 4a Abs. 3 UmwRG ist § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO im Anwendungsbereich des Umweltrechtsbehelfsgesetzes mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen oder wiederherstellen kann, wenn im Rahmen einer Gesamtabwägung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen.
15Der Vorschrift des § 4a Abs. 3 UmwRG ist nicht eindeutig zu entnehmen, welcher Wahrscheinlichkeitsgrad für das Vorliegen "ernstlicher Zweifel" als Prüfungsmaßstab konkret anzuwenden ist. § 4a Abs. 3 UmwRG macht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, ob die aufschiebende Wirkung angeordnet oder wiederhergestellt wird, von einer Gesamtabwägung abhängig; die erheblichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind lediglich Bestandteil dieser notwendigen Gesamtabwägung. Dabei kommt es nicht auf einen bestimmten, für alle Fälle gleichen Wahrscheinlichkeitsgrad der rechtlichen Bedenken an. Vielmehr kann hier auch ein schwächerer Grad der rechtlichen Bedenken etwa ergänzt oder verstärkt werden durch den Umstand, dass besonders gravierende, möglicherweise nicht reversible Folgen drohen, wenn das Vorhaben vor Unanfechtbarkeit der Genehmigung verwirklicht wird. Insoweit gilt, dass der Sofortvollzug umso eher auszusetzen ist, je berechtigter und gewichtiger die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung sind. Ist ein voraussichtlicher Erfolg in der Hauptsache offensichtlich, wird sich ein privates oder öffentliches Vollzugsinteresse nur ausnahmsweise durchsetzen können. Ausgehend von diesen Grundsätzen kommt eine Aussetzung des Sofortvollzuges nicht stets erst dann in Betracht, wenn das Verwaltungsgericht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgeht, dass die Klage in der Hauptsache begründet ist. Vielmehr können im Rahmen einer Gesamtabwägung begründete Zweifel ausreichen, die die Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung in Frage stellen. Insbesondere bei komplexen und komplizierten Verfahren können sich offene Erfolgsaussichten auch ohne detaillierte Prüfungen ergeben.
16Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 8 B 356/14 -, DVBl. 2014, 1415 = juris Rn. 62 ff; vgl. weiterhin BVerwG, Beschlüsse vom 15. April 2013 ‑ 9 VR 1/13 -, juris Rn. 2, und vom 13. Juni 2013 ‑ 9 VR 3/13 -, NVwZ 2013, 101 = juris Rn. 4; Seibert, NVwZ 2013, 1040, 1046 ff.
17Auf dieser Grundlage fällt die Gesamtabwägung nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand zu Lasten des Antragsgegners aus. Bei summarischer Prüfung ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Erfolg der Antragstellerin der Hauptsache zu erwarten. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheide des Antragsgegners vom 20. Juni 2014 in der Fassung der Änderungs-/Ergänzungsbescheide vom 4. November 2014. Dies überwiegende Interessen des Antragsgegners oder der Beigeladenen an der weiteren sofortigen Vollziehung der Bescheide sind nicht zu erkennen.
18Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG unter anderem verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt und nicht nachgeholt worden ist. Dies gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG auch dann, wenn eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht dem Maßstab von § 3a Satz 4 UVPG genügt. Die Voraussetzungen dieser Regelung, die nach § 4 Abs. 3 UmwRG auch für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 VwGO - und damit für die Antragstellerin - gilt, liegen hier vor.
19Das Vorhaben unterliegt dem Erfordernis einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls (dazu 1.) Der Antragsgegner, der vor Erteilung der Genehmigung nur eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c Satz 2 UVPG durchgeführt hat, hat im Laufe des Beschwerdeverfahrens die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls zwar nachgeholt. Dieser Umstand ist - ebenso wie der diesbezügliche Vortrag der Antragstellerin - im Beschwerdeverfahren auch berücksichtigungsfähig. Die aufgrund der Vorprüfung gewonnene Einschätzung des Antragsgegners, es bedürfe keiner Umweltverträglichkeitsprüfung, ist jedoch nicht nachvollziehbar, vgl. § 3a Satz 4 UVPG (dazu 2.). Die Möglichkeit, die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls im Hauptsacheverfahren erneut nachzuholen, rechtfertigt nicht die Annahme offener Erfolgsaussichten (dazu 3.).
201. Das Erfordernis einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls folgt aus § 3c Satz 1 i.V.m. Anlage 1 Nr. 1.6.2 UVPG. Danach bedürfen die Errichtung und der Betrieb einer Windfarm mit Anlagen in einer Gesamthöhe von jeweils mehr als 50 m mit sechs bis weniger als 20 Windkraftanlagen einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls.
21Das streitgegenständliche Vorhaben betrifft zwar selbst nur drei Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m. Nach § 3c Satz 5 i.V.m. § 3b Abs. 3 Satz 1 UVPG besteht die Verpflichtung zur Durchführung einer allgemeinen Vorprüfung jedoch auch, wenn durch die Änderung oder Erweiterung eines bestehenden Vorhabens die Prüfwerte für Größe oder Leistung erstmals oder erneut überschritten werden. So liegt der Fall hier. Der Größenwert der Nr. 1.6.2 der Anlage 1 zum UVPG wird mit dem Vorhaben der Beigeladenen erstmals erreicht. Die bestehenden Windkraftanlagen, welche in dem schalltechnischen Gutachten der D. F. GmbH vom 20. Februar 2014 als Anlagen „B-04“, „B-05“ und „B-06“ bezeichnet werden, bilden zusammen mit den verfahrensgegenständlichen Anlagen eine Windfarm (dazu a.). Die Windkraftanlagen „B-01“, „B-02“ und „B-03“ bleiben in diesem Zusammenhang allerdings außer Betracht (dazu b.).
22a. Die drei in dem schalltechnischen Gutachten der D. F. GmbH vom 20. Februar 2014 als Anlagen „B-04“, „B-05“ und „B-06“ bezeichneten Windkraftanlagen bilden mit den verfahrensgegenständlichen drei Anlagen eine Windfarm i.S.d. Nr. 1.6 der Anlage 1 zum UVPG. Dabei handelt es sich im Einzelnen um folgende Windkraftanlagen: „B-04“ Typ REpower MD 77 am Standort Gemarkung C. mit einer Nabenhöhe von 96,5 m, einem Rotordurchmesser von 77 m und einer Nennleistung von 1.500 kW, Baugenehmigung erteilt am 13. Oktober 2003; „B-05“ Typ Furländer MD 77 am Standort Gemarkung I. mit einer Nabenhöhe von 96,5 m, einem Rotordurchmesser von 77 m und einer Nennleistung von 1.500 kW, Baugenehmigung erteilt am 2. Juli 2003; „B-06“ Typ REpower MM 92 am Standort Gemarkung C. mit einer Nabenhöhe von 100,0 m, einem Rotordurchmesser von 92,5 m und einer Nennleistung von 2.050 kW, immissionsschutzrechtliche Genehmigung erteilt am 23. Juni 2009. Ob eine Windfarm im Einzelfall anzunehmen ist, richtet sich nach dem räumlichen Zusammenhang der Einwirkungsbereiche (dazu aa.). Ein solcher räumlicher Zusammenhang ist hier schon aufgrund der geringen Abstände und der sich überdeckenden Schallemissionen gegeben (dazu bb.). Auch in Bezug auf das UVP-Schutzgut „Tiere“ überschneiden sich die Einwirkungsbereiche (dazu cc.).
23aa. Eine Windfarm im Sinne der Nr. 1.6 der Anlage 1 zum UVPG ist dadurch gekennzeichnet, dass sie aus mindestens drei Windkraftanlagen besteht, die ‑ unabhängig von der Zahl der Betreiber - einander räumlich so zugeordnet sind, dass sich ihre Einwirkungsbereiche überschneiden oder wenigstens berühren. Entscheidend für das Vorhandensein einer Windfarm ist der räumliche Zusammenhang der einzelnen Anlagen. Sind die Anlagen so weit voneinander entfernt, dass sich die maßgeblichen Auswirkungen nicht summieren, so behält jede für sich den Charakter einer Einzelanlage. Verbindliche gesetzliche Bewertungsvorgaben etwa in der Form standardisierter Maßstäbe oder Rechenverfahren hinsichtlich der räumlichen Zuordnung von Windkraftanlagen, die eine Windfarm bilden, bestehen nicht. Welche Bewertungskriterien heranzuziehen sind, hängt vielmehr von den tatsächlichen Gegebenheiten im Einzelfall ab, deren Feststellung und Würdigung dem Tatrichter obliegt. Aufgrund besonderer tatsächlicher Umstände kann daher eine von typisierenden Bewertungsvorgaben - wie etwa dem Abstellen auf eine Entfernung von weniger als dem 10-fachen des Rotordurchmessers, auf die Anlagenhöhe oder auf den geometrischen Schwerpunkt der von den Anlagen umrissenen Fläche - losgelöste Einzelfallbeurteilung anhand der konkreten Auswirkungen auf die Schutzgüter des UVP- und Immissionsschutzrechts angebracht sein.
24Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2004 - 4 C 9.03 -, BVerwGE 121, 182 = juris Rn. 33, sowie Beschluss vom 8. Mai 2007 - 4 B 11.07 -, BRS 71 Nr. 101 = juris Rn. 7; OVG NRW, Urteil vom 13. März 2006 ‑ 7 A 3415/04 -, juris Rn. 41 ff., Beschluss vom 23. Juli 2014 - 8 B 356/14 -, DVBl. 2014, 1415 = juris Rn. 12; Bay. VGH, Urteil vom 12. Januar 2007 - 1 B 05.3387 u. a. -, NVwZ 2007, 1213 = juris Rn. 23.
25bb. Ein solcher Zusammenhang ist zwischen den Windkraftanlagen „B-04“, „B-05“ und „B-06“ isoliert betrachtet schon aufgrund der geringen Abstände der Anlagen gegeben. Der Abstand zu den jeweils benachbarten Anlagen beträgt insoweit maximal (zwischen den Anlagen „B-04“ und „B-05“) ca. 590 m und damit nur das 7,66-fache des Rotordurchmessers beider Anlagen. Zwischen den Anlagen „B-05“ und „B-06“ beträgt der Abstand nur ca. 250 m. Auch hinsichtlich der nunmehr genehmigten Anlagen „WEA 01“ bis „WEA 03“ ist eine Überschneidung der Einwirkbereiche der Windkraftanlagen anzunehmen. Insoweit hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass die dem schalltechnischen Gutachten als „WEA 03“ bezeichnete Windkraftanlage gleichsam das Bindeglied zwischen den bisher bestehenden Anlagen „B-04“ bis „B-06“ und den neu zu errichtenden Anlagen darstellt. Die Anlage „WEA 03“ liegt von der Bestandsanlage „B-04“ nur ca. 890 m entfernt. Die Abstände der Anlage „WEA 03“ zu den Anlagen „WEA 01“ und „WEA 02“ betragen ca. 600 m bzw. ca. 1.100 m und damit weniger als das Zehnfache des Rotordurchmessers der drei Anlagen (jeweils 122 m).
26Weiterhin ist dem vorgelegten schalltechnischen Gutachten vom 20. Februar 2014 für die drei nunmehr beantragten und genehmigten Windkraftanlagen zu entnehmen, dass sich die auf das UVP-Schutzgut der menschlichen Gesundheit (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UVPG) einwirkenden Schallemissionen der bereits vorhandenen Anlagen summieren und gegenüber in der Nachbarschaft liegenden Immissionspunkten, insbesondere der östlich der drei verfahrensgegenständlichen Anlagen gelegenen Ortschaft I. nebst dort anzutreffender Außenbereichsbebauung, gemeinsam wirken.
27cc. Die Windkraftanlagen sind einander so zugeordnet, dass sich ihre Einwirkungsbereiche auch bezogen auf das UVP-Schutzgut „Tiere“ aus § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UVPG überschneiden. Betroffen sind hier die Vogelarten Wespenbussard und Rotmilan. Der in der Artenschutzprüfung des Ingenieurbüros für Umweltplanung T. und S. vom 10. Dezember 2012 aufgeführte Brutplatz des Wespenbussards liegt im Einwirkungsbereich mehrerer der vorgenannten Windkraftanlagen. Der Einwirkungsbereich bezogen auf den Rotmilan umfasst sogar alle sechs Windkraftanlagen.
28Der Einwirkungsbereich einer Windkraftanlage bestimmt sich insoweit anhand der artspezifischen Empfindlichkeit oder Gefährdung der im Einzelfall konkret betroffenen Arten gegenüber der Errichtung und/oder dem Betrieb von Windkraftanlagen. Neben optischen und akustischen Beeinträchtigungen sind auch andere Nachteile wie etwa ein artbedingtes Kollisionsrisiko oder Meideverhalten, Auswirkungen auf Fortpflanzungs- oder Ruhestätten sowie auf die Nahrungssituation oder eine besondere Empfindlichkeit der jeweiligen Art gegenüber betriebsbedingten Veränderungen der physikalischen Umgebung in den Blick zu nehmen. Die in erster Linie auf optische und akustische Beeinträchtigungen zugeschnittene typisierende Betrachtung anhand des am Rotordurchmesser orientierten Abstands der Anlagen ist allein nicht hinreichend aussagekräftig; auch hinsichtlich der anderen artspezifischen Beeinträchtigungen muss ermittelt werden, bis zu welchem Abstand sie zu erwarten sind. Dabei darf die Prüfung, ob ein Vorhaben überhaupt einer der Nummern der Anlage 1 zum UVPG zuzuordnen ist, weder die Umweltverträglichkeitsprüfung noch die Vorprüfung des Einzelfalls vorwegnehmen; der Prüfungsmaßstab muss vielmehr weiter sein als bei den nachgelagerten Umweltprüfungen. Gegenstand der Vorprüfung des Einzelfalls ist nach § 3c Satz 1 UVPG die überschlägige Prüfung, ob das Vorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann. Insoweit genügt die konkrete Möglichkeit des Eintritts. Kommt es - wie hier bei der Windfarm - für die Frage der UVP-Pflichtigkeit eines Vorhabens auf dessen nachteilige Auswirkungen an, reicht danach für die Bestimmung der Einwirkbereiche die abstrakte ("generelle") Möglichkeit des Eintritts derartiger Auswirkungen aus.
29Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 8 B 356/14 -, DVBl. 2014, 1415 = juris Rn. 71 f.
30Für die Entscheidung, in welchem räumlichen Umkreis um oder in welchem Abstand zu einer Windkraftanlage abstrakt mit artspezifischen Nachteilen zu rechnen sein kann, bieten entsprechende natur- und artenschutzfachliche Erkenntnisse sachgerechte Anhalte. In Betracht kommen etwa die Abstandsempfehlungen für Windkraftanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG-VSW). Die LAG-VSW hat in Ermangelung bundesweit einheitlicher Empfehlungen die aus artenschutzfachlicher Sicht notwendigen Abstandsregelungen für Windkraftanlagen zu avifaunistisch bedeutsamen Gebieten sowie zu Brutplätzen besonders störempfindlicher oder durch Windkraftanlagen besonders gefährdeter Vogelarten definiert. Die Empfehlungen sollen nach der Intention der LAG-VSW unter anderem auch zu sachgerechten Entscheidungen im immissionsrechtlichen Verfahren beitragen. Sie verstehen sich als Mindestforderungen, die abweichende - größere Abstände regelnde - Festlegungen in einzelnen Ländern gegebenenfalls ergänzen und eine erforderliche Einzelfallprüfung nicht ersetzen. Die Empfehlungen unterscheiden zwischen Ausschlussbereichen (= Mindestabstand zwischen dem Brutplatz bzw. Revierzentrum einer bestimmten Art und geplanter Windkraftanlage) und sogenannten Prüfbereichen. Die Prüfbereiche sind Radien um jede einzelne Windkraftanlage, innerhalb derer zu prüfen ist, ob Nahrungshabitate der betreffenden Art vorhanden sind.
31Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 8 B 356/14 -, DVBl. 2014, 1415 = juris Rn. 73.
32Die LAG-VSW empfiehlt für den in der Umgebung der Windkraftanlagen brütenden Wespenbussard einen Mindestabstand zwischen Brutplatz und Windkraftanlage im Sinne eines Ausschlussbereichs von 1.000 m. Eine Empfehlung für einen Prüfbereich besteht nicht. Für den Rotmilan wird der Mindestabstand mit 1.500 m, der Prüfbereich mit 4.000 m angegeben.
33Ergänzend herangezogen werden kann der Leitfaden „Umsetzung des Arten- und Habitatschutz bei der Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen“ der Fachministerien des Landes Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 12. Dezember 2013. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass diese Empfehlungen erst für die - der Umweltverträglichkeitsprüfung nachgehende - Planungsebene der artschutzrechtlichen Prüfung gelten sollen und deshalb nur bedingt auch als Maßstab für die UVP-Pflichtigkeit eines Vorhabens dienen können. Der Leitfaden 2013 orientiert sich in Anhang 2 (Empfehlungen für die Untersuchungsgebiets-Abgrenzung für WEA-empfindliche Vogelarten in Nordrhein-Westfalen) an den Empfehlungen der LAG-VSW. Er stellt zum einen Empfehlungen für den Radius des Untersuchungsgebietes um die geplante Windkraftanlage für eine vertiefende Prüfung (Artenschutzprüfung, Stufe II) sowie für ein erweitertes Untersuchungsgebiet dar. Letzteres werde nur relevant bei Vorliegen ernst zu nehmender Hinweise auf regelmäßig genutzte, essentielle Nahrungshabitate oder Flugkorridore.
34Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 8 B 356/14 -, DVBl. 2014, 1415 = juris Rn. 74.
35Der Radius des erweiterten Untersuchungsgebiets für die vertiefende Artenschutzprüfung beträgt nach dem Leitfaden für den Rotmilan 6.000 m. Empfehlungen für den Wespenbussard nennt der Leitfaden nicht.
36Innerhalb des genannten Mindestradius von 1.000 m um den Brutplatz des Wespenbussards im südlichen Teil des „T1. I1. “ liegen bei summarischer Prüfung zumindest die Windkraftanlagen „WEA 02“ und „WEA 03“ sowie die Bestandsanlage „B-04“. Eine genauere Prüfung lassen die im Genehmigungsverfahren vorgelegten Unterlagen, namentlich der Artenschutzprüfung des Ingenieurbüros für Umweltplanung T. und S. vom 10. Dezember 2012, nicht zu. Innerhalb eines Prüfbereichs von 4.000 m um die zu untersuchenden Windkraftanlagen liegt im Bereich des „T1. I1. “ jedenfalls das Revier eines Rotmilanpaares sowie weiter westlich ein im Jahr 2010 beobachteter Gemeinschaftsschlafplatz von bis zu 15 Exemplaren.
37b. Bei der Bestimmung des Größenwerts für die Frage der UVP-Pflichtigkeit sind die ebenfalls in diesem Bereich befindlichen Windkraftanlagen „B-01“ bis „B-03“ nicht mit einzubeziehen. Nach § 3c Satz 5 i.V.m. § 3b Abs. 3 Satz 3 UVPG bleibt der in den jeweiligen Anwendungsbereich der Richtlinien 85/337/EWG und 97/11/EG fallende, aber vor Ablauf der jeweiligen Umsetzungsfristen erreichte Bestand hinsichtlich des Erreichens oder Überschreitens der Größen- und Leistungswerte unberücksichtigt. Als erreichter Bestand gelten jedenfalls solche Anlagen, die in dem maßgeblichen Zeitpunkt schon genehmigt gewesen sind.
38Vgl. Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: November 2014, § 3b UVPG Rn. 50; Dienes, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Auflage 2012, § 3b Rn. 42, 25 (die jeweils einen „verfahrensrechtlich verfestigten Status“ genügen lassen).
39Die Windkraftanlagen „B-01“ bis „B-03“ sind in den Jahren 1993 und 1994 bauaufsichtlich genehmigt worden. Von der Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung sind Windkraftanlagen erstmals durch Art. 1 Nr. 6 i.V.m. Anlage II, Nr. 3 Buchst. i) der Änderungsrichtlinie 97/11/EG erfasst worden. Die Umsetzungsfrist dieser Richtlinie lief nach ihrem Art. 3 Abs. 1 UnterAbs. 1 Satz 1 am 14. März 1999 ab.
402. Es kann offen bleiben, ob die erst im Beschwerdeverfahren nachgeholte allgemeine Vorprüfung, auf die sich der Beschwerdegegner und die Beigeladene zu ihren Gunsten berufen, als nachträgliche Änderung der Sach- oder/und Rechtslage im Beschwerdeverfahren berücksichtigungsfähig ist. Denn auch bei Berücksichtigung der nachgeholten allgemeinen Vorprüfung ergibt sich keine für den Beschwerdegegner und die Beigeladene günstigere Rechtslage. Die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls genügt nicht dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG i.V.m. § 4a Abs. 2 UmwRG.
41Das Ergebnis der Vorprüfung, wie es sich aufgrund der vom Antragsgegner gegebenen, maßgeblichen Begründung des Prüfergebnisses,
42vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 - 9 A 31.10 -, BVerwGE 141, 282 = juris Rn. 29; OVG NRW, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 8 B 356/14 -, DVBl. 2014, 1415 = juris Rn. 66; OVG Lüneburg, Beschluss vom 29. August 2013 - 4 ME 76/13 -, ZUR 2013, 683 = juris Rn. 31,
43in der Dokumentation vom 19. März 2015 und 1. April 2015 darstellt, ist nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nicht nachvollziehbar. Der Sachverhalt dürfte bei summarischer Prüfung nicht vollständig und zutreffend erfasst worden sein, vgl. § 4a Abs. 2 Nr. 1 UmwRG. Die zutreffende Erfassung des Sachverhalts setzt u.a. voraus, dass die geographische Ausdehnung des Gebietes, in dem die Auswirkung des Vorhabens bezogen auf ein UVP-Schutzgut zu betrachten sind, korrekt bestimmt worden ist.
44Vgl. Bunge, UmwRG, § 4a Rn. 42.
45Hieran fehlt es. Gegenstand der allgemeinen Vorprüfung sind vorliegend nicht nur die Umweltauswirkungen des streitgegenständlichen Erweiterungsvorhabens, sondern die Umweltauswirkungen sowohl des Erweiterungsvorhabens als auch der Bestandsanlagen (dazu a.). Die nachgeholte allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls wird diesem umfassenden Prüfungsgegenstand nicht gerecht (dazu b.).
46a. Prüfungsgegenstand der allgemeinen Vorprüfung nach § 3c Satz 1 UVPG ist bei erstmaligem Erreichen und weiterem Überschreiten der Prüfwerte der Anlage 1 zum UVPG das geänderte oder erweiterte Vorhaben.
47Vgl. Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: November 2014, § 3c UVPG Rn. 41.
48Den - in der vorliegenden Fallkonstellation des „Hineinwachsens in Prüfwerte“ maßgeblichen - Vorschriften der § 3c Satz 1 und Satz 5 i.V.m. § 3b Abs. 3 UVPG ist eine Begrenzung der Vorprüfung auf das Erweiterungsvorhaben nicht zu entnehmen. Dieser umfassende Prüfungsgegenstand entspricht vielmehr dem Prüfungsgegenstand des § 3b Abs. 3 Satz 1 UVPG. Auch im Fall des „Hineinwachsens in die UVP-Pflicht“ sind danach bei der Umweltverträglichkeitsprüfung die Umweltauswirkungen des bestehenden Vorhabens zu berücksichtigen. Dasselbe gilt auch für die nachträgliche Kumulation im Sinne des § 3b Abs. 3 Satz 2 UVPG und die kumulierenden Vorhaben im Sinne des § 3b Abs. 2 UVPG. Ein Unterschied besteht hier (nur) insoweit, als im Fall der Kumulation nach § 3b Abs. 2 UVPG alle zusammenhängenden Vorhaben der UVP-Pflicht unterliegen, während in den Fällen des § 3b Abs. 3 Sätze 1 und 2 UVPG nur das Änderungs- oder Erweiterungsvorhaben bzw. das Neuvorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf. Am Prüfungsumfang ändert dies jedoch nichts.
49Vgl. Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: November 2014, § 3b UVPG Rn. 20 und 54 f.
50Etwas anderes gilt allerdings für die in § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG geregelte allgemeine Vorprüfung. Schon nach dem Wortlaut der Vorschrift ist bei einer für die Zulassung einer Änderung oder Erweiterung eines als solchen bereits UVP-pflichtigen Vorhabens durchzuführenden Vorprüfung des Einzelfalls regelmäßig nur relevant, welche nachteiligen Umweltauswirkungen mit der Änderung oder Erweiterung verbunden sind. Nach dem Halbsatz 1 dieser Bestimmung ist die Vorprüfung des Einzelfalls im Sinne von § 3c Satz 1 und 3 UVPG (nur) auf die Feststellung ausgerichtet, ob (gerade) die Änderung oder Erweiterung eines Vorhabens, für das als solches bereits eine UVP- Pflicht besteht, erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann. Damit wird deutlich, dass bei der Zulassung einer Änderung oder Erweiterung hinsichtlich der Frage zu erwartender nachteiliger Umwelteinwirkungen grundsätzlich nicht die gesamte Anlage erneut in den Blick zu nehmen ist. Vielmehr ist vom Ansatz her allein darauf abzustellen, welche Folgewirkungen gerade durch die Zulassung der Änderung oder Erweiterung des Anlage eintreten.
51Vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. Dezember 2008 - 8 D 19/07 -, NuR 2009, 204 = juris Rn. 93 ff.
52§ 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG setzt jedoch im Regelfall voraus, dass für das bestehende Grundvorhaben im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung schon eine umfassende Prüfung zu erwartender Umweltauswirkungen durchgeführt worden ist. Eine vergleichbare Situation ist weder in den Fällen des § 3b Abs. 2 oder 3 UVPG noch denen des § 3c Satz 5 UVPG - hier jedenfalls im Fall des erstmaligen Überscheitens der Prüfwerte - gegeben. Wurde für frühere Änderungen oder Erweiterungen des UVP-pflichtigen Vorhabens noch keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt, sieht schließlich auch § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG in Halbsatz 2 vor, dass sie in die Vorprüfung mit einzubeziehen sind.
53Das Erfordernis einer umfassenden, sich auf alle Vorhaben bzw. deren Teile erstreckende Betrachtungsweise soll verhindern, dass die UVP- bzw. Vorprüfungspflicht durch Aufspaltung größerer Vorhaben in kleinere Einheiten umgangen wird.
54Vgl. Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: November 2014, § 3c UVPG Rn. 40 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 21. September 1999, C-392/96, juris Rn. 76.
55b. Die danach erforderliche Gesamtbetrachtung nimmt die nachgeholte allgemeine Vorprüfung nicht vor. Ausweislich der Dokumentation vom 19. März bzw. 1. April 2015 bezieht sich die allgemeine Vorprüfung auf die drei genehmigten Windkraftanlagen sowie auf alle im Windpark C1. vorhandenen sechs Windkraftanlagen. Insgesamt seien damit neun Windkraftanlagen als Windfarm betrachtet worden. Im Rahmen der 80. Änderung des Flächennutzungsplans und der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 109 der Stadt X. sei jeweils ein Umweltbericht erstellt worden, der diese in ihren Auswirkungen umfassend berücksichtige. Zu den Beeinträchtigungen des UVP-Schutzguts „Tiere“ führt die Dokumentation vom 19. März 2015 aus:
56„Für planungsrelevante Tierarten können von Vornherein keine erheblichen Beeinträchtigungen / Störungen erkannt werden […]. Die hierzu erbrachten Gutachten (vollständige Artenschutzprüfung, Brutvogelbericht, Art-für-Art-Betrachtung, FFH-VP, Erfassung und Bewertung des Fledermausbestandes) wurden separat erstellt und als Teil des Umweltberichtes definiert. Entsprechend deren Ergebnissen werden kein[e] Fortpflanzungs- und Ruhestätten durch das Vorhaben zerstört oder beschädigt.
57Ebenfalls ist eine erhebliche Störung von Vögeln oder Fledermäusen aufgrund des kleinräumigen bis nicht vorhandenen Meideverhaltens nicht zu besorgen.“
58Das Gutachten „Artenschutzprüfung (ASP) im Bereich des geplanten Windparks ‚X1. ‘, Stadtteil I. der Stadt X. “ des Ingenieurbüros für Umweltplanung T. und S. vom 10. Dezember 2012 beschreibt das Untersuchungsgebiet als 2 km- bzw. 500 m-Umfeld um die nunmehr genehmigten Windkraftanlagenstandorte in der Windkraftkonzentrationszone. Die sechs bestehenden Windkraftanlagen sind in der Kartendarstellung des Untersuchungsgebietes vermerkt. Hält man im Rahmen der allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls eine Untersuchung in Bezug auf Brutvögel im Umkreis von 2.000 m um die jeweiligen Anlagenstandorte für angezeigt, was der Senat - dem vorgelegten Gutachten folgend - jedenfalls für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zugrunde legt, so erfasst die in Bezug genommene Artenschutzprüfung vom 10. Dezember 2012 zwar die Standorte aller sechs vorhandenen Windkraftanlagen. Der Umkreis von 2.000 m um diese Bestandsanlagen wird jedoch durch das angegebene Untersuchungsgebiet nur insoweit erfasst, als es sich mit dem Untersuchungsgebiet um die drei nunmehr genehmigten Windkraftanlagen überschneidet. Im Übrigen bleibt der 2.000 m-Umkreis um die Bestandsanlagen unberücksichtigt. Dies gilt erst recht für die 500 m-Umkreise für die Untersuchung von Fledermäusen. Insoweit dürfte allein die Bestandsanlage „B-04“ im 500 m-Umkreis um die nunmehr genehmigte Windkraftanlage „WEA 03“ liegen. Im Übrigen bleiben auch diese Untersuchungsgebiete um den Anlagenbestand unberücksichtigt.
59Gleiches gilt für den Bericht „Erfassung planungsrelevanter Brutvogelarten im Umfeld des geplanten Windparks ‚X1. ‘, Stadtteil I. der Stadt X. “ des Ingenieurbüros für Umweltplanung T. und S. vom 1. November 2011. Auch dieser beschreibt das Untersuchungsgebiet als das 2 km-Umfeld des geplanten Windparks. Im Weiteren berücksichtigt der Bericht den bestehenden Windpark am Brünningser Berg ausweislich des Kontextes lediglich als Vorbelastung für die drei zu untersuchenden Anlagen. Eine eigenständige Untersuchung des 2.000 m-Umkreises um die bestehenden Windkraftanlagen erfolgt nicht.
60Die FFH-Vorprüfung des „Ingenieurbüros für Umweltplanung T. und S. vom 10. Dezember 2012“ für die Errichtung und den Betrieb von Windkraftanlagen in X. -I. westlich von X1. gibt als Anlass für die Erstellung die Errichtung der drei Windkraftanlagen an. Hinsichtlich der räumlichen Situation führt sie die bestehenden Windkraftanlagen ca. 800 bis 900 m südlich der auszuweisenden Vorrangzone an. In der Folge wird die Lage der Windvorrangzone zu verschiedenen Natura 2000-Gebieten sowie zu dem Vogelschutzgebiet DE 4415-401 „Hellwegbörde“ und die Auswirkungen dieses Projektes auf diese beschrieben. Von den bestehenden Windkraftanlagen, so das Gutachten unter der Überschrift „Relevanz anderer Pläne und Projekte“, sei auch zusammen mit den drei zu errichtenden Anlagen aufgrund der Abstände eine Verriegelungs- und Barrierewirkung nicht zu erwarten. Die FFH-Vorprüfung erschöpft sich damit - mit Ausnahme der Betrachtung der Verriegelungs- und Barrierewirkung - in der Ermittlung der Wirkungen der in der Windvorrangzone zu errichtenden Windkraftanlagen. Eine vollumfängliche Vorprüfung der bestehenden Anlagen in Bezug auf die FFH-Gebiete ist nicht erfolgt.
61Schließlich umfasst auch das Gutachten „Erfassung und Bewertung des Fledermausbestandes im Bereich des geplanten Windparks ‚X1. ‘, Stadtteil I. der Stadt X. “ des Ingenieurbüros für Umweltplanung T. und S. vom 20. Januar 2012 lediglich ein Untersuchungsgebiet von 500 m um die nunmehr genehmigten Windkraftanlagen. Eine Betrachtung des Umkreises um die bestehenden Anlagen erfolgt nicht.
62Das in der Dokumentation der allgemeinen Vorprüfung an anderer Stelle in Bezug genommene Gutachten „Vorprüfung des Einzelfalls zu Bau und Betrieb von 3 WEA des Typs REpower 3.0M122 Windpark X1. “ des Büros für Stadt- und Landschaftsplanung Dipl.-Ing. B. Langenberg vom 30. September 2013 führt zwar aus, es werde aufgrund des Vorhandenseins von sechs Windkraftanlagen eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls durchgeführt. Diese beschränkt sich in ihren textlichen Ausführungen aber allein auf die drei nunmehr genehmigten Windkraftanlagen. Dies ergibt sich in Bezug auf die Avifauna/Fledermäuse auch aus der Liste der in Bezug genommenen Gutachten unter den Gliederungspunkten 5.4.1 und 5.4.2. Vier der sechs dort genannten Gutachten entsprechen den oben aufgeführten Gutachten zur FFH-Vorprüfung, zur Erfassung planungsrelevanter Brutvogelarten, zur Artenschutzprüfung und zur Erfassung und Bewertung des Fledermausbestandes. Die beiden Gutachten „Ökologische Voruntersuchung zur Einschätzung der Eignung einer Fläche in X. -I. als Konzentrationsfläche für Windenergieanlagen. (BÜRO T3. , Landschaft, Ökologie, Planung. 2009)“ und „Avifaunistisches Gutachten zur Eignung einer Fläche in X. -I. (Kr. T2. ) als Konzentrationszone für Windkraftanlagen (BÜRO T3. , Landschaft, Ökologie, Planung. 2010)“ beziehen sich schon nach ihrer Bezeichnung ausschließlich auf die bauplanungsrechtlich ausgewiesene Konzentrationszone bzw. das Sondergebiet, in dem die drei nunmehr genehmigten Windkraftanlagen liegen. Sie sind im Übrigen nicht Teil der vorgelegten Verwaltungsvorgänge.
633. Die nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 und 3 UmwRG i.V.m. § 45 Abs. 2 VwVfG NRW,
64vgl. zur Anwendbarkeit der letztgenannten Vorschrift OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2015 - 8 A 959/10 -, ZNER 2015, 177 = juris Rn. 163,
65bestehende Möglichkeit, die allgemeine Vorprüfung im Einzelfall noch bis zum Abschluss der ersten Instanz im Hauptsacheverfahren nachzuholen, führt entgegen der Ansicht des Verwaltungsgericht nicht dazu, dass die Erfolgsaussichten der Klage im Ergebnis als offen zu bezeichnen sind. Es kann schon mangels ausreichender Tatsachengrundlagen nicht hinreichend sicher prognostiziert werden, dass eine erneute allgemeine Vorprüfung zu dem Ergebnis kommt, es bedürfe keiner Umweltverträglichkeitsprüfung.
66Darüber hinaus sind die Vorgaben des Unionsrechts zu berücksichtigen. Zwar ist die Möglichkeit der Nachholung einer UVP-Vorprüfung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 3 UmwRG i.V.m. § 45 Abs. 2 VwVfG NRW mit Unionsrecht grundsätzlich vereinbar. Insbesondere liegt in der Nachholung keine Legalisierung von Projekten, die einer Umweltverträglichkeitsprüfung hätten unterzogen werden müssen. Das gilt jedenfalls, wenn die nachgeholte UVP-Vorprüfung zu dem Ergebnis kommt, dass es einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht bedurfte. Das Unionsrecht steht nationalen Rechtsvorschriften, die unter bestimmten Umständen die Legalisierung unionsrechtswidriger Vorgänge oder Handlungen zulassen, nicht grundsätzlich entgegen.
67Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2015 - 8 A 959/10 -, ZNER 2015, 177 = juris Rn. 165; vgl. weiterhin BVerwG, Urteil vom 20. August 2008 - 4 C 11.07 -, BVerwGE 131, 352 = juris Rn. 27 ff.; EuGH, Urteil vom 3. Juli 2008 - C-215/06 -, juris Rn. 57.
68Allerdings ist zu berücksichtigen, dass im Anwendungsbereich der Richtlinie ein Vorhaben ohne - ggf. nachgeholte - Durchführung einer UVP bzw. Vorprüfung nach Unionsrecht nicht durchgeführt werden darf. Der Europäische Gerichtshof hat insoweit entschieden, dass Art. 2 Abs. 1 der geänderten Richtlinie 85/337/EWG nur so verstanden werden könne, dass ein Antragsteller, für dessen Vorhaben die Umweltverträglichkeitsprüfung, sofern sie erforderlich ist, nicht zuvor durchgeführt worden ist, die Arbeiten an dem fraglichen Projekt nicht beginnen kann, ohne gegen die Anforderungen der Richtlinie zu verstoßen. Dies gelte auch für Projekte, die unter Anhang II dieser Richtlinie zu fassen und gemäß Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie nur dann einer Verträglichkeitsprüfung zu unterziehen seien, wenn der von dem Mitgliedstaat festgelegte Schwellenwert überschritten und/oder aufgrund einer Einzelfalluntersuchung mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen sei.
69Vgl. EuGH, Urteil vom 3. Juli 2008 - C-215/06 -, juris Rn. 51 ff.
70Nichts anderes gilt für den nunmehr anwendbaren Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anlage II der Richtlinie 2011/92/EU.
71Aufgrund des unionsrechtlichen Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, die rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht zu beheben. Es ist daher Aufgabe der zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle erforderlichen allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu treffen, damit die Projekte im Hinblick darauf überprüft werden, ob bei ihnen erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt zu besorgen sind, und damit sie bejahendenfalls auf diese Auswirkungen hin untersucht werden. In diesem Zusammenhang ist es Sache der nationalen Gerichte festzustellen, ob nach nationalem Recht die Möglichkeit besteht, eine bereits erteilte Genehmigung zurückzunehmen oder jedenfalls auszusetzen, um dieses Projekt einer Prüfung gemäß den Anforderungen der UVP-Richtlinie zu unterziehen.
72Vgl. EuGH, Urteil vom 7. Januar 2004 - C-201/02 -, juris Rn. 65 ff.
73Ist wie im vorliegenden Fall die erforderliche Vorprüfung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden und können somit die zu erwartenden Auswirkungen auf die Schutzgüter nicht hinreichend sicher beurteilt werden, hat das Gericht den Widerspruch dieses Zustands zum Unionsrecht zu berücksichtigen.
74Vgl. insoweit auch OVG S.-A., Beschluss vom 17. September 2008 - 2 M 146/08 -, NVwZ 2009, 340 = juris Rn. 16 f.
75Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kostentragungspflicht der Beigeladenen, die in beiden Rechtszügen eigene Anträge gestellt hat, ergibt sich aus § 154 Abs. 3 VwGO.
76Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Senat orientiert sich dabei an den Ziffern 19.2 und 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Der danach im Hauptsacheverfahren je Windkraftanlage festzusetzende Streitwert von 15.000,- € ist im Hinblick auf die Vorläufigkeit der erstrebten Regelung in Anlehnung an Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs auf die Hälfte zu reduzieren. Soweit das Verwaltungsgericht lediglich einen Streitwert von 7.500,- € festgesetzt hat, war dieser Streitwertbeschluss nach § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG von Amts wegen zu ändern.
77Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 und 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden vom 18. März 2014 ‑ mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung ‑ geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers mit dem Aktenzeichen 11 K 3060/13 (VG Minden) gegen die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheide vom 25. Juni 2013 (Errichtung und Betrieb von zwei Windenergieanlagen des Typs Enercon E-101 in Q. P. /T. ), vom 12. August 2013 (Errichtung und Betrieb einer Windenergieanlage des o.g. Typs in Q. P. /T1. ) und vom 14. August 2013 (Errichtung und Betrieb von zwei Windenergieanlagen des o.g. Typs in Q. P. /H. ) wird wiederhergestellt.
Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge je zur Hälfte.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 22.500,- € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg.
3A. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheide des Antragsgegners vom 25. Juni 2013, vom 12. August 2013 und vom 14. August 2013 abgelehnt. Der Antrag sei unzulässig. Dem Antragsteller fehle die im Rahmen eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes analog § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis. Die Antragsbefugnis ergebe sich insbesondere nicht aus dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG).
4Hinsichtlich der in der Gemarkung H. geplanten und mit Bescheid des Antragsgegners vom 14. August 2013 genehmigten Windenergieanlagen G 1 und G 1 (Typ Enercon E-101 mit einer Gesamthöhe von 149,50 m, einer Nabenhöhe von 99 m und einem Rotordurchmesser von 101 m) sei der Anwendungsbereich dieses Gesetzes nicht eröffnet. Die von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a UmwRG geforderte Möglichkeit einer UVP-Pflicht des Vorhabens bestehe von vorneherein nicht. Eine (standortbezogene) Vorprüfung des Einzelfalls gemäß § 3 c Satz 2 UVPG sei nach Nr. 1.6.3 der Anlage 1 zum UVPG erst für Windfarmen ab drei Windenergieanlagen durchzuführen. Die Windenergieanlagen G 1 und G 2 bildeten wegen des großen Abstands auch nicht gemeinsam mit den drei in der Gemarkung T1. geplanten und mit Bescheiden des Antragsgegners vom 25. Juni 2013 sowie vom 12. August 2013 genehmigten Windenergieanlagen S 1, S 2 und S 3 des gleichen Typs eine Windfarm.
5Für die Windenergieanlagen S 1, S 2 und S 3 sei zwar die Durchführung einer standortbezogenen Vorprüfung im Einzelfall erforderlich und damit der Anwendungsbereich des Umweltrechtsbehelfsgesetzes eröffnet. Insoweit fehle es jedoch an der Zulässigkeitsvoraussetzung des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UmwRG. Der Antragsteller sei auch als Teil der betroffenen Öffentlichkeit in dem vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG, wie es hier durchgeführt worden sei, nicht zur Beteiligung berechtigt gewesen. Die Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 4 BImSchG finde gemäß § 19 Abs. 2 BImSchG im vereinfachten Verfahren keine Anwendung. Ein Beteiligungsrecht des Antragstellers ergebe sich auch nicht aus der Auffangvorschrift des § 9 Abs. 1 UVPG. Das Vorhaben unterliege nach dem Ergebnis der standortbezogenen Vorprüfung nicht der UVP-Pflicht. Die Gelegenheit zur Äußerung sei dem Antragsteller schließlich auch nicht entgegen den geltenden Rechtsvorschriften versagt worden. Das Ergebnis der standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls sei gemessen an § 3 a Satz 4 UVPG nachvollziehbar.
6B. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO beschränkt ist, stellt diese Annahmen des Verwaltungsgerichts durchgreifend in Frage. Der Antrag des Antragstellers nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheide des Antragsgegners vom 25. Juni 2013, vom 12. August 2013 und vom 14. August 2013 ist zulässig (unten I.) und begründet (unten II.).
7I. Der Antrag ist zulässig. Es fehlt insbesondere nicht an einem Klagerecht des Antragstellers in der Hauptsache. Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz findet hinsichtlich aller angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheide Anwendung (unten 1.). Dem Antragsteller steht als anerkanntem Umweltverband jedenfalls das Verbandsklagerecht aus § 2 Abs. 1 UmwRG zu (unten 2.).
81. Der Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes ist eröffnet. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a UmwRG findet das Gesetz Anwendung für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen im Sinne von § 2 Abs. 3 UVPG über die Zulässigkeit von Vorhaben, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
9Es besteht die konkrete Möglichkeit, dass nicht nur die Windenergieanlagen S 1, S 2 und S 3, sondern auch die Windenergieanlagen G 1 und G 2 der UVP-Pflicht unterliegen.
10Vgl. Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, 70. Erg. 2013, § 1 UmwRG Rn. 29.
11Nach Nr. 1.6 der Anlage 1 zum UVPG bedarf die Errichtung und der Betrieb einer Windfarm mit Anlagen in einer Gesamthöhe von jeweils mehr als 50 m mit 3 bis weniger als 6 Windkraftanlagen einer standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls gemäß § 3 c Satz 2 UVPG. Für den vorliegenden Sachverhalt kommt in Betracht, dass die fünf betroffenen Windenergieanlagen als sogenannte Windfarm ein einheitliches Vorhaben bilden.
12Eine Windfarm im Sinne der Nr. 1.6 der Anlage 1 zum UVPG ist dadurch gekennzeichnet, dass sie aus mindestens drei Windenergieanlagen besteht, die einander räumlich so zugeordnet sind, dass sich ihre Einwirkungsbereiche überschneiden oder wenigstens berühren. Entscheidend für das Vorhandensein einer Windfarm ist der räumliche Zusammenhang der einzelnen Anlagen. Sind die Anlagen so weit voneinander entfernt, dass sich die maßgeblichen Auswirkungen nicht summieren, so behält jede für sich den Charakter einer Einzelanlage. Verbindliche gesetzliche Bewertungsvorgaben etwa in der Form standardisierter Maßstäbe oder Rechenverfahren hinsichtlich der räumlichen Zuordnung von Windenergieanlagen, die eine Windfarm bilden, gibt es nicht. Welche Bewertungskriterien heranzuziehen sind, hängt vielmehr von den tatsächlichen Gegebenheiten im Einzelfall ab, deren Feststellung und Würdigung im Streitfall dem Tatrichter obliegt. Aufgrund besonderer tatsächlicher Umstände kann daher eine von typisierenden Bewertungsvorgaben - wie etwa dem Abstellen auf eine Entfernung von weniger als dem 10-fachen des Rotordurchmessers, auf die Anlagenhöhe oder auf den geometrischen Schwerpunkt der von den Anlagen umrissenen Fläche - losgelöste Einzelfallbeurteilung anhand der konkreten Auswirkungen auf die Schutzgüter des UVP- und Immissionsschutzrechts angebracht sein.
13Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2004 - 4 C 9.03 -, BVerwGE 121, 182 = juris Rn. 33, sowie Beschluss vom 8. Mai 2007 - 4 B 11.07 -, BRS 71 Nr. 101 (2007) = juris Rn. 7; OVG NRW, Urteil vom 13. März 2006 - 7 A 3415/04 -, juris Rn. 41 ff.; Bay.VGH, Urteil vom 12. Januar 2007 - 1 B 05.3387 u.a. -, NVwZ 2007, 1213 = juris Rn. 23.
14Der kürzeste Abstand zwischen den Windenergieanlagen G 1 und G 1 und den Windenergieanlagen S 1, S 2 und S 3 ist mit etwa 1.250 m größer als das 10-fache des Rotordurchmessers von hier 1.010 m. Dieser Abstand ist jedoch nicht von vorneherein so groß, dass nicht besondere tatsächliche Umstände unter Einbeziehung der konkreten Umweltauswirkungen der Anlagen auf der Grundlage einer von diesem typisierenden Merkmal losgelösten Einzelfallbeurteilung die Einschätzung rechtfertigen könnten, es handele sich ungeachtet dieses Abstands um eine Windfarm. Der vorliegende Sachverhalt bietet auch einen ausreichenden Anhalt für die Annahme, dass solche besonderen Umstände vorliegen könnten, da sich in der Umgebung der geplanten Windenergieanlagen Brutplätze des Weißstorches und der Rohrweihe befinden, die wiederholt genutzt worden sind und die sich zumindest teilweise im Einflussbereich sowohl der Windenergieanlagen S 1, S 2 und S 3 als auch der Windenergieanlagen G 1 und G 2 befinden. Diese Vogelarten gelten im Hinblick auf Windenergieanlagen als besonders störempfindlich bzw. gefährdet.
15Vgl. Länder-Arbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG-VSW), Abstandsregelungen für Windenergieanagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten (2007) ‑ LAG-VSW 2007 -, Tabelle 2; Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MKULNV) und Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (LANUV), Leitfaden Umsetzung des Arten- und Habitatschutzes bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanalgen in Nordrhein-Westfalen (Fassung: 12. November 2013) - Leitfaden 2013 -, Anhang 2 und Anhang 4.
162. Dem Antragsteller steht auch ein Klagerecht zu.
17a) Der Senat kann offen lassen, ob der Antragsteller geltend machen kann, er sei aufgrund einer unvollständigen und damit fehlerhaften Vorprüfung des Einzelfalls in eigenen Rechten im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO verletzt.
18Vgl. zur Frage des Drittschutzes der UVP-Verfahrensvorschriften allgemein u.a.: Ziekow, NVwZ 2007, 259 ff.; Appel, NVwZ 2010, 473 ff.; Steinbeiß-Winkelmann, NJW 2010, 1233, 1236; Held, NVwZ 2012, 461 ff.; Seibert, NVwZ 2013, 2014 ff.; Gärditz, NVwZ 2014, 1 ff.; Schlacke, NVwZ 2014, 11 ff.; Sauer, ZUR 2014, 195 ff.; Greim, NuR 2014, 81 ff.; Bunge, NuR 2014, 305 ff.; Greim, Rechtsschutz bei Verfahrensfehlern im Umweltrecht, Schriften zum Umweltrecht, Band 177, 2013, S. 91 ff.; Kment, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Auflage 2012, Einleitung UVPG Rn. 48 und § 4 Rn. 6 ff.; die Frage des Drittschutzes der Verfahrensvorschriften offenlassend: EuGH, Urteil Altrip vom 7. November 2013, C-72/12, EU:C:2013:712, NVwZ 2014, 49 = juris Rn. 55.
19Es spricht allerdings Erhebliches für die Annahme, dass das Unionsrecht die Zuerkennung von Rügerechten der betroffenen Öffentlichkeit nach § 2 Abs. 6 UVPG hinsichtlich der Verletzung von Verfahrenserfordernissen der Umweltverträglichkeitsprüfung einschließlich der in § 4 Abs. 1 UmwRG bezeichneten Verfahrensregelungen gebietet.
20Vgl. zum unionsrechtlichen Umfang des Rügerechts: EuGH, Urteil Altrip vom 7. November 2013, C-72/12, EU:C:2013:712, NVwZ 2014, 49 = juris Rn. 36, 38 und 47.
21Denn es bestehen auch bei einer generellen Erweiterung des Prüfprogramms des § 113 VwGO auf das Vorliegen (objektiv-rechtlicher) UVP-Verfahrensfehler,
22vgl. zu § 4 UmwRG: BVerwG, Urteile vom 20. Dezember 2011 - 9 A 30.10 -, NVwZ 2012, 573 = juris Rn. 20 ff., vom 2. Oktober 2013 - 9 A 23.12 -, NVwZ 2014, 367 = juris Rn. 21 ff., vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 -, ZNER 2014, 205 = juris Rn. 41, sowie Beschluss vom 27. Juni 2013 ‑ 4 B 37.12 - , BauR 2013, 2014 = juris Rn. 9 ff.; auch: OVG Münster, Urteil vom 14. Oktober 2013 ‑ 20 D 7/09.AK -, DVBl 2014, 185 = juris Rn. 33,
23Zweifel, ob der unionsrechtlich geforderte weite und effektive Zugang zu einer gerichtlichen Überprüfung von Zulassungsentscheidungen UVP-pflichtiger Vorhaben ausreichend gewährleistet ist. Dies wird insbesondere dann deutlich, wenn Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die nicht nach § 2 Abs. 1 UmwRG klageberechtigt sind, selbstständig ‑ ohne eine mögliche Verletzung (auch) in eigenen materiellen Rechten ‑ Fehler der Umweltverträglichkeitsprüfung geltend machen. In diesen Fällen würde eine Aufhebung der Zulassungsentscheidung nach § 4 Abs. 1 und Abs. 3 UmwRG oder § 46 VwVfG auch bei einer solchen Erweiterung regelmäßig unabhängig davon ausscheiden, ob der Verfahrensfehler tatsächlich vorliegt. Die allein in Betracht kommenden Rechtsbehelfe nach der Verwaltungsgerichtsordnung würden bereits auf der Zulässigkeitsebene mangels Klagebefugnis scheitern.
24Vgl. zu § 46 VwVfG Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 46 Rn. 28; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Auflage 2013 , § 46 Rn. 8, 18.
25Ein weiter und effektiver Zugang zu Gerichten setzt indes voraus, dass die Verfahrensfehler der Umweltverträglichkeitsprüfung auch selbständig gerügt werden können. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Gerichtshof) folgt aus der UVP-Richtline ein eigenständiges Recht „des betroffenen Einzelnen“ auf Bewertung der Umweltauswirkungen des fraglichen Projekts durch die zuständigen Stellen und auf Anhörung dazu.
26Vgl. EuGH, Urteil Leth vom 14. März 2013, C‑420/11, EU:C:2013:166, NVwZ 2013, 565 = juris Rn. 32; ferner EuGH, Urteil Wells vom 7. Januar 2004, C-201/02, EU:C:2004:12, NVwZ 2004, 593 ff. = juris Rn. 56 ff.
27Da die Richtlinie u. a. zur Festlegung von Verfahrensgarantien dient, die insbesondere eine bessere Information und eine Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung öffentlicher und privater Projekte mit unter Umständen erheblichen Umweltauswirkungen ermöglichen sollen, kommt der Überprüfung der Einhaltung der Verfahrensregeln in diesem Bereich besondere Bedeutung zu. Die betroffene Öffentlichkeit muss daher, im Einklang mit dem Ziel, ihr einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren, zur Stützung eines Rechtsbehelfs, mit dem die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen im Sinne der Richtlinie angefochten wird, grundsätzlich jeden Verfahrensfehler geltend machen können.
28Vgl. EuGH, Urteil Altrip vom 7. November 2013, C‑72/12, EU:C:2013:712, NVwZ 2014, 49 = juris Rn. 48.
29Es ist dabei zwar grundsätzlich Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung, die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die den Schutz der „dem Einzelnen“ aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Die Mitgliedstaaten sind allerdings für den wirksamen Schutz dieser Rechte in jedem Einzelfall verantwortlich.
30Vgl. EuGH, Urteil Slowakischer Braunbär vom 8. März 2011, C-240/09, EU:C:2011:125, NVwZ 2011, 673 = juris Rn. 47.
31Diesen Anforderungen dürfte nur dann Rechnung getragen sein, wenn Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit als „betroffenen Einzelnen“ im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs bei wesentlichen Fehlern der Umweltverträglichkeitsprüfung sowohl ein (absoluter oder relativer) Aufhebungsanspruch auf der Ebene der Begründetheit als auch - systematisch vorrangig -
32vgl. Held, NVwZ 2012, 461, 463; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 45 Rn. 118, 125 und § 46 Rn. 29; ferner Seibert, NVwZ, 2013, 1040, 1045,
33auf der Ebene der Zulässigkeit ein entsprechendes Rügerecht zusteht. Ob dieses individuell klagbare Recht als subjektives Recht im Sinne der Schutznormtheorie zu qualifizieren wäre und § 42 Abs. 2 VwGO analog oder direkt eingreifen würde, kann im Ergebnis offen bleiben. Das Effektivitätsprinzip verlangt die Umsetzung des unionsrechtlich gebotenen Individualschutzes gegebenenfalls auch unter unionsrechtlicher „Überformung“ oder „Aufladung“ der anerkannten Klagerechte mit der Folge, dass § 42 Abs. 2 VwGO jedenfalls analog anwendbar wäre.
34Vgl. Steinbeiß-Winkelmann, NJW 2010, 1233, 1235; zum Gebot unionsfreundlicher Auslegung nationaler Normen auch: EuGH, Urteil Slowakischer Braunbär vom 8. März 2011, C-240/09, EU:C:2011:125, NVwZ 2011, 673 = juris Rn. 50; Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 42 Rn. 400.
35Die Befürchtung, dass es bei einer Anerkennung einer solchen klagbaren Rechtsposition zu versteckten Popularklagen kommen könne,
36vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 - 9 A 30.10 -, NtVwZ 2012,573 = juris Rn. 20 ff.,
37dürfte unbegründet sein. Nach § 2 Abs. 6 Satz 2 UVPG sind natürliche und juristische Personen „betroffene“ Öffentlichkeit, wenn sie durch die - ein UVP-pflichtiges Vorhaben betreffende - Zulassungsentscheidung in ihren Belangen „berührt“ werden. Bei Berücksichtigung dieser faktischen Komponente ist eine Klage (nur) dann zulässig, wenn der Kläger durch die Entscheidung tatsächlich in seinen Interessen beeinträchtigt wird.
38Vgl. hierzu Seibert, NVwZ 2013, 1040, 1045, m.w.N.
39Dass die unionsrechtliche Forderung nach einem weiten Zugang der „betroffenen Einzelnen“ zu den Gerichten grundsätzlich die Zuerkennung eines diesen Zugang ermöglichenden Rügerechts verlangt, wird - ungeachtet ihrer Reichweite im Übrigen - auch in der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Klagerechten von Umweltverbänden außerhalb des Anwendungsbereichs der Verbandsklage anerkannt.
40Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21/12 -, NVwZ 2013, 64 = juris, Rn. 48; hierzu Bunge, ZUR 2014, 3 ff. sowie NuR 2014, 305.
41Der Gesetzgeber war sich dieses Zusammenhangs bei der Kodifizierung des § 4 UmwRG ebenfalls bewusst.
42Vgl. Begründung zum Entwurf über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35 EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz) vom 4. September 2006, BT-Drucksache 16/2495, insbesondere Seiten 7 f., 11 f. und 13 f.
43Die Begründung nimmt ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs Bezug, wonach der Einzelne sich auf Bestimmungen der UVP-Richtlinie berufen können müsse.
44Vgl. Urteil Wells vom 7. Januar 2004, C-201/02, EU:C:2004:12, NVwZ 2004, 593 ff. = juris; vgl. auch Urteile Leth vom 14. März 2013, C-420/11, EU:C:2013:166, NVwZ 2013, 565 = juris Rn. 32 und Altrip vom 7. November 2013, C-72/12, EU:C.2013:712, NVwZ 2014, 49 = juris Rn. 48, hierzu auch: Siegel, NJW 2014, 973, sowie Graim, NuR 2014, 81 ff.; Bunge, NuR 2014, 305; auch Urteil Edwards und Pallikarapoulos vom 11. April 2013, C‑260/11, EU:C:2013:221, NVwZ 2013, 855 = juris Rn. 32.
45Es heißt dort, Art. 10 a der geänderten UVP-Richtlinie fordere, dass die Überprüfung der verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeit einer Zulassungsentscheidung für ein UVP-pflichtiges Vorhabenbeantragt werden könne. Diesen Anforderungen stehe jedoch derzeit die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entgegen, wonach das Recht der Umweltverträglichkeitsprüfung aufgrund seiner Einstufung als Verfahrensrecht keine selbstständig durchsetzbaren Rechtspositionen vermittelte. Nach bisheriger Rechtslage könnten die Verfahrensregelungen der Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen Drittschutz nur begründen, wenn die konkrete Möglichkeit bestehe, dass die angegriffene Entscheidung ohne den Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre. Die Regelung des § 4 Abs. 1 UmwRG erfolge (auch) vor diesem Hintergrund (Hervorhebungen durch den Senat). Diese Ausführungen haben einen sinnvollen Kontext nur im Zusammenhang mit einer selbständig durchsetzbaren Rechtsposition und damit insbesondere auch in der Zulässigkeit der Klage.
46Für die ab dem 2. Mai 2013 geltende Neufassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes wird mit dem Hinweis auf das „subjektiv-öffentliche Rügerecht“ nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwRG ausdrücklich klargestellt, dass jedenfalls die in § 4 Abs. 1 UmwRG aufgeführten UVP-Verfahrenserfordernisse rügefähig sein sollen.
47Vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften, BT-Drucksache 17/10957, S. 17; dazu auch: Sauer, ZUR 2014, 195, 200.
48b) Der Antragsteller ist ungeachtet all dessen jedenfalls nach § 2 Abs. 1 UmwRG klageberechtigt. Gemäß § 2 Abs. 1 UmwRG in der hier nach der Übergangsvorschrift des § 5 Abs. 4 UmwRG maßgeblichen, seit dem 2. Mai 2013 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 8. April 2013 (BGBl. I S. 753) kann eine nach § 3 UmwRG anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen einlegen, wenn die Vereinigung geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen und für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht (Nr. 1), sie geltend macht, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen berührt zu sein (Nr. 2), und sie zur Beteiligung in einem Verfahren nach § 1 Abs. 1 Satz 1 berechtigt war und sie sich hierbei in der Sache gemäß den geltenden Rechtsvorschriften geäußert hat oder ihr entgegen den geltenden Rechtsvorschriften keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist (Nr. 3).
49aa) Die Vorgabe des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG ist erfüllt.
50Der Antragsteller kann sich auf die Möglichkeit einer Verletzung des artenschutzrechtlichen Tötungsverbots nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG berufen. Er kann daneben auch die Möglichkeit von Fehlern der Vorprüfung des Einzelfalls im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 UmwRG sowie § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG geltend machen. Auch insoweit beruft er sich auf die Verletzung von Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen. Hierunter fallen neben den materiell-rechtlichen Vorschriften des Umweltrechts auch formell-rechtliche Verfahrensvorschriften, die dem Umweltschutz dienen. Dies sind insbesondere die Verfahrensregelungen der Umweltverträglichkeitsprüfung.
51Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 - 9 A 31.10 -, BVerwGE 141, 282 = juris Rn. 20; Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, Stand 70. Erg. 2013, § 1 UmwRG, Rn. 10; EuGH, Urteil Edwards und Pallikarapoulos vom 11. April 2013, C-260/11, EU:C:2013:221, NVwZ 2013, 855 = juris Rn. 32; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Auflage 2013, § 63, Rn. 30.
52Ob diese Verfahrensregelungen subjektive Rügerechte begründen, ist ohne Belang. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG verlangt in Umsetzung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht (mehr), dass die gerügten Rechtsvorschriften Rechte Dritter begründen.
53Vgl. EuGH, Urteil Trianel vom 12. Mai 2011, C‑115/09, EU:C:2011:289, NJW 2011, 2779 = juris.
54Es besteht auch die konkrete Möglichkeit, dass die in § 4 Abs. 1 UmwRG genannten UVP-Verfahrenserfordernisse verletzt sind. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Ergebnis der durchgeführten standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls im Sinne des § 3 a Satz 4 UVPG nicht nachvollziehbar ist, vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG.
55Beruht die Feststellung, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung unterbleiben soll, auf einer Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3 c UVPG, ist die Einschätzung der zuständigen Behörde in einem gerichtlichen Verfahren betreffend die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens nur daraufhin zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben von § 3 c UVPG durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist, § 3 a Satz 4 UVPG. § 4 a Abs. 2 UmwRG bestimmt, dass eine behördliche Entscheidung, soweit der Verwaltungsbehörde - wie in § 3 a Satz 4 UVPG - bei der Anwendung umweltrechtlicher Vorschriften ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist, im gerichtlichen Verfahren nur daraufhin zu überprüfen ist, ob der Sachverhalt vollständig und zutreffend erfasst wurde (Nr. 1), die Verfahrensregeln und die rechtlichen Bewertungsgrundsätze eingehalten wurden (Nr. 2), das anzuwendende Recht verkannt wurde (Nr. 3), oder sachfremde Erwägungen vorliegen (Nr. 4).
56Das Ergebnis der durchgeführten standortbezogenen Vorprüfung ist gemessen hieran dann nicht nachvollziehbar, wenn es einer Einbeziehung der Windenergieanlagen G 1 und G 2 in die durchgeführte standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3 c Satz 2 UVPG bedurft hätte, weil sie gemeinsam mit den in die Betrachtung einbezogenen Windenergieanlagen S1, S 2 und S 3 eine Windfarm bilden. In diesem Fall fehlt es bezogen auf die Windenergieanlagen G 1 und G 2 auch an der erforderlichen Vorprüfung des Einzelfalls. Wie oben ausgeführt besteht vorliegend die konkrete Möglichkeit, dass es sich bei dem Vorhaben insgesamt um eine Windfarm handelt.
57bb) Es fehlt ferner nicht an der Zulässigkeitsvoraussetzung des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UmwRG. Danach muss die anerkannte Vereinigung zur Beteiligung in einem Verfahren nach § 1 Abs. 1 Satz 1 berechtigt gewesen sein und sich hierbei in der Sache gemäß den geltenden Rechtsvorschriften geäußert haben oder ihr muss entgegen den geltenden Rechtsvorschriften keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden sein.
58Die Regelung knüpft an das jeweilige Fachrecht an und bestimmt, dass die dortigen Bestimmungen von der Vereinigung eingehalten werden müssen, damit sie einen Rechtsbehelf nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz geltend machen kann. Diese Voraussetzungen müssen grundsätzlich objektiv gegeben sein; ein bloßes Behaupten durch die Umweltvereinigung genügt im Gegensatz zu § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 UmwRG aufgrund des abweichenden Wortlauts nicht.
59Vgl. Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, 70. Erg. 2013, § 1 UmwRG Rn. 29.
60Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes reicht es in der vorliegenden Fallkonstellation aus, dass bei summarischer Prüfung überwiegend wahrscheinlich vom Vorliegen eines Verfahrensfehlers im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG und deshalb auch von einem rechtswidrigen Unterbleiben der Beteiligung der betroffenen Öffentlichkeit an der Umweltverträglichkeitsprüfung auszugehen ist. Auf die entsprechenden Ausführungen unten unter II. 2 wird Bezug genommen.
61II. Der Antrag ist auch begründet.
621. Nach § 4 a Abs. 3 UmwRG ist § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO im Anwendungsbereich des Umweltrechtsbehelfsgesetzes mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen oder wiederherstellen kann, wenn im Rahmen einer Gesamtabwägung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen.
63Der Vorschrift des § 4 a Abs. 3 UmwRG ist nicht eindeutig zu entnehmen, welchen Wahrscheinlichkeitsgrad der Gesetzgeber mit dem Hinweis auf das Vorliegen „ernstlicher Zweifel“ als Prüfungsmaßstab konkret angewendet wissen wollte. Der Verweis des Gesetzgebers auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO trägt insoweit nichts zur Klärung bei. Die gleichlautende Formulierung in diesen und in anderen Normen wird nämlich nicht in einem gleichen Sinne verstanden. Ungeachtet dessen stehen die „ernstlichen Zweifel“ in § 4 a Abs. 3 UmwRG auch in einem anderen Kontext als in den zitierten Vorschriften. Dort sind sie alleiniges Tatbestandsmerkmal, während § 4 a Abs. 3 UmwRG die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, ob die aufschiebende Wirkung angeordnet oder wiederhergestellt wird, von einer Gesamtabwägung abhängig macht; die erheblichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind lediglich Bestandteil dieser notwendigen Gesamtabwägung. Im Rahmen dieser Gesamtabwägung kommt es jedoch nicht nur auf einen bestimmten, für alle Fälle gleichen Wahrscheinlichkeitsgrad der rechtlichen Bedenken an. Vielmehr kann hier auch ein schwächerer Grad der rechtlichen Bedenken etwa ergänzt oder verstärkt werden durch den Umstand, dass besonders gravierende, möglicherweise nicht reversible Folgen drohen, wenn das Vorhaben vor Unanfechtbarkeit der Genehmigung verwirklicht wird.
64Je berechtigter und gewichtiger andererseits Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung sind, desto eher ist der Sofortvollzug auszusetzen. Ist ein voraussichtlicher Erfolg in der Hauptsache offensichtlich, wird sich ein privates oder öffentliches Vollzugsinteresse nur ausnahmsweise durchsetzen können. Ausgehend von diesen Grundsätzen kommt eine Aussetzung des Sofortvollzuges nicht stets erst dann in Betracht, wenn das Verwaltungsgericht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgeht, dass die Klage in der Hauptsache begründet ist. Vielmehr können im Rahmen einer Gesamtabwägung begründete Zweifel ausreichen, die die Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung in Frage stellen. Insbesondere bei komplexen und komplizierten Verfahren können sich offene Erfolgsaussichten auch ohne detaillierte Prüfungen ergeben.
65Vgl. hierzu: Seibert, NVwZ 2013, 1040, 1046 ff.; BVerwG, Beschlüsse vom 15. April 2013 - 9 VR 1/13 -, juris Rn. 2, und vom 13. Juni 2013 - 9 VR 3/13 -, NVwZ 2013, 101 = juris Rn. 4.
662. Dies zugrunde gelegt fällt die Gesamtabwägung nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand zu Lasten des Antragsgegners aus. Bei summarischer Prüfung ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Erfolg des Antragstellers in der Hauptsache zu erwarten. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheide des Antragsgegners vom 25. Juni 2013, vom 12. August 2013 und vom 14. August 2013. Dem gegenüber überwiegende Interessen des Antragsgegners oder der Beigeladenen an der weiteren sofortigen Vollziehung der Bescheide sind nicht zu erkennen.
67Die durchgeführte standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens dürfte dem Maßstab des § 3 a Satz 4 UVPG i.V.m. § 4 a Abs. 2 UmwRG nicht entsprechen. Das Ergebnis der Vorprüfung, wie es sich aufgrund der vom Antragsgegner gegebenen, maßgeblichen Begründung des Prüfergebnisses,
68vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 - 9 A 31.10 -, BVerwGE 141, 282 = juris Rn. 29; OVG Lüneburg, Beschluss vom 29. August 2013 - 4 ME 76/13 -, ZUR 2013, 683 = juris Rn. 31,
69in der Dokumentation vom 18. Juni 2013 darstellt, ist nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nicht nachvollziehbar, weil der Sachverhalt hier nicht vollständig und zutreffend erfasst worden sein dürfte, vgl. § 4 a Abs. 2 Nr. 1 UmwRG.
70Es fehlt an der erforderlichen Einbeziehung der Windenergieanlagen G 1 und G 2 in die Bewertung der Umweltauswirkungen im Sinne des § 12 UVPG. Die fünf von dem Beigeladenen geplanten Windenergieanlagen bilden bei summarischer Prüfung gemessen an den oben dargelegten Anforderungen insgesamt eine vorprüfungspflichtige Windfarm im Sinne der Nr. 1.6 der Anlage 1 zum UVPG. Der weitere Fehler, dass hinsichtlich der Windenergieanlagen G 1 und G 2 die standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls danach auch im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG fehlt, geht hierin auf.
71Dass die Windenergieanlagen G 1 und G 2 für sich betrachtet aufgrund ihrer räumlichen Zuordnung als Einheit betrachtet werden müssen, wird zu Recht nicht in Frage gestellt. Dasselbe gilt für die isolierte Betrachtung der Windenergieanlagen S 1, S 2 und S 3, die der Antragsgegner bereits zutreffend als Windfarm qualifiziert und einer standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls unterzogen hat. Die Windenergieanlagen sind jedoch - ungeachtet des Umstands, dass die geringste Entfernung zwischen ihnen das 10-fache des Rotordurchmessers überschreitet - einander insgesamt räumlich so zugeordnet, dass sich ihre Einwirkungsbereiche bezogen auf das UVP-Schutzgut „Tiere“ im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UVPG überschneiden, und zwar konkret bezogen auf die Vogelarten Weißstorch und Rohrweihe. Die in der Umgebung der Anlagen aufgefundenen Horst- bzw. Brutstätten dieser Arten befinden sich innerhalb der Einwirkungsbereiche aller fünf Windenergieanlagen.
72Der Einwirkungsbereich einer Windenenergieanlage bestimmt sich insoweit anhand der artspezifischen Empfindlichkeit oder Gefährdung der im Einzelfall konkret betroffenen Arten gegenüber der Errichtung und/oder dem Betrieb von Windenergieanlagen. Neben optischen und akustischen Beeinträchtigungen sind auch andere Nachteile wie etwa ein artbedingtes Kollisionsrisiko oder Meideverhalten, Auswirkungen auf Fortpflanzungs- oder Ruhestätten sowie auf die Nahrungssituation oder eine besondere Empfindlichkeit der jeweiligen Art gegenüber betriebsbedingten Veränderungen der physikalischen Umgebung in den Blick zu nehmen. Die in erster Linie auf optische und akustische Beeinträchtigungen zugeschnittene typisierende Betrachtung anhand des am Rotordurchmesser orientierten Abstands der Anlagen ist allein nicht hinreichend aussagekräftig; auch hinsichtlich der anderen artspezifischen Beeinträchtigungen muss ermittelt werden, bis zu welchem Abstand sie zu erwarten sind.
73Nicht erforderlich ist allerdings, dass die artspezifischen nachteiligen Auswirkungen tatsächlich bzw. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreten oder dass sie konkret möglich sind. Die Zuordnung zu einer Nummer der Anlage 1 zum UVPG löst die Pflicht zur Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung bzw. der Vorprüfung des Einzelfalls aus und kann nicht erst von deren Ergebnis abhängen. Die Prüfung, ob ein Vorhaben überhaupt einer der Nummern der Anlage 1 zum UVPG zuzuordnen ist, darf weder die Umweltverträglichkeitsprüfung noch die Vorprüfung des Einzelfalls vorwegnehmen; der Prüfungsmaßstab muss vielmehr weiter sein als bei den nachgelagerten Umweltprüfungen. Die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der tatsächlichen oder der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Umweltauswirkungen eines Vorhabens auf die UVP-Schutzgüter ist nach den §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung, während die Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3 c Satz 1 UVPG die überschlägige Prüfung, ob das Vorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, und damit deren konkrete Möglichkeit verlangt. Kommt es - wie hier bei der Windfarm - für die Frage der UVP-Pflichtigkeit eines Vorhabens auf dessen nachteilige Auswirkungen an, reicht danach die abstrakte („generelle“) Möglichkeit ihres Eintritts aus.
74Für die Entscheidung, in welchem räumlichen Umkreis um oder in welchem Abstand zu einer Windenergieanlage abstrakt mit artspezifischen Nachteilen zu rechnen sein kann, bieten entsprechende natur- und artenschutzfachliche Erkenntnisse sachgerechte Anhalte. In Betracht kommen etwa die oben angeführten Abstandsempfehlungen der LAG-VSW für Windenergieanlagen. Die LAG-VSW hat in Ermangelung bundesweit einheitlicher Empfehlungen die aus artenschutzfachlicher Sicht notwendigen Abstandsregelungen für Windenergieanlagen zu avifaunistisch bedeutsamen Gebieten sowie zu Brutplätzen besonders störempfindlicher oder durch Windenergieanlagen besonders gefährdeter Vogelarten definiert. Die Empfehlungen sollen nach der Intention der LAG-VSW unter anderem auch zu sachgerechten Entscheidungen im immissionsrechtlichen Verfahren beitragen. Sie verstehen sich als Mindestforderungen, die abweichende - größere Abstände regelnde - Festlegungen in einzelnen Ländern gegebenenfalls ergänzen und eine erforderliche Einzelfallprüfung nicht ersetzen. Die Empfehlungen unterscheiden zwischen Ausschlussbereichen (= Mindestabstand zwischen dem Brutplatz bzw. Revierzentrum einer bestimmten Art und geplanter Windenergieanlage) und sogenannten Prüfbereichen. Die Prüfbereiche sind Radien um jede einzelne Windenergieanlage, innerhalb derer zu prüfen ist, ob Nahrungshabitate der betreffenden Art vorhanden sind. Die LAG-VSW empfiehlt für den Weißstorch und die Rohrweihe einen Mindestabstand zwischen Brutplatz und Windenergieanlage im Sinne eines Ausschlussbereichs von 1.000 m und einen Prüfbereich um die einzelne Windenergieanlage von 6.000 m.
75Der Leitfaden 2013 der Fachministerien des Landes Nordrhein-Westfalen kann zwar ergänzend herangezogen werden, allerdings unter Berücksichtigung, dass diese Empfehlungen erst für die - der Umweltverträglichkeitsprüfung nachgehende - Planungsebene der artschutzrechtlichen Prüfung gelten sollen und deshalb nur bedingt auch als Maßstab für die UVP-Pflichtigkeit eines Vorhabens dienen können. Der Leitfaden 2013 orientiert sich in Anhang 2 (Empfehlungen für die Untersuchungsgebiets-Abgrenzung für WEA-empfindliche Vogelarten in Nordrhein-Westfalen) zwar an den Empfehlungen der LAG-VSW. Er stellt zum einen Empfehlungen für den Radius des Untersuchungsgebietes um die geplante Windenergieanlage für eine vertiefende Prüfung (Artenschutzprüfung, Stufe II) sowie für ein erweitertes Untersuchungsgebiet dar. Letzteres werde nur relevant bei Vorliegen ernst zu nehmender Hinweise auf regelmäßig genutzte, essentielle Nahrungshabitate oder Flugkorridore. Der Radius des Untersuchungsgebiets für die vertiefende Artenschutzprüfung beträgt für den Weißstorch und die Rohrweihe 1.000 m, das erweiterte Untersuchungsgebiet für die Rohrweihe 6.000 m. Für den Weißstorch werden keine Angaben zu einem erweitertes Untersuchungsgebiet gemacht.
76Dies zugrunde gelegt besteht vorliegend die abstrakte Möglichkeit kumulierender nachteiliger Auswirkungen für die im Umfeld der Windenergieanlagen wiederholt angetroffenen und brütenden Vogelarten Weißstorch und Rohrweihe. Der Abstand der nördlich von O. gelegenen Weißstorchbrutstätte zu den Standorten sowohl der geplanten Windenergieanlagen G 1 und G2 als auch zu der Windenergieanlage S 3 beträgt weniger als 1.000 m. Diese drei Windenergieanlagen liegen damit innerhalb des Ausschlussbereichs dieser Brutstätte. Die Windenergieanlage S 3 bildet schon aufgrund der räumlichen Nähe ein einheitliches Vorhaben mit den Windenergieanlagen S 1 und S 2. Sowohl die oben angeführte Brutstätte, als auch die südöstlich von M. gelegene weitere Brutstätte des Weißstorchs und die Brutstätte der Rohrweihe an den Teichen südwestlich von M. liegen zudem innerhalb des für beide Arten maßgeblichen Prüfbereichs von 6000 m um jede der fünf Windenergieanlagen. Die vorliegenden Erkenntnisse bieten auch keinen Anhalt für die Annahme, es sei aufgrund des Abstands der Standorte der Windenergieanlagen voneinander ungeachtet dieser Überschneidungen der artbezogenen Einwirkungsbereiche von vorneherein ausgeschlossen, dass es zu einer Kumulation der möglichen nachteiligen Auswirkungen komme. Die Anlagen bilden grob gesehen eine von Nordosten nach Südwesten verlaufende Linie südlich von M. und werden offenkundig über denselben Weg erschlossen. Es ist auch nicht erkennbar, dass sich zwischen den Anlagen S 1 bis S 3 und den Anlagen G1 und G 2 trennende topographische oder bauliche Hindernisse befinden würden.
77Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und orientiert sich am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Der danach im Hauptsacheverfahren auf 45.000,- € festzusetzende Streitwert ist mit Blick auf die Vorläufigkeit des vorliegenden Verfahrens auf die Hälfte zu reduzieren.
78Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 und 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 25. Februar 2015 geändert.
Die aufschiebende Wirkung der bei dem Verwaltungsgericht Arnsberg erhobenen Klage 4 K 1917/14 wird wiederhergestellt.
Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge jeweils zur Hälfte mit der Maßgabe, dass zwischen ihnen ein Ausgleich ihrer außergerichtlichen Kosten nicht stattfindet.
Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 22.500,‑ € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg. Sie führt zur Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts.
3Der Antrag ist zulässig (dazu I.) und begründet (dazu II.).
4I. Der Antrag ist zulässig; insbesondere ist die Antragstellerin analog § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Sie kann geltend machen, durch die der Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheide des Antragsgegners vom 20. Juni 2014 zur Errichtung und zum Betrieb von drei Windkraftanlagen vom Typ Senvion 3.0M122 auf den Grundstücken Gemarkung I. , sowie in X. in der Fassung der Änderungs‑/Ergänzungsbescheide vom 4. November 2014 in ihren Rechten verletzt zu sein.
5Die Antragstellerin kann geltend machen, die im Laufe des gerichtlichen Verfahrens durchgeführte allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit genüge nicht dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG, weil sie nicht den Vorgaben von § 3c UVPG entsprochen habe und das Ergebnis nicht nachvollziehbar sei. Dieses Rügerecht ergibt sich aus § 4 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 und 2 UmwRG, der im Lichte des - individualschützende Verfahrensrechte verleihenden - Unionsrechts auszulegen ist.
6Der sachliche Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes ist eröffnet, weil infolge der von § 3c Satz 1 i.V.m. Anlage 1 Nr. 1.6.2 UVPG angeordneten allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls für die angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheide eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) UmwRG bestehen kann.
7Die Antragstellerin kann sich dabei unabhängig von einer Betroffenheit in eigenen materiellen Rechten auf eine fehlerhafte Durchführung der Vorprüfung des Einzelfalls berufen. Die Verfahrensvorschriften der UVP-Richtlinie 2011/92/EU sind bei unionsrechtskonformer Auslegung Schutznormen im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO. § 4 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 und 2 UmwRG räumt ihr nach der Auffassung des Senats ein selbstständig durchsetzbares, absolutes Verfahrensrecht ein.
8Vgl. dazu ausführlich OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2015 - 8 A 959/10 -, ZNER 2015, 177 = juris Rn. 51 ff. m.w.N; vgl. ebenfalls OVG NRW, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 8 B 356/14 -, DVBl. 2014, 1415 = juris Rn. 17.
9Im vorliegenden Fall besteht die hinreichend konkrete Möglichkeit, dass die in § 4 Abs. 1 UmwRG genannten UVP-Verfahrenserfordernisse verletzt sind. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Ergebnis der durchgeführten allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls im Sinne des § 3a Satz 4 UVPG nicht nachvollziehbar ist, vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG. Es kommt in Betracht, dass der Antragsgegner bei der allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls die Auswirkungen der vorhandenen Windkraftanlagen auf das UVP-Schutzgut „Tiere“ i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UVPG nicht vollständig berücksichtigt und mithin den Sachverhalt nicht zutreffend erfasst hat.
10Im Übrigen erweist sich die Antragstellerin schon deshalb als antragsbefugt, weil die Möglichkeit besteht, dass sie in eigenen materiellen Rechtspositionen verletzt ist. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Diese Bestimmung ist für die Nachbarn drittschützend. Dabei sind als Nachbarn einer immissionsschutzrechtlich genehmigten Anlage alle Personen, die sich auf Dauer im Einwirkungsbereich der Anlage aufhalten, oder Eigentümer von Grundstücken im Einwirkungsbereich der Anlage anzusehen.
11Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 7 C 19/02 -, BVerwGE 119, 329 = juris Rn. 11; Beschluss vom 24. Juli 2008 - 7 B 19/08 -, juris Rn. 12; Jarass, BImSchG, 10. Auflage 2013, § 5 Rn. 120, § 3 Rn. 34; Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: November 2014, § 5 BImSchG Rn. 114.
12Ein zu Lasten der Antragstellerin wirkender Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ist jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen. Insoweit hat die Klägerin schädliche Umwelteinwirkungen durch die Windkraftanlagen in Gestalt von Lärmimmissionen und Schattenwurf auf ihr Grundstück geltend gemacht.
13II. Der Antrag ist auch begründet.
14Nach § 4a Abs. 3 UmwRG ist § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO im Anwendungsbereich des Umweltrechtsbehelfsgesetzes mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen oder wiederherstellen kann, wenn im Rahmen einer Gesamtabwägung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen.
15Der Vorschrift des § 4a Abs. 3 UmwRG ist nicht eindeutig zu entnehmen, welcher Wahrscheinlichkeitsgrad für das Vorliegen "ernstlicher Zweifel" als Prüfungsmaßstab konkret anzuwenden ist. § 4a Abs. 3 UmwRG macht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, ob die aufschiebende Wirkung angeordnet oder wiederhergestellt wird, von einer Gesamtabwägung abhängig; die erheblichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind lediglich Bestandteil dieser notwendigen Gesamtabwägung. Dabei kommt es nicht auf einen bestimmten, für alle Fälle gleichen Wahrscheinlichkeitsgrad der rechtlichen Bedenken an. Vielmehr kann hier auch ein schwächerer Grad der rechtlichen Bedenken etwa ergänzt oder verstärkt werden durch den Umstand, dass besonders gravierende, möglicherweise nicht reversible Folgen drohen, wenn das Vorhaben vor Unanfechtbarkeit der Genehmigung verwirklicht wird. Insoweit gilt, dass der Sofortvollzug umso eher auszusetzen ist, je berechtigter und gewichtiger die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung sind. Ist ein voraussichtlicher Erfolg in der Hauptsache offensichtlich, wird sich ein privates oder öffentliches Vollzugsinteresse nur ausnahmsweise durchsetzen können. Ausgehend von diesen Grundsätzen kommt eine Aussetzung des Sofortvollzuges nicht stets erst dann in Betracht, wenn das Verwaltungsgericht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgeht, dass die Klage in der Hauptsache begründet ist. Vielmehr können im Rahmen einer Gesamtabwägung begründete Zweifel ausreichen, die die Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung in Frage stellen. Insbesondere bei komplexen und komplizierten Verfahren können sich offene Erfolgsaussichten auch ohne detaillierte Prüfungen ergeben.
16Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 8 B 356/14 -, DVBl. 2014, 1415 = juris Rn. 62 ff; vgl. weiterhin BVerwG, Beschlüsse vom 15. April 2013 ‑ 9 VR 1/13 -, juris Rn. 2, und vom 13. Juni 2013 ‑ 9 VR 3/13 -, NVwZ 2013, 101 = juris Rn. 4; Seibert, NVwZ 2013, 1040, 1046 ff.
17Auf dieser Grundlage fällt die Gesamtabwägung nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand zu Lasten des Antragsgegners aus. Bei summarischer Prüfung ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Erfolg der Antragstellerin der Hauptsache zu erwarten. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheide des Antragsgegners vom 20. Juni 2014 in der Fassung der Änderungs-/Ergänzungsbescheide vom 4. November 2014. Dies überwiegende Interessen des Antragsgegners oder der Beigeladenen an der weiteren sofortigen Vollziehung der Bescheide sind nicht zu erkennen.
18Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG unter anderem verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt und nicht nachgeholt worden ist. Dies gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG auch dann, wenn eine durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht dem Maßstab von § 3a Satz 4 UVPG genügt. Die Voraussetzungen dieser Regelung, die nach § 4 Abs. 3 UmwRG auch für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 VwGO - und damit für die Antragstellerin - gilt, liegen hier vor.
19Das Vorhaben unterliegt dem Erfordernis einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls (dazu 1.) Der Antragsgegner, der vor Erteilung der Genehmigung nur eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c Satz 2 UVPG durchgeführt hat, hat im Laufe des Beschwerdeverfahrens die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls zwar nachgeholt. Dieser Umstand ist - ebenso wie der diesbezügliche Vortrag der Antragstellerin - im Beschwerdeverfahren auch berücksichtigungsfähig. Die aufgrund der Vorprüfung gewonnene Einschätzung des Antragsgegners, es bedürfe keiner Umweltverträglichkeitsprüfung, ist jedoch nicht nachvollziehbar, vgl. § 3a Satz 4 UVPG (dazu 2.). Die Möglichkeit, die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls im Hauptsacheverfahren erneut nachzuholen, rechtfertigt nicht die Annahme offener Erfolgsaussichten (dazu 3.).
201. Das Erfordernis einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls folgt aus § 3c Satz 1 i.V.m. Anlage 1 Nr. 1.6.2 UVPG. Danach bedürfen die Errichtung und der Betrieb einer Windfarm mit Anlagen in einer Gesamthöhe von jeweils mehr als 50 m mit sechs bis weniger als 20 Windkraftanlagen einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls.
21Das streitgegenständliche Vorhaben betrifft zwar selbst nur drei Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m. Nach § 3c Satz 5 i.V.m. § 3b Abs. 3 Satz 1 UVPG besteht die Verpflichtung zur Durchführung einer allgemeinen Vorprüfung jedoch auch, wenn durch die Änderung oder Erweiterung eines bestehenden Vorhabens die Prüfwerte für Größe oder Leistung erstmals oder erneut überschritten werden. So liegt der Fall hier. Der Größenwert der Nr. 1.6.2 der Anlage 1 zum UVPG wird mit dem Vorhaben der Beigeladenen erstmals erreicht. Die bestehenden Windkraftanlagen, welche in dem schalltechnischen Gutachten der D. F. GmbH vom 20. Februar 2014 als Anlagen „B-04“, „B-05“ und „B-06“ bezeichnet werden, bilden zusammen mit den verfahrensgegenständlichen Anlagen eine Windfarm (dazu a.). Die Windkraftanlagen „B-01“, „B-02“ und „B-03“ bleiben in diesem Zusammenhang allerdings außer Betracht (dazu b.).
22a. Die drei in dem schalltechnischen Gutachten der D. F. GmbH vom 20. Februar 2014 als Anlagen „B-04“, „B-05“ und „B-06“ bezeichneten Windkraftanlagen bilden mit den verfahrensgegenständlichen drei Anlagen eine Windfarm i.S.d. Nr. 1.6 der Anlage 1 zum UVPG. Dabei handelt es sich im Einzelnen um folgende Windkraftanlagen: „B-04“ Typ REpower MD 77 am Standort Gemarkung C. mit einer Nabenhöhe von 96,5 m, einem Rotordurchmesser von 77 m und einer Nennleistung von 1.500 kW, Baugenehmigung erteilt am 13. Oktober 2003; „B-05“ Typ Furländer MD 77 am Standort Gemarkung I. mit einer Nabenhöhe von 96,5 m, einem Rotordurchmesser von 77 m und einer Nennleistung von 1.500 kW, Baugenehmigung erteilt am 2. Juli 2003; „B-06“ Typ REpower MM 92 am Standort Gemarkung C. mit einer Nabenhöhe von 100,0 m, einem Rotordurchmesser von 92,5 m und einer Nennleistung von 2.050 kW, immissionsschutzrechtliche Genehmigung erteilt am 23. Juni 2009. Ob eine Windfarm im Einzelfall anzunehmen ist, richtet sich nach dem räumlichen Zusammenhang der Einwirkungsbereiche (dazu aa.). Ein solcher räumlicher Zusammenhang ist hier schon aufgrund der geringen Abstände und der sich überdeckenden Schallemissionen gegeben (dazu bb.). Auch in Bezug auf das UVP-Schutzgut „Tiere“ überschneiden sich die Einwirkungsbereiche (dazu cc.).
23aa. Eine Windfarm im Sinne der Nr. 1.6 der Anlage 1 zum UVPG ist dadurch gekennzeichnet, dass sie aus mindestens drei Windkraftanlagen besteht, die ‑ unabhängig von der Zahl der Betreiber - einander räumlich so zugeordnet sind, dass sich ihre Einwirkungsbereiche überschneiden oder wenigstens berühren. Entscheidend für das Vorhandensein einer Windfarm ist der räumliche Zusammenhang der einzelnen Anlagen. Sind die Anlagen so weit voneinander entfernt, dass sich die maßgeblichen Auswirkungen nicht summieren, so behält jede für sich den Charakter einer Einzelanlage. Verbindliche gesetzliche Bewertungsvorgaben etwa in der Form standardisierter Maßstäbe oder Rechenverfahren hinsichtlich der räumlichen Zuordnung von Windkraftanlagen, die eine Windfarm bilden, bestehen nicht. Welche Bewertungskriterien heranzuziehen sind, hängt vielmehr von den tatsächlichen Gegebenheiten im Einzelfall ab, deren Feststellung und Würdigung dem Tatrichter obliegt. Aufgrund besonderer tatsächlicher Umstände kann daher eine von typisierenden Bewertungsvorgaben - wie etwa dem Abstellen auf eine Entfernung von weniger als dem 10-fachen des Rotordurchmessers, auf die Anlagenhöhe oder auf den geometrischen Schwerpunkt der von den Anlagen umrissenen Fläche - losgelöste Einzelfallbeurteilung anhand der konkreten Auswirkungen auf die Schutzgüter des UVP- und Immissionsschutzrechts angebracht sein.
24Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2004 - 4 C 9.03 -, BVerwGE 121, 182 = juris Rn. 33, sowie Beschluss vom 8. Mai 2007 - 4 B 11.07 -, BRS 71 Nr. 101 = juris Rn. 7; OVG NRW, Urteil vom 13. März 2006 ‑ 7 A 3415/04 -, juris Rn. 41 ff., Beschluss vom 23. Juli 2014 - 8 B 356/14 -, DVBl. 2014, 1415 = juris Rn. 12; Bay. VGH, Urteil vom 12. Januar 2007 - 1 B 05.3387 u. a. -, NVwZ 2007, 1213 = juris Rn. 23.
25bb. Ein solcher Zusammenhang ist zwischen den Windkraftanlagen „B-04“, „B-05“ und „B-06“ isoliert betrachtet schon aufgrund der geringen Abstände der Anlagen gegeben. Der Abstand zu den jeweils benachbarten Anlagen beträgt insoweit maximal (zwischen den Anlagen „B-04“ und „B-05“) ca. 590 m und damit nur das 7,66-fache des Rotordurchmessers beider Anlagen. Zwischen den Anlagen „B-05“ und „B-06“ beträgt der Abstand nur ca. 250 m. Auch hinsichtlich der nunmehr genehmigten Anlagen „WEA 01“ bis „WEA 03“ ist eine Überschneidung der Einwirkbereiche der Windkraftanlagen anzunehmen. Insoweit hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass die dem schalltechnischen Gutachten als „WEA 03“ bezeichnete Windkraftanlage gleichsam das Bindeglied zwischen den bisher bestehenden Anlagen „B-04“ bis „B-06“ und den neu zu errichtenden Anlagen darstellt. Die Anlage „WEA 03“ liegt von der Bestandsanlage „B-04“ nur ca. 890 m entfernt. Die Abstände der Anlage „WEA 03“ zu den Anlagen „WEA 01“ und „WEA 02“ betragen ca. 600 m bzw. ca. 1.100 m und damit weniger als das Zehnfache des Rotordurchmessers der drei Anlagen (jeweils 122 m).
26Weiterhin ist dem vorgelegten schalltechnischen Gutachten vom 20. Februar 2014 für die drei nunmehr beantragten und genehmigten Windkraftanlagen zu entnehmen, dass sich die auf das UVP-Schutzgut der menschlichen Gesundheit (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UVPG) einwirkenden Schallemissionen der bereits vorhandenen Anlagen summieren und gegenüber in der Nachbarschaft liegenden Immissionspunkten, insbesondere der östlich der drei verfahrensgegenständlichen Anlagen gelegenen Ortschaft I. nebst dort anzutreffender Außenbereichsbebauung, gemeinsam wirken.
27cc. Die Windkraftanlagen sind einander so zugeordnet, dass sich ihre Einwirkungsbereiche auch bezogen auf das UVP-Schutzgut „Tiere“ aus § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UVPG überschneiden. Betroffen sind hier die Vogelarten Wespenbussard und Rotmilan. Der in der Artenschutzprüfung des Ingenieurbüros für Umweltplanung T. und S. vom 10. Dezember 2012 aufgeführte Brutplatz des Wespenbussards liegt im Einwirkungsbereich mehrerer der vorgenannten Windkraftanlagen. Der Einwirkungsbereich bezogen auf den Rotmilan umfasst sogar alle sechs Windkraftanlagen.
28Der Einwirkungsbereich einer Windkraftanlage bestimmt sich insoweit anhand der artspezifischen Empfindlichkeit oder Gefährdung der im Einzelfall konkret betroffenen Arten gegenüber der Errichtung und/oder dem Betrieb von Windkraftanlagen. Neben optischen und akustischen Beeinträchtigungen sind auch andere Nachteile wie etwa ein artbedingtes Kollisionsrisiko oder Meideverhalten, Auswirkungen auf Fortpflanzungs- oder Ruhestätten sowie auf die Nahrungssituation oder eine besondere Empfindlichkeit der jeweiligen Art gegenüber betriebsbedingten Veränderungen der physikalischen Umgebung in den Blick zu nehmen. Die in erster Linie auf optische und akustische Beeinträchtigungen zugeschnittene typisierende Betrachtung anhand des am Rotordurchmesser orientierten Abstands der Anlagen ist allein nicht hinreichend aussagekräftig; auch hinsichtlich der anderen artspezifischen Beeinträchtigungen muss ermittelt werden, bis zu welchem Abstand sie zu erwarten sind. Dabei darf die Prüfung, ob ein Vorhaben überhaupt einer der Nummern der Anlage 1 zum UVPG zuzuordnen ist, weder die Umweltverträglichkeitsprüfung noch die Vorprüfung des Einzelfalls vorwegnehmen; der Prüfungsmaßstab muss vielmehr weiter sein als bei den nachgelagerten Umweltprüfungen. Gegenstand der Vorprüfung des Einzelfalls ist nach § 3c Satz 1 UVPG die überschlägige Prüfung, ob das Vorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann. Insoweit genügt die konkrete Möglichkeit des Eintritts. Kommt es - wie hier bei der Windfarm - für die Frage der UVP-Pflichtigkeit eines Vorhabens auf dessen nachteilige Auswirkungen an, reicht danach für die Bestimmung der Einwirkbereiche die abstrakte ("generelle") Möglichkeit des Eintritts derartiger Auswirkungen aus.
29Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 8 B 356/14 -, DVBl. 2014, 1415 = juris Rn. 71 f.
30Für die Entscheidung, in welchem räumlichen Umkreis um oder in welchem Abstand zu einer Windkraftanlage abstrakt mit artspezifischen Nachteilen zu rechnen sein kann, bieten entsprechende natur- und artenschutzfachliche Erkenntnisse sachgerechte Anhalte. In Betracht kommen etwa die Abstandsempfehlungen für Windkraftanlagen zu bedeutsamen Vogellebensräumen sowie Brutplätzen ausgewählter Vogelarten der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG-VSW). Die LAG-VSW hat in Ermangelung bundesweit einheitlicher Empfehlungen die aus artenschutzfachlicher Sicht notwendigen Abstandsregelungen für Windkraftanlagen zu avifaunistisch bedeutsamen Gebieten sowie zu Brutplätzen besonders störempfindlicher oder durch Windkraftanlagen besonders gefährdeter Vogelarten definiert. Die Empfehlungen sollen nach der Intention der LAG-VSW unter anderem auch zu sachgerechten Entscheidungen im immissionsrechtlichen Verfahren beitragen. Sie verstehen sich als Mindestforderungen, die abweichende - größere Abstände regelnde - Festlegungen in einzelnen Ländern gegebenenfalls ergänzen und eine erforderliche Einzelfallprüfung nicht ersetzen. Die Empfehlungen unterscheiden zwischen Ausschlussbereichen (= Mindestabstand zwischen dem Brutplatz bzw. Revierzentrum einer bestimmten Art und geplanter Windkraftanlage) und sogenannten Prüfbereichen. Die Prüfbereiche sind Radien um jede einzelne Windkraftanlage, innerhalb derer zu prüfen ist, ob Nahrungshabitate der betreffenden Art vorhanden sind.
31Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 8 B 356/14 -, DVBl. 2014, 1415 = juris Rn. 73.
32Die LAG-VSW empfiehlt für den in der Umgebung der Windkraftanlagen brütenden Wespenbussard einen Mindestabstand zwischen Brutplatz und Windkraftanlage im Sinne eines Ausschlussbereichs von 1.000 m. Eine Empfehlung für einen Prüfbereich besteht nicht. Für den Rotmilan wird der Mindestabstand mit 1.500 m, der Prüfbereich mit 4.000 m angegeben.
33Ergänzend herangezogen werden kann der Leitfaden „Umsetzung des Arten- und Habitatschutz bei der Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen“ der Fachministerien des Landes Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 12. Dezember 2013. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass diese Empfehlungen erst für die - der Umweltverträglichkeitsprüfung nachgehende - Planungsebene der artschutzrechtlichen Prüfung gelten sollen und deshalb nur bedingt auch als Maßstab für die UVP-Pflichtigkeit eines Vorhabens dienen können. Der Leitfaden 2013 orientiert sich in Anhang 2 (Empfehlungen für die Untersuchungsgebiets-Abgrenzung für WEA-empfindliche Vogelarten in Nordrhein-Westfalen) an den Empfehlungen der LAG-VSW. Er stellt zum einen Empfehlungen für den Radius des Untersuchungsgebietes um die geplante Windkraftanlage für eine vertiefende Prüfung (Artenschutzprüfung, Stufe II) sowie für ein erweitertes Untersuchungsgebiet dar. Letzteres werde nur relevant bei Vorliegen ernst zu nehmender Hinweise auf regelmäßig genutzte, essentielle Nahrungshabitate oder Flugkorridore.
34Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 8 B 356/14 -, DVBl. 2014, 1415 = juris Rn. 74.
35Der Radius des erweiterten Untersuchungsgebiets für die vertiefende Artenschutzprüfung beträgt nach dem Leitfaden für den Rotmilan 6.000 m. Empfehlungen für den Wespenbussard nennt der Leitfaden nicht.
36Innerhalb des genannten Mindestradius von 1.000 m um den Brutplatz des Wespenbussards im südlichen Teil des „T1. I1. “ liegen bei summarischer Prüfung zumindest die Windkraftanlagen „WEA 02“ und „WEA 03“ sowie die Bestandsanlage „B-04“. Eine genauere Prüfung lassen die im Genehmigungsverfahren vorgelegten Unterlagen, namentlich der Artenschutzprüfung des Ingenieurbüros für Umweltplanung T. und S. vom 10. Dezember 2012, nicht zu. Innerhalb eines Prüfbereichs von 4.000 m um die zu untersuchenden Windkraftanlagen liegt im Bereich des „T1. I1. “ jedenfalls das Revier eines Rotmilanpaares sowie weiter westlich ein im Jahr 2010 beobachteter Gemeinschaftsschlafplatz von bis zu 15 Exemplaren.
37b. Bei der Bestimmung des Größenwerts für die Frage der UVP-Pflichtigkeit sind die ebenfalls in diesem Bereich befindlichen Windkraftanlagen „B-01“ bis „B-03“ nicht mit einzubeziehen. Nach § 3c Satz 5 i.V.m. § 3b Abs. 3 Satz 3 UVPG bleibt der in den jeweiligen Anwendungsbereich der Richtlinien 85/337/EWG und 97/11/EG fallende, aber vor Ablauf der jeweiligen Umsetzungsfristen erreichte Bestand hinsichtlich des Erreichens oder Überschreitens der Größen- und Leistungswerte unberücksichtigt. Als erreichter Bestand gelten jedenfalls solche Anlagen, die in dem maßgeblichen Zeitpunkt schon genehmigt gewesen sind.
38Vgl. Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: November 2014, § 3b UVPG Rn. 50; Dienes, in: Hoppe/Beckmann, UVPG, 4. Auflage 2012, § 3b Rn. 42, 25 (die jeweils einen „verfahrensrechtlich verfestigten Status“ genügen lassen).
39Die Windkraftanlagen „B-01“ bis „B-03“ sind in den Jahren 1993 und 1994 bauaufsichtlich genehmigt worden. Von der Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung sind Windkraftanlagen erstmals durch Art. 1 Nr. 6 i.V.m. Anlage II, Nr. 3 Buchst. i) der Änderungsrichtlinie 97/11/EG erfasst worden. Die Umsetzungsfrist dieser Richtlinie lief nach ihrem Art. 3 Abs. 1 UnterAbs. 1 Satz 1 am 14. März 1999 ab.
402. Es kann offen bleiben, ob die erst im Beschwerdeverfahren nachgeholte allgemeine Vorprüfung, auf die sich der Beschwerdegegner und die Beigeladene zu ihren Gunsten berufen, als nachträgliche Änderung der Sach- oder/und Rechtslage im Beschwerdeverfahren berücksichtigungsfähig ist. Denn auch bei Berücksichtigung der nachgeholten allgemeinen Vorprüfung ergibt sich keine für den Beschwerdegegner und die Beigeladene günstigere Rechtslage. Die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls genügt nicht dem Maßstab des § 3a Satz 4 UVPG i.V.m. § 4a Abs. 2 UmwRG.
41Das Ergebnis der Vorprüfung, wie es sich aufgrund der vom Antragsgegner gegebenen, maßgeblichen Begründung des Prüfergebnisses,
42vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2011 - 9 A 31.10 -, BVerwGE 141, 282 = juris Rn. 29; OVG NRW, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 8 B 356/14 -, DVBl. 2014, 1415 = juris Rn. 66; OVG Lüneburg, Beschluss vom 29. August 2013 - 4 ME 76/13 -, ZUR 2013, 683 = juris Rn. 31,
43in der Dokumentation vom 19. März 2015 und 1. April 2015 darstellt, ist nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nicht nachvollziehbar. Der Sachverhalt dürfte bei summarischer Prüfung nicht vollständig und zutreffend erfasst worden sein, vgl. § 4a Abs. 2 Nr. 1 UmwRG. Die zutreffende Erfassung des Sachverhalts setzt u.a. voraus, dass die geographische Ausdehnung des Gebietes, in dem die Auswirkung des Vorhabens bezogen auf ein UVP-Schutzgut zu betrachten sind, korrekt bestimmt worden ist.
44Vgl. Bunge, UmwRG, § 4a Rn. 42.
45Hieran fehlt es. Gegenstand der allgemeinen Vorprüfung sind vorliegend nicht nur die Umweltauswirkungen des streitgegenständlichen Erweiterungsvorhabens, sondern die Umweltauswirkungen sowohl des Erweiterungsvorhabens als auch der Bestandsanlagen (dazu a.). Die nachgeholte allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls wird diesem umfassenden Prüfungsgegenstand nicht gerecht (dazu b.).
46a. Prüfungsgegenstand der allgemeinen Vorprüfung nach § 3c Satz 1 UVPG ist bei erstmaligem Erreichen und weiterem Überschreiten der Prüfwerte der Anlage 1 zum UVPG das geänderte oder erweiterte Vorhaben.
47Vgl. Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: November 2014, § 3c UVPG Rn. 41.
48Den - in der vorliegenden Fallkonstellation des „Hineinwachsens in Prüfwerte“ maßgeblichen - Vorschriften der § 3c Satz 1 und Satz 5 i.V.m. § 3b Abs. 3 UVPG ist eine Begrenzung der Vorprüfung auf das Erweiterungsvorhaben nicht zu entnehmen. Dieser umfassende Prüfungsgegenstand entspricht vielmehr dem Prüfungsgegenstand des § 3b Abs. 3 Satz 1 UVPG. Auch im Fall des „Hineinwachsens in die UVP-Pflicht“ sind danach bei der Umweltverträglichkeitsprüfung die Umweltauswirkungen des bestehenden Vorhabens zu berücksichtigen. Dasselbe gilt auch für die nachträgliche Kumulation im Sinne des § 3b Abs. 3 Satz 2 UVPG und die kumulierenden Vorhaben im Sinne des § 3b Abs. 2 UVPG. Ein Unterschied besteht hier (nur) insoweit, als im Fall der Kumulation nach § 3b Abs. 2 UVPG alle zusammenhängenden Vorhaben der UVP-Pflicht unterliegen, während in den Fällen des § 3b Abs. 3 Sätze 1 und 2 UVPG nur das Änderungs- oder Erweiterungsvorhaben bzw. das Neuvorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf. Am Prüfungsumfang ändert dies jedoch nichts.
49Vgl. Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: November 2014, § 3b UVPG Rn. 20 und 54 f.
50Etwas anderes gilt allerdings für die in § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG geregelte allgemeine Vorprüfung. Schon nach dem Wortlaut der Vorschrift ist bei einer für die Zulassung einer Änderung oder Erweiterung eines als solchen bereits UVP-pflichtigen Vorhabens durchzuführenden Vorprüfung des Einzelfalls regelmäßig nur relevant, welche nachteiligen Umweltauswirkungen mit der Änderung oder Erweiterung verbunden sind. Nach dem Halbsatz 1 dieser Bestimmung ist die Vorprüfung des Einzelfalls im Sinne von § 3c Satz 1 und 3 UVPG (nur) auf die Feststellung ausgerichtet, ob (gerade) die Änderung oder Erweiterung eines Vorhabens, für das als solches bereits eine UVP- Pflicht besteht, erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann. Damit wird deutlich, dass bei der Zulassung einer Änderung oder Erweiterung hinsichtlich der Frage zu erwartender nachteiliger Umwelteinwirkungen grundsätzlich nicht die gesamte Anlage erneut in den Blick zu nehmen ist. Vielmehr ist vom Ansatz her allein darauf abzustellen, welche Folgewirkungen gerade durch die Zulassung der Änderung oder Erweiterung des Anlage eintreten.
51Vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. Dezember 2008 - 8 D 19/07 -, NuR 2009, 204 = juris Rn. 93 ff.
52§ 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG setzt jedoch im Regelfall voraus, dass für das bestehende Grundvorhaben im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung schon eine umfassende Prüfung zu erwartender Umweltauswirkungen durchgeführt worden ist. Eine vergleichbare Situation ist weder in den Fällen des § 3b Abs. 2 oder 3 UVPG noch denen des § 3c Satz 5 UVPG - hier jedenfalls im Fall des erstmaligen Überscheitens der Prüfwerte - gegeben. Wurde für frühere Änderungen oder Erweiterungen des UVP-pflichtigen Vorhabens noch keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt, sieht schließlich auch § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG in Halbsatz 2 vor, dass sie in die Vorprüfung mit einzubeziehen sind.
53Das Erfordernis einer umfassenden, sich auf alle Vorhaben bzw. deren Teile erstreckende Betrachtungsweise soll verhindern, dass die UVP- bzw. Vorprüfungspflicht durch Aufspaltung größerer Vorhaben in kleinere Einheiten umgangen wird.
54Vgl. Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: November 2014, § 3c UVPG Rn. 40 unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 21. September 1999, C-392/96, juris Rn. 76.
55b. Die danach erforderliche Gesamtbetrachtung nimmt die nachgeholte allgemeine Vorprüfung nicht vor. Ausweislich der Dokumentation vom 19. März bzw. 1. April 2015 bezieht sich die allgemeine Vorprüfung auf die drei genehmigten Windkraftanlagen sowie auf alle im Windpark C1. vorhandenen sechs Windkraftanlagen. Insgesamt seien damit neun Windkraftanlagen als Windfarm betrachtet worden. Im Rahmen der 80. Änderung des Flächennutzungsplans und der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 109 der Stadt X. sei jeweils ein Umweltbericht erstellt worden, der diese in ihren Auswirkungen umfassend berücksichtige. Zu den Beeinträchtigungen des UVP-Schutzguts „Tiere“ führt die Dokumentation vom 19. März 2015 aus:
56„Für planungsrelevante Tierarten können von Vornherein keine erheblichen Beeinträchtigungen / Störungen erkannt werden […]. Die hierzu erbrachten Gutachten (vollständige Artenschutzprüfung, Brutvogelbericht, Art-für-Art-Betrachtung, FFH-VP, Erfassung und Bewertung des Fledermausbestandes) wurden separat erstellt und als Teil des Umweltberichtes definiert. Entsprechend deren Ergebnissen werden kein[e] Fortpflanzungs- und Ruhestätten durch das Vorhaben zerstört oder beschädigt.
57Ebenfalls ist eine erhebliche Störung von Vögeln oder Fledermäusen aufgrund des kleinräumigen bis nicht vorhandenen Meideverhaltens nicht zu besorgen.“
58Das Gutachten „Artenschutzprüfung (ASP) im Bereich des geplanten Windparks ‚X1. ‘, Stadtteil I. der Stadt X. “ des Ingenieurbüros für Umweltplanung T. und S. vom 10. Dezember 2012 beschreibt das Untersuchungsgebiet als 2 km- bzw. 500 m-Umfeld um die nunmehr genehmigten Windkraftanlagenstandorte in der Windkraftkonzentrationszone. Die sechs bestehenden Windkraftanlagen sind in der Kartendarstellung des Untersuchungsgebietes vermerkt. Hält man im Rahmen der allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls eine Untersuchung in Bezug auf Brutvögel im Umkreis von 2.000 m um die jeweiligen Anlagenstandorte für angezeigt, was der Senat - dem vorgelegten Gutachten folgend - jedenfalls für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zugrunde legt, so erfasst die in Bezug genommene Artenschutzprüfung vom 10. Dezember 2012 zwar die Standorte aller sechs vorhandenen Windkraftanlagen. Der Umkreis von 2.000 m um diese Bestandsanlagen wird jedoch durch das angegebene Untersuchungsgebiet nur insoweit erfasst, als es sich mit dem Untersuchungsgebiet um die drei nunmehr genehmigten Windkraftanlagen überschneidet. Im Übrigen bleibt der 2.000 m-Umkreis um die Bestandsanlagen unberücksichtigt. Dies gilt erst recht für die 500 m-Umkreise für die Untersuchung von Fledermäusen. Insoweit dürfte allein die Bestandsanlage „B-04“ im 500 m-Umkreis um die nunmehr genehmigte Windkraftanlage „WEA 03“ liegen. Im Übrigen bleiben auch diese Untersuchungsgebiete um den Anlagenbestand unberücksichtigt.
59Gleiches gilt für den Bericht „Erfassung planungsrelevanter Brutvogelarten im Umfeld des geplanten Windparks ‚X1. ‘, Stadtteil I. der Stadt X. “ des Ingenieurbüros für Umweltplanung T. und S. vom 1. November 2011. Auch dieser beschreibt das Untersuchungsgebiet als das 2 km-Umfeld des geplanten Windparks. Im Weiteren berücksichtigt der Bericht den bestehenden Windpark am Brünningser Berg ausweislich des Kontextes lediglich als Vorbelastung für die drei zu untersuchenden Anlagen. Eine eigenständige Untersuchung des 2.000 m-Umkreises um die bestehenden Windkraftanlagen erfolgt nicht.
60Die FFH-Vorprüfung des „Ingenieurbüros für Umweltplanung T. und S. vom 10. Dezember 2012“ für die Errichtung und den Betrieb von Windkraftanlagen in X. -I. westlich von X1. gibt als Anlass für die Erstellung die Errichtung der drei Windkraftanlagen an. Hinsichtlich der räumlichen Situation führt sie die bestehenden Windkraftanlagen ca. 800 bis 900 m südlich der auszuweisenden Vorrangzone an. In der Folge wird die Lage der Windvorrangzone zu verschiedenen Natura 2000-Gebieten sowie zu dem Vogelschutzgebiet DE 4415-401 „Hellwegbörde“ und die Auswirkungen dieses Projektes auf diese beschrieben. Von den bestehenden Windkraftanlagen, so das Gutachten unter der Überschrift „Relevanz anderer Pläne und Projekte“, sei auch zusammen mit den drei zu errichtenden Anlagen aufgrund der Abstände eine Verriegelungs- und Barrierewirkung nicht zu erwarten. Die FFH-Vorprüfung erschöpft sich damit - mit Ausnahme der Betrachtung der Verriegelungs- und Barrierewirkung - in der Ermittlung der Wirkungen der in der Windvorrangzone zu errichtenden Windkraftanlagen. Eine vollumfängliche Vorprüfung der bestehenden Anlagen in Bezug auf die FFH-Gebiete ist nicht erfolgt.
61Schließlich umfasst auch das Gutachten „Erfassung und Bewertung des Fledermausbestandes im Bereich des geplanten Windparks ‚X1. ‘, Stadtteil I. der Stadt X. “ des Ingenieurbüros für Umweltplanung T. und S. vom 20. Januar 2012 lediglich ein Untersuchungsgebiet von 500 m um die nunmehr genehmigten Windkraftanlagen. Eine Betrachtung des Umkreises um die bestehenden Anlagen erfolgt nicht.
62Das in der Dokumentation der allgemeinen Vorprüfung an anderer Stelle in Bezug genommene Gutachten „Vorprüfung des Einzelfalls zu Bau und Betrieb von 3 WEA des Typs REpower 3.0M122 Windpark X1. “ des Büros für Stadt- und Landschaftsplanung Dipl.-Ing. B. Langenberg vom 30. September 2013 führt zwar aus, es werde aufgrund des Vorhandenseins von sechs Windkraftanlagen eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls durchgeführt. Diese beschränkt sich in ihren textlichen Ausführungen aber allein auf die drei nunmehr genehmigten Windkraftanlagen. Dies ergibt sich in Bezug auf die Avifauna/Fledermäuse auch aus der Liste der in Bezug genommenen Gutachten unter den Gliederungspunkten 5.4.1 und 5.4.2. Vier der sechs dort genannten Gutachten entsprechen den oben aufgeführten Gutachten zur FFH-Vorprüfung, zur Erfassung planungsrelevanter Brutvogelarten, zur Artenschutzprüfung und zur Erfassung und Bewertung des Fledermausbestandes. Die beiden Gutachten „Ökologische Voruntersuchung zur Einschätzung der Eignung einer Fläche in X. -I. als Konzentrationsfläche für Windenergieanlagen. (BÜRO T3. , Landschaft, Ökologie, Planung. 2009)“ und „Avifaunistisches Gutachten zur Eignung einer Fläche in X. -I. (Kr. T2. ) als Konzentrationszone für Windkraftanlagen (BÜRO T3. , Landschaft, Ökologie, Planung. 2010)“ beziehen sich schon nach ihrer Bezeichnung ausschließlich auf die bauplanungsrechtlich ausgewiesene Konzentrationszone bzw. das Sondergebiet, in dem die drei nunmehr genehmigten Windkraftanlagen liegen. Sie sind im Übrigen nicht Teil der vorgelegten Verwaltungsvorgänge.
633. Die nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 und 3 UmwRG i.V.m. § 45 Abs. 2 VwVfG NRW,
64vgl. zur Anwendbarkeit der letztgenannten Vorschrift OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2015 - 8 A 959/10 -, ZNER 2015, 177 = juris Rn. 163,
65bestehende Möglichkeit, die allgemeine Vorprüfung im Einzelfall noch bis zum Abschluss der ersten Instanz im Hauptsacheverfahren nachzuholen, führt entgegen der Ansicht des Verwaltungsgericht nicht dazu, dass die Erfolgsaussichten der Klage im Ergebnis als offen zu bezeichnen sind. Es kann schon mangels ausreichender Tatsachengrundlagen nicht hinreichend sicher prognostiziert werden, dass eine erneute allgemeine Vorprüfung zu dem Ergebnis kommt, es bedürfe keiner Umweltverträglichkeitsprüfung.
66Darüber hinaus sind die Vorgaben des Unionsrechts zu berücksichtigen. Zwar ist die Möglichkeit der Nachholung einer UVP-Vorprüfung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 3 UmwRG i.V.m. § 45 Abs. 2 VwVfG NRW mit Unionsrecht grundsätzlich vereinbar. Insbesondere liegt in der Nachholung keine Legalisierung von Projekten, die einer Umweltverträglichkeitsprüfung hätten unterzogen werden müssen. Das gilt jedenfalls, wenn die nachgeholte UVP-Vorprüfung zu dem Ergebnis kommt, dass es einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht bedurfte. Das Unionsrecht steht nationalen Rechtsvorschriften, die unter bestimmten Umständen die Legalisierung unionsrechtswidriger Vorgänge oder Handlungen zulassen, nicht grundsätzlich entgegen.
67Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Februar 2015 - 8 A 959/10 -, ZNER 2015, 177 = juris Rn. 165; vgl. weiterhin BVerwG, Urteil vom 20. August 2008 - 4 C 11.07 -, BVerwGE 131, 352 = juris Rn. 27 ff.; EuGH, Urteil vom 3. Juli 2008 - C-215/06 -, juris Rn. 57.
68Allerdings ist zu berücksichtigen, dass im Anwendungsbereich der Richtlinie ein Vorhaben ohne - ggf. nachgeholte - Durchführung einer UVP bzw. Vorprüfung nach Unionsrecht nicht durchgeführt werden darf. Der Europäische Gerichtshof hat insoweit entschieden, dass Art. 2 Abs. 1 der geänderten Richtlinie 85/337/EWG nur so verstanden werden könne, dass ein Antragsteller, für dessen Vorhaben die Umweltverträglichkeitsprüfung, sofern sie erforderlich ist, nicht zuvor durchgeführt worden ist, die Arbeiten an dem fraglichen Projekt nicht beginnen kann, ohne gegen die Anforderungen der Richtlinie zu verstoßen. Dies gelte auch für Projekte, die unter Anhang II dieser Richtlinie zu fassen und gemäß Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie nur dann einer Verträglichkeitsprüfung zu unterziehen seien, wenn der von dem Mitgliedstaat festgelegte Schwellenwert überschritten und/oder aufgrund einer Einzelfalluntersuchung mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen sei.
69Vgl. EuGH, Urteil vom 3. Juli 2008 - C-215/06 -, juris Rn. 51 ff.
70Nichts anderes gilt für den nunmehr anwendbaren Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anlage II der Richtlinie 2011/92/EU.
71Aufgrund des unionsrechtlichen Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, die rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht zu beheben. Es ist daher Aufgabe der zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle erforderlichen allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu treffen, damit die Projekte im Hinblick darauf überprüft werden, ob bei ihnen erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt zu besorgen sind, und damit sie bejahendenfalls auf diese Auswirkungen hin untersucht werden. In diesem Zusammenhang ist es Sache der nationalen Gerichte festzustellen, ob nach nationalem Recht die Möglichkeit besteht, eine bereits erteilte Genehmigung zurückzunehmen oder jedenfalls auszusetzen, um dieses Projekt einer Prüfung gemäß den Anforderungen der UVP-Richtlinie zu unterziehen.
72Vgl. EuGH, Urteil vom 7. Januar 2004 - C-201/02 -, juris Rn. 65 ff.
73Ist wie im vorliegenden Fall die erforderliche Vorprüfung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden und können somit die zu erwartenden Auswirkungen auf die Schutzgüter nicht hinreichend sicher beurteilt werden, hat das Gericht den Widerspruch dieses Zustands zum Unionsrecht zu berücksichtigen.
74Vgl. insoweit auch OVG S.-A., Beschluss vom 17. September 2008 - 2 M 146/08 -, NVwZ 2009, 340 = juris Rn. 16 f.
75Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kostentragungspflicht der Beigeladenen, die in beiden Rechtszügen eigene Anträge gestellt hat, ergibt sich aus § 154 Abs. 3 VwGO.
76Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Senat orientiert sich dabei an den Ziffern 19.2 und 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Der danach im Hauptsacheverfahren je Windkraftanlage festzusetzende Streitwert von 15.000,- € ist im Hinblick auf die Vorläufigkeit der erstrebten Regelung in Anlehnung an Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs auf die Hälfte zu reduzieren. Soweit das Verwaltungsgericht lediglich einen Streitwert von 7.500,- € festgesetzt hat, war dieser Streitwertbeschluss nach § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG von Amts wegen zu ändern.
77Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 und 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde
- 1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen, - 2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.
(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.
(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 30. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladenen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,- Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Antragstellerin betreibt einen Schweinehaltungsbetrieb in W. , dessen (baurechtlich) genehmigter Bestand u. a. 230 Sauen und 990 zugehörige Ferkelaufzuchtplätze umfasst. Mit Bescheid vom 9. Januar 2014 erteilte der Antragsgegner der Antragstellerin die immissionsschutzrechtliche Genehmigung u. a. zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zur Aufzucht und zum Halten von 2.200 Mastschweinen und eines neuen Güllehochbehälters mit 2.500 m³ Lagervolumen auf dem Grundstück Gemarkung E. , Flur , Flurstück .
4Auf der westlich unmittelbar angrenzenden Hofstelle betreiben die Beigeladenen Schweinehaltung mit 650 Mastschweinen, 68 Sauen und 200 Aufzuchtferkeln. Das zugehörige Betriebsleiterwohnhaus bewohnen sie selbst. Ein im Osten bzw. Südosten an den Betrieb der Antragstellerin angrenzendes, vermietetes Mehrparteienwohnhaus gehört ebenfalls den Beigeladenen; dabei handelt es sich wohl um das Doppelhaus O.
5In dem nach § 10 BImSchG durchgeführten Genehmigungsverfahren wandte sich der Beigeladene zu 2. gegen das Vorhaben mit der nicht näher spezifizierten Begründung, er befürchte „dadurch“ einen erheblichen Mietzinsverlust bei seinen sieben Mietwohnungen.
6Die Beigeladenen erhoben gegen die Genehmigung fristgerecht Klage (VG Düsseldorf 3 K 463/14). Nachdem der Antragsgegner die von ihm angeordnete sofortige Vollziehung des Genehmigungsbescheids während eines laufenden Eilrechtsschutzverfahrens (VG Düsseldorf 3 L 151/14) auf Weisung der Bezirksregierung Düsseldorf wieder aufgehoben hatte, ordnete das Verwaltungsgericht Düsseldorf auf Antrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 19. März 2015 (3 L 667/15) die sofortige Vollziehung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 9. Januar 2014 an. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Beigeladenen wies der Senat mit Beschluss vom 30. Juli 2015 - 8 B 430/15 - zurück. Die gerichtlichen Eilentscheidungen waren maßgeblich darauf gestützt, dass die Beigeladenen mit ihren Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der im Hauptsacheverfahren angefochtenen Genehmigung nach § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG ausgeschlossen seien.
7Am 29. Oktober 2015 haben die Beigeladenen einen Abänderungsantrag nach §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 7 VwGO gestellt. Zur Begründung haben sie geltend gemacht, dass die Präklusionsregelung des § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG nach Maßgabe der Entscheidung des EuGH vom 15. Oktober 2015 (Kommission/Deutschland, Rs. C-137/14) unionsrechtswidrig und daher nicht anzuwenden sei. Im Übrigen haben sie auf ihre in den vorangegangenen Eilrechtsschutzverfahren und dem anhängigen Klageverfahren geltend gemachten Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung Bezug genommen.
8Mit Beschluss vom 30. Oktober 2015 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der EuGH habe seine Entscheidung nur zu § 2 Abs. 3 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) und § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG getroffen und im Übrigen den Vorbehalt gemacht, dass eine Zurückweisung missbräuchlich erhobener Einwendungen weiterhin möglich sei. Es sei offen, ob danach im vorliegenden Fall weiterhin von einer Präklusion auszugehen sei. Damit verbleibe es bei der bisher getroffenen Interessenabwägung zu Lasten der Beigeladenen.
9Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beigeladenen.
10Die Stallanlage ist inzwischen errichtet und in Betrieb genommen worden.
11II.
12Die Beschwerde mit dem Antrag,
13unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 30. Oktober 2015 - 3 L 3570/15 - den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 19. März 2015 - 3 L 667/15 - abzuändern und den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der sofortigen Vollziehung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung des Antragsgegners vom 9. Januar 2014 zurückzuweisen,
14hat keinen Erfolg.
15Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat nach Maßgabe des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zwar durchgreifend in Frage. Der angegriffene Beschluss stellt sich jedoch im Ergebnis als richtig dar, was der Senat insoweit von Amts wegen zu prüfen hat.
16Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. März 2002 - 7 B 315/02 -, NVwZ 2002, 1390 = juris Rn. 5; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14. März 2013 - 8 S 2504/12 ‑, DVBl. 2013, 795 = juris Rn. 11; Bay. VGH, Beschluss vom 21. Mai 2003 - 1 CS 03.60 -, NVwZ 2004, 251 = juris Rn. 16.
17Der Abänderungsantrag ist zulässig (dazu 1.), aber unbegründet (dazu 2.).
181. Der Antrag ist gemäß §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zulässig.
19Nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben. Nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Bei der Ausgangsentscheidung handelt es sich zwar im engen Sinne nicht um einen Beschluss über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, weil er nicht einen Antrag auf Aussetzung, sondern auf Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80a Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Nr. 1 VwGO betraf. Da § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO jedoch für alle von § 80a Abs. 3 Satz 1 VwGO erfassten Fallgestaltungen (u. a.) auf § 80 Abs. 7 VwGO verweist, ist ein Abänderungsantrag auch in dieser umgekehrten Konstellation statthaft.
20Vgl. Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), VwGO, § 80 Rn. 556; ebenso bereits zur früheren Rechtslage VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18. Oktober 1988 - 8 S 2797/88 -, NVwZ-RR 1989, 398.
21Die weiteren Voraussetzungen des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO liegen ebenfalls vor.
22a) Bei der bezeichneten Entscheidung des EuGH vom 15. Oktober 2015 handelt es sich um eine Veränderung entscheidungserheblicher Umstände im Sinne des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO. Diese Vorschrift erfasst sowohl Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse als auch der Rechtslage.
23Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14. Februar 2007 - 13 S 2969/06 -, NVwZ-RR 2007, 419 = juris Rn. 3; Puttler, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 4. Aufl. 2014, § 80 Rn. 185.
24Voraussetzung ist lediglich, dass die jeweiligen Umstände entscheidungserheblich sind.
25Vgl. OVG M.-V., Beschluss vom 16. Mai 2011 - 1 M 54/11 -, NVwZ-RR 2011, 959 = juris Rn. 7; Puttler, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 4. Aufl. 2014, § 80 Rn. 185.
26Auch eine nachträgliche Änderung höchstrichterlicher Rechtsprechung oder die Klärung einer umstrittenen Rechtsfrage gehören zu den nach § 80 Abs. 7 VwGO zu berücksichtigenden Umständen, falls sich solche Erkenntnisse auf die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs auswirken.
27Vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 7. Oktober 2004 ‑ 11 ME 289/04 -, NVwZ 2005, 236 = juris Rn. 7.
28Insoweit kommt es vorliegend nicht darauf an, ob die hier geltend gemachte Unionsrechtswidrigkeit des § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG von Anfang an bestand und nur nicht erkannt wurde oder sich erst mit der Entscheidung des EuGH aktualisierte. Jedenfalls ist § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO im Lichte des Effektivitätsgebots (Art. 4 Abs. 3 EUV) so auszulegen, dass die wirksame Durchsetzung des Unionsrechts innerhalb des geltenden prozessrechtlichen Regelungswerks ermöglicht wird. Hiernach darf die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts im Vollzug nicht durch das nationale Verfahrens- bzw. Prozessrecht und dessen Anwendung faktisch vereitelt oder erheblich erschwert werden.
29Ständige Rechtsprechung, z. B. EuGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - C-169/14 - (Morcillo und García), DVBl. 2014, 1457 = juris Rn. 31 m. w. N.
30Dem ist auch bei der Anwendung und Auslegung des Rechtsmittelrechts Rechnung zu tragen, sofern verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz in Anspruch genommen wird, um Rechte durchzusetzen, die das Unionsrecht den Bürgerinnen und Bürgern einräumt.
31Vgl. etwa Frey, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2013, Vor § 124 Rn. 69; Gärditz, in: Rengeling/Middeke/ Gellermann (Hrsg.), Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 3. Aufl. 2014, § 35 Rn. 65.
32Dementsprechend ist ein Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO im Rahmen des insoweit deutungsoffenen Wortlautes auch dann statthaft, wenn dieser gestellt wird, um eine behauptete, auf Grund nachträglicher Rechtsprechung des EuGH erkannte Unionsrechtswidrigkeit der Entscheidungsprämissen im Ausgangsverfahren durch Abänderung zu korrigieren.
33Entsprechendes folgt auch aus dem verfassungsrechtlichen Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten (Art. 19 Abs. 4 GG). Das BVerfG hat hierzu ausgeführt, dass ein Abänderungsantrag in verfassungskonformer Auslegung des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO auch auf eine geänderte Rechtsprechung des EuGH gestützt werden könne, „da die höchstrichterliche Klärung einer umstrittenen Rechtsfrage, die zu einer Veränderung der Umstände im Sinne des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO führen kann, auch durch den Europäischen Gerichtshof möglich ist“.
34Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. August 2004 - 1 BvR 1446/04 -, BVerfGK 4, 36 = juris Rn. 19.
35b) Die in Bezug genommene Entscheidung des EuGH erweist sich vorliegend auch als entscheidungserheblich im Sinne des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO. Sie führt bereits bei summarischer Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Beigeladenen - anders als im vorausgegangenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes angenommen - mit den geltend gemachten Rechtsverletzungen durch Geruchsimmissionen und Bioaerosole, die auch die Antragsbefugnis jedenfalls eröffnen, sowie mit den Einwänden gegen die ordnungsgemäße Durchführung der Umweltverträglichkeitsvorprüfung nicht ausgeschlossen sind.
36Der Gerichtshof hat eine nationale Regelung, wonach zu spät vorgebrachte Einwendungen materiell präkludiert sind, im Anwendungsbereich des Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABlEU L 26/1 (UVP-Richtlinie) bzw. des Art. 25 der Richtlinie 2010/75/EU vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung), ABlEU L 334/17 (IE-Richtlinie) für unvereinbar mit der unionsrechtlichen Verpflichtung erklärt, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht zu gewährleisten, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten.
37Vgl. EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015, ‑ C‑137/14 - (Kommission/Bundesrepublik Deutschland), NJW 2015, 3495 = juris Rn. 77 ff.
38Konkret betraf die Entscheidung die Präklusionsregelungen in § 2 Abs. 3 UmwRG und § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG. Dass sich der EuGH in seiner Entscheidung zu der inhaltsgleichen Regelung des § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG nicht geäußert hat, ist dem Streitgegenstand des Vertragsverletzungsverfahrens geschuldet. Die Kommission hatte lediglich die Regelungen des § 2 Abs. 3 UmwRG und § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG beanstandet (vgl. Rn. 68 des Urteils vom 15. Oktober 2015), Rechtsbehelfe Einzelner gegen Anlagengenehmigungen aber offenbar nicht im Blick gehabt. Der EuGH war an die von der Kommission im Rahmen des Verfahrens nach Art. 258 AEUV erhobenen Beanstandungen gebunden.
39Diese Eingrenzung der von dem EuGH im Urteil vom 15. Oktober 2015 betrachteten Präklusionsnormen entbindet die nationalen Gerichte nicht von der Verpflichtung zu prüfen, ob vergleichbare Vorschriften unionsrechtswidrig sind, und diese gegebenenfalls aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet zu lassen. Diese Verpflichtung hängt nicht davon ab, ob sich der EuGH zu der Vereinbarkeit der konkreten Vorschrift bereits geäußert hat. Hat das Gericht insoweit Zweifel, kann es den Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 2 AEUV um Klärung ersuchen.
40Ständige Rechtsprechung, vgl. etwa EuGH, Urteil vom 19. Januar 2010 - C-555/07 -, Slg. 2010, I-365 = juris Rn. 51 ff.; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 9. Juni 1971 - 2 BvR 225/69 -, BVerfGE 31, 145 = juris Rn. 94.
41Vorliegend steht auch ohne eine erneute Befassung des EuGH außer Zweifel, dass § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG ebenfalls unionsrechtswidrig und unanwendbar ist, soweit es um Vorhaben geht, die in den Anwendungsbereich der IE-Richtlinie bzw. der UVP-Richtlinie fallen.
42Die Regelung des § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG ist wortlautgleich mit § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG. Sie gilt für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung und erfüllt dort dieselbe Funktion wie § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG im Planfeststellungsverfahren. Die Erwägung des Gerichtshofs, dass § 2 Abs. 3 UmwRG und § 73 Abs. 4 VwVfG besondere Bedingungen aufstellen, die die gerichtliche Kontrolle einschränkten und die weder nach Art. 11 UVP-Richtlinie noch nach Art. 25 IE-Richtlinie vorgesehen seien,
43EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015, - C-137/14 - (Kommission/Bundesrepublik Deutschland), NJW 2015, 3495 = juris Rn. 78,
44trifft in gleicher Weise auf § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG zu. Die Einschätzung, dass die Überlegungen des EuGH auf § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG ohne weiteres übertragbar sind, wird daher auch in der Literatur geteilt.
45Vgl. Zeissler/Schmitz, UPR 2016, 1, 4; Sinner, UPR 2016, 9 f.; Otto, NVwZ 2016, 292; Berkemann, DVBl. 2016, 205, 214; Keller/Rövekamp, NVwZ 2015, 1665, 1672; Fellenberg, NVwZ 2015, 1721, 1724; Ludwigs, NJW 2015, 3484, 3487, sowie bereits vor der Entscheidung Bunge, ZUR 2015, 531, 535; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2015 - 7 C 15.13 -, AUR 2016, 50 = juris Rn. 25 f., zu § 115 Abs. 1 Satz 2 LWG Rh.-Pf.
46Hiervon ist bereits bei der im Eilverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung auszugehen. Dies wird nicht durch den Einwand der Antragstellerin in Frage gestellt, die nach der Entscheidung des EuGH erforderliche umfassende materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeitskontrolle beziehe sich erst auf das Hauptsacheverfahren. Denn maßgeblicher Bestandteil der im vorliegenden summarischen Verfahren durchzuführenden Interessenabwägung ist gerade die Frage, ob die angefochtene Genehmigung voraussichtlich im Hauptsacheverfahren Bestand haben wird. Ein von den dort geltenden Maßstäben inhaltlich abweichender Prüfungsansatz verbietet sich deshalb.
47Der mit der vorliegend streitgegenständlichen Genehmigung zugelassene Schweinemastbetrieb fällt nach Art. 10 in Verbindung mit Anhang I Nr. 6.6. lit. b) in den Anwendungsbereich der IE-Richtlinie. Zugleich handelt es sich um eine „Anlage zur Intensivtierhaltung“, auf die die UVP-Richtlinie gemäß Art. 4 Abs. 2 i. V. m. Anhang II Nr. 1 e) dieser Richtlinie, hier umgesetzt durch Nr. 7.7 bis 7.9 und 7.11 der Anlage 1 zum UVPG, Anwendung findet.
48Nach allem ist im vorliegenden Fall derzeit nicht mehr davon auszugehen, dass die Antragsteller mit ihren Einwänden präkludiert sind. Zu keinem anderen Ergebnis führt die Bemerkung des Gerichtshofs, der nationale Gesetzgeber könne spezifische Verfahrensvorschriften vorsehen, nach denen z. B. ein missbräuchliches oder unredliches Vorbringen unzulässig ist.
49Vgl. EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015, a. a. O., Rn. 81.
50Ein derartiger Missbrauch kann nicht schon deshalb angenommen werden, weil die Beigeladenen im Genehmigungsverfahren trotz hinreichender Möglichkeiten keine näher spezifizierten Einwendungen erhoben haben. Darüber hinausgehende Umstände, die die Annahme eines missbräuchlichen oder unredlichen Verhaltens rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar. Ausgehend davon kann dahinstehen, ob ein etwaiges missbräuchliches Vorbringen überhaupt ohne ein vorheriges Tätigwerden des Gesetzgebers unmittelbar auf der Grundlage von § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG unberücksichtigt gelassen werden könnte.
512. Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist auch unter Berücksichtigung der Unanwendbarkeit der Präklusionsregelung aufrecht zu erhalten.
52Der Entscheidungsmaßstab im Abänderungsverfahren entspricht demjenigen im vorangegangenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, hier dem Verfahren auf Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80a Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Einen eigenständigen materiell-rechtlichen Maßstab für die Entscheidung des Gerichts enthält § 80a Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Nr. 1 VwGO nicht. Die Entscheidungskriterien ergeben sich - soweit ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug nicht erkennbar ist - aus § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, 2. Alt. VwGO, auf den § 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO Bezug nimmt. Danach kann in der auch hier vorliegenden Fallkonstellation des begünstigenden Verwaltungsakts mit drittbelastender Wirkung die sofortige Vollziehung angeordnet werden, wenn das Interesse des Begünstigten an der sofortigen Vollziehung das Interesse des Belasteten an der aufschiebenden Wirkung überwiegt. In diesem Rahmen kommt es in erster Linie darauf an, ob der die aufschiebende Wirkung auslösende Rechtsbehelf - hier die Klage der Beigeladenen gegen die der Antragstellerin erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung - bei der angezeigten summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich Erfolg haben wird. Dies ist (nur) dann der Fall, wenn die Genehmigung rechtswidrig ist und die Beigeladenen hierdurch in eigenen, gerade ihrem Schutz dienenden Rechtsnormen verletzt sind oder ihnen kraft spezialgesetzlicher Regelung ein Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung zusteht. Umgekehrt kann ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Begünstigten bejaht werden, wenn der von dem belasteten Beteiligten eingelegte Rechtsbehelf mit erheblicher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird und eine Fortdauer der grundsätzlich aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs dem Begünstigten gegenüber unbillig wäre. Darüber hinausgehende Rechtsverletzungen verschaffen dem anfechtenden Dritten keine im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigende Rechtsposition, weil ihm ein allgemeiner Gesetzesvollziehungsanspruch nicht zukommt.
53Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26. September 2008 - 13 B 1169/08 -, PharmR 2008, 607 = juris Rn. 9 ff., vom 31. März 2009 - 13 B 278/09 -, juris Rn. 7 ff., und vom 24. Mai 2012 - 8 B 225/12 -, juris Rn. 9; Bay. VGH, Beschluss vom 23. August 1991 ‑ 14 CS 91.2254 -, BayVBl. 1991, 723, 724; OVG S.‑H., Beschluss vom 22. Februar 1995, 4 M 113/94 -, juris Rn. 2; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 80a Rn. 29; vgl. weiterhin BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2008 - 1 BvR 2466/08 -, BVerfGK 14, 278 = juris Rn. 21 f.
54Offen bleiben kann, ob § 4a Abs. 3 UmwRG auch auf die hier vorliegende Fallkonstellation eines nicht auf Aussetzung nach § 80 Abs. 5 VwGO, sondern auf Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80a Abs. 3 S. 1, Abs. 1 Nr. 1 VwGO gerichteten Begehrens erweiternd zu erstrecken ist. Ein abweichender Prüfungsmaßstab würde sich daraus im Ergebnis nicht ergeben.
55Vgl. ausführlich zum Prüfungsmaßstab OVG NRW, Beschlüsse vom 23. Juli 2014 - 8 B 356/14 -, DVBl. 2014, 1415 = juris Rn. 62 ff, und vom 24. Juni 2015 ‑ 8 B 315/15 -, juris Rn. 14; vgl. weiterhin BVerwG, Beschlüsse vom 15. April 2013 ‑ 9 VR 1/13 -, juris Rn. 2, und vom 13. Juni 2013 ‑ 9 VR 3/13 -, NVwZ 2013, 101 = juris Rn. 4; Seibert, NVwZ 2013, 1040, 1046 ff.
56Gemessen hieran erweist sich der sinngemäße Antrag, die sofortige Vollziehbarkeit der Genehmigung aufgrund veränderter Umstände im Sinne des § 80 Abs. 7 VwGO mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, als unbegründet. Zwar ist davon auszugehen, dass die Beigeladenen - wie dargelegt - mit ihren Einwendungen nicht präkludiert sind. Insoweit ist also die Rechtmäßigkeit der erteilten Genehmigung anhand sämtlicher (die Beigeladenen schützender) Normen zu bewerten, die bei Erlass des Bescheides zu beachten waren.
57Unter Zugrundelegung der allgemeinen Maßstäbe für die Bestimmung erheblicher Geruchsimmissionen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG (dazu unten a)), lässt sich bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, ob die angegriffene Genehmigung rechtmäßig ist (unten b)). Ob die zu erwartende Belastung mit Bioaerosolen die Beigeladenen in ihren Rechten verletzt, ist ebenfalls nicht abschließend zu klären (unten c)). Verstöße gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts liegen bei summarischer Prüfung nicht vor (unten d)). Die Beigeladenen können die Aufhebung der Genehmigung nicht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG verlangen, denn die erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit wurde durchgeführt (unten e)). Im Rahmen der bei offenen Erfolgsaussichten vorzunehmenden weitergehenden Interessenabwägung gebührt vorliegend dem Interesse der Antragstellerin an der vorläufigen weiteren Ausnutzung der ihr erteilten Genehmigung Vorrang gegenüber dem Suspensivinteresse der Beigeladenen (unten f)).
58a) Bei der Beurteilung, ob Geruchsbelastungen erheblich im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind, kann nach ständiger Rechtsprechung bis zum Erlass bundeseinheitlicher Vorschriften die nordrhein-westfälische Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) in der Fassung vom 29. Februar 2008 und einer Ergänzung vom 10. September 2008 als Orientierungshilfe herangezogen werden. Die GIRL enthält technische Normen, die auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von Sachverständigen beruhen und insoweit die Bedeutung von allgemeinen Erfahrungssätzen und antizipierten generellen Sachverständigengutachten haben.
59Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Mai 2007 - 4 B 5.07 -, BauR 2007, 1454 = juris Rn. 4; OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1760/13 -, NWVBl. 2015, 415 = juris Rn. 49 ff.; Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1577/14 -, juris Rn. 55 ff.; Urteil vom 12. August 2015 - 8 A 799/14 -, ZNER 2015, 480 = juris Rn. 66-68, jeweils m. w. N.
60Nach Nr. 3.1 Tabelle 1 der GIRL gilt für Wohn- bzw. Mischgebiete ein Immissionswert IW = 0,10 (10% Jahresgeruchsstunden) und für Gewerbe-/Industriegebiete ein Immissionswert IW = 0,15 (15% Jahresgeruchsstunden). Für Dorfgebiete gilt für landwirtschaftliche Gerüche ebenfalls ein Immissionswert von 0,15. Sonstige Gebiete, in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, sind nach Nr. 3.1 Abs. 2 der GIRL entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechts den einzelnen Spalten der Tabelle 1 zuzuordnen. Für den bauplanungsrechtlichen Außenbereich wird dabei für landwirtschaftliche Gerüche der für Dorfgebiete anzusetzende Wert angenommen.
61Vgl. nur OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1760/13 -, NWVBl. 2015, 415 = juris Rn. 53, sowie Beschlüsse vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, NWVBl. 2010, 277 = juris Rn. 31 ff., und vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 32.
62In der Begründung und den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.1 der GIRL, 4. Aufzählungspunkt, ist erläuternd ausgeführt, dass das Wohnen im Außenbereich mit einem immissionsschutzrechtlich geringeren Schutzanspruch verbunden sei. Vor diesem Hintergrund sei es möglich, unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls bei der Geruchsbeurteilung im Außenbereich einen Wert von bis zu 0,25 (entspricht 25 % Jahresgeruchsstunden) für landwirtschaftliche Gerüche heranzuziehen.
63Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. November 2015 - 8 A 1031/15 -, juris Rn. 69 f.; Beschlüsse vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 32, und vom 9. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, NWVBl. 2014, 318 = juris Rn. 8.
64Die Bestimmung eines höheren Immissionswerts für landwirtschaftliche Gerüche setzt stets das Vorliegen besonderer Einzelfallumstände voraus. Insoweit bedarf es einer Einzelfallbeurteilung durch die Genehmigungsbehörde, die unter Berücksichtigung vor allem der konkreten örtlichen Gegebenheiten zu erfolgen hat.
65Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl 2013, 177 = juris Rn. 41; Beschluss vom 9. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, NWVBl 2014, 318 = juris Rn. 70; Beschluss vom 22. Mai 2015 - 8 B 1029/14 -, juris Rn. 56; Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1760/13 -, NWVBl. 2015, 415 = juris Rn. 70, 79 ff.
66Landwirtschaftliche Gerüche im vorstehenden Sinne sind nicht nur solche aus landwirtschaftlichen Betrieben im Sinne des § 201 BauGB. Auch Gerüche aus bauplanungsrechtlich als gewerblich einzuordnenden Tierhaltungsanlagen sind hierunter zu fassen.
67Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1577/14 -, juris Rn. 78.
68Zur Ermittlung der zu erwartenden Geruchshäufigkeit bedarf es grundsätzlich einer "auf der sicheren Seite" liegenden Prognose, bei der aus der Vorbelastung und der Zusatzbelastung ggf. unter Berücksichtigung der Bebauungseinflüsse, einer Abluftfahnenüberhöhung und der Reduktion durch Abluftreinigungsanlagen im Wege einer Ausbreitungsrechnung die voraussichtliche Gesamtbelastung ermittelt wird. Diese ist sodann an dem nach der GIRL maßgeblichen Immissionsrichtwert zu messen.
69OVG NRW, Beschluss vom 3. Februar 2011 - 8 B 1797/10 -, juris Rn. 5; Beschluss vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 33; Beschluss vom 9. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, NWVBl. 2014, 318 = juris Rn. 11; Urteil vom 12. August 2015 - 8 A 799/14 -, ZNER 2015, 480 = juris Rn. 72.
70Bei der Ermittlung der Vorbelastung sind solche Emissionsquellen nicht mit einzubeziehen, die dem Immissionspunkt selbst zuzurechnen sind (sog. Eigenbelastung). Dies gilt unabhängig davon, ob die eigenen Tiergerüche mit den von außen einwirkenden Tiergerüchen identisch sind.
71Siehe im Einzelnen OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1577/14 -, juris Rn. 64 ff.; Urteil vom 12. August 2015 - 8 A 799/14 -, ZNER 2015, 480 = juris Rn. 75; Urteil vom 10. November 2015 - 8 A 1031/15 -, juris Rn. 55 ff.
72b) Der Senat kann bei summarischer Prüfung nicht abschließend beurteilen, ob der Antragsgegner vorliegend mit Recht angenommen hat, dass von dem Vorhaben nach diesen Maßstäben keine unzumutbaren Geruchsbelästigungen für die Beigeladenen ausgehen. Das gilt sowohl für das im Eigentum der Beigeladenen stehende, vermiete Wohnhaus im Osten des streitgegenständlichen Vorhabens, bei dem es sich nach Aktenlage um das Doppelwohnhaus mit der Anschrift O. handeln dürfte, als auch für das Betriebsleiterwohnhaus der Beigeladenen auf deren eigener Hofstelle im Westen des Vorhabens (soweit eine unzumutbare Geruchsbelastung dieses Wohnhauses, was bisher unklar bleibt, mit der Klage überhaupt geltend gemacht werden soll).
73An beiden Wohnhäusern ist nach Aktenlage ein Immissionsrichtwert von 0,15 einzuhalten (dazu aa). Die Geruchsimmissionsprognose der Landwirtschaftskammer rechtfertigt nicht mit hinreichender Sicherheit den Schluss, dass der maßgebliche Immissionswert nicht überschritten wird. Allerdings spricht derzeit auch nichts für die Annahme, er werde an einem der beiden Wohnhäuser offensichtlich überschritten (dazu bb).
74aa) Für das Doppelwohnhaus O. gilt ein Immissionsrichtwert von 0,15.
75Der Standort dieses Wohnhauses liegt nicht (mehr) im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Der für diesen Bereich vormals bestehende einfache Bebauungsplan, der für die Straße O. wohl ein Dorfgebiet festsetzte, wurde bereits 1995 aufgehoben. Damit dürfte das Wohnhaus wohl dem Außenbereich nach § 35 BauGB zuzuordnen sein, sofern eine Überprüfung im Hauptsacheverfahren nicht eine Zuordnung nach § 34 BauGB ergeben sollte. Hieraus folgt entgegen der pauschalen Annahme des Antragsgegners aber nicht ohne weiteres, dass die Beigeladenen an diesem Wohnhaus Geruchsimmissionen bis zu einem Wert von 0,25 hinnehmen müssten. Einzelfallbezogene Umstände, die im vorliegenden Fall eine Erhöhung des für Dorfgebiete und grundsätzlich auch im Außenbereich geltenden Immissionswerts von 0,15 rechtfertigen, hat der Antragsgegner nicht vorgebracht. Ob die Vorprägung des Gebietscharakters durch die frühere bauplanungsrechtliche Festsetzung als Dorfgebiet die Darlegungslasten für eine ausnahmsweise Überschreitung des regulären Immissionswertes von 0,15 erhöht, bedarf daher derzeit keiner Entscheidung. Dass der frühere Bestand von Ortsrecht einen Vertrauenstatbestand im Hinblick auf vertragliche Verpflichtungen gegenüber den Mietern geschaffen haben könnte (so die Behauptung der Beigeladenen), haben diese jedenfalls nicht nachvollziehbar dargelegt.
76Auch am Betriebsleiterwohnhaus auf der Hofstelle der Beigeladenen (O. ) dürfte nach Aktenlage ein Immissionswert von 0,15 einzuhalten sein. Es ist im Außenbereich gelegen; und der Antragsgegner hat auch diesbezüglich bisher keine einzelfallbezogenen Umstände dargelegt, die ausnahmsweise eine Erhöhung dieses Wertes rechtfertigen.
77Eine einzelfallbezogene Begründung für einen entsprechend erhöhten Immissionswert, bei dessen Bestimmung die nach der Rechtsprechung relevanten Kriterien,
78vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1577/14 -, juris Rn. 96 ff. m. w. N.,
79zu berücksichtigen wären, könnte der Antragsgegner allerdings auch noch während des Klageverfahrens nachholen.
80bb) Nach dem Immissionsschutzgutachten der Landwirtschaftskammer vom 20. November 2012 lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob der Immissionswert an den beiden genannten Immissionspunkten im Ergebnis eingehalten wird. Auch wenn die Immissionsprognose im vorliegenden Eilverfahren nicht vollumfänglich überprüft werden kann, entspricht sie bei summarischer Prüfung jedenfalls nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen, die der Senat in seiner neueren, inzwischen gefestigten Rechtsprechung an eine auf der sicheren Seite liegende Prognose stellt.
81Zwar begegnet es bei summarischer Prüfung keinen Bedenken, dass bei der Berechnung der zu erwartenden Geruchsimmissionen hinsichtlich des Mastschweinestalls die geruchsreduzierenden Auswirkungen der nach dem Genehmigungsbescheid (Inhaltsbestimmung V.2., Nebenbestimmung VI.6.) in Verbindung mit den Antragsunterlagen einzubauenden Abluftreinigungsanlage berücksichtigt worden sind. Danach wird ein nach DLG-Signum-Test zertifiziertes System eingesetzt, das gewährleistet, dass kein Rohgasgeruch wahrnehmbar ist, die Restemissionen im Reingas kleiner als 300 GE/m³ sind und der Eigengeruch nach 100 m abgebaut ist.
82Vgl. zu den Voraussetzungen, unter denen die Reinigungsleistung einer Abluftreinigungsanlage berücksichtigungsfähig ist, OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1577/14 -, juris Rn. 72 ff.
83Voraussichtlich ist daher nicht zu beanstanden, dass die Restemissionen aus der Abluftreinigungsanlage in den Prognoseberechnungen auf Null gesetzt worden sind, da sich alle nächstgelegenen fremden Wohnnutzungen in Entfernungen von über 100 m zum Stallneubau befinden. Die Behauptung der Beigeladenen, der Abstand zur nächsten Wohnbebauung betrage weniger als 50 m, steht dem nicht entgegen. Sie trifft auf die beiden in ihrem Eigentum stehenden Wohnhäuser, deren Beeinträchtigung sie allein geltend machen können, jedenfalls nicht zu. Beide Häuser dürften sich vielmehr in einem Abstand von mehr als 100 m zu dem Mastschweinestall befinden.
84Es fehlt indes an einer hinreichend genauen, gesonderten Ausweisung der Vorbelastung und der von dem streitgegenständlichen Vorhaben ausgehenden Zusatzbelastung an den hier maßgeblichen Immissionsorten, die zusammen die ermittelte Gesamtbelastung ergeben.
85(1) Das Betriebsleiterwohnhaus auf der landwirtschaftlichen Hofstelle der Beigeladenen im Westen des Vorhabens der Antragstellerin ist überhaupt nicht als Immissionsort in den Blick genommen worden; welche Gesamtbelastung sich dort ergibt, ist deshalb offen. Bei der insoweit notwendigen Ergänzung der Geruchsimmissionsprognose wird zu berücksichtigen sein, dass die von der Schweinehaltung der Beigeladenen ausgehende Geruchsbelastung (= Eigenbelastung) nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht in die Vorbelastung mit einzubeziehen ist. Hinzu kommt, dass u. U. eine noch zu begründende, einzelfallbezogene Erhöhung des grundsätzlich maßgeblichen Immissionswerts von 0,15 in Betracht kommen könnte. Berücksichtigt man des weiteren, dass das Wohnhaus der Beigeladenen etwa genauso weit von dem streitgegenständlichen Schweinemaststall entfernt ist wie das nachfolgend betrachtete Doppelhaus O. , für das eine (grobe) Immissionsprognose unter Einschluss der Belastung durch die Schweinehaltung der Beigeladenen vorliegt, erscheint es bei summarischer Prüfung nicht naheliegend, dass das Vorhaben am Wohnhaus der Beigeladenen im Ergebnis zu unzumutbaren Geruchsbelästigungen führt.
86(2) Hinsichtlich des nicht zum Hof der Beigeladenen gehörenden, südöstlich an das Vorhaben der Antragstellerin angrenzenden Mietshauses O. lässt sich dem Immissionsschutzgutachten nicht hinreichend sicher entnehmen, dass der Immissionswert von 0,15 an diesem Immissionsort voraussichtlich eingehalten wird. Das Gutachten prognostiziert dort eine belästigungsrelevante Gesamtbelastung von 0,12. Insoweit dürfte sich das einschlägige Raster der Abbildung 9 des Gutachtens (S. 19) mit einer Rasterkantenlänge von 50 m (S. 15) aber als zu grob erweisen, um eine hinreichend genaue Prognose zu ermöglichen. Die maßgebliche Rasterfläche umfasst nicht nur das benannte Doppelhaus vollständig, sondern geht noch deutlich darüber hinaus. Da die im Norden angrenzende Rasterfläche bereits eine belästigungsrelevante Gesamtbelastung von 0,19 aufweist, lässt sich aufgrund der Ausblendung der realitätsnah anzunehmenden fließenden Übergänge zwischen diesen Werten nicht ausschließen, dass etwa im nördlichen Bereich des Doppelhauses der Immissionswert von 0,15 bereits überschritten wird (vgl. dazu auch die Anlage 2 zu der von den Beigeladenen vorgelegten Stellungnahme des Sachverständigen für Immissionsschutz L. I. vom 24. März 2015).
87Die Klärung der Frage, ob auch hinsichtlich der hier betrachteten vermieteten Wohneinheiten die Geruchsbelastung durch den Schweinehaltungsbetrieb der Beigeladenen bei der Bestimmung der Vorbelastung unberücksichtigt bleiben muss, bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Der Senat hat eine solche Gleichstellung mit der Wohnung des Betriebsinhabers selbst bisher nur für vermietete Wohnungen auf der Hofstelle angenommen, weil die Bewohner dieser Wohnungen das Vorrecht, im Außenbereich wohnen zu dürfen, von der Hofstelle ableiten. Diese Wohnungen sind deshalb von vornherein mit der „Geruchshypothek“ der Hofstelle belastet.
88Vgl. OVG NRW, Urteile vom 1. Juni 2015 - 8 A 1577/14 -, juris Rn. 68, und - 8 A 1760/13 -, NWVBl. 2015, 415 = juris Rn. 62, 95.
89Hier liegt der Fall anders. Das Doppelwohnhaus O. leitet seine baurechtliche Genehmigung jedenfalls nicht von der - nicht unmittelbar benachbarten - Hofstelle der Beigeladenen ab; vielmehr ist diese vermutlich unter der Geltung des zwischenzeitlich aufgehobenen Bebauungsplans erteilt worden.
90(3) Die Beurteilung der Zumutbarkeit der an den beiden hier in Rede stehenden Immissionsorten zu erwartenden Geruchsbelastung wirft weitere Fragen auf, die sich im Rahmen der summarischen Prüfung nicht abschließend beurteilen lassen.
91Nach Aktenlage kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch gewerbliche Betriebe wie die von den Beigeladenen angeführte, rund 450 m von dem Vorhaben der Antragstellerin entfernte Kläranlage auf der C. Straße sowie ein Regenrückhaltebecken in relevanter Weise auf die Geruchsbelastung einwirken. Die Beigeladenen berufen sich insoweit auf die „Kontroll- und Vergleichsrechnungen zur SMA H. /E. “ des Sachverständigen Dipl.-Ing. L. I. vom 24. März 2015, die dieser im Auftrag des BUND (Kreis und Stadt W. ) erstellt hat. Darin wird dargelegt, dass das Mietshaus der Beigeladenen bei Einbeziehung der Geruchsbelastung durch die Kläranlage mit insgesamt bis zu 15,8 Jahresgeruchsstunden belastet werde.
92Es bedarf der Überprüfung im Hauptsacheverfahren, inwieweit dies zutrifft und hieraus unter Zugrundelegung der für gewerbliche Gerüche und ihr Zusammentreffen mit Tierhaltungsgerüchen anzuwendenden Maßstäbe,
93Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 22. Mai 2015 ‑ 8 B 1029/14 -, juris Rn. 61 ff.,
94rechtliche Bedenken gegen die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens erwachsen.
95c) Ausgehend von den vorstehenden Ausführungen ist die Genehmigung auch nicht deshalb offensichtlich rechtswidrig, weil sie keinen Immissionsgrenzwert für Bioaerosole festsetzt. Ob vorliegend schädliche Umwelteinwirkungen i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG durch Bioaerosole zu erwarten sind, lässt sich bei summarischer Prüfung nicht abschließend beurteilen. Die TA Luft sieht insoweit keine Immissions- oder Emissionswerte vor; insbesondere enthält sie in Bezug auf Bioaerosole kein Emissionsminderungsgebot. Es gibt bislang auch keine sonstigen Grenz- oder Orientierungswerte, die die Schädlichkeitsschwelle für Bioaerosole beschreiben. In Betracht kommt daher allenfalls eine Sonderfallprüfung nach Nr. 4.8 TA Luft, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorruft.
96Vgl. im Einzelnen OVG NRW, Urteil vom 10. November 2015 - 8 A 1031/15 -, Rn. 104 ff.; Beschluss vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, BRS 76 Nr. 100 = juris Rn. 52; Beschluss vom 10. Mai 2010 - 8 B 992/09 -, juris Rn. 53; Beschluss vom 8. Februar 2012 - 8 B 1322/11 -, juris Rn. 33; Urteil vom 30. Januar 2014 - 7 A 2555/11 -, NWVBl. 2014, 306 = juris Rn. 88.
97Allerdings sprechen gegenwärtig gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass von Tierhaltungsbetrieben luftgetragene Schadstoffe wie insbesondere Stäube, Mikroorganismen (z.B. Pilzsporen) und Endotoxine ausgehen, die grundsätzlich geeignet sind, die menschliche Gesundheit zu beeinträchtigen. Beim derzeitigen Erkenntnisstand greift die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht als Instrument der Gefahrenabwehr aber nicht ein, weil ungewiss ist, ob mit einem Schadenseintritt zu rechnen ist. Insoweit ist die Vermeidung bzw. Senkung von erhöhten Bioaerosol-Konzentrationen nicht den drittschützenden Betreiberpflichten i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, sondern den Vorsorgeanforderungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG zuzuordnen. Auf deren Einhaltung hat der Nachbar grundsätzlich keinen Anspruch.
98Vgl. zuletzt OVG NRW, Urteil vom 10. November 2015 - 8 A 1031/15 -, juris Rn. 110 m. w. N.; siehe auch BVerwG, Urteil vom 23. Juli 2015 - 7 C 10.13 -, juris Rn. 21 ff.
99Derzeit liegen hier keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Gesundheitsgefährdung i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG durch Bioaerosole vor. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein Wohnhaus durch einen Schweinehaltungsbetrieb Bioaerosol-Immissionen ausgesetzt wird, die über eine allgemeine, gebietstypische Gefährdung hinausgehen und bereits zu einer konkreten Gefährdung der Gesundheit führen können, hält der Senat eine Orientierung an den Ergebnissen der Geruchsimmissionsprognose für nahe liegend. Denn der Übertragungsweg bei Bioaerosolen ist im Grunde derselbe wie bei Gerüchen.
100Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. November 2015 - 8 A 1031/15 -, juris Rn. 112.
101Vorliegend liegt eine Gesundheitsgefährdung durch Bioaerosole nicht nahe, weil die Antragstellerin mit dem in der Genehmigung vorgegebenen Einbau einer DLG-zertifizierten Abluftreinigungsanlage bereits die im Erlass des MKULNV NRW vom 19. Februar 2013 (Immissionsschutzrechtliche Anforderungen an Tierhaltungsanlagen, sog. Filtererlass) vorgesehenen, emissionsbegrenzenden Vorsorgemaßnahmen einhält. In der Fachwelt wird davon ausgegangen, dass Anlagen zur Verminderung von Staubemissionen auch zur Minderung von Bioaerosolen geeignet sind (vgl. Filtererlass, S. 6; ebenso Immissionsschutzgutachten der Landwirtschaftskammer S. 33). Ob es bei dieser Sachlage gleichwohl - wie die Beigeladenen meinen - zum Schutz ihrer Nachbarrechte erforderlich ist, die voraussichtliche Belastung durch Bioaerosole gutachterlich ermitteln zu lassen, bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Von offensichtlich drohenden Gesundheitsgefahren kann beim gegenwärtigen Stand der Erkenntnisse im vorliegenden Fall jedenfalls nicht ausgegangen werden.
102d) Verstöße gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts liegen bei summarischer Prüfung nicht vor. Nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB in der seit dem 20. September 2013 geltenden Fassung des Gesetzes vom 11. Juni 2013 (BGBl. I 1548), der nach § 245a Abs. 4 BauGB auf den im November 2012 gestellten Antrag der Antragstellerin bereits Anwendung findet, sind gewerbliche Tierhaltungsanlagen im Außenbereich nicht mehr privilegiert. Die Landwirtschaftskammer hat jedoch bestätigt, dass die Antragstellerin nach Abschluss eines weiteren Landpachtvertrags in der Lage ist, für den Gesamt-Tierbestand das Kriterium der überwiegend eigenen Futtergrundlage i. S. v. § 201 BauGB zu erfüllen. Es besteht kein Anlass, diese Bewertung im vorliegenden summarischen Verfahren in Frage zu stellen.
103e) Die Beigeladenen haben keinen Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens verlangt werden, wenn eine erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht durchgeführt wurde.
104Es kann dahinstehen, ob Anlass zur Prüfung dieser Rüge im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren besteht, obwohl die Beigeladenen ihre Klage bisher nicht auf Mängel der UVP-Vorprüfung gestützt haben. Sie haben das Unterbleiben der Vorprüfung nur im ersten, von ihnen selbst eingeleiteten Eilverfahren vor dem VG Düsseldorf (3 L 151/14) geltend gemacht und auf diesen Vortrag im vorliegenden Verfahren Bezug genommen. Diese Rüge greift jedenfalls nicht durch, denn die erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit wurde durchgeführt. Sie ist im Vermerk des Antragsgegners vom 30. September 2013 (Beiakte 9, Bl. 540) im Einzelnen niedergelegt. Darin hat der Antragsgegner die zu prüfenden Kriterien aufgeführt und sich - nach Anhörung der betroffenen Fachbehörden - jeweils im Wesentlichen der Bewertung der von der Antragstellerin vorgelegten Vorprüfung des Einzelfalls angeschlossen. Er ist zu dem Ergebnis gelangt, dass es einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht bedürfe. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner im Rahmen der Genehmigung lediglich das Ergebnis dieser Vorprüfung mitteilt. Eine Verpflichtung, die Vorprüfung insgesamt in den Genehmigungsbescheid aufzunehmen, ist nicht zu erkennen.
105Der Senat sieht im vorliegenden Verfahren keine Veranlassung, darüber hinaus zu überprüfen, ob die durchgeführte Vorprüfung dem Maßstab von § 3a Satz 4 UVPG genügt (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG). Die Beigeladenen haben dies zu keinem Zeitpunkt substantiiert in Frage gestellt. Der - allein unionsrechtlich bedingte - Wegfall der Präklusion führt nicht dazu, dass Gerichte unabhängig von konkreten Rügen auf Fehlersuche gehen und ggf. Eilrechtsschutz gewähren müssten. Eine derartige Verpflichtung lässt sich den einschlägigen Richtlinien auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht entnehmen.
106f) Die bei offenen Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache erforderliche weitere Interessenabwägung fällt zugunsten der Antragstellerin aus. Ihr drohen bei einer vorläufigen Einstellung des Betriebs wirtschaftliche Nachteile, die in der konkreten Verfahrenssituation unbillig wären und die von den Beigeladenen geltend gemachten Nachteile überwiegen.
107Die Antragstellerin hat die Stallanlage nach der gerichtlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung im November 2015 zulässigerweise errichtet und in Betrieb genommen. Sie ist mit der Inanspruchnahme von Krediten finanzielle Verpflichtungen eingegangen. Im Falle der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der gegen die Genehmigung erhobenen Anfechtungsklage wäre sie gezwungen, die eingebrachten Mastschweine zu schlachten oder zu verkaufen bzw. jedenfalls an einen anderen Ort zu verbringen. Die damit verbundenen finanziellen Einbußen wären in der vorliegenden Konstellation unzumutbar.
108Zwar trägt die Antragstellerin das Risiko, dass getätigte Investitionen verloren sind, wenn die gegen die Genehmigung gerichtete Nachbarklage Erfolg hat.
109Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Mai 2015 - 8 B 1029/14 -, juris Rn. 87.
110Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache hat die Antragstellerin aber ein qualifiziertes Interesse daran, dass die gerade durch gerichtliche Eilentscheidungen angeordnete sofortige Vollziehung ihrer Genehmigung aufrechterhalten bleibt, weil sie auf dieser Grundlage umfassende Investitionen getätigt und das Vorhaben ins Werk gesetzt hat. Abweichendes würde lediglich dann gelten, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache aufgrund veränderter Umstände im Sinne des § 80 Abs. 7 VwGO nunmehr erkennbar Aussicht auf Erfolg hätte. In diesem Fall würde nur die Betriebseinstellung, mit der die Antragstellerin mangels Bestandskraft der ihr erteilten Genehmigung ohnehin rechnen müsste, früher aktualisiert. Diese Voraussetzungen liegen aber nicht vor, weil die Rechtmäßigkeit der erteilten Genehmigung ‑ wie dargelegt - mit der erforderlichen Sicherheit im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht geklärt werden kann.
111Den Beigeladenen kann es demgegenüber zugemutet werden, für den Zeitraum bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache den weiteren Betrieb der Schweinemastanlage hinzunehmen. Konkrete Anhaltspunkte für eine Gesundheitsgefahr durch Bioaerosole bestehen hier - wie oben ausgeführt - derzeit nicht. Bei Gerüchen geht es ohnehin nur um - nicht gesundheitsschädliche - Belästigungen.
112Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juli 2015 - 7 C 10.13 -, NVwZ 2016, 79 = juris Rn. 33; OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1760/13 -, NWVBl. 2015, 415 = juris Rn. 62.
113Sollten sich im Zuge der weiteren Sachverhaltsermittlung - wider Erwarten - ernsthafte Hinweise auf Gesundheitsgefahren ergeben, könnte jederzeit ein weiterer Abänderungsantrag gestellt werden. Es ist auch nicht nahe liegend, dass während des vorübergehenden Zeitraums bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage der Beigeladenen Mietzinsausfälle in einem Umfang drohen könnten, der die Altersvorsorge der Beigeladenen gefährdete.
114Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 159 Satz 2 VwGO.
115Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Der Senat orientiert sich dabei an den Ziffern 19.2 und 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
116Abzurufen unter http://www.BVerwG.de/medien/pdf/ streitwertkatalog.pdf.
117Der danach im Hauptsacheverfahren auf 15.000,- € festzusetzende Streitwert ist mit Blick auf die Vorläufigkeit des vorliegenden Verfahrens in Anlehnung an Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs auf die Hälfte zu reduzieren.
118Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 und 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.
(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.
(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, - 2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und - 3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.
(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.
(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.
(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.
(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.
(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.
(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.
(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:
- 1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit, - 2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte, - 3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen, - 4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie - 5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.
(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.
(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.
(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.
(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.
(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.
(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien
(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.
Tenor
Auf die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen wird das auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juni 2013 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 27. Juni 2015 für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zum Halten und zur Aufzucht von Mastgeflügel mit 84.500 Mastgeflügelplätzen.
3Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung X. H. Er bewohnt das auf diesem Grundstück liegende Wohnhaus mit der postalischen Anschrift E. in H. Den ebenfalls auf dem Flurstück befindlichen Altenteiler hat er vermietet. Das Flurstück dient dem Kläger als Hofstelle für den von ihm betriebenen landwirtschaftlichen Betrieb mit Ackerbau. Es stellt einen Teil des vormaligen Flurstücks dar, welches den gesamten damaligen „O.“ umfasste und ursprünglich insgesamt im Eigentum des Klägers stand. Im Februar 1973 erhielt der Vater des Klägers von der Stadt H. die Baugenehmigung zur Errichtung eines Schweinemaststalls auf dem Flurstück. Im Mai 1979 erteilte der Regierungspräsident Düsseldorf der K. L. GmbH die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Erweiterung des vorhandenen Schweinemastbestandes auf 2.856 Liegeplätze.
4Im Baulastenverzeichnis ist für das Flurstück am 6. März 1983 folgende Baulast eingetragen worden:
5„Auf dem Grundstück Gemarkung X. , Flur, Flurstück, Verpflichtung, das zu errichtende Wohnhaus als Betriebsleiterwohnung zu nutzen sowie gleichzeitig Bindung des Betriebsleiterwohnhauses an den auf dem gleichen Grundstück vorhandenen landwirtschaftlichen Betrieb. Das Wohnhaus E. wird künftig als Altenteilerwohnung genutzt. Eine Teilung oder getrennte Veräußerung des Betriebsleiter- und des Altenteilerwohnhauses wird nicht vorgenommen.“
6Das Flurstück ist im Jahr 2000 in drei eigenständige Flurstücke aufgeteilt worden. In der Folge hat der Kläger die Flurstücke B und C einschließlich der aufstehenden Schweinemastställe an unterschiedliche Erwerber veräußert. Am 8. März 2000 war zuvor für das Flurstück 84 und dessen Teile A, B und C eine Vereinigungsbaulast nach § 4 Abs. 2 BauO NRW eingetragen worden, nach deren Inhalt die Beurteilung der drei Teile A, B und C des bestehenden Flurstücks bauordnungs- wie bauplanungsrechtlich einheitlich erfolgen sollte. Bereits im Dezember 1999 teilten die Erwerber der Flurstücke B und C dem Staatlichen Umweltamt Krefeld mit, dass die immissionsschutzrechtlich genehmigte Schweinemastanlage mit insgesamt 2.856 Plätzen zwischen ihnen aufgeteilt werden solle. Die jeweils auf den Flurstücken befindlichen Stallgebäude mit ursprünglich 2.016, zukünftig 1.944 (Flurstück C) bzw. 552, zukünftig 504 (Flurstück B) Schweinemastplätzen würden nunmehr von den jeweiligen Eigentümern betrieben. Der dritte Stall mit den verbleibenden Mastplätzen werde stillgelegt. Hierauf erteilte die Bürgermeister der Stadt H. den Eigentümern im Juni 2000 jeweils eine entsprechende Baugenehmigung für die Teilübernahme der Schweinemastanlage.
7Im Jahr 2002 zeigte die I.-T. GbR, deren Gesellschafter die Grundstückseigentümer sind, dem Staatlichen Umweltamt Krefeld an, dass sie die auf den beiden Flurstücken befindlichen Stallungen nunmehr wieder als eine Anlage auf der Grundlage der erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung betreibe. Seit April 2003 stehen die Flurstücke B und C im Eigentum der I.-T. GbR. Im Mai 2009 erwarb sie von der Beigeladenen das nördlich der vorhandenen Stallungen liegende Grundstück.
8Mit immissionsschutzrechtlichem Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 15. März 2012 wurde der I.-T. GbR der Betrieb eines Schweinemastbetriebs mit nunmehr insgesamt 4.813 Mastschweineplätzen (Schweinestall BE 2, Flurstück C, mit 1.733 Mastplätzen, Schweinestall BE 1, Flurstück B, mit 480 Mastschweineplätzen und Schweinestall BE 3, Flurstück D, mit 2.600 Mastschweineplätzen) genehmigt. Ausweislich der Nebenbestimmung Nr. 35 sind im Rahmen der Baumaßnahmen die sechs Kamine auf dem Schweinemaststall BE 1 entsprechend der Geruchsprognose auf mindestens 10 m über Grund und 3 m über dem Dachfirst zu erhöhen. Satz 2 der Nebenbestimmung Nr. 38 schreibt vor, dass die Lüftungsanlagen in allen Stallgebäuden so zu regeln sind, dass die Mindestabluftgeschwindigkeit von 7 m/s zu jeder Stunde eingehalten wird. In der Folge errichtete die I.-T. GbR auf dem Flurstück D einen weiteren Schweinemaststall sowie einen Güllehochbehälter mit Abdeckung.
9In der südwestlichen Ecke des Flurstücks A und damit südlich des Flurstücks C befinden sich mehrere Bäume. Westlich des Wohnhauses des Klägers und östlich bzw. südöstlich der Schweinemastställe befinden sich der ehemalige Altenteiler der Hofstelle sowie landwirtschaftliche Gebäude (Stallungen, Scheune und ein Schuppen).
10Nord-nordöstlich der Hofstelle des Klägers und westlich der Hofstelle der Beigeladenen befindet sich der E. Am 4. Juli 2011 beantragte der dort ansässige Landwirt, Herr M. I., bei der Stadt H. die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Schweinemaststalls, eines Futterlagers und zweier Futtersilos. Hierzu legte er ein immissionsschutzrechtliches Geruchsgutachten (Nr. 2205) des Dipl.-Ing. N. M. vom 18. Juni 2011 vor. In diesem wurde von dem Sachverständigen die Vorbelastung am Haus des Klägers ohne die Hofstelle I. mit IVb = 20,5 % Jahresgeruchsstunden, die Gesamtbelastung am Haus des Klägers bei Berücksichtigung aller Hofstellen im Ist-Zustand mit IGb1 = 23,4 % und die Gesamtbelastung am Haus des Klägers mit IGb2 = 25,2 % angegeben.
11Östlich des O. liegt der W., auf dem nach den Feststellungen der Stadt H. bis zu 60 Pferde gehalten werden. Eine bauaufsichtliche Genehmigung hierfür ist nicht erteilt worden. Zwischenzeitlich ist ein Bauantrag für die Haltung von 25 Pferden gestellt worden.
12Nordöstlich des O. liegt die Hofstelle der Beigeladenen (T.) mit der Flurbezeichnung Gemarkung X. Die Familie der Beigeladenen betreibt dort in der vierten Generation Landwirtschaft in Form des Ackerbaus und der Viehzucht.
13Am 12. August 2011 beantragte die Beigeladene bei dem Beklagten die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 4 BImSchG für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zum Halten und zur Aufzucht von Mastgeflügel mit 84.500 Mastgeflügelplätzen (zwei Hähnchenmastställe mit je 42.250 Tierplätzen) sowie zur Errichtung und zum Betrieb von zwei Flüssiggaslagertanks. Die bisherige Haltung von Mastbullen werde aufgegeben. Die Anlage soll südlich an die bisherige Hofstelle anschließen.
14Mit Schreiben vom 17. Oktober 2011 teilte die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Kreisstelle L., dem Beklagten mit, dass nach ihrer Einschätzung die Voraussetzungen eines landwirtschaftlichen Betriebs gegeben seien. Die Tierhaltung könne überwiegend auf eigener Futtergrundlage erfolgen. Für die beantragte Geflügelmast mit 84.500 Mastplätzen sei bei überschlägiger Berechnung eine Futterfläche von 112,81 ha erforderlich. Der Betrieb verfüge über 116,03 ha landwirtschaftliche Flächen.
15Im Genehmigungsverfahren erhob der Kläger mit Schreiben vom 13. Oktober 2011 Einwendungen, die im Wesentlichen die Geruchsimmissionen betrafen. Insbesondere rügte er, dass das in diesem Verfahren vorgelegte Geruchsgutachten nicht mit denen vorangegangener Genehmigungsverfahren (Schweinezucht I.-T. GbR sowie Neubau eine Schweinestalls mit 760 Mastplätzen auf der Hofstelle I.) in Einklang zu bringen sei. Er befürchte eine Überschreitung einer Jahresgeruchsstundenzahl von 0,25.
16Mit Bescheid vom 27. Juni 2012 erteilte der Beklagte der Beigeladenen die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Planungsrechtlich befinde sich das Vorhaben im Außenbereich. Der Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB sei einschlägig, da eine landwirtschaftliche Nutzung gegeben sei. Die Voraussetzungen des § 201 BauGB seien erfüllt. Von dem geplanten Vorhaben seien keine nachhaltigen und erheblichen Beeinträchtigungen der Umwelt durch Immissionen zu erwarten. Zum Nachweis wurde hinsichtlich der Geruchsimmissionen auf das Gutachten des Sachverständigen N. M. Nr. 2101 vom 27. Januar 2011 nebst Ergänzung vom 3. April 2012 Bezug genommen. Die Geruchsimmissionsprognose komme zu dem Schluss, dass die Vorgaben der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) eingehalten seien. Die Umgebung des Vorhabens einschließlich der Wohnnutzung der Einwender sei durch vorhandene und auch ehemalige Tierhaltungsanlagen geprägt, so dass Immissionen aus Tierhaltung ortsüblich seien. Bei dieser Prägung könne jedenfalls eine Geruchsstundenhäufigkeit solcher ortsüblichen Immissionen von bis zu 25 % nicht als erheblich bewertet werden. Geruchsstundenhäufigkeiten von mehr als 25 % würden vorrangig an landwirtschaftlichen Betrieben, die auch eigene Tierhaltung aufwiesen, erreicht. Die als Gesamtbelastung ermittelten Geruchsstundenhäufigkeiten lägen insoweit zwischen 19,9 % und 47,6 %. Dies sei zumutbar, weil diese vorrangig durch eigene Tierhaltung verursacht würden. Insoweit bestehe hier eine erhöhte Verpflichtung zur gegenseitigen Rücksichtnahme.
17In dem Geruchsimmissionsgutachten des Sachverständigen für Schall und Geruch Dipl.-Ing. N. M. vom 27. Januar 2011 nebst Ergänzung vom 3. April 2012 wurde die Geruchs-Vorbelastung am Wohnhaus des Klägers mit IVb = 20,8 % angegeben und die bei Verwirklichung des Vorhabens der Beigeladenen zu erwartende Gesamtbelastung mit IGb = 25,4 % prognostiziert. In der ursprünglichen Fassung des Gutachtens ergab die Berechnung des Sachverständigen eine zu erwartende Gesamtbelastung von IGb = 25,2 %.
18Der Kläger hat gegen die der Beigeladenen erteilte Genehmigung am 18. Juli 2012 Klage erhoben. Zu ihrer Begründung hat er geltend gemacht, der Betrieb der genehmigten Geflügelmast führe dazu, dass er unzumutbaren Geruchsimmissionen ausgesetzt werde, da die Geruchsstundenhäufigkeit auf seinem Grundstück über 25 % steige. Die Geruchsimmissionsprognose des Sachverständigen M. erweise sich als offensichtlich falsch. Dies ergebe sich aus einem Vergleich mit der im Juni 2011 erstellten Geruchsimmissionsprognose betreffend die Erweiterung des landwirtschaftlichen Betriebs I. In diesem sei für das Wohnhaus des Klägers eine Gesamtbelastung im Ist-Zustand von 23,4 % ermittelt worden. Im vorliegenden Gutachten hingegen gehe der Gutachter von einer Vorbelastung von lediglich 20,8 % aus. Da bereits mit der genehmigten Erweiterung der Hofstelle I. die Toleranzschwelle von 25 % überschritten worden sei, könne ihm eine weitere Geruchsbelastung nicht mehr zugemutet werden. Er selbst halte gar keine Tiere mehr.
19Der Kläger hat beantragt,
20die der Beigeladenen durch den Beklagten erteilte Genehmigung vom 27. Juni 2012 zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zum Halten und zur Aufzucht von 84.500 Mastgeflügelplätzen (Masthähnchen) einschließlich der erforderlichen Nebeneinrichtungen aufzuheben.
21Der Beklagte hat beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Zur Begründung hat er ausgeführt: Nach den Auslegungshinweisen zur GIRL sei das Wohnen im Außenbereich mit einem geringeren Schutzanspruch verbunden. So könne dort unter Prüfung der speziellen Randbedingen des Einzelfalls eine belästigungsrelevante Kenngröße von 0,25 für landwirtschaftliche Gerüche heranzuziehen sein. Geruchsstundenhäufigkeiten von mehr als 25 % würden vorliegend nur an landwirtschaftlichen Betrieben erreicht, die selbst Tierhaltung betrieben. Dies sei zumutbar, weil die Belastungen vorrangig durch die eigene Tierhaltung verursacht würden, und gelte auch für Nachbarn, die - wie der Kläger - keine Tiere mehr hielten. Der Kläger bewirtschafte einen landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, zu dem das von ihm selbst bewohnte Betriebsleiterwohnhaus und der inzwischen fremdvermiete Altenteiler gehöre. In der Vergangenheit habe der Kläger seinen landwirtschaftlichen Betrieb geteilt und selbst die Viehhaltung aufgegeben, die Gebäude aber verkauft, so dass ihm der jetzige Betrieb zuzurechnen sei.
24Das Geruchsgutachten sei fehlerfrei erstellt worden. Nachdem bekannt geworden sei, dass sich sowohl der Betrieb der Beigeladenen wie auch der landwirtschaftliche Betrieb I. im gleichen Zeitraum erweitern wollten, sei beiden Betrieben nahegelegt worden, die jeweils andere Erweiterung im eigenen Gutachten zu berücksichtigen. Somit seien die Ausgangsbedingungen unterschiedlich gewesen. Auch seien weitere Faktoren, wie etwa die unterschiedliche Richtung und Entfernung zum Kläger, zu berücksichtigen gewesen. Da beide Betriebe bei dem jeweils anderen berücksichtigt worden seien, ergebe sich in beiden Gutachten folgerichtig eine identische Gesamtbelastung am Wohnhaus des Klägers von 25,2 % Jahresgeruchsstunden.
25Die Beigeladene hat beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Zur Begründung hat sie ausgeführt: Für das Haus des Klägers sei eine Jahresgeruchsstundenhäufigkeit von 25,4 % (0,254) ermittelt worden, welche auf einen Wert von 25 % (0,25) zu runden sei. Die festgestellte Gesamtbelastung sei dem Kläger zumutbar. Die GIRL lege keine Werte für die höchstzulässige Geruchsimmission fest, sondern enthalte nur Orientierungswerte. Die belästigungsrelevante Kenngröße des Immissionsanteils ihres Vorhabens am Wohnhaus des Klägers betrage nur 0,05. Nach den Auslegungshinweisen zu Nr. 1 der GIRL sei bei der Betrachtung benachbarter Tierhaltungsanlagen davon auszugehen, dass in diesen Fällen die Grenze der erheblichen Belästigung deutlich über derjenigen liege, die bei unbeteiligten Dritten anzusetzen sei. In Anwendung der Ziffer 3.1 der GIRL sei somit ausschließlich die Gesamtbelastung unter Abzug der Geruchseigenbelastung einzubeziehen. Der Wohnnutzung im Haus des Klägers als Betriebsleiterwohnhaus sei dem Tierhaltungsbetrieb auf dem O. zuzurechnen. Die so berechnete Gesamtbelastung liege am Wohnhaus des Klägers sogar unter 0,15. Da der Kläger die Schweinemastanlage über mehrere Jahre selbst betrieben habe, sei sein Grundeigentum mit einer nachwirkenden Pflicht zur Rücksichtnahme belastet. Auch ihre betriebliche Situation sei zu berücksichtigen. Das Vorhaben diene ihr als zweites Standbein, welches erforderlich sei, um langfristig die Existenz des Hofes und der Familie sichern zu können.
28Das Verwaltungsgericht hat den der Beigeladenen durch den Beklagten erteilten Genehmigungsbescheid vom 27. Juni 2012 mit Urteil vom 18. Juni 2013 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, von dem Vorhaben gingen unzulässig hohe Geruchsimmissionen aus. Am Wohnhaus des Klägers werde selbst der für landwirtschaftliche Gerüche im Einzelfall geltende Wert von 0,25 überschritten. Hierbei handele es sich um eine absolute Obergrenze. Ihre Einhaltung lasse sich auch nicht damit begründen, dass der Wert von 0,254 abzurunden sei. Rundungen bei einer bereits überschrittenen Höchstgrenze seien nicht zulässig.
29Gegen das Urteil haben der Beklagte und die Beigeladene die durch den Senat zugelassene Berufung eingelegt.
30Zur Begründung der Berufung führt der Beklagte in Ergänzung seines erstinstanzlichen Vortrags aus: Das vorgelegte Gutachten schließe unzumutbare Geruchsbelästigungen verlässlich aus und sei nach mehreren Nachbesserungen auch von dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV NRW) als plausibel erachtet worden. Im Rahmen des Genehmigungsverfahren für den vorbelastungsrelevanten Tierhaltungsbetrieb I.-T. GbR sei dem Genehmigungsbescheid vom 15. März 2012 nachträglich eine Auflage beigefügt worden, wonach an den bis dahin lüftungstechnisch unveränderten Bestandsställen ebenfalls Kamine 10 m über Grund und 3 m über Dach herzustellen seien. Eine Änderung der Geruchsprognose in dem damaligen Genehmigungsverfahren sei allerdings nicht für notwendig befunden worden, da das Vorhaben bereits ursprünglich genehmigungsfähig gewesen sei und die neuen Abluftbedingungen insbesondere im Nahbereich der Anlage zu einer Verbesserung der Immissionssituation geführt hätten.
31Das Verwaltungsgericht habe die GIRL widersprüchlich ausgelegt, wenn es einerseits davon ausgehe, diese gebe einen Immissionsgrenzwert für den Außenbereich nicht ausdrücklich vor, aber andererseits einen absoluten oberen Grenzwert von 0,25 für landwirtschaftliche Gerüche vorsehe. Die GIRL sei als in sich geschlossenes, schlüssiges System zu begreifen. Die isolierte Betrachtung der Auslegungshinweise zu Nr. 3.1 der GIRL, 4. Aufzählungspunkt, verbunden mit der Feststellung, dass der Wert von 0,25 den absoluten Grenzwert darstelle, stehe im Widerspruch zu dem in den Auslegungshinweisen selbst zitierten Beschluss des OVG NRW vom 18. März 2002 - 7 B 315/02 - und zu den Auslegungshinweisen zu Nr. 5 der GIRL.
32Die zur Beurteilung der Erheblichkeit bedeutsamen Umstände des Einzelfalls seien umfassend ermittelt und bewertet worden. Im Hinblick auf den Kläger habe man unter Berücksichtigung des Verhältnisses von Vor- und Zusatzbelastung sowie der planungsrechtlichen Grundlagen die nunmehr ermittelte Gesamtbelastung von 0,254, gerundet 0,25, für zumutbar erachtet. Hierbei dürfe die Historie der klägerischen Hofstelle nicht außer Acht gelassen werden. Die genehmigte Tierhaltungsanlage des Klägers sei immissionsschutzrechtlich durchgängig betrieben worden. Zwar habe der Kläger in der mündlichen Verhandlung angeben, er habe die Schweinezucht ca. ein halbes Jahr vor dem Verkauf im Jahr 2000 aufgegeben. Dies führe aber nicht automatisch zu einem Erlöschen der erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Vielmehr seien die Stall- einschließlich aller Nebenanlagen unverändert bestehen geblieben und durch die neuen Betreiber übernommen worden. Mithin stellten der frühere eigene Tierhaltungsbetrieb, dessen Fortführung am Standort und die Fortführung eines landwirtschaftlichen Betriebs spezielle Randbedingungen dar, die bei der Prüfung des Einzelfalls zu berücksichtigen seien. Zu beachten sei weiterhin das Verhältnis der Zusatzbelastung der verfahrensgegenständlichen Anlage zu der bewerteten Vorbelastung IVb = 0,208 durch die beiden anderen Tierhaltungsanlagen. Die Vorbelastung werde dabei eindeutig durch die Haltung von Mastschweinen und Sauen bestimmt. Selbst bei einer Gewichtung des besonders störenden Mastgeflügelgeruchs sei die Anlage der Beigeladenen maximal für ein Fünftel der Gesamtbelastung verantwortlich.
33Der Beklagte beantragt,
34das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 18. Juni 2012 abzuändern und die Klage abzuweisen.
35Die Beigeladene führt zur Berufungsbegründung aus: Nachdem ihr in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht der Inhalt der Auflagen Nr. 35 und 38 zum Änderungsgenehmigungsbescheid des Beklagten vom 15. März 2012 betreffend die Tierhaltungsanlage der I.-T. GbR bekannt geworden sei, habe sie eine Neuberechnung zur Geruchssituation an den Wohnnutzungen des Klägers veranlasst. Der bisher vorgelegten gutachterlichen Berechnung habe die Erhöhung der Kamine und die Mindestabluftgeschwindigkeit von 7 m/s betreffend die Betriebseinheit 1 noch nicht zugrundegelegen. Auch sei die Methodik der Berechnung der Geruchsbelastung bei Hähnchenmastställen verändert worden. Die mittlerweile vom LANUV NRW als auf der sicheren Seite liegend empfohlene Berechnung der Geruchsemissionen bei Geflügelzucht mittels einer die Wachstumsrate der Tiere darstellenden Zeitreihe sei berücksichtigt worden. Die Gesamtbelastung einschließlich des Betriebs der I.-T. GbR betrage ausweislich des Geruchsgutachtens in der Fassung der zweiten Ergänzung vom 3. März 2014 nebst Nachberechnung vom 16. September 2014 am Immissionsort E1 IGb = 0,23 und am Immissionsort E2 IGb = 0,22. Ohne den dort ansässigen Tierhaltungsbetrieb betrage die Gesamtgeruchsbelastung am Haus E1 0,14 und am Haus E2 0,12 und bliebe damit sogar unter dem in Dorfgebieten zulässigen Wert von 0,15. Nach Prüfung der speziellen Randbedingungen könne im Einzelfall ein Immissionswert von bis zu 0,25 für landwirtschaftliche Gerüche herangezogen werden. Diese Einzelfallabwägung habe der Beklagte zutreffend vorgenommen. Der Kläger habe das Grundstück mit allen Anlagen zur Schweinemast verkauft, so dass ihm auch ein höherer Kaufpreis zugeflossen sei. Selbst wenn man in rechtlicher Hinsicht nicht von selbstverursachten Immissionen ausgehen wolle, sei dieser Aspekt ebenso wie die Prägung der Umgebung durch Tierhaltungsbetriebe jedenfalls als spezielle Randbedingung wertend zu berücksichtigen. Die Zusatzbelastung für den Kläger durch das Vorhaben sei mit 0,05 zwar nicht irrelevant, stelle sich aber im Vergleich zur Gesamtvorbelastung als gering dar. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass die Wohnnutzung des Klägers rechtlich im Zusammenhang mit der Tierhaltungsanlage genehmigt und sogar durch Baulast gesichert worden sei.
36Die Beigeladene beantragt,
37das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 18. Juni 2013 abzuändern und die Klage abzuweisen.
38Der Kläger beantragt,
39die Berufung zurückzuweisen.
40Zur Begründung seines Antrags nimmt er Bezug auf seinen bisherigen Vortrag und führt im Übrigen aus: Das der Genehmigung zugrundeliegende Geruchsgutachten sei nicht nachvollziehbar. Die anlässlich der Erweiterung der Hofstelle I. und des Betriebes der I.-T. GbR vorgelegten Gutachten gingen jeweils von deutlich höheren Vorbelastungen an seinem Haus aus. Addiere man hierzu die aus dem geplanten Hähnchenmaststall der Beigeladenen zu erwartende Mehrbelastung, ergebe sich eine Geruchsbelastung von deutlich mehr als 25 % Jahresgeruchsstunden Eine Zurechnung der durch den jetzigen Betrieb der I.-T. GbR verursachten Immissionen scheide schon deshalb aus, weil dieser nur zu einem geringen Teil auf seinem früheren Grundstück liege. Die Voraussetzungen für die Annahme einer Abluftfahnenüberhöhung bei dem Schweinemaststall BE 1 lägen nicht vor. Da sich im Umkreis von 100 m Gebäude und Baumbewuchs befänden, sei eine freie Anströmung der Kamine nicht gegeben.
41Im Berufungsverfahren hat der erkennende Senat eine fachliche Stellungnahme des LANUV NRW eingeholt, ob das von der Beigeladenen vorgelegte Geruchsgutachten Nr. 2101 des Dipl.-Ing. N. M. in der Fassung der 2. Ergänzung vom 3. März 2014 nachvollziehbar und plausibel sei. Mit Schreiben vom 5. September 2014 hat das LANUV NRW ausgeführt, dass es die Darstellung der ermittelten Immissionen grundsätzlich als plausibel ansehe. Bezogen auf die Ausbreitungsrechnung sei jedoch aufgefallen, dass diese hinsichtlich der Quelle QUE_40 (Mastschweinestall mit 6 Kaminen) der Tierzuchtanlage I.-T. nur einen Kamin enthalte. Auch habe der Gutachter die Quelle QUE_43 (Güllehochbehälter) in der Ausbreitungsrechnung nicht angesetzt. Vor einer Heranziehung des Gutachtens sei die Rechnung diesbezüglich zu korrigieren.
42Die Beigeladene hat in der Folge die bereits erwähnte teilweise Neuberechnung vom 16. September 2014 vorgelegt.
43Hinsichtlich der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung - einschließlich der Befragung des Sachverständigen Dr. C. vom LANUV NRW - wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 1. Juni 2015 verwiesen.
44Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Stadt H. Bezug genommen.
45Entscheidungsgründe:
46Die Berufung hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Aufhebung des angefochtenen Genehmigungsbescheids zu. Der Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 27. Juni 2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in einem ihm zustehenden Recht (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
47Von dem Vorhaben der Beigeladenen gehen keine schädlichen Umwelt- oder sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG für den Kläger aus.
48Bei der durch die Beigeladene geplanten Anlage zur Geflügelmast mit 84.500 Hähnchenmastplätzen handelt es sich um eine immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlage nach § 4 Abs. 1 Satz 1 und 3 BImSchG, § 1 Abs. 1 Satz 1, Ziffer 7.1.3.1 des Anhang 1 der 4. BImSchV.
49Die an den Wohnungen auf dem Grundstück des Klägers mit Errichtung und Betrieb der verfahrensgegenständlichen Anlage zu erwartenden Geruchsimmissionen stellen keine erheblichen Belästigungen i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG dar. Dabei ist neben der eigenen Wohnung des Klägers auch der fremdvermietete Altenteiler in die Betrachtung einzubeziehen. Der Vermieter wird als Eigentümer des Grundstücks vom Schutzbereich des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erfasst. Auf seinen Wohnsitz vor Ort kommt es insoweit nicht an.
50Vgl. zur Einbeziehung des Eigentums an Grundstücken BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1982 ‑ 7 C 50/78 -, NJW 1983, 1507 = juris Rn. 13; Thiel, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: November 2014, § 3 BImSchG Rn. 22,
51Bei der Beurteilung, ob Geruchsbelastungen erheblich im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind, kann bis zum Erlass bundesrechtlicher Vorschriften auf die nordrhein-westfälische Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) in der Fassung vom 29. Februar 2008 und einer Ergänzung vom 10. September 2008 (anwendbar nach Maßgabe des Runderlasses des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - NRW - V-3-8851.4.4 - vom 5. November 2009) zurückgegriffen werden.
52Vgl. MBl. NRW 2009 Seite 533 sowie www.lanuv.nrw.de/luft/gerueche/bewertung.htm.
53In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Geruchsimmissions-Richtlinie bei der tatrichterlichen Bewertung der Erheblichkeit von Geruchsbelastungen als Orientierungshilfe herangezogen werden kann; sie enthält technische Normen, die auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von Sachverständigen beruhen und insoweit die Bedeutung von allgemeinen Erfahrungssätzen und antizipierten generellen Sachverständigengutachten haben.
54Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Mai 2007 - 4 B 5.07 -, BauR 2007, 1454 = juris Rn. 4; OVG NRW, Urteil vom 20. September 2007 - 7 A 1434/06 -, BauR 2008, 71 = juris Rn. 55 ff., sowie Beschlüsse vom 24. Juni 2004 - 21 A 4130/01 -, NVwZ 2004, 1259 = juris Rn. 9 ff., vom 14. März 2008 - 8 B 34/08 -, juris Rn. 12, vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, NWVBl. 2010, 277 = juris Rn. 31, vom 29. Oktober 2010 - 2 A 1475/09 -, NWVBl. 2011, 146 = juris Rn. 10, und vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 30; Nds. OVG, Urteil vom 12. November 2008 - 12 LB 17/07 -, juris Rn. 42, und Beschluss vom 14. Februar 2011 - 12 LA 8/09 -, NVwZ-RR 2011, 397 = juris Rn. 13.
55Nach Nr. 3.1 Tabelle 1 der GIRL gilt für Wohn-/Mischgebiete ein Immissionswert IW = 0,10 (10 % Jahresgeruchsstunden) und für Gewerbe-/Industriegebiete ein Immissionswert IW = 0,15 (15 % Jahresgeruchsstunden). Für Dorfgebiete gilt ebenfalls ein Immissionswert von 0,15. Einen Immissionswert für den Außenbereich, in dem sowohl das Vorhaben der Beigeladenen als auch das Wohnhaus des Klägers unstreitig liegen, regelt die GIRL nicht ausdrücklich. Sonstige Gebiete, in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, sind nach Nr. 3.1 Abs. 2 der GIRL entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechts den einzelnen Spalten der Tabelle 1 zuzuordnen. In der Begründung und den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.1 der GIRL, 4. Aufzählungspunkt, ist erläuternd ausgeführt, dass das Wohnen im Außenbereich mit einem immissionsschutzrechtlich geringeren Schutzanspruch verbunden sei. Vor diesem Hintergrund sei es möglich, unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls bei der Geruchsbeurteilung im Außenbereich einen Wert von bis zu 0,25 (25 % Jahresgeruchsstunden) für landwirtschaftliche Gerüche heranzuziehen (dazu näher unten unter I.5.a).
56Vgl. dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 32, und vom 9. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, NWVBl. 2014, 318 = juris Rn. 8.
57I. Zur Ermittlung der zu erwartenden Geruchshäufigkeit bedarf es grundsätzlich ‑ vorbehaltlich hier nicht vorliegender Ausnahmen - einer "auf der sicheren Seite" liegenden Prognose,
58vgl. insoweit OVG NRW, Beschlüsse vom 3. Februar 2011 - 8 B 1797/10 -, juris Rn. 5, vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 33, und vom 9. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, NWVBl. 2014, 318 = juris Rn. 11,
59bei der aus der Vorbelastung (dazu 1.) und der Zusatzbelastung unter Berücksichtigung der Abluftfahnenüberhöhung (dazu 2.) im Wege einer Ausbreitungsrechnung die voraussichtliche Gesamtbelastung (dazu 3.) unter Berücksichtigung der Rundungsregeln der GIRL (dazu 4.) ermittelt wird. Diese ist sodann an den nach der GIRL maßgeblichen Immissionswerten zu messen (dazu 5.).
601. Bei der Ermittlung der Vorbelastung sind solche Emissionsquellen nicht mit einzubeziehen, die dem Immissionspunkt selbst zuzurechnen sind (sog. Eigenbelastung). Dies gilt unabhängig davon, ob die eigenen Tiergerüche mit den von außen einwirkenden Tiergerüchen identisch sind.
61Der Text der GIRL enthält zu dieser Fragestellung keine ausdrückliche Aussage. Nach Nr. 4.2 der GIRL ist die im Genehmigungsverfahren zu ermittelnde vorhandene Belastung (IV) die von den vorhandenen Anlagen ausgehende Geruchsbelastung ohne die zu erwartende Zusatzbelastung, die durch das beantragte Vorhaben hervorgerufen wird. Ob von dem Begriff der „vorhandenen Anlagen“ auch eigene Geruchsimmissionen verursachende Anlagen umfasst sein sollen, ergibt sich hieraus nicht eindeutig. Gleiches gilt für die Auslegungshinweise zu Nr. 1 der GIRL, Punkt „Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich“, Unterpunkt „Betrachtung benachbarter Tierhaltungsanlagen“. Allerdings hat die Praxis, wie der Sachverständige Dr. C. vom LANUV NRW in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, die Eigenbelastung bislang grundsätzlich nicht bei der Vorbelastung und damit bei der Gesamtbelastung berücksichtigt. Dies liege unausgesprochen auch der GIRL zugrunde.
62Der Senat geht in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen und Mitverfasser der GIRL Dr. C. davon aus, dass die Eigenbelastung nicht in die Immissionsvorbelastung mit einzubeziehen ist. Die Gerüche aus eigener Tierhaltung werden zum einen, auch weil die Tierhaltung meist der Erzielung des Lebensunterhalts dient, nicht in gleicher Weise als störend empfunden wie Fremdgerüche, sondern als notwendig angesehen und hingenommen. Zum anderen sind - worauf der Sachverständige Dr. C. in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat - landwirtschaftliche Hofstellen teilweise aufgrund eigener (in unmittelbarer Nähe des Wohnhauses stehender) Tierhaltungsanlagen sogar so hohen Immissionsbelastungen ausgesetzt, dass diese bereits für sich genommen den maximal zulässigen Immissionswert (nahezu) erreichen oder sogar überschreiten. In derartigen Fällen hätte eine Einbeziehung der Eigenbelastung zur Folge, dass ein Landwirt allein aufgrund eigener Tierhaltung andere Anlagen auf benachbarten Hofstellen verhindern würde. Andererseits hat der Landwirt es in der Regel weitgehend selbst in der Hand, inwieweit er sich Geruchsimmissionen aus eigener Tierhaltung aussetzt. Bei einer Nichtberücksichtigung der Eigenbelastung würde ihre Reduzierung oder gar ihr Wegfallen dem Tierhalter auch stets unmittelbar selbst zu Gute kommen. Hingegen würde bei Berücksichtigung der Eigenbelastung anderen Emittenten die Möglichkeit eröffnet, den maßgeblichen Immissionspunkt nunmehr selbst höheren Immissionen auszusetzen. Ein Landwirt könnte somit in diesem Fall durch die Aufgabe eigener Tierhaltung oder z.B. die Verbesserung der Ablufttechnik nicht zwingend eine Verbesserung der eigenen Geruchsbelastung erreichen.
63Der Senat hat auch erwogen, den vorgenannten Problemen dadurch zu begegnen, dass zwar die Eigenbelastung in die Vorbelastung mit einbezogen, gleichzeitig aber bei den besonderen Randbedingungen des Einzelfalls die Eigenbelastung wertend zu Lasten des Betroffenen mit einem höheren Immissionswert berücksichtigt wird. Dies würde jedoch - bei einer aus Sicht des Senats angezeigten Berücksichtigung im gleichen Umfang - zu keinem grundsätzlich anderen Ergebnis führen. Zudem würde die Systematik der GIRL infrage gestellt. Gleiches würde für eine - ebenfalls denkbare - teilweise Berücksichtigung der Eigenbelastung gelten. Sie würde überdies eine wertende Betrachtung erfordern, für die die Maßstäbe fehlen mit der Folge einer erheblichen Unsicherheit bei der Anwendung der GIRL.
64Soweit der Kläger die Erheblichkeit der Geruchsimmissionen nicht nur für seine eigene Wohnung, sondern auch für den von ihm vermieteten Altenteiler geltend macht, gilt nichts anderes. In beiden Fällen ist das Eigentumsrecht betroffen. In Bezug auf einen eigenen Schutzanspruch etwaiger Mieter weist der Senat darauf hin, dass diese im Umfang der vorgefundenen Eigenbelastung des Tierhaltungsbetriebs jedenfalls im Ergebnis keine weitergehenden Schutzrechte haben dürften. Zwar haben die Mieter keinen direkten Einfluss auf den Umfang der Tierhaltung auf der von ihnen bewohnten Hofstelle. Ihre Wohnungen teilen jedoch das Schicksal der Hofstelle, von der sie das Vorrecht, im Außenbereich wohnen zu dürfen, ableiten (§ 35 Abs. 4 Nr. 1 BauGB). Auch die Nutzung der Mietsache ist mithin mit der „Geruchshypothek“ der Hofstelle belastet. Die (hier in Rede stehenden) Geruchsimmissionen durch Tierhaltung gefährden nicht die Gesundheit, sondern sind ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der zumutbaren Belästigung zu betrachten.
652. Bei Emissionen aus Kaminen ist zu berücksichtigen, dass sich bei Einhaltung spezieller Parameter die Abluft durch die Austrittsgeschwindigkeit bzw. den Temperaturunterschied besser verteilt und in der Folge der höheren Verdünnung in geringerem Maße auf einen Immissionsort einwirkt. Nach Ziffer 3.3.1.4 (Abluftfahnenüberhöhung) des Leitfadens zur Erstellung von Immissionsprognosen mit AUSTAL2000 in Genehmigungsverfahren nach TA Luft und der Geruchsimmissionsrichtlinie, Merkblätter Band 56 des Landesumweltamtes NRW,
66Essen 2006, abzurufen unter http://www.lanuv. nrw.de/veroeffentlichungen/merkbl/merk56/merk56.pdf,
67kann eine solche Überhöhung der Abluftfahne nur angenommen werden, wenn die Abluft in den freien Luftstrom gelangt. Dies sei in der Regel gewährleistet, wenn die Quellhöhe mindestens 10 m über der Flur und 3 m über First sei, die Abluftgeschwindigkeit in jeder Betriebsstunde minimal 7 m/s betrage und eine Beeinflussung durch andere Strömungshindernisse (Gebäude, Vegetation usw.) im weiteren Umkreis um die Quelle (in der Regel ein Kreis mit einem Radius entsprechend dem zehnfachen der Quellenhöhe) ausgeschlossen werde. In der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige erklärt, eine Beeinflussung sei bereits dann regelmäßig auszuschließen, wenn keine Strömungshindernisse im Umkreis entsprechend der sechsfachen Quellenhöhe vorhanden seien.
683. Soweit Nr. 4.6 (Auswertung) Abs. 2 der GIRL vorgibt, die Kenngröße der Gesamtbelastung IG ergebe sich aus der Addition der Kenngrößen für die vorhandene und die zu erwartende Zusatzbelastung, gilt dies nicht für den vorliegenden Fall einer Ausbreitungsrechnung. So weisen die Auslegungshinweise zu Nr. 4.6 der GIRL darauf hin, dass die dort angeführte Addition von Vorbelastung und Zusatzbelastung zur Gesamtbelastung nur für den Fall gelte, dass die Vorbelastung durch Rasterbegehung nach VDI 3949, Blatt 1 (2006) ermittelt worden sei. Werde in einer Prognose nur die Ausbreitungsrechnung für die Ermittlung der Gesamtgeruchsbelastung verwendet, so müssten die Geruchsimmissionen der vorhandenen Quellen (Vorbelastung) und die der neuen Quellen (Zusatzbelastung) in eine gemeinsame Rechnung Eingang finden.
69Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 30. Januar 2013 - 8 B 1130/12 -, Seite 6 des Beschlussabdrucks, nicht veröffentlicht, und vom 9. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, NWVBl. 2014, 318 = juris Rn. 33; Nds. OVG, Beschluss vom 18. Juli 2012 ‑ 12 LA 114/11 -, BauR 2012, 1769 = juris Rn. 11.
70Erfolgt hingegen eine Addition von Werten, die in Ausbreitungsrechnungen ermittelt worden sind, erweist sich dieses Vorgehen als nicht konform mit der GIRL. Die Addition einzelner Gerüche für einen Ort berücksichtigt nicht die Überlagerung von Geruchsfahnen und führt in der Folge grundsätzlich zu einer Überschätzung der zu erwartenden Immissionswerte. Lediglich für eine grobe, aufgrund der Überschätzung auf jeden Fall auf der sicheren Seite liegende Abschätzung zu erwartender Geruchsimmissionen kann eine derartige Addition einzelner Belastungen Verwendung finden. Hierauf weist das LANUV in seiner fachlichen Stellungnahme gegenüber dem Senat vom 5. September 2014 ausdrücklich hin.
714. Nach Nr. 4.6 der GIRL sind für die Berechnung der Kenngrößen der Gesamtbelastung IG bzw. IGb die Kenngrößen für die vorhandene Belastung und die zu erwartende Zusatzbelastung mit 3 Stellen nach dem Komma zu verwenden. Zum Vergleich der Kenngrößen der Gesamtbelastung IG bzw. IGb mit dem aus der Tabelle 1 zu entnehmenden Immissionswert für das jeweilige Gebiet sind sie auf zwei Stellen nach dem Komma zu runden. Diese Vorgaben über die Berechnung und die Rundung auf zwei Stellen nach dem Komma werden durch die GIRL nicht auf bestimmte Gesamtbelastungen eingeschränkt, sondern stellen eine allgemeine Rundungs- und Vergleichsregel dar. Die GIRL beruht - wie schon dargelegt - auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von Sachverständigen. Ihr kommt insoweit die Bedeutung von allgemeinen Erfahrungssätzen und antizipierten generellen Sachverständigengutachten zu. Zwar ist das Gericht bei der Bewertung der Erheblichkeit von Geruchsimmissionen mangels Rechtsnormqualität der GIRL nicht gehindert, von deren Ergebnis abzuweichen. Der Außerachtlassung bloß einzelner Teile der GIRL steht aber grundsätzlich entgegen, dass diese als vorweggenommene sachverständige Bewertung ein Gesamtkonzept verfolgt, das nicht nur partiell angewendet werden kann.
725. Immissionswerte für den - hier betroffenen - Außenbereich sieht die GIRL nicht ausdrücklich vor. Sonstige Gebiete, in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, sind entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechts den einzelnen Spalten der Tabelle 1 (Nr. 3.1. der GIRL) zuzuordnen. Auch im Außenbereich ist daher der für das Dorfgebiet geltende Immissionswert von 0,15 für Tierhaltungsgerüche maßgeblich. Die Bestimmung eines höheren Immissionswerts für landwirtschaftliche Gerüche (dazu a) im Außenbereich bis 0,25 setzt das Vorliegen besonderer Einzelfallumstände voraus. Erforderlich ist stets eine Prüfung und Darlegung der maßgeblichen Zumutbarkeitsaspekte des konkreten Einzelfalls und eine wertende Gewichtung aller speziellen Randbedingungen des Einzelfalls (dazu b und c).
73a) „Landwirtschaftliche Gerüche“ im vorstehenden Sinne sind nicht nur solche aus landwirtschaftlichen Betrieben im Sinne des § 201 BauGB. Auch Gerüche aus bauplanungsrechtlich als gewerblich einzuordnenden Tierhaltungsanlagen sind hierunter zu fassen.
74Der Sachverständige Dr. C. hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, in dem der GIRL maßgeblich zu Grunde liegenden Forschungsvorhaben seien nur Gerüche aus der Tierhaltung der Bezeichnung „landwirtschaftliche Gerüche“ zugeordnet worden. Auch bei der Erarbeitung der GIRL sei der Begriff mangels Unterscheidbarkeit der Herkunft der Gerüche einheitlich verstanden worden.
75Dementsprechend nehmen die Auslegungshinweise zu Nr. 3.1 der GIRL, 4. Aufzählungspunkt, nicht nur § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, also die Land- und Forstwirtschaft, in Bezug, sondern allgemein § 35 Abs. 1 BauGB und somit auch gewerbliche Tierhaltungsanlagen, deren Privilegierung allein nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB in Betracht kommt.
76Dieses Verständnis der Auslegungshinweise entspricht auch dem Sinn und Zweck des durch die GIRL ausgestalteten Systems der Bewertung, welche Geruchsimmissionen in der jeweiligen Situation als noch hinnehmbar anzusehen sind. Eine Unterscheidung im fachlichen Sinne, also hinsichtlich der Art des Geruchs, zwischen Tierhaltungsgerüchen aus Landwirtschaft im Sinne des § 201 BauGB und solchen aus gewerblichen Tierhaltungsanlagen besteht nicht. Die Wahrnehmung von Tierhaltungsgerüchen ist nicht an die rechtliche Einordnung des Produktionsbetriebs gekoppelt.
77Vgl. in diesem Sinn VG Minden, Beschluss vom 24. Februar 2014 - 11 K 805/11 -, juris Rn. 84 ff.; vgl. weiterhin auch OVG NRW, Beschluss vom 30. Januar 2013 - 8 B 1130/12 -, Seite 9 des Beschlussabdrucks, nicht veröffentlicht.
78Allerdings ist der Umstand, dass der landwirtschaftliche Betrieb im bauplanungsrechtlichen Sinn eine besondere Verbindung zu den genutzten Flächen und der Hofstelle aufweist, nachfolgend bei der Frage wertend zu berücksichtigen, ob und inwieweit unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände ein höherer Immissionswert als 0,15 maßgeblich ist.
79b) Eine Erhöhung des im Außenbereich im Ausgangspunkt geltenden Immissionswerts von 0,15 auf einen Wert bis zu 0,25 bedarf stets einer Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls.
80Die gegenteilige Auffassung des Beigeladenen, für Wohnungen auf (auch ehemals) landwirtschaftlichen Hofstellen sei immer ein höherer Immissionswert als 0,15 anzusetzen, ist unzutreffend. Zwar verweisen die Auslegungshinweise zu Nr. 1 der GIRL, Punkt „Vorgehen im Landwirtschaftlichen Bereich“, Unterpunkt „Betrachtung benachbarter Tierhaltungsanlagen“ darauf, dass bei Betrachtung der Wohnhäuser benachbarter Tierhaltungsanlagen davon auszugehen sei, dass die Grenze der erheblichen Belästigung deutlich über der liege, die bei unbeteiligten Dritten anzusetzen wäre. Dass damit bei Wohnen im Zusammenhang mit Tierhaltungsbetrieben der Wert grundsätzlich höher als 0,15 liegen müsse, ist aber weder unter dem Blickwinkel des Wortlautes noch der Systematik zwingend oder nahe gelegt. Dies wird insbesondere auch durch die Aussage des Sachverständigen Dr. C. bestätigt, der Wert von 25 % sei bewusst nicht in die Auflistung der Immissionswerte in den vorderen Teil der GIRL eingestellt worden, um den Fehlschluss zu vermeiden, dieser Wert sei im Außenbereich grundsätzlich maßgeblich.
81Bei der Prüfung, ob unter Berücksichtigung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls eine Erhöhung des Immissionswerts von 0,15 im Außenbereich gerechtfertigt ist, ist die Feststellung einer Außenbereichslage daher nur notwendige, aber für sich allein nicht hinreichende Bedingung. Insoweit bedarf es vielmehr einer Einzelfallbeurteilung durch die Genehmigungsbehörde, die unter Berücksichtigung vor allem der konkreten örtlichen Gegebenheiten zu erfolgen hat.
82Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 41, vom 30. Januar 2013 - 8 B 1130/12 -, Beschlussabdruck Seite 7, nicht veröffentlicht, vom 9. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, NWVBl. 2014, 318 = juris Rn. 70, und vom 22. Mai 2015 ‑ 8 B 1029/14 -, zur Veröffentlichung vorgesehen, Beschlussabdruck Seite 14.
83Je höher das Gewicht der für die Zumutbarkeit sprechenden Gesichtspunkte ist, umso höher kann der maßgebliche Immissionswert über dem Wert 0,15 liegen. Der in den Auslegungshinweisen genannte Wert von 0,25 bildet dabei grundsätzlich eine „olfaktorische Schallmauer“. Dies wird durch die Erläuterungen des Sachverständigen Dr. C. in der mündlichen Verhandlung bestätigt, das LANUV NRW lege im Außenbereich eine grundsätzliche Obergrenze von 25 % der Jahresgeruchsstunden für landwirtschaftliche Gerüche zugrunde. Dahinter stehe unter anderem der Gedanke, dass bei der gebotenen Berücksichtigung der in der GIRL vorgesehenen Gewichtungsfaktoren - etwa bei den Rindern 0,5 - dieser Wert einer tatsächlichen Dauer der Geruchseinwirkung von bis zu 50 % der Jahresgeruchsstunden entsprechen könne.
84Der Wert 0,25 für landwirtschaftliche Gerüche im Außenbereich stellt allerdings entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keine absolute Obergrenze dar. Die Auslegungshinweise zu Nr. 1 der GIRL gehen davon aus, dass unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls auch Immissionen über einem Wert von 0,25 nicht ausnahmslos zur Unzumutbarkeit führen müssen. Die Bestimmung eines Immissionswertes von über 0,25 kommt allerdings nur in sehr seltenen Ausnahmefällen bei Vorliegen ganz außergewöhnlicher Einzelfallumstände in Betracht.
85Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Mai 2015 ‑ 8 B 1029/14 -, Seite 16 des Beschlussabdrucks, zur Veröffentlichung vorgesehen; vgl. weiterhin OVG NRW, Beschlüsse vom 12. August 2008 ‑ 10 A 1666/05 -, juris Rn. 19, und vom 16. März 2009 - 10 A 259/08 -, juris Rn. 20 ff.; Nds. OVG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 1 LC 130/09 -, juris Rn. 65; Bay. VGH, Beschluss vom 9. Oktober 2012 - 1 ZB 12.1023 -, juris Rn. 16.
86Denkbar kann dies etwa sein, wenn durch Erteilung einer Verbesserungsgenehmigung nach § 6 Abs. 3 BImSchG eine signifikante Verbesserung der bisher über dem Wert von 0,25 liegenden Immissionsbelastung - z.B. durch immissionsmindernde Maßnahmen auch im Bestand - herbeigeführt werden kann. Anzustrebender Zielwert bleibt aber auch in diesen Fällen die Verringerung der Immissionen auf ein Niveau von maximal 0,25.
87Vgl. insoweit auch: Nds. OVG, Urteil vom 26. November 2014 - 1 LB 164/13 - BauR 2015, 464 = juris Rn. 40.
88Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass der von den Auslegungshinweisen zu Nr. 1 der GIRL in Bezug genommene Beschluss des OVG NRW vom 18. März 2002 - 7 B 315/02 - auf Sachverhalte, die von der GIRL 2008 erfasst werden, keine Anwendung finden kann. Die Entscheidung ist vor Abfassung der aktuellen GIRL ergangen und hat daher - ungeachtet der Frage einer Berücksichtigung der Eigenbelastung - die Gewichtungsfaktoren der GIRL, die der Geruchsqualität der unterschiedlichen Tierarten Rechnung tragen, nicht mit einbeziehen können. Für die in jenem Verfahren relevante Rinderhaltung gilt heute nach der Tabelle 4 zu Nr. 4.6 der GIRL ein Gewichtungsfaktor von 0,5. Die in dem Beschluss angenommene zumutbare Geruchsbelastung von 50 % der Jahresgeruchsstunden entspricht damit - worauf auch der Sachverständige Dr. C. in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat - innerhalb des Systems der aktuellen GIRL einer gewichteten Geruchsbelastung von 25 % der Jahresgeruchsstunden.
89Der maßgebliche Immissionswert sollte aus Gründen der Rechtsklarheit in den behördlichen Genehmigungstenor (in Form einer Nebenbestimmung) aufgenommen werden. Wenn sich allerdings der Wert lediglich aus der Begründung des Bescheids oder jedenfalls aus den zulässig in Bezug genommenen Antragsunterlagen ergibt, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden.
90c) Bei der Prüfung des Einzelfalls sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen und zu gewichten, zu denen insbesondere die Ortsüblichkeit und Siedlungsstruktur (dazu aa), die Nutzung des betreffenden Gebäudes (dazu bb), die historische Entwicklung (dazu cc) und die besondere Ortsgebundenheit von Immissionsquellen (dazu dd) zu rechnen sind.
91aa) Maßgeblich für die Frage, ob und wie weit der Immissionswert von 0,15 im Außenbereich bis zu einem Wert von 0,25 überschritten werden kann, ist zunächst die Ortsüblichkeit im Sinne einer Vorprägung der maßgeblichen Umgebung zu berücksichtigen. Weist die Umgebung, in der die zu errichtende Anlage sowie der Immissionsort liegen, eine Prägung durch landwirtschaftliche Nutzungen - zum Beispiel durch das Vorhandensein mehrerer Betriebe auf engem Raum - auf, muss ein dort Wohnender Gerüche aus der Tierzucht in höherem Umfang hinnehmen.
92Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. März 2009 - 7 D 129/07.NE -, BRS 74 Nr. 22 = juris Rn. 126, und Beschluss vom 16. März 2009 - 10 A 259/08 -, juris Rn. 21; vgl. für den Übergang von Dorfgebieten und Außenbereich: Bay. VGH, Beschluss vom 18. August 2010 ‑ 22 CS 10.1686, 22 CS 122 CS 10.1687 -, juris Rn. 8; Hess. VGH, Beschluss vom 10. April 2014 - 9 B 2156/13 -, NuR 2014, 864 = juris Rn. 82.
93Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich aufgrund der historischen Entwicklung landwirtschaftliche Prägungen über einen langen Zeitraum entwickeln und sich in der Folge auch nur allmählich verändern oder abschwächen.
94In einem derartigen Umfeld bedarf auch die Siedlungsstruktur der Berücksichtigung. Einzelnen Wohnnutzungen im Außenbereich kommt - losgelöst von den nachfolgenden Faktoren - ein geringeres Gewicht zu als etwa Wohnbebauung unterhalb der planungsrechtlichen Schwelle des § 34 Abs. 1 BauGB beispielsweise in Form von sog. Weilern, Straßendörfern oder Streusiedlungen.
95bb) Entsprechend den Auslegungshinweisen zu Nr. 1 der GIRL, Punkt „Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich“, Unterpunkt „Betrachtung benachbarter Tierhaltungsanlagen“ kann Wohnnutzungen im Außenbereich, die im Zusammenhang mit Tierhaltungsanlagen stehen, ein geringerer Schutzanspruch zukommen. Insoweit ist - generalisierend - davon auszugehen, dass eine wechselseitige Rücksichtnahme im Hinblick auf die Geruchssituation im Sinne eines „Gebens und Nehmens“ erfolgt und eine Hinnahme der Gerüche anderer Tierhaltungen in dem Wissen erfolgt, dass auch umgekehrt geruchliche Belastungen hingenommen werden.
96Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. März 2002 - 7 B 315/02 -, NVwZ 2002, 1390 = juris Rn. 11, und vom 16. März 2009 - 10 A 259/08 -, juris Rn. 23; OVG Lüneburg, Urteil vom 26. November 2014 - 1 LB 164/13 -, BauR 2015, 464 = juris Rn. 37.
97Reinen Wohnnutzungen ohne diese wechselbezügliche Belastung kann mithin ein höherer Schutzanspruch gegenüber Tiergerüchen zukommen. Auch insoweit ist aber zu berücksichtigen, dass Mietern auf Hofstellen, die im oben beschriebenen Sinne mit einer „Geruchshypothek“ belastet sind, keine stärkere Rechtsposition zukommen dürfte als dem tierhaltenden Eigentümer und Vermieter.
98cc) Im Sinne einer historischen Betrachtung ist dabei nicht nur der jetzige Zustand in die Wertung einzubeziehen, sondern auch die Nutzung in der Vergangenheit. Einem Gebäude, das auch in der Vergangenheit stets nur zu Wohnzwecken ohne besondere Zweckbestimmung gedient hat, kann ein höherer Schutzanspruch zukommen als solchen Wohnhäusern, die zwar heute nur noch Wohnzwecken dienen, aber ursprünglich Teil einer landwirtschaftlichen Hofstelle mit Tierhaltung waren, auch wenn diese aufgegeben worden ist. Diese nehmen dabei jedenfalls regelmäßig im Fall der Aufgabe der Landwirtschaft die Privilegierung des § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB in Anspruch, so dass sich ihr Vorhandensein von der bisherigen Landwirtschaft ableitet.
99Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16. März 2009 - 10 A 259/08 -, juris Rn. 25, und vom 24. Februar 2014 - 8 B 1011/13 -, NWVBl. 2015, 63 = juris Rn. 35; OVG Lüneburg, Urteil vom 26. November 2014 - 1 LB 164/13 -, BauR 2015, 464 = juris Rn. 38.
100In welchem Umfang und wie lange ein geringerer Schutzanspruch nachwirkt, bedarf der Bewertung im Einzelfall, wobei der Umfang der jeweiligen Tierhaltung und die damit einhergehende Geruchsbelastung ebenso Berücksichtigung finden können wie die weitere Entwicklung der Umgebung. Solange die Umgebung weiterhin von landwirtschaftlicher Nutzung geprägt ist und insoweit die Wechselbezüglichkeit grundsätzlich fortbesteht, kann auch ein höheres Maß an Geruchsimmissionen hinzunehmen sein.
101Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Februar 2014 - 8 B 1011/13 -, NWVBl. 2015, 63 = juris Rn. 35; OVG Lüneburg, Urteil vom 26. November 2014 - 1 LB 164/13 -, BauR 2015, 464 = juris Rn. 39.
102dd) Schließlich kann auch die besondere Ortsgebundenheit der Anlage Eingang in die Bewertung finden. Ist eine solche Teil eines landwirtschaftlichen Betriebs im Sinne der § 201 BauGB, ist zu berücksichtigen, dass dieser mit der Hofstelle und den zum ihm gehörenden landwirtschaftlichen Flächen besonders verbunden ist. Die bodenbezogene Urproduktion auf diesen Flächen, die die Tierhaltung auf der Basis überwiegend eigener Futtergrundlage erst ermöglicht, setzt eine angemessene Berücksichtigung der besonderen betrieblichen Belange voraus. Die Standortwahl für betriebsbezogene Gebäude muss sich dabei maßgeblich an Zweckmäßigkeitserwägungen einer sachgerechten landwirtschaftlichen Betriebsführung ausrichten. Hierzu gehört auch eine räumliche Nähe zwischen den eigenen landwirtschaftlichen Betriebsgebäuden und der Hofstelle, welche etwa die Versorgung des Tierbestands mit selbst produziertem Futter maßgeblich erleichtert.
103Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. März 2002 ‑ 7 B 315/02 -, NVwZ 2002, 1390 = juris Rn. 11.
104Derartige Belange kann eine im Außenbereich allein aufgrund der von ihr ausgehenden nachteiligen Wirkung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert zulässige gewerbliche Tierhaltung nicht für sich in Anspruch nehmen, da eine Bindung an landwirtschaftliche Produktionsflächen nicht besteht. Allein die Tatsache, dass etwa Eigentumsflächen im Außenbereich vorhanden sind, oder sonstige betriebliche Vorteile wie die Nähe zu dem vorhandenen Wohnhaus stehen dem nicht gleich.
105II. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe gehen von dem Vorhaben der Beigeladenen keine erheblichen Belästigungen aus. Die im Einzelfall zu ziehende Grenze der Erheblichkeit (dazu 1.) wird durch die auf die klägerische Wohnbebauung insgesamt einwirkenden Geruchsimmissionen einschließlich der des geplanten Vorhabens der Beigeladenen nicht überschritten (dazu 2.).
1061. Maßgebend ist im vorliegenden Einzelfall ein Immissionswert von 0,25 bezogen auf landwirtschaftliche Gerüche. Aufgrund der besonderen Randbedingungen des Einzelfalls, wie der landwirtschaftlichen Prägung (dazu a), der bestehenden landwirtschaftlichen Hofstelle (dazu b) und der besonderen Ortsgebundenheit des Vorhabens der Beigeladenen (dazu c) ist eine Erhöhung des Immissionswertes von 0,15 bis zu diesem Wert möglich.
107a) Die Umgebung sowohl des Betriebs der Beigeladenen wie auch der Wohnbebauung auf dem Grundstück des Klägers ist seit langer Zeit durch landwirtschaftliche Nutzung und verschiedene (auch größere) Tierhaltungsbetriebe geprägt, die sich alle in einem Umkreis von nur wenigen hundert Metern befinden und somit in Bezug auf die Geruchssituation eng zusammenliegen. In diesem Bereich liegen die Hofstelle I,. auf der Schweinezucht betrieben wird, der W. mit bis zu 60 Pferden, der T. der Beigeladenen mit derzeit noch betriebener Rinderzucht sowie der M., auf dem Rinder- und Schweinezucht betrieben wird. Ausweislich der von dem Senat eingesehenen Luftbilder der Umgebung werden die umliegenden Flächen landwirtschaftlich genutzt. Die vorhandenen Wohnhäuser weisen alle einen Bezug zu diesen landwirtschaftlichen Hofstellen auf.
108b) Für den Kläger erweist sich in diesem Einzelfall ein Immissionswert von 0,25 auch deshalb als noch hinnehmbar, weil er sich als Landwirt, der auf seiner Hofstelle nunmehr nur noch Ackerbau betreibt (dazu aa), die von dem Schweinemastbetrieb ausgehenden Geruchsimmissionen jedenfalls zu einem erheblichen Teil wertungsmäßig zurechnen lassen muss (dazu bb).
109aa) Der Kläger hat aus betrieblichen Erwägungen seinen landwirtschaftlichen Betrieb auf reinen Ackerbau umgestellt. Dies führt - ebenso wenig wie eine gänzliche Aufgabe der Landwirtschaft - nicht zu einer geringeren Erheblichkeitsschwelle für landwirtschaftliche Gerüche. Vielmehr bleibt er im Rahmen der Variationsbreite der Landwirtschaft und ist somit mit einer vergleichbaren Verpflichtung zur Hinnahme von Geruchsimmissionen belastet wie zuvor. Andernfalls hätte es der jeweilige Betreiber einer Tierhaltungsanlage allein durch die Änderung des Betriebskonzepts in der Hand, die Zumutbarkeitsschwelle zu senken und den umliegenden Betrieben, mit denen er in einem wechselseitigen Verhältnis des Duldens steht, einseitig über die Bestandsgenehmigungen hinaus die Möglichkeit etwa der Erweiterung zu nehmen. Dies würde gerade auch deshalb zu einem Wertungswiderspruch führen, da er selbst weiterhin als - wenngleich anders ausgerichteter - Landwirt die bauplanungsrechtliche Privilegierung der §§ 35 Abs. 1 Nr. 1, 201 BauGB in Anspruch nimmt.
110bb) Wesentliche Teile des Schweinemastbetriebs waren ursprünglich Teil des von ihm geführten landwirtschaftlichen Betriebs (dazu aaa) und weisen aufgrund von Baulasten auch weiterhin eine besondere rechtliche Verbindung zu ihm auf (dazu bbb).
111aaa) Die Schweinehaltung der I.-T. GbR steht in einem engen räumlichen Zusammenhang mit dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers und ist historisch als Teil einer einheitlichen landwirtschaftlichen Hofstelle anzusehen. Vorliegend hat der Kläger die Schweinehaltung zwar nach eigenen Angaben im Jahr 1999 aufgegeben. In der Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls ist aber zu berücksichtigen, dass er in der Folge das Grundstück geteilt und Teile mit den bestehenden Schweineställen und sonstigen Einrichtungen an die nunmehrigen Gesellschafter der I.-T. GbR veräußert hat. Diese haben in der Folge die Aufteilung der bestehenden Schweinemast angezeigt. Die Stadt H. erteilte beiden Betreibern Baugenehmigungen für die jeweilige Teilübernahme der Schweinemastanlage. Im Jahr 2002 zeigte die I.-T. GbR dem Staatlichen Umweltamt Krefeld an, dass sie die auf den beiden Flurstücken B und C befindlichen Stallungen nunmehr wieder als eine Anlage - und zwar auf der Grundlage der früher erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung - betreibe. Mithin setzte die Betreiberin den Betrieb der ursprünglich durch den Kläger betriebenen Anlage mit den - jedenfalls ganz überwiegend - unveränderten Anlagen fort.
112Es liegt nicht im Ermessen des jeweiligen Inhabers der Hofstelle, durch Veräußerung emittierender Tierhaltungsanlagen an eine rechtlich von ihm zu unterscheidende Person diese immissionsschutzrechtlich einer anderen Bewertung zu unterwerfen - hier durch den sodann fehlenden eigenen Beitrag zu den Immissionen -, ohne dass eine bestehende räumlich-funktionale Einheit und die historische Entwicklung Berücksichtigung findet. Dies würde im Übrigen auch zu einer missbräuchlichen Gestaltung zum Nachteil der übrigen Betreiber von Tierhaltungsanlagen einladen können.
113bbb) Wesentliche Teile des Schweinemastbetriebs sind mit der Hofstelle des Klägers auch weiterhin durch Baulasten in rechtlich erheblicher Weise besonders verbunden.
114Durch Eintragung vom 6. März 1983 wurde eine Baulast begründet, mit der das Wohnhaus des Klägers als Betriebsleiterwohnhaus an den auf dem damaligen Flurstück 84 bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb gebunden worden ist. Diese Verbindung wurde ausdrücklich als dauerhaft und ständig bezeichnet. Eine Teilung und getrennte Veräußerung wurde ausgeschlossen. Die Bindung des Betriebsleiterwohnhauses umfasst somit nicht nur den heute von dem Kläger geführten landwirtschaftlichen Betrieb auf dem Flurstück A, sondern auch die auf den Flurstücken B und C weiterhin bestehenden Schweinemastställe. Die für das Flurstück übernommene Baulast setzt sich insoweit an den durch die Teilung entstandenen Flurstücken fort. Dies folgt, obwohl eine ausdrückliche Regelung in der Bauordnung hierzu fehlt, aus dem Regelungsgedanken des § 1026 BGB, wonach eine Grunddienstbarkeit bei Teilung des dienenden Grundstücks nur insoweit erlischt, als die Ausübung der Grunddienstbarkeit auf einen bestimmten Teil des Grundstücks beschränkt ist.
115Vgl. insoweit zur Grunddienstbarkeit: OLG München, Beschluss vom 5. Januar 2012 - 34 Wx 543/11 -, juris Rn. 8; Mayer, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2009, § 1026 Rn. 1; Grziwotz, in: Erman, BGB, 14. Auflage 2014, § 1026 Rn. 2.
116Dabei kommt es auf die Frage, ob die immissionsschutzrechtliche Genehmigung der bestehenden Mastställe in Folge der Aufteilung der Ställe und das Unterschreiten der maßgeblichen Schwellenwerte nach der 4. BImSchV erloschen ist, nicht maßgeblich an. Auch ein mehrmonatiges Brachliegen der Schweinezucht stellt im Zusammenhang mit dem Übergang der Einrichtungen auf den Erwerber keine Unterbrechung dar, die angesichts der Kontinuität der äußeren Umstände den sodann aufgenommenen Betrieb als etwas wesentlich anderes erscheinen ließe. Für die Berücksichtigung der von dem Kläger hinzunehmenden Geruchsimmissionen erweist es sich weiterhin als nicht maßgeblich, dass die Mastställe zwischenzeitlich aufgrund der Eigentumsstrukturen als baurechtlich genehmigte Anlagen aus dem Regelungsregime des BImSchG herausgefallen sind. Der Umfang der sich ergebenden Geruchsimmissionen an dem Wohnhaus des Klägers unterscheidet sich nicht aufgrund der gesetzlichen Regelung, aufgrund derer die Anlage genehmigt worden ist.
117Der Berücksichtigung im Rahmen der Einzelfallwertung jedenfalls im Umfang des im Zeitpunkt der Veräußerung bestehenden Betriebs steht nicht entgegen, dass die I.-T. GbR den Schweinemastbetrieb im Jahr 2012 durch Neubau eines weiteren, 2.600 Mastplätze umfassenden Stallgebäudes erheblich vergrößert hat. Die ursprünglich vorhandenen Stallungen mit nunmehr noch 2.213 Mastplätzen treten dahinter jedenfalls nicht in solchem Umfang zurück, dass der Schweinemastbetrieb nunmehr als ein gänzlich anderer als der erscheint, den der Kläger 1999 veräußert hat.
118Für eine Vergleichbarkeit der von dem Schweinemastbetrieb ausgehenden Geruchsimmissionen mit solchen vom eigenen Betrieb ausgehenden spricht im vorliegenden Fall schließlich, dass das Grundstück des Klägers mit der Flurstücksnummer A gemeinsam mit den angrenzenden Flurstücken B und C, die den veräußerten Stallbestand umfassen, mit einer Vereinigungsbaulast aus dem Jahr 2000 belastet ist. Nach dem Inhalt dieser Baulast sollen die drei Flurstücke (dort bezeichnet durch die Teilstücke A, B und C des ursprünglichen Flurstücks) nicht nur bauordnungs-, sondern auch bauplanungsrechtlich als ein Grundstück anzusehen sein.
119Vgl. zur Möglichkeit der Erstreckung einer Baulast auch auf das Planungsrecht BVerwG, Beschluss vom 12. November 1987 - 4 B 216/87 -, Buchholz 406.17 BauordnungsR Nr. 24 = juris Rn. 2.
120Insoweit kann sich der Kläger gegenüber dem Schweinemastbetrieb, jedenfalls soweit dieser auf den Flurstücken B und C ausgeübt wird, nicht auf das bauplanungsrechtliche, im Außenbereich über § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB wirkende Gebot der Rücksichtnahme berufen, da ihm insoweit keine nachbarlichen Abwehrrechte zukommen.
121Vgl. zu der Möglichkeit, sich der aus dem Rücksichtnahmegebot folgenden Abwehrrechte zu begeben, BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2000 - 4 C 3/00 -, NVwZ 2001, 813 = juris Rn. 17.
1222. Die auf die klägerische Wohnbebauung insgesamt einwirkenden und zu berücksichtigenden Geruchsimmissionen einschließlich der des geplanten Vorhabens der Beigeladenen überschreiten auf der Grundlage des von der Beigeladenen vorgelegten Geruchsimmissionsgutachtens Nr. 2101 des Dipl.-Ing. N. M. in der Fassung der zweiten Ergänzung vom 3. März 2014 sowie der weiteren Neuberechnung vom 16. September 2014 den Immissionswert von 0,25 nicht. Auch soweit das Haus des Klägers bei der Darstellung der Immissionsprognose in mehreren Rasterfeldern liegt, kommt maximal eine Immissionsbelastung von 0,25 in Betracht (dazu a). Dabei sind die jedenfalls aus den von dem Kläger veräußerten Stallanlagen emittierten Tiergerüche dem Kläger wertungsmäßig als Eigenimmissionen zuzurechnen (dazu b). Gleiches würde für die Mehrimmissionen gelten, soweit eine Abgasfahnenüberhöhung für den Stall BE 1 zu Unrecht angesetzt worden wäre (dazu c). Auch im Übrigen bestehen an den Ansätzen der vorgelegten Immissionsprognose keine Zweifel (dazu d).
123a) Soweit der Kläger der Auffassung ist, das vorgelegte Immissionsgutachten schließe nicht aus, dass an seinem Wohnhaus eine den Wert von 0,25 überschreitende Gesamtgeruchsbelastung vorliege, folgt der Senat dem nicht, losgelöst von der Frage, ob und inwieweit die Immissionen aus dem Schweinemastbetrieb überhaupt als Fremdbelastung zu berücksichtigen sind. Zwar weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass in der Darstellung der zu erwartenden Gesamtbelastung vom 16. September 2014 sein Wohnhaus in mehreren Rasterflächen liegt und für eine Rasterfläche die Gesamtbelastung mit 0,27 angegeben wird. Der in der mündlichen Verhandlung befragte Sachverständige des LANUV NRW hat jedoch nachvollziehbar ausgeführt, dass selbst bei - pessimaler - Mittelung beider Werte maximal eine Gesamtbelastung von 0,25 vorliege.
124b) Offenlassen kann der Senat vorliegend, ob die aus der Schweinehaltung der I.-T. GbR herrührenden Geruchsimmissionen dem Kläger in vollem Umfang wertungsmäßig als Eigenimmissionen zuzurechnen und daher bei der Ermittlung der Vorbelastung nicht zu berücksichtigen sind. Jedenfalls die aus den von dem Kläger veräußerten Stallanlagen (BE 1 und 2) emittierten Tiergerüche sind ihm bei wertender Betrachtung als Eigenimmissionen zuzurechnen. Zwar stehen weder die Grundstücke einschließlich der aufstehenden Schweinemastställe gegenwärtig in seinem Eigentum noch kann er Einfluss auf die Tierhaltung als solche nehmen. Wie vorstehend aber bereits ausgeführt, hat der Kläger die Schweinemastställe veräußert, so dass ihm ein entsprechender Erlös zugeflossen ist. Die beiden Ställe BE 1 und BE 2 werden nunmehr durch die Erwerber nahezu unverändert weiterbetrieben. Dies geschah bis in das Jahr 2012 sogar unter Ausnutzung der bisherigen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Weiterhin ist das Grundstück des Klägers mit der fortbestehenden Hofstelle durch eine Vereinigungsbaulast auch bauplanungsrechtlich mit den Ställen BE 1 und BE 2 verbunden, so dass dem Kläger insoweit kein planungsrechtlicher Rücksichtnahmeanspruch zukommt und er sich in der Folge gegen dort herrührende Geruchsbelästigungen nicht erfolgreich zur Wehr setzen kann. Gibt der Betreiber einer Tierhaltungsanlage durch Veräußerung die Einflussnahmemöglichkeit auf, verzichtet aber gleichzeitig gegenüber dieser Anlage auf seinen Rücksichtnahmeanspruch, ergibt sich kein Unterschied zu eigener Tierhaltung.
125Dass das Geruchsimmissionsgutachten die durch die Schweinemast bedingten Immissionen als Fremdvorbelastung berücksichtigt, steht der Annahme einer fehlenden Überschreitung des Immissionswertes IW = 0,25 nicht entgegen. Selbst bei vollständiger Einbeziehung der durch die Schweinezucht auf die klägerische Wohnbebauung einwirkenden Geruchsimmissionen beträgt die Gesamtbelastung - unter Berücksichtigung einer Abluftfahnenüberhöhung für den Stall BE 1 - am Haus des Klägers maximal 0,25.
126c) Ebenso bedarf es keiner Entscheidung, ob die vorgelegte Geruchsimmissionsprognose zu Recht für die von dem Schweinemaststall BE 1 ausgehenden Geruchsimmissionen eine Abluftfahnenüberhöhung angesetzt hat. Die für eine Abluftfahnenüberhöhung erforderliche Mindesthöhe der Kamine ist gegeben. Nach der Nebenbestimmung Nr. 35 zu der erteilten Änderungsgenehmigung vom 15. März 2012 sind im Zuge der Um- und Neubaumaßnahmen an dem bestehenden Stall BE 1 die Kamine auf mindestens 10 m über Grund und 3 m über Dachfirst zu erhöhen. Auch die Anforderungen an den Bewegungsimpuls sind eingehalten. Die erforderliche Mindestabluftgeschwindigkeit muss ausweislich der Nebenbestimmung Nr. 38 Satz 2 zu jeder Betriebsstunde mindestens 7 m/s betragen.
127Ob, wie der Kläger meint, der freie Luftstrom aufgrund der Höhe der östlich des Schweinestalls liegenden Gebäude seiner Hofstelle nicht ausreichend gesichert ist, um eine Abluftfahnenüberhöhung anzunehmen, kann vorliegend dahinstehen. Selbst wenn dem Kläger in dieser Einschätzung zu folgen sein sollte und sich in der Folge die tatsächliche Geruchsbelastung als höher erweisen würde, würde dies nicht zur Annahme einer höheren Gesamtbelastung IG im Sinne der GIRL führen. Wie bereits ausgeführt, sind dem Kläger jedenfalls die Geruchsimmissionen aus den Schweinemastställen BE 1 und BE 2 wertend als Eigenimmissionen zuzurechnen, die in der anzunehmenden Vor- wie auch der Gesamtbelastung nach der GIRL keine Berücksichtigung finden. Sind aber die von dem Schweinemaststall BE 1 hervorgerufenen Geruchsimmissionen insgesamt nicht zu berücksichtigen, kann auch der Wegfall der in dem Geruchsimmissionsgutachten für den Stall BE 1 angesetzten Abluftfahnenüberhöhung nicht zu einer Immissionserhöhung an der klägerischen Wohnbebauung führen.
128d) Gegen den Ansatz des vorgelegten Geruchsimmissionsgutachtens bestehen auch keine sonstigen Bedenken.
129Das Gutachten, das die Geruchsemissionen masttagabhängig mit einem Emissionskonventionswert von 180 GE/(s*GV) ansetzt, erfasst die zu erwartende Geruchsimmissionsbelastung am Haus des Klägers auch im Übrigen zutreffend.
130Soweit der Kläger vorträgt, die tatsächliche Geruchsbelastung sei höher als prognostiziert, und dies insbesondere mit den Geruchsvorbelastungen begründet, die jeweils in dem für die Erweiterung des landwirtschaftlichen Betrieb I. bzw. des Schweinemastbetriebs der I.-T. GbR vorgelegten Geruchsgutachten ausgewiesen worden seien, ist dieser Schluss nicht tragfähig. Entgegen der Ansicht des Klägers folgt aus dem von demselben Sachverständigenbüro mit der lfd. Nummer 2205 erstellten Geruchsimmissionsgutachten vom 18. Juni 2011 betreffend die Erweiterung der Hofstelle I. keine höhere Geruchsvorbelastung als in dem hier maßgeblichen Gutachten angenommen. Dort ist die für das Haus des Klägers angenommene Vorbelastung durch alle Quellen (Ist-Zustand) mit Ausnahme der Hofstelle I. insgesamt mit IVb = 20,5 % angegeben. Einschließlich der Hofstelle I. (Ist-Zustand) ohne die dort beantragten Schweineställe wird die Geruchsbelastung mit IGb1 = 23,4 % angegeben. Die Gesamtbelastung einschließlich des Vorhabens auf der Hofstelle I. und des Hähnchenmastbetriebs der Beigeladenen beträgt = 25,2 %. Die Berücksichtigung der Haltung von 84.500 Masthähnchen auf der Hofstelle des Beigeladenen sowohl für den Wert IGb1 wie auch für den Wert IGb2 folgt dabei aus der Übersicht über die Tierplätze und dem Ansatz der Quellen QUE_10 und QUE_11 in der Quellenübersicht des Gutachtens.
131Der in dem hier maßgeblichen Gutachten Nr. 2101 in der zeitlich damit korrespondierenden (Ursprungs-)Fassung vom 27. Januar 2011 benannte Vorbelastungswert (einschließlich der Erweiterung der Hofstelle I. um 740 Mastschweine als Quelle QUE_6, aber ohne die Hofstelle der Beigeladenen) betrug IVb = 20,8 %. Der als Gesamtbelastung ausgewiesene Wert IGb = 25,2 % (einschließlich der Erweiterung der Hofstelle I.) entsprach der in dem Gutachten Nr. 2205.
132Eine hieraus von dem Kläger abgeleitete schlichte Addition der sich jeweils ergebenden Mehrbelastungen für beide Vorhaben ist - wie ausgeführt - nicht zulässig. Soweit der Kläger im vorliegenden Fall einwendet, dass eine Überlagerung der Immissionen aus der Erweiterung der Hofstelle I. und dem Vorhaben der Beigeladenen schon wegen der unterschiedlichen Himmelsrichtung bezogen auf sein Wohnhaus ausgeschlossen erscheinen müsse, spricht hiergegen, dass bei Winden aus nordöstlichen Richtungen eine Überlagerung der Immissionen aus beiden Quellen geradezu naheliegend erscheint.
133Auch soweit der Kläger die fehlende Belastbarkeit der durch die Beigeladene vorgelegten Geruchsimmissionsprognose im Hinblick auf das anlässlich der Erweiterung des Schweinemastbetriebs I.-T. GbR vorgelegte Immissionsberechnung der V. und Partner GmbH vom 24. März 2011 anführt, die bereits ohne die Erweiterungsvorhaben der Beigeladenen und auf der Hofstelle I. zu einer Gesamtbelastung IGb zwischen 18 und 22 % an dem Wohnhaus des Klägers ausweise, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Die in dem von der V. und Partner GmbH vom 24. März 2011 ausgewiesene Gesamtbelastung IGb ohne die Erweiterungsvorhaben der Beigeladenen und auf der Hofstelle I. kann bereits deshalb nicht mit der hier maßgeblichen Immissionsprognose verglichen werden, weil sich die maßgeblichen Rahmenbedingungen geändert haben.
134Weiterhin kann sich der Kläger vorliegend auch nicht mit Erfolg darauf berufen, eine Geruchsfahnenüberlagerung zwischen dem Schweinemastbetrieb der I.-T. GbR und den übrigen Erweiterungen sei ausgeschlossen. Eine solche kommt bezüglich des durch die Änderungsgenehmigung vom 15. März 2012 genehmigten Schweinemaststalls BE 3 der I.-T. GbR und dem auf der Hofstelle I. genehmigten Schweinezuchtstall zunächst jedenfalls bei (eher seltenen) nördlichen Windrichtungen in Betracht. Als überwiegend maßgeblich erweist sich aber insbesondere die geringe Distanz des klägerischen Wohnhauses zu den Schweineställen auf seiner (erweiterten) Hofstelle, welche jedenfalls bei häufig vorherrschenden Schwachwindlagen zu einer Überlagerung der Geruchsfahnen unabhängig von der Windrichtung führt. Hierauf hat der in der mündlichen Verhandlung gehörte Sachverständige des LANUV NRW ausdrücklich hingewiesen.
135Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da diese in beiden Instanzen einen Antrag gestellt und sich somit jeweils einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat.
136Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
137Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Tenor
Die Anträge des Beklagten und der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 24. April 2012 werden abgelehnt.
Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens jeweils zur Hälfte; hiervon ausgenommen sind ihre eigenen Kosten, die sie jeweils selbst tragen.
Der Streitwert wird auch für das zweitinstanzliche Verfahren auf 15.000,00 € festgesetzt
1
G r ü n d e :
2Die Anträge auf Zulassung der Berufung haben keinen Erfolg.
3Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO innerhalb der Begründungsfrist formgerecht dargelegt ist und vorliegt. Das ist hier weder in Bezug auf den Antrag des Beklagten noch bezüglich des Antrags der Beigeladenen der Fall.
4A. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Das Vorbringen der Rechtsmittelführer stellt die selbstständig tragende Begründung des Verwaltungsgerichts, dass im vorliegenden Fall die Geruchsimmissionen über dem zulässigen Grenzwert von 0,25 (25 % der Jahresgeruchsstunden) lägen und die Zusatzbelastung nicht als irrelevant einzustufen sei, nicht in Frage.
5I. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann bei der Beurteilung, ob Geruchsbelastungen erheblich im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind, bis zum Erlass bundesrechtlicher Vorschriften auf die nordrhein-westfälische Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) in der Fassung vom 29. Februar 2008 und einer Ergänzung vom 10. September 2008 (anwendbar nach Maßgabe des Runderlasses des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - NRW - V-3-8851.4.4 - vom 5. November 2009) zurückgegriffen werden.
6Vgl. MBl. NRW 2009 S. 533 sowie www.lanuv.nrw.de/ luft/gerueche/bewertung.htm.
7In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Geruchsimmissions-Richtlinie bei der tatrichterlichen Bewertung der Erheblichkeit von Geruchsbelastungen als Orientierungshilfe herangezogen werden kann; sie enthält technische Normen, die auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von Sachverständigen beruhen und insoweit die Bedeutung von allgemeinen Erfahrungssätzen und antizipierten generellen Sachverständigengutachten haben.
8Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Mai 2007 - 4 B 5.07 -, BauR 2007, 1454 = juris Rn. 4; OVG NRW, Urteil vom 20. September 2007 - 7 A 1434/06 -, BauR 2008, 71 = juris Rn. 55 ff., sowie Beschlüsse vom 24. Juni 2004 - 21 A 4130/01 -, NVwZ 2004, 1259 = juris Rn. 9 ff., vom 14. März 2008 - 8 B 34/08 -, juris Rn. 12, vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, NWVBl. 2010, 277 = juris Rn. 31, vom 29. Oktober 2010 - 2 A 1475/09 -, NWVBl 2011, 146 = juris Rn. 10, und vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 30; Nds. OVG, Urteil vom 12. November 2008 - 12 LB 17/07 -, juris Rn. 42, und Beschluss vom 14. Februar 2011 - 12 LA 8/09 -, NVwZ-RR 2011, 397 = juris Rn. 13.
9Nach Nr. 3.1 Tabelle 1 der GIRL gilt für Wohn-/Mischgebiete ein Immissionswert (IW) von 0,10 (10 % der Jahresgeruchsstunden) und für Gewerbe-/Industriegebiete ein Immissionswert von 0,15 (15 % der Jahresgeruchsstunden). Für Dorfgebiete gilt ebenfalls ein Immissionswert von 0,15; einen Immissionswert für den Außenbereich regelt die GIRL nicht ausdrücklich. Sonstige Gebiete, in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, sind entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechts den einzelnen Spalten der Tabelle 1 zuzuordnen. In der Begründung und den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.1 GIRL ist erläuternd ausgeführt, dass das Wohnen im Außenbereich mit einem immissionsschutzrechtlich geringeren Schutzanspruch verbunden sei. Vor diesem Hintergrund sei es möglich, unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls bei der Geruchsbeurteilung im Außenbereich einen Wert bis zu 0,25 (25 % der Jahresgeruchsstunden) für landwirtschaftliche Gerüche heranzuziehen.
10Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 32.
11Nach Nr. 3.3 der GIRL soll die Genehmigung für eine Anlage auch bei Überschreitung der Immissionswerte der GIRL nicht wegen der Geruchsimmissionen versagt werden, wenn der von der zu beurteilenden Anlage in ihrer Gesamtheit zu erwartende Immissionsbeitrag auf keiner Beurteilungsfläche, auf der sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, den Wert 0,02 (2 % der Jahresgeruchsstunden) überschreitet (Irrelevanzkriterium).
12Zur Ermittlung der zu erwartenden Geruchshäufigkeit bedarf es grundsätzlich - vorbehaltlich von hier nicht vorliegenden Ausnahmen - einer „auf der sicheren Seite“ liegenden Prognose, bei der aus der Vor- und der Zusatzbelastung im Wege einer Ausbreitungsrechnung die voraussichtliche Gesamtbelastung ermittelt wird.
13Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 3. Februar 2011 - 8 B 1797/10 -, juris Rn. 5, und vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 33.
14Unter Beachtung dieser Maßstäbe ist das Verwaltungsgericht auf der Grundlage des eingeholten Geruchsgutachtens des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV NRW) vom 31. Mai 2011 in Verbindung mit den mündlichen Erläuterungen der Sachverständigen im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 24. April 2012 (sowie in Zusammenhang mit den ergänzenden Stellungnahmen des LANUV NRW vom 31. August 2011 und vom 31. Januar 2012) zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass durch das genehmigte Vorhaben der Beigeladenen unzumutbare Geruchsbelastungen gegenüber den Klägern hervorgerufen werden. Das Gutachten hat die Geruchsimmissionssituation unter Berücksichtigung eines Wertes von 60 GE/(s*GV) als mittleren Emissionsfaktor für Masthähnchen für die in der Umgebung bereits vorhandene Geruchsvorbelastung und eines (zeitreihenbezogenen) Wertes von 180 GE/(s*GV) für die vom Vorhaben des Beigeladenen ausgehende Zusatzbelastung berechnet. Nach jenem Gutachten beträgt am Wohnhaus der Kläger (Analysepunkt - ANP 2) die Gesamtvorbelastung durch alle bereits vorhandenen Emissionsquellen 0,29 (29 % der Jahresgeruchsstunden). Die Geruchszusatzbelastung durch den geplanten Stall beträgt (bei 35 Masttagen) ungewichtet 0,03 bzw. gewichtet 0,04 (3 % bzw. 4 % der Jahresgeruchsstunden), was zu einer Gesamtbelastung von gewichtet 0,33 (33 % der Jahresgeruchsstunden) führt (vgl. Seite 22 f. des Gutachtens). Damit ist der im Außenbereich im Einzelfall zulässige Grenzwert von 0,25 (25 % der Jahresgeruchsstunden) gemäß Nr. 3.1 der Begründung und Auslegungshinweise zur GIRL überschritten. Da die Zusatzbelastung über dem Irrelevanzkriterium gemäß Nr. 3.3 GIRL von 0,02 (2 % der Jahresgeruchsstunden) liegt, ist das Vorhaben der Beigeladenen auch nicht als irrelevant einzustufen.
15II. Die Rügen gegen das Gutachten des LANUV NRW vom 31. Mai 2011 greifen nicht durch.
161. Der Einwand der Rechtsmittelführer, das Gutachten des LANUV NRW beruhe auf dem aktuellen Wissenstand des Jahres 2011 und entspreche nicht dem Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der Genehmigungsentscheidung, als noch ein mittlerer Emissionsfaktor von „GE 50“ gemäß der KTBL-Schrift 333 allgemein anerkannt gewesen sei, bleibt ohne Erfolg.
17In Fällen der Anfechtung einer bau- oder immissionsschutzrechtlichen Genehmigung durch Dritte ist zwar grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Genehmigung maßgeblich.
18Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. April 1998 - 4 B 40.98 -, BauR 1998, 995 = juris Rn. 3; OVG NRW, Urteil vom 28. November 2007 - 8 A 2325/06 -, BauR 2008, 799 = juris Rn. 46 ff.
19Dies schließt es allerdings nicht aus, nachträglich gewonnene Erkenntnisse im Rahmen einer solchen Drittanfechtungsklage zu berücksichtigen. Denn hierbei handelt es sich nicht um nachträgliche Veränderungen der Sachlage, die zu Lasten des Bauherrn grundsätzlich nicht berücksichtigt werden dürfen, sondern lediglich um spätere Erkenntnisse hinsichtlich der ursprünglichen Sachlage.
20Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2011 - 8 A 372/09 -, juris Rn. 22.
21Messungen oder prognostische Begutachtungen zur Immissionssituation sind daher im verwaltungsgerichtlichen Verfahren für die rechtliche Bewertung auch dann anwendbar, wenn sie erst im Anschluss an das Genehmigungsverfahren durchgeführt werden.
22Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2007 - 4 C 2.07 -, BVerwGE 129, 209 = juris Rn. 20 f.; OVG NRW, Beschlüsse vom 16. Mai 2011 - 8 A 372/09 -, juris Rn. 22 ff., vom 3. August 2012 - 8 B 290/12 -, juris Rn. 9, und vom 23. April 2013 - 2 B 141/13 -, BauR 2013, 1251 = juris Rn. 9 f.
23Nichts anderes gilt für die einer solchen Messung oder Begutachtung zugrundeliegenden Beurteilungs- und Bewertungskriterien. Werden nach Erlass einer Genehmigung diese Kriterien überarbeitet oder liegen sonst neue Kriterien zur Bewertung vor, sind sie auch im Gerichtsverfahren als neue Erkenntnisquelle und Orientierungshilfe zur Beurteilung der Zumutbarkeit von (Geruchs-)Immissionen maßgeblich.
24Vgl. bereits – jeweils zur Anwendbarkeit einer neuen VDI-Richtlinie – OVG NRW, Beschluss vom 3. August 2012 - 8 B 290/12 -, juris Rn. 9, und Nds. OVG, Urteil vom 4. November 2003 - 1 LB 323/02 -, BauR 2004, 469 = juris Rn. 32.
25Diese Grundsätze werden nicht durchgreifend in Frage gestellt. Dies gilt insbesondere mit Blick darauf, dass - worauf der Beklagte hinweist - der Widerruf eines Verwaltungsaktes wegen „nachträglich eingetretener Tatsachen“ im Sinne von § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG oder § 21 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG nach allgemeiner Meinung auch aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse zulässig sein kann. Auch in diesem Zusammenhang ist vielmehr anerkannt, dass Erkenntnisfortschritte nicht die ursprüngliche Sachlage selbst verändern, sondern die Bewertung der bei Erlass des Verwaltungsakts gegebenen Sachlage betreffen.
26Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Juli 1982 - 7 B 190.81 -, NVwZ 1984, 102 = juris Rn. 5 (zu § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG), sowie OVG NRW, Urteil vom 9. Juli 1987 - 21 A 1556/86 -, NVwZ 1988, 173, und nachfolgend BVerwG, Beschluss vom 15. Februar 1988 - 7 B 219.87 -, NVwZ 1988, 824 = juris Rn. 5 (zu § 21 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG).
27Gemessen hieran ist es nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht auf das Gutachten des LANUV NRW vom 31. Mai 2011 abgestellt hat. Denn die dort angewandte Vorgehensweise, nämlich die Ermittlung der Geruchsvorbelastung aufgrund eines Wertes von 60 GE/(s*GV) gemäß VDI-Richtlinie 3894/Blatt 1 (2009) und der Geruchszusatzbelastung aufgrund eines zeitreihenbezogenen Wertes von 180 GE/(s*GV), ist - wie das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Ausführungen des LANUV NRW ausgeführt hat - inzwischen aktuelle wissenschaftliche Praxis und sachgerechte Methode.
28Dass die Berechnungsweise des LANUV NRW zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens vom 31. Mai 2011 dem fachlich anerkannten Erkenntnisstand entsprochen hat, stellen die Rechtsmittelführer nicht in Abrede. Auch ansonsten sind Zweifel hieran nicht ersichtlich. Der Vertreter des LANUV NRW hat am 24. April 2012 in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht plausibel erläutert, dass die auf der Grundlage einer fachwissenschaftlichen Studie beruhende „180-Methode“ inzwischen anerkannt sei (Gärtner, A.; Gessner, A.; Müller, F.; Both, R.: Ermittlung der Geruchsemissionen einer Hähnchenmastanlage. Gefahrstoffe - Reinhaltung der Luft 69 [2009] Nr. 11/12 - Nov./Dez., S. 485-489). Bestätigt wird dies auch durch den von den Klägern im Zulassungsverfahren vorgelegten Beitrag (Geburek, F.; Hebbinghaus, H.; Sowa, A.: Zeitreihen zur Beschreibung der Emissionen aus der Hähnchenmast und ihre Auswirkung auf das Ergebnis der Immissionsprognose, in: VDI-Berichte Nr. 2141 - Gerüche in der Umwelt [2011], S. 197-218). Gegenteilige wissenschaftliche Stellungnahmen haben die Rechtsmittelführer nicht vorgelegt.
29Durfte das Verwaltungsgericht nach alledem auf den Inhalt des Gutachtens des LANUV NRW vom 31. Mai 2011 abstellen, geht auch die weitere Rüge der Rechtsmittelführer ins Leere, das Gutachten des Ingenieurbüros S. & I. vom 10. März 2009, welches die Geruchsbelastung auf der Grundlage eines „GE-Wertes von 50“ berechnet habe, sei durch die Bezirksregierung E. im Rahmen einer Fachaufsichtsbeschwerde unbeanstandet geblieben und auch das LANUV NRW habe bei einer hierbei durchgeführten Plausibilitätsprüfung jedenfalls hinsichtlich des angewandten Emissionsfaktors keine Bedenken angemeldet. Sowohl die fachaufsichtsbehördliche Prüfung als auch die Plausibilitätsprüfung durch das LANUV NRW sind im Genehmigungsverfahren und damit zu einem Zeitpunkt erfolgt, als der Ansatz von 50 GE/(s*GV) als mittlerer Emissionsfaktor noch vom LANUV NRW anerkannt wurde. Schon deshalb stehen die Ergebnisse jener Prüfungen einer Anwendbarkeit des Gutachtens des LANUV NRW vom 31. Mai 2011, welches auf neueren Erkenntnissen beruht, nicht entgegen.
302. Ebenso ohne Erfolg bleiben die weiteren Einwände gegen das Gutachten des LANUV NRW vom 31. Mai 2011.
31a) Das Zulassungsvorbringen beanstandet zu Unrecht, dass das LANUV NRW bei der Ermittlung der Geruchsvorbelastungen auch weiter entfernt liegende geruchsemittierende Quellen berücksichtigt hat.
32Die Beigeladene trägt insoweit vor, dass das vom LANUV NRW gewählte „Beurteilungsgebiet“ mit einem Radius von 1.200 m um den geplanten Standort der Anlage unzutreffend - namentlich zu groß - festgelegt worden sei. Zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung sei es gemäß Nr. 4.4.2 GIRL für Anlagen, die dem Umfang der hier streitgegenständlichen Anlage entsprächen, übliche Verwaltungspraxis gewesen, einen Radius von 600 m zu wählen. Dieser Radius sei daher im Genehmigungsverfahren auch Grundlage des Gutachtens des Ingenieurbüros S. & I. vom 10. März 2009 gewesen; jenes Gutachten sei im Rahmen der Plausibilitätsprüfung durch das LANUV NRW insoweit unbeanstandet geblieben.
33Dieses Vorbringen stellt das Geruchsgutachten des LANUV NRW vom 31. Mai 2011 nicht in Frage. Es steht vielmehr im Einklang mit der Geruchsimmissions-Richtlinie, für eine vollständige Vorbelastungserfassung auch weitere geruchsemittierende Quellen einzubeziehen. Nach Nr. 4.4.2 GIRL ist das Beurteilungsgebiet zwar grundsätzlich so festzulegen, dass sich die Beurteilungsflächen vollständig innerhalb eines Kreises um den Emissionsschwerpunkt mit einem Radius befinden, der dem 30fachen der Schornsteinhöhe entspricht; als kleinster Radius ist 600 m zu wählen. Danach soll sichergestellt werden, dass das Beurteilungsgebiet keinesfalls kleiner ausfallen soll, als es einem Radius von 600 m um den Emissionsschwerpunkt der Anlage entspricht. Die Regelung schließt aber nicht aus, dass die äußeren Grenzen des Beurteilungsgebiets im Einzelfall größer zu ziehen sind, wenn nach den konkreten Fallumständen ein weitergehender Prüfungsbedarf erkennbar ist. Ziel einer Beurteilung nach der GIRL ist es, die Gesamtbelastung im Beurteilungsgebiet zu ermitteln. Dies erfordert gegebenenfalls, auch Emittenten in die Untersuchung aufzunehmen, die sich außerhalb des Beurteilungsgebiets befinden, aber relevant auf dieses einwirken. Das zeigt auch die Regelung in Nr. 4.1 Abs. 2 Satz 2 der GIRL, welche vorschreibt, dass alle Emittenten von Geruchsstoffen, die das Beurteilungsgebiet beaufschlagen, zu erfassen sind, wenn die Ermittlung der vorhandenen Belastung rechnerisch vorgenommen wird. Ferner heißt es in der Begründung und den Auslegungshinweisen zur GIRL (dort zu Nr. 4.4.2), das Beurteilungsgebiet sei stets so zu legen bzw. von der Größe her so zu wählen, dass eine sachgerechte Beurteilung des jeweiligen Problems ermöglicht wird. In der Begründung und den Auslegungshinweisen zu Nr. 4.6 wird ebenfalls hervorgehoben, dass bei der Ermittlung der Gesamtbelastung durch Ausbreitungsrechnung die Geruchsemissionen der vorhandenen Quellen (Vorbelastung) und die der neuen Quellen (Zusatzbelastung) in einer gemeinsamen Rechnung Eingang finden und in diesem Fall alle das Beurteilungsgebiet beaufschlagenden Geruchsquellen in der Ausbreitungsrechnung erfasst werden müssen.
34Vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 18. Juli 2012 - 12 LA 114/11 -, BauR 2012, 1769 = juris Rn. 11; ferner OVG NRW, Beschluss vom 30. Januar 2013 - 8 B 1130/12 -, n. v., Abdruck S. 3 f. und 6; vgl. auch die entsprechenden Ausführungen des LANUV NRW zur „Ausbreitungsrechnung für Geruchsstoffe“ (Abschnitt „Beurteilungsgebiet - Untersuchungsraum“), abrufbar unter www.lanuv.nrw.de/landwirtschaft/ausbreitung/ ausbreitung_geruch.htm.
35Aus welchen Gründen das LANUV NRW den Umkreis bezüglich der in der Ausbreitungsrechnung zu berücksichtigenden Quellen (Seite 9 ff., Tabelle 3 des Gutachtens) auf etwa 1.200 m festgelegt hat (Seite 19 des Gutachtens), ergibt sich anschaulich aus dem Gutachten selbst: Vor allem der Einwirkungsbereich der süd-östlich des Vorhabengrundstücks gelegenen Tierhaltungsanlagen LW X. (Putenmast, X1.-------weg 9) und LW X2. (Schweinemast, F. Straße 113) erstreckt sich trotz der Entfernung (> 1.000 m) bis zum klägerischen Grundstück; der Anteil dieser beiden „größten Hofstellen im Beurteilungsgebiet“ (Seite 24 des Gutachtens) an der Geruchsvorbelastung am Analysepunkt ANP 2 beträgt für den Betrieb X2. 0,02 und für den Betrieb X. 0,06 (vgl. Tabelle 6, Seite 23 des Gutachtens). Dass vor allem der Anteil des LW X. an der Geruchsvorbelastung am Analysepunkt ANP 2 unter Berücksichtigung der Windrichtungshäufigkeitsverteilung, die einen deutlichen Anteil von Südwinden ausweise, nachvollziehbar und plausibel sei, wird in der weiteren Stellungnahme des LANUV NRW vom 31. August 2011 (dort Seite 4) ergänzend ausgeführt.
36Hiermit setzt sich die Antragsbegründung der Beigeladenen nicht auseinander. Allein der Umstand, dass zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung ein Radius von 600 m von der Genehmigungsbehörde und im Rahmen der Plausibilitätsprüfung auch vom LANUV NRW aufgrund der bis dahin üblichen Verwaltungspraxis akzeptiert worden sein mag, steht der Erfassung der weiter entfernten geruchsemittierende Quellen in dem Gutachten vom 31. Mai 2011 nicht entgegen. Sollte das LANUV NRW tatsächlich erst nach Erlass der Genehmigung zu der Erkenntnis gelangt sein, dass vorliegend eine sachgerechte Begutachtung eine Einbeziehung der Emissionsquellen in einem Radius von etwa 1.200 m erfordert, gelten im Übrigen die obigen Ausführungen zur Zulässigkeit der Berücksichtigung neuer Erkenntnisse entsprechend.
37b) Auch der Einwand, die „Rasterdarlegung“ in dem Gutachten des LANUV NRW sei fehlerhaft, bleibt ohne Erfolg.
38Die Beigeladene trägt insoweit in ihrer Antragsschrift vor, dass der landwirtschaftliche Betrieb Underberg sowie auch das Wohnhaus der Kläger in einem „Rasterfeld“ lägen. Mit Schriftsatz vom 9. August 2012 konkretisiert sie diese Rüge unter Hinweis auf eine E-Mail des Ingenieurbüros S. & I. vom 7. August 2012 dahingehend, dass die Rasterdarstellungen in dem Gutachten des LANUV NRW vom 31. Mai 2011 auf Seite 48 ff. zumindest im Nahbereich der Emissionsquellen nicht sachgerecht seien. Sachgerecht wäre gewesen, das Wohnhaus der Kläger in einem Raster von 16 m x 16 m zu betrachten. Mit weiterem Schriftsatz vom 5. November 2012 führt die Beigeladene aus, dass der Betrieb V. und das klägerische Wohnhaus innerhalb desselben Rechengitters (Raster) des Austall 2000-Programms erfasst worden seien. Diese Vorgehensweise stehe nicht mit den Vorgaben aus Nr. 7 der Anhang 3 der TA Luft und der Nr. 3.3.3.1 des Leitfadens zur Erstellung von Immissionsprognosen mit Austal2000 in Genehmigungsverfahren nach TA Luft und der Geruchsimmissions-Richtlinie (Merkblatt 56) in Einklang.
39Diese Rügen der Beigeladenen ziehen die vom LANUV NRW vorgenommene Berechnung nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise in Zweifel.
40Dem Gutachten des LANUV NRW vom 31. Mai 2011 ist zu entnehmen, dass zwar die Seitenlänge der Beurteilungsflächen (vgl. Nr. 4.4.3 GIRL), deren Summe das Beurteilungsgebiet ausmachen (Nr. 4.4.2 GIRL), auf 100 m festgelegt (vgl. Seite 21, 22, 48 ff. des Gutachtens), allerdings für das gewählte Rechengebiet ein geschachteltes Gitter mit den Gitterweiten 16 m, 32 m und 64 m verwendet worden ist, wobei die Maschenweite im äußersten Bereich des Rechengebietes 64 m beträgt und sich bis auf 16 m verringert (vgl. Seite 14 des Gutachtens). Ferner heißt es in dem Gutachten, das die an den beiden Analysepunkten angegebenen Werte denen der zugrundeliegenden 16 m x 16 m-Gitterfläche entsprächen (vgl. Seite 21 des Gutachtens). Dies ist bereits im erstinstanzlichen Verfahren durch das LANUV NRW in der ergänzenden Stellungnahme vom 31. August 2011 nochmals bestätigt worden (vgl. Seite 2 f. der Stellungnahme).
41Mit der danach gebotenen Differenzierung zwischen dem Beurteilungsgebiet einerseits und dem - für die Ausbreitungsrechnung mit Austal2000 maßgeblichen - Rechengebiet anderseits, auf die auch die Kläger in ihrem Schriftsatz vom 19. November 2012 hingewiesen haben, setzt sich die Antragsbegründung nicht weiter auseinander. Die von der Beigeladenen zitierten Vorgaben der TA Luft Anhang 3, Nr. 7, und der Nr. 3.3.3.1 des Leitfadens zur Erstellung von Immissionsprognosen mit Austal2000 in Genehmigungsverfahren nach TA Luft und der Geruchsimmissions-Richtlinie (Merkblatt 56) beziehen sich nur auf das Rechengebiet, nicht aber auf das Beurteilungsgebiet (vgl. auch Nr. 4.5 Absätze 2 und 3 der GIRL). Zwar mögen das klägerische Wohnhaus und der Betrieb V. - dieser zumindest teilweise - in derselben Beurteilungsfläche liegen. Konkrete Anhaltpunkte dafür, dass beide Grundstücke auch in derselben Rechenfläche liegen, sind indes nicht dargelegt.
42c) Die Rügen der Rechtsmittelführer stellen, soweit sie innerhalb der Zulassungsbegründungsfrist vorgetragen wurden, die vom LANUV NRW zugrunde gelegten Tierarten und Tierzahlen nicht in Frage.
43Zwar weist die Beigeladene im Ansatz zutreffend darauf hin, dass im Rahmen der Immissionsprognose bei der Ermittlung der Geruchsvorbelastung die vorhandenen emittierenden Tierhaltungsanlagen oder sonstigen Betriebe grundsätzlich mit dem Tierbestand bzw. Betriebsumfang einzustellen sind, wie er sich aus der jeweiligen
44- immissionsschutzrechtlichen oder bauaufsichtlichen - Genehmigung ergibt.
45Vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 10. November 2009 - 1 LB 45/08 -, BauR 2010, 195 = juris Rn. 76; VG Aachen, Urteil vom 23. Januar 2013 - 3 K 2068/10 -, juris Rn. 77; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1993 - 4 C 19.90 -, BauR 1993, 445 = juris, Rn. 27, und Beschluss vom 11. Juli 1994 - 4 B 134.94 -, BRS 56 Nr. 164 = juris Rn. 2 (jeweils zum Rücksichtnahmegebot); s. ferner OVG NRW, Beschlüsse vom 6. Mai 2005 - 10 B 2657/04.NE -, juris Rn. 13, und vom 15. Dezember 2005 - 10 B 1668/05.NE -, NWVBl. 2006, 332 = juris Rn. 15 ff. (jeweils zur Immissionsprognose in einem Bebauungsplanverfahren).
46Dass das LANUV NRW danach bei seinen Berechnungen von falschen Tierarten oder Zahlen ausgegangen sein soll, legt die Beigeladene innerhalb der Antragsbegründungsfrist allerdings nicht hinreichend dar. In dem Gutachten des LANUV NRW vom 31. Mai 2011 wird ausgeführt, dass die Ergebnisse eines vorausgegangenen Ortstermins vom 4. März 2011 in die Tabelle 3, in der u. a. die genauen Tierarten und -zahlen der jeweiligen Betriebe im Einzelnen aufgelistet sind, eingegangen und mit den vom Landkreis W. zur Verfügung gestellten Angaben verglichen worden seien (vgl. Seite 6 des Gutachtens). Auf Seite 19 des Gutachtens heißt es ausdrücklich: „Bezüglich der Tierplatzzahlen erfolgte zudem ein Abgleich mit den genehmigten Tierplatzzahlen.“
47Soweit die Beigeladene demgegenüber in ihrer Antragsschrift vom 18. Juli 2012 lediglich pauschal rügt, das LANUV NRW habe seinem Geruchsgutachten aufgrund des Ortstermins nur die „tatsächlichen“ - also nicht die genehmigten - Tierarten und Zahlen zugrunde gelegt, genügt dies nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Denn die Darlegung ernstlicher Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erfordert, dass sich der Rechtsmittelführer mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinander setzt und im Einzelnen erläutert, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernstlichen Zweifeln begegnen. Er muss dabei insbesondere die konkreten Feststellungen tatsächlicher oder rechtlicher Art benennen, die er mit seiner Rüge angreifen will.
48Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 124a Rn. 194, 206.
49Im Verfahren auf Zulassung der Berufung muss daher derjenige, der ein Gutachten angreift, substantiiert Anhaltpunkte dafür vortragen, dass seine Einwände gegen das Gutachten geeignet sind, dessen Ergebnis in Bezug auf den Streitgegenstand in Frage zu stellen.
50Vgl. zuletzt OVG NRW, Beschluss vom 10. Oktober 2013 - 8 A 151/13 -, n. v., Abdruck S. 5.
51Hieran fehlt es. Vor allem hat die Beigeladene innerhalb der Begründungsfrist nicht dargelegt, inwiefern die Angaben in der Tabelle 3 des Gutachtens (Seite 10 ff. des Gutachtens) zu ihren Ungunsten falsch sein sollten.
52Dies gilt zunächst mit Blick auf den gerügten Bestand an Mastschweinen am bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb „T. -C. (alt)“. Soweit die Beigeladene hierzu vorträgt, dass in den Gutachten der Ingenieure S. & I. vom 5. Juni 2008 und 10. März 2009 jeweils eine Anzahl von 160 Mastschweinen zugrunde gelegt worden sei, bei der Berechnung des LANUV NRW hingegen (nur) 150 Mastschweine berücksichtigt wurden, ist schon nicht zu erkennen, inwiefern das Gutachten des LANUV NRW insoweit für die Beigeladene ungünstiger sein soll. Soweit die Beigeladene anmerkt, dass in einem Vermerk des Beklagten vom „29. Februar 2009“ (richtig: 4. Februar 2009, vgl. Bl. 820 der Beiakte/Heft 4) von einem Bestand von 120 Mastschweinen die Rede gewesen sei, ist anzumerken, dass dieser Wert ausweislich des Aktenvermerks lediglich auf einer „Befragung der Tierhalter“ beruht und damit nicht zwingend den genehmigten Bestand widerspiegelt.
53In Bezug auf den Bestand an Bullen am Betrieb „T. -C. (alt)“ hat das LANUV NRW mit einer Anzahl von (nur) 30 den niedrigsten Wert angesetzt, während die Ingenieure S. & I. von 35 (Gutachten vom 5. Juni 2008) bzw. von 70 (Gutachten vom 10. März 2009) und der Aktenvermerk des Beklagten vom 4. Februar 2009 sogar von 89 Bullen ausgegangen sind. Dadurch, dass das LANUV NRW den niedrigsten Wert angesetzt hat, ist auch insoweit jedenfalls nicht festzustellen, dass die Ermittlung der Geruchsvorbelastung wegen einer überhöhten Anzahl zum Nachteil der Beigeladenen zu hoch ausgefallen sein könnte.
54Inwiefern im Übrigen der in der Antragsbegründung noch angesprochene Wert von „1.000 Masthähnchen mit einer Mastdauer von 42 Tagen und 3 Silagen“ für den Betrieb „S1. “ falsch sein soll, wird seitens der Beigeladenen nicht dargelegt.
55Soweit die Beigeladene mit Schriftsatz vom 24. Juli 2012 unter Hinweis darauf, dass sich weder die Tierart noch die Tierzahlen aus der log-Datei ergäben, darum gebeten hat, dass das LANUV NRW ihr mitteile, welche Daten - namentlich welche Tierarten und Tierzahlen an den verschiedenen Standorten - zugrunde gelegt worden seien, hat das LANUV NRW mit Schreiben vom 12. Oktober 2012 klargestellt, dass Tierart und -zahl aus der Tabelle 3 des Gutachtens hervorgingen. Mit Schriftsatz vom 5. November 2012 hat die Beigeladene daraufhin ausgeführt, dass sie die Angaben ausgewertet habe und dies - trotz einiger Unterschiede hinsichtlich der Tierarten und Tierzahlen - keine Erklärung für die große Differenz zwischen dem vom Ingenieurbüro S. & I. im Auftrage der Beigeladenen ermittelten Geruchswertes gegenüber dem vom LANUV NRW ermittelten Wert sei. Dass die Tierzahlen als solche falsch sind, hat die Beigeladene dabei nicht mehr gerügt.
56Die weiteren Einwände der Beigeladenen in Bezug auf die Tierzahlen sind erst in den Schriftsätzen vom 10. September 2013 sowie vom 4., 5. und 14. November 2013 und damit nach Ablauf der Begründungsfrist vorgetragen worden. Sie sind deshalb nicht mehr zu berücksichtigen. Nach Fristablauf eingegangener Vortrag ist nur zu berücksichtigen, soweit er eine zuvor fristgerecht erfolgte, ausreichend dargelegte Begründung erläutert, ergänzt oder verdeutlicht.
57Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29. Juli 1998- 7 S 1139/98 -, juris Rn. 24; OVG NRW, Beschlüsse vom 24. April 1998 - 24 B 236/98 -, juris Rn. 5 ff., und vom 17. Oktober 2011 - 1 A 1731/08 -, juris Rn. 13; Seibert, Die Zulassung der Berufung, DVBl. 1997, 932 (940); Happ, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 124a Rn. 53; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 124a Rn. 50.
58Dies ist hier nicht der Fall. Denn die weiteren Einwände beziehen sich auf die bislang nicht angezweifelten Tierzahlen der Betriebe „V. “ und „X2. “ und konkretisieren damit nicht lediglich die vorgenannten fristgerechten Rügen.
59d) Soweit die Beigeladene in ihrer Antragsbegründung vom 18. Juli 2012 ferner ausführt, dass es auffällig sei, dass das LANUV NRW die Abluftfahnenüberhöhung (dynamisch wie thermisch) bei der Erstellung des Gutachtens - namentlich bei der Berechnung der Geruchszusatzbelastung - anders als das Ingenieurbüro S. & I. nicht (hinreichend) berücksichtigt habe, werden ebenfalls keine durchgreifenden Bedenken gegenüber dem Gutachten aufgezeigt.
60Die Beigeladene führt hierzu aus, dass eine freie und ungestörte Abströmung der Abluft im Umkreis von 100 m (10fache Schornsteinhöhe) um die Kamine gewährleistet sei und auch die weiteren Voraussetzungen für die Berücksichtigung einer Abluftfahnenüberhöhung, die das LANUV NRW in seinem Gutachten vom 31. Mai 2011 auf Seite 20 formuliert habe, erfüllt seien; denn die Immissionsquellen befänden sich mindestens in einer Höhe von 3 m über First und 10 m über Grund und die Austrittgeschwindigkeit der Abluft unterschreite zu keiner Betriebsstunde 7 m je Sekunde. Die Lüftungsanlage werde durch einen Lüftungscomputer gesteuert, der die Einhaltung der Abluftgeschwindigkeit von 7 m/s regele.
61Das LANUV NRW hat bereits auf entsprechende Einwände im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zur Erläuterung seines Gutachtens in der ergänzenden Stellungnahme vom 31. August 2011 nachvollziehbar ausgeführt (dort Seite 3), dass man bei den Berechnungen für den Regelkamin nur dann eine Abluftfahnenüberhöhung angesetzt habe, wenn dies aufgrund der Parameter „Stalltemperatur“, „Außentemperatur“, „Luftrate“ und „Abluftgeschwindigkeit“ - diese sei abhängig von der Temperatur - auch zu erwarten sei. Die über den Regelkamin emittierte Abluftmenge sei im Vergleich zur gesamten Abluftmenge relativ gering. Für alle anderen Kamine sei eine Abluftfahnenüberhöhung in Abhängigkeit von den genannten Parametern angesetzt worden. Mögliche Maßnahmen zum Erreichen einer Abluftgeschwindigkeit von 7 m/s in allen möglichen Situationen seien - bewusst - nicht berücksichtigt worden. So führe ein Bypass dazu, dass sich die Temperaturdifferenz zwischen Außenluft und Abluft auf nahezu Null reduzieren und infolgedessen zwar 7 m/s sichergestellt sein möge, aber ein Wärmestrom nicht mehr zu berücksichtigen wäre. Auch die Auswirkungen einer intermittierenden Schaltung seien nicht berücksichtigt worden, da auch hier nicht eindeutig klar sei, wie sich diese tatsächlich auswirke. Im Sinne einer worst-case-Betrachtung sei daher der Regelkamin ohne Abluftfahnenüberhöhung gerechnet worden. Das LANUV NRW sah keine fachliche Veranlassung, hiervon abzuweichen.
62Mit diesen Ausführungen setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht hinreichend substantiiert auseinander. Vor allem zeigt die Beigeladene nicht auf, dass bei einer Regelung der Abluftgeschwindigkeit mittels Lüftungscomputers entgegen der Bedenken des LANUV NRW die Berücksichtigung einer Abluftfahnenüberhöhung sachgerecht gewesen wäre und die Immissionsprognose auch in diesem Fall - wie vom Senat in ständiger Rechtsprechung gefordert - noch „auf der sicheren Seite“ liegen würde.
63e) Soweit der Beklagte mit Schriftsatz vom 12. April 2013 - erstmals - inhaltliche Bedenken gegenüber der vom LANUV NRW vorgenommenen zeitreihenbezogenen Berechnung der Geruchszusatzbelastung angedeutet hat, sind diese nicht innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt worden und haben daher nach den obigen Ausführungen im Zulassungsverfahren unberücksichtigt zu bleiben. Dies gilt namentlich für den Einwand des Beklagten, dass das LANUV NRW bei der Zeitreihenmodellierung - mangels entsprechender Angaben in den Antragsunterlagen der Beigeladenen - eigens einen Schaltplan für die Abluftkamine modelliert habe (Seite 41 f. des Gutachtens vom 31. Mai 2011), der ausschließlich auf „Annahmen“ beruhe und überdies unberücksichtigt lasse, dass gemäß Nebenbestimmung 4.4 der Genehmigung vom 2. September 2009 zu jedem Zeitpunkt eine Abluftgeschwindigkeit von 7 m/s vorgeschrieben sei.
643. Soweit die Beigeladene sinngemäß einwendet, dass - ungeachtet der nicht rechtsverbindlichen Geruchsimmissions-Richtlinie - keine schädlichen Umwelteinwirkungen von dem genehmigten Vorhaben gegenüber den Klägern ausgingen, da die Anlage den Mindestabstand nach Nr. 5.4.7.1 der TA Luft einhalte, ist dieses Vorbringen erstmals mit Schriftsatz vom 27. November 2012 und damit ebenfalls nach Ablauf der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgetragen worden. Ungeachtet dessen ist dieser Einwand aber auch in der Sache unbegründet. Wie der Senat bereits entschieden hat, handelt es sich bei den Mindestabständen der TA Luft um Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen, so dass die Einhaltung der Mindestabstände allenfalls ein Indiz dafür ist, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG auftreten.
65Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Mai 2010 - 8 B 992/09 -, juris Rn. 38.
66Auch bei Einhaltung der Abstände bedarf es daher einer den Anforderungen der GIRL entsprechenden Geruchsimmissionsprognose jedenfalls dann, wenn - wie hier - die besonderen Umstände des Einzelfalles, zu denen auch eine Geruchsvorbelastung zählt, dies erfordert (vgl. Nr. 1 Abs. 6 GIRL sowie die diesbezüglichen Ausführungen in der Begründung und den Auslegungshinweisen zu Nr. 1 [„Veranlassung zur Erstellung von Gutachten“ und „Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich“]).
67Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. März 2008 - 8 B 34/08 -, juris Rn. 11 ff., und vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, juris Rn. 34 ff.
684. Ebenfalls ohne Erfolg bleiben die Rügen, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass es sich bei dem im Außenbereich höchstens zulässigen Grenzwert von 0,25 (25 % der Jahresgeruchsstunden) gemäß Nr. 3.1 der Begründung und Auslegungshinweise zur GIRL um eine „absolute Obergrenze“ handele; auch aus den vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. März 2009 (10 B 259/09) und vom 25. März 2009 (7 D 129/07.NE) folge, dass die Grenze von 0,25 allenfalls „regelmäßig“ gelte. Die Rechtsmittelführer zeigen insoweit jedenfalls nicht auf, dass das Ergebnis der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung unrichtig ist. Selbst wenn in Sondersituationen im Außenbereich ein Überschreiten des vorgenannten Grenzwertes zulässig sein kann, so haben weder der Beklagte noch die Beigeladene dargelegt, dass im vorliegenden Fall Umstände vorliegen, die ausnahmsweise eine solche Überschreitung rechtfertigen könnten.
69Ungeachtet des Umstandes, dass die GIRL für den Außenbereich den ausnahmsweise zulässigen Immissionswert von bis zu 0,25 nur für „landwirtschaftliche“ Gerüche vorsieht,
70vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 42 (insoweit offengelassen, ob die von einer gewerblichen Tierhaltung i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ausgehenden Gerüche erfasst sind),
71ist es nach den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.1 der GIRL im Außenbereich nur „unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls“ - und nicht etwa ohne Weiteres - möglich, bei der Geruchsbeurteilung einen Wert von bis zu 0,25 für landwirtschaftliche Gerüche heranzuziehen. Die Feststellung einer Außenbereichslage ist dabei notwendige, aber für sich allein nicht hinreichende Bedingung zur Annahme eines Wertes von bis zu 0,25. Insoweit bedarf es vielmehr einer Einzelfallbeurteilung durch die Genehmigungsbehörde, die unter Berücksichtigung vor allem der konkreten örtlichen Gegebenheiten und der Qualität der Geruchsbelästigung im konkreten Fall zu erfolgen hat.
72Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 41, und vom 30. Januar 2013 - 8 B 1130/12 -, n. v., Abdruck S. 7.
73Ob darüber hinaus in Sonderkonstellationen sogar ein Überschreiten des Grenzwertes von 0,25 in Betracht kommen könnte, bedarf keiner Vertiefung, weil solche Umstände hier ersichtlich nicht vorliegen.
74Dies gilt insbesondere auch für den von der Beigeladenen betonten Umstand, dass im Außenbereich die Schutzwürdigkeit von Wohninteressen gegenüber der Verwirklichung „landwirtschaftlicher“ Interessen regelmäßig zurückstehen müsse. Dem geringeren Schutzanspruch von im Außenbereich Wohnenden tragen die Anwendungshinweise zur GIRL bereits dadurch Rechnung, dass für landwirtschaftliche Gerüche ein höherer Wert von bis zu 0,25 zulässig sein kann.
75Eine darüber hinaus gesteigerte Rücksichtnahmepflicht der Kläger ergibt sich gegenüber dem Vorhaben der Beigeladenen auch nicht aufgrund des Umstandes, dass zum Zeitpunkt der Genehmigung und Errichtung ihres Wohnhauses offensichtlich nicht unerhebliche (Geruchs-)Vorbelastungen aufgrund genehmigter Tierhaltungsanlagen im näheren Umfeld bereits vorhanden waren.
76Zwar sind im Umfang der Vorbelastung Immissionen zumutbar, auch wenn sie sonst in einem vergleichbaren Gebiet nicht hinnehmbar wären. Was von einem genehmigten Betrieb an Belastungen für eine benachbarte Wohnbebauung verursacht wird, mindert die Schutzwürdigkeit der Nachbarschaft, es sei denn, die vorhandenen Immissionen überschreiten bereits die Grenze dessen, was unter Berücksichtigung des Gesundheitsschutzes erträglich ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der emittierende Betrieb vor der Wohnbebauung vorhanden war oder nicht; denn die Schutzwürdigkeit einer Wohnbebauung wird mit der Unanfechtbarkeit der Genehmigung des emittierenden Betriebes gemindert.
77Vgl. BVerwG, Urteile vom 22. Juni 1990 - 4 C 6.87 -, BauR 1990, 689 = juris Rn. 29 ff., vom 29. Januar 1991 - 4 C 51.89 -, BVerwGE 87, 332 = juris Rn. 244 f., und vom 27. August 1998 - 4 C 5.98 -, BauR 1999, 152 = juris Rn. 31; Bay. VGH, Beschluss vom 3. August 2000 - 1 CS 99.2116 -, juris Rn. 20.
78Diese vom BVerwG insbesondere im Rahmen des Rücksichtnahmegebots zu Lärmvorbelastungen entwickelten Grundsätze gelten auch für Geruchsbeeinträchtigungen.
79Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. September 1993 - 4 B 151.93 -, NVwZ-RR 1994, 139 = juris Rn. 13; Nds. OVG, Beschluss vom 30. Juli 1999 - 1 M 2870/99 -, BauR 2000, 362 = juris Rn. 5, sowie Urteil vom 26. Juli 2012 - 1 LC 130/09 -, RdL 2012, 327 = juris Rn. 82 f.
80Die Kläger werden deshalb die zum Zeitpunkt der Genehmigung und Errichtung ihres Wohnhauses bereits vorgefundene Vorbelastung als solche hinzunehmen haben. Daraus folgt jedoch nicht, dass sich die vorhandene Geruchsbelastung auch gegenüber neu hinzutretenden Emissionen, die aus neu zu errichtenden Anlagen herrühren, schutzmindernd auswirkt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine vorhandene Vorbelastung in nicht unbeachtlicher Weise erhöht wird. Dass diese Grenze der Beachtlichkeit, die hier durch die Irrelevanzschwelle nach Nr. 3.3 GIRL gezogen wird, im vorliegenden Fall überschritten wird, ergibt sich aus dem nicht durchgreifend in Zweifel gezogenen Gutachten des LANUV NRW vom 31. Mai 2011.
815. Der weitere Einwand, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht das Irrelevanzkriterium gemäß Nr. 3.3 GIRL wegen einer bereits überschrittenen „absoluten Obergrenze“ von 0,25 nicht angewandt, führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung.
82Ist die vorinstanzliche Entscheidung nämlich - wie hier - auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Berufung nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund frist- und formgerecht aufgezeigt wird und vorliegt.
83Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 124a Rn. 254.
84Hieran fehlt es. Der Einwand betrifft nicht die entscheidungstragende, auf den Ergebnissen des Gutachtens des LANUV NRW vom 31. Mai 2011 beruhende - keinen ernstlichen Zweifeln begegnende - Hauptbegründung des Verwaltungsgerichts, sondern die weitere - ebenfalls selbständig tragende - (Hilfs-)Argumentation, das Irrelevanzkriterium sei bei einer Überschreitung des „absoluten Höchstwertes“ von 0,25 (25 % der Jahresgeruchsstunden) nicht mehr anwendbar. Diese Aussage bezieht sich ersichtlich nur auf den Fall, dass die Berechnung der zusätzlichen Geruchsbelastung abweichend von dem Gutachten des LANUV NRW nicht unter Anwendung eines (zeitreihenbezogenen) „GE-Wertes“ von 180, sondern anhand eines „GE-Wertes“ von 50 bzw. 60 erfolgen würde. Denn nur in diesem Fall läge die Geruchszusatzbelastung mit lediglich 0,004 (= 0,4 %) bzw. 0,006 (= 0,6 % der Jahresgeruchsstunden) unterhalb der Irrelevanzgrenze.
85Aus demselben Grund kommt es schließlich auch auf die weiteren Angriffe, die sich auf die (Hilfs-)Argumentation des Verwaltungsgerichts beziehen, für die Zulassungsentscheidung nicht mehr an. Sämtliche Einwände der Beigeladenen, mit denen sie die Ansicht des Verwaltungsgerichts in Frage stellt, dass sich „selbst bei Heranziehung eines Wertes von 50 GE“ für die Kläger eine unzumutbare Geruchsimmissionsbelastung ergebe, sind daher unbeachtlich. Dies gilt insbesondere auch für die Rüge, das Verwaltungsgericht habe die unter Anwendung des Wertes von „50 GE“ ergebende Zusatzbelastung von 0,004 (= 0,4 %) als messbar bezeichnet, obwohl dieser Wert nach den Vorgaben der GIRL auf 0,00 zu runden sei.
86B. Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Rechtssache keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufwirft.
87Für die Zulassung der Berufung kommt es insoweit darauf an, ob die Angriffe des Rechtsmittelführers gegen das erstinstanzliche Urteil Fragen von solcher Schwierigkeit aufwerfen, dass sich diese nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären und entscheiden lassen.
88Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage 2010, § 124 Rn. 108
89Daran fehlt es hier, wie sich den Ausführungen zu I. entnehmen lässt.
90Nichts anderes ergibt sich aus dem Begründungsaufwand der angefochtenen Entscheidung. Zwar wird sich häufig schon aus diesem ergeben, ob eine Sache in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht schwierig ist.
91Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458 = juris Rn. 17.
92Einen solchen Begründungsaufwand enthält jedoch das angefochtene Urteil mit den 12 Seiten umfassenden Entscheidungsgründen nicht, zumal die tragenden Erwägungen, mit denen das Verwaltungsgericht die Aufhebung der Genehmigung begründet hat, auf etwa 6 Seiten beschränkt sind. Überdies ist der Umfang der erstinstanzlichen Entscheidungen in erster Linie dem Bemühen des Verwaltungsgerichts geschuldet, auf die zahlreichen Rügen der Beteiligten einzugehen.
93Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Juni 2013 - 8 A 318/11 -, n. v., Abdruck S. 14 f. (zum Umfangs einer erstinstanzlichen Entscheidung von 80 Seiten).
94Auch der Umfang des Vortrags der Beteiligten im Zulassungsverfahren, der zu einem nicht unwesentlichen Teil aus Wiederholungen des zuvor bereits Vorgetragenen besteht, rechtfertigt keine andere Bewertung.
95C. Die Berufung ist auch nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
96Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, wenn für die Entscheidung der Vorinstanz eine grundsätzliche, bisher in der Rechtsprechung noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, die auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren von Bedeutung wäre und deren Klärung im Interesse der einheitlichen Rechtsanwendung oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint.
97Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 124 Rn. 127.
98Die Darlegung dieses Zulassungsgrundes setzt die Formulierung einer bestimmten, noch nicht geklärten und für die Rechtsmittelentscheidung erheblichen Frage und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll.
99Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997
100- 7 B 261.97 -, NJW 1997, 3328 = juris Rn. 2 (zu § 132 VwGO).
101Diese Anforderungen sind nicht erfüllt. Die (sinngemäß) aufgeworfenen Fragen,
102ob sich eine Anwendung des Irrelevanzkriteriums gemäß Nr. 3.3 GIRL bei einer vorhandenen Vorbelastung, die bereits allein den zulässigen Wert von 0,25 für den Außenbereich überschreite, verbiete,
103ob einem Antragsteller die Berufung auf eine irrelevante Zusatzbelastung versperrt sei, wenn der je nach Gebietstyp zulässige Grenzwert der hinzunehmenden Geruchsimmissionen im Rahmen der Vorbelastung bereits überschritten sei,
104und
105ob bei einem zur Genehmigung gestellten Vorhaben, das das Irrelevanzkriterium nach der GIRL einhalte, die Vorbelastung ermittelt werden müsse,
106sind für das vorliegende Verfahren nicht entscheidungserheblich, da die vom genehmigten Vorhaben der Beigeladenen ausgehende Geruchszusatzbelastung nach den nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die auf dem Gutachten des LANUV NRW vom 31. Mai 2011 beruhen, nicht irrelevant im Sinne der GIRL sind.
107Die als grundsätzlich bedeutsam angesehene Frage,
108ob die in jedem Einzelfall konkret zu begründende Erweiterungsmöglichkeit auf höchstens 0,25 (25 %) der GIRL 2008 die absolut zulässige Obergrenze für hinzunehmende Geruchsimmissionen darstelle, die nicht überschritten werden dürfe,
109bedarf jedenfalls im vorliegenden Verfahren keiner allgemeinen Klärung, weil - wie aufgezeigt - keine Umstände ersichtlich sind, die eine Überschreitung des Grenzwertes von 0,25 rechtfertigen könnten, wollte man eine solche Überschreitung ausnahmsweise in Sondersituationen für möglich halten.
110Die sinngemäß formulierte Frage,
111ob die Geruchsausbreitungsrechnung mittels des jährlichen Emissionsfaktors für Masthähnchen gemäß VDI 3894 Bl. 1 oder aufgrund einer Zeitreihenbetrachtung unter Anwendung des vom LANUV NRW speziell für diesen Zweck ermittelten Emissionsfaktors zu erfolgen habe,
112ist im vorliegenden Fall nicht grundsätzlich klärungsbedürftig. Wie oben ausgeführt, hat das LANUV NRW die zeitreihenbezogene Berechnungsmethode zur Ermittlung der Geruchszusatzbelastung unter Heranziehung eines mittleren Wertes von 180 GE/(s*GV) im vorliegenden Fall als fachgerecht angesehen, weil die Berücksichtigung zeitabhängiger Emissionen realitätsnäher sei. Diese Vorgehensweise hat das Verwaltungsgericht zu Recht als aktuelle wissenschaftliche Praxis und sachgerechte Methode bewertet. Die Antragsbegründung des Beklagten stellt diese Bewertung nicht infrage. Sie begründet weder, dass die vom LANUV NRW angewandte Ermittlungsmethode nicht mit der Geruchsimmissions-Richtlinie im Einklang stehen könnte, noch legt sie sonst konkrete fachliche Bedenken oder gegenteilige wissenschaftliche Bewertungsansätze dar. Insbesondere zeigt sie aber nicht auf, dass es für die Entscheidung im vorliegenden Fall einer darüber hinausgehenden allgemeingültigen Klärung bedarf, welche Ermittlungsmethode einer Geruchsausbreitungsrechnung zugrundezulegen ist.
113Die weitere Frage,
114ob die GE-Werte weder die objektiv zu beurteilende Sachlage noch erkennbar die Rechtslage beträfen, da es sich bei GE-Werten allein um die Messbarkeit von Gegebenheiten handele,
115kann auf der Grundlage der bereits ergangenen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens dahingehend beantwortet werden, dass - wie oben unter A. II. 1. bereits ausgeführt - die „GE-Werte“, die einer Geruchsimmissionsprognose zugrunde zu legen sind, lediglich Erkenntnismittel sind, die nicht die Rechtslage oder die ursprüngliche Sachlage selbst betreffen, sondern maßgeblich für die Bewertung der ursprünglichen Sachlage sind.
116D. Die Berufung ist schließlich nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO wegen der geltend gemachten Abweichung von der Entscheidung eines übergeordneten Gerichts zuzulassen.
117Eine die Berufung eröffnende Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn der Zulassungsantrag einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der übergeordneten Rechtsprechung aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechts- oder Tatsachensatz widersprochen hat.
118Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 124 Rn. 158.
119Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
120Soweit die Beigeladene darauf hinweist, aus der Rechtsprechung der Bausenate des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen folge, dass entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts eine „starre“ und „absolute“ Obergrenze für hinzunehmende Geruchsimmissionen im Außenbereich bei 0,25 (25 %) nicht bestehe, sondern vielmehr im jeweiligen Einzelfall eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu erfolgen habe (OVG NRW, Urteile vom 20. September 2007
121- 7 A 1434/06 - und vom 25. März 2009 - 7 D 129/07.NE - sowie Beschlüsse vom 24. Juni 2004 - 21 A 4130/01 - und vom 23. März 2009 - 10 B 259/09 -), fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit einer etwaigen Abweichung. Wie mehrfach ausgeführt, sind keine Umstände dafür ersichtlich, dass die Kläger hier aufgrund einer solchen umfassenden Würdigung Geruchsimmissionen oberhalb des Grenzwertes von 0,25 hinzunehmen hätten. Dies gilt gleichermaßen, soweit auch der Beklagte eine Abweichung von den Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. März 2009 - 7 D 129/07.NE - und vom 23. März 2009
122- 10 B 259/09 - geltend macht.
123Ebenfalls nicht entscheidungserheblich ist, ob die Auffassung des Verwaltungsgerichts, bei einem Überschreiten der Obergrenze von 0,25 scheide eine Anwendung der Irrelevanzregelung gemäß Nr. 3.3 GIRL aus, von der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen abweicht. Wie ausgeführt, beruht das verwaltungsgerichtliche Urteil auf einer weiteren selbstständig tragenden, nicht erfolgreich angegriffenen Begründung.
124Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO.
125Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 1 GKG. Dabei orientiert sich der Senat an dem in Nr. 19.2 i.V.m. Nr. 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (http://www.BVerwG.de/ medien/pdf/streitwertkatalog.pdf) vorgeschlagenen Wert von 15.000,- Euro. Der Umstand, dass der Beklagte und die Beigeladene Rechtsmittelführer sind, führt nicht zu einer Erhöhung dieses Werts. Denn Ausgangspunkt für die Streitwertfestsetzung ist die Bedeutung der Sache für die Kläger; auf die Bedeutung, die die Sache für den beigeladenen Genehmigungsinhaber hat, kommt es nach § 52 Abs. 1 GKG nicht an.
126Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.
(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
(5) u. (6) (weggefallen)
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 30. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladenen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,- Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Antragstellerin betreibt einen Schweinehaltungsbetrieb in W. , dessen (baurechtlich) genehmigter Bestand u. a. 230 Sauen und 990 zugehörige Ferkelaufzuchtplätze umfasst. Mit Bescheid vom 9. Januar 2014 erteilte der Antragsgegner der Antragstellerin die immissionsschutzrechtliche Genehmigung u. a. zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zur Aufzucht und zum Halten von 2.200 Mastschweinen und eines neuen Güllehochbehälters mit 2.500 m³ Lagervolumen auf dem Grundstück Gemarkung E. , Flur , Flurstück .
4Auf der westlich unmittelbar angrenzenden Hofstelle betreiben die Beigeladenen Schweinehaltung mit 650 Mastschweinen, 68 Sauen und 200 Aufzuchtferkeln. Das zugehörige Betriebsleiterwohnhaus bewohnen sie selbst. Ein im Osten bzw. Südosten an den Betrieb der Antragstellerin angrenzendes, vermietetes Mehrparteienwohnhaus gehört ebenfalls den Beigeladenen; dabei handelt es sich wohl um das Doppelhaus O.
5In dem nach § 10 BImSchG durchgeführten Genehmigungsverfahren wandte sich der Beigeladene zu 2. gegen das Vorhaben mit der nicht näher spezifizierten Begründung, er befürchte „dadurch“ einen erheblichen Mietzinsverlust bei seinen sieben Mietwohnungen.
6Die Beigeladenen erhoben gegen die Genehmigung fristgerecht Klage (VG Düsseldorf 3 K 463/14). Nachdem der Antragsgegner die von ihm angeordnete sofortige Vollziehung des Genehmigungsbescheids während eines laufenden Eilrechtsschutzverfahrens (VG Düsseldorf 3 L 151/14) auf Weisung der Bezirksregierung Düsseldorf wieder aufgehoben hatte, ordnete das Verwaltungsgericht Düsseldorf auf Antrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 19. März 2015 (3 L 667/15) die sofortige Vollziehung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 9. Januar 2014 an. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Beigeladenen wies der Senat mit Beschluss vom 30. Juli 2015 - 8 B 430/15 - zurück. Die gerichtlichen Eilentscheidungen waren maßgeblich darauf gestützt, dass die Beigeladenen mit ihren Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der im Hauptsacheverfahren angefochtenen Genehmigung nach § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG ausgeschlossen seien.
7Am 29. Oktober 2015 haben die Beigeladenen einen Abänderungsantrag nach §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 7 VwGO gestellt. Zur Begründung haben sie geltend gemacht, dass die Präklusionsregelung des § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG nach Maßgabe der Entscheidung des EuGH vom 15. Oktober 2015 (Kommission/Deutschland, Rs. C-137/14) unionsrechtswidrig und daher nicht anzuwenden sei. Im Übrigen haben sie auf ihre in den vorangegangenen Eilrechtsschutzverfahren und dem anhängigen Klageverfahren geltend gemachten Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung Bezug genommen.
8Mit Beschluss vom 30. Oktober 2015 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der EuGH habe seine Entscheidung nur zu § 2 Abs. 3 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) und § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG getroffen und im Übrigen den Vorbehalt gemacht, dass eine Zurückweisung missbräuchlich erhobener Einwendungen weiterhin möglich sei. Es sei offen, ob danach im vorliegenden Fall weiterhin von einer Präklusion auszugehen sei. Damit verbleibe es bei der bisher getroffenen Interessenabwägung zu Lasten der Beigeladenen.
9Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beigeladenen.
10Die Stallanlage ist inzwischen errichtet und in Betrieb genommen worden.
11II.
12Die Beschwerde mit dem Antrag,
13unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 30. Oktober 2015 - 3 L 3570/15 - den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 19. März 2015 - 3 L 667/15 - abzuändern und den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der sofortigen Vollziehung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung des Antragsgegners vom 9. Januar 2014 zurückzuweisen,
14hat keinen Erfolg.
15Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat nach Maßgabe des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zwar durchgreifend in Frage. Der angegriffene Beschluss stellt sich jedoch im Ergebnis als richtig dar, was der Senat insoweit von Amts wegen zu prüfen hat.
16Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. März 2002 - 7 B 315/02 -, NVwZ 2002, 1390 = juris Rn. 5; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14. März 2013 - 8 S 2504/12 ‑, DVBl. 2013, 795 = juris Rn. 11; Bay. VGH, Beschluss vom 21. Mai 2003 - 1 CS 03.60 -, NVwZ 2004, 251 = juris Rn. 16.
17Der Abänderungsantrag ist zulässig (dazu 1.), aber unbegründet (dazu 2.).
181. Der Antrag ist gemäß §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zulässig.
19Nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben. Nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Bei der Ausgangsentscheidung handelt es sich zwar im engen Sinne nicht um einen Beschluss über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, weil er nicht einen Antrag auf Aussetzung, sondern auf Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80a Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Nr. 1 VwGO betraf. Da § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO jedoch für alle von § 80a Abs. 3 Satz 1 VwGO erfassten Fallgestaltungen (u. a.) auf § 80 Abs. 7 VwGO verweist, ist ein Abänderungsantrag auch in dieser umgekehrten Konstellation statthaft.
20Vgl. Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), VwGO, § 80 Rn. 556; ebenso bereits zur früheren Rechtslage VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18. Oktober 1988 - 8 S 2797/88 -, NVwZ-RR 1989, 398.
21Die weiteren Voraussetzungen des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO liegen ebenfalls vor.
22a) Bei der bezeichneten Entscheidung des EuGH vom 15. Oktober 2015 handelt es sich um eine Veränderung entscheidungserheblicher Umstände im Sinne des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO. Diese Vorschrift erfasst sowohl Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse als auch der Rechtslage.
23Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14. Februar 2007 - 13 S 2969/06 -, NVwZ-RR 2007, 419 = juris Rn. 3; Puttler, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 4. Aufl. 2014, § 80 Rn. 185.
24Voraussetzung ist lediglich, dass die jeweiligen Umstände entscheidungserheblich sind.
25Vgl. OVG M.-V., Beschluss vom 16. Mai 2011 - 1 M 54/11 -, NVwZ-RR 2011, 959 = juris Rn. 7; Puttler, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 4. Aufl. 2014, § 80 Rn. 185.
26Auch eine nachträgliche Änderung höchstrichterlicher Rechtsprechung oder die Klärung einer umstrittenen Rechtsfrage gehören zu den nach § 80 Abs. 7 VwGO zu berücksichtigenden Umständen, falls sich solche Erkenntnisse auf die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs auswirken.
27Vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 7. Oktober 2004 ‑ 11 ME 289/04 -, NVwZ 2005, 236 = juris Rn. 7.
28Insoweit kommt es vorliegend nicht darauf an, ob die hier geltend gemachte Unionsrechtswidrigkeit des § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG von Anfang an bestand und nur nicht erkannt wurde oder sich erst mit der Entscheidung des EuGH aktualisierte. Jedenfalls ist § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO im Lichte des Effektivitätsgebots (Art. 4 Abs. 3 EUV) so auszulegen, dass die wirksame Durchsetzung des Unionsrechts innerhalb des geltenden prozessrechtlichen Regelungswerks ermöglicht wird. Hiernach darf die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts im Vollzug nicht durch das nationale Verfahrens- bzw. Prozessrecht und dessen Anwendung faktisch vereitelt oder erheblich erschwert werden.
29Ständige Rechtsprechung, z. B. EuGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - C-169/14 - (Morcillo und García), DVBl. 2014, 1457 = juris Rn. 31 m. w. N.
30Dem ist auch bei der Anwendung und Auslegung des Rechtsmittelrechts Rechnung zu tragen, sofern verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz in Anspruch genommen wird, um Rechte durchzusetzen, die das Unionsrecht den Bürgerinnen und Bürgern einräumt.
31Vgl. etwa Frey, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2013, Vor § 124 Rn. 69; Gärditz, in: Rengeling/Middeke/ Gellermann (Hrsg.), Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 3. Aufl. 2014, § 35 Rn. 65.
32Dementsprechend ist ein Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO im Rahmen des insoweit deutungsoffenen Wortlautes auch dann statthaft, wenn dieser gestellt wird, um eine behauptete, auf Grund nachträglicher Rechtsprechung des EuGH erkannte Unionsrechtswidrigkeit der Entscheidungsprämissen im Ausgangsverfahren durch Abänderung zu korrigieren.
33Entsprechendes folgt auch aus dem verfassungsrechtlichen Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten (Art. 19 Abs. 4 GG). Das BVerfG hat hierzu ausgeführt, dass ein Abänderungsantrag in verfassungskonformer Auslegung des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO auch auf eine geänderte Rechtsprechung des EuGH gestützt werden könne, „da die höchstrichterliche Klärung einer umstrittenen Rechtsfrage, die zu einer Veränderung der Umstände im Sinne des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO führen kann, auch durch den Europäischen Gerichtshof möglich ist“.
34Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. August 2004 - 1 BvR 1446/04 -, BVerfGK 4, 36 = juris Rn. 19.
35b) Die in Bezug genommene Entscheidung des EuGH erweist sich vorliegend auch als entscheidungserheblich im Sinne des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO. Sie führt bereits bei summarischer Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Beigeladenen - anders als im vorausgegangenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes angenommen - mit den geltend gemachten Rechtsverletzungen durch Geruchsimmissionen und Bioaerosole, die auch die Antragsbefugnis jedenfalls eröffnen, sowie mit den Einwänden gegen die ordnungsgemäße Durchführung der Umweltverträglichkeitsvorprüfung nicht ausgeschlossen sind.
36Der Gerichtshof hat eine nationale Regelung, wonach zu spät vorgebrachte Einwendungen materiell präkludiert sind, im Anwendungsbereich des Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABlEU L 26/1 (UVP-Richtlinie) bzw. des Art. 25 der Richtlinie 2010/75/EU vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung), ABlEU L 334/17 (IE-Richtlinie) für unvereinbar mit der unionsrechtlichen Verpflichtung erklärt, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht zu gewährleisten, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten.
37Vgl. EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015, ‑ C‑137/14 - (Kommission/Bundesrepublik Deutschland), NJW 2015, 3495 = juris Rn. 77 ff.
38Konkret betraf die Entscheidung die Präklusionsregelungen in § 2 Abs. 3 UmwRG und § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG. Dass sich der EuGH in seiner Entscheidung zu der inhaltsgleichen Regelung des § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG nicht geäußert hat, ist dem Streitgegenstand des Vertragsverletzungsverfahrens geschuldet. Die Kommission hatte lediglich die Regelungen des § 2 Abs. 3 UmwRG und § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG beanstandet (vgl. Rn. 68 des Urteils vom 15. Oktober 2015), Rechtsbehelfe Einzelner gegen Anlagengenehmigungen aber offenbar nicht im Blick gehabt. Der EuGH war an die von der Kommission im Rahmen des Verfahrens nach Art. 258 AEUV erhobenen Beanstandungen gebunden.
39Diese Eingrenzung der von dem EuGH im Urteil vom 15. Oktober 2015 betrachteten Präklusionsnormen entbindet die nationalen Gerichte nicht von der Verpflichtung zu prüfen, ob vergleichbare Vorschriften unionsrechtswidrig sind, und diese gegebenenfalls aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet zu lassen. Diese Verpflichtung hängt nicht davon ab, ob sich der EuGH zu der Vereinbarkeit der konkreten Vorschrift bereits geäußert hat. Hat das Gericht insoweit Zweifel, kann es den Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 2 AEUV um Klärung ersuchen.
40Ständige Rechtsprechung, vgl. etwa EuGH, Urteil vom 19. Januar 2010 - C-555/07 -, Slg. 2010, I-365 = juris Rn. 51 ff.; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 9. Juni 1971 - 2 BvR 225/69 -, BVerfGE 31, 145 = juris Rn. 94.
41Vorliegend steht auch ohne eine erneute Befassung des EuGH außer Zweifel, dass § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG ebenfalls unionsrechtswidrig und unanwendbar ist, soweit es um Vorhaben geht, die in den Anwendungsbereich der IE-Richtlinie bzw. der UVP-Richtlinie fallen.
42Die Regelung des § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG ist wortlautgleich mit § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG. Sie gilt für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung und erfüllt dort dieselbe Funktion wie § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG im Planfeststellungsverfahren. Die Erwägung des Gerichtshofs, dass § 2 Abs. 3 UmwRG und § 73 Abs. 4 VwVfG besondere Bedingungen aufstellen, die die gerichtliche Kontrolle einschränkten und die weder nach Art. 11 UVP-Richtlinie noch nach Art. 25 IE-Richtlinie vorgesehen seien,
43EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015, - C-137/14 - (Kommission/Bundesrepublik Deutschland), NJW 2015, 3495 = juris Rn. 78,
44trifft in gleicher Weise auf § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG zu. Die Einschätzung, dass die Überlegungen des EuGH auf § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG ohne weiteres übertragbar sind, wird daher auch in der Literatur geteilt.
45Vgl. Zeissler/Schmitz, UPR 2016, 1, 4; Sinner, UPR 2016, 9 f.; Otto, NVwZ 2016, 292; Berkemann, DVBl. 2016, 205, 214; Keller/Rövekamp, NVwZ 2015, 1665, 1672; Fellenberg, NVwZ 2015, 1721, 1724; Ludwigs, NJW 2015, 3484, 3487, sowie bereits vor der Entscheidung Bunge, ZUR 2015, 531, 535; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2015 - 7 C 15.13 -, AUR 2016, 50 = juris Rn. 25 f., zu § 115 Abs. 1 Satz 2 LWG Rh.-Pf.
46Hiervon ist bereits bei der im Eilverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung auszugehen. Dies wird nicht durch den Einwand der Antragstellerin in Frage gestellt, die nach der Entscheidung des EuGH erforderliche umfassende materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeitskontrolle beziehe sich erst auf das Hauptsacheverfahren. Denn maßgeblicher Bestandteil der im vorliegenden summarischen Verfahren durchzuführenden Interessenabwägung ist gerade die Frage, ob die angefochtene Genehmigung voraussichtlich im Hauptsacheverfahren Bestand haben wird. Ein von den dort geltenden Maßstäben inhaltlich abweichender Prüfungsansatz verbietet sich deshalb.
47Der mit der vorliegend streitgegenständlichen Genehmigung zugelassene Schweinemastbetrieb fällt nach Art. 10 in Verbindung mit Anhang I Nr. 6.6. lit. b) in den Anwendungsbereich der IE-Richtlinie. Zugleich handelt es sich um eine „Anlage zur Intensivtierhaltung“, auf die die UVP-Richtlinie gemäß Art. 4 Abs. 2 i. V. m. Anhang II Nr. 1 e) dieser Richtlinie, hier umgesetzt durch Nr. 7.7 bis 7.9 und 7.11 der Anlage 1 zum UVPG, Anwendung findet.
48Nach allem ist im vorliegenden Fall derzeit nicht mehr davon auszugehen, dass die Antragsteller mit ihren Einwänden präkludiert sind. Zu keinem anderen Ergebnis führt die Bemerkung des Gerichtshofs, der nationale Gesetzgeber könne spezifische Verfahrensvorschriften vorsehen, nach denen z. B. ein missbräuchliches oder unredliches Vorbringen unzulässig ist.
49Vgl. EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015, a. a. O., Rn. 81.
50Ein derartiger Missbrauch kann nicht schon deshalb angenommen werden, weil die Beigeladenen im Genehmigungsverfahren trotz hinreichender Möglichkeiten keine näher spezifizierten Einwendungen erhoben haben. Darüber hinausgehende Umstände, die die Annahme eines missbräuchlichen oder unredlichen Verhaltens rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar. Ausgehend davon kann dahinstehen, ob ein etwaiges missbräuchliches Vorbringen überhaupt ohne ein vorheriges Tätigwerden des Gesetzgebers unmittelbar auf der Grundlage von § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG unberücksichtigt gelassen werden könnte.
512. Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist auch unter Berücksichtigung der Unanwendbarkeit der Präklusionsregelung aufrecht zu erhalten.
52Der Entscheidungsmaßstab im Abänderungsverfahren entspricht demjenigen im vorangegangenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, hier dem Verfahren auf Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80a Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Einen eigenständigen materiell-rechtlichen Maßstab für die Entscheidung des Gerichts enthält § 80a Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Nr. 1 VwGO nicht. Die Entscheidungskriterien ergeben sich - soweit ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug nicht erkennbar ist - aus § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, 2. Alt. VwGO, auf den § 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO Bezug nimmt. Danach kann in der auch hier vorliegenden Fallkonstellation des begünstigenden Verwaltungsakts mit drittbelastender Wirkung die sofortige Vollziehung angeordnet werden, wenn das Interesse des Begünstigten an der sofortigen Vollziehung das Interesse des Belasteten an der aufschiebenden Wirkung überwiegt. In diesem Rahmen kommt es in erster Linie darauf an, ob der die aufschiebende Wirkung auslösende Rechtsbehelf - hier die Klage der Beigeladenen gegen die der Antragstellerin erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung - bei der angezeigten summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich Erfolg haben wird. Dies ist (nur) dann der Fall, wenn die Genehmigung rechtswidrig ist und die Beigeladenen hierdurch in eigenen, gerade ihrem Schutz dienenden Rechtsnormen verletzt sind oder ihnen kraft spezialgesetzlicher Regelung ein Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung zusteht. Umgekehrt kann ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Begünstigten bejaht werden, wenn der von dem belasteten Beteiligten eingelegte Rechtsbehelf mit erheblicher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird und eine Fortdauer der grundsätzlich aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs dem Begünstigten gegenüber unbillig wäre. Darüber hinausgehende Rechtsverletzungen verschaffen dem anfechtenden Dritten keine im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigende Rechtsposition, weil ihm ein allgemeiner Gesetzesvollziehungsanspruch nicht zukommt.
53Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26. September 2008 - 13 B 1169/08 -, PharmR 2008, 607 = juris Rn. 9 ff., vom 31. März 2009 - 13 B 278/09 -, juris Rn. 7 ff., und vom 24. Mai 2012 - 8 B 225/12 -, juris Rn. 9; Bay. VGH, Beschluss vom 23. August 1991 ‑ 14 CS 91.2254 -, BayVBl. 1991, 723, 724; OVG S.‑H., Beschluss vom 22. Februar 1995, 4 M 113/94 -, juris Rn. 2; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 80a Rn. 29; vgl. weiterhin BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2008 - 1 BvR 2466/08 -, BVerfGK 14, 278 = juris Rn. 21 f.
54Offen bleiben kann, ob § 4a Abs. 3 UmwRG auch auf die hier vorliegende Fallkonstellation eines nicht auf Aussetzung nach § 80 Abs. 5 VwGO, sondern auf Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80a Abs. 3 S. 1, Abs. 1 Nr. 1 VwGO gerichteten Begehrens erweiternd zu erstrecken ist. Ein abweichender Prüfungsmaßstab würde sich daraus im Ergebnis nicht ergeben.
55Vgl. ausführlich zum Prüfungsmaßstab OVG NRW, Beschlüsse vom 23. Juli 2014 - 8 B 356/14 -, DVBl. 2014, 1415 = juris Rn. 62 ff, und vom 24. Juni 2015 ‑ 8 B 315/15 -, juris Rn. 14; vgl. weiterhin BVerwG, Beschlüsse vom 15. April 2013 ‑ 9 VR 1/13 -, juris Rn. 2, und vom 13. Juni 2013 ‑ 9 VR 3/13 -, NVwZ 2013, 101 = juris Rn. 4; Seibert, NVwZ 2013, 1040, 1046 ff.
56Gemessen hieran erweist sich der sinngemäße Antrag, die sofortige Vollziehbarkeit der Genehmigung aufgrund veränderter Umstände im Sinne des § 80 Abs. 7 VwGO mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, als unbegründet. Zwar ist davon auszugehen, dass die Beigeladenen - wie dargelegt - mit ihren Einwendungen nicht präkludiert sind. Insoweit ist also die Rechtmäßigkeit der erteilten Genehmigung anhand sämtlicher (die Beigeladenen schützender) Normen zu bewerten, die bei Erlass des Bescheides zu beachten waren.
57Unter Zugrundelegung der allgemeinen Maßstäbe für die Bestimmung erheblicher Geruchsimmissionen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG (dazu unten a)), lässt sich bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, ob die angegriffene Genehmigung rechtmäßig ist (unten b)). Ob die zu erwartende Belastung mit Bioaerosolen die Beigeladenen in ihren Rechten verletzt, ist ebenfalls nicht abschließend zu klären (unten c)). Verstöße gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts liegen bei summarischer Prüfung nicht vor (unten d)). Die Beigeladenen können die Aufhebung der Genehmigung nicht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG verlangen, denn die erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit wurde durchgeführt (unten e)). Im Rahmen der bei offenen Erfolgsaussichten vorzunehmenden weitergehenden Interessenabwägung gebührt vorliegend dem Interesse der Antragstellerin an der vorläufigen weiteren Ausnutzung der ihr erteilten Genehmigung Vorrang gegenüber dem Suspensivinteresse der Beigeladenen (unten f)).
58a) Bei der Beurteilung, ob Geruchsbelastungen erheblich im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind, kann nach ständiger Rechtsprechung bis zum Erlass bundeseinheitlicher Vorschriften die nordrhein-westfälische Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) in der Fassung vom 29. Februar 2008 und einer Ergänzung vom 10. September 2008 als Orientierungshilfe herangezogen werden. Die GIRL enthält technische Normen, die auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von Sachverständigen beruhen und insoweit die Bedeutung von allgemeinen Erfahrungssätzen und antizipierten generellen Sachverständigengutachten haben.
59Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Mai 2007 - 4 B 5.07 -, BauR 2007, 1454 = juris Rn. 4; OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1760/13 -, NWVBl. 2015, 415 = juris Rn. 49 ff.; Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1577/14 -, juris Rn. 55 ff.; Urteil vom 12. August 2015 - 8 A 799/14 -, ZNER 2015, 480 = juris Rn. 66-68, jeweils m. w. N.
60Nach Nr. 3.1 Tabelle 1 der GIRL gilt für Wohn- bzw. Mischgebiete ein Immissionswert IW = 0,10 (10% Jahresgeruchsstunden) und für Gewerbe-/Industriegebiete ein Immissionswert IW = 0,15 (15% Jahresgeruchsstunden). Für Dorfgebiete gilt für landwirtschaftliche Gerüche ebenfalls ein Immissionswert von 0,15. Sonstige Gebiete, in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, sind nach Nr. 3.1 Abs. 2 der GIRL entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechts den einzelnen Spalten der Tabelle 1 zuzuordnen. Für den bauplanungsrechtlichen Außenbereich wird dabei für landwirtschaftliche Gerüche der für Dorfgebiete anzusetzende Wert angenommen.
61Vgl. nur OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1760/13 -, NWVBl. 2015, 415 = juris Rn. 53, sowie Beschlüsse vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, NWVBl. 2010, 277 = juris Rn. 31 ff., und vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 32.
62In der Begründung und den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.1 der GIRL, 4. Aufzählungspunkt, ist erläuternd ausgeführt, dass das Wohnen im Außenbereich mit einem immissionsschutzrechtlich geringeren Schutzanspruch verbunden sei. Vor diesem Hintergrund sei es möglich, unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls bei der Geruchsbeurteilung im Außenbereich einen Wert von bis zu 0,25 (entspricht 25 % Jahresgeruchsstunden) für landwirtschaftliche Gerüche heranzuziehen.
63Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. November 2015 - 8 A 1031/15 -, juris Rn. 69 f.; Beschlüsse vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 32, und vom 9. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, NWVBl. 2014, 318 = juris Rn. 8.
64Die Bestimmung eines höheren Immissionswerts für landwirtschaftliche Gerüche setzt stets das Vorliegen besonderer Einzelfallumstände voraus. Insoweit bedarf es einer Einzelfallbeurteilung durch die Genehmigungsbehörde, die unter Berücksichtigung vor allem der konkreten örtlichen Gegebenheiten zu erfolgen hat.
65Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl 2013, 177 = juris Rn. 41; Beschluss vom 9. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, NWVBl 2014, 318 = juris Rn. 70; Beschluss vom 22. Mai 2015 - 8 B 1029/14 -, juris Rn. 56; Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1760/13 -, NWVBl. 2015, 415 = juris Rn. 70, 79 ff.
66Landwirtschaftliche Gerüche im vorstehenden Sinne sind nicht nur solche aus landwirtschaftlichen Betrieben im Sinne des § 201 BauGB. Auch Gerüche aus bauplanungsrechtlich als gewerblich einzuordnenden Tierhaltungsanlagen sind hierunter zu fassen.
67Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1577/14 -, juris Rn. 78.
68Zur Ermittlung der zu erwartenden Geruchshäufigkeit bedarf es grundsätzlich einer "auf der sicheren Seite" liegenden Prognose, bei der aus der Vorbelastung und der Zusatzbelastung ggf. unter Berücksichtigung der Bebauungseinflüsse, einer Abluftfahnenüberhöhung und der Reduktion durch Abluftreinigungsanlagen im Wege einer Ausbreitungsrechnung die voraussichtliche Gesamtbelastung ermittelt wird. Diese ist sodann an dem nach der GIRL maßgeblichen Immissionsrichtwert zu messen.
69OVG NRW, Beschluss vom 3. Februar 2011 - 8 B 1797/10 -, juris Rn. 5; Beschluss vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 33; Beschluss vom 9. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, NWVBl. 2014, 318 = juris Rn. 11; Urteil vom 12. August 2015 - 8 A 799/14 -, ZNER 2015, 480 = juris Rn. 72.
70Bei der Ermittlung der Vorbelastung sind solche Emissionsquellen nicht mit einzubeziehen, die dem Immissionspunkt selbst zuzurechnen sind (sog. Eigenbelastung). Dies gilt unabhängig davon, ob die eigenen Tiergerüche mit den von außen einwirkenden Tiergerüchen identisch sind.
71Siehe im Einzelnen OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1577/14 -, juris Rn. 64 ff.; Urteil vom 12. August 2015 - 8 A 799/14 -, ZNER 2015, 480 = juris Rn. 75; Urteil vom 10. November 2015 - 8 A 1031/15 -, juris Rn. 55 ff.
72b) Der Senat kann bei summarischer Prüfung nicht abschließend beurteilen, ob der Antragsgegner vorliegend mit Recht angenommen hat, dass von dem Vorhaben nach diesen Maßstäben keine unzumutbaren Geruchsbelästigungen für die Beigeladenen ausgehen. Das gilt sowohl für das im Eigentum der Beigeladenen stehende, vermiete Wohnhaus im Osten des streitgegenständlichen Vorhabens, bei dem es sich nach Aktenlage um das Doppelwohnhaus mit der Anschrift O. handeln dürfte, als auch für das Betriebsleiterwohnhaus der Beigeladenen auf deren eigener Hofstelle im Westen des Vorhabens (soweit eine unzumutbare Geruchsbelastung dieses Wohnhauses, was bisher unklar bleibt, mit der Klage überhaupt geltend gemacht werden soll).
73An beiden Wohnhäusern ist nach Aktenlage ein Immissionsrichtwert von 0,15 einzuhalten (dazu aa). Die Geruchsimmissionsprognose der Landwirtschaftskammer rechtfertigt nicht mit hinreichender Sicherheit den Schluss, dass der maßgebliche Immissionswert nicht überschritten wird. Allerdings spricht derzeit auch nichts für die Annahme, er werde an einem der beiden Wohnhäuser offensichtlich überschritten (dazu bb).
74aa) Für das Doppelwohnhaus O. gilt ein Immissionsrichtwert von 0,15.
75Der Standort dieses Wohnhauses liegt nicht (mehr) im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Der für diesen Bereich vormals bestehende einfache Bebauungsplan, der für die Straße O. wohl ein Dorfgebiet festsetzte, wurde bereits 1995 aufgehoben. Damit dürfte das Wohnhaus wohl dem Außenbereich nach § 35 BauGB zuzuordnen sein, sofern eine Überprüfung im Hauptsacheverfahren nicht eine Zuordnung nach § 34 BauGB ergeben sollte. Hieraus folgt entgegen der pauschalen Annahme des Antragsgegners aber nicht ohne weiteres, dass die Beigeladenen an diesem Wohnhaus Geruchsimmissionen bis zu einem Wert von 0,25 hinnehmen müssten. Einzelfallbezogene Umstände, die im vorliegenden Fall eine Erhöhung des für Dorfgebiete und grundsätzlich auch im Außenbereich geltenden Immissionswerts von 0,15 rechtfertigen, hat der Antragsgegner nicht vorgebracht. Ob die Vorprägung des Gebietscharakters durch die frühere bauplanungsrechtliche Festsetzung als Dorfgebiet die Darlegungslasten für eine ausnahmsweise Überschreitung des regulären Immissionswertes von 0,15 erhöht, bedarf daher derzeit keiner Entscheidung. Dass der frühere Bestand von Ortsrecht einen Vertrauenstatbestand im Hinblick auf vertragliche Verpflichtungen gegenüber den Mietern geschaffen haben könnte (so die Behauptung der Beigeladenen), haben diese jedenfalls nicht nachvollziehbar dargelegt.
76Auch am Betriebsleiterwohnhaus auf der Hofstelle der Beigeladenen (O. ) dürfte nach Aktenlage ein Immissionswert von 0,15 einzuhalten sein. Es ist im Außenbereich gelegen; und der Antragsgegner hat auch diesbezüglich bisher keine einzelfallbezogenen Umstände dargelegt, die ausnahmsweise eine Erhöhung dieses Wertes rechtfertigen.
77Eine einzelfallbezogene Begründung für einen entsprechend erhöhten Immissionswert, bei dessen Bestimmung die nach der Rechtsprechung relevanten Kriterien,
78vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1577/14 -, juris Rn. 96 ff. m. w. N.,
79zu berücksichtigen wären, könnte der Antragsgegner allerdings auch noch während des Klageverfahrens nachholen.
80bb) Nach dem Immissionsschutzgutachten der Landwirtschaftskammer vom 20. November 2012 lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob der Immissionswert an den beiden genannten Immissionspunkten im Ergebnis eingehalten wird. Auch wenn die Immissionsprognose im vorliegenden Eilverfahren nicht vollumfänglich überprüft werden kann, entspricht sie bei summarischer Prüfung jedenfalls nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen, die der Senat in seiner neueren, inzwischen gefestigten Rechtsprechung an eine auf der sicheren Seite liegende Prognose stellt.
81Zwar begegnet es bei summarischer Prüfung keinen Bedenken, dass bei der Berechnung der zu erwartenden Geruchsimmissionen hinsichtlich des Mastschweinestalls die geruchsreduzierenden Auswirkungen der nach dem Genehmigungsbescheid (Inhaltsbestimmung V.2., Nebenbestimmung VI.6.) in Verbindung mit den Antragsunterlagen einzubauenden Abluftreinigungsanlage berücksichtigt worden sind. Danach wird ein nach DLG-Signum-Test zertifiziertes System eingesetzt, das gewährleistet, dass kein Rohgasgeruch wahrnehmbar ist, die Restemissionen im Reingas kleiner als 300 GE/m³ sind und der Eigengeruch nach 100 m abgebaut ist.
82Vgl. zu den Voraussetzungen, unter denen die Reinigungsleistung einer Abluftreinigungsanlage berücksichtigungsfähig ist, OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1577/14 -, juris Rn. 72 ff.
83Voraussichtlich ist daher nicht zu beanstanden, dass die Restemissionen aus der Abluftreinigungsanlage in den Prognoseberechnungen auf Null gesetzt worden sind, da sich alle nächstgelegenen fremden Wohnnutzungen in Entfernungen von über 100 m zum Stallneubau befinden. Die Behauptung der Beigeladenen, der Abstand zur nächsten Wohnbebauung betrage weniger als 50 m, steht dem nicht entgegen. Sie trifft auf die beiden in ihrem Eigentum stehenden Wohnhäuser, deren Beeinträchtigung sie allein geltend machen können, jedenfalls nicht zu. Beide Häuser dürften sich vielmehr in einem Abstand von mehr als 100 m zu dem Mastschweinestall befinden.
84Es fehlt indes an einer hinreichend genauen, gesonderten Ausweisung der Vorbelastung und der von dem streitgegenständlichen Vorhaben ausgehenden Zusatzbelastung an den hier maßgeblichen Immissionsorten, die zusammen die ermittelte Gesamtbelastung ergeben.
85(1) Das Betriebsleiterwohnhaus auf der landwirtschaftlichen Hofstelle der Beigeladenen im Westen des Vorhabens der Antragstellerin ist überhaupt nicht als Immissionsort in den Blick genommen worden; welche Gesamtbelastung sich dort ergibt, ist deshalb offen. Bei der insoweit notwendigen Ergänzung der Geruchsimmissionsprognose wird zu berücksichtigen sein, dass die von der Schweinehaltung der Beigeladenen ausgehende Geruchsbelastung (= Eigenbelastung) nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht in die Vorbelastung mit einzubeziehen ist. Hinzu kommt, dass u. U. eine noch zu begründende, einzelfallbezogene Erhöhung des grundsätzlich maßgeblichen Immissionswerts von 0,15 in Betracht kommen könnte. Berücksichtigt man des weiteren, dass das Wohnhaus der Beigeladenen etwa genauso weit von dem streitgegenständlichen Schweinemaststall entfernt ist wie das nachfolgend betrachtete Doppelhaus O. , für das eine (grobe) Immissionsprognose unter Einschluss der Belastung durch die Schweinehaltung der Beigeladenen vorliegt, erscheint es bei summarischer Prüfung nicht naheliegend, dass das Vorhaben am Wohnhaus der Beigeladenen im Ergebnis zu unzumutbaren Geruchsbelästigungen führt.
86(2) Hinsichtlich des nicht zum Hof der Beigeladenen gehörenden, südöstlich an das Vorhaben der Antragstellerin angrenzenden Mietshauses O. lässt sich dem Immissionsschutzgutachten nicht hinreichend sicher entnehmen, dass der Immissionswert von 0,15 an diesem Immissionsort voraussichtlich eingehalten wird. Das Gutachten prognostiziert dort eine belästigungsrelevante Gesamtbelastung von 0,12. Insoweit dürfte sich das einschlägige Raster der Abbildung 9 des Gutachtens (S. 19) mit einer Rasterkantenlänge von 50 m (S. 15) aber als zu grob erweisen, um eine hinreichend genaue Prognose zu ermöglichen. Die maßgebliche Rasterfläche umfasst nicht nur das benannte Doppelhaus vollständig, sondern geht noch deutlich darüber hinaus. Da die im Norden angrenzende Rasterfläche bereits eine belästigungsrelevante Gesamtbelastung von 0,19 aufweist, lässt sich aufgrund der Ausblendung der realitätsnah anzunehmenden fließenden Übergänge zwischen diesen Werten nicht ausschließen, dass etwa im nördlichen Bereich des Doppelhauses der Immissionswert von 0,15 bereits überschritten wird (vgl. dazu auch die Anlage 2 zu der von den Beigeladenen vorgelegten Stellungnahme des Sachverständigen für Immissionsschutz L. I. vom 24. März 2015).
87Die Klärung der Frage, ob auch hinsichtlich der hier betrachteten vermieteten Wohneinheiten die Geruchsbelastung durch den Schweinehaltungsbetrieb der Beigeladenen bei der Bestimmung der Vorbelastung unberücksichtigt bleiben muss, bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Der Senat hat eine solche Gleichstellung mit der Wohnung des Betriebsinhabers selbst bisher nur für vermietete Wohnungen auf der Hofstelle angenommen, weil die Bewohner dieser Wohnungen das Vorrecht, im Außenbereich wohnen zu dürfen, von der Hofstelle ableiten. Diese Wohnungen sind deshalb von vornherein mit der „Geruchshypothek“ der Hofstelle belastet.
88Vgl. OVG NRW, Urteile vom 1. Juni 2015 - 8 A 1577/14 -, juris Rn. 68, und - 8 A 1760/13 -, NWVBl. 2015, 415 = juris Rn. 62, 95.
89Hier liegt der Fall anders. Das Doppelwohnhaus O. leitet seine baurechtliche Genehmigung jedenfalls nicht von der - nicht unmittelbar benachbarten - Hofstelle der Beigeladenen ab; vielmehr ist diese vermutlich unter der Geltung des zwischenzeitlich aufgehobenen Bebauungsplans erteilt worden.
90(3) Die Beurteilung der Zumutbarkeit der an den beiden hier in Rede stehenden Immissionsorten zu erwartenden Geruchsbelastung wirft weitere Fragen auf, die sich im Rahmen der summarischen Prüfung nicht abschließend beurteilen lassen.
91Nach Aktenlage kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch gewerbliche Betriebe wie die von den Beigeladenen angeführte, rund 450 m von dem Vorhaben der Antragstellerin entfernte Kläranlage auf der C. Straße sowie ein Regenrückhaltebecken in relevanter Weise auf die Geruchsbelastung einwirken. Die Beigeladenen berufen sich insoweit auf die „Kontroll- und Vergleichsrechnungen zur SMA H. /E. “ des Sachverständigen Dipl.-Ing. L. I. vom 24. März 2015, die dieser im Auftrag des BUND (Kreis und Stadt W. ) erstellt hat. Darin wird dargelegt, dass das Mietshaus der Beigeladenen bei Einbeziehung der Geruchsbelastung durch die Kläranlage mit insgesamt bis zu 15,8 Jahresgeruchsstunden belastet werde.
92Es bedarf der Überprüfung im Hauptsacheverfahren, inwieweit dies zutrifft und hieraus unter Zugrundelegung der für gewerbliche Gerüche und ihr Zusammentreffen mit Tierhaltungsgerüchen anzuwendenden Maßstäbe,
93Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 22. Mai 2015 ‑ 8 B 1029/14 -, juris Rn. 61 ff.,
94rechtliche Bedenken gegen die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens erwachsen.
95c) Ausgehend von den vorstehenden Ausführungen ist die Genehmigung auch nicht deshalb offensichtlich rechtswidrig, weil sie keinen Immissionsgrenzwert für Bioaerosole festsetzt. Ob vorliegend schädliche Umwelteinwirkungen i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG durch Bioaerosole zu erwarten sind, lässt sich bei summarischer Prüfung nicht abschließend beurteilen. Die TA Luft sieht insoweit keine Immissions- oder Emissionswerte vor; insbesondere enthält sie in Bezug auf Bioaerosole kein Emissionsminderungsgebot. Es gibt bislang auch keine sonstigen Grenz- oder Orientierungswerte, die die Schädlichkeitsschwelle für Bioaerosole beschreiben. In Betracht kommt daher allenfalls eine Sonderfallprüfung nach Nr. 4.8 TA Luft, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorruft.
96Vgl. im Einzelnen OVG NRW, Urteil vom 10. November 2015 - 8 A 1031/15 -, Rn. 104 ff.; Beschluss vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, BRS 76 Nr. 100 = juris Rn. 52; Beschluss vom 10. Mai 2010 - 8 B 992/09 -, juris Rn. 53; Beschluss vom 8. Februar 2012 - 8 B 1322/11 -, juris Rn. 33; Urteil vom 30. Januar 2014 - 7 A 2555/11 -, NWVBl. 2014, 306 = juris Rn. 88.
97Allerdings sprechen gegenwärtig gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass von Tierhaltungsbetrieben luftgetragene Schadstoffe wie insbesondere Stäube, Mikroorganismen (z.B. Pilzsporen) und Endotoxine ausgehen, die grundsätzlich geeignet sind, die menschliche Gesundheit zu beeinträchtigen. Beim derzeitigen Erkenntnisstand greift die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht als Instrument der Gefahrenabwehr aber nicht ein, weil ungewiss ist, ob mit einem Schadenseintritt zu rechnen ist. Insoweit ist die Vermeidung bzw. Senkung von erhöhten Bioaerosol-Konzentrationen nicht den drittschützenden Betreiberpflichten i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, sondern den Vorsorgeanforderungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG zuzuordnen. Auf deren Einhaltung hat der Nachbar grundsätzlich keinen Anspruch.
98Vgl. zuletzt OVG NRW, Urteil vom 10. November 2015 - 8 A 1031/15 -, juris Rn. 110 m. w. N.; siehe auch BVerwG, Urteil vom 23. Juli 2015 - 7 C 10.13 -, juris Rn. 21 ff.
99Derzeit liegen hier keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Gesundheitsgefährdung i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG durch Bioaerosole vor. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein Wohnhaus durch einen Schweinehaltungsbetrieb Bioaerosol-Immissionen ausgesetzt wird, die über eine allgemeine, gebietstypische Gefährdung hinausgehen und bereits zu einer konkreten Gefährdung der Gesundheit führen können, hält der Senat eine Orientierung an den Ergebnissen der Geruchsimmissionsprognose für nahe liegend. Denn der Übertragungsweg bei Bioaerosolen ist im Grunde derselbe wie bei Gerüchen.
100Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. November 2015 - 8 A 1031/15 -, juris Rn. 112.
101Vorliegend liegt eine Gesundheitsgefährdung durch Bioaerosole nicht nahe, weil die Antragstellerin mit dem in der Genehmigung vorgegebenen Einbau einer DLG-zertifizierten Abluftreinigungsanlage bereits die im Erlass des MKULNV NRW vom 19. Februar 2013 (Immissionsschutzrechtliche Anforderungen an Tierhaltungsanlagen, sog. Filtererlass) vorgesehenen, emissionsbegrenzenden Vorsorgemaßnahmen einhält. In der Fachwelt wird davon ausgegangen, dass Anlagen zur Verminderung von Staubemissionen auch zur Minderung von Bioaerosolen geeignet sind (vgl. Filtererlass, S. 6; ebenso Immissionsschutzgutachten der Landwirtschaftskammer S. 33). Ob es bei dieser Sachlage gleichwohl - wie die Beigeladenen meinen - zum Schutz ihrer Nachbarrechte erforderlich ist, die voraussichtliche Belastung durch Bioaerosole gutachterlich ermitteln zu lassen, bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Von offensichtlich drohenden Gesundheitsgefahren kann beim gegenwärtigen Stand der Erkenntnisse im vorliegenden Fall jedenfalls nicht ausgegangen werden.
102d) Verstöße gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts liegen bei summarischer Prüfung nicht vor. Nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB in der seit dem 20. September 2013 geltenden Fassung des Gesetzes vom 11. Juni 2013 (BGBl. I 1548), der nach § 245a Abs. 4 BauGB auf den im November 2012 gestellten Antrag der Antragstellerin bereits Anwendung findet, sind gewerbliche Tierhaltungsanlagen im Außenbereich nicht mehr privilegiert. Die Landwirtschaftskammer hat jedoch bestätigt, dass die Antragstellerin nach Abschluss eines weiteren Landpachtvertrags in der Lage ist, für den Gesamt-Tierbestand das Kriterium der überwiegend eigenen Futtergrundlage i. S. v. § 201 BauGB zu erfüllen. Es besteht kein Anlass, diese Bewertung im vorliegenden summarischen Verfahren in Frage zu stellen.
103e) Die Beigeladenen haben keinen Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens verlangt werden, wenn eine erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht durchgeführt wurde.
104Es kann dahinstehen, ob Anlass zur Prüfung dieser Rüge im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren besteht, obwohl die Beigeladenen ihre Klage bisher nicht auf Mängel der UVP-Vorprüfung gestützt haben. Sie haben das Unterbleiben der Vorprüfung nur im ersten, von ihnen selbst eingeleiteten Eilverfahren vor dem VG Düsseldorf (3 L 151/14) geltend gemacht und auf diesen Vortrag im vorliegenden Verfahren Bezug genommen. Diese Rüge greift jedenfalls nicht durch, denn die erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit wurde durchgeführt. Sie ist im Vermerk des Antragsgegners vom 30. September 2013 (Beiakte 9, Bl. 540) im Einzelnen niedergelegt. Darin hat der Antragsgegner die zu prüfenden Kriterien aufgeführt und sich - nach Anhörung der betroffenen Fachbehörden - jeweils im Wesentlichen der Bewertung der von der Antragstellerin vorgelegten Vorprüfung des Einzelfalls angeschlossen. Er ist zu dem Ergebnis gelangt, dass es einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht bedürfe. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner im Rahmen der Genehmigung lediglich das Ergebnis dieser Vorprüfung mitteilt. Eine Verpflichtung, die Vorprüfung insgesamt in den Genehmigungsbescheid aufzunehmen, ist nicht zu erkennen.
105Der Senat sieht im vorliegenden Verfahren keine Veranlassung, darüber hinaus zu überprüfen, ob die durchgeführte Vorprüfung dem Maßstab von § 3a Satz 4 UVPG genügt (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG). Die Beigeladenen haben dies zu keinem Zeitpunkt substantiiert in Frage gestellt. Der - allein unionsrechtlich bedingte - Wegfall der Präklusion führt nicht dazu, dass Gerichte unabhängig von konkreten Rügen auf Fehlersuche gehen und ggf. Eilrechtsschutz gewähren müssten. Eine derartige Verpflichtung lässt sich den einschlägigen Richtlinien auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht entnehmen.
106f) Die bei offenen Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache erforderliche weitere Interessenabwägung fällt zugunsten der Antragstellerin aus. Ihr drohen bei einer vorläufigen Einstellung des Betriebs wirtschaftliche Nachteile, die in der konkreten Verfahrenssituation unbillig wären und die von den Beigeladenen geltend gemachten Nachteile überwiegen.
107Die Antragstellerin hat die Stallanlage nach der gerichtlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung im November 2015 zulässigerweise errichtet und in Betrieb genommen. Sie ist mit der Inanspruchnahme von Krediten finanzielle Verpflichtungen eingegangen. Im Falle der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der gegen die Genehmigung erhobenen Anfechtungsklage wäre sie gezwungen, die eingebrachten Mastschweine zu schlachten oder zu verkaufen bzw. jedenfalls an einen anderen Ort zu verbringen. Die damit verbundenen finanziellen Einbußen wären in der vorliegenden Konstellation unzumutbar.
108Zwar trägt die Antragstellerin das Risiko, dass getätigte Investitionen verloren sind, wenn die gegen die Genehmigung gerichtete Nachbarklage Erfolg hat.
109Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Mai 2015 - 8 B 1029/14 -, juris Rn. 87.
110Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache hat die Antragstellerin aber ein qualifiziertes Interesse daran, dass die gerade durch gerichtliche Eilentscheidungen angeordnete sofortige Vollziehung ihrer Genehmigung aufrechterhalten bleibt, weil sie auf dieser Grundlage umfassende Investitionen getätigt und das Vorhaben ins Werk gesetzt hat. Abweichendes würde lediglich dann gelten, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache aufgrund veränderter Umstände im Sinne des § 80 Abs. 7 VwGO nunmehr erkennbar Aussicht auf Erfolg hätte. In diesem Fall würde nur die Betriebseinstellung, mit der die Antragstellerin mangels Bestandskraft der ihr erteilten Genehmigung ohnehin rechnen müsste, früher aktualisiert. Diese Voraussetzungen liegen aber nicht vor, weil die Rechtmäßigkeit der erteilten Genehmigung ‑ wie dargelegt - mit der erforderlichen Sicherheit im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht geklärt werden kann.
111Den Beigeladenen kann es demgegenüber zugemutet werden, für den Zeitraum bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache den weiteren Betrieb der Schweinemastanlage hinzunehmen. Konkrete Anhaltspunkte für eine Gesundheitsgefahr durch Bioaerosole bestehen hier - wie oben ausgeführt - derzeit nicht. Bei Gerüchen geht es ohnehin nur um - nicht gesundheitsschädliche - Belästigungen.
112Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juli 2015 - 7 C 10.13 -, NVwZ 2016, 79 = juris Rn. 33; OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1760/13 -, NWVBl. 2015, 415 = juris Rn. 62.
113Sollten sich im Zuge der weiteren Sachverhaltsermittlung - wider Erwarten - ernsthafte Hinweise auf Gesundheitsgefahren ergeben, könnte jederzeit ein weiterer Abänderungsantrag gestellt werden. Es ist auch nicht nahe liegend, dass während des vorübergehenden Zeitraums bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage der Beigeladenen Mietzinsausfälle in einem Umfang drohen könnten, der die Altersvorsorge der Beigeladenen gefährdete.
114Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 159 Satz 2 VwGO.
115Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Der Senat orientiert sich dabei an den Ziffern 19.2 und 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
116Abzurufen unter http://www.BVerwG.de/medien/pdf/ streitwertkatalog.pdf.
117Der danach im Hauptsacheverfahren auf 15.000,- € festzusetzende Streitwert ist mit Blick auf die Vorläufigkeit des vorliegenden Verfahrens in Anlehnung an Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs auf die Hälfte zu reduzieren.
118Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 und 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Tenor
Auf die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. Juli 2004 - 16 K 1272/04 - mit Ausnahme der Streitwertentscheidung geändert. Der Antrag der Antragstellerin wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe
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(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Setzt die Behörde automatische Einrichtungen zum Erlass von Verwaltungsakten ein, muss sie für den Einzelfall bedeutsame tatsächliche Angaben des Beteiligten berücksichtigen, die im automatischen Verfahren nicht ermittelt würden.
(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.
(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.
Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
(1) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn
- 1.
sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und - 2.
andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.
(2) Bei Anlagen, die unterschiedlichen Betriebsweisen dienen oder in denen unterschiedliche Stoffe eingesetzt werden (Mehrzweck- oder Vielstoffanlagen), ist die Genehmigung auf Antrag auf die unterschiedlichen Betriebsweisen und Stoffe zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 1 für alle erfassten Betriebsweisen und Stoffe erfüllt sind.
(3) Eine beantragte Änderungsgenehmigung darf auch dann nicht versagt werden, wenn zwar nach ihrer Durchführung nicht alle Immissionswerte einer Verwaltungsvorschrift nach § 48 oder einer Rechtsverordnung nach § 48a eingehalten werden, wenn aber
- 1.
der Immissionsbeitrag der Anlage unter Beachtung des § 17 Absatz 3a Satz 3 durch das Vorhaben deutlich und über das durch nachträgliche Anordnungen nach § 17 Absatz 1 durchsetzbare Maß reduziert wird, - 2.
weitere Maßnahmen zur Luftreinhaltung, insbesondere Maßnahmen, die über den Stand der Technik bei neu zu errichtenden Anlagen hinausgehen, durchgeführt werden, - 3.
der Antragsteller darüber hinaus einen Immissionsmanagementplan zur Verringerung seines Verursacheranteils vorlegt, um eine spätere Einhaltung der Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 zu erreichen, und - 4.
die konkreten Umstände einen Widerruf der Genehmigung nicht erfordern.
(1) Eine nach § 3 anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung kann, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen einlegen, wenn die Vereinigung
- 1.
geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht, - 2.
geltend macht, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen berührt zu sein, und - 3.
im Falle eines Verfahrens nach - a)
§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b zur Beteiligung berechtigt war; - b)
§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 zur Beteiligung berechtigt war und sie sich hierbei in der Sache gemäß den geltenden Rechtsvorschriften geäußert hat oder ihr entgegen den geltenden Rechtsvorschriften keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist.
(2) Eine Vereinigung, die nicht nach § 3 anerkannt ist, kann einen Rechtsbehelf nach Absatz 1 nur dann einlegen, wenn
- 1.
sie bei Einlegung des Rechtsbehelfs die Voraussetzungen für eine Anerkennung erfüllt, - 2.
sie einen Antrag auf Anerkennung gestellt hat und - 3.
über eine Anerkennung aus Gründen, die von der Vereinigung nicht zu vertreten sind, noch nicht entschieden ist.
(3) Ist eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 nach den geltenden Rechtsvorschriften weder öffentlich bekannt gemacht noch der Vereinigung bekannt gegeben worden, so müssen Widerspruch oder Klage binnen eines Jahres erhoben werden, nachdem die Vereinigung von der Entscheidung Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können. Widerspruch oder Klage gegen eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 oder 6 müssen jedoch spätestens binnen zweier Jahre, nachdem der Verwaltungsakt erteilt wurde, erhoben werden. Satz 1 gilt entsprechend, wenn eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 entgegen geltenden Rechtsvorschriften nicht getroffen worden ist und die Vereinigung von diesem Umstand Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können.
(4) Rechtsbehelfe nach Absatz 1 sind begründet, soweit
- 1.
die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 oder deren Unterlassen gegen Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind, oder - 2.
die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2a bis 6 oder deren Unterlassen gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind,
Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen die dem Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zum Halten oder zur Aufzucht von Schweinen mit insgesamt 2.412 Mastschweineplätzen.
3Der Beigeladene betreibt auf seiner Hofstelle auf dem Grundstück Gemarkung J. in N. an der Ruhr einen landwirtschaftlichen Betrieb mit derzeit 660 Mastschweineplätzen in einem Stall. Letzterer wurde mit Baugenehmigung vom 5. April 1995 genehmigt. Die Abluftführung erfolgt zurzeit über acht Kamine, deren Oberkante den Dachfirst (Höhe 4,80 m) um 1,50 m überragen. Weiter südlich auf der Hofstelle befindet sich ein Güllehochbehälter mit einem Fassungsvermögen von 3.350 m³, der von der Beklagten mit Bescheid vom 10. Dezember 2008 bauaufsichtlich genehmigt worden ist. Ungefähr 40 m südlich des bestehenden Stalls liegt ein Wohnhaus mit einer Firsthöhe von ca. 12,50 m.
4Der Kläger ist Eigentümer eines ca. 100 m nördlich des Vorhabengrundstücks gelegenen landwirtschaftlichen Betriebs, den er selbst zusammen mit seiner Ehefrau bewirtschaftet und auf dem er auch wohnt. Er hält auf dem Hof ca. 350 Legehennen im Freiland sowie vier Pferde außerhalb eines Stalls. Zwischen den Ställen des Beigeladenen und der Hofstelle des Klägers befinden sich keine weiteren Gebäude.
5Die Hofstellen des Klägers und des Beigeladenen liegen im Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplans „S.“. Dieser setzt für beide Höfe eine Fläche für die Landwirtschaft nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BBauG in der damals geltenden Fassung fest. Beide Höfe liegen desweiteren im Landschaftsschutzgebiet „S. zwischen N1. und N2. “, welches durch die Ziffer C.2.2.2.20 des Landschaftsplans der Beklagten vom 28. Februar 2005 festgesetzt worden ist. Die Festsetzung erfolgt u. a. zur Erhaltung und Entwicklung eines Freiraums für die siedlungsnahe Erholung im Ballungsraum als Bestandteil des regionalen Freiraumsystems im Ruhrgebiet („Grünzug B“). Nach Ziffer C.2.2.2.20, III. i. V. m. Ziffer C.2.2.1, III. Nr. 4 ist es in dem Landschaftsschutzgebiet u. a. verboten, bauliche Anlagen zu errichten.
6In der näheren Umgebung liegt der landwirtschaftliche Betrieb B. , in dem im Zeitpunkt einer Kontrolle durch den Beklagten im Jahr 2013 fünf Kühe, zwei Kälber und zwei Pferde gehalten wurden. Die zu einem früheren Zeitpunkt noch bestehenden Betriebe O. (15 Kühe) und T. (zwei Pferde) haben die Tierhaltung jedenfalls im Jahr 2013 aufgegeben.
7Am 13. Juli 2011 beantragte der Beigeladene die Erweiterung des bestehenden Betriebs durch ein neues Stallgebäude (Betriebseinheit BE 3) mit 1.752 Mastschweineplätzen, so dass sich eine Gesamtzahl von 2.412 Mastschweineplätzen ergibt. Weiterhin sieht der Antrag die Änderung der Abluftführung für den bestehenden Mastschweinestall (Betriebseinheit BE 1), den Anbau einer Hygieneschleuse, die Abdeckung des bereits vorhandenen Güllehochbehälters (Betriebseinheit BE 2) sowie die Errichtung von vier Futtersilos vor. Ausweislich der Bauvorlagen beträgt die Höhe des Dachfirsts des Stalls BE 3 7,50 m. Die Lüftung erfolgt über sechs in der Mitte des Gebäudes liegende Kamine, die den Dachfirst um 3,00 m überragen.
8Mit dem Antrag legte der Beigeladene ein Geruchs- und Ammoniakgutachten des Ingenieurbüros für Abfallwirtschaft und Immissionsschutz S. & I. vom 9. Mai 2011, ergänzt durch eine Stellungnahme vom 23. März 2012, vor (Gutachten Nummer G-2696-02). Dieses führt unter Punkt 4.3 (immissionsmindernde Maßnahmen) aus, dass für die Betriebseinheiten BE 1 und BE 3 jeweils eine zentrale Abluftführung - bestehend aus maximal 2 bzw. maximal 6 Schächten - auszuführen ist. Diese müsse dem Stand der Technik (mindestens 10 m über Erdboden, mindestens 3 m über First und Mindestaustrittsgeschwindigkeit ganzjährig 7 m/s) entsprechen. Die Immissionen aus dem Güllehochbehälter BE 2 seien durch eine Zeltabdeckung zu mindern.
9Die Beklagte machte das Vorhaben am 15. November 2011 öffentlich bekannt. Die Antragsunterlagen wurden vom 22. November bis 22. Dezember 2011 ausgelegt. Der Kläger erhob am 30. Dezember 2011 Einwendungen. Das Vorhaben, das das Landschaftsbild beeinträchtige, führe insbesondere zu nicht hinzunehmenden Belästigungen durch Gerüche und Bioaerosole an seinem Haus. Außerdem steige durch die höhere Anzahl an Fahrbewegungen, die Ventilatorengeräusche und die Geräusche der Tiere die Lärmbelastung.
10Im weiteren Genehmigungsverfahren legte der Beigeladene eine schalltechnische Immissionsprognose des Ingenieurbüros S. & I. vom 8. Februar 2012 (Gutachten Nr. L-2696-01) vor, welches neben den Ventilatoren die Tierverladung, die Futteranlieferung, die Verladung von Kadavern, die Abholung von Gülle sowie die Reinigung der Verladezone nebst zugehörigen Fahrgeräuschen berücksichtigt. Für das Wohnhaus des Klägers prognostiziert das Gutachten (IP 2, 2. Obergeschoss) einen Beurteilungspegel Lr von tags 51,8 dB(A) und nachts 32,8 dB(A). Da das Irrelevanzkriterium nach Nr. 3.2.1 Abs. 2 der TA Lärm erfüllt sei, könne auf die Ermittlung der vorhandenen Geräuschvorbelastung verzichtet werden. Geräusche des An- und Abfahrtverkehrs auf der öffentlichen Straße seien nicht zu berücksichtigen. Die Untersuchung der Verkehrsgeräusche gemäß Ziffer 7.4 TA Lärm habe ergeben, dass die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung von 64 dB(A) zur Tagzeit um mindestens 8 dB(A) unterschritten würden. Zu Einhaltung der Immissionsrichtwerte dürften die LKW- und Schlepper-Bewegungen sowie die Verladevorgänge ausschließlich zur Tagzeit stattfinden. Die Schallemissionen der Abluftkamine dürften an der Mündung den Schallleistungspegel vom LWA = 75 dB(A) am Stall BE 1 und LWA = 78 dB(A) am Stall BE 3 je Abluftschacht nicht überschreiten.
11Mit Bescheid vom 3. Dezember 2012 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen die begehrte immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Gemäß Ziffer II.B.2.1.1 des Genehmigungsbescheids ist die Anlage so zu betreiben, dass am Haus des Klägers ein Immissionswert von 60 dB(A) tagsüber und 45 dB(A) nachts um mindestens 6 dB(A) unterschritten wird. Einzelne Geräuschspitzen dürfen diese Begrenzung um nicht mehr als 30 dB(A) tags und 20 dB(A) nachts überschreiten. Nach der Auflage 2.1.3 sind die Schallemissionen an den Mündungen der Abluftkamine für den Stall BE 1 maximal auf LWA = 75 dB(A) und für den Stall BE 3 maximal auf LWA = 78 dB(A) zu begrenzen. Geräuschrelevante betriebliche Tätigkeiten sind nach der Auflage 2.1.4 zur Nachtzeit grundsätzlich untersagt. In Ausnahme hiervon darf die Verladung von Tieren bei sommerlichen Witterungsbedingungen aus Gründen des Tierschutzes zur Nachtzeit erfolgen. Nach der ursprünglichen Fassung der Auflage 2.1.5 sollte die Anzahl der Ausnahmen zehn Nächte im Kalenderjahr nicht überschreiten. Mit Schriftsatz vom 2. November 2015 hat der Beklagte die Formulierung dahingehend geändert, dass mehr als 10 Nächte im Kalenderjahr nicht überschritten und Ausnahmen an nicht mehr als zwei Wochenenden hintereinander in Anspruch genommen werden dürfen.
12Im Hinblick auf die Geruchsimmissionsbelastung legt der Genehmigungsbescheid in der Auflage 2.2.1 fest, dass die von dem Vorhaben insgesamt verursachten Geruchsimmissionen an den „umliegenden Wohnhäusern“ entsprechend dem Immissionsgutachten vom 9. Mai 2011 die belästigungsrelevante Kenngröße IGb = 0,09 nicht überschreiten dürfen. Die Abluftkamine müssen den jeweiligen Dachfirst um mindestens 3 m überschreiten; eine Emissionshöhe von 10 m über Grund darf nicht unterschritten werden (Auflage 2.2.3). Nach Auflage 2.2.5 muss die Austrittsgeschwindigkeit in allen Betriebszuständen mindestens 7 m/s betragen. Gemäß Auflage 2.2.6 müssen die Ableitungsbedingungen an den Ställen BE 1 und BE 3 gemäß den Vorgaben des Geruchsgutachtens vom 9. Mai 2011 ausgeführt werden. Für den Güllehochbehälter BE 2 schreibt die Auflage 2.2.11 die Abdeckung mit einem Zeltdach aus regen- und luftdichter Plane vor, welche im Vergleich zu einem Zustand ohne Abdeckung eine Minderung von mindestens 80 % der Geruchs- und Ammoniakemissionen herbeiführt.
13Während des gerichtlichen Verfahrens hat der Beigeladene weitere Geruchsimmissionsprognosen vom 8. November 2013 und 29. Oktober 2015 (Gutachten Nr. G-2696-06) vorgelegt. Aus letzterer ergibt sich für das klägerische Wohnhaus eine Gesamtbelastung ohne Eigenbelastung (mit Abluftfahnenüberhöhung und 100 % Turbulenz) von maximal 0,10 Jahresgeruchsstunden. Ohne Berücksichtigung einer Abluftfahnenüberhöhung beträgt die Gesamtbelastung 0,15 Jahresgeruchsstunden.
14Gegen den Genehmigungsbescheid hat der Kläger am 31. Dezember 2012 Klage erhoben. Zur Begründung hat er geltend macht: Der Genehmigungsbescheid sei sowohl formell als auch materiell rechtswidrig. Die Erteilung der Genehmigung sei formell rechtswidrig, weil die Beklagte ihrer Aufklärungspflicht nicht nachgekommen sei. Eine Prüfung möglicher Beeinträchtigungen durch Bioaerosole sei nicht erfolgt. Gleiches gelte für die Prüfung, ob es sich um einen landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne der §§ 35 Abs. 1 Nr. 1, 201 BauGB handele und ob ausreichend Lagerkapazität für Gülle beider landwirtschaftlichen Betriebe vorgehalten werde. Dies gelte umso mehr, als der Beigeladene selbst angegeben habe, in dem Güllehochbehälter auch Abfälle aus seiner Biogasanlage in F. -L. zu lagern. Schließlich habe die Beklagte das Vorhaben zu früh öffentlich bekannt gemacht. Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 BImSchG habe die Bekanntmachung erst dann zu erfolgen, wenn die Unterlagen vollständig seien. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Das schalltechnische Gutachten habe noch nicht vorgelegen.
15Das Vorhaben sei auch materiell rechtswidrig. Es drohe eine gesundheitliche Beeinträchtigung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG durch Bioaerosole. Insoweit entspreche das Vorhaben nicht dem Stand der Technik, der bei einer Haltung von 2.000 oder mehr Mastschweinen den Einbau von Abluftreinigungsanlagen umfasse. Weiterhin gehe von dem geplanten Vorhaben eine erhebliche Belästigung durch Geruchsimmissionen aus. Laut dem vorgelegten Geruchsgutachten sei für das Grundstück des Klägers - bei Einbeziehung der Eigenvorbelastung des Klägers - mit einer Gesamtbelastung von bis zu 0,79 zu rechnen. Selbst ein im Einzelfall anzunehmender Immissionswert von 0,25 werde damit bei weitem überschritten. Eine Beschränkung der Geruchsimmissionen könne auch nicht durch die Nebenbestimmung 2.2.1 erfolgen. Diese könne keinesfalls eingehalten werden. Die Nebenbestimmung 2.2.11 erweise sich als in nachbarrechtlicher Hinsicht zu unbestimmt, weil diese die Abdeckung des Güllehochbehälters mit einem Zeltdach vorsehe, während der Genehmigungsbescheid unter Punkt II.1. die Abdeckung durch ein Festdach bestimme.
16Der Kläger hat beantragt,
17die dem Beigeladenen durch die Beklagte erteilte Genehmigung vom 3. Dezember 2012 zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zum Halten oder zur Aufzucht von Schweinen gemäß Ziffer 7.1 g) des Anhangs zur 4. BImSchV auf dem Grundstück N3. Straße in N. aufzuheben.
18Die Beklagte hat beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Zur Begründung hat sie vorgetragen: Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der Gesundheit des Klägers durch Bioaerosole lägen nicht vor. Erhebliche Belästigungen durch Ammoniak würden nicht hervorgerufen. Unzumutbare Geruchsbeeinträchtigungen seien nicht zu befürchten. Vorbelastungen auf dem Grundstück des Klägers durch eigene Emissionsquellen seien im Rahmen der Geruchsimmissionsprognose nicht zu berücksichtigen. Die Immissionsgesamtbelastung IGb überschreite den Wert von 0,10 im Planzustand nicht. Bestimmtheitsmängel lägen nicht vor. Bei der Bezeichnung der Abdeckung des Güllehochbehälters mit den Begriffen „Festdach“ und „Zeltdach“ handele sich um technische Fachbegriffe, wobei der Begriff „Zeltdach“ der genauere und von dem anderen umfasst sei. Die von dem Kläger angeführte Lagerung von Gärrückständen im Güllehochbehälter sei nicht Bestandteil der dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigung.
21Der Beigeladene hat beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Zur Begründung hat er ausgeführt, eine Rechtsverletzung durch die Bekanntmachung des Vorhabens zu einem Zeitpunkt, an dem das Lärmgutachten noch nicht vorgelegen habe, sei nicht gegeben. Eine Abschätzung der zu erwartenden Geräuschimmissionen sei auch aufgrund der ausgelegten Unterlagen möglich gewesen. Jedenfalls sei diese Frage ohne Einfluss auf das Ergebnis geblieben. Angesichts der Schallprognose sei die Beklagte verpflichtet gewesen, die begehrte Genehmigung zu erteilen. In die Geruchsvorbelastung sei die Eigenbelastung nicht einzubeziehen. Damit werde am Wohnhaus des Klägers ein Immissionswert von 0,15 eingehalten. Selbst eine Belastung von mehr als 0,25 Jahresgeruchsstunden sei aufgrund der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls nicht als erheblich einzustufen. Hinsichtlich der Ammoniak- und Bioaerosolbelastung sei eine Verletzung drittschützender Normen nicht ersichtlich. Bauplanungsrechtlich sei das Vorhaben nach §§ 35 Abs. 1 Nr. 1, 201 BauGB privilegiert zulässig.
24Das Verwaltungsgericht hat den Genehmigungsbescheid vom 3. Dezember 2012 mit Urteil vom 10. März 2015 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, von dem Vorhaben gingen unzulässig hohe Geruchsimmissionen zulasten des Klägers aus. Die eigene Vorbelastung des Klägers sei bei der Geruchsprognose nach der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) zu berücksichtigen, so dass sich auf der Grundlage des Geruchsgutachtens vom 9. Mai 2011 eine Gesamtbelastung im Planzustand von bis zu 0,56 Jahresgeruchsstunden ergebe. Das Geruchsgutachten beziehe die Eigenbelastung aber nicht ausdrücklich ein und stelle daher keine Grundlage einer auf der sicheren Seite liegenden Beurteilung dar. Das nachträglich vorgelegte Ergänzungsgutachten vom 8. November 2013 sei von der Beklagten nicht wirksam zum Bestandteil des Genehmigungsbescheids gemacht worden. Eine Überschreitung des für landwirtschaftliche Gerüche im Einzelfall geltenden Wertes von 0,25 Jahresgeruchsstunden sei nicht möglich; es handele sich um eine absolute Obergrenze. Jedenfalls fehle es aber an einer Auseinandersetzung mit den besonderen Randbedingungen des Einzelfalls im Genehmigungsbescheid, welche schon für eine Anhebung des Wertes über 0,15 erforderlich sei.
25Gegen das Urteil haben der Beklagte und der Beigeladene die durch den Senat zugelassene Berufung eingelegt.
26Zu ihrer Begründung führt die Beklagte aus: Von dem Vorhaben gingen keine schädlichen Umwelteinwirkungen, sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG aus. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats seien selbst verursachte Vorbelastungen bei der Ermittlung der Geruchsbelastung nicht zu berücksichtigen. Für den hier betroffenen Außenbereich sei der Immissionswert für Dorfgebiete von 0,15 Jahresgeruchsstunden bezogen auf Tierhaltungsgerüche anzuwenden. Gemäß der Rechtsprechung des Senats fielen hierunter auch Gerüche aus gewerblicher Tierhaltung. Dieser Immissionswert werde ausweislich des Geruchsgutachtens vom 9. Mai 2011 in der Fassung der Ergänzung vom 29. Oktober 2015 nicht überschritten. Für den zum ständigen Aufenthalt von Menschen vorgesehenen Wohnbereich auf dem Grundstück des Klägers liege die maximale Immissionsgesamtbelastung ohne Eigenbelastung des Klägers bei maximal 0,15. Die Geruchsberechnung sei in ihrer ergänzten Fassung zu berücksichtigen. Dass sie erst im laufenden gerichtlichen Verfahren vorgelegt worden sei, stehe dem nicht entgegen. Insbesondere seien Gutachten nicht gemäß § 10 Abs. 7 und 8 BImSchG bekanntzumachen. Im Übrigen liege in allen Varianten des Gutachtens die Gesamtbelastung ohne Eigenbelastung beim Kläger nicht über 0,15.
27Die Beklagte beantragt,
28das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 10. März 2015 abzuändern und die Klage abzuweisen.
29Der Beigeladene macht zur Begründung der Berufung geltend: Von dem Vorhaben gingen keine schädlichen Umwelteinwirkungen oder erheblichen Belästigungen zulasten des Klägers aus. Die Zumutbarkeit der zu erwartenden Geruchsimmissionen ergebe sich aus der vorgelegten Prognose, die auf der sicheren Seite liege. Vorliegend sei für die Gerüche, die nach der Rechtsprechung des Senats solche landwirtschaftlicher Art seien, unter Berücksichtigung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls ein Immissionswert von 0,25 maßgeblich. Selbst der Immissionswert von 0,15, der im Außenbereich auf jeden Fall für landwirtschaftliche Gerüche gelte, werde eingehalten.
30Der Beigeladene beantragt,
31das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 10. März 2015 abzuändern und die Klage abzuweisen.
32Der Kläger beantragt,
33die Berufungen zurückzuweisen.
34Zur Begründung seines Antrags führt er an: Der Genehmigungsbescheid lege fest, dass an umliegenden Wohnhäusern ein Immissionswert von 0,09 nicht überschritten werden dürfe. Dies sei nach der vorgelegten Immissionsprognose bezogen auf sein Wohnhaus aber der Fall. Die Geruchsimmissionsprognose berücksichtige im Übrigen die Lagerung von Gärresten im Güllehochbehälter nicht. Insoweit komme es auf die tatsächliche, nicht die genehmigte Nutzung an. Entgegen der Auffassung des Senats sei bei der Ermittlung der Gesamtbelastung auch die Eigenbelastung einzubeziehen. Ein anderes Verständnis widerspreche den Grundzügen des Immissionsschutzrechts. Die so berechnete Gesamtbelastung liege deutlich über 0,15 Jahresgeruchsstunden. Die besonderen Randbedingungen des Einzelfalls habe die Beklagte im Genehmigungsbescheid nicht erörtert. Jedenfalls eine vollständige Nachholung im gerichtlichen Verfahren sei nicht möglich. Das Ergänzungsgutachten vom 8. November 2013 sei nicht verwertbar. Der Beklagte habe das Ergänzungsgutachten ausdrücklich zum Teil der Genehmigung gemacht, eine Bekanntgabe nach § 10 Abs. 7 und 8 BImSchG aber unterlassen.
35Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf den Inhalt des Protokolls der öffentlichen Sitzung vom 10. November 2015 verwiesen.
36Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und des vormaligen Siedlungsverbands Ruhrkohlenbezirk Bezug genommen.
37Entscheidungsgründe:
38Die Berufungen haben Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Genehmigung zu. Der Genehmigungsbescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2012 verletzt den Kläger nicht in einem ihm zustehenden Recht (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
39A. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der dem Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung aufgrund formeller Mängel. Sowohl hinsichtlich der unterbliebenen Auslegung des Schallimmissionsgutachtens (dazu I.) als auch der von dem Kläger gerügten mangelnden Sachverhaltsaufklärung (dazu II.) sind etwaige Fehler jedenfalls unbeachtlich.
40I. Ob die Auslegung des Antrags des Beigeladenen nebst den bis zu diesem Zeitpunkt vorgelegten Unterlagen durch die Beklagte gegen § 10 Abs. 3 Satz 2 BImSchG verstoßen hat, weil die Schallimmissionsprognose noch nicht vorgelegen hat, kann dahinstehen. Hieraus kann der Kläger jedenfalls keinen Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung ableiten. Unabhängig von der Frage, ob Fehler bei der öffentlichen Bekanntmachung oder der Auslage unmittelbar zu einem Erfolg einer Anfechtungsklage führen können,
41vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 17. Dezember 1980 - 7 B 114/77 -, DVBl. 1981, 644, 647; Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, Stand: 1. Mai 2015, § 10 BImSchG Rn. 174,
42führen diese nach § 46 VwVfG NRW jedenfalls dann nicht zur Aufhebung, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung der Norm die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Hat ein Betroffener trotz einer (möglichen) Verletzung der Vorschriften über die Bekanntmachung und Auslegung seine Rechte umfassend wahrgenommen, also diesbezügliche Einwendungen erhoben, hat der geltend gemachte Verfahrensfehler in Bezug auf seine Einwände keinerlei Einfluss gehabt und kann auch in der Sache zu keinem anderen Ergebnis führen.
43Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1487/14 -, juris Rn. 52; Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, Stand: 1. Mai 2015, § 10 BImSchG Rn. 174, unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 29. März 1966 - I C 19.65 -, BVerwGE 24, 23 = juris Rn. 38.
44Dies ist in Bezug auf den Kläger der Fall. Er hat am 2. Januar 2012 bei der Beklagten schriftlich Einwendungen angebracht. Hierzu zählen auch Bedenken gegen die von dem Vorhaben einschließlich des anlagenbezogenen Verkehrs ausgehende Lärmbelästigung (von der Beklagten als Einwendung Nr. 9 gekennzeichnet). Diese Bedenken verfolgt der Kläger im gerichtlichen Verfahren weiter. Dass der Kläger durch das fehlende Schallimmissionsgutachten gehindert gewesen wäre, seine Einwände in Bezug auf die Geräuschimmissionen vollumfänglich anzubringen, hat er nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht erkennbar.
45II. Die von dem Kläger gerügte mangelnde Aufklärung des Sachverhalts (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW) führt ebenfalls nicht zur Aufhebung des erteilten Genehmigungsbescheids. Unabhängig von der Frage, ob ein solcher Verstoß vorliegt, führt er nach § 46 VwVfG NRW nicht zur Aufhebung, weil offensichtlich ist, dass die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst worden ist. Die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ist nach § 6 Abs. 1 BImSchG eine gebundene Entscheidung. Wird der Kläger - wie nachfolgend ausgeführt - durch die Erteilung der Genehmigung materiell nicht in seinen Rechten verletzt, kann sich ein eventueller Aufklärungsmangel nach § 46 VwVfG NRW jedenfalls nicht zu seinen Lasten ausgewirkt haben. Insoweit tritt die Pflicht zur Amtsermittlung des Gerichts (§ 86 Abs. 1 VwGO) an die Stelle der behördlichen Aufklärungspflicht.
46Vgl. Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 24 Rn. 59; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Auflage 2015, § 24 Rn. 36; Ziekow, VwVfG, 3. Auflage 2013, § 24 Rn. 19; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 1987 - 1 C 29.85 -, BVerwGE 78, 285 = juris Rn. 33.
47B. Dem Kläger steht auch kein Aufhebungsanspruch wegen materieller Rechtswidrigkeit der erteilten Genehmigung zu. Von dem Vorhaben des Beigeladenen gehen keine schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG für den Kläger aus. Die von dem Vorhaben ausgehenden Geruchsimmissionen stellen für den Kläger keine erhebliche Belästigung i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG dar (dazu I.). Die mit dem Betrieb der Anlage einhergehenden Lärmimmissionen überschreiten die zulässigen Grenzwerte nicht (dazu II.). Ein subjektives öffentliches Recht auf Festlegung von Immissionsobergrenzen für Bioaerosole (dazu III.) und Ammoniak (dazu IV.) kommt dem Kläger nicht zu. Der Kläger kann sich nicht auf einen möglichen Verstoß gegen die Festsetzung der Art der baulichen Nutzung im Bebauungsplan berufen (dazu V.). Gleiches gilt auch für eine Befreiung von den Festsetzungen des Landschaftsplans (dazu VI.).
48I. Die an dem Wohnhaus des Klägers zu erwartenden Geruchsimmissionen stellen keine erhebliche Belästigung i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG dar. Zum Zwecke der Beurteilung der Erheblichkeit der Geruchsimmissionen kann auf die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) zurückgegriffen werden (dazu 1.). Auf dieser Grundlage ergibt sich keine erhebliche Geruchsbelastung am Wohnhaus des Klägers (dazu 2.).
491. Bei der Beurteilung, ob Geruchsbelastungen erheblich im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind, kann bis zum Erlass bundesrechtlicher Vorschriften auf die nordrhein-westfälische Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) in der Fassung vom 29. Februar 2008 und einer Ergänzung vom 10. September 2008 (anwendbar nach Maßgabe des Runderlasses des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz NRW - V-3-8851.4.4 - vom 5. November 2009) zurückgegriffen werden.
50Vgl. MBl. NRW 2009 Seite 533 sowie www.lanuv.nrw.de/luft/gerueche/bewertung.htm.
51In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Geruchsimmissions-Richtlinie bei der tatrichterlichen Bewertung der Erheblichkeit von Geruchsbelastungen als Orientierungshilfe herangezogen werden kann; sie enthält technische Normen, die auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von Sachverständigen beruhen und insoweit die Bedeutung von allgemeinen Erfahrungssätzen und antizipierten generellen Sachverständigengutachten haben.
52Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Mai 2007 - 4 B 5.07 -, BauR 2007, 1454 = juris Rn. 4; OVG NRW, Urteile vom 20. September 2007 - 7 A 1434/06 -, BauR 2008, 71 = juris Rn. 55 ff., und vom 1. Juni 2015 - 1760/13 -, juris Rn. 51, sowie Beschlüsse vom 24. Juni 2004 - 21 A 4130/01 -, NVwZ 2004, 1259 = juris Rn. 9 ff., vom 14. März 2008 - 8 B 34/08 -, juris Rn. 12, vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, NWVBl. 2010, 277 = juris Rn. 31, vom 29. Oktober 2010 - 2 A 1475/09 -, NWVBl. 2011, 146 = juris Rn. 10, und vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 30; Nds. OVG, Urteil vom 12. November 2008 - 12 LB 17/07 -, juris Rn. 42, und Beschluss vom 14. Februar 2011 - 12 LA 8/09 -, NVwZ-RR 2011, 397 = juris Rn. 13.
53Zur Ermittlung der zu erwartenden Geruchshäufigkeit bedarf es grundsätzlich ‑ vorbehaltlich hier nicht vorliegender Ausnahmen - einer "auf der sicheren Seite" liegenden Prognose,
54vgl. insoweit OVG NRW, Beschlüsse vom 3. Februar 2011 - 8 B 1797/10 -, juris Rn. 5, vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 33, und vom 9. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, NWVBl. 2014, 318 = juris Rn. 11,
55bei der aus der Vorbelastung (dazu a) und der Zusatzbelastung ggf. unter Berücksichtigung der Bebauungseinflüsse (dazu b) und einer Abluftfahnenüberhöhung (dazu c) im Wege einer Ausbreitungsrechnung die voraussichtliche Geruchsbelastung ermittelt wird. Diese ist sodann an den nach der GIRL maßgeblichen Immissionswerten zu messen (dazu d).
56a) Bei der Ermittlung der Vorbelastung sind solche Emissionsquellen nicht mit einzubeziehen, die dem Immissionspunkt selbst zuzurechnen sind (sog. Eigenbelastung). Dies gilt unabhängig davon, ob die eigenen Tiergerüche mit den von außen einwirkenden Tiergerüchen identisch sind.
57Der Text der GIRL enthält zu dieser Fragestellung keine ausdrückliche Aussage. Nach Nr. 4.2 der GIRL ist die im Genehmigungsverfahren zu ermittelnde vorhandene Belastung (IV) die von den vorhandenen Anlagen ausgehende Geruchsbelastung ohne die zu erwartende Zusatzbelastung, die durch das beantragte Vorhaben hervorgerufen wird. Ob von dem Begriff der „vorhandenen Anlagen“ auch eigene Geruchsimmissionen verursachende Anlagen umfasst sein sollen, ergibt sich hieraus nicht eindeutig. Gleiches gilt für die Auslegungshinweise zu Nr. 1 der GIRL, Punkt „Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich“, Unterpunkt „Betrachtung benachbarter Tierhaltungsanlagen“. Allerdings hat die bisherige Praxis die Eigenbelastung grundsätzlich nicht bei der Vorbelastung und damit bei der Gesamtbelastung berücksichtigt. Dies liegt unausgesprochen auch dem Konzept GIRL zugrunde.
58Nach der Auffassung des Senats sprechen überwiegende Gründe dafür, die Eigenbelastung nicht zu berücksichtigen. Die Gerüche aus eigener Tierhaltung werden zum einen, auch weil die Tierhaltung meist der Erzielung des Lebensunterhalts dient, nicht in gleicher Weise als störend empfunden wie Fremdgerüche, sondern als notwendig angesehen und hingenommen. Zum anderen sind landwirtschaftliche Hofstellen teilweise - wie im Fall des Klägers - aufgrund eigener (in unmittelbarer Nähe des Wohnhauses stehender) Tierhaltungsanlagen sogar so hohen Immissionsbelastungen ausgesetzt, dass diese bereits für sich genommen den maximal zulässigen Immissionswert (nahezu) erreichen oder sogar überschreiten. In derartigen Fällen hätte eine Einbeziehung der Eigenbelastung zur Folge, dass ein Landwirt allein aufgrund eigener Tierhaltung andere Anlagen auf benachbarten Hofstellen verhindern würde. Andererseits hat der Landwirt es in der Regel weitgehend selbst in der Hand, inwieweit er sich Geruchsimmissionen aus eigener Tierhaltung aussetzt. Bei einer Nichtberücksichtigung der Eigenbelastung kommt ihre Reduzierung oder gar ihr Wegfallen dem Tierhalter auch stets unmittelbar selbst zu Gute. Hingegen würde bei Berücksichtigung der Eigenbelastung anderen Emittenten die Möglichkeit eröffnet, den maßgeblichen Immissionspunkt nunmehr selbst höheren Immissionen auszusetzen. Ein Landwirt könnte somit in diesem Fall durch die Aufgabe eigener Tierhaltung oder z. B. die Verbesserung der Ablufttechnik nicht zwingend eine Verbesserung der eigenen Geruchsbelastung erreichen.
59Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 ‑ 8 A 1760/13 -, juris Rn. 58 ff.
60Die von dem Kläger vorgebrachten Einwendungen vermögen diese Erwägungen nicht in Frage zu stellen; der Senat hat sie bereits in seiner vorgenannten Entscheidung berücksichtigt.
61b) Nach Nr. 10 der Anlage 3 zur TA Luft (2002) sind bei einer gebäudenahen Abluftführung die nicht auszuschließenden Einflüsse der Bebauung auf der windzugewandten Seite des Emissionspunkts („Luv-Seite“) auf die Immissionen zwingend zu berücksichtigen. Insoweit sind alle Gebäude in den Blick zu nehmen, deren Abstand von der jeweiligen Emissionsquelle geringer ist als das 6fache der Schornsteinbauhöhe.
62Für die Fälle, in denen entweder die Schornsteinhöhe mehr als das 1,2fache der Höhen der Gebäude beträgt oder die Gebäude, für die diese Bedingung nicht erfüllt ist, einen Abstand von mehr als dem 6fachen ihrer Höhe von der Emissionsquelle haben, regelt die TA Luft (2002) ausdrücklich, auf welche Weise die Gebäudeeinflüsse zu ermitteln sind. Beträgt die Schornsteinbauhöhe mehr als das 1,7fache der Gebäudehöhen, ist die Berücksichtigung der Bebauung - bei einer Modellierung des Abluftkamins als Punktquelle - durch Rauhigkeitslänge und Verdrängungshöhe ohne Berücksichtigung der Gebäude ausreichend. Beträgt die Schonsteinbauhöhe weniger als das 1,7fache (aber mehr als das 1,2fache) der Gebäudehöhen und ist eine freie Abströmung gewährleistet, können die Einflüsse mit Hilfe eines diagnostischen Windfeldmodells für Gebäudeumströmung berücksichtigt werden. Solange ein solches Windfeldmodell noch nicht existiert, kann ein anderes Windfeldmodell verwendet werden, dessen Eignung der obersten Landesbehörde nachgewiesen worden ist. Das LANUV NRW empfiehlt in diesen Fällen als Alternative die Modellierung eines Ersatzquellensystems, in dem die Quellen eine künstliche vertikale Ausdehnung erhalten. Die Modellierung der gebäudenahen Emissionsquellen als vertikale Linienquellen ‑ mit einer Ausdehnung grundsätzlich bis zum Erdboden - simuliert die Um- und Überströmung der Gebäude auf der Luv-Seite und deren Auswirkungen auf die Ausbreitungsrechnung, weil - anders als bei einer Modellierung der Quellen als Punktquellen - die gemessenen Konzentrationen in der Regel überschätzt würden. Um allerdings eine zu hohe Überschätzung auszuschließen, sind bei Quellkonfigurationen, bei denen die Höhe der Emissionsquellen größer ist als das 1,2fache der Gebäude (einschließlich des Gebäudes, auf dem sie stehen), die Emissionen gleichmäßig auf den oberen halben Quellbereich zu verteilen.
63Vgl. OVG NRW, Urteil vom 12. August 2015 - 8 A 799/14 -, juris Rn. 78; vgl. auch: Hartmann u.a., Untersuchungen zum Verhalten von Abluftfahnen landwirtschaftlicher Anlagen in der Atmosphäre, Langfassung zum Jahresbericht 2003, Seite 5 und 6, abrufbar unter www.lanuv.nrw.de/veröf-fentlichungen/jahresberichte.
64c) Bei Emissionen aus Kaminen ist zu berücksichtigen, dass sich bei Einhaltung spezieller Parameter die Abluft durch die Austrittsgeschwindigkeit bzw. den Temperaturunterschied besser verteilt und in der Folge der höheren Verdünnung in geringerem Maße auf einen Immissionsort einwirkt. Nach Ziffer 3.3.1.4 (Abluftfahnenüberhöhung) des Leitfadens zur Erstellung von Immissionsprognosen mit AUSTAL 2000 in Genehmigungsverfahren nach TA Luft und der Geruchsimmissionsrichtlinie, Merkblatt Band 56 des Landesumweltamtes NRW (Leitfaden AUSTAL 2000),
65Essen 2006, abzurufen unter http://www.lanuv. nrw.de/veroeffentlichungen/merkbl/merk56/merk56.pdf, vgl. auch VDI 3738 Nr. 4.5.3.2,
66kann im Allgemeinen eine Überhöhung der Abluftfahne angenommen werden, wenn die Abluft in den freien Luftstrom gelangt. Dies ist in der Regel gewährleistet, wenn die Quellhöhe mindestens 10 m über der Flur und 3 m über First ist, die Abluftgeschwindigkeit in jeder Betriebsstunde minimal 7 m/s beträgt und eine Beeinflussung durch andere Strömungshindernisse (Gebäude, Vegetation usw.) auf der windabgewandten Seite („Lee-Seite“) im weiteren Umkreis um die Quelle - in der Regel ein Kreis mit einem Radius entsprechend dem 10fachen, nach der an die Regelungen in Nr. 10 der Anlage 3 zur TA Luft (2002) angelehnten Praxis des LANUV NRW auch schon entsprechend dem 6fachen der Quellhöhe - ausgeschlossen ist.
67Vgl. OVG NRW, Urteile vom 1. Juni 2015 - 8 A 1760/13 -, juris Rn. 65, und vom 12. August 2015 - 8 A 1799/14 -, juris Rn. 87.
68d) Nach Nr. 3.1 Tabelle 1 der GIRL gilt für Wohn-/Mischgebiete ein Immissionswert IW = 0,10 (10 % Jahresgeruchsstunden) und für Gewerbe-/Industriegebiete ein Immissionswert IW = 0,15 (15 % Jahresgeruchsstunden). Für Dorfgebiete gilt für landwirtschaftliche Gerüche ebenfalls ein Immissionswert von 0,15. Sonstige Gebiete, in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, sind nach Nr. 3.1 Abs. 2 der GIRL entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechts den einzelnen Spalten der Tabelle 1 zuzuordnen. Für den bauplanungsrechtlichen Außenbereich wird dabei für landwirtschaftliche Gerüche der für Dorfgebiete anzusetzende Wert angenommen.
69Vgl. nur OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 ‑ 1760/13 -, juris Rn. 53, sowie Beschlüsse vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, NWVBl. 2010, 277 = juris Rn. 31 und vom 21. September 2012 ‑ 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 3.
70In der Begründung und den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.1 der GIRL, 4. Aufzählungspunkt, ist erläuternd ausgeführt, dass das Wohnen im Außenbereich mit einem immissionsschutzrechtlich geringeren Schutzanspruch verbunden sei. Vor diesem Hintergrund sei es möglich, unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls bei der Geruchsbeurteilung im Außenbereich einen Wert von bis zu 0,25 (25 % Jahresgeruchsstunden) für landwirtschaftliche Gerüche heranzuziehen.
71Vgl. dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 32, und vom 9. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, NWVBl. 2014, 318 = juris Rn. 8.
72Gleiches gilt auch, wenn es sich bei dem Gebiet hinsichtlich der insoweit maßgeblichen Art der baulichen Nutzung nicht um Außenbereich i. S. d. § 35 Abs. 1 BauGB, sondern um eine Fläche für die Landwirtschaft nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BBauG bzw. nunmehr § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. a) BauGB handelt. Hinsichtlich der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen aus Tierhaltungsanlagen besteht ‑ jedenfalls soweit keine weitergehenden Festsetzungen getroffen worden sind ‑ kein Unterschied zwischen durch Bebauungsplan festgesetzten Flächen für die Landwirtschaft und dem Außenbereich, in dem nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BauGB landwirtschaftliche Betriebe privilegiert zulässig sind. Bauplanerisch für die Landwirtschaft festgesetzte Flächen sind ebenso wie der Außenbereich als Standorte für stark emittierende (landwirtschaftliche) Betriebe vorgesehen. In diesen Gebieten muss wie im landwirtschaftlich genutzten Außenbereich mit Gerüchen (und anderen Immissionen) gerechnet werden, die etwa durch die Tierhaltung üblicherweise entstehen.
73Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. August 2008 - 10 A 1666/05 -, juris Rn. 8 ff.; vgl. auch Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Band I, Stand: 1. August 2015, § 9 Rn. 148.
742. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe gehen von dem Vorhaben des Beigeladenen keine unzumutbaren Geruchsbelästigungen aus. Die Geruchsimmissionsprognose der Gutachter S. & I. vom 9. Mai 2011 in der Fassung des Ergänzungsgutachtens vom 8. November 2013 sowie der im Berufungsverfahren vorgelegten ergänzenden Ausbreitungsrechnung vom 29. Oktober 2015 sind verwertbar (dazu a). Auf ihrer Grundlage überschreitet die zu erwartende Geruchsgesamtbelastung IGb (dazu b) den vorliegend anzusetzenden Immissionswert IW = 0,15 mit der erforderlichen Sicherheit nicht (dazu c).
75a) Die Geruchsimmissionsprognose vom 8. Mai 2011 ist vorliegend einschließlich des Ergänzungsgutachtens vom 8. November 2013 und der ergänzenden Ausbreitungsrechnung vom 29. Oktober 2015 verwertbar. Zur Bestimmung der zu erwartenden Geruchsbelästigung sind auch solche Gutachten heranzuziehen, die erst im gerichtlichen Verfahren vorgelegt oder eingeholt worden sind. Hierbei handelt es sich nicht um nachträgliche Veränderungen der Sachlage, die jedenfalls zu Lasten des Bauherrn grundsätzlich nicht berücksichtigt werden dürfen, sondern lediglich um spätere Erkenntnisse hinsichtlich der ursprünglichen Sachlage.
76Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2007 - 4 C 2.07 -, BVerwGE 129, 209 = juris Rn. 20 f.; OVG NRW, Beschlüsse vom 23. Juni 2010 - 8 A 340/09 -, juris Rn. 22, vom 16. Mai 2011 - 8 A 372/09 -, juris Rn. 22 ff., vom 3. August 2012 ‑ 8 B 290/12 -, juris Rn. 9, und vom 9. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, NWVBl. 2014, 318 = juris Rn. 20.
77Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bedarf es insoweit keiner Einbeziehung des Gutachtens in den Genehmigungsbescheid. Eine solche ist nur notwendig, soweit immissionsrelevante Voraussetzungen und Grundlagen des Gutachtens Teil des Genehmigungsbescheids selbst werden sollen.
78b) Die sich auf der Grundlage der vorgelegten Geruchsimmissionsprognose vom 9. Mai 2011 nebst Ergänzungsgutachten vom 8. November 2013 und der ergänzenden Ausbreitungsrechnung vom 29. Oktober 2015 ergebende Gesamtbelastung IGb überschreitet den maßgeblichen Immissionswert IW nicht. Der Immissionswert IW ist im vorliegenden Fall jedenfalls mit 0,15 Jahresgeruchsstunden anzusetzen (dazu aa). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einhaltung des in der Auflage 2.2.1 bestimmten Immissionswertes von maximal 0,09 (dazu bb). Die Geruchsimmissionsprognose nebst ihren Ergänzungen gibt für die Rasterflächen, die über dem Wohnhaus des Klägers liegen oder dieses zumindest berühren, eine Gesamtbelastung IGb ohne Berücksichtigung der Eigenbelastung des Klägers und mit Berücksichtigung einer Abluftfahnenüberhöhung, deren Voraussetzungen nach der Überzeugung des Senats vorliegen, von maximal 0,10 Jahresgeruchsstunden. Selbst ohne Berücksichtigung einer Abluftfahnenüberhöhung wird der Immissionswert von 0,15 nicht überschritten. Das Gutachten stellt die Emissionsquellen einschließlich des Ansatzes einer Abluftfahnenüberhöhung für die Betriebseinheiten BE 1 und 3 nachvollziehbar dar (dazu cc). Die Verwendung der Begriffe „Festdach“ bzw. „Zeltdach“ für die Abdeckung des Güllehochbehälters BE 2 führt nicht zu einer Unbestimmtheit des Genehmigungsbescheids, die sich auf die Rechte des Klägers auswirken kann (dazu dd). Die Darstellung der Immissionssituation auf der Hofstelle des Klägers ist - auch bei Betrachtung der ansonsten nicht zu berücksichtigenden Eigenbelastung des Klägers - plausibel (dazu ee).
79aa) Für das Wohnhaus ist ein Immissionswert IW = 0,15 maßgeblich. Die Hofstelle des Klägers liegt im Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplans „S2. N. “ vom 3. Oktober 1962 des damaligen Planungsträgers. Dieser setzt als einfacher Bebauungsplan an dieser Stelle eine Fläche für die Landwirtschaft nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BBauG fest. Überschreitet das geplante Vorhaben einen Wert von 0,15 nicht, bedarf die Frage, ob aufgrund der besonderen Randbedingungen des Einzelfalls eine Erhöhung des Immissionswertes auf bis zu 0,25 möglich ist, keiner Erörterung.
80bb) Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der in der Auflage 2.2.1 festgelegte Wert IGb = 0,09 an seinem Haus nicht überschritten wird. Dabei kann offen bleiben, ob der Begriff der „umliegenden Wohnhäuser“ in der Auflage dahingehend auszulegen ist, dass hiervon zu landwirtschaftlichen Hofstellen gehörende Wohnhäuser nicht erfasst werden. Der die Schwelle der erheblichen Belästigung i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG (die, wie ausgeführt, hier bei einem Immissionswert von 0,15 anzusetzen ist) unterschreitende Wert von 0,09 ist dem Bereich der Vorsorge gegen erhebliche Belästigungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG zuzuordnen. Ein subjektiver Anspruch auf Einhaltung von Vorsorgeanforderungen besteht nicht.
81BVerwG, Urteile vom 18. Mai 1982 - 7 C 42.80 -, BVerwGE 65, 313 = juris Rn. 22, und vom 11. Dezember 2003 - 7 C 19.02 -, BVerwGE 119, 329 = juris Rn. 11, BVerwG, sowie Beschluss vom 16. Januar 2009 - 7 B 47.08 -, Buchholz 406.25 § 5 BImSchG Nr. 27 = juris Rn. 11;Jarass, BImSchG, 10. Auflage 2014, § 5 Rn. 121; Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, Stand: 1. Mai 2015 § 5 BImSchG Rn. 163.
82cc) Die zu berücksichtigenden Geruchsquellen werden einschließlich der angesetzten Geruchsfahnenüberhöhung für die Betriebseinheiten BE 1 und 3 durch die Geruchsimmissionsprognose jedenfalls im Ergebnis zutreffend erfasst.
83Die Geruchsimmissionsprognose berücksichtigt für den neu zu errichtenden Stall BE 3 1.752 Mastschweineplätze, für den bereits errichteten Stall BE 1 660 Mastschweineplätze. Die Voraussetzungen für die Annahme einer (kinetischen) Abluftfahnenüberhöhung liegen vor. Entsprechend den gemäß Ziffer II.3. der Genehmigung i. V. m. Anlage 1, Ziffer 4 „Grundriss, Schnitt Ansichten“ zum Teil der Genehmigung gemachten Bauvorlagen liegen die Oberkanten der sechs Abluftkamine des Stalls BE 3 10,50 m über Grund und 3,00 m über First. Dies erfüllt die Anforderungen der Auflage 2.2.3 des Genehmigungsbescheids vom 3. Dezember 2012. Die Änderung der Abluftführung des Stalls BE 1 ergibt sich nicht aus den Bauvorlagen. Die Einhaltung der Mindestvoraussetzungen für die Berücksichtigung der Abluftfahnenüberhöhung folgt aber hinsichtlich der Höhe der Abluftkamine und des Gebäudes aus der Nebenbestimmung 2.2.3.
84Die Mindestabluftgeschwindigkeit hat ausweislich der Nebenbestimmung 2.2.5 in allen Betriebszuständen ständig mindestens 7 m/s zu betragen. Die Modellierung dieser Quellen als vertikale Linienquellen in voller Quellhöhe zur Berücksichtigung der Gebäudeeinflüsse in dem Ergänzungsgutachten vom 29. Oktober 2015 stimmt mit der vom LANUV NRW empfohlenen Handlungsweise überein. Die Emissionspunkte weisen nicht das 1,2fache der Höhe der umliegenden landwirtschaftlichen (Bestands-) Gebäude auf. Jedenfalls dem südlich gelegenen Wohnhaus kommt für die Frage der hindernisfreien Anströmung der Emissionsquellen im Verhältnis zum klägerischen Wohnhaus Bedeutung zu. Auswirkungen auf die für die Abluftfahnenüberhöhung notwendige freie Abströmung hat das auf der Luv-Seite stehende Gebäude hingegen nicht. Selbst wenn man aber aus diesem Grund auch die Abluftfahnenüberhöhung beider Ställe unberücksichtigt ließe, läge ausweislich der Ausbreitungsrechnung die Gesamtbelastung am Haus des Klägers bei 0,15.
85Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine eventuell von der Genehmigungslage abweichende tatsächliche Nutzung des Güllehochbehälters für die Lagerung von Gärresten aus der Biogaserzeugung bei der Ermittlung der maßgeblichen Emissionen nicht zu berücksichtigen. Insoweit kommt es allein auf die Genehmigungslage an. Etwaige Abweichungen sind von der Beklagten im Rahmen der laufenden Überwachung zu untersuchen und abzustellen.
86Vgl. nur OVG NRW, Urteil vom 12. August 2015 ‑ 8 A 799/14 -, juris Rn. 144.
87Soweit der Kläger zutreffend darauf hingewiesen hat, dass in der Geruchsimmissionsprognose vom 9. Mai 2011 für den landwirtschaftlichen Betrieb B. vier Pferde angesetzt worden sind, in der Berechnung vom 29. Oktober 2015 hingegen nur zwei, kann offenbleiben, ob - in Übereinstimmung mit der im Jahr 2013 von der Beklagten festgehaltenen tatsächlichen Situation - lediglich die Haltung zweier Pferde bauaufsichtlich genehmigt worden ist. Der Ansatz von vier Pferden würde nicht zu einer anderen Bewertung führen. Selbst wenn man - unter Außerachtlassung der erheblichen Entfernung zwischen Emissions- und Immissionspunkt - die Geruchsstundenhäufigheit im Verhältnis des Anteils zweier Pferde an der Gesamtheit der Geruchseinheiten erhöhen würde, wäre die sich ergebende Gesamtbelastung von 15,05 % Jahresgeruchsstunden auf 15 % zu runden.
88Vgl. zur Anwendung der Rundungsregel auf die Gesamtbelastung OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1760/13 -, NWVBl. 2015, 415 = juris Rn. 69.
89dd) Die Beschreibung der geplanten Abdeckung des bestehenden Güllehochbehälters BE 2 unter Ziffer II.1. (Gegenstand der Genehmigung), drittes Aufzählungszeichen, als „Festdach“ und in der Nebenbestimmung 2.2.11 als „Zeltdach aus regen- und luftdichter Plane“ führt nicht zur mangelnden Bestimmtheit des Genehmigungsbescheids i. S. d. § 37 Abs. 1 VwVfG NRW, die sich auf die Rechte des Klägers auswirken kann.
90Vgl. zu den Erfordernissen an die Bestimmtheit von nachbarrechtlich relevanten Bestimmungen etwa OVG NRW, Beschluss vom 30. Mai 2005 ‑ 10 A 2017/03 -, NWVBl. 2005, 470 = juris Rn. 3; Urteile vom 25. Januar 2013 - 10 A 2269/10 -, NWVBl. 2013, 365 = juris Rn. 61, und vom 15. Mai 2013 - 2 A 3010/11 -, DVBl. 2013, 1327 = juris Rn. 44.
91Selbst wenn in der Nebenbestimmung 2.2.11 nicht nur eine inhaltliche Konkretisierung des generelleren Begriffs des Festdachs liegen sollte, weicht dies von der in dem Gutachten vorausgesetzten Emissionssituation jedenfalls nicht nachteilig ab. Das Verwaltungsgericht weist zu Recht darauf hin, dass der textliche Teil der Geruchsimmissionsprognose lediglich eine Zeltabdeckung als immissionsmindernde Maßnahme vorsieht. Dies entspricht dem Ansatz der Ausbreitungsrechnung, welche den Güllehochbehälter als Emissionsquelle ebenfalls mit einer Zeltabdeckung berücksichtigt.
92ee) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts erweist sich die vorgelegte Geruchsimmissionsprognose nicht deshalb als unplausibel, weil sie die Immissionssituation in dem Gutachten vom 9. Mai 2011 und dem Ergänzungsgutachten vom 8. November 2013 in nicht nachzuvollziehender Weise unterschiedlich darstellt. Berücksichtigt man bei der Betrachtung der Immissionssituation auch die Eigen-Vorbelastung, verschiebt sich der Schwerpunkt der Geruchsbelastung auf der Hofstelle des Klägers Richtung Osten. Während das Gutachten vom 9. Mai 2011 - aus der dem Gutachten angehängten LOG-Datei erkennbar - einen Tierbesatz von 500 Masthähnchen und fünf Pferden in dem unmittelbar nördlich an das Wohnhaus anschließenden Gebäude ansetzt, berücksichtigt das Ergänzungsgutachten vom 8. November 2013 350 Legehennen in Bodenhaltung im Stall und mit Auslauffläche sowie 4 Pferde östlich des Wohnhauses. Hinzu kommt die Aufgabe der Tierhaltung auf den landwirtschaftlichen Hofstellen O. und T. . Berücksichtigt man desweiteren die maßgeblichen Windverhältnisse (Hauptwindrichtung Südwest), erscheint eine Reduzierung der Immissionsbelastung im Plan-Zustand nordwestlich des Wohnhauses von 0,79 bzw. 0,56 auf 0,19 bzw. 0,17 (Plan-Zustand in dem Gutachten vom 8. November 2013) ohne weiteres plausibel. Gleichzeitig steigt östlich des Wohnhauses des Klägers unter Berücksichtigung der Eigenbelastung die Geruchsbelastung sowohl im Ist- wie auch im Planzustand auf bis zu 0,99 an.
93Die Geruchsimmissionsprognose ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht unplausibel, weil die westlich der Wohnhäuser N3. Straße und liegenden Rasterflächen auf der Basis des Ergänzungsgutachtens vom 8. November 2013 Geruchsimmissionen in Höhe von 0,10 Jahresgeruchsstunden aufweisen. Unabhängig von der Frage, ob diese Immissionswerte an Orten erreicht werden, die dem dauernden Aufenthalt von Menschen dienen, vermag eine Überschreitung des in der Nebenbestimmung 2.2.1 festgesetzten Wertes die Plausibilität des Gutachtens als solche nicht in Frage zu stellen. Die Nebenbestimmung ist nicht Teil des Gutachtens, sondern ist getrennt von ihr zu betrachten.
94II. Die von dem Betrieb der Schweinemast einschließlich des zurechenbaren An- und Abfahrtverkehrs ausgehenden Geräuschimmissionen stellen für den Kläger keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG dar. Unter welchen Voraussetzungen Geräuschimmissionen schädlich i. S. v. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind, wird durch die Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm) vom 26. August 1998 (GVBl. S. 503) bestimmt. Gemäß Nr. 3.2.1 Abs. 1 TA Lärm ist der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen sichergestellt, wenn die Gesamtbelastung am maßgeblichen Immissionsort die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 TA Lärm nicht überschreitet. Weder im Regelbetrieb (dazu 1.) noch bei ausnahmsweise erfolgender nächtlicher Tierverladung (dazu 2.) werden die Immissionsrichtwerte überschritten.
951. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Bewohnern des Außenbereichs von genehmigungsbedürftigen Tierhaltungsanlagen (vgl. Nr. 1 Abs. 2 Buchst. c) TA Lärm) im Regelbetrieb ausgehende Lärmimmissionspegel von 60 dB(A) tagsüber und 45 dB(A) nachts in Anlehnung an die für Mischgebiete nach Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. c), Nr. 6.6 Satz 2 der TA Lärm festgelegten Immissionsrichtwerte zuzumuten sind.
96Vgl. nur OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2007 ‑ 8 A 2677/06 -, NWVBl. 2008, 26 = juris Rn. 102 f., m. w. N., sowie Beschlüsse vom 23. Januar 2008 - 8 B 215/07 -, ZNER 2008, 89 = juris Rn. 38, vom 3. Mai 2012 - 8 B 1458/11 u. a. -, juris Rn. 35, und vom 16. Mai 2013 - 8 A 2893/12 -, juris Rn. 16.
97Für durch einfachen Bebauungsplan festgesetzte Flächen für die Landwirtschaft, die in Nr. 6.1 Satz 1 TA Lärm ebenfalls nicht ausdrücklich erwähnt sind, gilt jedenfalls ohne weitere zu berücksichtigende bauplanerische Festsetzungen nichts anderes.
98Vgl. VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 23. Februar 2001 - 4 L 56/01.NW -, juris Rn. 18, unter Bezugnahme auf die ebenfalls unter Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. c) TA Lärm zu fassenden Dorfgebiete.
99Die schalltechnische Immissionsprognose der Gutachter S. & I. vom 8. Februar 2012 setzt sowohl während der Tag- wie der Nachtzeit den Betrieb von Ventilatoren zur Entlüftung der Ställe BE 1 und BE 3 mit einem maximalen Schallleistungspegel vom max. 75 bzw. 78 dB(A) an. Während der Tagzeit berücksichtigt die Schallimmissionsprognose eine Verladung lebender Tiere nebst nachgehender Reinigung der Verladefläche, eine Futtermittelanlieferung mittels LKW, eine Kadaverabholung mittels LKW, 20 Schlepperbewegungen (jeweils An- und Abfahrt) für den Gülletransport einschließlich Pumpenbetrieb sowie 40 PKW-Bewegungen. Auf dieser pessimalen Grundlage prognostiziert das Lärmgutachten am Haus des Klägers (Immissionspunkt IP 2, 2. Obergeschoss) einen anlagenbezogenen Beurteilungspegel Lr von tags 51,8 dB(A) und nachts 32,8 dB(A). Die Berücksichtigung anderer, nicht anlagenbezogener Geräuschquellen als Vorbelastung konnte nach Nr. 3.2.1 Abs. 2 Satz 2 TA Lärm unterbleiben, weil die anlagenbezogene Zusatzbelastung die sich aus Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. c), Nr. 6.6 Satz 2 TA Lärm ergebenden Immissionsrichtwerte um mehr als 6 dB(A) unterschreitet. Diese Unterschreitung um mindestens 6 dB(A) schreibt die Auflage 2.1.1 des Genehmigungsbescheids vom 3. Dezember 2012 fest.
1002. Die ausnahmsweise zulässige Verladung von Tieren aus Gründen des Tierschutzes zur Nachtzeit bei sommerlichen Witterungsbedingungen nach der Nebenbestimmung 2.1.5 der Genehmigung vom 3. Dezember 2012 in der durch den Schriftsatz vom 2. November 2015 geänderten Fassung führt nicht zu einer Überschreitung der zulässigen Lärmgrenzwerte. Nach Nr. 7.2 TA Lärm können in der Genehmigung Überschreitungen der Immissionsrichtwerte nach den Nrn. 6.1 und 6.2 zugelassen werden, wenn wegen voraussehbarer Besonderheiten beim Betrieb der Anlage zu erwarten ist, dass in seltenen Fällen oder über eine begrenzte Zeitdauer, aber an nicht mehr als zehn Tagen oder Nächten eines Kalenderjahres und nicht an mehr als an jeweils zwei aufeinander folgenden Wochenenden, die Immissionsrichtwerte auch bei Einhaltung des Stands der Technik zur Lärmminderung nicht eingehalten werden können. Derartige Besonderheiten liegen in den Anforderungen des Tierschutzes an die Verladung der Tiere bei besonders warmen Witterungslagen. Die strikte Beschränkung auf maximal zehn Tage und zwei aufeinanderfolgende Wochenenden wird (nunmehr) eingehalten. Der für seltene Ereignisse nach Nr. 6.3 Satz 1 TA Lärm geltende Immissionsrichtwert von 55 dB(A) nachts wird in diesem Fall für die lauteste Nachtstunde nach TA Lärm 6.4 nicht überschritten. Der über 60 Minuten anzusetzende (höchste) Schallleistungspegel Lw = 105 dB(A) für die Tierverladung führt bei isolierter Betrachtung ausweislich der Lärmimmissionsprognose am Immissionspunkt IP 2 zu einem Teilpegel von 35,8 dB(A). Auch unter Berücksichtigung des zusätzlichen Lüftergeräuschs (Teilpegel 32,8 dB(A)) wird der insoweit maßgebliche Immissionsrichtwert von 55 dB(A) sicher um mehr als 6 dB(A) unterschritten.
101III. Der Kläger ist durch die fehlende Festsetzung eines Immissionsgrenzwerts für Bioaerosole nicht in seinen subjektiven öffentlichen Rechten verletzt. Schädliche Umwelteinwirkungen i. S. d. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG durch Bioaerosole sind vorliegend nicht zu erwarten.
102Unter Bioaerosolen ist nach der Definition in der VDI-Richtlinie 4255 die Summe aller im Luftraum befindlichen Ansammlungen von Partikeln zu verstehen, denen Pilze (Sporen, Konidien, Hyphenbruchstücke), Bakterien, Viren und/oder Pollen sowie deren Zellwandbestandteile und Stoffwechselprodukte (z.B. Endotoxine, Mykotoxine) anhaften bzw. die diese beinhalten oder bilden. Immissions- oder Emissionswerte sieht die TA Luft insoweit nicht vor; insbesondere enthält sie in Bezug auf Bioaerosole kein Emissionsminderungsgebot. Es gibt bislang auch keine sonstigen Grenz- oder Orientierungswerte, die die Schädlichkeitsschwelle für Bioaerosole beschreiben. In Betracht kommt daher allenfalls eine Sonderfallprüfung nach Nr. 4.8 TA Luft, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorruft.
103Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, BRS 76 Nr. 100 = juris Rn. 52, vom 10. Mai 2010 - 8 B 992/09 -, juris Rn. 53, vom 8. Februar 2012 - 8 B 1322/11 -,juris Rn. 33, sowie Urteil vom 30. Januar 2014 ‑ 7 A 2555/11 -, NWVBl. 2014, 306 = juris Rn. 88.
104Anhaltspunkte hierfür sind vorliegend nicht erkennbar.
105Allerdings spricht gegenwärtig weiterhin Erhebliches dafür, dass von Tierhaltungsbetrieben luftgetragene Schadstoffe wie insbesondere Stäube, Mikroorganismen (z.B. Pilzsporen) und Endotoxine ausgehen, die grundsätzlich geeignet sind, nachteilig auf die Gesundheit zu wirken.
106Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12. August 2008 - 10 A 1666/05 -, juris Rn. 22 ff., vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, BRS 76 Nr. 100 = juris Rn. 58, vom 10. Mai 2010 - 8 B 992/09 -, juris Rn. 55, und vom 8. Februar 2012 - 8 B 1322/11 -, juris Rn. 33; vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 30. Januar 2014 - 7 A 2555/11 -, NWVBl. 2014, 306 = juris Rn. 91; zur Darstellung der Problematik vgl. auch die Internetdokumentation des LANUV NRW unter "Bioaerosole", "Wirkungen von Bioaerosolen" und "Gesundheitliche Wirkungen von Stall-Luft-Komponenten aus Tierhaltungsbetrieben"; Heller/Köllner (LANUV NRW), Bioaerosole im Umfeld von Tierhaltungsanlagen - Untersuchungsergebnisse aus Nordrhein-Westfalen, 2007; Antwort der Bundesregierung vom 7. Dezember 2006 auf eine Kleine Anfrage zu geplanten Schweinemastgroßanlagen in Deutschland, BT-Drs. 16/3759, Antwort zu den Fragen 12 und 13.
107Wissenschaftliche Untersuchungen und Erkenntnisse darüber, von welcher Wirkschwelle an diese allgemeine Gefährdung in konkrete Gesundheitsgefahren für bestimmte Personengruppen umschlägt, sind indessen nicht bekannt. Es gibt weder ein anerkanntes Ermittlungsverfahren noch verallgemeinerungsfähige Untersuchungsergebnisse über die gesundheitliche Gefährdung der Nachbarschaft durch eine landwirtschaftliche oder gewerbliche Tierhaltung. Messtechnische Untersuchungen, die das LANUV NRW seit dem Jahr 2007 an Schweine- und Legehennenställen betreibt, haben ergeben, dass sich eine Erhöhung bestimmter Parameter - insbesondere von Staphylokokken und Bakterien - an der Lee-Seite eines Legehennenstalls (ca. 300 Großvieheinheiten) gegenüber der Luv-Seite, die der jeweiligen örtlichen Hintergrundbelastung entspricht, noch in einer Entfernung von bis zu 500 m nachweisen lässt. Daraus folgt aber nicht ohne weiteres, dass bei derartigen Entfernungen auch mit gesundheitsgefährdenden Konzentrationen zu rechnen ist. Die ermittelten Immissionskonzentrationen lagen nach Einschätzung des LANUV NRW auf einem "vergleichsweise niedrigen Niveau und erreichten bei weitem nicht die Konzentrationen, wie sie an Arbeitsplätzen gemessen werden."
108Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, BRS 76 Nr. 100 = juris Rn. 60 ff., vom 10. Mai 2010 - 8 B 992/09 -, juris Rn. 57 ff., und vom 8. Februar 2012 - 8 B 1322/11 -, juris Rn. 37 ff., jeweils unter Bezugnahme auf Heller/Köllner (LANUV NRW), Bioaerosole im Umfeld von Tierhaltungsanlagen - Untersuchungsergebnisse aus Nordrhein-Westfalen, 2007, sowie Urteil vom 30. Januar 2014 - 7 A 2555/11 -, NWVBl. 2014, 306 = juris Rn. 88.
109Ausgehend von diesem Erkenntnisstand greift die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht als Instrument der Gefahrenabwehr nicht ein, weil ungewiss ist, ob mit einem Schadenseintritt zu rechnen ist. Potentiell schädliche Umwelteinwirkungen, ein nur möglicher Zusammenhang zwischen Emissionen und Schadenseintritt oder ein generelles Besorgnispotential können allerdings Anlass für Vorsorgemaßnahmen sein.
110Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 ‑ 7 C 19.02 -, BVerwGE 119, 329 = juris Rn. 12 (zu Nanopartikeln).
111Vor diesem Hintergrund bezeichnet die VDI-Richtlinie 4250 Blatt 1 (Bioaerosole und biologische Agenzien, Umweltmedizinische Bewertung von Bioaerosol-Immissionen) in Nr. 7 jede Erhöhung der Immissionskonzentration gegenüber den Hintergrundwerten als "umwelthygienisch unerwünscht", fügt aber hinzu, dass dabei das Gesundheitsrisiko nicht quantifiziert werden könne. Aus Gründen der Vorsorge seien Bioaerosol-Konzentrationen zu vermeiden, die gegenüber der Hintergrundbelastung erhöht seien. Davon ausgehend ist die Vermeidung bzw. Senkung von erhöhten Bioaerosol-Konzentrationen nicht den drittschützenden Betreiberpflichten i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG, sondern den Vorsorgeanforderungen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG zuzuordnen. Auf deren Einhaltung hat der Nachbar - ebenso wie hinsichtlich der in Nr. 5.4.7.1 der TA Luft geregelten Pflicht zur Prüfung etwaiger Möglichkeiten, die Emission an Keimen und Endotoxinen durch dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zu vermindern - grundsätzlich keinen Anspruch.
112Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, BRS 76 Nr. 100 = juris Rn. 67 ff., vom 10. Mai 2010 - 8 B 992/09 -, juris Rn. 64, und vom 8. Februar 2012 - 8 B 1322/11 -, juris Rn. 44 ff., sowie Urteil vom 30. Januar 2014 ‑ 7 A 2555/11 -, NWVBl. 2014, 306 = juris Rn. 99 ff.; zum fehlenden Anspruch auf Vorsorgemaßnahmen vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 7 C 19.02 -, BVerwGE 119, 329 = juris Rn. 11, und Beschluss vom 9. April 2008 ‑ 7 B 2.08 -, NVwZ 2008, 789 = juris Rn. 11.
113Auf der Grundlage des Vorstehenden fehlt es nach dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand an ausreichenden Anhaltspunkten für die Annahme, dass das Wohnhaus des Klägers durch das Vorhaben des Beigeladenen Bioaerosol-Immissionen ausgesetzt sein wird, die über eine allgemeine, gebietstypische Gefährdung hinausgehen und bereits zu einer konkreten Gefährdung der Gesundheit i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG führen können. Da der Übertragungsweg bei Bioaerosolen im Grunde derselbe ist wie bei Gerüchen, liegt eine Orientierung an den Ergebnissen der Geruchsimmissionsprognose nahe.
114Vgl. zu diesem Maßstab OVG NRW, Beschlüsse vom 12. August 2008 - 10 A 1666/05 -, juris Rn. 28, und vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 ‑, BRS 76 Nr. 100 = juris Rn. 70 ff., vom 10. Mai 2010 - 8 B 992/09 -, juris Rn. 69 ff., und vom 8. Februar 2012 - 8 B 1322/11 -, juris Rn. 49 ff., sowie Urteil vom 30. Januar 2014 - 7 A 2555/11 -, NWVBl. 2014, 306 = juris Rn. 103.
115Die Geruchsimmissionsprognose in der Fassung der Neuberechnung vom 29. Oktober 2015 gelangt - wie ausgeführt - zu einer Geruchsbelastung von maximal 0,15 Jahresgeruchsstunden; die Geruchsbelastung liegt damit nicht oberhalb des jedenfalls anzusetzenden Immissionswerts von 0,15. Danach ist davon auszugehen, dass sich auch die Belastung mit Bioaerosolen in einem für den ländlichen Raum gebietstypischen Rahmen bewegt. Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Bevölkerung des ländlichen Raums in signifikantem Umfang an Krankheiten insbesondere der Atemwege leidet, die auf Bioaerosole zurückzuführen sind, bieten die vorliegenden wissenschaftlichen Stellungnahmen nicht.
116Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, BRS 76 Nr. 100 = juris Rn. 75, vom 10. Mai 2010 - 8 B 992/09 -, juris Rn. 72, und vom 8. Februar 2012 - 8 B 1322/11 -, juris Rn. 52; Nds. OVG, Beschluss vom 19. August 1999 - 1 M 2711/99 -, NVwZ-RR 2000, 91 = juris Rn. 9.
117IV. Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zulasten des Klägers ergeben sich auch nicht im Hinblick auf die zu erwartenden Ammoniakimmissionen. Die in der TA Luft bestimmten Grenzwerte für Ammoniak- sowie Stickstoffeinträge dienen, wie das Verwaltungsgericht zurecht ausgeführt hat, nicht dem Schutz der menschlichen Gesundheit, sondern dem Schutz empfindlicher Pflanzen und Ökosysteme. Anforderungen zum Schutz der menschlichen Gesundheit werden in Nr. 4.2. der TA Luft gestellt. Dort sind zum Schutz vor Gefahren für die menschliche Gesundheit Immissionswerte für verschiedene luftverunreinigende Stoffe festgelegt, nicht aber für Ammoniak oder Stickstoff. Gemäß Nr. 4.4.2 Abs. 3 TA Luft ist nach Nr. 4.8 zu prüfen, ob der Schutz vor erheblichen Nachteilen durch Schädigung empfindlicher Pflanzen (z.B. Baumschulen, Kulturpflanzen) und Ökosysteme durch die Einwirkung von Ammoniak gewährleistet ist. Somit kann sich ein Nachbar - jedenfalls soweit er nicht die Einwirkung auf besonders schutzwürdige Pflanzen geltend macht - nicht auf die Verletzung einer ihn schützenden Regelung durch Ammoniakimmissionen berufen.
118Vgl. OVG S.-A., Urteil vom 24. März 2015 - 2 L 184/10 -, juris Rn. 129 ff.; VG München, Urteil vom 16. Oktober 2007 - M 1 K 07.2892 -, juris Rn. 20; VG Oldenburg, Urteil vom 10. März 2010 - 5 A 1375/09 -, juris Rn. 43; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band IV, Stand: 1. Mai 2015, Nr. 4.8 TA Luft Rn. 47.
119Im Übrigen erweist sich die von dem Vorhaben des Beigeladenen ausgehende Ammoniakbelastung nicht als erheblich. Nach Nr. 4.8 i. V. m. Anhang 1 Abbildung 4 Abs. 2, Anhang 3 TA Luft ist bei Vorliegen einer Ausbreitungsrechnung lediglich der Mindestabstand der Emissionsquelle erforderlich, bei dem eine anlagenbezogene Zusatzbelastung für Ammoniak von 3 μg/m³ an keinem maßgeblichen Beurteilungspunkt überschritten wird. Ausweislich der graphischen Darstellung der von dem Vorhaben im Planzustand ausgehenden Ammoniakbelastung auf Seite 21 des Geruchs- und Ammoniakimmissionsgutachtens vom 9. Mai 2011 ist auf dem klägerischen Grundstück keine Ammoniakbelastung in diesem Umfang zu erwarten.
120V. Der Kläger kann sich auch nicht auf einen möglichen Verstoß gegen die Festsetzung einer Fläche für die Landwirtschaft im Bebauungsplan berufen. Ein solcher könnte gegeben sein, wenn es sich bei dem Betrieb des Beigeladenen um eine Tierhaltung gewerblicher Art handelt. Die Festsetzung einer Fläche für die Landwirtschaft nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BBauG in dem Bebauungsplan „S2. N. “ des damaligen Siedlungsverbands Ruhrkohlenbezirk vom 3. Oktober 1962 ist nach §§ 30 Abs. 3 BauGB, 6 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 BImSchG Gegenstand des immissionsschutzrechtlichen Prüfungsverfahrens.
121Setzt der Planungsträger in einem Bebauungsplan eine Fläche für die Landwirtschaft nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BBauG (nunmehr § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. a) BauGB) fest, umfasst der Begriff der Landwirtschaft die in § 201 BauGB bestimmten Bewirtschaftungsformen. Ob es sich bei dem Betrieb des Beigeladenen um einen landwirtschaftlichen Betrieb in diesem Sinne handelt, kann aber dahinstehen. Selbst wenn auf den zu dem landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden landwirtschaftlich genutzten Flächen das Futter für die Tierhaltung des Beigeladenen - einschließlich der Tierbestände auf der Hofstelle in F. -L. - nicht überwiegend erzeugt werden könnte, verletzt dies den Kläger nicht in einer ihm zukommenden Rechtsposition. Der Festsetzung kommt keine drittschützende Wirkung zu.
122Ob einer Festsetzung im Bebauungsplan Drittschutz zukommt, entscheidet der Planungsträger grundsätzlich nach eigenem Ermessen; ausgenommen hiervon sind die Baugebietsfestsetzungen nach der BauNVO, denen grundsätzlich nachbarschützende Wirkung zukommt, sowie solche Festsetzungen, deren Drittschutz sich - wie etwa bei § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB - unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung ergibt. Liegt - wie hier - ein solcher Fall nicht vor, hängt die nachbarschützende Wirkung von Festsetzungen im Bebauungsplan davon ab, ob diese nach dem ersichtlichen Willen des Plangebers drittschützend sein soll, also welchen Zweck er mit der Festsetzung verfolgt.
123Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 7. September 1988 - 4 N 1.87 -, BVerwGE 80, 184 = juris Rn. 22, und vom 9. Oktober 1991 - 4 B 137.91 -, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 104 = juris Rn. 5; Urteil vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151 = juris Rn. 11 f.; OVG NRW, Beschluss vom 10. Juli 2003 - 10 B 629/03 -, BRS 66 Nr. 183 = juris Rn. 17; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14. Oktober 1999 ‑ 8 S 2396/99 -, juris Rn. 3; Rieger, in: Schrödter, BauGB, 8. Auflage 2015, § 30 Rn. 32.
124Vorliegend ergeben sich weder aus dem Bebauungsplan als solchem noch aus den vom Senat beigezogenen Aufstellungsvorgängen des Siedlungsverbands Ruhrkohlenbezirk Hinweise auf eine beabsichtigte drittschützende Wirkung der festgesetzten Fläche für die Landwirtschaft. Im Gegenteil führt die Begründung des Bebauungsplanentwurfs aus, das S. gewinne als Erholungsgebiet ständig an Bedeutung; gleichzeitig sei es in seinem landschaftlichen Charakter durch Bauabsichten gefährdet. Der Bebauungsplan solle im öffentlichen Interesse diesen Bereich für die Erholung der Bevölkerung sichern und vor einer nicht vertretbaren Bebauung sichern. In einem Vermerk über die beabsichtigten Festsetzungen vom 29. August 1961 werden diesbezüglich die „von der Bebauung freizuhaltenden Grundstücke, die nicht als öffentliche Grünfläche, wohl aber als Fläche für die Land- und Forstwirtschaft vorgesehen sind“ angeführt.
125VI. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, die Befreiung von den Festsetzungen des Landschaftsplans sei zu Unrecht erfolgt. Dabei kann der Senat offenlassen, in welchem Verhältnis der immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbescheid zu der von der unteren Landschaftsbehörde am 5. Juli 2012 erteilten Befreiung von den Festsetzungen steht. Letztere dürfte sich wegen Verstoßes gegen § 13 BImSchG als rechtswidrig erweisen, weil eine vorweggenommene landschaftsrechtliche Befreiung der Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zuwiderläuft.
126Vgl. Seibert, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, Stand: 1. Mai 2015, § 13 BImSchG Rn. 89b m. w. N.
127Auch wenn die Befreiung (zusätzlich) Gegenstand des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheids ist, schützt das Bauverbot unter Ziffer C.2.2.1 III. Nr. 4 des Landschaftsplans den Kläger nicht. Vorschriften des Natur- und Landschaftsschutzes kommt grundsätzlich keine nachbarschützende Wirkung zu, da sie allein im öffentlichen Interesse erlassen werden und öffentlichen Zielen zu dienen bestimmt ist.
128Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 24. Juni 2010 - 8 A 2764/09 -, BRS 76 Nr. 184 = juris Rn. 82; Bay. VGH, Beschluss vom 27. Juli 2010 ‑ 15 CS 10.37 -, juris Rn. 24; VG Düsseldorf, Urteil vom 10. März 2015 - 3 K 9246/12 -, juris Rn. 32; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1987 - 4 NB 1.87 -, NVwZ 1988, 728 = juris Rn. 22, und Urteil vom 17. Januar 2001 - 6 CN 3.00 -, Buchholz 406.401 § 15 BNatSchG Nr. 10 = juris Rn. 8.
129Im Übrigen wäre die Beklagte mangels Anfechtung des zwar rechtswidrigen, aber nicht nichtigen Befreiungsbescheids vom 5. Juli 2012 an die bereits erteilte Befreiungsentscheidung gebunden.
130Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da dieser in beiden Instanzen einen Antrag gestellt und sich somit jeweils einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat.
131Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
132Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
(1) Benutzungen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
das Entnehmen und Ableiten von Wasser aus oberirdischen Gewässern, - 2.
das Aufstauen und Absenken von oberirdischen Gewässern, - 3.
das Entnehmen fester Stoffe aus oberirdischen Gewässern, soweit sich dies auf die Gewässereigenschaften auswirkt, - 4.
das Einbringen und Einleiten von Stoffen in Gewässer, - 5.
das Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser.
(2) Soweit nicht bereits eine Benutzung nach Absatz 1 vorliegt, gelten als Benutzungen auch
- 1.
das Aufstauen, Absenken und Umleiten von Grundwasser durch Anlagen, die hierfür bestimmt oder geeignet sind, - 2.
Maßnahmen, die geeignet sind, dauernd oder in einem nicht nur unerheblichen Ausmaß nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit herbeizuführen, - 3.
das Aufbrechen von Gesteinen unter hydraulischem Druck zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas, Erdöl oder Erdwärme, einschließlich der zugehörigen Tiefbohrungen, - 4.
die untertägige Ablagerung von Lagerstättenwasser, das bei Maßnahmen nach Nummer 3 oder anderen Maßnahmen zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas oder Erdöl anfällt.
(3) Keine Benutzungen sind Maßnahmen, die dem Ausbau eines Gewässers im Sinne des § 67 Absatz 2 dienen. Das Gleiche gilt für Maßnahmen der Unterhaltung eines Gewässers, soweit hierbei keine chemischen Mittel verwendet werden.
(1) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn
- 1.
sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und - 2.
andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.
(2) Bei Anlagen, die unterschiedlichen Betriebsweisen dienen oder in denen unterschiedliche Stoffe eingesetzt werden (Mehrzweck- oder Vielstoffanlagen), ist die Genehmigung auf Antrag auf die unterschiedlichen Betriebsweisen und Stoffe zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 1 für alle erfassten Betriebsweisen und Stoffe erfüllt sind.
(3) Eine beantragte Änderungsgenehmigung darf auch dann nicht versagt werden, wenn zwar nach ihrer Durchführung nicht alle Immissionswerte einer Verwaltungsvorschrift nach § 48 oder einer Rechtsverordnung nach § 48a eingehalten werden, wenn aber
- 1.
der Immissionsbeitrag der Anlage unter Beachtung des § 17 Absatz 3a Satz 3 durch das Vorhaben deutlich und über das durch nachträgliche Anordnungen nach § 17 Absatz 1 durchsetzbare Maß reduziert wird, - 2.
weitere Maßnahmen zur Luftreinhaltung, insbesondere Maßnahmen, die über den Stand der Technik bei neu zu errichtenden Anlagen hinausgehen, durchgeführt werden, - 3.
der Antragsteller darüber hinaus einen Immissionsmanagementplan zur Verringerung seines Verursacheranteils vorlegt, um eine spätere Einhaltung der Anforderungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 zu erreichen, und - 4.
die konkreten Umstände einen Widerruf der Genehmigung nicht erfordern.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die wesentliche Änderung einer Anlage zur sonstigen Behandlung und zeitweiligen Lagerung von nicht gefährlichen Abfällen.
- 2
Die von der Klägerin betriebene Anlage liegt im Außenbereich des Stadtgebiets der Beigeladenen. Im Stadtgebiet befinden sich die Gewerbegebiete Nord I und Nord II sowie ein „faktisches“ Gewerbegebiet südlich des Mittellandkanals. Dem Gewerbegebiet südlich des Mittellandkanals liegen ein Aufstellungsbeschluss vom 05.10.1995 und ein Satzungsbeschluss vom 30.01.1997 zugrunde. Das damalige Regierungspräsidium E-Stadt genehmigte den Plan unter dem 11.07.1997. Eine öffentliche Bekanntmachung erfolgte jedoch nicht. Der Bebauungsplan Nord I wurde am 01.07.1993 als Satzung beschlossen und unter dem 15.04.1994 genehmigt. Am 01.10.1998 wurde ein Änderungsbeschluss gefasst. Das Verfahren ist jedoch nicht abgeschlossen, da ein eingeleitetes Umlegungsverfahren nicht beendet ist. Der Bereich nördlich des Gewerbegebietes Nord II ist als Fläche für die Landwirtschaft vorgesehen. Im Vorentwurf des Flächennutzungsplans sind die Flächen als gewerbliche Flächen dargestellt. Eigentümer ist neben privaten Eigentümern großteils die Landgesellschaft Sachsen-Anhalt.
- 3
Der Betrieb der Klägerin begann ursprünglich aufgrund einer im Jahr 1996 vom damaligen Staatlichen Amt für Umwelt erteilten Genehmigung für eine Anlage zum Aufbereiten von Holzabfällen mit einer maximalen Lagermenge von 500 t Altholz. Mit Baugenehmigung vom 21.05.2001 genehmigte der damalige Landkreis Ohre die Errichtung eines Sonderabfalllagers. Auf der Grundlage einer Genehmigung des Regierungspräsidiums E-Stadt vom 13.10.2003 wird die derzeit bestehende Anlage zur Behandlung von Siedlungs- und gemischten Bau-/Abbruchabfällen mit einem Jahresdurchsatz von 40.000 t betrieben. Auf dem Gelände betreibt die Klägerin ferner eine Anlage zur Ballierung und zeitweiligen Zwischenlagerung von Hausmüll mit einer Jahresdurchsatzleistung von max. 5.000 t. Diese Anlage genehmigte der Beklagte mit Bescheid vom 22.08.2011. Die Anlage dient nach Angaben der Klägerin dazu, die jahreszeitlich schwankende Versorgung des Müllheizkraftwerks R. mit Abfällen zur Verbrennung sicherzustellen. In den Sommermonaten werden die Abfälle – so die Schilderung der Klägerin - wegen des geringeren Energiebedarfs des MHKW balliert und zwischengelagert und in den Wintermonaten ergänzend zugeführt.
- 4
Am 19.11.2012 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 16 BImSchG für die wesentliche Änderung der Anlage durch die Erhöhung der Jahresdurchsatzkapazität der Ballierungsmenge auf 20.000 t/a, Erhöhung der Jahresdurchsatzkapazität der Abfallbehandlungsanlage für Haus- und Gewerbemüll auf 60.000 t/a sowie Erweiterung des Zwischenlagers für ballierte Abfälle auf max. 20.000 t/a.
- 5
Mit Schreiben vom 13.11.2012 bat der Beklagte die Beigeladene um die Entscheidung über das gemeindliche Einvernehmen und beteiligte mehrere Behörden. Der Beklagte erklärte gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 12.12.2012, dass eine abschließende Prüfung des Antrags nicht möglich sei, da die Antragsunterlagen unvollständig seien. Die Erhöhung des Gesamtjahresdurchsatzes von 40.000 t auf 60.000 t lasse Geruchsbelästigungen befürchten. Zur Beurteilung, ob für die Nachbarschaft erhebliche Geruchsbelästigungen zu befürchten seien, sei eine gutachterliche Prognose unter Zugrundelegung der Geruchsimmissionsrichtlinie GIRL erforderlich.
- 6
Mit Schreiben vom 29.01.2013 versagte die Beigeladene das Einvernehmen. Durch das Vorhaben würden Beeinträchtigungen der Anwohner erwartet. Bereits in der Vergangenheit seien Beschwerden über starke Geruchsbelästigungen durch anscheinend beschädigte Ballen sowie über Ungeziefer registriert worden. Zudem seien Gesundheitsgefährdungen durch Austritt von Schimmelpilzen und Mikroorganismen wahrscheinlich. Ferner bestünden brandschutzrechtliche Bedenken.
- 7
In der Folgezeit gaben mehrere Fachbehörden, darunter auch die Bauaufsichtsbehörde, Stellungnahmen ab, nach denen eine Genehmigung jeweils unter Einhaltung von Nebenbestimmungen zulässig sei. Dieser baurechtlichen Beurteilung trat das Landesverwaltungsamt mit Erlass vom 26.05.2014 entgegen, insbesondere hinsichtlich der Beurteilung des Vorhabens nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB (Privilegierung) und § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB (angemessene Erweiterung). Das Landesverwaltungsamt gab dem Beklagten auf, bestimmte Fragen zu klären und wies diesen an, die Genehmigung nicht ohne schriftliche Bestätigung zu erteilen.
- 8
Unter dem 16.10.2013 hatte die Klägerin die Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis für die Ableitung von vorbehandeltem Niederschlagswasser in den M. Dorfgraben beantragt.
- 9
Unter dem 16.05.2013 legte die Klägerin eine Stellungnahme zu Geruchsimmissionen des TÜV Nord vom 07.05.2013 vor, die zu dem Ergebnis kommt, dass im nächstgelegenen Bereich der Bebauung mit Immissionshäufigkeiten von 8 % der Jahresstunden zu rechnen sei.
- 10
Am 01.10.2014 hat die Klägerin Untätigkeitsklage auf Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erhoben. Parallel dazu hat sie beim erkennenden Gericht eine Untätigkeitsklage auf Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis erhoben (9 A 385/14 MD)
- 11
Mit Schreiben vom 24.02.2015 hat die Beigeladene das gemeindliche Einvernehmen erneut versagt: Sie bekräftigt ihre Auffassung, dass die Anwohner der F. Straße in M. durch die von der Anlage ausgehenden Immissionen erheblich belastet seien. Die Beeinträchtigungen durch Gerüche, Staub und Ungeziefer seien schon jetzt unerträglich. Es gebe in der F. Straße ein außerordentlich großes Verkehrsaufkommen mit hoher Staubbelastung. Die Bewohner beschwerten sich über Schall- und Schattenwurfbelastungen durch Windenergieanlagen und über Geruchsbelästigungen. Diese würden durch die geplante Erweiterung vermehrt. Da die Zwischenlagerung der Ballen vorrangig in den Sommermonaten erfolgen solle, sei mit einer weiteren Erhöhung der Geruchsbelästigungen zu rechnen, insbesondere wenn es zu Beschädigungen der Ballen komme. Der geringste Abstand des Ballierungslagers 4 zur Wohnbebauung liege bei nur 230 m, während nach dem Abstandserlass zwischen Gewerbe- und Wohngebieten ein Abstand von 500 m zu gewährleisten sei. Das Auftreten von Füchsen, Ratten und Möwen werde durch Anwohner bestätigt. Es sei von einer Gesundheitsgefährdung durch Schimmelpilze auszugehen. Die Wohn- und Lebensbedingungen der Anwohner würden durch das Vorhaben massiv verschlechtert.
- 12
Der Beklagte hat der Klägerin unter dem 07.10.2014 eine wasserrechtliche Erlaubnis zur Ableitung von Niederschlagswasser in den M. Dorfgraben erteilt. Darin sind Überwachungswerte nicht festgelegt. Die Klägerin hat die Klage im wasserrechtlichen Verfahren geändert und begehrt nunmehr, die wasserrechtliche Erlaubnis um Nebenbestimmungen zu den Überwachungswerten zu ergänzen, hilfsweise die Ziffer II.2.1, in der die Beprobung nach bestimmten Parametern vorgeschrieben ist, neu zu fassen. Ferner hat sich die Klägerin gegen die Nebenbestimmung II 3.1.8 gewandt, mit welcher ihr aufgegeben wurde, die Errichtung bzw. Ertüchtigung der technischen Einrichtungen bis zu einem bestimmten Termin abzuschließen. Entsprechend hat die Klägerin gegen den Bescheid auch Widerspruch erhoben. Die Nebenbestimmung II 3.1.8 wurde inzwischen geändert und als Frist der Abschluss in der 16. KW 2015 angesetzt. Der Beklagte hatte in dem wasserrechtlichen Verfahren erklärt, dass mit einer Entscheidung des Landesverwaltungsamts über den Widerspruch bis Ende März 2015 zu rechnen sei. Eine Entscheidung liegt allerdings, soweit ersichtlich, noch immer nicht vor.
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Zur vorliegenden Klage im immissionsschutzrechtlichen Verfahren trägt die Klägerin vor: Die Beigeladene habe das Einvernehmen zu Unrecht versagt. Die Versagung könnte nur aus den sich aus § 35 BauGB ergebenden Gründen erfolgen. Die Gemeinde könne sich also nicht auf immissionsschutzrechtliche Gründe berufen, die nicht von § 35 BauGB erfasst seien, wie etwa den Vorsorgegrundsatz oder die „Lebensqualität der Einwohner“. Ebenso wenig könne sich die Beigeladene auf Immissionen durch das Umspannwerk oder von Windenergieanlagen berufen. Soweit der Immissionsbegriff auf Gesamtbelastungen abstelle, beziehe sich dies auf eine bestimmte Immissionsart. Schädliche Umwelteinwirkungen durch Geräuschimmissionen der vorliegenden Anlage seien ausgeschlossen. Die Voraussetzungen der Nr. 7.4 Satz 3 TA Lärm seien weder hinsichtlich der einzelnen Merkmale noch kumulativ erfüllt. Die Kapazitätserhöhung von 5.000 auf 20.000 t Hausmüll führe zu einem Verkehrsaufkommen von ca. 8 Lkw-Fahrten pro Tag. Die Geruchsanteile nach der GIRL lägen laut dem vorgelegten Gutachten bei weniger als 10 % Geruchshäufigkeit pro Jahr. Etwaige Schadstellen der Ballen seien in dem Gutachten berücksichtigt worden. Die Anlage diene Tieren wie Füchsen, Ratten und Möwen nicht als Nahrungsquelle, da die Abfälle täglich balliert würden. Für die Verfrachtung luftgetragener Krankheitskeime sei allein der Vorsorgegrundsatz maßgeblich, der nicht drittschützend sei. Das Vorhaben sei als privilegiertes Vorhaben im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB zulässig. Die mit der Anlage verbundenen Immissionen würden im Innenbereich eine unzumutbare Belästigung darstellen. Die vorhandenen Gewerbegebiete und das faktische Gewerbegebiet seien als Betriebsstandort für die Anlage nicht geeignet. In dem Gewerbegebieten Nord I und Nord II seien bereits diverse Betriebe angesiedelt. Der Entsorgungsbetrieb des Beklagten im faktischen Gewerbegebiet südlich des Mittellandkanals sei mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Das Vorhaben sei dem Außenbereich auch nicht wesensfremd. Sofern die Erweiterung als „sonstiges Vorhaben“ i. S. des § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen wäre, wäre diese Erweiterung nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB angemessen, weil sie lediglich 6,5 % bzw. 6,9 % der vorhandenen Grundfläche ausmache. Hinsichtlich der Angemessenheit sei nicht auf die Erhöhung der Ballierungsmengen, sondern auf die Erweiterung in baulich-räumlicher Hinsicht abzustellen. Die wasserrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Einleitung des Niederschlagswassers in den M. Dorfgraben seien unerheblich. Die Genehmigung könne und müsse notfalls unter der aufschiebenden Bedingung der Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis erteilt werden. Der (Verpflichtungs-)Widerspruch der Klägerin beschränke sich ausdrücklich auf die abgrenzbare Frage, ob zusätzlich Überwachungswerte für die unter Ziff. 2 der wasserrechtlichen Erlaubnis angeordnete Eigenüberwachung/Probenahme festzulegen sind. Die wasserrechtliche Erlaubnis stehe daher nicht zur Disposition der Widerspruchsbehörde.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die unter dem 09.11.2012 beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu erteilen,
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hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin die unter dem 09.11.2012 beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung unter der aufschiebenden Bedingung zu erteilen, dass von der erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis Gebrauch gemacht werden kann,
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weiter hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin vom 09.11.2012 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er trägt vor: Im Parallelverfahren um die Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis habe das Landesverwaltungsamt festgestellt, dass die Widerspruchsbearbeitung umfänglicher sei als zunächst angenommen. Es sei offen, ob eine wasserrechtliche Erlaubnis der oberbehördlichen Prüfung standhalte. Das Landesverwaltungsamt habe auf Probleme hinsichtlich kontaminierten Niederschlagswassers hingewiesen. Falls die Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis abgelehnt werde, könne möglicherweise auch eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nicht erteilt werden. Eine abschließende Entscheidung sei daher erst nach der Widerspruchsentscheidung über die wasserrechtliche Erlaubnis möglich. Ob die bestehenden Gewerbegebiete im Gebiet der Beigeladenen für das Vorhaben der Klägerin geeignet seien, bedürfe einer näheren Überprüfung.
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Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
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Sie trägt vor: Das Vorhaben sei nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert. Es bestehe die Möglichkeit, die Anlage in ihrem Innenbereich zuzulassen. Hierzu böten sich die Gewerbegebiete D-Stadt Nord I, D-Stadt Nord II, G. und M. und insbesondere das Gewerbegebiet südlich des Mittellandkanals östlich der B 189 an, in dem sich bereits eine Abfallentsorgungsanlage befinde. Die Beigeladene habe die planungsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen, um für Anlagen der vorliegenden Art eine Inanspruchnahme des Außenbereichs zu vermeiden. Insbesondere im faktischen Gewerbegebiet südlich des Mittellandkanals bestünden ausreichend Flächen, auf denen das Vorhaben verwirklicht werden könne. Rechtlich sei es unerheblich, ob die das Einvernehmen versagende Gemeinde selbst in der Lage sei müsse, eigene Grundstücke zu verkaufen. Da das Vorhaben im Innenbereich ausgeführt werden könne, fehle es jedenfalls an der Privilegierungsbedürftigkeit. Nach dem Sinn des § 35 Abs. 1 BauGB seien erheblich störende Bauvorhaben im Außenbereich nicht zuzulassen, die auch – und sogar sachgerechter – in Industriegebieten errichtet werden könnten. Der Umstand, dass eine Anlage Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV zugeordnet sei, lasse regelmäßig keine in Gewerbegebieten unzulässigen schädlichen Umwelteinwirkungen erwarten. Andernfalls sei das Vorhaben auch im Außenbereich nicht privilegiert. Ein emissionsträchtiger Betrieb, der etwa wegen fehlender Gewerbegebiete nicht im Innenbereich der Gemeinde untergebracht werden könne, solle auch nicht im Außenbereich angesiedelt werden, wenn er bereits nach einem Typ bei abstrakter Bewertung nicht dem Außenbereich zuzuordnen sei. § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB sei kein Privilegierungstatbeststand für Vorhaben, die üblicherweise bei einer die voraussehbaren Bedürfnisse berücksichtigenden Bauleitplanung in einem Bauleitplan Standorte ausgewiesen zu werden pflegen. Das Vorhaben beeinträchtige öffentliche Belange nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB, weil es schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen könne. Insbesondere gefährde es die Wasserwirtschaft i. S. des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB und lasse die Erweiterung einer Splittersiedlung i. S. des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB befürchten. Es sei auch nicht als angemessene Erweiterung nach § 35 Abs. 2, Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB zulässig. Aufgrund der Erweiterung sei mit schädlichen Umwelteinwirkungen und mit einer Gefährdung der Wasserwirtschaft zu rechnen. Daher sei das Vorhaben nicht „im Übrigen“ außenbereichsverträglich, wie es die gesetzliche Regelung verlange. Es komme auch nicht auf den Umfang der baulichen Erweiterung an. Der Gesetzgeber verlange, dass die Erweiterung gerade im Verhältnis zu dem bereits vorhandenen Gebäude und Betrieb in ihrem Umfang angemessen sei. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, da die Erhöhung der Jahresdurchsatzkapazität der Ballierungsmenge von 5.000 t auf 20.000 t/a einer Steigerung auf 400 % entspreche. Die Erhöhung der Durchsatzkapazität der Abfallbehandlungsanlage für Haus- und Gewerbemüll entspreche einem Zuwachs von 50 %. Beides sei nicht angemessen. Auch die zu erwartende Erhöhung des An- und Auslieferverkehrs führe zu der Annahme, dass eine erhebliche Erweiterung des Betriebsumfangs vorliege. Es könne offen blieben, ob sich die Unangemessenheit auch daraus ergibt, dass es sich um mehrmalige Erweiterungen handelt, die zusammen genommen in keinem Falle angemessen sein könnten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist als Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO zulässig. Der Beklagte hat über die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ohne ausreichenden Grund seit mehreren Jahren nicht entschieden. Am 22.11.2012 hat der Beklagte die Vollständigkeit der Antragsunterlagen bestätigt. Gemäß § 16 Abs. 3 BImSchG ist über den Genehmigungsantrag innerhalb einer Frist von sechs Monaten zu entscheiden. Diese Frist ist seit langem vergangen. Auch die Probleme bei der Bewertung der wasserrechtlichen und baurechtlichen Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens bieten keinen sachlichen Grund für eine so langdauernde Verzögerung.
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Die Klage ist aber nur mit dem Hilfsantrag begründet.
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Mit dem Hauptantrag hat die Klage keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen unbedingten und vorbehaltlosen Anspruch auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 16 BImSchG für die wesentliche Änderung ihrer Anlage zur sonstigen Behandlung und zeitweiligen Lagerung von nicht gefährlichen Abfällen. Es steht nicht fest, dass die Genehmigungsvoraussetzungen nach § 6 Abs. 1 BImSchG erfüllt sind.
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Gemäß § 6 Abs. 1 BImSchG ist die Genehmigung zu erteilen, wenn (1.) sichergestellt ist, dass sich die aus § 5 BImSchG und einer auf Grund des § 7 BImSchG erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden und (2.) andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.
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Im für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung lässt sich nicht abschließend feststellen, ob der beantragte Betrieb der Anlage mit wasserrechtlichen Vorschriften in Einklang steht. Der Betrieb ist mit der Ableitung von vorbehandeltem Niederschlagswasser in den Moser Dorfgraben verbunden. Das Einbringen von Stoffen in Gewässer bedarf gemäß §§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG einer wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung, die gemäß § 12 Abs. 1 WHG zu versagen ist, wenn schädliche, auch durch Nebenbestimmungen nicht vermeidbare oder nicht ausgleichbare Gewässerveränderungen zu erwarten sind oder andere Anforderungen nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht erfüllt werden. Im Übrigen steht die Erteilung der Erlaubnis und der Bewilligung gemäß § 12 Abs. 2 WHG im pflichtgemäßen Ermessen (Bewirtschaftungsermessen) der zuständigen Behörde.
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Im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren ist die Vereinbarkeit des Anlagenbetriebs mit wasserrechtlichen Vorschriften nicht unbeachtlich. Nach § 13 BImSchG sind zwar wasserrechtliche Erlaubnisse und Bewilligungen nach § 8 i. V. m. § 10 WHG von der Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ausgenommen. Gleichwohl handelt es sich bei den Vorschriften, die bei der Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis zu prüfen sind, um öffentlich-rechtliche Vorschriften, die einem Vorhaben nach § 6 Abs. 1 BImSchG nicht entgegenstehen dürfen (vgl. OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 06.04.1989 – 21 A 952/88 -, NuR 1990, 328). Allerdings sind die konkurrierenden bzw. sich überschneidenden Prüfungsmaßstäbe entsprechend der Sachentscheidungskompetenz der jeweiligen Behörden grundsätzlich auf die konkurrierenden Genehmigungsverfahren aufzuteilen, um umfassende Doppelprüfungen zu vermeiden (OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 01.12.2011 – 8 D 58/08.AK -, BauR 2012, 773 und juris [Rdnr. 422]). Gemäß § 10 Abs. 5 Satz 2 BImSchG (vgl. auch Art. 7 der Richtlinie 96/61/EG - IVU-RL -, später neugefasst durch die RL 2008/1/EG, nunmehr ersetzt durch die Industrieemissionsrichtlinie, RL 2010/75/EU) haben die Genehmigungsbehörden eine vollständige Koordinierung der Zulassungsverfahren sowie der Inhalts- und Nebenbestimmungen sicherzustellen. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbehörde kann nicht im Sinne eines Separationsansatzes die wasserrechtlichen Fragen völlig ausblenden. Stehen der wasserrechtlichen Erlaubnis unüberwindliche Hindernisse entgegen, so ist auch die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ausgeschlossen (Jarass, NVwZ 2009, 68; OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 01.12.2011, a. a. O.). Unterhalb dieser Schwelle hat die Genehmigungsbehörde verschiedene Möglichkeiten, die in ihrem (Verfahrens-)Ermessen stehen (Jarass, NVwZ 2009, 68). So kann sie ihrer Koordinationspflicht im Einzelfall auch dadurch genügen, dass die Genehmigung unter dem Vorbehalt nachträglicher (sich aus dem parallelen wasserrechtlichen Verfahren ergebender) Anforderungen stellt (OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 01.12.2011, a. a. O.; Jarass, NVwZ 2009, 68). Stehen dagegen fest, dass das Vorhaben keine wasserrechtlichen und weiteren nach § 6 Abs. 1 BImSchG zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, so ist die Genehmigung zu erteilen.
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Unter diesen Voraussetzungen besteht keine Verpflichtung zur Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, weil die Einhaltung wasserrechtlicher Vorschriften nicht abschließend geklärt werden kann.
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Der Beklagte hat der Klägerin zwar unter dem 07.10.2014 eine wasserrechtliche Erlaubnis zur Ableitung von Niederschlagswasser in den M. Dorfgraben erteilt. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Betrieb der Anlage mit wasserrechtlichen Vorschriften in Einklang steht und auch nicht, dass der Betrieb aus wasserrechtlicher Sicht aufgenommen werden könnte. Aus der wasserrechtlichen Erlaubnis geht nicht hervor, dass die beim Betrieb der Anlage erfolgende Ableitung von vorbehandeltem Niederschlagswasser in den Moser Dorfgraben mit keinen unzulässigen Gewässerverunreinigungen gemäß § 12 Abs. 1 WHG verbunden ist. In der wasserrechtlichen Erlaubnis sind zwar keine Überwachungswerte festgelegt. Damit gestattet die wasserrechtliche Erlaubnis der Klägerin jedoch keine unbeschränkte Einleitung von Niederschlagswasser in den M. Dorfgraben. Vielmehr ist in Nr. 2 der Nebenbestimmungen geregelt, dass eine Eigenüberwachung und Beprobung hinsichtlich bestimmter Parameter durchzuführen sind und dadurch gewährleistet sein muss, dass keine nachteilige Auswirkungen auf das benutzte Gewässer entstehen können. Es kann dahinstehen, ob die Genehmigung ohne Festlegung von Überwachungswerten überhaupt den Bestimmtheitsgrundsatz wahrt (§ 37 Abs. 1 VwVfG); üblicherweise ist eine wasserrechtliche Erlaubnis unmittelbarer mit der Festlegung von Überwachungswerten verknüpft (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23.07.1998 – 8 S 3189/96 -, juris). Jedenfalls ergibt sich aus der wasserrechtlichen Erlaubnis nicht, dass beim Betrieb der Anlage die gesetzlich bestimmten Anforderungen an die Einleitung von Niederschlagswasser eingehalten werden. Die Klägerin hat gegen die wasserrechtliche Erlaubnis Widerspruch erhoben und beantragt, die Erlaubnis um Nebenbestimmungen zu den Überwachungswerten zu ergänzen. Sie geht damit selbst davon aus, dass die Einleitung vorbehandelten Niederschlagswassers in den M. Dorfgraben aufgrund der Erlaubnis nicht unbeschränkt zulässig ist. Ob die Anlage die wasserrechtlichen Anforderungen erfüllt, kann derzeit nicht sicher beurteilt werden. Der Beklagte hat darauf hingewiesen, dass das Landesverwaltungsamt im Widerspruchsverfahren Bedenken gegen die wasserrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens geäußert hat. Die Fragen der wasserrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens und der maßgeblichen Überwachungswerte werden im Widerspruchsverfahren überprüft. Soweit – dem Antrag der Klägerin entsprechend - Überwachungswerte festgelegt werden, ist nicht sicher, ob diese Werte im Betrieb der Anlage eingehalten werden, zumal die Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis abgesehen von den (zwingenden) Versagungsgründen des § 12 Abs. 1 WHG gemäß § 12 Abs. 2 WHG im Bewirtschaftungsermessen der Wasserbehörde steht. Insgesamt kann das Ergebnis der noch ausstehenden wasserrechtlichen Überprüfung im immissionsschutzrechtlichen Verfahren nicht vorweggenommen werden. Die Immissionsschutzbehörde ist ohne die Klärung wasserrechtlicher Zweifelsfragen nicht verpflichtet, eine vorbehalt- und bedingungslose immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu erteilen. Auch die zur Klärung der wasserrechtlichen Fragen gebotene Sachverhaltsaufklärung muss dem Verfahren auf Erteilung der – beantragten – wasserrechtlichen Erlaubnis vorbehalten blieben.
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Die Klage ist aber mit ihrem (ersten) Hilfsantrag, den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin die unter dem 09.11.2012 beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung unter der aufschiebenden Bedingung zu erteilen, dass von der erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis Gebrauch gemacht werden kann, begründet. Die Klägerin hat gemäß § 6 Abs. 1 BImSchG einen Anspruch auf Erteilung der beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung unter der aufschiebenden Bedingung, dass von der erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis Gebrauch gemacht werden kann.
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Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 BImSchG sind mit Ausnahme der Vereinbarkeit der Anlage mit wasserrechtlichen Vorschriften erfüllt. Die offenen wasserrechtlichen Fragen stehen der Erteilung der beantragten Genehmigung unter der im Klageantrag formulierten Bedingung nicht entgegen. Die Klägerin hat auch einen Anspruch darauf, dass der Beklagte die Genehmigung unter dieser Bedingung erteilt.
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Von der Anlage gehen keine schädlichen Umwelteinwirkungen (§ 3 Abs. 1 BImSchG) durch Geräusche aus. Der gesetzliche Maßstab für die Schädlichkeit von Geräuschen ist in der TA Lärm mit Bindungswirkung für das gerichtliche Verfahren jedenfalls insoweit abschließend konkretisiert, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt (OVG LSA, Urteil vom 24. März 2015 – 2 L 184/10 –, juris). Die nach der TA Lärm maßgeblichen Immissionsrichtwerte werden von der Anlage nicht überschritten. Der Anlagenbetrieb ist auf montags bis freitags von 7:00 Uhr bis 17:00 Uhr begrenzt, so dass sich die Beurteilung von Lärm auf die Zeiten tagsüber mit geringeren Anforderungen beschränkt. Zudem liegt der Betrieb ca. 250 m bis 300 m von der nächsten Wohnbebauung entfernt. Die Klägerin hat in den Antragsunterlagen dargelegt, dass unter Berücksichtigung dieser Entfernung und aufgrund der Umwallung des Betriebsstandortes ausreichender Schallschutz vorhanden ist. In der im Laufe des gerichtlichen Verfahrens nachgereichten gutachterlichen Stellungnahme des Sachverständigen Dr. M. vom 12.05.2015 wird in plausibler Weise erläutert, dass die maßgeblichen Immissionsrichtwerte der TA Lärm durch den Anlagenbetrieb klar eingehalten werden. Auch die Verkehrsgeräusche erfüllen, wie der Sachverständige Dr. M. in seiner Stellungnahme nachvollziehbar darlegt, die Anforderungen der TA Lärm. Der Beklagte geht in dem Vermerk vom 03.01.2013 ebenfalls davon aus, dass angesichts der Betriebszeiten, der vorhandenen Lärmschutzeinrichtungen und des Abstands zur Wohnbebauung keine Überschreitung der Richtwerte nach der TA Lärm zu erwarten ist.
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Die von der Anlage ausgehenden Geruchsimmissionen stellen keine erheblichen Belästigungen i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG dar. Zur Beurteilung der Frage, ob Geruchsbelästigungen für die Nachbarschaft zumutbar sind, bietet die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) in der Fassung der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) vom 29.02.2008 mit einer Ergänzung vom 10.09.2008 eine sachgerechte Entscheidungshilfe. Die Anwendung der GIRL gewährleistet eine – hinreichend verlässliche – Prognose und Bewertung von Geruchsbelästigungen. Die GIRL wird allgemein als antizipiertes generelles Sachverständigengutachten angesehen, welches auf fachwissenschaftlichen Untersuchungen beruht und allgemeine Erfahrungssätze auflistet, die in vielfältigen Verfahren erprobt, zur Diskussion gestellt und ergänzt worden sind (OVG LSA, Urteil vom 24.03.2015 – 2 L 184/10 -, juris). Die von der Klägerin vorgelegte Stellungnahme des TÜV Nord zu Geruchsimmissionen vom 07.05.2013 kommt zu dem Ergebnis, dass im nächstgelegenen Bereich der Bebauung mit Immissionshäufigkeiten von 8 % der Jahresstunden zu rechnen sei. Die Geruchsanteile liegen damit unterhalb der Immissionswerte der GIRL. Zweifel an der Richtigkeit der in dem Gutachten getroffenen Feststellungen sind nicht ersichtlich. Auch der Beklagte geht im Vermerk vom 10.06.2013 davon aus, „dass das Geruchsgutachten plausibel ist“.
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Von der Anlage gehen auch keine schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Keimimmissionen aus, die der Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung entgegenstehen könnten. Die in § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG statuierte immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht dient der Abwehr erkannter Gefahren und der Vorbeugung gegenüber künftigen Schäden, die durch solche Gefahren hervorgerufen werden können. An einer Gefahr in diesem Sinn fehlt es bei Ungewissheit über einen Schadenseintritt. Potentiell schädliche Umwelteinwirkungen, ein nur möglicher Zusammenhang zwischen Emissionen und Schadenseintritt oder ein generelles Besorgnispotential reichen nicht aus, um den Gefahrenbegriff zu erfüllen; dasselbe gilt in den Fällen, in denen für potentiell gesundheitsgefährdende Stoffe keine Wirkungsschwelle bestimmt werden kann, jenseits derer Gesundheitsrisiken nicht bestehen. Ob bei ungewissem Kausalzusammenhang eine Gefahr oder ein Besorgnispotential anzunehmen ist, hängt vom Erkenntnisstand über den Wahrscheinlichkeitsgrad des Schadenseintritts ab. Messbare Größen für Keime oder überhaupt Erkenntnisse darüber, ab welcher Keimzahl generell oder für bestimmte Erreger von einer Schädlichkeit ausgegangen werden muss, also einen Immissionsgrenzwert, gibt es nicht (BayVGH, Urteil vom 24.03.2011 – 22 B 10.2316 -, juris).
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Vor diesem Hintergrund ist eine mit immissionsschutzrechtlichen Vorschriften unvereinbare Keimbelastung nicht feststellbar. In der Stellungnahme des Sachverständigen Dr. Millat vom 12.05.2015 wird ausgeführt, dass aufgrund der beantragten Änderung der Anlage keine signifikant erhöhten Keimemissionen erwartet werden können. Entfernungsbedingt und wegen der Verdünnung in der Transmission werde es daher auch nicht zu Keimimmissionen kommen, die zu Werten führen, die über der Hintergrundbelastung lägen. Dies wird im Einzelnen damit begründet, dass die Verarbeitung des angelieferten Mülls genehmigungskonform am selben Tag erfolgen muss. Bei der vorliegenden Verdichtung des Abfalls und gasdichter Folienumwicklung sei der Sauerstoff im Balleninneren innerhalb weniger Stunden verbraucht, so dass aerobe Prozesse zum Erliegen kämen. Wegen der Folienummantelung komme es zu keinem Abtransport gasförmiger Stoffwechselprodukte. Der suboptimale pH-Wert, das Fehlen eines systematischen Temperaturanstiegs sowie der Umstand, dass kein erheblicher Masse- oder Heizwertverlust eintrete, sprächen für eine stark eingeschränkte biologische Aktivität. Zweifel an der Richtigkeit und Plausibilität dieser Erwägungen sind nicht gegeben. Der Umstand, dass es zu Schäden an den Ballen gekommen ist, welche die Beigeladene durch entsprechende Fotos belegt hat, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass der Anteil beschädigter Ballen bei unter fünf Prozent liege und Schadstellen entsprechend der Betriebsanleitung sofort repariert würden. Dies hat auch der Beklagte bestätigt. Anhaltspunkte dafür, dass die Möglichkeit von Beschädigungen in der Stellungnahme des Sachverständigen nicht berücksichtigt worden sind, wurden nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
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Gibt es keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, die für Keimgefährdungen sprechen, besteht auch keine Pflicht des Staates zur Vorsorge gegen rein hypothetische Gefährdungen. Die bau- oder immissionsschutzrechtliche Genehmigungspraxis der Verwaltungsbehörden kann nur dann rechtlich beanstandet werden, wenn erkennbar wird, dass die menschliche Gesundheit dabei völlig unzureichend geschützt wird. Bei komplexen Gefährdungslagen, über die noch keine verlässlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, kommt den staatlichen Einrichtungen ein angemessener Erfahrungs- und Anpassungsspielraum zu. In einer solchen Situation der Ungewissheit verlangt die staatliche Schutzpflicht von den Gerichten weder, ungesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen mit Hilfe des Prozessrechts zur Durchsetzung zu verhelfen, noch, die Vorsorgeentscheidung des Staates unter Kontrolle zu halten und die Schutzeignung von Abständen und Grenzwerten jeweils nach dem aktuellen Stand der Forschung zu beurteilen. Es ist vielmehr Sache der staatlichen Gremien, den Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft mit geeigneten Mitteln nach allen Seiten zu beobachten und zu bewerten, um gegebenenfalls weitergehende Schutzmaßnahmen zu ergreifen (OVG LSA, Urteil vom 06.02.2004 – 2 L 5/00 –, juris [Rdnr. 54])
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Das Vorhaben der Klägerin steht auch mit baurechtlichen Vorschriften in Einklang. Das Vorhaben ist im Außenbereich gemäß §§ 29, 35 BauGB bauplanungsrechtlich zulässig.
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Die Kammer lässt offen, ob es sich bei dem Vorhaben der Klägerin um ein nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiertes Vorhaben handelt. Zu den Vorhaben, die nach dieser Vorschrift wegen ihrer nachteiligen Wirkung auf die Umgebung nur im Außenbereich ausgeführt werden sollen, zählen insbesondere Vorhaben, die wegen der von ihnen ausgehenden Emissionen oder wegen besonderer Gefahren nicht im Innenbereich untergebracht werden sollen. Jedoch soll nicht jedes Vorhaben, das zur Umgebung eine der gesetzlich näher umschriebenen Beziehungen aufweist, allein aus diesem Grunde im Außenbereich privilegiert ausgeführt werden dürfen. Im Tatbestandsmerkmal des Sollens ist vielmehr eine Wertung enthalten. Unabhängig davon, ob der Antragsteller auch auf einen Standort im Innenbereich verwiesen werden könnte, ist zu prüfen, ob das Vorhaben überhaupt im Außenbereich zugelassen werden soll. Mit diesem wertenden Merkmal wird ein Bezug zu der dem Außenbereich vornehmlich zukommenden Funktion, nämlich der Land- und Forstwirtschaft sowie der Erholung für die Allgemeinheit zur Verfügung zu stehen, hergestellt. Vorhaben, die zwar wegen ihrer besonderen Anforderungen an die Umgebung eine spezifische Außenbereichspräferenz aufweisen, aber wegen einer Vielzahl entsprechender Bauwünsche, die bei einer Privilegierung an beliebiger Stelle im Außenbereich grundsätzlich realisierbar wären, zu einer nicht nur vereinzelten Bebauung im Außenbereich führen könnten, sollen nicht ohne förmliche Bauleitplanung im Außenbereich ausgeführt werden (BVerwG, Urteil vom 16.06.1994 – 4 C 20.93 -, BVerwGE 96, 95).
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Vor diesem Hintergrund haben etwa das Verwaltungsgericht Halle mit Urteil vom 22.11.2012 (– 4 A 80/11 –, juris) und das Sächsische Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 18.06.2003 (– 4 B 128/01 -, NVwZ 2004, 1138) eine Abfallbehandlungsanlage bzw. eine Bauschuttrecyclinganlage als nicht privilegiert angesehen, weil die Anlagen gewerbe- bzw. industrietypisch und dem vormals landwirtschaftlich genutzten Standort wesensfremd seien. Ob diese Erwägungen auf den vorliegenden Fall übertragbar sind, ist jedoch fraglich, weil es sich bei der von der Anlage der Klägerin in Anspruch genommenen Fläche nicht um einen zuvor landwirtschaftlich, sondern bereits für die Lagerung und Behandlung von Abfall genutzten Bereich handelt. Im Übrigen lässt sich nicht ohne weitere Sachaufklärung beurteilen, ob eines der Gewerbegebiete der Beigeladenen für das Vorhaben der Klägerin geeignet wäre.
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Die Frage, ob es sich um ein privilegiertes Vorhaben handelt, kann letztlich dahinstehen, weil das Vorhaben bauplanungsrechtlich jedenfalls als sonstiges Vorhaben gemäß § 35 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB zulässig ist.
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Dem Vorhaben der Klägerin kann nicht entgegengehalten werden, dass es den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt, weil es sich bei dem Vorhaben um die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebes handelt und die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist (§ 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB).
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Die beantragte wesentliche Änderung der Anlage betrifft die „Erweiterung“ eines zulässigerweise errichteten Gewerbebetriebes. Sie beinhaltet eine Erhöhung von Jahresdurchsatzkapazitäten von Abfall- und Ballenmenge sowie eine Erweiterung des Zwischenlagers für ballierte Abfälle. Es handelt sich um eine Kapazitätserweiterung mit einer Erhöhung des Volumens der Lagerfläche, die in engem baulichen Zusammenhang mit den bestehenden Betriebsanlagen steht.
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Die Erweiterung ist auch im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen. Die Vorschrift stellt einen zweifachen Bezug sowohl zu dem vorhandenen Gebäude als auch zu dem vorhandenen Betrieb her. Damit ist in Bezug auf die Erweiterung des baulichen Bestandes wie auch auf die dadurch ermöglichte Erweiterung des Betriebsumfangs eine Verhältnismäßigkeitsbeurteilung anzustellen (BVerwG, Urteil vom 16.12.1993 – 4 C 19/92 –, NVwZ-RR 1994, 371).
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Die geplante Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude angemessen. Diese Frage lässt sich zwar nicht schematisch nach einem bestimmten fixen Prozentsatz beurteilen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.12.1993, a. a. O.), jedoch wird die Grenze der angemessenen Erweiterung in Rechtsprechung und Literatur – je nach den Umständen des Einzelfalls – in dem Bereich einer Flächen- oder Bauvolumenzunahme von 20 % bis 25 % (vgl. OVG Rheinl.-Pf., Urteil vom 22.05.2002 – 1 A 11346/01 -, juris), teilweise aber auch bis etwa 25 % bis 50 % gezogen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 12.09.2006 – 1 ZB 05.2076 –, juris). Die hier fragliche Betriebserweiterung ist mit keiner größeren baulichen Veränderung verbunden. Sie macht im vorliegenden Fall weniger als 10 % der vorhandenen Grundfläche aus.
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Die Erweiterung ist auch im Verhältnis zum vorhandenen Betrieb angemessen. Der Maßstab der Angemessenheit einer Erweiterung ist auf städtebaulich relevante Bewertungsmerkmale zu beziehen (BVerwG, Urteil vom 16.12.1993, a. a. O.). Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass die Erweiterung nicht erst dann unangemessen sei, wenn aus einem Handwerksbetrieb ein industrieller Betrieb werde. Auch sei eine Erweiterung nicht stets dann angemessen, wenn die Zahl der Arbeitsplätze nicht erhöht werde (BVerwG, Urteil vom 16.12.1993 - 4 C 19/92 –, a, a. O.). Für die Beurteilung der Angemessenheit kommt es entgegen der Auffassung der Beigeladenen auch nicht darauf an, ob die Durchsatzkapazität erheblich - die Ballierungsmenge sogar um 400 % - erhöht wird. Angemessen ist die Erweiterung in Bezug auf den Betrieb, wenn sie dem bisherigen Gewerbebetrieb funktionell entspricht (Dürr, in: Brügelmann, BauGB, § 35 Rdnr. 166). Daher ist gerade dann von einer angemessenen Erweiterung auszugehen, wenn lediglich eine Ausweitung des bisherigen Produktionsumfangs erfolgt, also nur die Produktionskapazität vergrößert wird (Dürr, in: Brügelmann, a. a. O.).
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Die Angemessenheit scheitert auch nicht daran, dass es sich um unzulässige Mehrfacherweiterungen handelt. Es kann dahinstehen, ob die Erweiterungen in der Vergangenheit überhaupt auf der Grundlage des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB erfolgt sind. Hinsichtlich der Erweiterungen in den Jahren 2001 und 2003 ist schon wegen des Zeitablaufs nicht von einer unangemessenen Mehrfacherweiterung auszugehen (vgl. hierzu VG München, Urteil vom 21.01.1997 – M 1 K 95.4131 -, juris). Im Übrigen handelt es sich bei dem vorliegenden Vorhaben um eine so geringe bauliche Vergrößerung, dass für eine missbräuchliche Inanspruchnahme des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB keine Anhaltspunkte bestehen.
- 49
Die von der Klägerin beabsichtigte Erweiterung betrifft keine wesentlichen funktionellen Änderungen. Die Vergrößerung der Jahresdurchsatzkapazitäten von Abfall- und Ballierungsmengen entspricht einer Ausweitung des Produktionsumfangs. Eine wesentliche Änderung des Betriebsablaufs und des Betriebscharakters findet nicht statt. Auch die von der Maßnahme ausgehenden städtebaulichen Auswirkungen sind gering. Das gilt auch für die Erhöhung des An- und Ablieferverkehrs, die – wie oben ausgeführt – mit keinen für die Nachbarschaft unzumutbaren Belastungen verbunden ist.
- 50
Eine Beeinträchtigung der öffentlichen Belange des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB (schädliche Umwelteinwirkungen) und Nr. 6 (Beeinträchtigung der Verbesserung der Agrarstruktur, Gefährdung des Hochwasserschutzes und der Wasserwirtschaft) kommt – wie oben ausgeführt – nur hinsichtlich möglicher Gewässerbelastungen in Betracht. Diese steht jedoch der Erteilung der beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht entgegen, soweit diese - gemäß dem Hilfsantrag - unter der aufschiebenden Bedingung erteilt wird, dass von der erteilten wasserrechtlichen Genehmigung Gebrauch gemacht werden kann.
- 51
Für die Gefahr von Wasserverunreinigungen, die nicht an einen erlaubnispflichtigen Benutzungstatbestand nach § 8 Abs. 1 WHG anknüpfen, ist nichts ersichtlich.
- 52
Wie bereits ausgeführt, ist allerdings die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ausgeschlossen, soweit eine gebotene wasserrechtliche Erlaubnis nicht erteilt werden kann, weil der wasserrechtlichen Erlaubnis unüberwindliche Hindernisse entgegenstehen. Unterhalb dieser Schwelle hat die Behörde – wie ebenfalls ausgeführt - ein Verfahrensermessen, ob sie die immissionsschutzrechtliche Genehmigung unter Nebenbestimmungen erteilt, die die Einhaltung wasserrechtlicher Vorschriften sichern und den Betrieb vom Bestand einer wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung abhängig machen.
- 53
Dem Vorhaben stehen keine unüberwindlichen wasserrechtlichen Hindernisse entgegen. Zudem ist nach Auffassung der Kammer das dem Beklagten in dieser Situation zustehende Ermessen in der Weise eingeschränkt, dass eine (weitere) Versagung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ausscheidet und der Beklagte jedenfalls verpflichtet ist, die Genehmigung unter der im Hilfsantrag formulierten Bedingung zu erteilen.
- 54
Wasserrechtlich durchgreifende Bedenken, aus denen sich unüberwindbar die Unzulässigkeit des Vorhabens ableiten könnte, sind nicht ersichtlich. Dagegen spricht schon, dass der Beklagte der Klägerin unter dem 16.10.2014 eine wasserrechtliche Erlaubnis für die Ableitung von vorbehandeltem Niederschlagswasser in den M. Dorfgraben erteilt hat. Auch wenn die Erlaubnis keine Überwachungswerte enthielt, ist aus der Erteilung der Erlaubnis abzuleiten, dass die Wasserbehörde von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Einleitung von Niederschlagswasser und der Einhaltung der hierfür maßgeblichen wasserrechtlichen Kriterien ausgegangen ist. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die untere Wasserbehörde, die die Genehmigung erteilt hat, als zuständige Fachbehörde in besonderem Maße in der Lage ist, die Vereinbarkeit von Einleitungen in ein Gewässer mit wasserrechtlichen Vorschriften zu prüfen.
- 55
Auch sonst ist nicht ersichtlich, woran die wasserrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens der Klägerin unüberwindbar scheitern könnte. Die in der mündlichen Verhandlung vom Vertreter des Beklagten wiedergegebenen Bedenken des Landesverwaltungsamts als Widerspruchsbehörde sind jedenfalls nicht so gravierend, dass die wasserrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens von vornherein nicht als gegeben erscheint. Die Gefahr der Gewässerbelastung durch auf dem Betriebsgelände gelagertes kontaminiertes Holz betrifft nicht das vorliegende Vorhaben. Die beantragte Änderungsgenehmigung umfasst die Erhöhung der Jahresdurchsatzkapazität der Ballierungsmenge, der Abfallbehandlungsanlage für Haus- und Gewerbemüll sowie die Erweiterung des Zwischenlagers für ballierte Abfälle. Die fragliche Genehmigung würde keine Lagerung von kontaminiertem Holz, sondern nur von Ballen mit Hausmüll betreffen. Es ist jedenfalls nicht offensichtlich, dass die von den gelagerten Ballen ausgehende Belastung des Niederschlagswassers so schwerwiegend ist, dass Schadstoffe in unzulässiger Menge in den M. Dorfgrabgen eingeleitet würden. Zudem hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit besteht, der Gewässerbelastung durch kontaminiertes Holz durch eine Überdachung oder organisatorische Maßnahmen zu begegnen.
- 56
Der Beklagte kann das ihm eröffnete Ermessen, eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung unter einer Nebenbestimmung zu erteilen, die die Einhaltung wasserrechtlicher Vorschriften sichert, nicht mehr in der Weise rechtmäßig ausüben, dass keine Genehmigung erteilt wird.
- 57
Der Beklagte handelt ermessensfehlerhaft, wenn er die Erteilung einer Genehmigung mit der Begründung versagt, dass die wasserrechtlichen Fragen noch nicht abschließend geklärt sind. Wie bereits ausgeführt, ist der Beklagte gemäß § 10 Abs. 5 Satz 2 BImSchG zur vollständigen Koordinierung der Zulassungsverfahren sowie der Inhalts- und Nebenbestimmungen verpflichtet. Auch im Rahmen der Koordination der Genehmigungsverfahren hat er die gesetzlichen Genehmigungsfristen – hier des § 16 Abs. 3 BImSchG – zu beachten. Ist die gesetzliche Genehmigungsfrist überschritten, besteht grundsätzlich kein Spielraum mehr, die Genehmigung im Hinblick auf noch bestehenden Koordinierungsbedarf zu verweigern. Das Ermessen kann nach Fristablauf grundsätzlich nur noch in einer Weise ausgeübt werden, die eine möglichst schnelle Entscheidung im immissionsschutzrechtlichen Verfahren ermöglicht (vgl. Jarass, NVwZ 2009, 69). Das gilt jedenfalls dann, wenn auch bei der anderen Genehmigungsbehörde ein hinreichender Zeitraum zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen zur Verfügung stand.
- 58
Vor diesem Hintergrund ist nichts ersichtlich, was der Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung mit Nebenbestimmungen, durch die die Einhaltung der wasserrechtlichen Anforderungen sichergestellt ist, entgegenstehen könnte. Die wasserrechtliche Genehmigung wurde bereits vor neun Monaten erteilt. Es kann also dahinstehen, ob bereits die von der unteren Wasserbehörde des Beklagten durchgeführte Prüfung in angemessener Zeit durchgeführt wurde. Denn auch die Prüfung des Widerspruchs hätte ohne weiteres abgeschlossen sein können. Ob im Einzelfall trotz Überschreitung der (immissionsschutzrechtlichen) Genehmigungsfrist die Erteilung der Genehmigung verzögert werden kann, wenn die Entscheidung über die Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis oder über den Widerspruch unmittelbar bevorsteht, kann dahinstehen. Für das Vorliegen einer solchen Konstellation ist nichts ersichtlich. Seit der Ankündigung des Beklagten im wasserrechtlichen Verfahren, dass mit einer Entscheidung des Landesverwaltungsamts über den Widerspruch bis Ende März 2015 zu rechnen sei, sind wiederum mehrere Monate vergangen. Ein neuer konkreter Termin wurde nicht genannt.
- 59
Die im Hilfsantrag formulierte Bedingung schließt Gefährdungen für Gewässer in hinreichendem Maße aus. Danach ist die immissionsschutzrechtliche Genehmigung nur unter der aufschiebenden Bedingung zu erteilen, dass von der wasserrechtlichen Genehmigung Gebrauch gemacht werden kann. Damit liegt es in der Entscheidungsbefugnis der Wasserbehörden, ob die Anlage betrieben werden kann. Sie können also sicherstellen, dass Gefährdungen von Gewässern durch den Anlagenbetrieb ausgeschlossen werden.
- 60
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil die Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich somit auch selbst keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat. Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht hat die Bedeutung der Sache für die Klägerin in Orientierung an Ziff. 19.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit geschätzt.
- 61
Die Berufung wird gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, weil die Rechtssache im Hinblick auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung bei ungeklärten Fragen im parallelen wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren zu erteilen ist, grundsätzliche Bedeutung hat.
(1) Benutzungen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
das Entnehmen und Ableiten von Wasser aus oberirdischen Gewässern, - 2.
das Aufstauen und Absenken von oberirdischen Gewässern, - 3.
das Entnehmen fester Stoffe aus oberirdischen Gewässern, soweit sich dies auf die Gewässereigenschaften auswirkt, - 4.
das Einbringen und Einleiten von Stoffen in Gewässer, - 5.
das Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser.
(2) Soweit nicht bereits eine Benutzung nach Absatz 1 vorliegt, gelten als Benutzungen auch
- 1.
das Aufstauen, Absenken und Umleiten von Grundwasser durch Anlagen, die hierfür bestimmt oder geeignet sind, - 2.
Maßnahmen, die geeignet sind, dauernd oder in einem nicht nur unerheblichen Ausmaß nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit herbeizuführen, - 3.
das Aufbrechen von Gesteinen unter hydraulischem Druck zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas, Erdöl oder Erdwärme, einschließlich der zugehörigen Tiefbohrungen, - 4.
die untertägige Ablagerung von Lagerstättenwasser, das bei Maßnahmen nach Nummer 3 oder anderen Maßnahmen zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas oder Erdöl anfällt.
(3) Keine Benutzungen sind Maßnahmen, die dem Ausbau eines Gewässers im Sinne des § 67 Absatz 2 dienen. Das Gleiche gilt für Maßnahmen der Unterhaltung eines Gewässers, soweit hierbei keine chemischen Mittel verwendet werden.
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
Im Sinne dieses Gesetzes
- 1.
sind Düngemittel Stoffe, ausgenommen Kohlendioxid und Wasser, die dazu bestimmt sind, - a)
Nutzpflanzen Nährstoffe zuzuführen, um ihr Wachstum zu fördern, ihren Ertrag zu erhöhen oder ihre Qualität zu verbessern, oder - b)
die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten oder zu verbessern;
- 2.
sind Wirtschaftsdünger: Düngemittel, die - a)
als tierische Ausscheidungen - aa)
bei der Haltung von Tieren zur Erzeugung von Lebensmitteln oder - bb)
bei der sonstigen Haltung von Tieren in der Landwirtschaft oder
- b)
als pflanzliche Stoffe im Rahmen der pflanzlichen Erzeugung oder in der Landwirtschaft,
- 3.
ist Festmist: Wirtschaftsdünger aus tierischen Ausscheidungen, auch mit Einstreu, insbesondere Stroh, Sägemehl, Torf oder anderes pflanzliches Material, das im Rahmen der Tierhaltung zugefügt worden ist, oder mit Futterresten vermischt, dessen Trockensubstanzgehalt 15 vom Hundert übersteigt; - 4.
ist Gülle: Wirtschaftsdünger aus allen tierischen Ausscheidungen, auch mit geringen Mengen Einstreu oder Futterresten oder Zugabe von Wasser, dessen Trockensubstanzgehalt 15 vom Hundert nicht übersteigt; - 5.
ist Jauche: Wirtschaftsdünger aus tierischen Ausscheidungen, bei dem es sich um ein Gemisch aus Harn und ausgeschwemmten feinen Bestandteilen des Kotes oder der Einstreu sowie von Wasser handelt; Jauche kann in geringem Umfang Futterreste sowie Reinigungs- und Niederschlagswasser enthalten; - 6.
sind Bodenhilfsstoffe: Stoffe ohne wesentlichen Nährstoffgehalt sowie Mikroorganismen, die dazu bestimmt sind, - a)
die biologischen, chemischen oder physikalischen Eigenschaften des Bodens zu beeinflussen, um die Wachstumsbedingungen für Nutzpflanzen zu verbessern oder - b)
die symbiotische Bindung von Stickstoff zu fördern;
- 7.
sind Pflanzenhilfsmittel: Stoffe ohne wesentlichen Nährstoffgehalt, die dazu bestimmt sind, auf Pflanzen biologisch oder chemisch einzuwirken, um einen pflanzenbaulichen, produktionstechnischen oder anwendungstechnischen Nutzen zu erzielen, soweit sie nicht Pflanzenstärkungsmittel im Sinne des § 2 Nummer 10 des Pflanzenschutzgesetzes sind; - 8.
sind Kultursubstrate: Stoffe, die dazu bestimmt sind, Nutzpflanzen als Wurzelraum zu dienen und die dazu in Böden eingebracht, auf Böden aufgebracht oder in bodenunabhängigen Anwendungen genutzt werden; - 9.
ist Herstellen: das Gewinnen, Behandeln, Verarbeiten, Mischen oder sonstige Aufbereiten von Stoffen nach den Nummern 1 und 6 bis 8; - 10.
ist Inverkehrbringen: das Anbieten, Vorrätighalten zur Abgabe, Feilhalten und jedes Abgeben von Stoffen nach Satz 1 Nr. 1 und 6 bis 8 an andere; - 11.
ist gewerbsmäßig: Tätigkeit im Rahmen eines Gewerbes oder sonst zu Erwerbszwecken.
(1) Stoffe nach § 2 Nr. 1 und 6 bis 8 dürfen nur angewandt werden, soweit sie
- 1.
einem durch einen unmittelbar geltenden Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union über den Verkehr mit oder die Anwendung von Düngemitteln zugelassenen Typ oder - 2.
den Anforderungen für das Inverkehrbringen nach einer Rechtsverordnung auf Grund des § 5 Abs. 2 oder 5
- 1.
in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, der Türkei oder einem Staat, der zugleich Vertragspartei des Abkommens über die Gründung der Europäischen Freihandelsassoziation und des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, rechtmäßig hergestellt oder rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden sind und - 2.
den Anforderungen zum Schutz vor Gefahren für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder den Naturhaushalt gleichermaßen wie inländische Stoffe genügen.
(2) Nach Maßgabe einer Rechtsverordnung auf Grund des Absatzes 4 auch in Verbindung mit Absatz 5 dürfen Stoffe nach § 2 Nummer 1 und 6 bis 8 vorbehaltlich des Absatzes 3 nur nach guter fachlicher Praxis angewandt werden. Düngung nach guter fachlicher Praxis dient der Versorgung der Pflanzen mit notwendigen Nährstoffen sowie der Erhaltung und Förderung der Bodenfruchtbarkeit, um insbesondere die Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen Erzeugnissen zu sichern. Zur guten fachlichen Praxis gehört, dass Art, Menge und Zeitpunkt der Anwendung am Bedarf der Pflanzen und des Bodens ausgerichtet werden.
(3) Nach Maßgabe einer Rechtsverordnung auf Grund des Absatzes 4 auch in Verbindung mit Absatz 5 dürfen Stoffe nach § 2 Nummer 1 und 6 bis 8 unbeschadet des Absatzes 2 nur so angewandt werden, dass durch die Anwendung die Gesundheit von Menschen und Tieren nicht geschädigt und der Naturhaushalt nicht gefährdet werden.
(4) Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (Bundesministerium) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anwendung von Stoffen nach § 2 Nummer 1 und 6 bis 8 näher zu bestimmen. In Rechtsverordnungen nach Satz 1 können insbesondere
- 1.
die Anforderungen der guten fachlichen Praxis im Sinne des Absatzes 2 näher bestimmt werden, - 2.
Vorschriften zur Sicherung der Bodenfruchtbarkeit erlassen werden, - 3.
bestimmte Anwendungen verboten oder beschränkt werden.
(5) In Rechtsverordnungen nach Absatz 4 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 Nummer 3 können auch Vorschriften zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung, insbesondere durch Nitrat, erlassen werden insbesondere über
- 1.
Zeiträume, in denen das Aufbringen bestimmter Stoffe nach § 2 Nummer 1 und 6 bis 8 auf landwirtschaftlichen Flächen verboten ist, - 2.
flächen- oder betriebsbezogene Obergrenzen für das Aufbringen von Nährstoffen aus Stoffen nach § 2 Nummer 1 und 6 bis 8, - 3.
das Aufbringen von Stoffen nach § 2 Nummer 1 und 6 bis 8 auf stark geneigten landwirtschaftlichen Flächen, - 4.
das Aufbringen von Stoffen nach § 2 Nummer 1 und 6 bis 8 auf wassergesättigten, überschwemmten, gefrorenen oder schneebedeckten Böden, - 5.
die Bedingungen für das Aufbringen von Stoffen nach § 2 Nummer 1 und 6 bis 8 auf landwirtschaftlichen Flächen in der Nähe von Wasserläufen, - 6.
die Berücksichtigung von beim Weidegang anfallenden sowie durch andere Maßnahmen als der Düngung zugeführten Nährstoffen, - 7.
die Aufzeichnungen der Anwendung von Stoffen nach § 2 Nummer 1 und 6 bis 8 sowie die Vorlage-, Melde- und Mitteilungspflichten der Anwender, - 8.
die Technik und die Verfahren zum Aufbringen von Stoffen nach § 2 Nummer 1 und 6 bis 8, - 9.
die Lagerkapazität für Wirtschaftsdünger und Düngemittel, bei denen es sich um Gärrückstände aus dem Betrieb einer Biogasanlage handelt, - 10.
Anordnungen der zuständigen Behörden, die zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung, insbesondere zur Einhaltung der nach den Nummern 1 bis 9 erlassenen Vorschriften erforderlich sind.
(6) Rechtsverordnungen
- 1.
nach Absatz 4 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 Nummer 1 und 2 oder - 2.
nach Absatz 4 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 Nummer 3, soweit Vorschriften zum Schutz der Gewässer im Sinne des Absatzes 5 erlassen werden,
(7) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu Forschungs- oder Versuchszwecken eine von den Absätzen 1 und 2 abweichende Regelung zu treffen, soweit hierfür ein berechtigtes Interesse besteht und Gesundheitsschäden bei Menschen und Tieren oder Gefährdungen des Naturhaushalts nicht zu befürchten sind.
(1) Der Stickstoffdüngebedarf ist im Falle von Ackerland als standortbezogene Obergrenze auf der Grundlage der nachfolgenden Bestimmungen und der Anlage 4 Tabelle 1 bis 7 zu ermitteln. Bei der Ermittlung sind die folgenden Einflüsse auf den zu ermittelnden Bedarf heranzuziehen:
- 1.
die Stickstoffbedarfswerte nach Anlage 4 Tabelle 2 für die dort genannten Ackerkulturen; dabei sind die Stickstoffbedarfswerte nach Maßgabe der Anlage 4 Tabelle 3 anzupassen, wenn das tatsächliche Ertragsniveau der angebauten Kulturen im Durchschnitt der letzten fünf Jahre von dem Ertragsniveau nach Anlage 4 Tabelle 2 abweicht, - 2.
die Stickstoffbedarfswerte nach Anlage 4 Tabelle 4 für die dort genannten Gemüsekulturen; dabei sind die Stickstoffbedarfswerte nach Maßgabe der Anlage 4 Tabelle 5 anzupassen, wenn das tatsächliche Ertragsniveau der angebauten Kulturen im Durchschnitt der letzten fünf Jahre von dem Ertragsniveau nach Anlage 4 Tabelle 4 abweicht; wenn Kulturen zur Ernteverfrühung mit Folie oder Vlies abgedeckt werden, sind Zuschläge zu den Stickstoffbedarfswerten von höchstens 20 Kilogramm Stickstoff je Hektar zulässig; wenn auf nach § 3 Absatz 2 Satz 3 zusammengefassten Flächen verschiedene Kulturen angebaut werden, kann ein durchschnittlicher Stickstoffbedarfswert gebildet werden oder die Ermittlung für drei Gemüsekulturen mit unterschiedlichen Stickstoffbedarfswerten erfolgen, - 3.
die nach Absatz 4 ermittelte im Boden verfügbare Stickstoffmenge, - 4.
die während des Wachstums des jeweiligen Pflanzenbestandes als Ergebnis der Standortbedingungen, insbesondere des Klimas, der Bodenart und des Bodentyps zusätzlich pflanzenverfügbar werdenden Stickstoffmenge aus dem Bodenvorrat nach Anlage 4 Tabelle 6, - 5.
die Nachlieferung von Stickstoff aus der Anwendung von organischen oder organisch-mineralischen Düngemitteln zu den Vorkulturen des Vorjahres in Form eines Abschlags in Höhe von zehn vom Hundert der mit diesen Düngemitteln aufgebrachten Menge an Gesamtstickstoff, im Falle der Aufbringung von Kompost nach § 6 Absatz 4 Satz 2 für die drei Folgejahre in Form eines jährlichen Abschlags in Höhe von vier vom Hundert im ersten Folgejahr und danach in Höhe von jeweils drei vom Hundert der mit dem Kompost aufgebrachten Menge an Gesamtstickstoff, - 6.
die Nachlieferung von Stickstoff aus Vor- und Zwischenfrüchten während des Wachstums des jeweiligen Pflanzenbestandes nach Anlage 4 Tabelle 7 bei Acker- und Gemüsekulturen oder aus der Vorkultur im gleichen Jahr nach Anlage 4 Tabelle 4 Spalte 5 bei Gemüsekulturen, - 7.
die Menge an verfügbarem Stickstoff, die nach § 6 Absatz 9 Satz 1 Nummer 1 zu Winterraps oder Wintergerste ab dem Zeitpunkt, ab dem die Ernte der letzten Hauptfrucht abgeschlossen ist, bis zum Ablauf des 1. Oktober aufgebracht worden ist.
(2) Der Stickstoffdüngebedarf ist im Falle von Grünland, Dauergrünland und mehrschnittigem Feldfutterbau als standortbezogene Obergrenze auf der Grundlage der nachfolgenden Bestimmungen und der Anlage 4 Tabelle 8 bis 12 zu ermitteln. Bei der Ermittlung sind die folgenden Einflüsse auf den zu ermittelnden Bedarf heranzuziehen:
- 1.
die Stickstoffbedarfswerte nach Anlage 4 Tabelle 9; dabei sind die Stickstoffbedarfswerte nach Maßgabe der Anlage 4 Tabelle 10 anzupassen, wenn das tatsächliche Ertragsniveau im Durchschnitt der letzten fünf Jahre von den Werten nach Anlage 4 Tabelle 9 abweicht; soweit der tatsächliche Rohproteingehalt im Durchschnitt der letzten fünf Jahre bekannt ist und von den Werten nach Anlage 4 Tabelle 9 abweicht, können die Stickstoffbedarfswerte zusätzlich nach Maßgabe der Anlage 4 Tabelle 10 in Abhängigkeit vom Rohproteingehalt angepasst werden, - 2.
die Stickstoffnachlieferung aus dem Bodenvorrat nach Anlage 4 Tabelle 11, - 3.
die Stickstoffnachlieferung aus der Stickstoffbindung von Leguminosen nach Anlage 4 Tabelle 12, - 4.
die Nachlieferung von Stickstoff aus der Anwendung von organischen oder organisch-mineralischen Düngemitteln im Vorjahr in Form eines Abschlags in Höhe von zehn vom Hundert der aufgebrachten Menge an Gesamtstickstoff.
(3) Der Phosphatdüngebedarf ist unter Heranziehung der folgenden Einflüsse zu ermitteln:
- 1.
der Phosphatbedarf des Pflanzenbestandes für die unter den jeweiligen Standort- und Anbaubedingungen zu erwartenden Erträge und Qualitäten; dabei sind die Phosphatgehalte pflanzlicher Erzeugnisse nach Anlage 7 Tabelle 1 bis 3 zu berücksichtigen, - 2.
die nach Absatz 4 ermittelte, im Boden verfügbare Phosphatmenge sowie die Nährstofffestlegung.
(4) Vor dem Aufbringen wesentlicher Nährstoffmengen sind die im Boden verfügbaren Nährstoffmengen vom Betriebsinhaber zu ermitteln
- 1.
für Stickstoff auf jedem Schlag oder jeder Bewirtschaftungseinheit – außer auf Grünlandflächen, Dauergrünlandflächen und Flächen mit mehrschnittigem Feldfutterbau – für den Zeitpunkt der Düngung, mindestens aber jährlich, - a)
durch Untersuchung repräsentativer Proben oder - b)
nach Empfehlung der nach Landesrecht zuständigen Stelle oder einer von dieser empfohlenen Beratungseinrichtung - aa)
durch Übernahme der Ergebnisse der Untersuchungen vergleichbarer Standorte oder - bb)
durch Anwendung von Berechnungs- und Schätzverfahren, die auf fachspezifischen Erkenntnissen beruhen,
- 2.
für Phosphat auf Grundlage der Untersuchung repräsentativer Bodenproben, die für jeden Schlag ab einem Hektar, in der Regel im Rahmen einer Fruchtfolge, mindestens alle sechs Jahre durchzuführen sind. Ausgenommen sind Flächen nach § 10 Absatz 3 Nummer 2.
Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit erarbeitet im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ein nationales Aktionsprogramm im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 4 Buchstabe b, Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a und Anhang II Buchstabe A Nummer 5 der Richtlinie 91/676/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (ABl. L 375 vom 31.12.1991, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 1137/2008 (ABl. L 311 vom 21.11.2008, S. 1) geändert worden ist. Dieses enthält insbesondere Angaben zur Beschaffenheit, zur Lage, zur Errichtung und zum Betrieb von Anlagen zum Lagern und Abfüllen von Jauche, Gülle und Silagesickersäften sowie von vergleichbaren in der Landwirtschaft anfallenden Stoffen. Zu dem Entwurf des Aktionsprogramms sowie zu Entwürfen zur Änderung des Aktionsprogramms wird eine Strategische Umweltprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt. Das Aktionsprogramm und seine Änderungen sind bei Erlass der Rechtsverordnung auf Grund des § 23 Absatz 1 Nummer 5 bis 11 in Verbindung mit § 62 Absatz 4 zu berücksichtigen.
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen die dem Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zum Halten oder zur Aufzucht von Schweinen mit insgesamt 2.412 Mastschweineplätzen.
3Der Beigeladene betreibt auf seiner Hofstelle auf dem Grundstück Gemarkung J. in N. an der Ruhr einen landwirtschaftlichen Betrieb mit derzeit 660 Mastschweineplätzen in einem Stall. Letzterer wurde mit Baugenehmigung vom 5. April 1995 genehmigt. Die Abluftführung erfolgt zurzeit über acht Kamine, deren Oberkante den Dachfirst (Höhe 4,80 m) um 1,50 m überragen. Weiter südlich auf der Hofstelle befindet sich ein Güllehochbehälter mit einem Fassungsvermögen von 3.350 m³, der von der Beklagten mit Bescheid vom 10. Dezember 2008 bauaufsichtlich genehmigt worden ist. Ungefähr 40 m südlich des bestehenden Stalls liegt ein Wohnhaus mit einer Firsthöhe von ca. 12,50 m.
4Der Kläger ist Eigentümer eines ca. 100 m nördlich des Vorhabengrundstücks gelegenen landwirtschaftlichen Betriebs, den er selbst zusammen mit seiner Ehefrau bewirtschaftet und auf dem er auch wohnt. Er hält auf dem Hof ca. 350 Legehennen im Freiland sowie vier Pferde außerhalb eines Stalls. Zwischen den Ställen des Beigeladenen und der Hofstelle des Klägers befinden sich keine weiteren Gebäude.
5Die Hofstellen des Klägers und des Beigeladenen liegen im Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplans „S.“. Dieser setzt für beide Höfe eine Fläche für die Landwirtschaft nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BBauG in der damals geltenden Fassung fest. Beide Höfe liegen desweiteren im Landschaftsschutzgebiet „S. zwischen N1. und N2. “, welches durch die Ziffer C.2.2.2.20 des Landschaftsplans der Beklagten vom 28. Februar 2005 festgesetzt worden ist. Die Festsetzung erfolgt u. a. zur Erhaltung und Entwicklung eines Freiraums für die siedlungsnahe Erholung im Ballungsraum als Bestandteil des regionalen Freiraumsystems im Ruhrgebiet („Grünzug B“). Nach Ziffer C.2.2.2.20, III. i. V. m. Ziffer C.2.2.1, III. Nr. 4 ist es in dem Landschaftsschutzgebiet u. a. verboten, bauliche Anlagen zu errichten.
6In der näheren Umgebung liegt der landwirtschaftliche Betrieb B. , in dem im Zeitpunkt einer Kontrolle durch den Beklagten im Jahr 2013 fünf Kühe, zwei Kälber und zwei Pferde gehalten wurden. Die zu einem früheren Zeitpunkt noch bestehenden Betriebe O. (15 Kühe) und T. (zwei Pferde) haben die Tierhaltung jedenfalls im Jahr 2013 aufgegeben.
7Am 13. Juli 2011 beantragte der Beigeladene die Erweiterung des bestehenden Betriebs durch ein neues Stallgebäude (Betriebseinheit BE 3) mit 1.752 Mastschweineplätzen, so dass sich eine Gesamtzahl von 2.412 Mastschweineplätzen ergibt. Weiterhin sieht der Antrag die Änderung der Abluftführung für den bestehenden Mastschweinestall (Betriebseinheit BE 1), den Anbau einer Hygieneschleuse, die Abdeckung des bereits vorhandenen Güllehochbehälters (Betriebseinheit BE 2) sowie die Errichtung von vier Futtersilos vor. Ausweislich der Bauvorlagen beträgt die Höhe des Dachfirsts des Stalls BE 3 7,50 m. Die Lüftung erfolgt über sechs in der Mitte des Gebäudes liegende Kamine, die den Dachfirst um 3,00 m überragen.
8Mit dem Antrag legte der Beigeladene ein Geruchs- und Ammoniakgutachten des Ingenieurbüros für Abfallwirtschaft und Immissionsschutz S. & I. vom 9. Mai 2011, ergänzt durch eine Stellungnahme vom 23. März 2012, vor (Gutachten Nummer G-2696-02). Dieses führt unter Punkt 4.3 (immissionsmindernde Maßnahmen) aus, dass für die Betriebseinheiten BE 1 und BE 3 jeweils eine zentrale Abluftführung - bestehend aus maximal 2 bzw. maximal 6 Schächten - auszuführen ist. Diese müsse dem Stand der Technik (mindestens 10 m über Erdboden, mindestens 3 m über First und Mindestaustrittsgeschwindigkeit ganzjährig 7 m/s) entsprechen. Die Immissionen aus dem Güllehochbehälter BE 2 seien durch eine Zeltabdeckung zu mindern.
9Die Beklagte machte das Vorhaben am 15. November 2011 öffentlich bekannt. Die Antragsunterlagen wurden vom 22. November bis 22. Dezember 2011 ausgelegt. Der Kläger erhob am 30. Dezember 2011 Einwendungen. Das Vorhaben, das das Landschaftsbild beeinträchtige, führe insbesondere zu nicht hinzunehmenden Belästigungen durch Gerüche und Bioaerosole an seinem Haus. Außerdem steige durch die höhere Anzahl an Fahrbewegungen, die Ventilatorengeräusche und die Geräusche der Tiere die Lärmbelastung.
10Im weiteren Genehmigungsverfahren legte der Beigeladene eine schalltechnische Immissionsprognose des Ingenieurbüros S. & I. vom 8. Februar 2012 (Gutachten Nr. L-2696-01) vor, welches neben den Ventilatoren die Tierverladung, die Futteranlieferung, die Verladung von Kadavern, die Abholung von Gülle sowie die Reinigung der Verladezone nebst zugehörigen Fahrgeräuschen berücksichtigt. Für das Wohnhaus des Klägers prognostiziert das Gutachten (IP 2, 2. Obergeschoss) einen Beurteilungspegel Lr von tags 51,8 dB(A) und nachts 32,8 dB(A). Da das Irrelevanzkriterium nach Nr. 3.2.1 Abs. 2 der TA Lärm erfüllt sei, könne auf die Ermittlung der vorhandenen Geräuschvorbelastung verzichtet werden. Geräusche des An- und Abfahrtverkehrs auf der öffentlichen Straße seien nicht zu berücksichtigen. Die Untersuchung der Verkehrsgeräusche gemäß Ziffer 7.4 TA Lärm habe ergeben, dass die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung von 64 dB(A) zur Tagzeit um mindestens 8 dB(A) unterschritten würden. Zu Einhaltung der Immissionsrichtwerte dürften die LKW- und Schlepper-Bewegungen sowie die Verladevorgänge ausschließlich zur Tagzeit stattfinden. Die Schallemissionen der Abluftkamine dürften an der Mündung den Schallleistungspegel vom LWA = 75 dB(A) am Stall BE 1 und LWA = 78 dB(A) am Stall BE 3 je Abluftschacht nicht überschreiten.
11Mit Bescheid vom 3. Dezember 2012 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen die begehrte immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Gemäß Ziffer II.B.2.1.1 des Genehmigungsbescheids ist die Anlage so zu betreiben, dass am Haus des Klägers ein Immissionswert von 60 dB(A) tagsüber und 45 dB(A) nachts um mindestens 6 dB(A) unterschritten wird. Einzelne Geräuschspitzen dürfen diese Begrenzung um nicht mehr als 30 dB(A) tags und 20 dB(A) nachts überschreiten. Nach der Auflage 2.1.3 sind die Schallemissionen an den Mündungen der Abluftkamine für den Stall BE 1 maximal auf LWA = 75 dB(A) und für den Stall BE 3 maximal auf LWA = 78 dB(A) zu begrenzen. Geräuschrelevante betriebliche Tätigkeiten sind nach der Auflage 2.1.4 zur Nachtzeit grundsätzlich untersagt. In Ausnahme hiervon darf die Verladung von Tieren bei sommerlichen Witterungsbedingungen aus Gründen des Tierschutzes zur Nachtzeit erfolgen. Nach der ursprünglichen Fassung der Auflage 2.1.5 sollte die Anzahl der Ausnahmen zehn Nächte im Kalenderjahr nicht überschreiten. Mit Schriftsatz vom 2. November 2015 hat der Beklagte die Formulierung dahingehend geändert, dass mehr als 10 Nächte im Kalenderjahr nicht überschritten und Ausnahmen an nicht mehr als zwei Wochenenden hintereinander in Anspruch genommen werden dürfen.
12Im Hinblick auf die Geruchsimmissionsbelastung legt der Genehmigungsbescheid in der Auflage 2.2.1 fest, dass die von dem Vorhaben insgesamt verursachten Geruchsimmissionen an den „umliegenden Wohnhäusern“ entsprechend dem Immissionsgutachten vom 9. Mai 2011 die belästigungsrelevante Kenngröße IGb = 0,09 nicht überschreiten dürfen. Die Abluftkamine müssen den jeweiligen Dachfirst um mindestens 3 m überschreiten; eine Emissionshöhe von 10 m über Grund darf nicht unterschritten werden (Auflage 2.2.3). Nach Auflage 2.2.5 muss die Austrittsgeschwindigkeit in allen Betriebszuständen mindestens 7 m/s betragen. Gemäß Auflage 2.2.6 müssen die Ableitungsbedingungen an den Ställen BE 1 und BE 3 gemäß den Vorgaben des Geruchsgutachtens vom 9. Mai 2011 ausgeführt werden. Für den Güllehochbehälter BE 2 schreibt die Auflage 2.2.11 die Abdeckung mit einem Zeltdach aus regen- und luftdichter Plane vor, welche im Vergleich zu einem Zustand ohne Abdeckung eine Minderung von mindestens 80 % der Geruchs- und Ammoniakemissionen herbeiführt.
13Während des gerichtlichen Verfahrens hat der Beigeladene weitere Geruchsimmissionsprognosen vom 8. November 2013 und 29. Oktober 2015 (Gutachten Nr. G-2696-06) vorgelegt. Aus letzterer ergibt sich für das klägerische Wohnhaus eine Gesamtbelastung ohne Eigenbelastung (mit Abluftfahnenüberhöhung und 100 % Turbulenz) von maximal 0,10 Jahresgeruchsstunden. Ohne Berücksichtigung einer Abluftfahnenüberhöhung beträgt die Gesamtbelastung 0,15 Jahresgeruchsstunden.
14Gegen den Genehmigungsbescheid hat der Kläger am 31. Dezember 2012 Klage erhoben. Zur Begründung hat er geltend macht: Der Genehmigungsbescheid sei sowohl formell als auch materiell rechtswidrig. Die Erteilung der Genehmigung sei formell rechtswidrig, weil die Beklagte ihrer Aufklärungspflicht nicht nachgekommen sei. Eine Prüfung möglicher Beeinträchtigungen durch Bioaerosole sei nicht erfolgt. Gleiches gelte für die Prüfung, ob es sich um einen landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne der §§ 35 Abs. 1 Nr. 1, 201 BauGB handele und ob ausreichend Lagerkapazität für Gülle beider landwirtschaftlichen Betriebe vorgehalten werde. Dies gelte umso mehr, als der Beigeladene selbst angegeben habe, in dem Güllehochbehälter auch Abfälle aus seiner Biogasanlage in F. -L. zu lagern. Schließlich habe die Beklagte das Vorhaben zu früh öffentlich bekannt gemacht. Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 BImSchG habe die Bekanntmachung erst dann zu erfolgen, wenn die Unterlagen vollständig seien. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Das schalltechnische Gutachten habe noch nicht vorgelegen.
15Das Vorhaben sei auch materiell rechtswidrig. Es drohe eine gesundheitliche Beeinträchtigung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG durch Bioaerosole. Insoweit entspreche das Vorhaben nicht dem Stand der Technik, der bei einer Haltung von 2.000 oder mehr Mastschweinen den Einbau von Abluftreinigungsanlagen umfasse. Weiterhin gehe von dem geplanten Vorhaben eine erhebliche Belästigung durch Geruchsimmissionen aus. Laut dem vorgelegten Geruchsgutachten sei für das Grundstück des Klägers - bei Einbeziehung der Eigenvorbelastung des Klägers - mit einer Gesamtbelastung von bis zu 0,79 zu rechnen. Selbst ein im Einzelfall anzunehmender Immissionswert von 0,25 werde damit bei weitem überschritten. Eine Beschränkung der Geruchsimmissionen könne auch nicht durch die Nebenbestimmung 2.2.1 erfolgen. Diese könne keinesfalls eingehalten werden. Die Nebenbestimmung 2.2.11 erweise sich als in nachbarrechtlicher Hinsicht zu unbestimmt, weil diese die Abdeckung des Güllehochbehälters mit einem Zeltdach vorsehe, während der Genehmigungsbescheid unter Punkt II.1. die Abdeckung durch ein Festdach bestimme.
16Der Kläger hat beantragt,
17die dem Beigeladenen durch die Beklagte erteilte Genehmigung vom 3. Dezember 2012 zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zum Halten oder zur Aufzucht von Schweinen gemäß Ziffer 7.1 g) des Anhangs zur 4. BImSchV auf dem Grundstück N3. Straße in N. aufzuheben.
18Die Beklagte hat beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Zur Begründung hat sie vorgetragen: Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der Gesundheit des Klägers durch Bioaerosole lägen nicht vor. Erhebliche Belästigungen durch Ammoniak würden nicht hervorgerufen. Unzumutbare Geruchsbeeinträchtigungen seien nicht zu befürchten. Vorbelastungen auf dem Grundstück des Klägers durch eigene Emissionsquellen seien im Rahmen der Geruchsimmissionsprognose nicht zu berücksichtigen. Die Immissionsgesamtbelastung IGb überschreite den Wert von 0,10 im Planzustand nicht. Bestimmtheitsmängel lägen nicht vor. Bei der Bezeichnung der Abdeckung des Güllehochbehälters mit den Begriffen „Festdach“ und „Zeltdach“ handele sich um technische Fachbegriffe, wobei der Begriff „Zeltdach“ der genauere und von dem anderen umfasst sei. Die von dem Kläger angeführte Lagerung von Gärrückständen im Güllehochbehälter sei nicht Bestandteil der dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigung.
21Der Beigeladene hat beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Zur Begründung hat er ausgeführt, eine Rechtsverletzung durch die Bekanntmachung des Vorhabens zu einem Zeitpunkt, an dem das Lärmgutachten noch nicht vorgelegen habe, sei nicht gegeben. Eine Abschätzung der zu erwartenden Geräuschimmissionen sei auch aufgrund der ausgelegten Unterlagen möglich gewesen. Jedenfalls sei diese Frage ohne Einfluss auf das Ergebnis geblieben. Angesichts der Schallprognose sei die Beklagte verpflichtet gewesen, die begehrte Genehmigung zu erteilen. In die Geruchsvorbelastung sei die Eigenbelastung nicht einzubeziehen. Damit werde am Wohnhaus des Klägers ein Immissionswert von 0,15 eingehalten. Selbst eine Belastung von mehr als 0,25 Jahresgeruchsstunden sei aufgrund der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls nicht als erheblich einzustufen. Hinsichtlich der Ammoniak- und Bioaerosolbelastung sei eine Verletzung drittschützender Normen nicht ersichtlich. Bauplanungsrechtlich sei das Vorhaben nach §§ 35 Abs. 1 Nr. 1, 201 BauGB privilegiert zulässig.
24Das Verwaltungsgericht hat den Genehmigungsbescheid vom 3. Dezember 2012 mit Urteil vom 10. März 2015 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, von dem Vorhaben gingen unzulässig hohe Geruchsimmissionen zulasten des Klägers aus. Die eigene Vorbelastung des Klägers sei bei der Geruchsprognose nach der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) zu berücksichtigen, so dass sich auf der Grundlage des Geruchsgutachtens vom 9. Mai 2011 eine Gesamtbelastung im Planzustand von bis zu 0,56 Jahresgeruchsstunden ergebe. Das Geruchsgutachten beziehe die Eigenbelastung aber nicht ausdrücklich ein und stelle daher keine Grundlage einer auf der sicheren Seite liegenden Beurteilung dar. Das nachträglich vorgelegte Ergänzungsgutachten vom 8. November 2013 sei von der Beklagten nicht wirksam zum Bestandteil des Genehmigungsbescheids gemacht worden. Eine Überschreitung des für landwirtschaftliche Gerüche im Einzelfall geltenden Wertes von 0,25 Jahresgeruchsstunden sei nicht möglich; es handele sich um eine absolute Obergrenze. Jedenfalls fehle es aber an einer Auseinandersetzung mit den besonderen Randbedingungen des Einzelfalls im Genehmigungsbescheid, welche schon für eine Anhebung des Wertes über 0,15 erforderlich sei.
25Gegen das Urteil haben der Beklagte und der Beigeladene die durch den Senat zugelassene Berufung eingelegt.
26Zu ihrer Begründung führt die Beklagte aus: Von dem Vorhaben gingen keine schädlichen Umwelteinwirkungen, sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG aus. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats seien selbst verursachte Vorbelastungen bei der Ermittlung der Geruchsbelastung nicht zu berücksichtigen. Für den hier betroffenen Außenbereich sei der Immissionswert für Dorfgebiete von 0,15 Jahresgeruchsstunden bezogen auf Tierhaltungsgerüche anzuwenden. Gemäß der Rechtsprechung des Senats fielen hierunter auch Gerüche aus gewerblicher Tierhaltung. Dieser Immissionswert werde ausweislich des Geruchsgutachtens vom 9. Mai 2011 in der Fassung der Ergänzung vom 29. Oktober 2015 nicht überschritten. Für den zum ständigen Aufenthalt von Menschen vorgesehenen Wohnbereich auf dem Grundstück des Klägers liege die maximale Immissionsgesamtbelastung ohne Eigenbelastung des Klägers bei maximal 0,15. Die Geruchsberechnung sei in ihrer ergänzten Fassung zu berücksichtigen. Dass sie erst im laufenden gerichtlichen Verfahren vorgelegt worden sei, stehe dem nicht entgegen. Insbesondere seien Gutachten nicht gemäß § 10 Abs. 7 und 8 BImSchG bekanntzumachen. Im Übrigen liege in allen Varianten des Gutachtens die Gesamtbelastung ohne Eigenbelastung beim Kläger nicht über 0,15.
27Die Beklagte beantragt,
28das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 10. März 2015 abzuändern und die Klage abzuweisen.
29Der Beigeladene macht zur Begründung der Berufung geltend: Von dem Vorhaben gingen keine schädlichen Umwelteinwirkungen oder erheblichen Belästigungen zulasten des Klägers aus. Die Zumutbarkeit der zu erwartenden Geruchsimmissionen ergebe sich aus der vorgelegten Prognose, die auf der sicheren Seite liege. Vorliegend sei für die Gerüche, die nach der Rechtsprechung des Senats solche landwirtschaftlicher Art seien, unter Berücksichtigung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls ein Immissionswert von 0,25 maßgeblich. Selbst der Immissionswert von 0,15, der im Außenbereich auf jeden Fall für landwirtschaftliche Gerüche gelte, werde eingehalten.
30Der Beigeladene beantragt,
31das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 10. März 2015 abzuändern und die Klage abzuweisen.
32Der Kläger beantragt,
33die Berufungen zurückzuweisen.
34Zur Begründung seines Antrags führt er an: Der Genehmigungsbescheid lege fest, dass an umliegenden Wohnhäusern ein Immissionswert von 0,09 nicht überschritten werden dürfe. Dies sei nach der vorgelegten Immissionsprognose bezogen auf sein Wohnhaus aber der Fall. Die Geruchsimmissionsprognose berücksichtige im Übrigen die Lagerung von Gärresten im Güllehochbehälter nicht. Insoweit komme es auf die tatsächliche, nicht die genehmigte Nutzung an. Entgegen der Auffassung des Senats sei bei der Ermittlung der Gesamtbelastung auch die Eigenbelastung einzubeziehen. Ein anderes Verständnis widerspreche den Grundzügen des Immissionsschutzrechts. Die so berechnete Gesamtbelastung liege deutlich über 0,15 Jahresgeruchsstunden. Die besonderen Randbedingungen des Einzelfalls habe die Beklagte im Genehmigungsbescheid nicht erörtert. Jedenfalls eine vollständige Nachholung im gerichtlichen Verfahren sei nicht möglich. Das Ergänzungsgutachten vom 8. November 2013 sei nicht verwertbar. Der Beklagte habe das Ergänzungsgutachten ausdrücklich zum Teil der Genehmigung gemacht, eine Bekanntgabe nach § 10 Abs. 7 und 8 BImSchG aber unterlassen.
35Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf den Inhalt des Protokolls der öffentlichen Sitzung vom 10. November 2015 verwiesen.
36Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und des vormaligen Siedlungsverbands Ruhrkohlenbezirk Bezug genommen.
37Entscheidungsgründe:
38Die Berufungen haben Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Genehmigung zu. Der Genehmigungsbescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2012 verletzt den Kläger nicht in einem ihm zustehenden Recht (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
39A. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der dem Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung aufgrund formeller Mängel. Sowohl hinsichtlich der unterbliebenen Auslegung des Schallimmissionsgutachtens (dazu I.) als auch der von dem Kläger gerügten mangelnden Sachverhaltsaufklärung (dazu II.) sind etwaige Fehler jedenfalls unbeachtlich.
40I. Ob die Auslegung des Antrags des Beigeladenen nebst den bis zu diesem Zeitpunkt vorgelegten Unterlagen durch die Beklagte gegen § 10 Abs. 3 Satz 2 BImSchG verstoßen hat, weil die Schallimmissionsprognose noch nicht vorgelegen hat, kann dahinstehen. Hieraus kann der Kläger jedenfalls keinen Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung ableiten. Unabhängig von der Frage, ob Fehler bei der öffentlichen Bekanntmachung oder der Auslage unmittelbar zu einem Erfolg einer Anfechtungsklage führen können,
41vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 17. Dezember 1980 - 7 B 114/77 -, DVBl. 1981, 644, 647; Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, Stand: 1. Mai 2015, § 10 BImSchG Rn. 174,
42führen diese nach § 46 VwVfG NRW jedenfalls dann nicht zur Aufhebung, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung der Norm die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Hat ein Betroffener trotz einer (möglichen) Verletzung der Vorschriften über die Bekanntmachung und Auslegung seine Rechte umfassend wahrgenommen, also diesbezügliche Einwendungen erhoben, hat der geltend gemachte Verfahrensfehler in Bezug auf seine Einwände keinerlei Einfluss gehabt und kann auch in der Sache zu keinem anderen Ergebnis führen.
43Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1487/14 -, juris Rn. 52; Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, Stand: 1. Mai 2015, § 10 BImSchG Rn. 174, unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 29. März 1966 - I C 19.65 -, BVerwGE 24, 23 = juris Rn. 38.
44Dies ist in Bezug auf den Kläger der Fall. Er hat am 2. Januar 2012 bei der Beklagten schriftlich Einwendungen angebracht. Hierzu zählen auch Bedenken gegen die von dem Vorhaben einschließlich des anlagenbezogenen Verkehrs ausgehende Lärmbelästigung (von der Beklagten als Einwendung Nr. 9 gekennzeichnet). Diese Bedenken verfolgt der Kläger im gerichtlichen Verfahren weiter. Dass der Kläger durch das fehlende Schallimmissionsgutachten gehindert gewesen wäre, seine Einwände in Bezug auf die Geräuschimmissionen vollumfänglich anzubringen, hat er nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht erkennbar.
45II. Die von dem Kläger gerügte mangelnde Aufklärung des Sachverhalts (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW) führt ebenfalls nicht zur Aufhebung des erteilten Genehmigungsbescheids. Unabhängig von der Frage, ob ein solcher Verstoß vorliegt, führt er nach § 46 VwVfG NRW nicht zur Aufhebung, weil offensichtlich ist, dass die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst worden ist. Die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ist nach § 6 Abs. 1 BImSchG eine gebundene Entscheidung. Wird der Kläger - wie nachfolgend ausgeführt - durch die Erteilung der Genehmigung materiell nicht in seinen Rechten verletzt, kann sich ein eventueller Aufklärungsmangel nach § 46 VwVfG NRW jedenfalls nicht zu seinen Lasten ausgewirkt haben. Insoweit tritt die Pflicht zur Amtsermittlung des Gerichts (§ 86 Abs. 1 VwGO) an die Stelle der behördlichen Aufklärungspflicht.
46Vgl. Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 24 Rn. 59; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Auflage 2015, § 24 Rn. 36; Ziekow, VwVfG, 3. Auflage 2013, § 24 Rn. 19; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 1987 - 1 C 29.85 -, BVerwGE 78, 285 = juris Rn. 33.
47B. Dem Kläger steht auch kein Aufhebungsanspruch wegen materieller Rechtswidrigkeit der erteilten Genehmigung zu. Von dem Vorhaben des Beigeladenen gehen keine schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG für den Kläger aus. Die von dem Vorhaben ausgehenden Geruchsimmissionen stellen für den Kläger keine erhebliche Belästigung i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG dar (dazu I.). Die mit dem Betrieb der Anlage einhergehenden Lärmimmissionen überschreiten die zulässigen Grenzwerte nicht (dazu II.). Ein subjektives öffentliches Recht auf Festlegung von Immissionsobergrenzen für Bioaerosole (dazu III.) und Ammoniak (dazu IV.) kommt dem Kläger nicht zu. Der Kläger kann sich nicht auf einen möglichen Verstoß gegen die Festsetzung der Art der baulichen Nutzung im Bebauungsplan berufen (dazu V.). Gleiches gilt auch für eine Befreiung von den Festsetzungen des Landschaftsplans (dazu VI.).
48I. Die an dem Wohnhaus des Klägers zu erwartenden Geruchsimmissionen stellen keine erhebliche Belästigung i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG dar. Zum Zwecke der Beurteilung der Erheblichkeit der Geruchsimmissionen kann auf die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) zurückgegriffen werden (dazu 1.). Auf dieser Grundlage ergibt sich keine erhebliche Geruchsbelastung am Wohnhaus des Klägers (dazu 2.).
491. Bei der Beurteilung, ob Geruchsbelastungen erheblich im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind, kann bis zum Erlass bundesrechtlicher Vorschriften auf die nordrhein-westfälische Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) in der Fassung vom 29. Februar 2008 und einer Ergänzung vom 10. September 2008 (anwendbar nach Maßgabe des Runderlasses des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz NRW - V-3-8851.4.4 - vom 5. November 2009) zurückgegriffen werden.
50Vgl. MBl. NRW 2009 Seite 533 sowie www.lanuv.nrw.de/luft/gerueche/bewertung.htm.
51In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Geruchsimmissions-Richtlinie bei der tatrichterlichen Bewertung der Erheblichkeit von Geruchsbelastungen als Orientierungshilfe herangezogen werden kann; sie enthält technische Normen, die auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von Sachverständigen beruhen und insoweit die Bedeutung von allgemeinen Erfahrungssätzen und antizipierten generellen Sachverständigengutachten haben.
52Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Mai 2007 - 4 B 5.07 -, BauR 2007, 1454 = juris Rn. 4; OVG NRW, Urteile vom 20. September 2007 - 7 A 1434/06 -, BauR 2008, 71 = juris Rn. 55 ff., und vom 1. Juni 2015 - 1760/13 -, juris Rn. 51, sowie Beschlüsse vom 24. Juni 2004 - 21 A 4130/01 -, NVwZ 2004, 1259 = juris Rn. 9 ff., vom 14. März 2008 - 8 B 34/08 -, juris Rn. 12, vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, NWVBl. 2010, 277 = juris Rn. 31, vom 29. Oktober 2010 - 2 A 1475/09 -, NWVBl. 2011, 146 = juris Rn. 10, und vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 30; Nds. OVG, Urteil vom 12. November 2008 - 12 LB 17/07 -, juris Rn. 42, und Beschluss vom 14. Februar 2011 - 12 LA 8/09 -, NVwZ-RR 2011, 397 = juris Rn. 13.
53Zur Ermittlung der zu erwartenden Geruchshäufigkeit bedarf es grundsätzlich ‑ vorbehaltlich hier nicht vorliegender Ausnahmen - einer "auf der sicheren Seite" liegenden Prognose,
54vgl. insoweit OVG NRW, Beschlüsse vom 3. Februar 2011 - 8 B 1797/10 -, juris Rn. 5, vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 33, und vom 9. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, NWVBl. 2014, 318 = juris Rn. 11,
55bei der aus der Vorbelastung (dazu a) und der Zusatzbelastung ggf. unter Berücksichtigung der Bebauungseinflüsse (dazu b) und einer Abluftfahnenüberhöhung (dazu c) im Wege einer Ausbreitungsrechnung die voraussichtliche Geruchsbelastung ermittelt wird. Diese ist sodann an den nach der GIRL maßgeblichen Immissionswerten zu messen (dazu d).
56a) Bei der Ermittlung der Vorbelastung sind solche Emissionsquellen nicht mit einzubeziehen, die dem Immissionspunkt selbst zuzurechnen sind (sog. Eigenbelastung). Dies gilt unabhängig davon, ob die eigenen Tiergerüche mit den von außen einwirkenden Tiergerüchen identisch sind.
57Der Text der GIRL enthält zu dieser Fragestellung keine ausdrückliche Aussage. Nach Nr. 4.2 der GIRL ist die im Genehmigungsverfahren zu ermittelnde vorhandene Belastung (IV) die von den vorhandenen Anlagen ausgehende Geruchsbelastung ohne die zu erwartende Zusatzbelastung, die durch das beantragte Vorhaben hervorgerufen wird. Ob von dem Begriff der „vorhandenen Anlagen“ auch eigene Geruchsimmissionen verursachende Anlagen umfasst sein sollen, ergibt sich hieraus nicht eindeutig. Gleiches gilt für die Auslegungshinweise zu Nr. 1 der GIRL, Punkt „Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich“, Unterpunkt „Betrachtung benachbarter Tierhaltungsanlagen“. Allerdings hat die bisherige Praxis die Eigenbelastung grundsätzlich nicht bei der Vorbelastung und damit bei der Gesamtbelastung berücksichtigt. Dies liegt unausgesprochen auch dem Konzept GIRL zugrunde.
58Nach der Auffassung des Senats sprechen überwiegende Gründe dafür, die Eigenbelastung nicht zu berücksichtigen. Die Gerüche aus eigener Tierhaltung werden zum einen, auch weil die Tierhaltung meist der Erzielung des Lebensunterhalts dient, nicht in gleicher Weise als störend empfunden wie Fremdgerüche, sondern als notwendig angesehen und hingenommen. Zum anderen sind landwirtschaftliche Hofstellen teilweise - wie im Fall des Klägers - aufgrund eigener (in unmittelbarer Nähe des Wohnhauses stehender) Tierhaltungsanlagen sogar so hohen Immissionsbelastungen ausgesetzt, dass diese bereits für sich genommen den maximal zulässigen Immissionswert (nahezu) erreichen oder sogar überschreiten. In derartigen Fällen hätte eine Einbeziehung der Eigenbelastung zur Folge, dass ein Landwirt allein aufgrund eigener Tierhaltung andere Anlagen auf benachbarten Hofstellen verhindern würde. Andererseits hat der Landwirt es in der Regel weitgehend selbst in der Hand, inwieweit er sich Geruchsimmissionen aus eigener Tierhaltung aussetzt. Bei einer Nichtberücksichtigung der Eigenbelastung kommt ihre Reduzierung oder gar ihr Wegfallen dem Tierhalter auch stets unmittelbar selbst zu Gute. Hingegen würde bei Berücksichtigung der Eigenbelastung anderen Emittenten die Möglichkeit eröffnet, den maßgeblichen Immissionspunkt nunmehr selbst höheren Immissionen auszusetzen. Ein Landwirt könnte somit in diesem Fall durch die Aufgabe eigener Tierhaltung oder z. B. die Verbesserung der Ablufttechnik nicht zwingend eine Verbesserung der eigenen Geruchsbelastung erreichen.
59Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 ‑ 8 A 1760/13 -, juris Rn. 58 ff.
60Die von dem Kläger vorgebrachten Einwendungen vermögen diese Erwägungen nicht in Frage zu stellen; der Senat hat sie bereits in seiner vorgenannten Entscheidung berücksichtigt.
61b) Nach Nr. 10 der Anlage 3 zur TA Luft (2002) sind bei einer gebäudenahen Abluftführung die nicht auszuschließenden Einflüsse der Bebauung auf der windzugewandten Seite des Emissionspunkts („Luv-Seite“) auf die Immissionen zwingend zu berücksichtigen. Insoweit sind alle Gebäude in den Blick zu nehmen, deren Abstand von der jeweiligen Emissionsquelle geringer ist als das 6fache der Schornsteinbauhöhe.
62Für die Fälle, in denen entweder die Schornsteinhöhe mehr als das 1,2fache der Höhen der Gebäude beträgt oder die Gebäude, für die diese Bedingung nicht erfüllt ist, einen Abstand von mehr als dem 6fachen ihrer Höhe von der Emissionsquelle haben, regelt die TA Luft (2002) ausdrücklich, auf welche Weise die Gebäudeeinflüsse zu ermitteln sind. Beträgt die Schornsteinbauhöhe mehr als das 1,7fache der Gebäudehöhen, ist die Berücksichtigung der Bebauung - bei einer Modellierung des Abluftkamins als Punktquelle - durch Rauhigkeitslänge und Verdrängungshöhe ohne Berücksichtigung der Gebäude ausreichend. Beträgt die Schonsteinbauhöhe weniger als das 1,7fache (aber mehr als das 1,2fache) der Gebäudehöhen und ist eine freie Abströmung gewährleistet, können die Einflüsse mit Hilfe eines diagnostischen Windfeldmodells für Gebäudeumströmung berücksichtigt werden. Solange ein solches Windfeldmodell noch nicht existiert, kann ein anderes Windfeldmodell verwendet werden, dessen Eignung der obersten Landesbehörde nachgewiesen worden ist. Das LANUV NRW empfiehlt in diesen Fällen als Alternative die Modellierung eines Ersatzquellensystems, in dem die Quellen eine künstliche vertikale Ausdehnung erhalten. Die Modellierung der gebäudenahen Emissionsquellen als vertikale Linienquellen ‑ mit einer Ausdehnung grundsätzlich bis zum Erdboden - simuliert die Um- und Überströmung der Gebäude auf der Luv-Seite und deren Auswirkungen auf die Ausbreitungsrechnung, weil - anders als bei einer Modellierung der Quellen als Punktquellen - die gemessenen Konzentrationen in der Regel überschätzt würden. Um allerdings eine zu hohe Überschätzung auszuschließen, sind bei Quellkonfigurationen, bei denen die Höhe der Emissionsquellen größer ist als das 1,2fache der Gebäude (einschließlich des Gebäudes, auf dem sie stehen), die Emissionen gleichmäßig auf den oberen halben Quellbereich zu verteilen.
63Vgl. OVG NRW, Urteil vom 12. August 2015 - 8 A 799/14 -, juris Rn. 78; vgl. auch: Hartmann u.a., Untersuchungen zum Verhalten von Abluftfahnen landwirtschaftlicher Anlagen in der Atmosphäre, Langfassung zum Jahresbericht 2003, Seite 5 und 6, abrufbar unter www.lanuv.nrw.de/veröf-fentlichungen/jahresberichte.
64c) Bei Emissionen aus Kaminen ist zu berücksichtigen, dass sich bei Einhaltung spezieller Parameter die Abluft durch die Austrittsgeschwindigkeit bzw. den Temperaturunterschied besser verteilt und in der Folge der höheren Verdünnung in geringerem Maße auf einen Immissionsort einwirkt. Nach Ziffer 3.3.1.4 (Abluftfahnenüberhöhung) des Leitfadens zur Erstellung von Immissionsprognosen mit AUSTAL 2000 in Genehmigungsverfahren nach TA Luft und der Geruchsimmissionsrichtlinie, Merkblatt Band 56 des Landesumweltamtes NRW (Leitfaden AUSTAL 2000),
65Essen 2006, abzurufen unter http://www.lanuv. nrw.de/veroeffentlichungen/merkbl/merk56/merk56.pdf, vgl. auch VDI 3738 Nr. 4.5.3.2,
66kann im Allgemeinen eine Überhöhung der Abluftfahne angenommen werden, wenn die Abluft in den freien Luftstrom gelangt. Dies ist in der Regel gewährleistet, wenn die Quellhöhe mindestens 10 m über der Flur und 3 m über First ist, die Abluftgeschwindigkeit in jeder Betriebsstunde minimal 7 m/s beträgt und eine Beeinflussung durch andere Strömungshindernisse (Gebäude, Vegetation usw.) auf der windabgewandten Seite („Lee-Seite“) im weiteren Umkreis um die Quelle - in der Regel ein Kreis mit einem Radius entsprechend dem 10fachen, nach der an die Regelungen in Nr. 10 der Anlage 3 zur TA Luft (2002) angelehnten Praxis des LANUV NRW auch schon entsprechend dem 6fachen der Quellhöhe - ausgeschlossen ist.
67Vgl. OVG NRW, Urteile vom 1. Juni 2015 - 8 A 1760/13 -, juris Rn. 65, und vom 12. August 2015 - 8 A 1799/14 -, juris Rn. 87.
68d) Nach Nr. 3.1 Tabelle 1 der GIRL gilt für Wohn-/Mischgebiete ein Immissionswert IW = 0,10 (10 % Jahresgeruchsstunden) und für Gewerbe-/Industriegebiete ein Immissionswert IW = 0,15 (15 % Jahresgeruchsstunden). Für Dorfgebiete gilt für landwirtschaftliche Gerüche ebenfalls ein Immissionswert von 0,15. Sonstige Gebiete, in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, sind nach Nr. 3.1 Abs. 2 der GIRL entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechts den einzelnen Spalten der Tabelle 1 zuzuordnen. Für den bauplanungsrechtlichen Außenbereich wird dabei für landwirtschaftliche Gerüche der für Dorfgebiete anzusetzende Wert angenommen.
69Vgl. nur OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 ‑ 1760/13 -, juris Rn. 53, sowie Beschlüsse vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, NWVBl. 2010, 277 = juris Rn. 31 und vom 21. September 2012 ‑ 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 3.
70In der Begründung und den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.1 der GIRL, 4. Aufzählungspunkt, ist erläuternd ausgeführt, dass das Wohnen im Außenbereich mit einem immissionsschutzrechtlich geringeren Schutzanspruch verbunden sei. Vor diesem Hintergrund sei es möglich, unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls bei der Geruchsbeurteilung im Außenbereich einen Wert von bis zu 0,25 (25 % Jahresgeruchsstunden) für landwirtschaftliche Gerüche heranzuziehen.
71Vgl. dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 32, und vom 9. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, NWVBl. 2014, 318 = juris Rn. 8.
72Gleiches gilt auch, wenn es sich bei dem Gebiet hinsichtlich der insoweit maßgeblichen Art der baulichen Nutzung nicht um Außenbereich i. S. d. § 35 Abs. 1 BauGB, sondern um eine Fläche für die Landwirtschaft nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BBauG bzw. nunmehr § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. a) BauGB handelt. Hinsichtlich der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen aus Tierhaltungsanlagen besteht ‑ jedenfalls soweit keine weitergehenden Festsetzungen getroffen worden sind ‑ kein Unterschied zwischen durch Bebauungsplan festgesetzten Flächen für die Landwirtschaft und dem Außenbereich, in dem nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BauGB landwirtschaftliche Betriebe privilegiert zulässig sind. Bauplanerisch für die Landwirtschaft festgesetzte Flächen sind ebenso wie der Außenbereich als Standorte für stark emittierende (landwirtschaftliche) Betriebe vorgesehen. In diesen Gebieten muss wie im landwirtschaftlich genutzten Außenbereich mit Gerüchen (und anderen Immissionen) gerechnet werden, die etwa durch die Tierhaltung üblicherweise entstehen.
73Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. August 2008 - 10 A 1666/05 -, juris Rn. 8 ff.; vgl. auch Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Band I, Stand: 1. August 2015, § 9 Rn. 148.
742. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe gehen von dem Vorhaben des Beigeladenen keine unzumutbaren Geruchsbelästigungen aus. Die Geruchsimmissionsprognose der Gutachter S. & I. vom 9. Mai 2011 in der Fassung des Ergänzungsgutachtens vom 8. November 2013 sowie der im Berufungsverfahren vorgelegten ergänzenden Ausbreitungsrechnung vom 29. Oktober 2015 sind verwertbar (dazu a). Auf ihrer Grundlage überschreitet die zu erwartende Geruchsgesamtbelastung IGb (dazu b) den vorliegend anzusetzenden Immissionswert IW = 0,15 mit der erforderlichen Sicherheit nicht (dazu c).
75a) Die Geruchsimmissionsprognose vom 8. Mai 2011 ist vorliegend einschließlich des Ergänzungsgutachtens vom 8. November 2013 und der ergänzenden Ausbreitungsrechnung vom 29. Oktober 2015 verwertbar. Zur Bestimmung der zu erwartenden Geruchsbelästigung sind auch solche Gutachten heranzuziehen, die erst im gerichtlichen Verfahren vorgelegt oder eingeholt worden sind. Hierbei handelt es sich nicht um nachträgliche Veränderungen der Sachlage, die jedenfalls zu Lasten des Bauherrn grundsätzlich nicht berücksichtigt werden dürfen, sondern lediglich um spätere Erkenntnisse hinsichtlich der ursprünglichen Sachlage.
76Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2007 - 4 C 2.07 -, BVerwGE 129, 209 = juris Rn. 20 f.; OVG NRW, Beschlüsse vom 23. Juni 2010 - 8 A 340/09 -, juris Rn. 22, vom 16. Mai 2011 - 8 A 372/09 -, juris Rn. 22 ff., vom 3. August 2012 ‑ 8 B 290/12 -, juris Rn. 9, und vom 9. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, NWVBl. 2014, 318 = juris Rn. 20.
77Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bedarf es insoweit keiner Einbeziehung des Gutachtens in den Genehmigungsbescheid. Eine solche ist nur notwendig, soweit immissionsrelevante Voraussetzungen und Grundlagen des Gutachtens Teil des Genehmigungsbescheids selbst werden sollen.
78b) Die sich auf der Grundlage der vorgelegten Geruchsimmissionsprognose vom 9. Mai 2011 nebst Ergänzungsgutachten vom 8. November 2013 und der ergänzenden Ausbreitungsrechnung vom 29. Oktober 2015 ergebende Gesamtbelastung IGb überschreitet den maßgeblichen Immissionswert IW nicht. Der Immissionswert IW ist im vorliegenden Fall jedenfalls mit 0,15 Jahresgeruchsstunden anzusetzen (dazu aa). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einhaltung des in der Auflage 2.2.1 bestimmten Immissionswertes von maximal 0,09 (dazu bb). Die Geruchsimmissionsprognose nebst ihren Ergänzungen gibt für die Rasterflächen, die über dem Wohnhaus des Klägers liegen oder dieses zumindest berühren, eine Gesamtbelastung IGb ohne Berücksichtigung der Eigenbelastung des Klägers und mit Berücksichtigung einer Abluftfahnenüberhöhung, deren Voraussetzungen nach der Überzeugung des Senats vorliegen, von maximal 0,10 Jahresgeruchsstunden. Selbst ohne Berücksichtigung einer Abluftfahnenüberhöhung wird der Immissionswert von 0,15 nicht überschritten. Das Gutachten stellt die Emissionsquellen einschließlich des Ansatzes einer Abluftfahnenüberhöhung für die Betriebseinheiten BE 1 und 3 nachvollziehbar dar (dazu cc). Die Verwendung der Begriffe „Festdach“ bzw. „Zeltdach“ für die Abdeckung des Güllehochbehälters BE 2 führt nicht zu einer Unbestimmtheit des Genehmigungsbescheids, die sich auf die Rechte des Klägers auswirken kann (dazu dd). Die Darstellung der Immissionssituation auf der Hofstelle des Klägers ist - auch bei Betrachtung der ansonsten nicht zu berücksichtigenden Eigenbelastung des Klägers - plausibel (dazu ee).
79aa) Für das Wohnhaus ist ein Immissionswert IW = 0,15 maßgeblich. Die Hofstelle des Klägers liegt im Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplans „S2. N. “ vom 3. Oktober 1962 des damaligen Planungsträgers. Dieser setzt als einfacher Bebauungsplan an dieser Stelle eine Fläche für die Landwirtschaft nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BBauG fest. Überschreitet das geplante Vorhaben einen Wert von 0,15 nicht, bedarf die Frage, ob aufgrund der besonderen Randbedingungen des Einzelfalls eine Erhöhung des Immissionswertes auf bis zu 0,25 möglich ist, keiner Erörterung.
80bb) Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der in der Auflage 2.2.1 festgelegte Wert IGb = 0,09 an seinem Haus nicht überschritten wird. Dabei kann offen bleiben, ob der Begriff der „umliegenden Wohnhäuser“ in der Auflage dahingehend auszulegen ist, dass hiervon zu landwirtschaftlichen Hofstellen gehörende Wohnhäuser nicht erfasst werden. Der die Schwelle der erheblichen Belästigung i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG (die, wie ausgeführt, hier bei einem Immissionswert von 0,15 anzusetzen ist) unterschreitende Wert von 0,09 ist dem Bereich der Vorsorge gegen erhebliche Belästigungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG zuzuordnen. Ein subjektiver Anspruch auf Einhaltung von Vorsorgeanforderungen besteht nicht.
81BVerwG, Urteile vom 18. Mai 1982 - 7 C 42.80 -, BVerwGE 65, 313 = juris Rn. 22, und vom 11. Dezember 2003 - 7 C 19.02 -, BVerwGE 119, 329 = juris Rn. 11, BVerwG, sowie Beschluss vom 16. Januar 2009 - 7 B 47.08 -, Buchholz 406.25 § 5 BImSchG Nr. 27 = juris Rn. 11;Jarass, BImSchG, 10. Auflage 2014, § 5 Rn. 121; Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, Stand: 1. Mai 2015 § 5 BImSchG Rn. 163.
82cc) Die zu berücksichtigenden Geruchsquellen werden einschließlich der angesetzten Geruchsfahnenüberhöhung für die Betriebseinheiten BE 1 und 3 durch die Geruchsimmissionsprognose jedenfalls im Ergebnis zutreffend erfasst.
83Die Geruchsimmissionsprognose berücksichtigt für den neu zu errichtenden Stall BE 3 1.752 Mastschweineplätze, für den bereits errichteten Stall BE 1 660 Mastschweineplätze. Die Voraussetzungen für die Annahme einer (kinetischen) Abluftfahnenüberhöhung liegen vor. Entsprechend den gemäß Ziffer II.3. der Genehmigung i. V. m. Anlage 1, Ziffer 4 „Grundriss, Schnitt Ansichten“ zum Teil der Genehmigung gemachten Bauvorlagen liegen die Oberkanten der sechs Abluftkamine des Stalls BE 3 10,50 m über Grund und 3,00 m über First. Dies erfüllt die Anforderungen der Auflage 2.2.3 des Genehmigungsbescheids vom 3. Dezember 2012. Die Änderung der Abluftführung des Stalls BE 1 ergibt sich nicht aus den Bauvorlagen. Die Einhaltung der Mindestvoraussetzungen für die Berücksichtigung der Abluftfahnenüberhöhung folgt aber hinsichtlich der Höhe der Abluftkamine und des Gebäudes aus der Nebenbestimmung 2.2.3.
84Die Mindestabluftgeschwindigkeit hat ausweislich der Nebenbestimmung 2.2.5 in allen Betriebszuständen ständig mindestens 7 m/s zu betragen. Die Modellierung dieser Quellen als vertikale Linienquellen in voller Quellhöhe zur Berücksichtigung der Gebäudeeinflüsse in dem Ergänzungsgutachten vom 29. Oktober 2015 stimmt mit der vom LANUV NRW empfohlenen Handlungsweise überein. Die Emissionspunkte weisen nicht das 1,2fache der Höhe der umliegenden landwirtschaftlichen (Bestands-) Gebäude auf. Jedenfalls dem südlich gelegenen Wohnhaus kommt für die Frage der hindernisfreien Anströmung der Emissionsquellen im Verhältnis zum klägerischen Wohnhaus Bedeutung zu. Auswirkungen auf die für die Abluftfahnenüberhöhung notwendige freie Abströmung hat das auf der Luv-Seite stehende Gebäude hingegen nicht. Selbst wenn man aber aus diesem Grund auch die Abluftfahnenüberhöhung beider Ställe unberücksichtigt ließe, läge ausweislich der Ausbreitungsrechnung die Gesamtbelastung am Haus des Klägers bei 0,15.
85Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine eventuell von der Genehmigungslage abweichende tatsächliche Nutzung des Güllehochbehälters für die Lagerung von Gärresten aus der Biogaserzeugung bei der Ermittlung der maßgeblichen Emissionen nicht zu berücksichtigen. Insoweit kommt es allein auf die Genehmigungslage an. Etwaige Abweichungen sind von der Beklagten im Rahmen der laufenden Überwachung zu untersuchen und abzustellen.
86Vgl. nur OVG NRW, Urteil vom 12. August 2015 ‑ 8 A 799/14 -, juris Rn. 144.
87Soweit der Kläger zutreffend darauf hingewiesen hat, dass in der Geruchsimmissionsprognose vom 9. Mai 2011 für den landwirtschaftlichen Betrieb B. vier Pferde angesetzt worden sind, in der Berechnung vom 29. Oktober 2015 hingegen nur zwei, kann offenbleiben, ob - in Übereinstimmung mit der im Jahr 2013 von der Beklagten festgehaltenen tatsächlichen Situation - lediglich die Haltung zweier Pferde bauaufsichtlich genehmigt worden ist. Der Ansatz von vier Pferden würde nicht zu einer anderen Bewertung führen. Selbst wenn man - unter Außerachtlassung der erheblichen Entfernung zwischen Emissions- und Immissionspunkt - die Geruchsstundenhäufigheit im Verhältnis des Anteils zweier Pferde an der Gesamtheit der Geruchseinheiten erhöhen würde, wäre die sich ergebende Gesamtbelastung von 15,05 % Jahresgeruchsstunden auf 15 % zu runden.
88Vgl. zur Anwendung der Rundungsregel auf die Gesamtbelastung OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1760/13 -, NWVBl. 2015, 415 = juris Rn. 69.
89dd) Die Beschreibung der geplanten Abdeckung des bestehenden Güllehochbehälters BE 2 unter Ziffer II.1. (Gegenstand der Genehmigung), drittes Aufzählungszeichen, als „Festdach“ und in der Nebenbestimmung 2.2.11 als „Zeltdach aus regen- und luftdichter Plane“ führt nicht zur mangelnden Bestimmtheit des Genehmigungsbescheids i. S. d. § 37 Abs. 1 VwVfG NRW, die sich auf die Rechte des Klägers auswirken kann.
90Vgl. zu den Erfordernissen an die Bestimmtheit von nachbarrechtlich relevanten Bestimmungen etwa OVG NRW, Beschluss vom 30. Mai 2005 ‑ 10 A 2017/03 -, NWVBl. 2005, 470 = juris Rn. 3; Urteile vom 25. Januar 2013 - 10 A 2269/10 -, NWVBl. 2013, 365 = juris Rn. 61, und vom 15. Mai 2013 - 2 A 3010/11 -, DVBl. 2013, 1327 = juris Rn. 44.
91Selbst wenn in der Nebenbestimmung 2.2.11 nicht nur eine inhaltliche Konkretisierung des generelleren Begriffs des Festdachs liegen sollte, weicht dies von der in dem Gutachten vorausgesetzten Emissionssituation jedenfalls nicht nachteilig ab. Das Verwaltungsgericht weist zu Recht darauf hin, dass der textliche Teil der Geruchsimmissionsprognose lediglich eine Zeltabdeckung als immissionsmindernde Maßnahme vorsieht. Dies entspricht dem Ansatz der Ausbreitungsrechnung, welche den Güllehochbehälter als Emissionsquelle ebenfalls mit einer Zeltabdeckung berücksichtigt.
92ee) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts erweist sich die vorgelegte Geruchsimmissionsprognose nicht deshalb als unplausibel, weil sie die Immissionssituation in dem Gutachten vom 9. Mai 2011 und dem Ergänzungsgutachten vom 8. November 2013 in nicht nachzuvollziehender Weise unterschiedlich darstellt. Berücksichtigt man bei der Betrachtung der Immissionssituation auch die Eigen-Vorbelastung, verschiebt sich der Schwerpunkt der Geruchsbelastung auf der Hofstelle des Klägers Richtung Osten. Während das Gutachten vom 9. Mai 2011 - aus der dem Gutachten angehängten LOG-Datei erkennbar - einen Tierbesatz von 500 Masthähnchen und fünf Pferden in dem unmittelbar nördlich an das Wohnhaus anschließenden Gebäude ansetzt, berücksichtigt das Ergänzungsgutachten vom 8. November 2013 350 Legehennen in Bodenhaltung im Stall und mit Auslauffläche sowie 4 Pferde östlich des Wohnhauses. Hinzu kommt die Aufgabe der Tierhaltung auf den landwirtschaftlichen Hofstellen O. und T. . Berücksichtigt man desweiteren die maßgeblichen Windverhältnisse (Hauptwindrichtung Südwest), erscheint eine Reduzierung der Immissionsbelastung im Plan-Zustand nordwestlich des Wohnhauses von 0,79 bzw. 0,56 auf 0,19 bzw. 0,17 (Plan-Zustand in dem Gutachten vom 8. November 2013) ohne weiteres plausibel. Gleichzeitig steigt östlich des Wohnhauses des Klägers unter Berücksichtigung der Eigenbelastung die Geruchsbelastung sowohl im Ist- wie auch im Planzustand auf bis zu 0,99 an.
93Die Geruchsimmissionsprognose ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht unplausibel, weil die westlich der Wohnhäuser N3. Straße und liegenden Rasterflächen auf der Basis des Ergänzungsgutachtens vom 8. November 2013 Geruchsimmissionen in Höhe von 0,10 Jahresgeruchsstunden aufweisen. Unabhängig von der Frage, ob diese Immissionswerte an Orten erreicht werden, die dem dauernden Aufenthalt von Menschen dienen, vermag eine Überschreitung des in der Nebenbestimmung 2.2.1 festgesetzten Wertes die Plausibilität des Gutachtens als solche nicht in Frage zu stellen. Die Nebenbestimmung ist nicht Teil des Gutachtens, sondern ist getrennt von ihr zu betrachten.
94II. Die von dem Betrieb der Schweinemast einschließlich des zurechenbaren An- und Abfahrtverkehrs ausgehenden Geräuschimmissionen stellen für den Kläger keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG dar. Unter welchen Voraussetzungen Geräuschimmissionen schädlich i. S. v. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind, wird durch die Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm) vom 26. August 1998 (GVBl. S. 503) bestimmt. Gemäß Nr. 3.2.1 Abs. 1 TA Lärm ist der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen sichergestellt, wenn die Gesamtbelastung am maßgeblichen Immissionsort die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 TA Lärm nicht überschreitet. Weder im Regelbetrieb (dazu 1.) noch bei ausnahmsweise erfolgender nächtlicher Tierverladung (dazu 2.) werden die Immissionsrichtwerte überschritten.
951. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Bewohnern des Außenbereichs von genehmigungsbedürftigen Tierhaltungsanlagen (vgl. Nr. 1 Abs. 2 Buchst. c) TA Lärm) im Regelbetrieb ausgehende Lärmimmissionspegel von 60 dB(A) tagsüber und 45 dB(A) nachts in Anlehnung an die für Mischgebiete nach Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. c), Nr. 6.6 Satz 2 der TA Lärm festgelegten Immissionsrichtwerte zuzumuten sind.
96Vgl. nur OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2007 ‑ 8 A 2677/06 -, NWVBl. 2008, 26 = juris Rn. 102 f., m. w. N., sowie Beschlüsse vom 23. Januar 2008 - 8 B 215/07 -, ZNER 2008, 89 = juris Rn. 38, vom 3. Mai 2012 - 8 B 1458/11 u. a. -, juris Rn. 35, und vom 16. Mai 2013 - 8 A 2893/12 -, juris Rn. 16.
97Für durch einfachen Bebauungsplan festgesetzte Flächen für die Landwirtschaft, die in Nr. 6.1 Satz 1 TA Lärm ebenfalls nicht ausdrücklich erwähnt sind, gilt jedenfalls ohne weitere zu berücksichtigende bauplanerische Festsetzungen nichts anderes.
98Vgl. VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 23. Februar 2001 - 4 L 56/01.NW -, juris Rn. 18, unter Bezugnahme auf die ebenfalls unter Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. c) TA Lärm zu fassenden Dorfgebiete.
99Die schalltechnische Immissionsprognose der Gutachter S. & I. vom 8. Februar 2012 setzt sowohl während der Tag- wie der Nachtzeit den Betrieb von Ventilatoren zur Entlüftung der Ställe BE 1 und BE 3 mit einem maximalen Schallleistungspegel vom max. 75 bzw. 78 dB(A) an. Während der Tagzeit berücksichtigt die Schallimmissionsprognose eine Verladung lebender Tiere nebst nachgehender Reinigung der Verladefläche, eine Futtermittelanlieferung mittels LKW, eine Kadaverabholung mittels LKW, 20 Schlepperbewegungen (jeweils An- und Abfahrt) für den Gülletransport einschließlich Pumpenbetrieb sowie 40 PKW-Bewegungen. Auf dieser pessimalen Grundlage prognostiziert das Lärmgutachten am Haus des Klägers (Immissionspunkt IP 2, 2. Obergeschoss) einen anlagenbezogenen Beurteilungspegel Lr von tags 51,8 dB(A) und nachts 32,8 dB(A). Die Berücksichtigung anderer, nicht anlagenbezogener Geräuschquellen als Vorbelastung konnte nach Nr. 3.2.1 Abs. 2 Satz 2 TA Lärm unterbleiben, weil die anlagenbezogene Zusatzbelastung die sich aus Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. c), Nr. 6.6 Satz 2 TA Lärm ergebenden Immissionsrichtwerte um mehr als 6 dB(A) unterschreitet. Diese Unterschreitung um mindestens 6 dB(A) schreibt die Auflage 2.1.1 des Genehmigungsbescheids vom 3. Dezember 2012 fest.
1002. Die ausnahmsweise zulässige Verladung von Tieren aus Gründen des Tierschutzes zur Nachtzeit bei sommerlichen Witterungsbedingungen nach der Nebenbestimmung 2.1.5 der Genehmigung vom 3. Dezember 2012 in der durch den Schriftsatz vom 2. November 2015 geänderten Fassung führt nicht zu einer Überschreitung der zulässigen Lärmgrenzwerte. Nach Nr. 7.2 TA Lärm können in der Genehmigung Überschreitungen der Immissionsrichtwerte nach den Nrn. 6.1 und 6.2 zugelassen werden, wenn wegen voraussehbarer Besonderheiten beim Betrieb der Anlage zu erwarten ist, dass in seltenen Fällen oder über eine begrenzte Zeitdauer, aber an nicht mehr als zehn Tagen oder Nächten eines Kalenderjahres und nicht an mehr als an jeweils zwei aufeinander folgenden Wochenenden, die Immissionsrichtwerte auch bei Einhaltung des Stands der Technik zur Lärmminderung nicht eingehalten werden können. Derartige Besonderheiten liegen in den Anforderungen des Tierschutzes an die Verladung der Tiere bei besonders warmen Witterungslagen. Die strikte Beschränkung auf maximal zehn Tage und zwei aufeinanderfolgende Wochenenden wird (nunmehr) eingehalten. Der für seltene Ereignisse nach Nr. 6.3 Satz 1 TA Lärm geltende Immissionsrichtwert von 55 dB(A) nachts wird in diesem Fall für die lauteste Nachtstunde nach TA Lärm 6.4 nicht überschritten. Der über 60 Minuten anzusetzende (höchste) Schallleistungspegel Lw = 105 dB(A) für die Tierverladung führt bei isolierter Betrachtung ausweislich der Lärmimmissionsprognose am Immissionspunkt IP 2 zu einem Teilpegel von 35,8 dB(A). Auch unter Berücksichtigung des zusätzlichen Lüftergeräuschs (Teilpegel 32,8 dB(A)) wird der insoweit maßgebliche Immissionsrichtwert von 55 dB(A) sicher um mehr als 6 dB(A) unterschritten.
101III. Der Kläger ist durch die fehlende Festsetzung eines Immissionsgrenzwerts für Bioaerosole nicht in seinen subjektiven öffentlichen Rechten verletzt. Schädliche Umwelteinwirkungen i. S. d. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG durch Bioaerosole sind vorliegend nicht zu erwarten.
102Unter Bioaerosolen ist nach der Definition in der VDI-Richtlinie 4255 die Summe aller im Luftraum befindlichen Ansammlungen von Partikeln zu verstehen, denen Pilze (Sporen, Konidien, Hyphenbruchstücke), Bakterien, Viren und/oder Pollen sowie deren Zellwandbestandteile und Stoffwechselprodukte (z.B. Endotoxine, Mykotoxine) anhaften bzw. die diese beinhalten oder bilden. Immissions- oder Emissionswerte sieht die TA Luft insoweit nicht vor; insbesondere enthält sie in Bezug auf Bioaerosole kein Emissionsminderungsgebot. Es gibt bislang auch keine sonstigen Grenz- oder Orientierungswerte, die die Schädlichkeitsschwelle für Bioaerosole beschreiben. In Betracht kommt daher allenfalls eine Sonderfallprüfung nach Nr. 4.8 TA Luft, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorruft.
103Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, BRS 76 Nr. 100 = juris Rn. 52, vom 10. Mai 2010 - 8 B 992/09 -, juris Rn. 53, vom 8. Februar 2012 - 8 B 1322/11 -,juris Rn. 33, sowie Urteil vom 30. Januar 2014 ‑ 7 A 2555/11 -, NWVBl. 2014, 306 = juris Rn. 88.
104Anhaltspunkte hierfür sind vorliegend nicht erkennbar.
105Allerdings spricht gegenwärtig weiterhin Erhebliches dafür, dass von Tierhaltungsbetrieben luftgetragene Schadstoffe wie insbesondere Stäube, Mikroorganismen (z.B. Pilzsporen) und Endotoxine ausgehen, die grundsätzlich geeignet sind, nachteilig auf die Gesundheit zu wirken.
106Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12. August 2008 - 10 A 1666/05 -, juris Rn. 22 ff., vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, BRS 76 Nr. 100 = juris Rn. 58, vom 10. Mai 2010 - 8 B 992/09 -, juris Rn. 55, und vom 8. Februar 2012 - 8 B 1322/11 -, juris Rn. 33; vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 30. Januar 2014 - 7 A 2555/11 -, NWVBl. 2014, 306 = juris Rn. 91; zur Darstellung der Problematik vgl. auch die Internetdokumentation des LANUV NRW unter "Bioaerosole", "Wirkungen von Bioaerosolen" und "Gesundheitliche Wirkungen von Stall-Luft-Komponenten aus Tierhaltungsbetrieben"; Heller/Köllner (LANUV NRW), Bioaerosole im Umfeld von Tierhaltungsanlagen - Untersuchungsergebnisse aus Nordrhein-Westfalen, 2007; Antwort der Bundesregierung vom 7. Dezember 2006 auf eine Kleine Anfrage zu geplanten Schweinemastgroßanlagen in Deutschland, BT-Drs. 16/3759, Antwort zu den Fragen 12 und 13.
107Wissenschaftliche Untersuchungen und Erkenntnisse darüber, von welcher Wirkschwelle an diese allgemeine Gefährdung in konkrete Gesundheitsgefahren für bestimmte Personengruppen umschlägt, sind indessen nicht bekannt. Es gibt weder ein anerkanntes Ermittlungsverfahren noch verallgemeinerungsfähige Untersuchungsergebnisse über die gesundheitliche Gefährdung der Nachbarschaft durch eine landwirtschaftliche oder gewerbliche Tierhaltung. Messtechnische Untersuchungen, die das LANUV NRW seit dem Jahr 2007 an Schweine- und Legehennenställen betreibt, haben ergeben, dass sich eine Erhöhung bestimmter Parameter - insbesondere von Staphylokokken und Bakterien - an der Lee-Seite eines Legehennenstalls (ca. 300 Großvieheinheiten) gegenüber der Luv-Seite, die der jeweiligen örtlichen Hintergrundbelastung entspricht, noch in einer Entfernung von bis zu 500 m nachweisen lässt. Daraus folgt aber nicht ohne weiteres, dass bei derartigen Entfernungen auch mit gesundheitsgefährdenden Konzentrationen zu rechnen ist. Die ermittelten Immissionskonzentrationen lagen nach Einschätzung des LANUV NRW auf einem "vergleichsweise niedrigen Niveau und erreichten bei weitem nicht die Konzentrationen, wie sie an Arbeitsplätzen gemessen werden."
108Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, BRS 76 Nr. 100 = juris Rn. 60 ff., vom 10. Mai 2010 - 8 B 992/09 -, juris Rn. 57 ff., und vom 8. Februar 2012 - 8 B 1322/11 -, juris Rn. 37 ff., jeweils unter Bezugnahme auf Heller/Köllner (LANUV NRW), Bioaerosole im Umfeld von Tierhaltungsanlagen - Untersuchungsergebnisse aus Nordrhein-Westfalen, 2007, sowie Urteil vom 30. Januar 2014 - 7 A 2555/11 -, NWVBl. 2014, 306 = juris Rn. 88.
109Ausgehend von diesem Erkenntnisstand greift die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht als Instrument der Gefahrenabwehr nicht ein, weil ungewiss ist, ob mit einem Schadenseintritt zu rechnen ist. Potentiell schädliche Umwelteinwirkungen, ein nur möglicher Zusammenhang zwischen Emissionen und Schadenseintritt oder ein generelles Besorgnispotential können allerdings Anlass für Vorsorgemaßnahmen sein.
110Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 ‑ 7 C 19.02 -, BVerwGE 119, 329 = juris Rn. 12 (zu Nanopartikeln).
111Vor diesem Hintergrund bezeichnet die VDI-Richtlinie 4250 Blatt 1 (Bioaerosole und biologische Agenzien, Umweltmedizinische Bewertung von Bioaerosol-Immissionen) in Nr. 7 jede Erhöhung der Immissionskonzentration gegenüber den Hintergrundwerten als "umwelthygienisch unerwünscht", fügt aber hinzu, dass dabei das Gesundheitsrisiko nicht quantifiziert werden könne. Aus Gründen der Vorsorge seien Bioaerosol-Konzentrationen zu vermeiden, die gegenüber der Hintergrundbelastung erhöht seien. Davon ausgehend ist die Vermeidung bzw. Senkung von erhöhten Bioaerosol-Konzentrationen nicht den drittschützenden Betreiberpflichten i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG, sondern den Vorsorgeanforderungen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG zuzuordnen. Auf deren Einhaltung hat der Nachbar - ebenso wie hinsichtlich der in Nr. 5.4.7.1 der TA Luft geregelten Pflicht zur Prüfung etwaiger Möglichkeiten, die Emission an Keimen und Endotoxinen durch dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zu vermindern - grundsätzlich keinen Anspruch.
112Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, BRS 76 Nr. 100 = juris Rn. 67 ff., vom 10. Mai 2010 - 8 B 992/09 -, juris Rn. 64, und vom 8. Februar 2012 - 8 B 1322/11 -, juris Rn. 44 ff., sowie Urteil vom 30. Januar 2014 ‑ 7 A 2555/11 -, NWVBl. 2014, 306 = juris Rn. 99 ff.; zum fehlenden Anspruch auf Vorsorgemaßnahmen vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 7 C 19.02 -, BVerwGE 119, 329 = juris Rn. 11, und Beschluss vom 9. April 2008 ‑ 7 B 2.08 -, NVwZ 2008, 789 = juris Rn. 11.
113Auf der Grundlage des Vorstehenden fehlt es nach dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand an ausreichenden Anhaltspunkten für die Annahme, dass das Wohnhaus des Klägers durch das Vorhaben des Beigeladenen Bioaerosol-Immissionen ausgesetzt sein wird, die über eine allgemeine, gebietstypische Gefährdung hinausgehen und bereits zu einer konkreten Gefährdung der Gesundheit i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG führen können. Da der Übertragungsweg bei Bioaerosolen im Grunde derselbe ist wie bei Gerüchen, liegt eine Orientierung an den Ergebnissen der Geruchsimmissionsprognose nahe.
114Vgl. zu diesem Maßstab OVG NRW, Beschlüsse vom 12. August 2008 - 10 A 1666/05 -, juris Rn. 28, und vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 ‑, BRS 76 Nr. 100 = juris Rn. 70 ff., vom 10. Mai 2010 - 8 B 992/09 -, juris Rn. 69 ff., und vom 8. Februar 2012 - 8 B 1322/11 -, juris Rn. 49 ff., sowie Urteil vom 30. Januar 2014 - 7 A 2555/11 -, NWVBl. 2014, 306 = juris Rn. 103.
115Die Geruchsimmissionsprognose in der Fassung der Neuberechnung vom 29. Oktober 2015 gelangt - wie ausgeführt - zu einer Geruchsbelastung von maximal 0,15 Jahresgeruchsstunden; die Geruchsbelastung liegt damit nicht oberhalb des jedenfalls anzusetzenden Immissionswerts von 0,15. Danach ist davon auszugehen, dass sich auch die Belastung mit Bioaerosolen in einem für den ländlichen Raum gebietstypischen Rahmen bewegt. Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Bevölkerung des ländlichen Raums in signifikantem Umfang an Krankheiten insbesondere der Atemwege leidet, die auf Bioaerosole zurückzuführen sind, bieten die vorliegenden wissenschaftlichen Stellungnahmen nicht.
116Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, BRS 76 Nr. 100 = juris Rn. 75, vom 10. Mai 2010 - 8 B 992/09 -, juris Rn. 72, und vom 8. Februar 2012 - 8 B 1322/11 -, juris Rn. 52; Nds. OVG, Beschluss vom 19. August 1999 - 1 M 2711/99 -, NVwZ-RR 2000, 91 = juris Rn. 9.
117IV. Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zulasten des Klägers ergeben sich auch nicht im Hinblick auf die zu erwartenden Ammoniakimmissionen. Die in der TA Luft bestimmten Grenzwerte für Ammoniak- sowie Stickstoffeinträge dienen, wie das Verwaltungsgericht zurecht ausgeführt hat, nicht dem Schutz der menschlichen Gesundheit, sondern dem Schutz empfindlicher Pflanzen und Ökosysteme. Anforderungen zum Schutz der menschlichen Gesundheit werden in Nr. 4.2. der TA Luft gestellt. Dort sind zum Schutz vor Gefahren für die menschliche Gesundheit Immissionswerte für verschiedene luftverunreinigende Stoffe festgelegt, nicht aber für Ammoniak oder Stickstoff. Gemäß Nr. 4.4.2 Abs. 3 TA Luft ist nach Nr. 4.8 zu prüfen, ob der Schutz vor erheblichen Nachteilen durch Schädigung empfindlicher Pflanzen (z.B. Baumschulen, Kulturpflanzen) und Ökosysteme durch die Einwirkung von Ammoniak gewährleistet ist. Somit kann sich ein Nachbar - jedenfalls soweit er nicht die Einwirkung auf besonders schutzwürdige Pflanzen geltend macht - nicht auf die Verletzung einer ihn schützenden Regelung durch Ammoniakimmissionen berufen.
118Vgl. OVG S.-A., Urteil vom 24. März 2015 - 2 L 184/10 -, juris Rn. 129 ff.; VG München, Urteil vom 16. Oktober 2007 - M 1 K 07.2892 -, juris Rn. 20; VG Oldenburg, Urteil vom 10. März 2010 - 5 A 1375/09 -, juris Rn. 43; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band IV, Stand: 1. Mai 2015, Nr. 4.8 TA Luft Rn. 47.
119Im Übrigen erweist sich die von dem Vorhaben des Beigeladenen ausgehende Ammoniakbelastung nicht als erheblich. Nach Nr. 4.8 i. V. m. Anhang 1 Abbildung 4 Abs. 2, Anhang 3 TA Luft ist bei Vorliegen einer Ausbreitungsrechnung lediglich der Mindestabstand der Emissionsquelle erforderlich, bei dem eine anlagenbezogene Zusatzbelastung für Ammoniak von 3 μg/m³ an keinem maßgeblichen Beurteilungspunkt überschritten wird. Ausweislich der graphischen Darstellung der von dem Vorhaben im Planzustand ausgehenden Ammoniakbelastung auf Seite 21 des Geruchs- und Ammoniakimmissionsgutachtens vom 9. Mai 2011 ist auf dem klägerischen Grundstück keine Ammoniakbelastung in diesem Umfang zu erwarten.
120V. Der Kläger kann sich auch nicht auf einen möglichen Verstoß gegen die Festsetzung einer Fläche für die Landwirtschaft im Bebauungsplan berufen. Ein solcher könnte gegeben sein, wenn es sich bei dem Betrieb des Beigeladenen um eine Tierhaltung gewerblicher Art handelt. Die Festsetzung einer Fläche für die Landwirtschaft nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BBauG in dem Bebauungsplan „S2. N. “ des damaligen Siedlungsverbands Ruhrkohlenbezirk vom 3. Oktober 1962 ist nach §§ 30 Abs. 3 BauGB, 6 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 BImSchG Gegenstand des immissionsschutzrechtlichen Prüfungsverfahrens.
121Setzt der Planungsträger in einem Bebauungsplan eine Fläche für die Landwirtschaft nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BBauG (nunmehr § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchst. a) BauGB) fest, umfasst der Begriff der Landwirtschaft die in § 201 BauGB bestimmten Bewirtschaftungsformen. Ob es sich bei dem Betrieb des Beigeladenen um einen landwirtschaftlichen Betrieb in diesem Sinne handelt, kann aber dahinstehen. Selbst wenn auf den zu dem landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden landwirtschaftlich genutzten Flächen das Futter für die Tierhaltung des Beigeladenen - einschließlich der Tierbestände auf der Hofstelle in F. -L. - nicht überwiegend erzeugt werden könnte, verletzt dies den Kläger nicht in einer ihm zukommenden Rechtsposition. Der Festsetzung kommt keine drittschützende Wirkung zu.
122Ob einer Festsetzung im Bebauungsplan Drittschutz zukommt, entscheidet der Planungsträger grundsätzlich nach eigenem Ermessen; ausgenommen hiervon sind die Baugebietsfestsetzungen nach der BauNVO, denen grundsätzlich nachbarschützende Wirkung zukommt, sowie solche Festsetzungen, deren Drittschutz sich - wie etwa bei § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB - unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung ergibt. Liegt - wie hier - ein solcher Fall nicht vor, hängt die nachbarschützende Wirkung von Festsetzungen im Bebauungsplan davon ab, ob diese nach dem ersichtlichen Willen des Plangebers drittschützend sein soll, also welchen Zweck er mit der Festsetzung verfolgt.
123Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 7. September 1988 - 4 N 1.87 -, BVerwGE 80, 184 = juris Rn. 22, und vom 9. Oktober 1991 - 4 B 137.91 -, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 104 = juris Rn. 5; Urteil vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151 = juris Rn. 11 f.; OVG NRW, Beschluss vom 10. Juli 2003 - 10 B 629/03 -, BRS 66 Nr. 183 = juris Rn. 17; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14. Oktober 1999 ‑ 8 S 2396/99 -, juris Rn. 3; Rieger, in: Schrödter, BauGB, 8. Auflage 2015, § 30 Rn. 32.
124Vorliegend ergeben sich weder aus dem Bebauungsplan als solchem noch aus den vom Senat beigezogenen Aufstellungsvorgängen des Siedlungsverbands Ruhrkohlenbezirk Hinweise auf eine beabsichtigte drittschützende Wirkung der festgesetzten Fläche für die Landwirtschaft. Im Gegenteil führt die Begründung des Bebauungsplanentwurfs aus, das S. gewinne als Erholungsgebiet ständig an Bedeutung; gleichzeitig sei es in seinem landschaftlichen Charakter durch Bauabsichten gefährdet. Der Bebauungsplan solle im öffentlichen Interesse diesen Bereich für die Erholung der Bevölkerung sichern und vor einer nicht vertretbaren Bebauung sichern. In einem Vermerk über die beabsichtigten Festsetzungen vom 29. August 1961 werden diesbezüglich die „von der Bebauung freizuhaltenden Grundstücke, die nicht als öffentliche Grünfläche, wohl aber als Fläche für die Land- und Forstwirtschaft vorgesehen sind“ angeführt.
125VI. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, die Befreiung von den Festsetzungen des Landschaftsplans sei zu Unrecht erfolgt. Dabei kann der Senat offenlassen, in welchem Verhältnis der immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbescheid zu der von der unteren Landschaftsbehörde am 5. Juli 2012 erteilten Befreiung von den Festsetzungen steht. Letztere dürfte sich wegen Verstoßes gegen § 13 BImSchG als rechtswidrig erweisen, weil eine vorweggenommene landschaftsrechtliche Befreiung der Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zuwiderläuft.
126Vgl. Seibert, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, Stand: 1. Mai 2015, § 13 BImSchG Rn. 89b m. w. N.
127Auch wenn die Befreiung (zusätzlich) Gegenstand des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheids ist, schützt das Bauverbot unter Ziffer C.2.2.1 III. Nr. 4 des Landschaftsplans den Kläger nicht. Vorschriften des Natur- und Landschaftsschutzes kommt grundsätzlich keine nachbarschützende Wirkung zu, da sie allein im öffentlichen Interesse erlassen werden und öffentlichen Zielen zu dienen bestimmt ist.
128Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 24. Juni 2010 - 8 A 2764/09 -, BRS 76 Nr. 184 = juris Rn. 82; Bay. VGH, Beschluss vom 27. Juli 2010 ‑ 15 CS 10.37 -, juris Rn. 24; VG Düsseldorf, Urteil vom 10. März 2015 - 3 K 9246/12 -, juris Rn. 32; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1987 - 4 NB 1.87 -, NVwZ 1988, 728 = juris Rn. 22, und Urteil vom 17. Januar 2001 - 6 CN 3.00 -, Buchholz 406.401 § 15 BNatSchG Nr. 10 = juris Rn. 8.
129Im Übrigen wäre die Beklagte mangels Anfechtung des zwar rechtswidrigen, aber nicht nichtigen Befreiungsbescheids vom 5. Juli 2012 an die bereits erteilte Befreiungsentscheidung gebunden.
130Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da dieser in beiden Instanzen einen Antrag gestellt und sich somit jeweils einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat.
131Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
132Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
(1) Eine nach § 3 anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung kann, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen einlegen, wenn die Vereinigung
- 1.
geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht, - 2.
geltend macht, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen berührt zu sein, und - 3.
im Falle eines Verfahrens nach - a)
§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b zur Beteiligung berechtigt war; - b)
§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 zur Beteiligung berechtigt war und sie sich hierbei in der Sache gemäß den geltenden Rechtsvorschriften geäußert hat oder ihr entgegen den geltenden Rechtsvorschriften keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist.
(2) Eine Vereinigung, die nicht nach § 3 anerkannt ist, kann einen Rechtsbehelf nach Absatz 1 nur dann einlegen, wenn
- 1.
sie bei Einlegung des Rechtsbehelfs die Voraussetzungen für eine Anerkennung erfüllt, - 2.
sie einen Antrag auf Anerkennung gestellt hat und - 3.
über eine Anerkennung aus Gründen, die von der Vereinigung nicht zu vertreten sind, noch nicht entschieden ist.
(3) Ist eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 nach den geltenden Rechtsvorschriften weder öffentlich bekannt gemacht noch der Vereinigung bekannt gegeben worden, so müssen Widerspruch oder Klage binnen eines Jahres erhoben werden, nachdem die Vereinigung von der Entscheidung Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können. Widerspruch oder Klage gegen eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 oder 6 müssen jedoch spätestens binnen zweier Jahre, nachdem der Verwaltungsakt erteilt wurde, erhoben werden. Satz 1 gilt entsprechend, wenn eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 entgegen geltenden Rechtsvorschriften nicht getroffen worden ist und die Vereinigung von diesem Umstand Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können.
(4) Rechtsbehelfe nach Absatz 1 sind begründet, soweit
- 1.
die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 oder deren Unterlassen gegen Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind, oder - 2.
die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2a bis 6 oder deren Unterlassen gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind,
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
(1) Das Genehmigungsverfahren setzt einen schriftlichen oder elektronischen Antrag voraus. Dem Antrag sind die zur Prüfung nach § 6 erforderlichen Zeichnungen, Erläuterungen und sonstigen Unterlagen beizufügen. Reichen die Unterlagen für die Prüfung nicht aus, so hat sie der Antragsteller auf Verlangen der zuständigen Behörde innerhalb einer angemessenen Frist zu ergänzen. Erfolgt die Antragstellung elektronisch, kann die zuständige Behörde Mehrfertigungen sowie die Übermittlung der dem Antrag beizufügenden Unterlagen auch in schriftlicher Form verlangen.
(1a) Der Antragsteller, der beabsichtigt, eine Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie zu betreiben, in der relevante gefährliche Stoffe verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden, hat mit den Unterlagen nach Absatz 1 einen Bericht über den Ausgangszustand vorzulegen, wenn und soweit eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück durch die relevanten gefährlichen Stoffe möglich ist. Die Möglichkeit einer Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers besteht nicht, wenn auf Grund der tatsächlichen Umstände ein Eintrag ausgeschlossen werden kann.
(2) Soweit Unterlagen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, sind die Unterlagen zu kennzeichnen und getrennt vorzulegen. Ihr Inhalt muss, soweit es ohne Preisgabe des Geheimnisses geschehen kann, so ausführlich dargestellt sein, dass es Dritten möglich ist, zu beurteilen, ob und in welchem Umfang sie von den Auswirkungen der Anlage betroffen werden können.
(3) Sind die Unterlagen des Antragstellers vollständig, so hat die zuständige Behörde das Vorhaben in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem entweder im Internet oder in örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Standortes der Anlage verbreitet sind, öffentlich bekannt zu machen. Der Antrag und die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen, mit Ausnahme der Unterlagen nach Absatz 2 Satz 1, sowie die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der Behörde im Zeitpunkt der Bekanntmachung vorliegen, sind nach der Bekanntmachung einen Monat zur Einsicht auszulegen. Weitere Informationen, die für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens von Bedeutung sein können und die der zuständigen Behörde erst nach Beginn der Auslegung vorliegen, sind der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen. Bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann die Öffentlichkeit gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch Einwendungen erheben; bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie gilt eine Frist von einem Monat. Mit Ablauf der Einwendungsfrist sind für das Genehmigungsverfahren alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen. Einwendungen, die auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen, sind auf den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten zu verweisen.
(3a) Nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannte Vereinigungen sollen die zuständige Behörde in einer dem Umweltschutz dienenden Weise unterstützen.
(4) In der Bekanntmachung nach Absatz 3 Satz 1 ist
- 1.
darauf hinzuweisen, wo und wann der Antrag auf Erteilung der Genehmigung und die Unterlagen zur Einsicht ausgelegt sind; - 2.
dazu aufzufordern, etwaige Einwendungen bei einer in der Bekanntmachung zu bezeichnenden Stelle innerhalb der Einwendungsfrist vorzubringen; dabei ist auf die Rechtsfolgen nach Absatz 3 Satz 5 hinzuweisen; - 3.
ein Erörterungstermin zu bestimmen und darauf hinzuweisen, dass er auf Grund einer Ermessensentscheidung der Genehmigungsbehörde nach Absatz 6 durchgeführt wird und dass dann die formgerecht erhobenen Einwendungen auch bei Ausbleiben des Antragstellers oder von Personen, die Einwendungen erhoben haben, erörtert werden; - 4.
darauf hinzuweisen, dass die Zustellung der Entscheidung über die Einwendungen durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden kann.
(5) Die für die Erteilung der Genehmigung zuständige Behörde (Genehmigungsbehörde) holt die Stellungnahmen der Behörden ein, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird. Hat eine zu beteiligende Behörde bei einem Verfahren zur Genehmigung einer Anlage zur Nutzung erneuerbarer Energien innerhalb einer Frist von einem Monat keine Stellungnahme abgegeben, so ist davon auszugehen, dass die beteiligte Behörde sich nicht äußern will. Die zuständige Behörde hat die Entscheidung in diesem Fall auf Antrag auf der Grundlage der geltenden Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ablaufs der Monatsfrist zu treffen. Soweit für das Vorhaben selbst oder für weitere damit unmittelbar in einem räumlichen oder betrieblichen Zusammenhang stehende Vorhaben, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können und die für die Genehmigung Bedeutung haben, eine Zulassung nach anderen Gesetzen vorgeschrieben ist, hat die Genehmigungsbehörde eine vollständige Koordinierung der Zulassungsverfahren sowie der Inhalts- und Nebenbestimmungen sicherzustellen.
(5a) Betrifft das Vorhaben eine Anlage, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Neufassung) (ABl. L 328 vom 21.12.2018, S. 82) fällt, gilt ergänzend Folgendes:
- 1.
Auf Antrag des Trägers des Vorhabens wird das Genehmigungsverfahren sowie alle sonstigen Zulassungsverfahren, die für die Durchführung des Vorhabens nach Bundes- oder Landesrecht erforderlich sind, über eine einheitliche Stelle abgewickelt. - 2.
Die einheitliche Stelle nach Nummer 1 stellt ein Verfahrenshandbuch für Träger von Vorhaben bereit und macht diese Informationen auch im Internet zugänglich. Dabei geht sie gesondert auch auf kleinere Vorhaben und Vorhaben zur Eigenversorgung mit Elektrizität ein, soweit sich das Genehmigungserfordernis nach § 1 Absatz 2 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen darauf erstreckt. In den im Internet veröffentlichten Informationen weist die einheitliche Stelle auch darauf hin, für welche Vorhaben sie zuständig ist und welche weiteren einheitlichen Stellen im jeweiligen Land für Vorhaben nach Satz 1 zuständig sind. - 3.
Die zuständige und die zu beteiligenden Behörden sollen die zur Prüfung des Antrags zusätzlich erforderlichen Unterlagen in einer einmaligen Mitteilung an den Antragsteller zusammenfassen. Nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen erstellt die Genehmigungsbehörde einen Zeitplan für das weitere Verfahren und teilt diesen Zeitplan in den Fällen der Nummer 1 der einheitlichen Stelle, andernfalls dem Antragsteller mit.
(6) Nach Ablauf der Einwendungsfrist kann die Genehmigungsbehörde die rechtzeitig gegen das Vorhaben erhobenen Einwendungen mit dem Antragsteller und denjenigen, die Einwendungen erhoben haben, erörtern.
(6a) Über den Genehmigungsantrag ist nach Eingang des Antrags und der nach Absatz 1 Satz 2 einzureichenden Unterlagen innerhalb einer Frist von sieben Monaten, in vereinfachten Verfahren innerhalb einer Frist von drei Monaten, zu entscheiden. Die zuständige Behörde kann die Frist um jeweils drei Monate verlängern, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Prüfung oder aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, erforderlich ist. Die Fristverlängerung soll gegenüber dem Antragsteller begründet werden.
(7) Der Genehmigungsbescheid ist schriftlich zu erlassen, schriftlich zu begründen und dem Antragsteller und den Personen, die Einwendungen erhoben haben, zuzustellen. Er ist, soweit die Zustellung nicht nach Absatz 8 erfolgt, öffentlich bekannt zu machen. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt nach Maßgabe des Absatzes 8.
(8) Die Zustellung des Genehmigungsbescheids an die Personen, die Einwendungen erhoben haben, kann durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. Die öffentliche Bekanntmachung wird dadurch bewirkt, dass der verfügende Teil des Bescheides und die Rechtsbehelfsbelehrung in entsprechender Anwendung des Absatzes 3 Satz 1 bekannt gemacht werden; auf Auflagen ist hinzuweisen. In diesem Fall ist eine Ausfertigung des gesamten Bescheides vom Tage nach der Bekanntmachung an zwei Wochen zur Einsicht auszulegen. In der öffentlichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo und wann der Bescheid und seine Begründung eingesehen und nach Satz 6 angefordert werden können. Mit dem Ende der Auslegungsfrist gilt der Bescheid auch gegenüber Dritten, die keine Einwendung erhoben haben, als zugestellt; darauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen. Nach der öffentlichen Bekanntmachung können der Bescheid und seine Begründung bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist von den Personen, die Einwendungen erhoben haben, schriftlich oder elektronisch angefordert werden.
(8a) Unbeschadet der Absätze 7 und 8 sind bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie folgende Unterlagen im Internet öffentlich bekannt zu machen:
- 1.
der Genehmigungsbescheid mit Ausnahme in Bezug genommener Antragsunterlagen und des Berichts über den Ausgangszustand sowie - 2.
die Bezeichnung des für die betreffende Anlage maßgeblichen BVT-Merkblatts.
(9) Die Absätze 1 bis 8 gelten entsprechend für die Erteilung eines Vorbescheides.
(10) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren zu regeln; in der Rechtsverordnung kann auch das Verfahren bei Erteilung einer Genehmigung im vereinfachten Verfahren (§ 19) sowie bei der Erteilung eines Vorbescheides (§ 9), einer Teilgenehmigung (§ 8) und einer Zulassung vorzeitigen Beginns (§ 8a) geregelt werden. In der Verordnung ist auch näher zu bestimmen, welchen Anforderungen das Genehmigungsverfahren für Anlagen genügen muss, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.
(11) Das Bundesministerium der Verteidigung wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren für Anlagen, die der Landesverteidigung dienen, abweichend von den Absätzen 1 bis 9 zu regeln.
(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.
(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.
(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.
(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.
(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.
(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, - 2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und - 3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.
(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.
(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.
(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.
(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.
(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.
(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.
(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:
- 1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit, - 2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte, - 3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen, - 4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie - 5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.
(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.
(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.
(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.
(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.
(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.
(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien
(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.
(1) Das Genehmigungsverfahren setzt einen schriftlichen oder elektronischen Antrag voraus. Dem Antrag sind die zur Prüfung nach § 6 erforderlichen Zeichnungen, Erläuterungen und sonstigen Unterlagen beizufügen. Reichen die Unterlagen für die Prüfung nicht aus, so hat sie der Antragsteller auf Verlangen der zuständigen Behörde innerhalb einer angemessenen Frist zu ergänzen. Erfolgt die Antragstellung elektronisch, kann die zuständige Behörde Mehrfertigungen sowie die Übermittlung der dem Antrag beizufügenden Unterlagen auch in schriftlicher Form verlangen.
(1a) Der Antragsteller, der beabsichtigt, eine Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie zu betreiben, in der relevante gefährliche Stoffe verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden, hat mit den Unterlagen nach Absatz 1 einen Bericht über den Ausgangszustand vorzulegen, wenn und soweit eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück durch die relevanten gefährlichen Stoffe möglich ist. Die Möglichkeit einer Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers besteht nicht, wenn auf Grund der tatsächlichen Umstände ein Eintrag ausgeschlossen werden kann.
(2) Soweit Unterlagen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, sind die Unterlagen zu kennzeichnen und getrennt vorzulegen. Ihr Inhalt muss, soweit es ohne Preisgabe des Geheimnisses geschehen kann, so ausführlich dargestellt sein, dass es Dritten möglich ist, zu beurteilen, ob und in welchem Umfang sie von den Auswirkungen der Anlage betroffen werden können.
(3) Sind die Unterlagen des Antragstellers vollständig, so hat die zuständige Behörde das Vorhaben in ihrem amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem entweder im Internet oder in örtlichen Tageszeitungen, die im Bereich des Standortes der Anlage verbreitet sind, öffentlich bekannt zu machen. Der Antrag und die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen, mit Ausnahme der Unterlagen nach Absatz 2 Satz 1, sowie die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der Behörde im Zeitpunkt der Bekanntmachung vorliegen, sind nach der Bekanntmachung einen Monat zur Einsicht auszulegen. Weitere Informationen, die für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens von Bedeutung sein können und die der zuständigen Behörde erst nach Beginn der Auslegung vorliegen, sind der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen. Bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann die Öffentlichkeit gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch Einwendungen erheben; bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie gilt eine Frist von einem Monat. Mit Ablauf der Einwendungsfrist sind für das Genehmigungsverfahren alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen. Einwendungen, die auf besonderen privatrechtlichen Titeln beruhen, sind auf den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten zu verweisen.
(3a) Nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz anerkannte Vereinigungen sollen die zuständige Behörde in einer dem Umweltschutz dienenden Weise unterstützen.
(4) In der Bekanntmachung nach Absatz 3 Satz 1 ist
- 1.
darauf hinzuweisen, wo und wann der Antrag auf Erteilung der Genehmigung und die Unterlagen zur Einsicht ausgelegt sind; - 2.
dazu aufzufordern, etwaige Einwendungen bei einer in der Bekanntmachung zu bezeichnenden Stelle innerhalb der Einwendungsfrist vorzubringen; dabei ist auf die Rechtsfolgen nach Absatz 3 Satz 5 hinzuweisen; - 3.
ein Erörterungstermin zu bestimmen und darauf hinzuweisen, dass er auf Grund einer Ermessensentscheidung der Genehmigungsbehörde nach Absatz 6 durchgeführt wird und dass dann die formgerecht erhobenen Einwendungen auch bei Ausbleiben des Antragstellers oder von Personen, die Einwendungen erhoben haben, erörtert werden; - 4.
darauf hinzuweisen, dass die Zustellung der Entscheidung über die Einwendungen durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden kann.
(5) Die für die Erteilung der Genehmigung zuständige Behörde (Genehmigungsbehörde) holt die Stellungnahmen der Behörden ein, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird. Hat eine zu beteiligende Behörde bei einem Verfahren zur Genehmigung einer Anlage zur Nutzung erneuerbarer Energien innerhalb einer Frist von einem Monat keine Stellungnahme abgegeben, so ist davon auszugehen, dass die beteiligte Behörde sich nicht äußern will. Die zuständige Behörde hat die Entscheidung in diesem Fall auf Antrag auf der Grundlage der geltenden Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ablaufs der Monatsfrist zu treffen. Soweit für das Vorhaben selbst oder für weitere damit unmittelbar in einem räumlichen oder betrieblichen Zusammenhang stehende Vorhaben, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können und die für die Genehmigung Bedeutung haben, eine Zulassung nach anderen Gesetzen vorgeschrieben ist, hat die Genehmigungsbehörde eine vollständige Koordinierung der Zulassungsverfahren sowie der Inhalts- und Nebenbestimmungen sicherzustellen.
(5a) Betrifft das Vorhaben eine Anlage, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (Neufassung) (ABl. L 328 vom 21.12.2018, S. 82) fällt, gilt ergänzend Folgendes:
- 1.
Auf Antrag des Trägers des Vorhabens wird das Genehmigungsverfahren sowie alle sonstigen Zulassungsverfahren, die für die Durchführung des Vorhabens nach Bundes- oder Landesrecht erforderlich sind, über eine einheitliche Stelle abgewickelt. - 2.
Die einheitliche Stelle nach Nummer 1 stellt ein Verfahrenshandbuch für Träger von Vorhaben bereit und macht diese Informationen auch im Internet zugänglich. Dabei geht sie gesondert auch auf kleinere Vorhaben und Vorhaben zur Eigenversorgung mit Elektrizität ein, soweit sich das Genehmigungserfordernis nach § 1 Absatz 2 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen darauf erstreckt. In den im Internet veröffentlichten Informationen weist die einheitliche Stelle auch darauf hin, für welche Vorhaben sie zuständig ist und welche weiteren einheitlichen Stellen im jeweiligen Land für Vorhaben nach Satz 1 zuständig sind. - 3.
Die zuständige und die zu beteiligenden Behörden sollen die zur Prüfung des Antrags zusätzlich erforderlichen Unterlagen in einer einmaligen Mitteilung an den Antragsteller zusammenfassen. Nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen erstellt die Genehmigungsbehörde einen Zeitplan für das weitere Verfahren und teilt diesen Zeitplan in den Fällen der Nummer 1 der einheitlichen Stelle, andernfalls dem Antragsteller mit.
(6) Nach Ablauf der Einwendungsfrist kann die Genehmigungsbehörde die rechtzeitig gegen das Vorhaben erhobenen Einwendungen mit dem Antragsteller und denjenigen, die Einwendungen erhoben haben, erörtern.
(6a) Über den Genehmigungsantrag ist nach Eingang des Antrags und der nach Absatz 1 Satz 2 einzureichenden Unterlagen innerhalb einer Frist von sieben Monaten, in vereinfachten Verfahren innerhalb einer Frist von drei Monaten, zu entscheiden. Die zuständige Behörde kann die Frist um jeweils drei Monate verlängern, wenn dies wegen der Schwierigkeit der Prüfung oder aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, erforderlich ist. Die Fristverlängerung soll gegenüber dem Antragsteller begründet werden.
(7) Der Genehmigungsbescheid ist schriftlich zu erlassen, schriftlich zu begründen und dem Antragsteller und den Personen, die Einwendungen erhoben haben, zuzustellen. Er ist, soweit die Zustellung nicht nach Absatz 8 erfolgt, öffentlich bekannt zu machen. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt nach Maßgabe des Absatzes 8.
(8) Die Zustellung des Genehmigungsbescheids an die Personen, die Einwendungen erhoben haben, kann durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. Die öffentliche Bekanntmachung wird dadurch bewirkt, dass der verfügende Teil des Bescheides und die Rechtsbehelfsbelehrung in entsprechender Anwendung des Absatzes 3 Satz 1 bekannt gemacht werden; auf Auflagen ist hinzuweisen. In diesem Fall ist eine Ausfertigung des gesamten Bescheides vom Tage nach der Bekanntmachung an zwei Wochen zur Einsicht auszulegen. In der öffentlichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo und wann der Bescheid und seine Begründung eingesehen und nach Satz 6 angefordert werden können. Mit dem Ende der Auslegungsfrist gilt der Bescheid auch gegenüber Dritten, die keine Einwendung erhoben haben, als zugestellt; darauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen. Nach der öffentlichen Bekanntmachung können der Bescheid und seine Begründung bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist von den Personen, die Einwendungen erhoben haben, schriftlich oder elektronisch angefordert werden.
(8a) Unbeschadet der Absätze 7 und 8 sind bei Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie folgende Unterlagen im Internet öffentlich bekannt zu machen:
- 1.
der Genehmigungsbescheid mit Ausnahme in Bezug genommener Antragsunterlagen und des Berichts über den Ausgangszustand sowie - 2.
die Bezeichnung des für die betreffende Anlage maßgeblichen BVT-Merkblatts.
(9) Die Absätze 1 bis 8 gelten entsprechend für die Erteilung eines Vorbescheides.
(10) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren zu regeln; in der Rechtsverordnung kann auch das Verfahren bei Erteilung einer Genehmigung im vereinfachten Verfahren (§ 19) sowie bei der Erteilung eines Vorbescheides (§ 9), einer Teilgenehmigung (§ 8) und einer Zulassung vorzeitigen Beginns (§ 8a) geregelt werden. In der Verordnung ist auch näher zu bestimmen, welchen Anforderungen das Genehmigungsverfahren für Anlagen genügen muss, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.
(11) Das Bundesministerium der Verteidigung wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren für Anlagen, die der Landesverteidigung dienen, abweichend von den Absätzen 1 bis 9 zu regeln.
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
(1) Eine nach § 3 anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung kann, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen einlegen, wenn die Vereinigung
- 1.
geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht, - 2.
geltend macht, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen berührt zu sein, und - 3.
im Falle eines Verfahrens nach - a)
§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b zur Beteiligung berechtigt war; - b)
§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 zur Beteiligung berechtigt war und sie sich hierbei in der Sache gemäß den geltenden Rechtsvorschriften geäußert hat oder ihr entgegen den geltenden Rechtsvorschriften keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist.
(2) Eine Vereinigung, die nicht nach § 3 anerkannt ist, kann einen Rechtsbehelf nach Absatz 1 nur dann einlegen, wenn
- 1.
sie bei Einlegung des Rechtsbehelfs die Voraussetzungen für eine Anerkennung erfüllt, - 2.
sie einen Antrag auf Anerkennung gestellt hat und - 3.
über eine Anerkennung aus Gründen, die von der Vereinigung nicht zu vertreten sind, noch nicht entschieden ist.
(3) Ist eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 nach den geltenden Rechtsvorschriften weder öffentlich bekannt gemacht noch der Vereinigung bekannt gegeben worden, so müssen Widerspruch oder Klage binnen eines Jahres erhoben werden, nachdem die Vereinigung von der Entscheidung Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können. Widerspruch oder Klage gegen eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 oder 6 müssen jedoch spätestens binnen zweier Jahre, nachdem der Verwaltungsakt erteilt wurde, erhoben werden. Satz 1 gilt entsprechend, wenn eine Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 entgegen geltenden Rechtsvorschriften nicht getroffen worden ist und die Vereinigung von diesem Umstand Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können.
(4) Rechtsbehelfe nach Absatz 1 sind begründet, soweit
- 1.
die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 oder deren Unterlassen gegen Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind, oder - 2.
die Entscheidung nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2a bis 6 oder deren Unterlassen gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind,
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 30. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladenen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,- Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Antragstellerin betreibt einen Schweinehaltungsbetrieb in W. , dessen (baurechtlich) genehmigter Bestand u. a. 230 Sauen und 990 zugehörige Ferkelaufzuchtplätze umfasst. Mit Bescheid vom 9. Januar 2014 erteilte der Antragsgegner der Antragstellerin die immissionsschutzrechtliche Genehmigung u. a. zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zur Aufzucht und zum Halten von 2.200 Mastschweinen und eines neuen Güllehochbehälters mit 2.500 m³ Lagervolumen auf dem Grundstück Gemarkung E. , Flur , Flurstück .
4Auf der westlich unmittelbar angrenzenden Hofstelle betreiben die Beigeladenen Schweinehaltung mit 650 Mastschweinen, 68 Sauen und 200 Aufzuchtferkeln. Das zugehörige Betriebsleiterwohnhaus bewohnen sie selbst. Ein im Osten bzw. Südosten an den Betrieb der Antragstellerin angrenzendes, vermietetes Mehrparteienwohnhaus gehört ebenfalls den Beigeladenen; dabei handelt es sich wohl um das Doppelhaus O.
5In dem nach § 10 BImSchG durchgeführten Genehmigungsverfahren wandte sich der Beigeladene zu 2. gegen das Vorhaben mit der nicht näher spezifizierten Begründung, er befürchte „dadurch“ einen erheblichen Mietzinsverlust bei seinen sieben Mietwohnungen.
6Die Beigeladenen erhoben gegen die Genehmigung fristgerecht Klage (VG Düsseldorf 3 K 463/14). Nachdem der Antragsgegner die von ihm angeordnete sofortige Vollziehung des Genehmigungsbescheids während eines laufenden Eilrechtsschutzverfahrens (VG Düsseldorf 3 L 151/14) auf Weisung der Bezirksregierung Düsseldorf wieder aufgehoben hatte, ordnete das Verwaltungsgericht Düsseldorf auf Antrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 19. März 2015 (3 L 667/15) die sofortige Vollziehung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 9. Januar 2014 an. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Beigeladenen wies der Senat mit Beschluss vom 30. Juli 2015 - 8 B 430/15 - zurück. Die gerichtlichen Eilentscheidungen waren maßgeblich darauf gestützt, dass die Beigeladenen mit ihren Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der im Hauptsacheverfahren angefochtenen Genehmigung nach § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG ausgeschlossen seien.
7Am 29. Oktober 2015 haben die Beigeladenen einen Abänderungsantrag nach §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 7 VwGO gestellt. Zur Begründung haben sie geltend gemacht, dass die Präklusionsregelung des § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG nach Maßgabe der Entscheidung des EuGH vom 15. Oktober 2015 (Kommission/Deutschland, Rs. C-137/14) unionsrechtswidrig und daher nicht anzuwenden sei. Im Übrigen haben sie auf ihre in den vorangegangenen Eilrechtsschutzverfahren und dem anhängigen Klageverfahren geltend gemachten Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung Bezug genommen.
8Mit Beschluss vom 30. Oktober 2015 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der EuGH habe seine Entscheidung nur zu § 2 Abs. 3 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) und § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG getroffen und im Übrigen den Vorbehalt gemacht, dass eine Zurückweisung missbräuchlich erhobener Einwendungen weiterhin möglich sei. Es sei offen, ob danach im vorliegenden Fall weiterhin von einer Präklusion auszugehen sei. Damit verbleibe es bei der bisher getroffenen Interessenabwägung zu Lasten der Beigeladenen.
9Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beigeladenen.
10Die Stallanlage ist inzwischen errichtet und in Betrieb genommen worden.
11II.
12Die Beschwerde mit dem Antrag,
13unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 30. Oktober 2015 - 3 L 3570/15 - den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 19. März 2015 - 3 L 667/15 - abzuändern und den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der sofortigen Vollziehung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung des Antragsgegners vom 9. Januar 2014 zurückzuweisen,
14hat keinen Erfolg.
15Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat nach Maßgabe des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zwar durchgreifend in Frage. Der angegriffene Beschluss stellt sich jedoch im Ergebnis als richtig dar, was der Senat insoweit von Amts wegen zu prüfen hat.
16Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. März 2002 - 7 B 315/02 -, NVwZ 2002, 1390 = juris Rn. 5; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14. März 2013 - 8 S 2504/12 ‑, DVBl. 2013, 795 = juris Rn. 11; Bay. VGH, Beschluss vom 21. Mai 2003 - 1 CS 03.60 -, NVwZ 2004, 251 = juris Rn. 16.
17Der Abänderungsantrag ist zulässig (dazu 1.), aber unbegründet (dazu 2.).
181. Der Antrag ist gemäß §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zulässig.
19Nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben. Nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Bei der Ausgangsentscheidung handelt es sich zwar im engen Sinne nicht um einen Beschluss über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, weil er nicht einen Antrag auf Aussetzung, sondern auf Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80a Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Nr. 1 VwGO betraf. Da § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO jedoch für alle von § 80a Abs. 3 Satz 1 VwGO erfassten Fallgestaltungen (u. a.) auf § 80 Abs. 7 VwGO verweist, ist ein Abänderungsantrag auch in dieser umgekehrten Konstellation statthaft.
20Vgl. Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), VwGO, § 80 Rn. 556; ebenso bereits zur früheren Rechtslage VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18. Oktober 1988 - 8 S 2797/88 -, NVwZ-RR 1989, 398.
21Die weiteren Voraussetzungen des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO liegen ebenfalls vor.
22a) Bei der bezeichneten Entscheidung des EuGH vom 15. Oktober 2015 handelt es sich um eine Veränderung entscheidungserheblicher Umstände im Sinne des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO. Diese Vorschrift erfasst sowohl Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse als auch der Rechtslage.
23Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14. Februar 2007 - 13 S 2969/06 -, NVwZ-RR 2007, 419 = juris Rn. 3; Puttler, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 4. Aufl. 2014, § 80 Rn. 185.
24Voraussetzung ist lediglich, dass die jeweiligen Umstände entscheidungserheblich sind.
25Vgl. OVG M.-V., Beschluss vom 16. Mai 2011 - 1 M 54/11 -, NVwZ-RR 2011, 959 = juris Rn. 7; Puttler, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 4. Aufl. 2014, § 80 Rn. 185.
26Auch eine nachträgliche Änderung höchstrichterlicher Rechtsprechung oder die Klärung einer umstrittenen Rechtsfrage gehören zu den nach § 80 Abs. 7 VwGO zu berücksichtigenden Umständen, falls sich solche Erkenntnisse auf die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs auswirken.
27Vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 7. Oktober 2004 ‑ 11 ME 289/04 -, NVwZ 2005, 236 = juris Rn. 7.
28Insoweit kommt es vorliegend nicht darauf an, ob die hier geltend gemachte Unionsrechtswidrigkeit des § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG von Anfang an bestand und nur nicht erkannt wurde oder sich erst mit der Entscheidung des EuGH aktualisierte. Jedenfalls ist § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO im Lichte des Effektivitätsgebots (Art. 4 Abs. 3 EUV) so auszulegen, dass die wirksame Durchsetzung des Unionsrechts innerhalb des geltenden prozessrechtlichen Regelungswerks ermöglicht wird. Hiernach darf die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts im Vollzug nicht durch das nationale Verfahrens- bzw. Prozessrecht und dessen Anwendung faktisch vereitelt oder erheblich erschwert werden.
29Ständige Rechtsprechung, z. B. EuGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - C-169/14 - (Morcillo und García), DVBl. 2014, 1457 = juris Rn. 31 m. w. N.
30Dem ist auch bei der Anwendung und Auslegung des Rechtsmittelrechts Rechnung zu tragen, sofern verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz in Anspruch genommen wird, um Rechte durchzusetzen, die das Unionsrecht den Bürgerinnen und Bürgern einräumt.
31Vgl. etwa Frey, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2013, Vor § 124 Rn. 69; Gärditz, in: Rengeling/Middeke/ Gellermann (Hrsg.), Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 3. Aufl. 2014, § 35 Rn. 65.
32Dementsprechend ist ein Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO im Rahmen des insoweit deutungsoffenen Wortlautes auch dann statthaft, wenn dieser gestellt wird, um eine behauptete, auf Grund nachträglicher Rechtsprechung des EuGH erkannte Unionsrechtswidrigkeit der Entscheidungsprämissen im Ausgangsverfahren durch Abänderung zu korrigieren.
33Entsprechendes folgt auch aus dem verfassungsrechtlichen Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten (Art. 19 Abs. 4 GG). Das BVerfG hat hierzu ausgeführt, dass ein Abänderungsantrag in verfassungskonformer Auslegung des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO auch auf eine geänderte Rechtsprechung des EuGH gestützt werden könne, „da die höchstrichterliche Klärung einer umstrittenen Rechtsfrage, die zu einer Veränderung der Umstände im Sinne des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO führen kann, auch durch den Europäischen Gerichtshof möglich ist“.
34Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. August 2004 - 1 BvR 1446/04 -, BVerfGK 4, 36 = juris Rn. 19.
35b) Die in Bezug genommene Entscheidung des EuGH erweist sich vorliegend auch als entscheidungserheblich im Sinne des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO. Sie führt bereits bei summarischer Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Beigeladenen - anders als im vorausgegangenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes angenommen - mit den geltend gemachten Rechtsverletzungen durch Geruchsimmissionen und Bioaerosole, die auch die Antragsbefugnis jedenfalls eröffnen, sowie mit den Einwänden gegen die ordnungsgemäße Durchführung der Umweltverträglichkeitsvorprüfung nicht ausgeschlossen sind.
36Der Gerichtshof hat eine nationale Regelung, wonach zu spät vorgebrachte Einwendungen materiell präkludiert sind, im Anwendungsbereich des Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABlEU L 26/1 (UVP-Richtlinie) bzw. des Art. 25 der Richtlinie 2010/75/EU vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung), ABlEU L 334/17 (IE-Richtlinie) für unvereinbar mit der unionsrechtlichen Verpflichtung erklärt, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht zu gewährleisten, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten.
37Vgl. EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015, ‑ C‑137/14 - (Kommission/Bundesrepublik Deutschland), NJW 2015, 3495 = juris Rn. 77 ff.
38Konkret betraf die Entscheidung die Präklusionsregelungen in § 2 Abs. 3 UmwRG und § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG. Dass sich der EuGH in seiner Entscheidung zu der inhaltsgleichen Regelung des § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG nicht geäußert hat, ist dem Streitgegenstand des Vertragsverletzungsverfahrens geschuldet. Die Kommission hatte lediglich die Regelungen des § 2 Abs. 3 UmwRG und § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG beanstandet (vgl. Rn. 68 des Urteils vom 15. Oktober 2015), Rechtsbehelfe Einzelner gegen Anlagengenehmigungen aber offenbar nicht im Blick gehabt. Der EuGH war an die von der Kommission im Rahmen des Verfahrens nach Art. 258 AEUV erhobenen Beanstandungen gebunden.
39Diese Eingrenzung der von dem EuGH im Urteil vom 15. Oktober 2015 betrachteten Präklusionsnormen entbindet die nationalen Gerichte nicht von der Verpflichtung zu prüfen, ob vergleichbare Vorschriften unionsrechtswidrig sind, und diese gegebenenfalls aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet zu lassen. Diese Verpflichtung hängt nicht davon ab, ob sich der EuGH zu der Vereinbarkeit der konkreten Vorschrift bereits geäußert hat. Hat das Gericht insoweit Zweifel, kann es den Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 2 AEUV um Klärung ersuchen.
40Ständige Rechtsprechung, vgl. etwa EuGH, Urteil vom 19. Januar 2010 - C-555/07 -, Slg. 2010, I-365 = juris Rn. 51 ff.; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 9. Juni 1971 - 2 BvR 225/69 -, BVerfGE 31, 145 = juris Rn. 94.
41Vorliegend steht auch ohne eine erneute Befassung des EuGH außer Zweifel, dass § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG ebenfalls unionsrechtswidrig und unanwendbar ist, soweit es um Vorhaben geht, die in den Anwendungsbereich der IE-Richtlinie bzw. der UVP-Richtlinie fallen.
42Die Regelung des § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG ist wortlautgleich mit § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG. Sie gilt für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung und erfüllt dort dieselbe Funktion wie § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG im Planfeststellungsverfahren. Die Erwägung des Gerichtshofs, dass § 2 Abs. 3 UmwRG und § 73 Abs. 4 VwVfG besondere Bedingungen aufstellen, die die gerichtliche Kontrolle einschränkten und die weder nach Art. 11 UVP-Richtlinie noch nach Art. 25 IE-Richtlinie vorgesehen seien,
43EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015, - C-137/14 - (Kommission/Bundesrepublik Deutschland), NJW 2015, 3495 = juris Rn. 78,
44trifft in gleicher Weise auf § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG zu. Die Einschätzung, dass die Überlegungen des EuGH auf § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG ohne weiteres übertragbar sind, wird daher auch in der Literatur geteilt.
45Vgl. Zeissler/Schmitz, UPR 2016, 1, 4; Sinner, UPR 2016, 9 f.; Otto, NVwZ 2016, 292; Berkemann, DVBl. 2016, 205, 214; Keller/Rövekamp, NVwZ 2015, 1665, 1672; Fellenberg, NVwZ 2015, 1721, 1724; Ludwigs, NJW 2015, 3484, 3487, sowie bereits vor der Entscheidung Bunge, ZUR 2015, 531, 535; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2015 - 7 C 15.13 -, AUR 2016, 50 = juris Rn. 25 f., zu § 115 Abs. 1 Satz 2 LWG Rh.-Pf.
46Hiervon ist bereits bei der im Eilverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung auszugehen. Dies wird nicht durch den Einwand der Antragstellerin in Frage gestellt, die nach der Entscheidung des EuGH erforderliche umfassende materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeitskontrolle beziehe sich erst auf das Hauptsacheverfahren. Denn maßgeblicher Bestandteil der im vorliegenden summarischen Verfahren durchzuführenden Interessenabwägung ist gerade die Frage, ob die angefochtene Genehmigung voraussichtlich im Hauptsacheverfahren Bestand haben wird. Ein von den dort geltenden Maßstäben inhaltlich abweichender Prüfungsansatz verbietet sich deshalb.
47Der mit der vorliegend streitgegenständlichen Genehmigung zugelassene Schweinemastbetrieb fällt nach Art. 10 in Verbindung mit Anhang I Nr. 6.6. lit. b) in den Anwendungsbereich der IE-Richtlinie. Zugleich handelt es sich um eine „Anlage zur Intensivtierhaltung“, auf die die UVP-Richtlinie gemäß Art. 4 Abs. 2 i. V. m. Anhang II Nr. 1 e) dieser Richtlinie, hier umgesetzt durch Nr. 7.7 bis 7.9 und 7.11 der Anlage 1 zum UVPG, Anwendung findet.
48Nach allem ist im vorliegenden Fall derzeit nicht mehr davon auszugehen, dass die Antragsteller mit ihren Einwänden präkludiert sind. Zu keinem anderen Ergebnis führt die Bemerkung des Gerichtshofs, der nationale Gesetzgeber könne spezifische Verfahrensvorschriften vorsehen, nach denen z. B. ein missbräuchliches oder unredliches Vorbringen unzulässig ist.
49Vgl. EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015, a. a. O., Rn. 81.
50Ein derartiger Missbrauch kann nicht schon deshalb angenommen werden, weil die Beigeladenen im Genehmigungsverfahren trotz hinreichender Möglichkeiten keine näher spezifizierten Einwendungen erhoben haben. Darüber hinausgehende Umstände, die die Annahme eines missbräuchlichen oder unredlichen Verhaltens rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar. Ausgehend davon kann dahinstehen, ob ein etwaiges missbräuchliches Vorbringen überhaupt ohne ein vorheriges Tätigwerden des Gesetzgebers unmittelbar auf der Grundlage von § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG unberücksichtigt gelassen werden könnte.
512. Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist auch unter Berücksichtigung der Unanwendbarkeit der Präklusionsregelung aufrecht zu erhalten.
52Der Entscheidungsmaßstab im Abänderungsverfahren entspricht demjenigen im vorangegangenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, hier dem Verfahren auf Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80a Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Einen eigenständigen materiell-rechtlichen Maßstab für die Entscheidung des Gerichts enthält § 80a Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Nr. 1 VwGO nicht. Die Entscheidungskriterien ergeben sich - soweit ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug nicht erkennbar ist - aus § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, 2. Alt. VwGO, auf den § 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO Bezug nimmt. Danach kann in der auch hier vorliegenden Fallkonstellation des begünstigenden Verwaltungsakts mit drittbelastender Wirkung die sofortige Vollziehung angeordnet werden, wenn das Interesse des Begünstigten an der sofortigen Vollziehung das Interesse des Belasteten an der aufschiebenden Wirkung überwiegt. In diesem Rahmen kommt es in erster Linie darauf an, ob der die aufschiebende Wirkung auslösende Rechtsbehelf - hier die Klage der Beigeladenen gegen die der Antragstellerin erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung - bei der angezeigten summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich Erfolg haben wird. Dies ist (nur) dann der Fall, wenn die Genehmigung rechtswidrig ist und die Beigeladenen hierdurch in eigenen, gerade ihrem Schutz dienenden Rechtsnormen verletzt sind oder ihnen kraft spezialgesetzlicher Regelung ein Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung zusteht. Umgekehrt kann ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Begünstigten bejaht werden, wenn der von dem belasteten Beteiligten eingelegte Rechtsbehelf mit erheblicher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird und eine Fortdauer der grundsätzlich aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs dem Begünstigten gegenüber unbillig wäre. Darüber hinausgehende Rechtsverletzungen verschaffen dem anfechtenden Dritten keine im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigende Rechtsposition, weil ihm ein allgemeiner Gesetzesvollziehungsanspruch nicht zukommt.
53Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26. September 2008 - 13 B 1169/08 -, PharmR 2008, 607 = juris Rn. 9 ff., vom 31. März 2009 - 13 B 278/09 -, juris Rn. 7 ff., und vom 24. Mai 2012 - 8 B 225/12 -, juris Rn. 9; Bay. VGH, Beschluss vom 23. August 1991 ‑ 14 CS 91.2254 -, BayVBl. 1991, 723, 724; OVG S.‑H., Beschluss vom 22. Februar 1995, 4 M 113/94 -, juris Rn. 2; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 80a Rn. 29; vgl. weiterhin BVerfG, Beschluss vom 1. Oktober 2008 - 1 BvR 2466/08 -, BVerfGK 14, 278 = juris Rn. 21 f.
54Offen bleiben kann, ob § 4a Abs. 3 UmwRG auch auf die hier vorliegende Fallkonstellation eines nicht auf Aussetzung nach § 80 Abs. 5 VwGO, sondern auf Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80a Abs. 3 S. 1, Abs. 1 Nr. 1 VwGO gerichteten Begehrens erweiternd zu erstrecken ist. Ein abweichender Prüfungsmaßstab würde sich daraus im Ergebnis nicht ergeben.
55Vgl. ausführlich zum Prüfungsmaßstab OVG NRW, Beschlüsse vom 23. Juli 2014 - 8 B 356/14 -, DVBl. 2014, 1415 = juris Rn. 62 ff, und vom 24. Juni 2015 ‑ 8 B 315/15 -, juris Rn. 14; vgl. weiterhin BVerwG, Beschlüsse vom 15. April 2013 ‑ 9 VR 1/13 -, juris Rn. 2, und vom 13. Juni 2013 ‑ 9 VR 3/13 -, NVwZ 2013, 101 = juris Rn. 4; Seibert, NVwZ 2013, 1040, 1046 ff.
56Gemessen hieran erweist sich der sinngemäße Antrag, die sofortige Vollziehbarkeit der Genehmigung aufgrund veränderter Umstände im Sinne des § 80 Abs. 7 VwGO mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, als unbegründet. Zwar ist davon auszugehen, dass die Beigeladenen - wie dargelegt - mit ihren Einwendungen nicht präkludiert sind. Insoweit ist also die Rechtmäßigkeit der erteilten Genehmigung anhand sämtlicher (die Beigeladenen schützender) Normen zu bewerten, die bei Erlass des Bescheides zu beachten waren.
57Unter Zugrundelegung der allgemeinen Maßstäbe für die Bestimmung erheblicher Geruchsimmissionen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG (dazu unten a)), lässt sich bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, ob die angegriffene Genehmigung rechtmäßig ist (unten b)). Ob die zu erwartende Belastung mit Bioaerosolen die Beigeladenen in ihren Rechten verletzt, ist ebenfalls nicht abschließend zu klären (unten c)). Verstöße gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts liegen bei summarischer Prüfung nicht vor (unten d)). Die Beigeladenen können die Aufhebung der Genehmigung nicht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG verlangen, denn die erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit wurde durchgeführt (unten e)). Im Rahmen der bei offenen Erfolgsaussichten vorzunehmenden weitergehenden Interessenabwägung gebührt vorliegend dem Interesse der Antragstellerin an der vorläufigen weiteren Ausnutzung der ihr erteilten Genehmigung Vorrang gegenüber dem Suspensivinteresse der Beigeladenen (unten f)).
58a) Bei der Beurteilung, ob Geruchsbelastungen erheblich im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind, kann nach ständiger Rechtsprechung bis zum Erlass bundeseinheitlicher Vorschriften die nordrhein-westfälische Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) in der Fassung vom 29. Februar 2008 und einer Ergänzung vom 10. September 2008 als Orientierungshilfe herangezogen werden. Die GIRL enthält technische Normen, die auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von Sachverständigen beruhen und insoweit die Bedeutung von allgemeinen Erfahrungssätzen und antizipierten generellen Sachverständigengutachten haben.
59Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Mai 2007 - 4 B 5.07 -, BauR 2007, 1454 = juris Rn. 4; OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1760/13 -, NWVBl. 2015, 415 = juris Rn. 49 ff.; Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1577/14 -, juris Rn. 55 ff.; Urteil vom 12. August 2015 - 8 A 799/14 -, ZNER 2015, 480 = juris Rn. 66-68, jeweils m. w. N.
60Nach Nr. 3.1 Tabelle 1 der GIRL gilt für Wohn- bzw. Mischgebiete ein Immissionswert IW = 0,10 (10% Jahresgeruchsstunden) und für Gewerbe-/Industriegebiete ein Immissionswert IW = 0,15 (15% Jahresgeruchsstunden). Für Dorfgebiete gilt für landwirtschaftliche Gerüche ebenfalls ein Immissionswert von 0,15. Sonstige Gebiete, in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, sind nach Nr. 3.1 Abs. 2 der GIRL entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechts den einzelnen Spalten der Tabelle 1 zuzuordnen. Für den bauplanungsrechtlichen Außenbereich wird dabei für landwirtschaftliche Gerüche der für Dorfgebiete anzusetzende Wert angenommen.
61Vgl. nur OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1760/13 -, NWVBl. 2015, 415 = juris Rn. 53, sowie Beschlüsse vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, NWVBl. 2010, 277 = juris Rn. 31 ff., und vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 32.
62In der Begründung und den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.1 der GIRL, 4. Aufzählungspunkt, ist erläuternd ausgeführt, dass das Wohnen im Außenbereich mit einem immissionsschutzrechtlich geringeren Schutzanspruch verbunden sei. Vor diesem Hintergrund sei es möglich, unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls bei der Geruchsbeurteilung im Außenbereich einen Wert von bis zu 0,25 (entspricht 25 % Jahresgeruchsstunden) für landwirtschaftliche Gerüche heranzuziehen.
63Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. November 2015 - 8 A 1031/15 -, juris Rn. 69 f.; Beschlüsse vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 32, und vom 9. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, NWVBl. 2014, 318 = juris Rn. 8.
64Die Bestimmung eines höheren Immissionswerts für landwirtschaftliche Gerüche setzt stets das Vorliegen besonderer Einzelfallumstände voraus. Insoweit bedarf es einer Einzelfallbeurteilung durch die Genehmigungsbehörde, die unter Berücksichtigung vor allem der konkreten örtlichen Gegebenheiten zu erfolgen hat.
65Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl 2013, 177 = juris Rn. 41; Beschluss vom 9. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, NWVBl 2014, 318 = juris Rn. 70; Beschluss vom 22. Mai 2015 - 8 B 1029/14 -, juris Rn. 56; Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1760/13 -, NWVBl. 2015, 415 = juris Rn. 70, 79 ff.
66Landwirtschaftliche Gerüche im vorstehenden Sinne sind nicht nur solche aus landwirtschaftlichen Betrieben im Sinne des § 201 BauGB. Auch Gerüche aus bauplanungsrechtlich als gewerblich einzuordnenden Tierhaltungsanlagen sind hierunter zu fassen.
67Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1577/14 -, juris Rn. 78.
68Zur Ermittlung der zu erwartenden Geruchshäufigkeit bedarf es grundsätzlich einer "auf der sicheren Seite" liegenden Prognose, bei der aus der Vorbelastung und der Zusatzbelastung ggf. unter Berücksichtigung der Bebauungseinflüsse, einer Abluftfahnenüberhöhung und der Reduktion durch Abluftreinigungsanlagen im Wege einer Ausbreitungsrechnung die voraussichtliche Gesamtbelastung ermittelt wird. Diese ist sodann an dem nach der GIRL maßgeblichen Immissionsrichtwert zu messen.
69OVG NRW, Beschluss vom 3. Februar 2011 - 8 B 1797/10 -, juris Rn. 5; Beschluss vom 21. September 2012 - 8 B 762/11 -, NWVBl. 2013, 177 = juris Rn. 33; Beschluss vom 9. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, NWVBl. 2014, 318 = juris Rn. 11; Urteil vom 12. August 2015 - 8 A 799/14 -, ZNER 2015, 480 = juris Rn. 72.
70Bei der Ermittlung der Vorbelastung sind solche Emissionsquellen nicht mit einzubeziehen, die dem Immissionspunkt selbst zuzurechnen sind (sog. Eigenbelastung). Dies gilt unabhängig davon, ob die eigenen Tiergerüche mit den von außen einwirkenden Tiergerüchen identisch sind.
71Siehe im Einzelnen OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1577/14 -, juris Rn. 64 ff.; Urteil vom 12. August 2015 - 8 A 799/14 -, ZNER 2015, 480 = juris Rn. 75; Urteil vom 10. November 2015 - 8 A 1031/15 -, juris Rn. 55 ff.
72b) Der Senat kann bei summarischer Prüfung nicht abschließend beurteilen, ob der Antragsgegner vorliegend mit Recht angenommen hat, dass von dem Vorhaben nach diesen Maßstäben keine unzumutbaren Geruchsbelästigungen für die Beigeladenen ausgehen. Das gilt sowohl für das im Eigentum der Beigeladenen stehende, vermiete Wohnhaus im Osten des streitgegenständlichen Vorhabens, bei dem es sich nach Aktenlage um das Doppelwohnhaus mit der Anschrift O. handeln dürfte, als auch für das Betriebsleiterwohnhaus der Beigeladenen auf deren eigener Hofstelle im Westen des Vorhabens (soweit eine unzumutbare Geruchsbelastung dieses Wohnhauses, was bisher unklar bleibt, mit der Klage überhaupt geltend gemacht werden soll).
73An beiden Wohnhäusern ist nach Aktenlage ein Immissionsrichtwert von 0,15 einzuhalten (dazu aa). Die Geruchsimmissionsprognose der Landwirtschaftskammer rechtfertigt nicht mit hinreichender Sicherheit den Schluss, dass der maßgebliche Immissionswert nicht überschritten wird. Allerdings spricht derzeit auch nichts für die Annahme, er werde an einem der beiden Wohnhäuser offensichtlich überschritten (dazu bb).
74aa) Für das Doppelwohnhaus O. gilt ein Immissionsrichtwert von 0,15.
75Der Standort dieses Wohnhauses liegt nicht (mehr) im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Der für diesen Bereich vormals bestehende einfache Bebauungsplan, der für die Straße O. wohl ein Dorfgebiet festsetzte, wurde bereits 1995 aufgehoben. Damit dürfte das Wohnhaus wohl dem Außenbereich nach § 35 BauGB zuzuordnen sein, sofern eine Überprüfung im Hauptsacheverfahren nicht eine Zuordnung nach § 34 BauGB ergeben sollte. Hieraus folgt entgegen der pauschalen Annahme des Antragsgegners aber nicht ohne weiteres, dass die Beigeladenen an diesem Wohnhaus Geruchsimmissionen bis zu einem Wert von 0,25 hinnehmen müssten. Einzelfallbezogene Umstände, die im vorliegenden Fall eine Erhöhung des für Dorfgebiete und grundsätzlich auch im Außenbereich geltenden Immissionswerts von 0,15 rechtfertigen, hat der Antragsgegner nicht vorgebracht. Ob die Vorprägung des Gebietscharakters durch die frühere bauplanungsrechtliche Festsetzung als Dorfgebiet die Darlegungslasten für eine ausnahmsweise Überschreitung des regulären Immissionswertes von 0,15 erhöht, bedarf daher derzeit keiner Entscheidung. Dass der frühere Bestand von Ortsrecht einen Vertrauenstatbestand im Hinblick auf vertragliche Verpflichtungen gegenüber den Mietern geschaffen haben könnte (so die Behauptung der Beigeladenen), haben diese jedenfalls nicht nachvollziehbar dargelegt.
76Auch am Betriebsleiterwohnhaus auf der Hofstelle der Beigeladenen (O. ) dürfte nach Aktenlage ein Immissionswert von 0,15 einzuhalten sein. Es ist im Außenbereich gelegen; und der Antragsgegner hat auch diesbezüglich bisher keine einzelfallbezogenen Umstände dargelegt, die ausnahmsweise eine Erhöhung dieses Wertes rechtfertigen.
77Eine einzelfallbezogene Begründung für einen entsprechend erhöhten Immissionswert, bei dessen Bestimmung die nach der Rechtsprechung relevanten Kriterien,
78vgl. OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1577/14 -, juris Rn. 96 ff. m. w. N.,
79zu berücksichtigen wären, könnte der Antragsgegner allerdings auch noch während des Klageverfahrens nachholen.
80bb) Nach dem Immissionsschutzgutachten der Landwirtschaftskammer vom 20. November 2012 lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob der Immissionswert an den beiden genannten Immissionspunkten im Ergebnis eingehalten wird. Auch wenn die Immissionsprognose im vorliegenden Eilverfahren nicht vollumfänglich überprüft werden kann, entspricht sie bei summarischer Prüfung jedenfalls nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen, die der Senat in seiner neueren, inzwischen gefestigten Rechtsprechung an eine auf der sicheren Seite liegende Prognose stellt.
81Zwar begegnet es bei summarischer Prüfung keinen Bedenken, dass bei der Berechnung der zu erwartenden Geruchsimmissionen hinsichtlich des Mastschweinestalls die geruchsreduzierenden Auswirkungen der nach dem Genehmigungsbescheid (Inhaltsbestimmung V.2., Nebenbestimmung VI.6.) in Verbindung mit den Antragsunterlagen einzubauenden Abluftreinigungsanlage berücksichtigt worden sind. Danach wird ein nach DLG-Signum-Test zertifiziertes System eingesetzt, das gewährleistet, dass kein Rohgasgeruch wahrnehmbar ist, die Restemissionen im Reingas kleiner als 300 GE/m³ sind und der Eigengeruch nach 100 m abgebaut ist.
82Vgl. zu den Voraussetzungen, unter denen die Reinigungsleistung einer Abluftreinigungsanlage berücksichtigungsfähig ist, OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1577/14 -, juris Rn. 72 ff.
83Voraussichtlich ist daher nicht zu beanstanden, dass die Restemissionen aus der Abluftreinigungsanlage in den Prognoseberechnungen auf Null gesetzt worden sind, da sich alle nächstgelegenen fremden Wohnnutzungen in Entfernungen von über 100 m zum Stallneubau befinden. Die Behauptung der Beigeladenen, der Abstand zur nächsten Wohnbebauung betrage weniger als 50 m, steht dem nicht entgegen. Sie trifft auf die beiden in ihrem Eigentum stehenden Wohnhäuser, deren Beeinträchtigung sie allein geltend machen können, jedenfalls nicht zu. Beide Häuser dürften sich vielmehr in einem Abstand von mehr als 100 m zu dem Mastschweinestall befinden.
84Es fehlt indes an einer hinreichend genauen, gesonderten Ausweisung der Vorbelastung und der von dem streitgegenständlichen Vorhaben ausgehenden Zusatzbelastung an den hier maßgeblichen Immissionsorten, die zusammen die ermittelte Gesamtbelastung ergeben.
85(1) Das Betriebsleiterwohnhaus auf der landwirtschaftlichen Hofstelle der Beigeladenen im Westen des Vorhabens der Antragstellerin ist überhaupt nicht als Immissionsort in den Blick genommen worden; welche Gesamtbelastung sich dort ergibt, ist deshalb offen. Bei der insoweit notwendigen Ergänzung der Geruchsimmissionsprognose wird zu berücksichtigen sein, dass die von der Schweinehaltung der Beigeladenen ausgehende Geruchsbelastung (= Eigenbelastung) nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht in die Vorbelastung mit einzubeziehen ist. Hinzu kommt, dass u. U. eine noch zu begründende, einzelfallbezogene Erhöhung des grundsätzlich maßgeblichen Immissionswerts von 0,15 in Betracht kommen könnte. Berücksichtigt man des weiteren, dass das Wohnhaus der Beigeladenen etwa genauso weit von dem streitgegenständlichen Schweinemaststall entfernt ist wie das nachfolgend betrachtete Doppelhaus O. , für das eine (grobe) Immissionsprognose unter Einschluss der Belastung durch die Schweinehaltung der Beigeladenen vorliegt, erscheint es bei summarischer Prüfung nicht naheliegend, dass das Vorhaben am Wohnhaus der Beigeladenen im Ergebnis zu unzumutbaren Geruchsbelästigungen führt.
86(2) Hinsichtlich des nicht zum Hof der Beigeladenen gehörenden, südöstlich an das Vorhaben der Antragstellerin angrenzenden Mietshauses O. lässt sich dem Immissionsschutzgutachten nicht hinreichend sicher entnehmen, dass der Immissionswert von 0,15 an diesem Immissionsort voraussichtlich eingehalten wird. Das Gutachten prognostiziert dort eine belästigungsrelevante Gesamtbelastung von 0,12. Insoweit dürfte sich das einschlägige Raster der Abbildung 9 des Gutachtens (S. 19) mit einer Rasterkantenlänge von 50 m (S. 15) aber als zu grob erweisen, um eine hinreichend genaue Prognose zu ermöglichen. Die maßgebliche Rasterfläche umfasst nicht nur das benannte Doppelhaus vollständig, sondern geht noch deutlich darüber hinaus. Da die im Norden angrenzende Rasterfläche bereits eine belästigungsrelevante Gesamtbelastung von 0,19 aufweist, lässt sich aufgrund der Ausblendung der realitätsnah anzunehmenden fließenden Übergänge zwischen diesen Werten nicht ausschließen, dass etwa im nördlichen Bereich des Doppelhauses der Immissionswert von 0,15 bereits überschritten wird (vgl. dazu auch die Anlage 2 zu der von den Beigeladenen vorgelegten Stellungnahme des Sachverständigen für Immissionsschutz L. I. vom 24. März 2015).
87Die Klärung der Frage, ob auch hinsichtlich der hier betrachteten vermieteten Wohneinheiten die Geruchsbelastung durch den Schweinehaltungsbetrieb der Beigeladenen bei der Bestimmung der Vorbelastung unberücksichtigt bleiben muss, bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Der Senat hat eine solche Gleichstellung mit der Wohnung des Betriebsinhabers selbst bisher nur für vermietete Wohnungen auf der Hofstelle angenommen, weil die Bewohner dieser Wohnungen das Vorrecht, im Außenbereich wohnen zu dürfen, von der Hofstelle ableiten. Diese Wohnungen sind deshalb von vornherein mit der „Geruchshypothek“ der Hofstelle belastet.
88Vgl. OVG NRW, Urteile vom 1. Juni 2015 - 8 A 1577/14 -, juris Rn. 68, und - 8 A 1760/13 -, NWVBl. 2015, 415 = juris Rn. 62, 95.
89Hier liegt der Fall anders. Das Doppelwohnhaus O. leitet seine baurechtliche Genehmigung jedenfalls nicht von der - nicht unmittelbar benachbarten - Hofstelle der Beigeladenen ab; vielmehr ist diese vermutlich unter der Geltung des zwischenzeitlich aufgehobenen Bebauungsplans erteilt worden.
90(3) Die Beurteilung der Zumutbarkeit der an den beiden hier in Rede stehenden Immissionsorten zu erwartenden Geruchsbelastung wirft weitere Fragen auf, die sich im Rahmen der summarischen Prüfung nicht abschließend beurteilen lassen.
91Nach Aktenlage kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch gewerbliche Betriebe wie die von den Beigeladenen angeführte, rund 450 m von dem Vorhaben der Antragstellerin entfernte Kläranlage auf der C. Straße sowie ein Regenrückhaltebecken in relevanter Weise auf die Geruchsbelastung einwirken. Die Beigeladenen berufen sich insoweit auf die „Kontroll- und Vergleichsrechnungen zur SMA H. /E. “ des Sachverständigen Dipl.-Ing. L. I. vom 24. März 2015, die dieser im Auftrag des BUND (Kreis und Stadt W. ) erstellt hat. Darin wird dargelegt, dass das Mietshaus der Beigeladenen bei Einbeziehung der Geruchsbelastung durch die Kläranlage mit insgesamt bis zu 15,8 Jahresgeruchsstunden belastet werde.
92Es bedarf der Überprüfung im Hauptsacheverfahren, inwieweit dies zutrifft und hieraus unter Zugrundelegung der für gewerbliche Gerüche und ihr Zusammentreffen mit Tierhaltungsgerüchen anzuwendenden Maßstäbe,
93Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 22. Mai 2015 ‑ 8 B 1029/14 -, juris Rn. 61 ff.,
94rechtliche Bedenken gegen die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens erwachsen.
95c) Ausgehend von den vorstehenden Ausführungen ist die Genehmigung auch nicht deshalb offensichtlich rechtswidrig, weil sie keinen Immissionsgrenzwert für Bioaerosole festsetzt. Ob vorliegend schädliche Umwelteinwirkungen i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG durch Bioaerosole zu erwarten sind, lässt sich bei summarischer Prüfung nicht abschließend beurteilen. Die TA Luft sieht insoweit keine Immissions- oder Emissionswerte vor; insbesondere enthält sie in Bezug auf Bioaerosole kein Emissionsminderungsgebot. Es gibt bislang auch keine sonstigen Grenz- oder Orientierungswerte, die die Schädlichkeitsschwelle für Bioaerosole beschreiben. In Betracht kommt daher allenfalls eine Sonderfallprüfung nach Nr. 4.8 TA Luft, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorruft.
96Vgl. im Einzelnen OVG NRW, Urteil vom 10. November 2015 - 8 A 1031/15 -, Rn. 104 ff.; Beschluss vom 14. Januar 2010 - 8 B 1015/09 -, BRS 76 Nr. 100 = juris Rn. 52; Beschluss vom 10. Mai 2010 - 8 B 992/09 -, juris Rn. 53; Beschluss vom 8. Februar 2012 - 8 B 1322/11 -, juris Rn. 33; Urteil vom 30. Januar 2014 - 7 A 2555/11 -, NWVBl. 2014, 306 = juris Rn. 88.
97Allerdings sprechen gegenwärtig gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass von Tierhaltungsbetrieben luftgetragene Schadstoffe wie insbesondere Stäube, Mikroorganismen (z.B. Pilzsporen) und Endotoxine ausgehen, die grundsätzlich geeignet sind, die menschliche Gesundheit zu beeinträchtigen. Beim derzeitigen Erkenntnisstand greift die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht als Instrument der Gefahrenabwehr aber nicht ein, weil ungewiss ist, ob mit einem Schadenseintritt zu rechnen ist. Insoweit ist die Vermeidung bzw. Senkung von erhöhten Bioaerosol-Konzentrationen nicht den drittschützenden Betreiberpflichten i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, sondern den Vorsorgeanforderungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG zuzuordnen. Auf deren Einhaltung hat der Nachbar grundsätzlich keinen Anspruch.
98Vgl. zuletzt OVG NRW, Urteil vom 10. November 2015 - 8 A 1031/15 -, juris Rn. 110 m. w. N.; siehe auch BVerwG, Urteil vom 23. Juli 2015 - 7 C 10.13 -, juris Rn. 21 ff.
99Derzeit liegen hier keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Gesundheitsgefährdung i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG durch Bioaerosole vor. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein Wohnhaus durch einen Schweinehaltungsbetrieb Bioaerosol-Immissionen ausgesetzt wird, die über eine allgemeine, gebietstypische Gefährdung hinausgehen und bereits zu einer konkreten Gefährdung der Gesundheit führen können, hält der Senat eine Orientierung an den Ergebnissen der Geruchsimmissionsprognose für nahe liegend. Denn der Übertragungsweg bei Bioaerosolen ist im Grunde derselbe wie bei Gerüchen.
100Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. November 2015 - 8 A 1031/15 -, juris Rn. 112.
101Vorliegend liegt eine Gesundheitsgefährdung durch Bioaerosole nicht nahe, weil die Antragstellerin mit dem in der Genehmigung vorgegebenen Einbau einer DLG-zertifizierten Abluftreinigungsanlage bereits die im Erlass des MKULNV NRW vom 19. Februar 2013 (Immissionsschutzrechtliche Anforderungen an Tierhaltungsanlagen, sog. Filtererlass) vorgesehenen, emissionsbegrenzenden Vorsorgemaßnahmen einhält. In der Fachwelt wird davon ausgegangen, dass Anlagen zur Verminderung von Staubemissionen auch zur Minderung von Bioaerosolen geeignet sind (vgl. Filtererlass, S. 6; ebenso Immissionsschutzgutachten der Landwirtschaftskammer S. 33). Ob es bei dieser Sachlage gleichwohl - wie die Beigeladenen meinen - zum Schutz ihrer Nachbarrechte erforderlich ist, die voraussichtliche Belastung durch Bioaerosole gutachterlich ermitteln zu lassen, bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Von offensichtlich drohenden Gesundheitsgefahren kann beim gegenwärtigen Stand der Erkenntnisse im vorliegenden Fall jedenfalls nicht ausgegangen werden.
102d) Verstöße gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts liegen bei summarischer Prüfung nicht vor. Nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB in der seit dem 20. September 2013 geltenden Fassung des Gesetzes vom 11. Juni 2013 (BGBl. I 1548), der nach § 245a Abs. 4 BauGB auf den im November 2012 gestellten Antrag der Antragstellerin bereits Anwendung findet, sind gewerbliche Tierhaltungsanlagen im Außenbereich nicht mehr privilegiert. Die Landwirtschaftskammer hat jedoch bestätigt, dass die Antragstellerin nach Abschluss eines weiteren Landpachtvertrags in der Lage ist, für den Gesamt-Tierbestand das Kriterium der überwiegend eigenen Futtergrundlage i. S. v. § 201 BauGB zu erfüllen. Es besteht kein Anlass, diese Bewertung im vorliegenden summarischen Verfahren in Frage zu stellen.
103e) Die Beigeladenen haben keinen Anspruch auf Aufhebung der Genehmigung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens verlangt werden, wenn eine erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht durchgeführt wurde.
104Es kann dahinstehen, ob Anlass zur Prüfung dieser Rüge im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren besteht, obwohl die Beigeladenen ihre Klage bisher nicht auf Mängel der UVP-Vorprüfung gestützt haben. Sie haben das Unterbleiben der Vorprüfung nur im ersten, von ihnen selbst eingeleiteten Eilverfahren vor dem VG Düsseldorf (3 L 151/14) geltend gemacht und auf diesen Vortrag im vorliegenden Verfahren Bezug genommen. Diese Rüge greift jedenfalls nicht durch, denn die erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit wurde durchgeführt. Sie ist im Vermerk des Antragsgegners vom 30. September 2013 (Beiakte 9, Bl. 540) im Einzelnen niedergelegt. Darin hat der Antragsgegner die zu prüfenden Kriterien aufgeführt und sich - nach Anhörung der betroffenen Fachbehörden - jeweils im Wesentlichen der Bewertung der von der Antragstellerin vorgelegten Vorprüfung des Einzelfalls angeschlossen. Er ist zu dem Ergebnis gelangt, dass es einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht bedürfe. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner im Rahmen der Genehmigung lediglich das Ergebnis dieser Vorprüfung mitteilt. Eine Verpflichtung, die Vorprüfung insgesamt in den Genehmigungsbescheid aufzunehmen, ist nicht zu erkennen.
105Der Senat sieht im vorliegenden Verfahren keine Veranlassung, darüber hinaus zu überprüfen, ob die durchgeführte Vorprüfung dem Maßstab von § 3a Satz 4 UVPG genügt (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG). Die Beigeladenen haben dies zu keinem Zeitpunkt substantiiert in Frage gestellt. Der - allein unionsrechtlich bedingte - Wegfall der Präklusion führt nicht dazu, dass Gerichte unabhängig von konkreten Rügen auf Fehlersuche gehen und ggf. Eilrechtsschutz gewähren müssten. Eine derartige Verpflichtung lässt sich den einschlägigen Richtlinien auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht entnehmen.
106f) Die bei offenen Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache erforderliche weitere Interessenabwägung fällt zugunsten der Antragstellerin aus. Ihr drohen bei einer vorläufigen Einstellung des Betriebs wirtschaftliche Nachteile, die in der konkreten Verfahrenssituation unbillig wären und die von den Beigeladenen geltend gemachten Nachteile überwiegen.
107Die Antragstellerin hat die Stallanlage nach der gerichtlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung im November 2015 zulässigerweise errichtet und in Betrieb genommen. Sie ist mit der Inanspruchnahme von Krediten finanzielle Verpflichtungen eingegangen. Im Falle der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der gegen die Genehmigung erhobenen Anfechtungsklage wäre sie gezwungen, die eingebrachten Mastschweine zu schlachten oder zu verkaufen bzw. jedenfalls an einen anderen Ort zu verbringen. Die damit verbundenen finanziellen Einbußen wären in der vorliegenden Konstellation unzumutbar.
108Zwar trägt die Antragstellerin das Risiko, dass getätigte Investitionen verloren sind, wenn die gegen die Genehmigung gerichtete Nachbarklage Erfolg hat.
109Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Mai 2015 - 8 B 1029/14 -, juris Rn. 87.
110Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache hat die Antragstellerin aber ein qualifiziertes Interesse daran, dass die gerade durch gerichtliche Eilentscheidungen angeordnete sofortige Vollziehung ihrer Genehmigung aufrechterhalten bleibt, weil sie auf dieser Grundlage umfassende Investitionen getätigt und das Vorhaben ins Werk gesetzt hat. Abweichendes würde lediglich dann gelten, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache aufgrund veränderter Umstände im Sinne des § 80 Abs. 7 VwGO nunmehr erkennbar Aussicht auf Erfolg hätte. In diesem Fall würde nur die Betriebseinstellung, mit der die Antragstellerin mangels Bestandskraft der ihr erteilten Genehmigung ohnehin rechnen müsste, früher aktualisiert. Diese Voraussetzungen liegen aber nicht vor, weil die Rechtmäßigkeit der erteilten Genehmigung ‑ wie dargelegt - mit der erforderlichen Sicherheit im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht geklärt werden kann.
111Den Beigeladenen kann es demgegenüber zugemutet werden, für den Zeitraum bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache den weiteren Betrieb der Schweinemastanlage hinzunehmen. Konkrete Anhaltspunkte für eine Gesundheitsgefahr durch Bioaerosole bestehen hier - wie oben ausgeführt - derzeit nicht. Bei Gerüchen geht es ohnehin nur um - nicht gesundheitsschädliche - Belästigungen.
112Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juli 2015 - 7 C 10.13 -, NVwZ 2016, 79 = juris Rn. 33; OVG NRW, Urteil vom 1. Juni 2015 - 8 A 1760/13 -, NWVBl. 2015, 415 = juris Rn. 62.
113Sollten sich im Zuge der weiteren Sachverhaltsermittlung - wider Erwarten - ernsthafte Hinweise auf Gesundheitsgefahren ergeben, könnte jederzeit ein weiterer Abänderungsantrag gestellt werden. Es ist auch nicht nahe liegend, dass während des vorübergehenden Zeitraums bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage der Beigeladenen Mietzinsausfälle in einem Umfang drohen könnten, der die Altersvorsorge der Beigeladenen gefährdete.
114Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 3, 159 Satz 2 VwGO.
115Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Der Senat orientiert sich dabei an den Ziffern 19.2 und 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
116Abzurufen unter http://www.BVerwG.de/medien/pdf/ streitwertkatalog.pdf.
117Der danach im Hauptsacheverfahren auf 15.000,- € festzusetzende Streitwert ist mit Blick auf die Vorläufigkeit des vorliegenden Verfahrens in Anlehnung an Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs auf die Hälfte zu reduzieren.
118Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 und 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde
- 1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen, - 2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.
(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.
(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde
- 1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen, - 2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.
(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.
(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde
- 1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen, - 2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.
(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.
(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.
Tenor
I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750 € festgesetzt.
Gründe
I.
II.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde
- 1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen, - 2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.
(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.
(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.