Sozialgericht Aachen Urteil, 12. Jan. 2016 - S 12 SB 259/13

ECLI:ECLI:DE:SGAC:2016:0112.S12SB259.13.00
bei uns veröffentlicht am12.01.2016

Tenor

Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 22.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2013 verurteilt, bei dem Kläger in der Zeit ab dem 01.10.2015 einen GdB von 60 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Merkzeichen G und B festzustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.


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Urteilsbesprechung zu Sozialgericht Aachen Urteil, 12. Jan. 2016 - S 12 SB 259/13

Urteilsbesprechungen zu Sozialgericht Aachen Urteil, 12. Jan. 2016 - S 12 SB 259/13

Referenzen - Gesetze

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
Sozialgericht Aachen Urteil, 12. Jan. 2016 - S 12 SB 259/13 zitiert 26 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

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Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kos

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 2 Begriffsbestimmungen


(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft m

Bundesversorgungsgesetz - BVG | § 30


(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereich

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 69 Kontinuität der Bemessungsgrundlage


Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnun

Bundesversorgungsgesetz - BVG | § 1


(1) Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädig

Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV | § 2 Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“


Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung#F1_771649als deren Bestandteil festgelegt.

Bundesversorgungsgesetz - BVG | § 35


(1) Solange Beschädigte infolge der Schädigung hilflos sind, wird eine Pflegezulage von 376 Euro (Stufe I) monatlich gezahlt. Hilflos im Sinne des Satzes 1 sind Beschädigte, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtun

Straßenverkehrsgesetz - StVG | § 6 Verordnungsermächtigungen


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Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 145 Hilfsmerkmale


(1) Hilfsmerkmale sind1.Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,2.Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,3.für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 72 Blindenhilfe


(1) Blinden Menschen wird zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen Blindenhilfe gewährt, soweit sie keine gleichartigen Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten. Auf die Blindenhilfe sind Leistungen bei häuslicher P

Schwerbehindertenausweisverordnung - SchwbAwV | § 3 Weitere Merkzeichen


(1) Im Ausweis sind auf der Rückseite folgende Merkzeichen einzutragen: 1.aGwenn der schwerbehinderte Mensch außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 229 Absatz 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist, 2.Hwenn der schwerbehinderte Mensch hilflos

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 146 Periodizität und Berichtszeitraum


Die Erhebungen erfolgen jährlich für das abgelaufene Kalenderjahr.

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 159 Mehrfachanrechnung


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Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 70 Anpassung der Entgeltersatzleistungen


(1) Die Berechnungsgrundlage, die dem Krankengeld, dem Versorgungskrankengeld, dem Verletztengeld und dem Übergangsgeld zugrunde liegt, wird jeweils nach Ablauf eines Jahres ab dem Ende des Bemessungszeitraums an die Entwicklung der Bruttoarbeitsentg

Bundesversorgungsgesetz - BVG | § 27e


Für Empfänger einer Pflegezulage nach § 35 und für Beschädigte, deren Grad der Schädigungsfolgen allein wegen Tuberkulose oder Gesichtsentstellung wenigstens 50 beträgt, sowie für Hirnbeschädigte haben die Hauptfürsorgestellen die Leistungen der Krie

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Sozialgericht Aachen Urteil, 12. Jan. 2016 - S 12 SB 259/13 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).

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Bundessozialgericht Beschluss, 01. Juni 2015 - B 9 SB 10/15 B

bei uns veröffentlicht am 01.06.2015

Tenor Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Dezember 2014 wird als unzulässig verworfen.

Bundessozialgericht Urteil, 16. Dez. 2014 - B 9 SB 2/13 R

bei uns veröffentlicht am 16.12.2014

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. November 2012 wird zurückgewiesen.

Sozialgericht Aachen Urteil, 11. März 2014 - S 12 SB 240/13

bei uns veröffentlicht am 11.03.2014

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Bundessozialgericht Urteil, 25. Okt. 2012 - B 9 SB 2/12 R

bei uns veröffentlicht am 25.10.2012

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 21. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss, 02. Okt. 2012 - L 8 SB 1914/10

bei uns veröffentlicht am 02.10.2012

Tenor Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 2. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Gründe  I.1 Zwischen den Beteiligten ist die Festste

Bundessozialgericht Urteil, 16. Feb. 2012 - B 9 SB 2/11 R

bei uns veröffentlicht am 16.02.2012

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 13. April 2010 aufgehoben, soweit es die Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeiche

Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss, 12. Okt. 2011 - L 6 SB 3032/11

bei uns veröffentlicht am 12.10.2011

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 4. Mai 2011 wird zurückgewiesen.Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Gründe

Bundessozialgericht Beschluss, 09. Dez. 2010 - B 9 SB 35/10 B

bei uns veröffentlicht am 09.12.2010

Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Mai 2010 wird als unzulässig verworfen.

Bundessozialgericht Urteil, 02. Dez. 2010 - B 9 SB 4/10 R

bei uns veröffentlicht am 02.12.2010

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 26. August 2009 aufgehoben.

Referenzen

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Mai 2010 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

Durch Urteil vom 21.5.2010 hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) des Klägers von 50 auf 30 wegen Ablaufs einer Heilungsbewährung bestätigt. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt. Zur Begründung macht er geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).

2

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil er den behaupteten Zulassungsgrund nicht so dargelegt hat, wie es § 160a Abs 2 Satz 3 SGG verlangt.

3

Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine bestimmte Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17; BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.

4

Der Kläger hält die Frage für eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" zur Versorgungsmedizin-Verordnung in ihrem Wortlaut und ihrer Rechtsanwendungspraxis bei karzinogenen Erkrankungen im Einklang mit dem Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft nach wie vor eine Herabstufung unter einen Gesamt-GdB von 50 vorsehen darf. Bei dieser Frage handelt es sich nicht zweifelsfrei um eine reine Rechtsfrage, also eine Frage, die allein unter Anwendung juristischer Methodik beantwortet werden kann.

5

Die Bemessung des GdB ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG in drei Schritten vorzunehmen und grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (BSGE 4, 147, 149 f; BSGE 62, 209, 212 ff = SozR 3870 § 3 Nr 26 S 83 f; BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 10), wobei das Gericht nur bei der Feststellung der einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen (erster Schritt) ausschließlich ärztliches Fachwissen heranziehen muss. Bei der Bemessung der Einzel-GdB und des Gesamt-GdB kommt es indessen nach § 69 SGB IX maßgebend auf die Auswirkungen der Gesundheitsstörungen auf die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft an. Bei diesem zweiten und dritten Verfahrensschritt hat das Tatsachengericht über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen. Diese Umstände sind in die als sog antizipierte Sachverständigengutachten anzusehenden Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) einbezogen worden. Dementsprechend sind die AHP nach der ständigen Rechtsprechung des BSG im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zu beachten (s BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 25 mwN). Für die seit dem 1.1.2009 geltende Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zur Versorgungsmedizin-Verordnung gilt das Gleiche.

6

Die Feststellung des GdB ist dabei in einen rechtlichen Rahmen eingebettet, den das Tatsachengericht zwingend zu beachten hat. Rechtlicher Ausgangspunkt ist stets § 69 Abs 1, 3 und 4 SGB IX(s zuletzt BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 16 bis 21 mwN). AHP und VG setzen die gesetzlichen Vorgaben um, wobei insbesondere auch medizinische Sachkunde zum Tragen kommt. Es kann hier offenbleiben, inwieweit in diesem Rahmen grundsätzlich bedeutsame Rechtsfragen iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG auftreten können. Jedenfalls hat der Kläger die höchstrichterliche Klärungsbedürftigkeit der von ihm aufgeworfenen Frage nicht hinreichend dargetan.

7

Es wird schon nicht deutlich, auf welche Bestimmung der VG sich die Frage des Klägers bezieht. Sollte er insoweit auf Teil B Nr 1 Buchst c VG Bezug nehmen, so hätte er darlegen müssen, inwieweit sich daraus ergebe, dass eine Herabsetzung des GdB auf unter 50 zwingend vorgesehen sei. Besonderer Ausführungen hätte es schon deshalb bedurft, weil die betreffende Vorschrift an sich nur die pauschal bemessene Höhe des GdB während der Heilungsbewährung regelt. Für die Zeit danach ist der GdB nach den konkreten Auswirkungen der vorliegenden Gesundheitsstörungen zu bemessen (vgl dazu Teil A Nr 2 VG). Dabei sind selbstverständlich auch seelische Begleiterscheinungen und erst recht psychische Störungen, auf die der Kläger hinweist, zu berücksichtigen (vgl Teil A Nr 2 Buchst i VG). Insoweit ist nicht klar, inwiefern die VG nach Ansicht des Klägers in diesem Zusammenhang rechtliche Zweifelsfragen aufwerfen.

8

Letztlich zielt die Frage des Klägers offenbar auf eine (möglichst unbeschränkte) Verlängerung der Heilungsbewährungszeit und der damit verbundenen pauschalen GdB-Bemessung. Sicher würde die Regelung in Teil B Nr 1 Buchst c VG gegen § 69 SGB IX verstoßen, wenn sie nicht dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entspräche(vgl § 69 Abs 1 Satz 5 SGB IX iVm § 30 Abs 17 BVG; dazu auch § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung). Da es zu den Aufgaben des beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales gebildeten Ärztlichen Sachverständigenbeirats Versorgungsmedizin gehört, die Fortentwicklung der VG entsprechend dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft vorzubereiten, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Bestimmungen der VG diesem Qualitätsmaßstab entsprechen. Insoweit hätte es näherer Darlegungen des Klägers dazu bedurft, inwiefern aufgrund neuerer medizinischer Erkenntnisse eine längere Heilungsbewährungszeit geboten sein könnte. Der Kläger beschränkt sich hingegen auf allgemeine Behauptungen, ohne auf wissenschaftliche Quellen Bezug zu nehmen. Das reicht nicht aus.

9

Soweit der Kläger schließlich die in seinem Fall erfolgte GdB-Bemessung angreift, rügt er im wesentlichen die berufungsgerichtliche Sachverhaltsaufklärung und Beweiswürdigung, ohne die Beschränkungen zu berücksichtigen, die sich bei behaupteten Verletzungen von § 103 und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG für die Revisionszulassung aus § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG ergeben.

10

Die Beschwerde ist daher ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG).

11

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

(1) Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung.

(2) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die herbeigeführt worden sind durch

a)
eine unmittelbare Kriegseinwirkung,
b)
eine Kriegsgefangenschaft,
c)
eine Internierung im Ausland oder in den nicht unter deutscher Verwaltung stehenden deutschen Gebieten wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit,
d)
eine mit militärischem oder militärähnlichem Dienst oder mit den allgemeinen Auflösungserscheinungen zusammenhängende Straf- oder Zwangsmaßnahme, wenn sie den Umständen nach als offensichtliches Unrecht anzusehen ist,
e)
einen Unfall, den der Beschädigte auf einem Hin- oder Rückweg erleidet, der notwendig ist, um eine Maßnahme der Heilbehandlung, eine Badekur, Versehrtenleibesübungen als Gruppenbehandlung oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 26 durchzuführen oder um auf Verlangen eines zuständigen Leistungsträgers oder eines Gerichts wegen der Schädigung persönlich zu erscheinen,
f)
einen Unfall, den der Beschädigte bei der Durchführung einer der unter Buchstabe e aufgeführten Maßnahmen erleidet.

(3) Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewißheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.

(4) Eine vom Beschädigten absichtlich herbeigeführte Schädigung gilt nicht als Schädigung im Sinne dieses Gesetzes.

(5) Ist der Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben, so erhalten seine Hinterbliebenen auf Antrag Versorgung. Absatz 3 gilt entsprechend.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

(1) Solange Beschädigte infolge der Schädigung hilflos sind, wird eine Pflegezulage von 376 Euro (Stufe I) monatlich gezahlt. Hilflos im Sinne des Satzes 1 sind Beschädigte, wenn sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedürfen. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder Anleitung zu den in Satz 2 genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muß, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist. Ist die Gesundheitsstörung so schwer, daß sie dauerndes Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche Pflege erfordert, so ist die Pflegezulage je nach Lage des Falles unter Berücksichtigung des Umfangs der notwendigen Pflege auf 642, 916, 1 174, 1 524 oder 1 876 Euro (Stufen II, III, IV, V und VI) zu erhöhen. Für die Ermittlung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage sind die in der Verordnung zu § 30 Abs. 17 aufgestellten Grundsätze maßgebend. Blinde erhalten mindestens die Pflegezulage nach Stufe III. Hirnbeschädigte mit einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 erhalten eine Pflegezulage mindestens nach Stufe I.

(2) Wird fremde Hilfe im Sinne des Absatzes 1 von Dritten aufgrund eines Arbeitsvertrages geleistet und übersteigen die dafür aufzuwendenden angemessenen Kosten den Betrag der pauschalen Pflegezulage nach Absatz 1, wird die Pflegezulage um den übersteigenden Betrag erhöht. Leben Beschädigte mit ihren Ehegatten, Lebenspartnern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft, ist die Pflegezulage so zu erhöhen, dass sie nur ein Viertel der von ihnen aufzuwendenden angemessenen Kosten aus der pauschalen Pflegezulage zu zahlen haben und ihnen mindestens die Hälfte der pauschalen Pflegezulage verbleibt. In Ausnahmefällen kann der verbleibende Anteil bis zum vollen Betrag der pauschalen Pflegezulage erhöht werden, wenn Ehegatten, Lebenspartner oder ein Elternteil von Pflegezulageempfängern mindestens der Stufe V neben den Dritten in außergewöhnlichem Umfang zusätzliche Hilfe leisten. Entstehen vorübergehend Kosten für fremde Hilfe, insbesondere infolge Krankheit der Pflegeperson, ist die Pflegezulage für jeweils höchstens sechs Wochen über Satz 2 hinaus so zu erhöhen, dass den Beschädigten die pauschale Pflegezulage in derselben Höhe wie vor der vorübergehenden Entstehung der Kosten verbleibt. Die Sätze 2 und 3 gelten nicht, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder Elternteil nicht nur vorübergehend keine Pflegeleistungen erbringt; § 40a Abs. 3 Satz 3 gilt.

(3) Während einer stationären Behandlung wird die Pflegezulage nach den Absätzen 1 und 2 Empfängern von Pflegezulage nach den Stufen I und II bis zum Ende des ersten, den übrigen Empfängern von Pflegezulage bis zum Ablauf des zwölften auf die Aufnahme folgenden Kalendermonats weitergezahlt.

(4) Über den in Absatz 3 bestimmten Zeitpunkt hinaus wird die Pflegezulage während einer stationären Behandlung bis zum Ende des Kalendermonats vor der Entlassung nur weitergezahlt, soweit dies in den folgenden Sätzen bestimmt ist. Beschädigte erhalten ein Viertel der pauschalen Pflegezulage nach Absatz 1, wenn der Ehegatte, Lebenspartner oder der Elternteil bis zum Beginn der stationären Behandlung zumindest einen Teil der Pflege wahrgenommen hat. Daneben wird die Pflegezulage in Höhe der Kosten weitergezahlt, die aufgrund eines Pflegevertrages entstehen, es sei denn, die Kosten hätten durch ein den Beschädigten bei Abwägung aller Umstände zuzumutendes Verhalten, insbesondere durch Kündigung des Pflegevertrages, vermieden werden können. Empfänger einer Pflegezulage mindestens nach Stufe III erhalten, soweit eine stärkere Beteiligung der schon bis zum Beginn der stationären Behandlung unentgeltlich tätigen Pflegeperson medizinisch erforderlich ist, abweichend von Satz 2 ausnahmsweise Pflegezulage bis zur vollen Höhe nach Absatz 1, in Fällen des Satzes 3 jedoch nicht über den nach Absatz 2 Satz 2 aus der pauschalen Pflegezulage verbleibenden Betrag hinaus.

(5) Tritt Hilflosigkeit im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 gleichzeitig mit der Notwendigkeit stationärer Behandlung oder während einer stationären Behandlung ein, besteht für die Zeit vor dem Kalendermonat der Entlassung kein Anspruch auf Pflegezulage. Für diese Zeit wird eine Pflegebeihilfe gezahlt, soweit dies in den folgenden Sätzen bestimmt ist. Beschädigte, die mit ihren Ehegatten, Lebenspartnern oder einem Elternteil in häuslicher Gemeinschaft leben, erhalten eine Pflegebeihilfe in Höhe eines Viertels der pauschalen Pflegezulage nach Stufe I. Soweit eine stärkere Beteiligung der Ehegatten, Lebenspartner oder eines Elternteils oder die Beteiligung einer Person, die den Beschädigten nahesteht, an der Pflege medizinisch erforderlich ist, kann in begründeten Ausnahmefällen eine Pflegebeihilfe bis zur Höhe der pauschalen Pflegezulage nach Stufe I gezahlt werden.

(6) Für Beschädigte, die infolge der Schädigung dauernder Pflege im Sinne des Absatzes 1 bedürfen, werden, wenn geeignete Pflege sonst nicht sichergestellt werden kann, die Kosten der nicht nur vorübergehenden Heimpflege, soweit sie Unterkunft, Verpflegung und Betreuung einschließlich notwendiger Pflege umfassen, unter Anrechnung auf die Versorgungsbezüge übernommen. Jedoch ist den Beschädigten von ihren Versorgungsbezügen zur Bestreitung der sonstigen Bedürfnisse ein Betrag in Höhe der Beschädigtengrundrente nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 und den Angehörigen ein Betrag mindestens in Höhe der Hinterbliebenenbezüge zu belassen, die ihnen zustehen würden, wenn Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben wären. Bei der Berechnung der Bezüge der Angehörigen ist auch das Einkommen der Beschädigten zu berücksichtigen, soweit es nicht ausnahmsweise für andere Zwecke, insbesondere die Erfüllung anderer Unterhaltspflichten, einzusetzen ist.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 26. August 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) des Klägers nach dem Schwerbehindertenrecht.

2

Wegen eines juxtakortikalen Chondrosarkoms (bösartiger Knochentumor) im Bereich des linken Schulterblattes bei familiärer Osteochondromatose wurde am 23.9.2002 bei dem 1960 geborenen Kläger eine subtotale Schulterblattentfernung links durchgeführt.

3

Auf seinen im September 2002 angebrachten Antrag stellte das Amt für Familie und Soziales Leipzig durch Bescheid vom 2.6.2003 wegen "Erkrankung des Schulterblattes links (in Heilungsbewährung), Teilverlust des Schulterblattes links, Bewegungseinschränkung des Schultergelenkes links" einen GdB von 50 fest. Den Widerspruch des Klägers wies das Sächsische Landesamt für Familie und Soziales (Landesversorgungsamt) durch Widerspruchsbescheid vom 8.9.2003 zurück. Nach Überprüfung aufgrund gerichtlichen Vergleichs (Sozialgericht Leipzig - S 2 SB 277/03) stellte die ehemalige sächsische Versorgungsverwaltung mit Bescheid vom 30.1.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.3.2005 fest, dass der GdB weiter 50 betrage.

4

Nach Beweiserhebung hat das vom Kläger angerufene SG Leipzig die auf Feststellung des GdB mit 80 gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 24.7.2007). Zur Überzeugung des Gerichts sei das Chondrosarkom des Schulterblattes im Frühstadium entfernt worden, so dass nach Nr 26.1 Abs 3 Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) ein GdB von 50 angemessen sei. Die beim Kläger verbliebenen Organ- und Gliedmaßenschäden seien nicht mit einem GdB von mehr als 50 zu bewerten, so dass der Gesamt-GdB ebenfalls 50 betrage.

5

Während des vom Kläger geführten Berufungsverfahrens ist die beklagte Stadt Leipzig an die Stelle des Freistaates Sachsen getreten. Das Sächsische Landessozialgericht (LSG) hat den bereits erstinstanzlich als Sachverständigen gehörten Unfallchirurgen Prof. Dr. J. ergänzend befragt sowie ein weiteres Sachverständigengutachten von dem Orthopäden Prof. Dr. W. beigezogen. Prof. Dr. J. ist in seiner Stellungnahme vom 10.11.2008 bei seiner im Gutachten vom 14.10.2006 vertretenen Auffassung verblieben, dass die generalisierten funktionellen Defizite des Klägers die Einschätzung eines GdB von 60 rechtfertigten. Prof. Dr. W. hat in seinem Gutachten vom 2.12.2008 die Zuerkennung eines Gesamt-GdB von 70 für gerechtfertigt gehalten.

6

           

Durch Urteil vom 26.8.2009 hat das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Richtiger Klagegegner sei die Stadt Leipzig. Der Freistaat Sachsen sei aufgrund einer Zuständigkeitsänderung durch sächsische Landesgesetze zum 1.8.2008 kraft Gesetzes aus dem Verfahren ausgeschieden und durch die Beklagte ersetzt worden. Diese landesgesetzlichen Bestimmungen stünden mit höherrangigem Recht in Einklang.

7

Der Bescheid vom 2.6.2003 und der Bescheid vom 30.1.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.3.2005 seien rechtmäßig. Die vorliegende Osteochondromatose könne nicht mit einem alle betroffenen Körperteile abdeckenden GdB bewertet werden. Sie sei in den AHP nicht aufgeführt und auch nicht mit einer Gelenkerkrankung des rheumatisch entzündlichen Formenkreises vergleichbar. Die sich daraus ergebenden Funktionsstörungen seien daher einzeln zu bewerten. Es ergäben sich Einzel-GdB von jeweils 10 für die leichte Funktionsstörung im Bereich des linken Hüftgelenks, das leichte Funktionsdefizit in den oberen Sprunggelenken, die mittelschweren Funktionsdefizite beider Handgelenke und Unterarme sowie ein Teil-GdB von 20 für die schwere Funktionsstörung im Bereich des linken Schultergelenks. Der Zustand nach Entfernung des Chondrosarkoms des Schulterblattes links sei, wie es auch das SG zutreffend angenommen habe, mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewerten, weil die Entfernung im Frühstadium erfolgt sei. Nach Nr 26.1 Abs 3 AHP bzw Teil B Nr 1.c Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 (Anl VersMedV) sei der GdB für das Chondrosarkom von 50 nicht entsprechend höher zu bewerten, da weder der verbliebene Körperschaden bzw Organ- oder Gliedmaßenschaden noch außergewöhnliche Folgen oder Begleiterscheinungen der Behandlung einen GdB von 50 oder mehr bedingten. Bis zum Ablauf der Heilungsbewährung - in der Regel bis zum Ablauf des fünften Jahres nach Geschwulstbeseitigung - sei beim Kläger somit ein GdB von 50 festzustellen. Prof. Dr. J. habe die Einzel-GdB zu einem Gesamt-GdB von 60 addiert, was unzulässig sei. Prof. Dr. W. habe bei seiner Gesamt-GdB-Bildung nicht die Maßgabe nach Nr 26.1 Abs 3 AHP bzw Teil B Nr 1.c Anl VersMedV beachtet.

8

Mit der - vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen - Revision macht der Kläger eine Verletzung des § 69 Abs 1 SGB IX iVm den AHP und der Anl VersMedV geltend. Das angefochtene Urteil weiche zur Bildung des Gesamt-GdB insbesondere von dem Urteil des BSG vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - ab. Zudem habe das LSG den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt. Insbesondere zur Frage, ob der Tumor im Frühstadium oder in einem anderen Stadium entfernt worden sei, habe das LSG seinen Sachvortrag nicht zur Kenntnis genommen. Ebenfalls habe das LSG den Sachverhalt hinsichtlich der von ihm - dem Kläger - behaupteten Vererblichkeit seiner Erkrankung nicht hinreichend aufgeklärt. Zudem habe das LSG den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) verletzt, indem es überraschend und ohne eigene Sachkunde keinem der beiden vorinstanzlich gehörten ärztlichen Fachgutachter gefolgt sei. Schließlich habe das LSG gegen § 62 SGG auch dadurch verstoßen, dass es dem Sachverständigen Prof. Dr. Wirth höhere Sachkunde zugesprochen habe als Prof. Dr. J. Hierzu habe er - der Kläger - sich nicht äußern können.

9

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 26. August 2009 und das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 24. Juli 2007 sowie die Bescheide des Amtes für Familie und Soziales Leipzig vom 2. Juni 2003 und 30. Januar 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesversorgungsamtes vom 30. Mai 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm ab 6. September 2002 einen höheren GdB als 50 festzustellen.

10

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

12

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des Klägers ist zulässig und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.

14

Im Laufe des Berufungsverfahrens ist auf Beklagtenseite kraft Gesetzes ein Beteiligtenwechsel erfolgt (vgl dazu BSG SozR 4-1500 § 57 Nr 2 RdNr 4; BSGE 99, 9 = SozR 4-3250 § 69 Nr 6, RdNr 13 f; BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1, RdNr 20). Zum 1.8.2008 ist die Stadt Leipzig an die Stelle des Freistaates Sachsen getreten, weil von diesem Zeitpunkt an die bis dahin von den Ämtern für Familie und Soziales des Landes wahrgenommenen Aufgaben des Schwerbehindertenrechts nach dem SGB IX auf die Landkreise und kreisfreien Städte übertragen worden sind. Dies geschah durch Art 44 Nr 5 Gesetz zur Neuordnung der Sächsischen Verwaltung vom 29.1.2008 (Sächsisches GVBl 138) und ergänzender landesrechtlicher Regelungen, deren Inhalt als Landesrecht das LSG für das Revisionsgericht bindend festgestellt hat (§ 202 SGG iVm § 560 ZPO; s Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 162 RdNr 7). Einwendungen gegen diese Feststellungen des Inhalts des Sächsischen Landesrechtes sind nicht erhoben worden.

15

Diese durch das Sächsische Landesgesetz erfolgte Zuständigkeitsänderung ist mit revisiblem Recht (vgl § 162 SGG) vereinbar. Sie ist rechtswirksam erfolgt. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats zu der dem erwähnten sächsischem Landesrecht ähnlichen Zuständigkeitsveränderung in Nordrhein-Westfalen verstößt die Übertragung der Aufgaben des Schwerbehindertenrechts auf die Kreise und kreisfreien Städte nicht gegen höherrangiges Bundesrecht, insbesondere nicht gegen Vorschriften des Grundgesetzes (Urteile vom 23.4.2009 - B 9 VG 1/08 R - juris und - B 9 SB 3/08 R - juris, Urteil vom 29.4.2010 - B 9 SB 1/10 R - juris; zur Übertragung der Aufgaben des Sozialen Entschädigungsrechts einschließlich der Kriegsopferversorgung, der Soldatenversorgung und der Opferentschädigung auf die Kommunalen Landschaftsverbände in Nordrhein-Westfalen s Urteile vom 11.12.2008 - B 9 V 3/07 R - SGb 2009, 95 und - B 9 VS 1/08 R - BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1). Die für die Verwaltungsreform in Nordrhein-Westfalen geltende Rechtslage muss in gleicher Weise für die ebenfalls durch formelles Landesgesetz erfolgte Zuständigkeitsänderung in Sachsen gelten. Gegenteilige rechtliche Bedenken sind nicht ersichtlich und auch vom Kläger nicht vorgebracht worden.

16

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Anspruch des Klägers auf Feststellung eines höheren GdB als 50 ab Antragstellung im September 2002. Darüber ist in den angefochtenen Bescheiden vom 2.6.2003 und 30.1.2004 ablehnend entschieden, denn darin ist für den Kläger lediglich ein GdB von 50 festgestellt worden. Weitere Bescheide, insbesondere für die Zeit nach Ablauf der Heilungsbewährung sind nicht ergangen.

17

Ob der Kläger, wie das LSG entschieden hat, nur Anspruch auf die bereits erfolgte Feststellung eines GdB von 50 oder, wie der Kläger geltend macht, Anspruch auf Feststellung eines darüber hinausgehenden GdB hat, kann der Senat auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG (s § 163 SGG) noch nicht abschließend entscheiden.

18

Rechtsgrundlage für einen möglichen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines höheren GdB als 50 ist § 69 Abs 1 und Abs 3 SGB IX vom 19.6.2001 (BGBl I 1046), für die Zeit ab 1.5.2004 idF des Gesetzes vom 23.4.2004 (BGBl I 606; aF) sowie - für die Zeit ab 21.12.2007 - idF des Gesetzes vom 13.12.2007 (BGBl I 2904; nF). Nach § 69 Abs 1 Satz 1 SGB IX (aller Fassungen) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs 1 Satz 4 SGB IX (aller Fassungen) die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, wird der GdB gemäß § 69 Abs 3 Satz 1 SGB IX (aller Fassungen) nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.

19

Gemäß § 69 Abs 1 Satz 5 SGB IX in den bis zum 20.12.2007 maßgeblichen Fassungen (aF) gelten bei der Feststellung der Behinderung (des GdB) die Maßstäbe des § 30 Abs 1 BVG entsprechend(BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 16 bis 21 mwN). Durch diesen Verweis stellt § 69 SGB IX auf das versorgungsrechtliche Bewertungssystem ab, dessen Ausgangspunkt die "Mindestvomhundertsätze" für eine größere Zahl erheblicher äußerer Körperschäden iS der Nr 5 Allgemeine Verwaltungsvorschriften zu § 30 BVG sind. Von diesen Mindestvomhundertsätzen leiten sich die aus den Erfahrungen der Versorgungsverwaltung und den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft gewonnenen Tabellenwerte der AHP ab. In § 69 Abs 1 Satz 5 SGB IX in der ab 21.12.2007 geltenden Fassung (nF) wird zusätzlich auf die auf Grund des § 30 Abs 17 BVG mit Wirkung ab 1.1.2009 erlassene Rechtsverordnung Bezug genommen. Anzuwenden sind vorliegend für die Zeit ab Antragstellung im September 2002 bis zum Ende des Jahres 2008 die AHP 1996, 2004, 2005 und 2008. Für die Zeit ab 1.1.2009 ist die Anl VersMedV Grundlage für die Feststellung des GdB. Aus diesem Wechsel ergeben sich hier keine inhaltlichen Abweichungen, da der Wortlaut der maßgebenden Abschnitte der AHP und der Anl VersMedV ("Versorgungsmedizinische Grundsätze") identisch ist.

20

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist davon auszugehen, dass die AHP grundsätzlich den Maßstab angeben, nach dem der GdB einzuschätzen ist (BSGE 91, 205 = SozR 4-3250 § 69 Nr 2; BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 9). Bei den AHP handelt es sich um antizipierte Sachverständigengutachten, die im konkreten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zu beachten sind (zum Ganzen s BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 25 mwN). Entsprechendes gilt für die seit dem 1.1.2009 in Kraft befindliche VersMedV als verbindliche Rechtsquelle. Zweifel am Inhalt der AHP oder der Anl VersMedV, der durch besondere, vor allem medizinische Sachkunde bestimmt ist, sind vorzugsweise durch Nachfrage bei dem verantwortlichen Urheber, hier also beim Ärztlichen Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin bzw bei dem für diesen geschäftsführend tätigen BMAS (§ 3 VersMedV) zu klären (vgl dazu BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 6/06 R - juris RdNr 21). Im Übrigen sind AHP und VersMedV auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen(BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R -, SozialVerw 2009, 59, 62 mwN). Dabei sind sie im Lichte des § 69 SGB IX auszulegen. Bei nach entsprechender Auslegung verbleibenden Verstößen gegen § 69 SGB IX sind diese Rechtsquellen nicht anzuwenden(BSG Urteil vom 23.4.2009, aaO).

21

Bei der Feststellung des (Gesamt)-GdB ist das seit jeher im Schwerbehindertenrecht geltende Finalitätsprinzip (zum Rechtszustand nach dem Schwerbehindertengesetz s BSG SozR 3870 § 57 Nr 1 S 5; s auch Teil A Nr 2.a Satz 1 Anl VersMedV) zu beachten, das sowohl im Behinderungsbegriff des § 2 Abs 1 SGB IX als auch in den Prinzipien zur Feststellung des GdB nach § 69 Abs 1 und Abs 3 SGB IX festgeschrieben worden ist. Danach sind alle dauerhaften Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrem Entstehungsgrund zu erfassen und ihre Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu berücksichtigen (BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9/9a SB 4/07 R - zum Begriff der sog Organkomplikationen unter Hinweis auf Knickrehm, SGb 2008, 220, 221; s auch Nr 18 Abs 1 AHP/Teil A Nr 2.a Anl VersMedV). Das BSG (aaO) hat dargelegt, dass möglicherweise durch eine Haupterkrankung (dort: Diabetes Mellitus) hervorgerufene Gesundheitsstörungen (dort: zB Netzhautveränderungen etc) wie von der Haupterkrankung unabhängig entstandene Gesundheitsstörungen zu behandeln sind und in ihren Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit unabhängig von dem für die Haupterkrankung festzustellenden Einzel-GdB separat zu berücksichtigen sind. Entsprechend hat das BSG im Falle der durch die Haupterkrankung (Schilddrüsenentfernung wegen Karzinom) hervorgerufenen Verletzung eines Stimmbandnervs entschieden (BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10). Danach begegnet es durchgreifenden Bedenken, mit der GdB-Bewertung eines Zustands nach Tumorentfernung während der Heilungsbewährung auch abgrenzbare und nennenswerte Schäden an anderen Organen zu erfassen, die nicht immer mit einer derartigen Behandlung verbunden sind.

22

Gemäß Nr 26.1 Abs 3 AHP und Teil B Nr 1.c Anl VersMedV ist nach Behandlung bestimmter Krankheiten, die zu Rezidiven neigen, insbesondere bei bösartigen Geschwulsterkrankungen, eine Heilungsbewährung abzuwarten. Der Zeitraum der Heilungsbewährung beträgt in der Regel fünf Jahre, und zwar ab dem Zeitpunkt, an dem die Geschwulst durch Operation oder andere Primärtherapie als beseitigt angesehen werden kann. Die hinsichtlich der häufigsten und wichtigsten solcher Krankheiten im Folgenden angegebenen GdB/MdE/GdS-Anhaltswerte sind auf den "Zustand nach operativer oder anderweitiger Beseitigung der Geschwulst bezogen". Sie beziehen den "regelhaft verbleibenden Organ- oder Gliedmaßenschaden ein". "Außergewöhnliche Folgen oder Begleiterscheinungen der Behandlung - zB langdauernde schwere Auswirkungen einer wiederholten Chemotherapie - sind gegebenenfalls zusätzlich zu berücksichtigen". Ferner bestimmt Nr 26.1 Abs 3 AHP/Teil B Nr 1.c Anl VersMedV, dass, sofern bis zum Ablauf der Heilungsbewährung der GdB während dieser Zeit 50 beträgt, der GdB entsprechend höher zu bewerten ist, wenn der verbliebene Organ- oder Gliedmaßenschaden und/oder außergewöhnliche Folgen oder Begleiterscheinungen der Behandlung einen GdB von 50 oder mehr bedingen.

23

Wie der Begriff des Organschadens zu verstehen ist, ist in den AHP und der Anl VersMedV nicht näher geregelt. Der erkennende Senat hat dazu mehrere Möglichkeiten aufgezeigt (BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 28). Jedenfalls aber darf die Einschätzung des Gesamt-GdB nicht unterschiedlich ausfallen in Fällen, in denen der Organschaden schon vor der Krebsoperation vorhanden war, und Fällen, in denen er erst mit oder nach der Operation aufgetreten ist (BSG aaO, RdNr 30, 31). Soweit Nr 26.1 Abs 3 letzter Satz AHP und Teil B Nr 1.c letzter Satz Anl VersMedV bestimmen, dass der wegen Heilungsbewährung anzunehmende GdB erhöht werden muss ("ist … höher zu bewerten"), wenn der verbliebene Organ- oder Gliedmaßenschaden (Körperschaden) - für sich allein - einen GdB von 50 oder mehr bedingt, kann sich diese Regelung mithin nur auf den von der Geschwulsterkrankung betroffenen Körperteil und die mit der Tumorentfernung typischerweise verbundenen Schäden beziehen. Ob die festgelegte Grenze eines GdB von 50 für derartige verbliebene Organ- oder Gliedmaßenschäden zu hoch angesetzt ist, muss hier nicht erörtert werden; denn die schwere Funktionsstörung des linken Schultergelenks, die neben dem Teilverlust des linken Schulterblatts als vom GdB des Zustands nach Tumorentfernung miterfasst angesehen werden könnte, bedingt nach den bisherigen Feststellungen des LSG nur einen GdB von 20.

24

Die Feststellung des GdB ist tatrichterliche Aufgabe (BSGE 4, 147, 149 f; BSGE 62, 209, 212 ff = SozR 3870 § 3 Nr 26 S 83 f; BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 10; zur Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit in der gesetzlichen Unfallversicherung als Tatsachenfeststellung s zuletzt BSG SozR 4-2700 § 56 Nr 2 RdNr 10 mwN) und kann im Revisionsverfahren nur durch entsprechende Verfahrensrügen angegriffen werden (vgl § 163 SGG). Sie ist jedoch in den dargestellten rechtlichen Rahmen eingebettet, den Verwaltung und Tatsachengerichte zwingend zu beachten haben. Entsprechende Rechtsverstöße durch das Tatsachengericht sind vom Revisionsgericht zu beanstanden (§ 162 SGG).

25

Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen (s § 2 Abs 1 SGB IX) und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt sind diese - soweit möglich - den in den AHP/der Anl VersMedV genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann - in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB (vgl Nr 19 Abs 3 AHP/Teil A Nr 3.c Anl VersMedV) - in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinander stehen. Außerdem sind bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der Tabelle der AHP/Anl VersMedV feste GdB/MdE-Werte bzw feste GdS-Werte angegeben sind (vgl Nr 19 Abs 2 AHP/Teil A Nr 3.b Anl VersMedV).

26

Ausgehend von diesen rechtlichen Rahmenbedingungen hat das LSG im ersten Verfahrensschritt Feststellungen über die beim Kläger bestehenden, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen getroffen, die für das Revisionsgericht bindend sind, zumal sie vom Kläger nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind (§ 163 SGG). Danach liegen ein Zustand nach Entfernung eines Chondrosarkoms mit Teilentfernung des linken Schulterblattes und schwerer Funktionsstörung im Bereich des linken Schultergelenks sowie - im Wesentlichen auf der Grundlage einer familiären Osteochondromatose - Funktionsstörungen im Bereich des linken Hüftgelenks und der oberen Sprunggelenke, mittelschwere Funktionsdefizite beider Handgelenke und Unterarme vor. Soweit sich der Kläger gegen die Feststellung des LSG wendet, das Chondrosarkom sei im Frühstadium entfernt worden, betrifft sein Vorbringen weniger den gegenwärtigen Gesundheitszustand, sondern vielmehr ein Merkmal, das nach Nr 26.1 Abs 3 AHP bzw Teil B Nr 1.c Anl VersMedV für die pauschale GdB-Bemessung während der Heilungsbewährung von Bedeutung ist.

27

Der Senat lässt es dahinstehen, inwiefern die vom LSG im zweiten Verfahrensschritt vorgenommenen Feststellungen über die Zuordnung der Gesundheitsstörungen zu in den AHP und der Anl VersMedV aufgeführten Funktionssystemen und deren Bewertung mit jeweils einem Einzel-GdB bindend sind. Insbesondere bleibt offen, ob die vom LSG auf Nr 26.1 Abs 3 AHP und Teil B Nr 1.c Anl VersMedV gestützte Bewertung des Einzel-GdB für den Zustand nach Entfernung des Chondrosarkoms insoweit auf einer das BSG bindenden Tatsachenfeststellung beruht, als das LSG angenommen hat, die Entfernung sei im Frühstadium erfolgt. Denn selbst wenn die Bewertung des Einzel-GdB für den Zustand nach Tumorentfernung mit 50 im Ansatz zutreffend sein sollte, begegnet das weitere Vorgehen des LSG durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

28

Das LSG hat die Regelung der Nr 26.1 Abs 3 AHP bzw Teil B Nr 1.c Anl VersMedV unrichtig angewendet. Es hat bereits verkannt, dass diese Bestimmungen nur die Ermittlung des Einzel-GdB für den Zustand nach Tumorentfernung während der Heilungsbewährung und nicht die Bemessung des Gesamt-GdB betreffen. Es hätte zudem nicht alle mit der familiären Osteochondromatose des Klägers zusammenhängenden Funktionsstörungen in die Bemessung des Einzel-GdB für den Zustand nach Tumorentfernung einbeziehen, sondern insoweit nur die unmittelbar damit verbundenen Schäden berücksichtigen dürfen. Wäre danach der Einzel-GdB von 50 nicht zu erhöhen gewesen, so hätten die übrigen Gesundheitsstörungen (insbesondere im Bereich der Hände, Unterarme, Hüft- und Sprunggelenke) in einem dritten Verfahrensabschnitt in die Bildung des Gesamt-GdB einbezogen werden müssen.

29

Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese Vorgehensweise zu einem höheren Gesamt-GdB als 50 hätte führen können. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die betreffenden Funktionsstörungen nach den Feststellungen des LSG jeweils nur einen GdB von 10 bedingen.

30

Nach Nr 19 Abs 4 AHP und Teil A Nr 3.d.ee Anl VersMedV führen, von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Ein derartiger Ausnahmefall könnte hier vorliegen. Die vom LSG festgestellten Beweglichkeitseinschränkungen am linken Hüftgelenk, den Handgelenken und Unterarmen sowie den oberen Sprunggelenken sind offenbar einer sog Systemerkrankung - nämlich einer familiären Osteochondromatose - zuzuordnen. Dadurch könnten die Auswirkungen der einzelnen Erscheinungen insgesamt ein stärkeres Gewicht erhalten. Hinzu könnten besondere seelische Begleiterscheinungen kommen, die sich aus der Vererblichkeit dieser Erkrankung ergeben.

31

Sollte der Kläger - wie seinem Vorbringen entnommen werden könnte - darüber hinaus an einer psychischen Erkrankung leiden, wäre diese mit einem Einzel-GdB zu bewerten und bei der Bildung des Gesamt-GdB gesondert zu berücksichtigen.

32

Nach alledem fehlen weitere tatrichterliche Feststellungen, die das BSG im Revisionsverfahren nicht nachholen kann. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

33

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das LSG erneut zu prüfen und festzustellen haben, ob sich das Chondrosarkom des linken Schulterblattes bei seiner Entfernung tatsächlich erst im Frühstadium oder - wie der Kläger geltend macht - in einem fortgeschrittenen Stadium befunden hat. Letzteres würde nach Nr 26.1 Abs 3 AHP bzw Teil B Nr 1.c Anl VersMedV während der Heilungsbewährung zu einem höheren Einzel-GdB führen.

34

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. Dezember 2014 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Bei der Klägerin ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt (Bescheid vom 11.12.2008).

2

Ihren Antrag auf Höherbewertung des GdB lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 18.11.2010, Widerspruchsbescheid vom 15.12.2011). Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Mit Urteil vom 18.12.2014 hat das LSG einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung eines höheren GdB von mindestens 50 verneint. Die Höhe des Gesamt-GdB habe sich seit der letzten maßgeblichen Feststellung durch den Bescheid vom 11.12.2008 nicht wesentlich geändert. Die Bewertungen der Teil-GdB für einzelne Funktionssysteme durch das SG und die Beklagte seien eher zu hoch ausgefallen.

3

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt, weil das LSG von der Rechtsprechung des BSG zur Abschmelzung überhöhter GdB abgewichen sei.

4

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil sie den allein behaupteten Zulassungsgrund der Divergenz nicht ordnungsgemäß dargelegt hat (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).

5

Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN).

6

Die Klägerin hat bereits keinen tragenden abstrakten Rechtssatz des LSG herausgestellt, mit dem dieses der Rechtsprechung des BSG widersprochen habe. Sie macht geltend, das Berufungsgericht habe das Urteil des BSG vom 17.4.2013 (B 9 SB 6/12 R - SozR 4-1300 § 48 Nr 26) verkannt. Danach habe dem bei einem durch die Verwaltungsbehörde überhöht festgestellten GdB diese selbst per Verwaltungsakt über die Abschmelzung zu entscheiden. Mit diesem Vorbringen ist eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nicht dargetan. Wer eine Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG geltend macht, muss darlegen, dass das LSG im angefochtenen Urteil nicht lediglich die Tragweite der höchstrichterlichen Rechtsprechung verkennt, sondern dieser Rechtsprechung bewusst einen eigenen Rechtssatz entgegensetzt(vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 73 mwN). An dieser Darlegung fehlt es hier. Den von der Beschwerde behaupteten Rechtssatz des LSG konnte sie nicht aus den Urteilsgründen zitieren, weil er dort nicht steht. Eine bewusste Abweichung des LSG von einem Rechtssatz des BSG hat sie damit nicht dargelegt.

7

Ohnehin verkennt die Beschwerde den Inhalt des angegriffenen Urteils. Das LSG ist nicht von einer überhöhten, sondern von einer im Ergebnis nach wie vor zutreffenden Festsetzung des Gesamt-GdB der Klägerin von 30 durch die Beklagte ausgegangen. Das LSG hat lediglich wie der Beklagte eine Höherbewertung abgelehnt, weil sich der Gesamt-GdB durch neu hinzugetretene Funktionsbeeinträchtigungen nicht geändert habe. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Form ein überhöhter GdB nach § 48 Abs 3 SGB X abgeschmolzen werden kann (vgl BSG SozR 4-1300 § 48 Nr 26) stellte sich für das LSG von seinem rechtlichen Ausgangspunkt her nicht.

8

Soweit die Beschwerde auf eine teilweise abweichende Einschätzung einzelner Funktionsbeeinträchtigungen hinweist, die der Beklagte und das LSG zugrunde gelegt haben, so übersieht sie Folgendes: Maßgeblicher Regelungsinhalt eines Feststellungsbescheids über das Vorliegen und den Grad einer Behinderung bildet nicht die Frage, wie einzelne Funktionsbeeinträchtigungen für sich genommen zu bewerten sind, sondern welche Folgen sich aus ihrem Zusammenwirken für die Teilhabe des behinderten Menschen am Leben der Gesellschaft insgesamt ergeben, § 69 Abs 1 S 1 und S 4 und Abs 3 SGB IX. Das Schwerbehindertenrecht kennt nur einen Gesamtzustand der Behinderung, den gegebenenfalls mehrere Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit bestimmen (vgl BSGE 82, 176 = SozR 3-3870 § 4 Nr 24). So genannte Einzel-GdB, die den Grad der Behinderung separat für eine einzelne Erkrankung bzw Funktionseinschränkung im Bescheid ausweisen, sind nur Begründungselemente (§ 35 SGB X) des Gesamt-GdB; nur letzterer steht im Verfügungssatz des Bescheids und hat Feststellungswirkung (Oppermann in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 69 SGB IX RdNr 10). Nach alldem hat das LSG daher die bisherige Feststellung eines (Gesamt-)GdB von 30 durch den Beklagten gerade nicht als rechtswidrig überhöht angesehen und abgeschmolzen, sondern im Ergebnis, wenn auch nicht in jedem Begründungselement, bestätigt.

9

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

10

Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).

11

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. November 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei dem Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 festzustellen ist.

2

Der 1968 geborene Kläger beantragte wegen eines insulinpflichtigen Diabetes Mellitus Typ 1 am 4.10.2001 erstmalig die Feststellung einer Behinderung. Daraufhin stellte das beklagte Land bei ihm wegen dieses Leidens einen GdB von 40 fest (Bescheid vom 23.11.2001). Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 24.9.2002; Urteil des SG vom 12.2.2004). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, der Kläger sei durch sein einziges Leiden (Diabetes mellitus) nicht gravierend in seiner gesamten Lebensführung beeinträchtigt. Erhebliche Einschränkungen seien nur hinsichtlich der Berufsausübung festzustellen. Insoweit sei zwar der Kernbereich der Erfüllung der dem Kläger obliegenden Pflichten betroffen; er habe aber seine Tätigkeit nicht aufgeben müssen, sondern könne ihr unter modifizierten Bedingungen nachgehen. In allen anderen Lebensbereichen seien keine gravierenden Einschränkungen gegeben. Der insoweit festzustellende erhöhte Planungs- und Organisationsaufwand bei zahlreichen Freizeitaktivitäten beruhe auf den täglich mindestens vier Insulininjektionen (mit jeweils selbständiger Dosisanpassung). Selbst gravierende Beeinträchtigungen in einem Lebensbereich seien nicht geeignet, eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung im gesamten gesellschaftlichen Leben hervorzurufen. Schließlich werde der Kläger nicht zusätzlich durch eine schlechte Einstellungsqualität eingeschränkt (Urteil vom 15.11.2012).

3

Mit seiner - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger eine Verletzung materiellen Rechts. Das LSG habe die Anforderungen an die Bejahung einer gravierenden Beeinträchtigung der Lebensführung überspannt, indem es hierfür erhebliche Einschnitte in mehreren Lebensbereichen verlange. Hinzu komme, dass das LSG weitere Einschränkungen zwar zutreffend festgestellt, aber nicht hinreichend gewürdigt habe.

4

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15.11.2012 und des Sozialgerichts Magdeburg vom 12.2.2004 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 23.11.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.9.2002 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, bei dem Kläger für die Zeit ab dem 4.10.2001 einen GdB von mindestens 50 festzustellen.

5

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Revision zurückzuweisen.

6

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend und stützt sich dabei auf die bisherige Senatsrechtsprechung.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG).

8

1. Der Kläger erstrebt mit seiner Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 SGG - siehe zur statthaften Klageart zuletzt BSG Urteil vom 17.4.2013 - B 9 SB 3/12 R - Juris RdNr 24 mwN) die Verpflichtung des beklagten Landes, unter Abänderung des Bescheids vom 23.11.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.9.2002 (§ 95 SGG) mit Wirkung ab dem 4.10.2001 den GdB mit mindestens 50 festzustellen. Da es sich nicht um einen punktuellen oder nur auf die Zukunft bezogenen Streitgegenstand handelt, kommt es - entgegen dem insoweit zu engen Obersatz des LSG - maßgebend auf die Sach- und Rechtslage im gesamten Zeitraum vom 4.10.2001 bis zum 15.11.2012 (Tag der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz) an.

9

2. Die Revision ist nicht erfolgreich, da der Kläger für diesen Zeitraum keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung eines höheren GdB als 40 hat. Der angefochtene Bescheid des beklagten Landes vom 23.11.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.9.2002 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

10

a) Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf Feststellung eines GdB für die Zeit ab 4.10.2001 ist § 69 Abs 1 und 3 SGB IX idF vom 19.6.2001 (BGBl I 1046), für die Zeit ab 1.5.2004 idF des Gesetzes vom 23.4.2004 (BGBl I 606), für die Zeit ab 21.12.2007 idF des Gesetzes vom 13.12.2007 (BGBl I 2904) und für die Zeit ab 1.7.2011 idF des Gesetzes vom 20.6.2011 (BGBl I 1114). Nach § 69 Abs 1 S 1 SGB IX (in den genannten Fassungen) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB in einem besonderen Verfahren fest. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs 1 S 3(bzw idF seit 1.5.2004: S 4) SGB IX die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Gemäß § 69 Abs 1 S 4(bzw idF seit 1.5.2004: S 5) SGB IX aF galten bis zum 20.12.2007 (nur) die im Rahmen des § 30 Abs 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend. Durch diesen Verweis stellte § 69 SGB IX aF auf das versorgungsrechtliche Bewertungssystem ab, dessen Kern die aus den Erfahrungen der Versorgungsverwaltung und den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft gewonnenen Tabellenwerte der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) waren. Gemäß § 69 Abs 1 S 5 SGB IX wird seit dem 21.12.2007 zusätzlich auf die aufgrund des § 30 Abs 17(bzw Abs 16) BVG erlassene Rechtsverordnung zur Durchführung des § 1 Abs 1 und 3, des § 30 Abs 1 und des § 35 Abs 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung) Bezug genommen, sodass seit 1.1.2009 die VersMedV vom 10.12.2008 (BGBl I 2412), zuletzt geändert durch die Fünfte Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 11.10.2012 (BGBl I 2122), anstelle der AHP Grundlage für die Feststellung des GdB ist (vgl auch BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 16 f). Als Anlage zu § 2 VersMedV sind "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (AnlVersMedV) erlassen worden, in denen ua die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) iS des § 30 Abs 1 BVG festgelegt worden sind. Diese sind auch für die Feststellung des GdB maßgebend, weil beide Begriffe - insoweit übereinstimmend - ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens bilden (vgl Teil A Nr 2 AnlVersMedV). Die AHP und die zum 1.1.2009 in Kraft getretene AnlVersMedV stellen ihrem Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar (stRspr: zuletzt BSG Urteil vom 17.4.2013 - B 9 SB 3/12 R - Juris RdNr 28; vgl ferner etwa Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 25 mwN). Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die GdB-Bewertung auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstands anderer Wissenszweige zu entwickeln (vgl BSG aaO RdNr 28; BSG Urteil vom 29.8.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSGE 67, 204, 208 f = SozR 3-3870 § 4 Nr 1 S 5 f).

11

Die Bemessung des GdB ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (vgl Urteil vom 29.11.1956 - 2 RU 121/56 - BSGE 4, 147, 149 f; Urteil vom 9.10.1987 - 9a RVs 5/86 - BSGE 62, 209, 212 f = SozR 3870 § 3 Nr 26 S 83 f; Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 23 mwN). Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen. Darüber hinaus sind vom Tatsachengericht die rechtlichen Vorgaben zu beachten. Rechtlicher Ausgangspunkt sind stets §§ 2 Abs 1, 69 Abs 1, 3 SGB IX(vgl BSG aaO RdNr 16 bis 21 mwN); maßgebend sind danach die Auswirkungen nicht nur vorübergehender Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (zuletzt BSG Urteil vom 17.4.2013 - B 9 SB 3/12 R - Juris RdNr 30 mwN).

12

b) Der Senat hat sich in den letzten Jahren bereits in etlichen Revisionsurteilen zur GdB-Festsetzung bei Diabetes mellitus geäußert. Aufgrund dieser gefestigten Rechtsprechung, an der festzuhalten ist, sind die sich in diesem Zusammenhang stellenden Rechtsfragen weitestgehend geklärt (kurz zusammengefasst im Senatsurteil vom 17.4.2013 - B 9 SB 3/12 R - Juris RdNr 31).

13

Formal betrachtet sind nach dem oben Gesagten für die Zeit ab Stellung des Feststellungsantrags durch den Kläger am 4.10.2001 zunächst bis zum Ende des Jahres 2008 die AHP (Ausgaben 1996, 2004, 2005 und 2008) und für die Zeit ab dem 1.1.2009 die VersMedV idF vom 10.12.2008 bzw der fünf seitdem erlassenen Änderungsverordnungen heranzuziehen. Der Senat hat jedoch bereits entschieden, dass diese Vorschriften teilweise nicht zur GdB-Bewertung bei Diabetes mellitus geeignet, teilweise sogar wegen Unvereinbarkeit mit höherrangigem Recht nichtig sind (Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - Juris RdNr 25 ff mwN). Insoweit kann letztlich - wie im Urteil des LSG geschehen - für den gesamten Streitzeitraum auf die Neufassung der Vorschrift Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV vom 14.7.2010 zurückgegriffen werden (so schon Senatsurteil vom 17.4.2013 - B 9 SB 3/12 R - Juris RdNr 32 mwN). Für die Zeit ab dem 22.7.2010 ist diese Regelung ohnehin unmittelbar zur GdB-Bewertung bei Diabetes mellitus anwendbar. Der Senat hat nach wie vor keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Bestimmungen nicht mehr dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen könnten (siehe schon BSG aaO RdNr 35 mwN).

14

Die danach allein maßgebende Rechtsgrundlage hat folgenden Wortlaut:

        

15.1 Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus).

        

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdS rechtfertigt. Der GdS beträgt 0.

        

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 20.

        

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 30 bis 40.

        

Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbstständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdS beträgt 50.

        

Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdS-Werte bedingen.

15

Was den entscheidungserheblichen Lebenssachverhalt angeht, bleibt es demgegenüber dabei, dass der tatsächliche Verlauf der Funktionsstörungen infolge des Diabetes mellitus im gesamten Zeitraum seit dem 4.10.2001 zu berücksichtigen ist. Denn die Verpflichtungsklage des Klägers ist nicht nur in die Zukunft gerichtet, sondern erstreckt sich auch auf die Feststellung eines (höheren) GdB für die Vergangenheit. Dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG ist indes mit (noch) hinreichender Klarheit zu entnehmen, dass insofern keine wesentlichen Veränderungen eingetreten sind. Die tatsächlichen Feststellungen zu den eingetretenen Teilhabebeeinträchtigungen beziehen sich auf den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum.

16

Für die hier streitige Feststellung eines GdB von (mindestens) 50 enthält Teil B Nr 15.1 Abs 4 AnlVersMedV drei Beurteilungskriterien: täglich mindestens vier Insulininjektionen, selbständige Variierung der Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung sowie eine gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung durch erhebliche Einschnitte. Diese Kriterien sind nach Auffassung des Senats nicht jeweils gesondert für sich genommen starr anzuwenden; vielmehr sollen sie eine sachgerechte Beurteilung des Gesamtzustands erleichtern (so schon BSG Urteil vom 25.10.2012 - B 9 SB 2/12 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 16 RdNr 34).

17

Das LSG hat die beiden erstgenannten, auf den Therapieaufwand bezogenen Beurteilungskriterien als erfüllt angesehen. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts einzuwenden.

18

Zu Recht geht das Berufungsurteil weiter davon aus, dass dies allein nicht ausreicht, um den GdB mit (mindestens) 50 festzustellen. Vielmehr muss die betreffende Person durch Auswirkungen des Diabetes mellitus auch insgesamt gesehen erheblich in ihrer Lebensführung beeinträchtigt sein. Der Senat hat bereits in mehreren Entscheidungen ausführlich dargelegt und begründet, dass und warum es sich hierbei trotz des insoweit missverständlichen Wortlauts des letzten Teilsatzes von Teil B Nr 15.1 Abs 4 AnlVersMedV um eine zusätzlich zu erfüllende Anforderung handelt (zuletzt im Urteil vom 17.4.2013 - B 9 SB 3/12 R - Juris RdNr 39 ff mwN; siehe auch Urteil vom 25.10.2012 - B 9 SB 2/12 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 16 RdNr 37 ff mit insoweit zustimmender Anm Wendtland, SGb 2013, 647, 653 f). Das kommt bereits durch die Verwendung des Wortes "und" deutlich zum Ausdruck. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber, der ausdrücklich an die vorausgegangene Senatsrechtsprechung angeknüpft hat (siehe BR-Drucks 285/10 S 3), davon ausgegangen ist, dass bei einem entsprechenden Therapieaufwand immer eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung vorliegt. Zudem ist für die Beurteilung des GdB bei Diabetes mellitus auch die jeweilige Stoffwechsellage bedeutsam (vgl Teil B Nr 15.1 Abs 3 AnlVersMedV; grundlegend BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 40). Der darin zum Ausdruck kommende Therapieerfolg kann aber nur im Rahmen der Prüfung des dritten Merkmals (gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung) berücksichtigt werden.

19

Vor diesem Hintergrund hat das LSG ohne durchgreifenden Rechtsfehler verneint, dass der Kläger durch erhebliche Einschnitte gravierend in seiner Lebensführung beeinträchtigt ist. Bei der insoweit erforderlichen am Einzelfall orientierten Beurteilung, die alle die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinflussenden Umstände berücksichtigt, lässt sich bei dem Kläger auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG, an die der Senat mangels entsprechender Verfahrensrügen gebunden ist (§ 163 SGG), keine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung konstatieren.

20

Allerdings teilt der Senat nicht die Auffassung des LSG, eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung iS von Teil B Nr 15.1 Abs 4 AnlVersMedV komme aus Rechtsgründen nur in Betracht, wenn die zu einer Teilhabebeeinträchtigung führenden erheblichen Einschnitte mindestens zwei verschiedene Lebensbereiche betreffen. Dagegen spricht schon der Wortlaut der genannten Norm, der eine solche differenzierende Betrachtungsweise nicht nahelegt. Auch in der Begründung der Neufassung wird lediglich beispielhaft auf verschiedene Bereiche hingewiesen (Planung des Tagesablaufs, Gestaltung der Freizeit, Zubereitung der Mahlzeiten, Berufsausübung und Mobilität; vgl BR-Drucks 285/10 S 3). Schließlich gebietet auch die Vereinbarkeit der Regelung mit höherrangigem Recht ein weiteres Verständnis, das eine Gesamtbetrachtung der Teilhabebeeinträchtigung ermöglicht. Denn schon die gesetzliche Vorschrift, die die Maßstäbe für die Feststellung des GdB enthält (vgl den Verweis in § 69 Abs 1 S 5 SGB IX aF), gibt vor, dass die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen "in allen Lebensbereichen" zu ermitteln und zu berücksichtigen sind (§ 30 Abs 1 BVG). Auch der in § 2 Abs 1 S 1 SGB IX definierte Begriff der Behinderung setzt nur voraus, dass die "Teilhabe am Leben in der Gesellschaft" in irgendeiner Form beeinträchtigt ist - ohne dass nach einzelnen Bereichen differenziert würde. Dies entspricht der Finalität des modernen Behinderungsbegriffs (vgl dazu BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 20, 30 ff; Wendtland, SGb 2010, 373, 378). Schließlich hält der Senat den Lösungsansatz des LSG auch nicht für praktikabel, weil keine rechtlichen Maßstäbe für die Abgrenzung von "Lebensbereichen" existieren. Dem Gebot der Rechtssicherheit wäre nur Genüge getan, wenn sich nach abstrakten, vorhersehbaren Kriterien bestimmen ließe, ob etwa die oben aus der Verordnungsbegründung zitierten Aktivitäten jeweils eigene Lebensbereiche darstellen oder nicht. Dazu verhält sich das Berufungsurteil nicht; es stellt der Berufsausübung nur noch den Oberbegriff "Freizeit- bzw. Mobilitätsbereich" gegenüber.

21

Bei der demnach anzustellenden Gesamtbetrachtung aller Lebensbereiche lässt sich eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung durch erhebliche Einschnitte in der Lebensführung nur unter strengen Voraussetzungen bejahen (aA wohl Wendtland, SGb 2013, 647, 654). Das zeigt sich schon an der Formulierung der Vorschrift, die eine für einen Normtext seltene Häufung einschränkender Merkmale enthält (erheblich, gravierend, ausgeprägt). In diesem Zusammenhang hat der Beklagte zu Recht auf die Systematik der Regelung der Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV hingewiesen, die diese Wortwahl erklärt. Dem Verordnungsgeber ging es ersichtlich darum, mit jedem Absatz eine Steigerung der Anforderungen zu verdeutlichen (der auf der Rechtsfolgenseite jeweils ein höherer GdB gegenübersteht). Weiterhin lässt sich aus dem oben dargestellten Zusammenspiel der drei Beurteilungskriterien der Teil B Nr 15.1 Abs 4 AnlVersMedV ableiten, dass die mit der dort vorausgesetzten Insulintherapie zwangsläufig verbundenen Einschnitte nicht geeignet sind, eine zusätzliche ("und") gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung hervorzurufen. Berücksichtigungsfähig ist daher nur ein dieses hohe Maß noch übersteigender, besonderer Therapieaufwand. Daneben kann - wie oben ausgeführt - ein unzureichender Therapieerfolg die Annahme einer ausgeprägten Teilhabebeeinträchtigung rechtfertigen. Schließlich sind auch alle anderen durch die Krankheitsfolgen herbeigeführten erheblichen Einschnitte in der Lebensführung zu beachten.

22

Gemessen an diesen Kriterien ist das Berufungsurteil im Ergebnis nicht zu beanstanden. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG muss der Kläger bis zu sechs Insulininjektionen am Tag vornehmen und dabei - nach entsprechender Blutzuckermessung - auch die jeweilige Dosis anpassen. Unbeschadet des damit verbundenen, die Lebensführung einschränkenden Therapieaufwands wird der Kläger nicht noch zusätzlich durch eine schlechte Einstellungsqualität in seiner Leistungsfähigkeit und damit in seiner Teilhabefähigkeit am Leben in der Gesellschaft erheblich beeinträchtigt. Trotz des Entstehens von Unterzuckerungszuständen ist es bisher fast nie zu schweren hypoglykämischen Entgleisungen mit erforderlicher Fremdhilfe gekommen. Die Erkrankung hat nicht zu nennenswerten Zeiten von Arbeitsunfähigkeit oder stationärer Behandlungsbedürftigkeit geführt. Die den Kläger ambulant behandelnden Ärzte haben nach den Feststellungen des LSG durchgehend eine "sehr gute Stoffwechseleinstellung berichtet". Folgeschäden an anderen Organen sind bislang nicht aufgetreten. Betrachtet man schließlich die erkrankungsbedingten Beeinträchtigungen in der konkreten Lebensführung des Klägers, so hat das LSG keine hinreichend gewichtigen Einschnitte festgestellt, um eine gravierende Einschränkung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in seiner Gesamtheit annehmen zu können. Einzelne Ausfallzeiten infolge von Unterzuckerungszuständen sind unvermeidbare Folge des Diabetes mellitus und können angesichts des insgesamt überdurchschnittlichen Therapieerfolgs keine besondere Beeinträchtigung darstellen. Die vom LSG festgestellten Einschränkungen bei (privaten oder zwingenden dienstlichen) Reisen, beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen und bei der Nahrungsaufnahme bedeuten nicht nur eine signifikante, sondern eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung (vgl Teil B Nr 15.1 Abs 2, 3 AnlVersMedV). Das Ausmaß einer darüber noch hinausgehenden ausgeprägten Teilhabebeeinträchtigung (Teil B Nr 15.1 Abs 4 AnlVersMedV) erreichen sie hingegen nicht.

23

Entgegen der Revision führt auch nicht etwa der Umstand, dass der Kläger nach den Feststellungen des LSG gerade in seiner Berufsausübung gravierend beeinträchtigt ist, zu einem anderen Ergebnis. Vielmehr erlaubt die zur Prüfung des Vorliegens einer ausgeprägten Teilhabebeeinträchtigung anzustellende Gesamtbetrachtung der Einschnitte, die den behinderten Menschen in seiner Lebensführung beeinträchtigen, eine wechselseitige Kompensation von durch Krankheitsfolgen gestörten und ungestörten Aktivitäten. Den allgemeinen Grundsätzen des Schwerbehindertenrechts entspricht es, die Auswirkungen von Funktionsstörungen in allen Lebensbereichen zu berücksichtigen. Dies geschieht mit gleicher Gewichtung, ohne dass - wie in der Revisionsbegründung vorgeschlagen - die existenzielle Bedeutung einer Erwerbstätigkeit zu berücksichtigen wäre. Das ergibt sich schon im Umkehrschluss aus § 30 Abs 2 BVG, wonach der auf der Grundlage des § 30 Abs 1 BVG iVm der VersMedV ermittelte GdS höher zu bewerten ist, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in ihrem Beruf besonders betroffen sind. Auf diese Regelung wird jedoch in § 69 Abs 1 SGB IX für die GdB-Feststellung gerade nicht verwiesen. Demzufolge wird in den allgemeinen Grundsätzen des Teils A Nr 2 b AnlVersMedV zutreffend davon ausgegangen, dass der GdB grundsätzlich unabhängig vom ausgeübten oder angestrebten Beruf zu beurteilen ist.

24

Was die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft angeht, hat das LSG zu Recht auf deren allgemeine Beschreibung in den einleitenden Teilen der AnlVersMedV bzw der AHP verwiesen. Insofern bietet sich für die Maßstabsbildung ein Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen an, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 fest vorgegeben ist. Die tatrichterliche Einschätzung, dass der Kläger nicht in ähnlich gravierender Weise in seiner Lebensführung eingeschränkt ist, wie die im Berufungsurteil als Vergleichsgruppe herangezogenen Personen (behinderte Menschen mit einer vollständigen Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, einem Verlust eines Beins im Unterschenkel oder einer Aphasie (Sprachstörung) mit deutlicher Kommunikationsstörung), begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Wollte man dagegen bei der Prüfung des Teils B Nr 15.1 Abs 4 AnlVersMedV geringere Anforderungen an die Anerkennung einer ausgeprägten Teilhabebeeinträchtigung stellen, käme es insoweit zu Wertungswidersprüchen innerhalb der AnlVersMedV.

25

Abschließend lässt sich auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG auch ausschließen, dass der GdB des Klägers wegen außergewöhnlich schwer regulierbarer Stoffwechsellagen im Sinne von Teil B Nr 15.1 Abs 5 AnlVersMedV einen Wert von (mindestens) 50 erreicht.

26

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 21. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 nach dem Schwerbehindertenrecht hat.

2

Auf den Antrag der 1954 geborenen Klägerin vom 20.4.2010 stellte das beklagte Land nach Beiziehung eines Befundberichts und einer versorgungsärztlichen Stellungnahme mit Bescheid vom 22.7.2010 wegen eines Diabetes mellitus einen GdB von 30 ab April 2010 fest. Nachdem die Klägerin im Widerspruchsverfahren Auszüge ihres Diabetikertagebuchs vorgelegt hatte, holte der Beklagte weitere versorgungsärztliche Stellungnahmen ein. Die Versorgungsärztin S. führte unter dem 23.12.2010 aus: Die vorgelegte Dokumentation umfasse einen Zeitraum von 96 Tagen. Die Klägerin messe vier bis achtmal täglich den Blutzucker und injiziere zwei bis viermal täglich Bolusinsulin und einmal täglich Basisinsulin. An mindestens 35 Tagen habe die Dosis nicht angepasst werden müssen. An den restlichen Tagen seien ein bis drei Korrekturinjektionen vorgenommen worden. Eine für einen GdB von 50 erforderliche ständige Anpassung der Insulindosierung sei daher nicht zu bestätigen. Es werde ein Gesamt-GdB von 40 vorgeschlagen. Hierauf gestützt änderte der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.12.2010 den angefochtenen Bescheid unter Zurückweisung des Widerspruchs im Übrigen dahin ab, dass ab April 2010 der GdB 40 betrage. Zur Begründung gab er den Inhalt der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23.12.2010 weitgehend wörtlich wieder.

3

Das von der Klägerin daraufhin angerufene Sozialgericht Magdeburg (SG) hat mit Urteil vom 14.3.2011 den angefochtenen Verwaltungsakt geändert und den Beklagten verurteilt, bei der Klägerin ab April 2010 einen GdB von 50 festzustellen. In den Entscheidungsgründen heißt es: Bei der Klägerin seien die Voraussetzungen für einen GdB von 50 bei Diabetes mellitus erfüllt, wie sie in Teil B Nr 15.1 Versorgungsmedizinische Grundsätze in der Fassung vom 14.7.2010 geregelt seien, die auch für die Zeit davor gälten. Die Klägerin führe eine Insulintherapie durch, bei der sie täglich ein langwirkendes Basisinsulin und jeweils vor den Mahlzeiten ein schnell wirkendes Insulin spritze. Die Tatsache, dass sich die Klägerin nach ihren Aufzeichnungen an einigen Tagen nur drei Insulininjektionen verabreicht habe, sei darauf zurückzuführen, dass sie an diesen Tagen nur zwei Mahlzeiten zu sich genommen habe. Damit habe die Klägerin aber die Voraussetzungen der Verordnung sinngemäß erfüllt, denn die Vorschrift wolle gerade die Fälle erfassen, in denen - wie hier - täglich einmal Basisinsulin und vor jeder Mahlzeit, also üblicherweise dreimal, ein Mahlzeiteninsulin gespritzt werde. Die weitere Formulierung "… Menschen, die … durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind" stelle kein weiteres Tatbestandsmerkmal dar, sondern eine Bewertung der Situation der Betroffenen, die den genannten Therapieaufwand betreiben müssten.

4

Im danach vom Beklagten veranlassten Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) die Klägerin persönlich angehört sowie einen Befundbericht von Dr. K. vom 6.9.2011 eingeholt. Ferner hat es zwei vom Beklagten vorgelegte versorgungsärztliche Stellungnahmen von Dr. S. vom 30.9.2011 und Dr. W. vom 13.2.2012 zu den Akten genommen. Durch Urteil vom 21.2.2012 hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Seine Entscheidung hat es auf folgende Erwägungen gestützt:

5

Die Klägerin sei durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt, da der festgestellte GdB von 40 rechtmäßig sei. Rechtsgrundlage für die Beurteilung des GdB seien § 69 Abs 1 SGB IX sowie die Versorgungsmedizinischen Grundsätze als Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (Anl VersMedV) vom 10.12.2008. Das zentrale Leiden der Klägerin betreffe das Funktionssystem "Innere Sekretion und Stoffwechsel" und werde durch den insulinpflichtigen Diabetes mellitus geprägt. Auf der Grundlage der Zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 14.7.2010 ergebe sich bei der Klägerin ein GdB von 40. Demgegenüber setze ein GdB von 50 mindestens vier Insulininjektionen pro Tag, ein selbstständiges Anpassen der Insulindosis sowie gravierende und erhebliche Einschnitte in der Lebensführung voraus.

6

Diese Anforderungen erreiche die Klägerin nicht. Sie führe nicht ständig eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durch, wie dies die Versorgungsärztin S. unter dem 23.12.2010 überzeugend ausgeführt habe. Auch komme es nach der Einschätzung der Versorgungsärzte nach Auswertung der Unterlagen nicht zu einer "ständigen" Dosisanpassung der Insulingabe. Damit bewege sich die Klägerin bereits unterhalb des Mindestumfangs des Therapieaufwandes, den die VersMedV für die Feststellung eines GdB von 50 verlange. Neben der täglichen Injektion mit einem langwirksamen Insulin müsse die Klägerin bei hohen Morgenwerten zu jeder Mahlzeit und bei Nebenerkrankungen das kurzwirkende Insulin einsetzen und dabei auch die jeweilige Dosis variieren. Das sei jedoch nicht ständig der Fall, sondern offenbar von den jeweiligen Begleitumständen (Alltagsbelastung, berufliche Anforderungen, Reisetätigkeit usw) abhängig. Hinzu kämen ständige Blutzuckermessungen zu jeder Mahlzeit und gegebenenfalls bis zu sechsmal täglich, die jedoch nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen nicht erhöhend zu berücksichtigen seien.

7

Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin einen Therapieaufwand von mindestens vier Insulininjektionen und eine ständige Dosisanpassung annehmen würde, fehle es jedenfalls an erheblichen Einschnitten, die sich so gravierend auf ihre Lebensführung auswirkten, dass die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft gerechtfertigt werden könne. Die Klägerin werde trotz des einschränkenden Therapieaufwandes nicht noch zusätzlich durch eine schlechte Einstellungsqualität in ihrer Leistungsfähigkeit und damit in ihrer Teilhabefähigkeit erheblich beeinträchtigt. So gehe sie nach ihren eigenen Angaben einer Außendiensttätigkeit mit hohem und belastungsintensiven Anforderungsprofil nach und bewältige diese Anstrengungen offenbar ohne wesentliche krankheitsbedingten Einschränkungen seit vielen Jahren. Zu schweren hypoglykämischen Entgleisungen sei es bei der Klägerin nach Beginn der Insulintherapie noch nie gekommen. Auch seien wesentliche Folgeschäden noch nicht eingetreten.

8

Mit ihrer - vom LSG zugelassen - Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

9

Das angefochtene Urteil sei iS der § 136 Abs 1 Nr 6, § 128 Abs 1 S 2 SGG nicht hinreichend mit Gründen versehen. Das LSG habe seiner Entscheidung allein die Fassung des Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV in der ab dem 22.7.2010 geltenden Fassung (nF) zugrunde gelegt, obwohl streitig auch die Höhe des GdB in der Zeit von April 2010 bis zum 21.7.2010 sei. Für diesen Zeitraum fehle es an einer Begründung für die Feststellung des GdB.

10

Das LSG habe zudem ihr Recht auf rechtliches Gehör (§ 128 Abs 2 SGG) dadurch verletzt, dass es seine Entscheidung maßgebend auf die Stellungnahme der Versorgungsärztin S. vom "30.12.2010" gestützt habe, ohne ihr diese Stellungnahme zuvor zugänglich gemacht zu haben. Da das LSG erstmals im Urteil auf diese im Verwaltungsverfahren erstellte versorgungsärztliche Stellungnahme eingegangen sei, sei sie dadurch unzulässig überrascht worden. Aufgrund des Verlaufs des Erörterungstermins vom 21.12.2011, der von ihr danach vorgelegten Messdokumentationen von April 2010 und der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 13.2.2012 habe sie nicht damit rechnen müssen, dass das LSG die versorgungsärztliche Stellungnahme vom "30.12.2010" zur Urteilsbegründung heranziehen würde. Hätte man sie vorab darauf hingewiesen, hätte sie ihr Tagebuch erneut vorgelegt und anhand dessen nachgewiesen, dass sie sehr wohl - täglich - mindestens vier Insulininjektionen durchführe.

11

Soweit das LSG seine Verneinung eines GdB von 50 darauf gestützt habe, dass sie über Jahre hinweg beruflich und privat ohne gravierende Einschränkungen lebe, habe es nicht erkennen lassen, dass es die für diese Beurteilung erforderliche soziologische und sozialmedizinische Sachkunde besitze. Diese Unterlassung mache das Urteil ebenfalls zur einer Überraschungsentscheidung.

12

Schließlich habe das LSG auch seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung nach § 103 SGG verletzt. Das Gericht habe Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV idF vom 14.7.2010 (nF) dahin ausgelegt, dass zusätzlich zum Therapieaufwand (von mindestens vier Insulininjektionen täglich) erhebliche Einschnitte in der Lebensführung vorliegen müssten. Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze hätten zwar normähnlichen Charakter, inhaltlich seien sie jedoch antizipierte Sachverständigengutachten. Deren Inhalt gehöre zur Erforschung des Sachverhalts, sodass diesbezügliche Zweifel regelmäßig durch Nachfrage bei dem geschäftsführend tätigen Bundesministerium zu klären seien. Wenn das LSG sein Verständnis von den erheblichen Einschnitten in die Lebensführung, die für die Beurteilung der Teilhabeeinschränkungen im Fall eines insulinpflichtigen Diabetes mit einem GdB von 50 zwingend vorliegen müssten, seinem Urteil habe zugrunde legen wollen, hätte es sich nicht damit begnügen dürfen, Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV selbst auszulegen. Es hätte sich vielmehr gedrängt fühlen müssen, eine Auskunft bei dem zuständigen Bundesministerium für Arbeit und Soziales einzuholen, wie die erheblichen Einschnitte in die Lebensführung bei der Festsetzung des GdB zu berücksichtigen seien. Eine derart durchgeführte Klärung hätte zu dem Ergebnis führen können, dass allein der Therapieaufwand von mindestens vier Insulininjektionen täglich mit einer selbstständig vorzunehmenden Variation der Insulindosis die Feststellung eines GdB von 50 rechtfertige.

13

Das LSG habe ua dem Urteil des BSG vom 2.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - folgen wollen. Nach dieser Entscheidung seien Sachverhaltsermittlungen dazu vorzunehmen, ob der Therapieaufwand aus medizinischen Gründen nach Ort, Zeit oder Art und Weise festgelegt sei, ob eine Vernachlässigung der therapeutischen Maßnahmen gravierende Folgen haben könne und ob die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in anderen Lebensbereichen wegen des zeitlichen Umfangs der Therapie erheblich beeinträchtigt sei. Dementsprechend hätte das LSG sich gedrängt fühlen müssen, entsprechende Sachverhaltsermittlungen zu den Einschnitten in die Lebensführung entsprechend dem Urteil des BSG vom 2.12.2010 vorzunehmen, was es jedoch unterlassen habe. Diese fehlenden Sachverhaltsermittlungen seien auch nicht in den Stellungnahmen der Versorgungsverwaltung enthalten, auf die das Berufungsgericht seine Beweiswürdigung in sehr einseitiger Weise stütze.

14

Materiell-rechtlich habe das LSG § 69 Abs 1 und 3 SGB IX verletzt. Für den Zeitraum von der Antragstellung im April 2010 bis zum 21.7.2010 hätte das LSG die Grundsätze des Urteils des BSG vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - anwenden müssen. Danach sei für die Feststellung des GdB neben der Einstellungsqualität auch der Therapieaufwand zu beurteilen, soweit er sich auf die Teilhabe des behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft nachteilig auswirke. Hierbei sei auch das Ergebnis der therapeutischen Maßnahmen, insbesondere die erreichte Stoffwechsellage zu betrachten. Der GdB sei relativ niedrig anzusetzen, wenn mit geringem Therapieaufwand eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht werden könne. Mit in beeinträchtigender Weise wachsendem Therapieaufwand und bzw oder abnehmendem Therapieerfolg im Sinne einer instabileren Stoffwechsellage werde der GdB höher einzuschätzen sein. In einem ersten Schritt sei der Therapieaufwand festzustellen. In einem zweiten Schritt sei die Stoffwechsellage zu beurteilen und in einem dritten Schritt wären die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in Betracht zu ziehen. Entsprechende Sachverhaltsermittlungen hierzu habe das LSG nicht angestellt.

15

Auf der Grundlage der versorgungsärztlichen Stellungnahmen habe das LSG den GdB unzutreffend beurteilt. Schon der unmittelbare Therapieaufwand sei erheblich. Zudem sei zu berücksichtigen, dass, würde sie nicht so diszipliniert leben, Stoffwechselentgleisungen die Folge wären. Soweit das LSG bei ihr von einer stabilen Stoffwechsellage auf einen geringeren GdB als 50 geschlossen habe, sei dieser Rückschluss in der Allgemeinheit nicht zulässig. Gerade ihre hohe Disziplin und vorausschauende Planung sowie ihre bewusste Lebensführung führten dazu, dass die Folgen des Diabetes bei ihr bisher gering geblieben seien. Ihr dies zum Nachteil gereichen zu lassen, würde bedeuten, dass der disziplinlose Behinderte mit einem höheren GdB "belohnt" werde und derjenige Behinderte, der sich intensiv um die Bekämpfung der Folgen der Erkrankung kümmere und einen entsprechenden Zeitaufwand dafür betreibe, mit einem geringeren GdB "bestraft" werde. Zudem habe das LSG die Auswirkungen des Diabetes auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft an Behinderungen gemessen, die mit ihrer Erkrankung nicht vergleichbar seien.

16

Für die Zeit ab dem 22.7.2010 habe das LSG zwar richtiger Weise Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF zugrunde gelegt. Das LSG missverstehe jedoch die im vorliegenden Fall einschlägige Variante der Ziff 15.1, nach der der GdB 50 beträgt. Diese Variante beinhalte einerseits den Therapieaufwand, der mit täglich mindestens vier Insulininjektionen angegeben werde, und die Insulindosis, die in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der jeweils folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbstständig zu variieren sei. Schon wenn, wie in ihrem Fall, die vier Insulininjektionen täglich durchgeführt werden müssten, sei der GdB mit 50 festzusetzen. Entgegen der Auffassung des LSG bedürfe es nicht zusätzlich noch weiterer, erheblicher Einschnitte in die Lebensführung. Der Therapieaufwand von mindestens vier Insulininjektionen täglich erfasse den in der Summe erheblichen zeitlichen Aufwand zB für regelmäßige Arztbesuche, den Einkauf von Medikamenten und Spritzutensilien, die Planung des Tagesablaufs, den Aufwand für das Spritzen selbst, die Vermeidung von rückfallgefährdenden Verhaltensweisen, das Aufsuchen von Orten für die Injektionen sowie aktive Vorkehrungen zum Ausgleich von potenziellen Gesundheitsrisiken. Da der Begriff Therapieaufwand nach der Rechtsprechung des BSG weit zu fassen sei und darunter die Gesamtheit der Maßnahmen zur Behandlung einer Krankheit mit dem Ziel der Wiederherstellung der Gesundheit, der Linderung der Beschwerden und der Verhinderung von Rückfällen zu verstehen sei, sei der Therapieaufwand zur Herstellung einer guten Stoffwechsellage ein geeigneter Maßstab. Das LSG verkenne diesen Begriff, wenn es den GdB primär danach beurteile, welche Einschnitte sie jenseits derjenigen, die im Zusammenhang mit den Insulinverabreichungen stünden, hinzunehmen habe. Wenn das Insulin infolge tropischer Temperaturen unbrauchbar werde, habe das mittelbar ebenfalls mit dem Therapieaufwand zu tun. Nichtbehinderte müssten sich insoweit nicht mit entsprechenden zusätzlichen Vorkehrungen gegen Hitze oder auch Diebstahl der Insulintasche belasten.

17

Nach den Bewertungsgrundsätzen in Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF würden die bei der GdB-Bewertung zu berücksichtigenden Teilhabestörungen unter dem Oberbegriff "Einschnitte in die Lebensführung" zusammengefasst. Der Therapieaufwand und die damit verbundenen Einschnitte in die Lebensführung seien aber nicht die einzige Art und Weise, wie die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft durch den Diabetes mellitus beschränkt werde. Soweit sie ihren Ausschluss von bestimmten Sportarten geschildert habe, gehe es indes nicht um den Therapieaufwand, sondern um den Ausschluss von Möglichkeiten, die Freizeit zu gestalten und damit um Teilhabemöglichkeiten am Leben in der Gesellschaft. Werde Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF in dieser Weise verstanden und angewendet, sei ihr GdB mit mindestens 50 festzusetzen.

18

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 21. Februar 2012 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 14. März 2011 zurückzuweisen.

19

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

20

Er trägt im Wesentlichen vor: Eine Verletzung der von der Klägerin genannten Verfahrensvorschriften liege seines Erachtens nicht vor. Insbesondere sei die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 23.12.2010 nahezu wörtlich im Widerspruchsbescheid wiedergegeben. Auf der Grundlage der Zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 14.7.2010 sei der GdB mit 40 korrekt bewertet. Danach sei Voraussetzung für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft neben der täglich viermaligen Insulininjektion bei jeweiliger Anpassung der Dosis eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung. Das wäre der Fall, wenn sich die Stoffwechsellage trotz des definierten täglichen Therapieaufwandes weiterhin so unbefriedigend zeige, dass eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung nachvollziehbar sei. Nicht der Fall sei dies, wenn sich die Stoffwechsellage im Ergebnis des therapeutischen Aufwandes - wie im Fall der Klägerin - überwiegend als gut eingestellt erweise. Dieses Rechtverständnis werde von der Begründung der Änderungsverordnung gestützt.

Entscheidungsgründe

21

Die Revision der Klägerin ist zulässig. Sie ist Kraft Zulassung durch das LSG statthaft und innerhalb der gesetzlichen Fristen eingelegt und begründet worden. Die Begründung genügt den Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG.

22

Die Revision ist unbegründet.

23

Einer Sachentscheidung des Senats stehen Mängel des vorinstanzlichen Verfahrens nicht entgegen. Klage und Berufung sind zulässig. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Aufhebung des Berufungsurteils, mit dem die Klage abgewiesen worden ist. Die Klägerin erstrebt die Wiederherstellung des Urteils des SG, mit dem der Beklagte verurteilt worden ist, den GdB der Klägerin ab April 2010 mit 50 festzustellen. Dieses prozessuale Ziel, das die Klägerin zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 SGG - zur statthaften Klageart vgl BSG Urteil vom 12.4.2000 - B 9 SB 3/99 R - SozR 3-3870 § 3 Nr 9 S 21 f; Urteil vom 2.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 12 RdNr 11) verfolgt, erreicht sie nicht.

24

Zunächst ist die Rüge, das angefochtene Urteil sei iS der § 136 Abs 1 Nr 6, § 128 Abs 1 S 2 SGG nicht mit Gründen versehen, jedenfalls unbegründet. Es trifft zwar zu, dass das LSG auch für den Beurteilungszeitraum vor dem 22.7.2010 (ohne nähere Begründung) Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV idF vom 14. 7.2010 (nF) zu Grunde gelegt hat. Insoweit fehlen jedoch keine Entscheidungsgründe. Das LSG hat lediglich nicht deutlich gemacht, warum es die erst am 22.7.2010 in Kraft getretenen Bestimmungen auch für die Zeit davor als maßgeblich ansieht. Soweit die Klägerin der Ansicht ist, das LSG habe insoweit einen falsche Rechtsgrundlage angewendet, betrifft ihre Rüge einen Rechtsanwendungsfehler, jedoch keinen Verfahrensmangel (zum Begriff Verfahrensmangel s Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 10. Aufl 2012, § 144 RdNr 32 mwN).

25

Der Anspruch der Klägerin auf Feststellung eines GdB von 50 richtet sich nach § 69 Abs 1 und 3 SGB IX vom 19.6.2001 (BGBl I 1046, 1047) idF vom 13.12.2007 (BGBl I 2904). Nach § 69 Abs 1 S 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs 1 S 4 SGB IX die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Gemäß § 69 Abs 1 S 5 SGB IX gelten die Maßstäbe des § 30 Abs 1 BVG entsprechend. Durch diesen Verweis auf § 30 Abs 1 BVG stellt § 69 SGB IX auf das versorgungsrechtliche Bewertungssystem ab, dessen Ausgangspunkt die "Mindestvomhundertsätze" für eine größere Zahl erheblicher äußerer Körperschäden iS der Nr 5 Allgemeine Verwaltungsvorschriften zu § 30 BVG sind. Die weitere Bezugnahme in § 69 Abs 1 S 5 SGB IX betrifft die aufgrund des § 30 Abs 17 BVG erlassene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs 1 und 3, des § 30 Abs 1 und des § 35 Abs 1 BVG (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl I 2412), die zuletzt durch die Verordnung vom 11.10.2012 (BGBl I 2122) geändert worden ist (vgl auch BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 16 f). Als Anlage zu § 2 VersMedV sind "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anl VersMedV) veröffentlicht worden, in denen ua die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) iS des § 30 Abs 1 BVG festgelegt worden sind.

26

Die zum 1.1.2009 in Kraft getretene Anl VersMedV stellt ihrem Inhalt nach nicht nur eine Konkretisierung der Regelung des § 69 SGB IX, sondern auch ein antizipiertes Sachverständigengutachten dar(stRspr des BSG; vgl Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 25 mwN; vgl auch zur Rechtslage nach dem Schwerbehindertengesetz: BVerfG Beschluss vom 6.3.1995 - 1 BvR 60/95 - SozR 3-3870 § 3 Nr 6 S 11 f). Sie berücksichtigt dabei den Behinderungsbegriff der "Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit und Behinderung" (deren Weiterentwicklung wurde im Mai 2001 von der Weltgesundheitsorganisation als ICF verabschiedet) als Grundlage des Bewertungssystems, auch wenn dieses Klassifikationsmodell darin bislang noch nicht überall konsequent umgesetzt worden ist (vgl VersMedV, Einleitung S 5, 1. Aufl 2009). Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe im Leben in der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die GdB-Bewertung auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (vgl BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 28; BSG Urteil vom 29.8.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSGE 67, 204, 208 = SozR 3-3870 § 4 Nr 1 S 5 f; dazu auch Masuch, SozSich 2004, 314, 315; Straßfeld, SGb 2003, 613).

27

Dem trägt die Anl VersMedV im Grundsatz Rechnung. Dementsprechend ist deren Inhalt nicht (ausschließlich) mit Hilfe juristischer Auslegungsmethoden zu ermitteln; vielmehr sind diesbezügliche Zweifel vorzugsweise durch Nachfrage bei dem verantwortlichen Urheber, hier also beim "Ärztlichen Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin" bzw dem für diesen geschäftsführend tätigen Bundesministerium für Arbeit und Soziales - BMAS (§ 3 VersMedV), zu klären (vgl zB dazu BSG Urteil vom 24.4.2008 aaO). Darüber hinaus ist die VersMedV (nebst Anlage) an den rechtlichen Vorgaben der §§ 2, 69 SGB IX zu messen. Dazu gehört, dass sie dem aktuellen Stand der Medizin entsprechen muss (vgl dazu BSG Urteil vom 18.9.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 91, 205 = SozR 4-3250 § 69 Nr 2 jeweils RdNr 14; Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 25; Urteil vom 2.12.2010 - B 9 SB 3/09 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 12 RdNr 14; § 69 Abs 1 S 5 SGB IX, § 30 Abs 17 BVG iVm §§ 2, 3 Abs 1 VersMedV). Bei Verstößen dagegen sind die jeweiligen Bestimmungen nicht oder nur mit Maßgaben anzuwenden (vgl auch BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 19; BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - juris RdNr 30).

28

Die Bemessung des GdB ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe (vgl Urteil vom 29.11.1956 - 2 RU 121/56 - BSGE 4, 147, 149 f; Urteil vom 9.10.1987 - 9a RVs 5/86 - BSGE 62, 209, 212 f = SozR 3870 § 3 Nr 26 S 83; Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - aaO RdNr 23 mwN). Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen. Darüber hinaus sind vom Tatsachengericht die rechtlichen Vorgaben zu beachten. Rechtlicher Ausgangspunkt sind stets § 2 Abs 1, § 69 Abs 1 und 3 SGB IX(s zuletzt BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - aaO RdNr 16 bis 21 mwN); danach sind insbesondere die Auswirkungen nicht nur vorübergehender Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft maßgebend.

29

Zur GdB-Bewertung bei Diabetes mellitus hat der Senat in mehreren Urteilen Stellung genommen. Mit Urteil vom 24.4.2008 (- B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9) hat er sich mit den Bewertungsgrundsätzen der früheren Nr 26.15 Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP, Ausgaben 1996 und 2004) befasst. Mit Urteil vom 11.12.2008 (- B 9/9a SB 4/07 R - juris) hat er sich zu der vorläufigen Neufassung des Abschnitts Diabetes mellitus in Nr 26.15 der AHP geäußert. Mit Urteil vom 23.4.2009 (- B 9 SB 3/08 R - juris) hat der erkennende Senat Teil B Nr 15 vom 10.12.2008 als nichtig angesehen, weil darin, wie in der vorläufigen Neufassung der AHP allein die Einstellungsqualität und - noch - nicht der die Teilhabe beeinträchtigende Therapieaufwand berücksichtigt worden war. Schließlich hat der Senat mit Urteil vom 2.12.2010 (- B 9 SB 3/09 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 12) zu Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV idF vom 14.7.2010 entschieden, dass diese Vorschrift mit § 69 SGB IX vereinbar und wirksam ist und auf sie auch in der Zeit vor ihrem Inkrafttreten zurückgegriffen werden kann(aaO RdNr 30 ff insbes 38).

30

Im vorliegenden Fall zu beurteilen ist der Zeitraum ab Antragstellung durch die Klägerin im April 2010, sodass (formal) betrachtet für die Zeit vom 1.4.2010 bis zum 21.7.2010 die am 1.1.2009 in Kraft getretene Regelung in Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV idF vom 10.12.2008 heranzuziehen ist. Entsprechend den Urteilen des erkennenden Senats vom 23.4.2009 und 2.12.2010 (jeweils aaO) ist diese Vorschrift jedoch nicht zur GdB-Bewertung geeignet. Vielmehr kann auf die Neufassung der Vorschrift idF vom 14.7.2010 zurückgegriffen werden.

31

Für die Zeit ab dem 22.7.2010 ist die vom BMAS im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates erlassene Regelung in Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF unmittelbar anzuwenden.

32

Die Vorschrift hat folgenden Inhalt, der sich zwar unmittelbar auf die Feststellung des GdS bezieht, jedoch für die Bemessung des GdB entsprechend gilt (vgl Teil A Nr 2 Anl VersMedV):

        

15.1 Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus)

        

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdS rechtfertigt. Der GdS beträgt 0.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 20.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 30 bis 40.

Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdS beträgt 50.

Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdS-Werte bedingen.

33

Hierzu hat der erkennende Senat bereits im Einzelnen ausgeführt, dass diese neugefassten Beurteilungsgrundsätze den Vorgaben seiner Rechtsprechung in den Urteilen vom 24.4.2008, 11.12.2008 und 23.4.2009 (jeweils aaO) genügen und Anhaltspunkte dafür, dass diese Bestimmungen nicht dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen könnten, nicht ersichtlich sind (Urteil vom 2.12.2010, aaO, RdNr 26).

34

Soweit es die hier streitige Feststellung eines GdB von 50 betrifft, enthält Teil B Nr 15.1 Abs 4 Anl VersMedV nF seinem Wortlaut nach drei Beurteilungskriterien: täglich mindestens vier Insulininjektionen, selbstständige Variierung der Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung sowie (durch erhebliche Einschnitte) gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung. Diese Kriterien sind nach Auffassung des Senats nicht jeweils gesondert für sich genommen starr anzuwenden; vielmehr sollen sie eine sachgerechte Beurteilung des Gesamtzustandes erleichtern.

35

Dementsprechend kann das Erfordernis von "täglich mindestens vier Insulininjektionen" entgegen der Auffassung des Beklagten nicht so verstanden werden, dass ausnahmslos an allen Tagen eine Anzahl von vier Insulininjektionen durchgeführt werden muss. Der Senat hat insoweit bereits entschieden, dass eine Bewertung des GdB, die sich ausschließlich an der Zahl der Insulininjektionen pro Tag orientiert, nicht überzeugt. Vielmehr ist der Therapieaufwand neben der Einstellungsqualität zu beurteilen (s Urteil vom 24.4.2008, aaO RdNr 40). Dazu hat der Senat ausgeführt, dass der GdB relativ niedrig anzusetzen sein wird, wenn mit geringen Therapieaufwand eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht wird, und der GdB bei (in beeinträchtigender Weise) wachsendem Therapieaufwand und/oder abnehmendem Therapieerfolg (instabilerer Stoffwechsellage) höher einzuschätzen sein wird (aaO). Obwohl die Begründung der Zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV insoweit inhaltlich keine konkrete Aussage trifft (BR Drucks 285/10), wollte der Verordnungsgeber der Rechtsprechung des BSG erklärtermaßen folgen (s BR Drucks 285/10 S 3). Es ist daher davon auszugehen, dass er bei der Neufassung des Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV zum 22.7.2010 die Zahl von vier Insulininjektionen am Tag nicht als absoluten Grenzwert angesehen hat.

36

Des Weiteren verlangt das Erfordernis einer "selbstständigen" Variation der Insulindosis kein "ständiges" Anpassen der Dosis. Entscheidend ist die Abhängigkeit der jeweiligen Dosierung vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung. Sie kann demnach unter Umständen auch mehrfach gleich bleiben. In keinem Fall ist insoweit allein auf die Anzahl von zusätzlichen Korrekturinjektionen abzustellen.

37

Entgegen der Ansicht der Klägerin reicht ein Erfüllen dieser beiden, auf den Therapieaufwand bezogenen Beurteilungskriterien nicht aus. Vielmehr muss die betreffende Person durch Auswirkungen des Diabetes mellitus auch insgesamt gesehen erheblich in der Lebensführung beeinträchtigt sein. Das kommt in Teil B Nr 15.1 Abs 4 Anl VersMedV durch die Verwendung des Wortes "und" deutlich zum Ausdruck. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber davon ausgegangen ist, dass bei einem entsprechenden Therapieaufwand immer eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung vorliegt. Je nach den persönlichen Fähigkeiten und Umständen der betreffenden Person kann sich die Anzahl der Insulininjektionen und die ständige Anpassung der Dosis nämlich unterschiedlich stark auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auswirken. Abgesehen davon ist für die Beurteilung des GdB bei Diabetes mellitus auch die jeweilige Stoffwechsellage bedeutsam (vgl auch Teil B Nr 15.1 Abs 3 Anl VersMedV; allgemein dazu BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 10/06 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 40), die im Rahmen der Prüfung des dritten Merkmals (gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung) berücksichtigt werden kann. Die durch erhebliche Einschnitte bewirkte gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung kann mithin auf Besonderheiten der Therapie beruhen, etwa wenn ein Erkrankter aufgrund persönlicher Defizite für eine Injektion erheblich mehr Zeit benötigt als ein anderer, im Umgang mit den Injektionsutensilien versierter Mensch. Einschnitte in der Lebensführung zeigen sich daneben auch bei einem unzulänglichen Therapieerfolg, also der Stoffwechsellage des erkrankten Menschen.

38

Dieser Auslegung steht - wie das LSG zutreffend erkannt hat - nicht entgegen, dass es im letzten Teilsatz des Abs 4 heißt: "erleiden auf Grund dieses Therapieaufwandes eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung". Diese Formulierung mag zwar sprachlich unklar erscheinen und in einem gewissem Widerspruch zu den zuvor aufgeführten drei Merkmalen stehen, sie ändert jedoch nichts an der durch § 69 SGB IX gebotenen umfassenden Betrachtung des Gesamtzustandes. Jedenfalls kann aus ihr nicht der Schluss gezogen werden, der Verordnungsgeber habe eine Mindestzahl von mit selbstständiger Dosisanpassung verbundenen Insulininjektionen für die Feststellung eines GdB von 50 ausreichen lassen wollen.

39

Diese Bestimmung des Inhalts des Teil B Nr 15.1 Anl VersMedV nF gewinnt der Senat allein aufgrund einer Auslegung des Wortlauts der Vorschrift vor dem Hintergrund seiner zitierten Rechtsprechung. Unklarheiten, die nur mit Hilfe medizinischen oder anderweitigen Sachverstands beseitigt werden können, sind nicht ersichtlich. Aus diesem Grund bleibt auch die Rüge der Klägerin, das LSG hätte den Inhalt der Vorschrift durch eine Befragung des zuständigen Sachverständigenbeirats beim BMAS klären müssen, ohne Erfolg.

40

Auf dieser rechtlichen Grundlage verlangt die Bewertung des GdB eine am jeweiligen Einzelfall orientierte Beurteilung, die alle die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinflussenden Umstände berücksichtigt. Gemessen an diesen Kriterien ist das Berufungsurteil rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50.

41

Nach den Feststellungen des LSG führt die Klägerin nicht ständig eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Injektionen durch. Auch komme es nicht zu einer "ständigen" Anpassung der Insulingabe. Trotz ihres individuellen Therapieaufwands werde die Klägerin nicht durch eine schlechte Einstellungsqualität in ihrer Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Sie erleide in ihrer gesamten Lebensführung (Beruf, Sport, Reisen) keine gravierenden krankheitsbedingten Einschränkungen. Zu schweren hypoglykämischen Entgleisungen sei es noch nie gekommen.

42

Soweit die Klägerin die Feststellung des LSG zur Häufigkeit ihrer täglichen Insulininjektionen mit der Begründung angreift, das LSG habe dabei ihr rechtliches Gehör verletzt, dringt sie damit nicht durch. Der in §§ 62, 128 Abs 2 SGG konkretisierte Anspruch auf rechtliches Gehör(Art 103 Abs 1 GG) soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (s § 128 Abs 2 SGG; vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12; BVerfGE 84, 188, 190), und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen mit einbezogen wird (BVerfGE 22, 267, 274; 96, 205, 216 f). In diesem Rahmen besteht jedoch weder eine allgemeine Aufklärungspflicht des Gerichts über die Rechtslage, noch die Pflicht, bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage im Rahmen der mündlichen Verhandlung bereits die endgültige Beweiswürdigung darzulegen, denn das Gericht kann und darf das Ergebnis der Entscheidung, die in seiner nachfolgenden Beratung erst gefunden werden soll, nicht vorwegnehmen. Es gibt keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern. Art 103 Abs 1 GG gebietet vielmehr lediglich dann einen Hinweis, wenn das Gericht auf einen Gesichtspunkt abstellen will, mit dem ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (vgl BVerfGE 84, 188, 190). Das gilt grundsätzlich auch für nicht rechtskundig vertretene Beteiligte, wenn es sich nicht um komplizierte tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten oder Überlegungen handelt. Bei der Zahl täglich erforderlicher Injektionen handelt es sich nicht um einen komplizierten tatsächlichen Umstand. Jeder kann ihn ohne juristischen oder anderweitigen besonderen Sachverstand erfassen.

43

Entgegen der Darstellung der Klägerin war eine Sachlage, bei der sie nicht damit zu rechnen brauchte, dass das LSG die täglich erforderliche Zahl von Insulininjektionen anspricht und wertet, vor der Entscheidung des LSG nicht gegeben. Der Klägerin musste schon aufgrund des Inhalts des Widerspruchsbescheides sowie des Urteils des SG klar sein, dass es maßgebend auch auf die Häufigkeit der täglichen Insulininjektionen ankam und diese nicht als ausreichend angesehen werden könnte. Denn der Beklagte hat die vom LSG schließlich ausdrücklich genannte versorgungsärztliche Stellungnahme von Frau S. vom 23.12.2010 im Widerspruchsbescheid vom 27.12.2010 bereits inhaltlich wiedergegeben. Zwar hat der Beklagte in seiner weiteren Begründung den Schwerpunkt auf das Fehlen einer ständigen Anpassung der Dosierung gelegt. Das SG hat jedoch ausdrücklich ausgeführt, die "Tatsache, dass sich die Klägerin nach ihren Aufzeichnungen an einigen Tagen nur drei Insulininjektionen verabreicht" habe, sei darauf zurückzuführen, dass sie an diesen Tagen nur zwei Mahlzeiten zu sich genommen habe. Damit seien zwar die Voraussetzungen nach dem Wortlaut der Vorschrift ("täglich mindestens vier Insulininjektionen") nicht erfüllt. Es sei jedoch nicht sachgerecht, den GdB nach der Anzahl der Mahlzeiten festzulegen.

44

Dem ist der Beklagte mit seiner Berufung entgegengetreten und hat - unter Wiederholung der Begründung des Widerspruchsbescheides - vorgetragen, dass nach dem vorliegenden Diabetiker-Tagebuch für den Zeitraum vom 3.6. bis 7.9. (ohne Jahresangabe - 96 Tage) die Klägerin sich "zwei- bis viermal täglich Bolusinsulin und einmal Basisinsulin injiziert" habe. Aus diesen Angaben ergibt sich nicht durchgängig eine Anzahl von mindestens vier Injektionen am Tag. Der weitere Verlauf des Berufungsverfahrens (Schriftsatz des Beklagten vom 4.10.2011 mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 30.9.2011 und insbesondere Erörterungstermin am 21.12.2011) lässt nicht erkennen, dass der Beklagte eine tägliche Mindestzahl von vier Insulininjektionen eingeräumt oder dass sich das LSG inhaltlich so geäußert hätte.

45

Aus diesem Ablauf und Inhalt des Verfahrens konnte die Klägerin demzufolge entnehmen, dass die Häufigkeit der täglichen Insulininjektionen maßgebend für die Beurteilung des GdB ist und sie nach dem bisherigen Stand des Verfahrens eine Mindestzahl von vier Injektionen täglich nicht erreicht. Jedenfalls musste die Klägerin mit einer solchen Beweiswürdigung des LSG rechnen. Dementsprechend konnte es für sie objektiv keine Überraschung sein, dass das LSG im Berufungsurteil diesen Umstand aufgreift und rechtlich würdigt.

46

Des Weiteren ist unbeachtlich, dass die Vorinstanz irrtümlich eine "ständige" (anstelle einer "selbstständigen") Dosisanpassung verlangt, denn jedenfalls fehlt es nach dem berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen an einer durch erhebliche Einschnitte gravierend beeinträchtigten Lebensführung der Klägerin. Detaillierte Tatsachenfeststellungen sind insoweit nicht erforderlich gewesen, da das LSG die ausführlichen Angaben der Klägerin zugrunde gelegt hat. Soweit die Klägerin rügt, das LSG habe seine Feststellung, sie - die Klägerin - habe über Jahre hinweg beruflich und privat ohne gravierende Einschränkungen gelebt, getroffen, ohne über die für diese Beurteilung erforderliche soziologische und sozialmedizinische Sachkunde zu verfügen, greift diese Rüge nicht durch. Denn für die Beurteilung einer im Wesentlichen "normalen Lebensführung" bedarf es keiner besonderen Sachkunde. Die entsprechende Beurteilung kann der Tatrichter ohne sachverständige Unterstützung selbst vornehmen. Überdies hat sich das LSG insoweit ersichtlich neben den eigenen Angaben der Klägerin auch auf die sozialmedizinische Beurteilung der Versorgungsärztin Dr. W. in deren in das Verfahren einbezogenen Stellungnahme vom 13.2.2012 gestützt. Dabei sind auch die von der Klägerin geschilderten einschränkenden Umstände (zB Schwierigkeiten bei Reisen in die Tropen, Unmöglichkeit der Ausübung des Tauchsports) berücksichtigt worden.

47

Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG ist es zudem - auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens - auszuschließen, dass der GdB der Klägerin gemäß Teil B Nr 15.1 Abs 5 Anl VersMedV einen Wert von 50 erreicht. Nach dieser Vorschrift können außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen jeweils höhere GdB-Werte bedingen. Ausgehend von einem GdB von 40 wäre danach eine Erhöhung auf 50 theoretisch möglich. Die Voraussetzungen der Vorschrift sind jedoch zweifelsfrei nicht erfüllt, da entsprechende Stoffwechsellagen bei der Klägerin nicht festgestellt worden sind.

48

Schließlich geht die von der Klägerin in diesem Zusammenhang vertretene Ansicht fehl, sie dürfe wegen ihres konsequenten Therapieverhaltens und ihrer vernünftigen Lebensführung in Bezug auf ihre Erkrankung bei der Festsetzung des GdB nicht "schlechter" behandelt werden als ein behinderter Mensch, der bei gleicher Krankheitslage wegen einer nicht so konsequent durchgeführten Therapie eine schlechtere Stoffwechsellage aufweise und dem deswegen ein höherer GdB als ihr zuerkannt werde. Die Klägerin übersieht, dass die Beurteilung des GdB im Schwerbehindertenrecht ausschließlich final, also orientiert an dem tatsächlich bestehenden Zustand des behinderten Menschen zu erfolgen hat, ohne dass es auf die Verursachung der dauerhaften Gesundheitsstörung ankommt (vgl Oppermann in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, § 69 SGB IX RdNr 23 mwN). Das gilt sowohl hinsichtlich unbeeinflussbarer Kausalzusammenhänge (s dazu BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 20 mwN) als auch für Vorgänge, auf die der Betroffene Einfluss nehmen kann oder die er sogar selbst zu verantworten hat. Insofern kommt es nicht darauf an, welche Folgen eine Vernachlässigung der Diabetes-Therapie bei der Klägerin haben würde.

49

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 26. August 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) des Klägers nach dem Schwerbehindertenrecht.

2

Wegen eines juxtakortikalen Chondrosarkoms (bösartiger Knochentumor) im Bereich des linken Schulterblattes bei familiärer Osteochondromatose wurde am 23.9.2002 bei dem 1960 geborenen Kläger eine subtotale Schulterblattentfernung links durchgeführt.

3

Auf seinen im September 2002 angebrachten Antrag stellte das Amt für Familie und Soziales Leipzig durch Bescheid vom 2.6.2003 wegen "Erkrankung des Schulterblattes links (in Heilungsbewährung), Teilverlust des Schulterblattes links, Bewegungseinschränkung des Schultergelenkes links" einen GdB von 50 fest. Den Widerspruch des Klägers wies das Sächsische Landesamt für Familie und Soziales (Landesversorgungsamt) durch Widerspruchsbescheid vom 8.9.2003 zurück. Nach Überprüfung aufgrund gerichtlichen Vergleichs (Sozialgericht Leipzig - S 2 SB 277/03) stellte die ehemalige sächsische Versorgungsverwaltung mit Bescheid vom 30.1.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.3.2005 fest, dass der GdB weiter 50 betrage.

4

Nach Beweiserhebung hat das vom Kläger angerufene SG Leipzig die auf Feststellung des GdB mit 80 gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 24.7.2007). Zur Überzeugung des Gerichts sei das Chondrosarkom des Schulterblattes im Frühstadium entfernt worden, so dass nach Nr 26.1 Abs 3 Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) ein GdB von 50 angemessen sei. Die beim Kläger verbliebenen Organ- und Gliedmaßenschäden seien nicht mit einem GdB von mehr als 50 zu bewerten, so dass der Gesamt-GdB ebenfalls 50 betrage.

5

Während des vom Kläger geführten Berufungsverfahrens ist die beklagte Stadt Leipzig an die Stelle des Freistaates Sachsen getreten. Das Sächsische Landessozialgericht (LSG) hat den bereits erstinstanzlich als Sachverständigen gehörten Unfallchirurgen Prof. Dr. J. ergänzend befragt sowie ein weiteres Sachverständigengutachten von dem Orthopäden Prof. Dr. W. beigezogen. Prof. Dr. J. ist in seiner Stellungnahme vom 10.11.2008 bei seiner im Gutachten vom 14.10.2006 vertretenen Auffassung verblieben, dass die generalisierten funktionellen Defizite des Klägers die Einschätzung eines GdB von 60 rechtfertigten. Prof. Dr. W. hat in seinem Gutachten vom 2.12.2008 die Zuerkennung eines Gesamt-GdB von 70 für gerechtfertigt gehalten.

6

           

Durch Urteil vom 26.8.2009 hat das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Richtiger Klagegegner sei die Stadt Leipzig. Der Freistaat Sachsen sei aufgrund einer Zuständigkeitsänderung durch sächsische Landesgesetze zum 1.8.2008 kraft Gesetzes aus dem Verfahren ausgeschieden und durch die Beklagte ersetzt worden. Diese landesgesetzlichen Bestimmungen stünden mit höherrangigem Recht in Einklang.

7

Der Bescheid vom 2.6.2003 und der Bescheid vom 30.1.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.3.2005 seien rechtmäßig. Die vorliegende Osteochondromatose könne nicht mit einem alle betroffenen Körperteile abdeckenden GdB bewertet werden. Sie sei in den AHP nicht aufgeführt und auch nicht mit einer Gelenkerkrankung des rheumatisch entzündlichen Formenkreises vergleichbar. Die sich daraus ergebenden Funktionsstörungen seien daher einzeln zu bewerten. Es ergäben sich Einzel-GdB von jeweils 10 für die leichte Funktionsstörung im Bereich des linken Hüftgelenks, das leichte Funktionsdefizit in den oberen Sprunggelenken, die mittelschweren Funktionsdefizite beider Handgelenke und Unterarme sowie ein Teil-GdB von 20 für die schwere Funktionsstörung im Bereich des linken Schultergelenks. Der Zustand nach Entfernung des Chondrosarkoms des Schulterblattes links sei, wie es auch das SG zutreffend angenommen habe, mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewerten, weil die Entfernung im Frühstadium erfolgt sei. Nach Nr 26.1 Abs 3 AHP bzw Teil B Nr 1.c Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 (Anl VersMedV) sei der GdB für das Chondrosarkom von 50 nicht entsprechend höher zu bewerten, da weder der verbliebene Körperschaden bzw Organ- oder Gliedmaßenschaden noch außergewöhnliche Folgen oder Begleiterscheinungen der Behandlung einen GdB von 50 oder mehr bedingten. Bis zum Ablauf der Heilungsbewährung - in der Regel bis zum Ablauf des fünften Jahres nach Geschwulstbeseitigung - sei beim Kläger somit ein GdB von 50 festzustellen. Prof. Dr. J. habe die Einzel-GdB zu einem Gesamt-GdB von 60 addiert, was unzulässig sei. Prof. Dr. W. habe bei seiner Gesamt-GdB-Bildung nicht die Maßgabe nach Nr 26.1 Abs 3 AHP bzw Teil B Nr 1.c Anl VersMedV beachtet.

8

Mit der - vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen - Revision macht der Kläger eine Verletzung des § 69 Abs 1 SGB IX iVm den AHP und der Anl VersMedV geltend. Das angefochtene Urteil weiche zur Bildung des Gesamt-GdB insbesondere von dem Urteil des BSG vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - ab. Zudem habe das LSG den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt. Insbesondere zur Frage, ob der Tumor im Frühstadium oder in einem anderen Stadium entfernt worden sei, habe das LSG seinen Sachvortrag nicht zur Kenntnis genommen. Ebenfalls habe das LSG den Sachverhalt hinsichtlich der von ihm - dem Kläger - behaupteten Vererblichkeit seiner Erkrankung nicht hinreichend aufgeklärt. Zudem habe das LSG den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) verletzt, indem es überraschend und ohne eigene Sachkunde keinem der beiden vorinstanzlich gehörten ärztlichen Fachgutachter gefolgt sei. Schließlich habe das LSG gegen § 62 SGG auch dadurch verstoßen, dass es dem Sachverständigen Prof. Dr. Wirth höhere Sachkunde zugesprochen habe als Prof. Dr. J. Hierzu habe er - der Kläger - sich nicht äußern können.

9

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 26. August 2009 und das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 24. Juli 2007 sowie die Bescheide des Amtes für Familie und Soziales Leipzig vom 2. Juni 2003 und 30. Januar 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesversorgungsamtes vom 30. Mai 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm ab 6. September 2002 einen höheren GdB als 50 festzustellen.

10

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

12

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des Klägers ist zulässig und im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.

14

Im Laufe des Berufungsverfahrens ist auf Beklagtenseite kraft Gesetzes ein Beteiligtenwechsel erfolgt (vgl dazu BSG SozR 4-1500 § 57 Nr 2 RdNr 4; BSGE 99, 9 = SozR 4-3250 § 69 Nr 6, RdNr 13 f; BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1, RdNr 20). Zum 1.8.2008 ist die Stadt Leipzig an die Stelle des Freistaates Sachsen getreten, weil von diesem Zeitpunkt an die bis dahin von den Ämtern für Familie und Soziales des Landes wahrgenommenen Aufgaben des Schwerbehindertenrechts nach dem SGB IX auf die Landkreise und kreisfreien Städte übertragen worden sind. Dies geschah durch Art 44 Nr 5 Gesetz zur Neuordnung der Sächsischen Verwaltung vom 29.1.2008 (Sächsisches GVBl 138) und ergänzender landesrechtlicher Regelungen, deren Inhalt als Landesrecht das LSG für das Revisionsgericht bindend festgestellt hat (§ 202 SGG iVm § 560 ZPO; s Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 162 RdNr 7). Einwendungen gegen diese Feststellungen des Inhalts des Sächsischen Landesrechtes sind nicht erhoben worden.

15

Diese durch das Sächsische Landesgesetz erfolgte Zuständigkeitsänderung ist mit revisiblem Recht (vgl § 162 SGG) vereinbar. Sie ist rechtswirksam erfolgt. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats zu der dem erwähnten sächsischem Landesrecht ähnlichen Zuständigkeitsveränderung in Nordrhein-Westfalen verstößt die Übertragung der Aufgaben des Schwerbehindertenrechts auf die Kreise und kreisfreien Städte nicht gegen höherrangiges Bundesrecht, insbesondere nicht gegen Vorschriften des Grundgesetzes (Urteile vom 23.4.2009 - B 9 VG 1/08 R - juris und - B 9 SB 3/08 R - juris, Urteil vom 29.4.2010 - B 9 SB 1/10 R - juris; zur Übertragung der Aufgaben des Sozialen Entschädigungsrechts einschließlich der Kriegsopferversorgung, der Soldatenversorgung und der Opferentschädigung auf die Kommunalen Landschaftsverbände in Nordrhein-Westfalen s Urteile vom 11.12.2008 - B 9 V 3/07 R - SGb 2009, 95 und - B 9 VS 1/08 R - BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1). Die für die Verwaltungsreform in Nordrhein-Westfalen geltende Rechtslage muss in gleicher Weise für die ebenfalls durch formelles Landesgesetz erfolgte Zuständigkeitsänderung in Sachsen gelten. Gegenteilige rechtliche Bedenken sind nicht ersichtlich und auch vom Kläger nicht vorgebracht worden.

16

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Anspruch des Klägers auf Feststellung eines höheren GdB als 50 ab Antragstellung im September 2002. Darüber ist in den angefochtenen Bescheiden vom 2.6.2003 und 30.1.2004 ablehnend entschieden, denn darin ist für den Kläger lediglich ein GdB von 50 festgestellt worden. Weitere Bescheide, insbesondere für die Zeit nach Ablauf der Heilungsbewährung sind nicht ergangen.

17

Ob der Kläger, wie das LSG entschieden hat, nur Anspruch auf die bereits erfolgte Feststellung eines GdB von 50 oder, wie der Kläger geltend macht, Anspruch auf Feststellung eines darüber hinausgehenden GdB hat, kann der Senat auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG (s § 163 SGG) noch nicht abschließend entscheiden.

18

Rechtsgrundlage für einen möglichen Anspruch des Klägers auf Feststellung eines höheren GdB als 50 ist § 69 Abs 1 und Abs 3 SGB IX vom 19.6.2001 (BGBl I 1046), für die Zeit ab 1.5.2004 idF des Gesetzes vom 23.4.2004 (BGBl I 606; aF) sowie - für die Zeit ab 21.12.2007 - idF des Gesetzes vom 13.12.2007 (BGBl I 2904; nF). Nach § 69 Abs 1 Satz 1 SGB IX (aller Fassungen) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs 1 Satz 4 SGB IX (aller Fassungen) die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, wird der GdB gemäß § 69 Abs 3 Satz 1 SGB IX (aller Fassungen) nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.

19

Gemäß § 69 Abs 1 Satz 5 SGB IX in den bis zum 20.12.2007 maßgeblichen Fassungen (aF) gelten bei der Feststellung der Behinderung (des GdB) die Maßstäbe des § 30 Abs 1 BVG entsprechend(BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 16 bis 21 mwN). Durch diesen Verweis stellt § 69 SGB IX auf das versorgungsrechtliche Bewertungssystem ab, dessen Ausgangspunkt die "Mindestvomhundertsätze" für eine größere Zahl erheblicher äußerer Körperschäden iS der Nr 5 Allgemeine Verwaltungsvorschriften zu § 30 BVG sind. Von diesen Mindestvomhundertsätzen leiten sich die aus den Erfahrungen der Versorgungsverwaltung und den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft gewonnenen Tabellenwerte der AHP ab. In § 69 Abs 1 Satz 5 SGB IX in der ab 21.12.2007 geltenden Fassung (nF) wird zusätzlich auf die auf Grund des § 30 Abs 17 BVG mit Wirkung ab 1.1.2009 erlassene Rechtsverordnung Bezug genommen. Anzuwenden sind vorliegend für die Zeit ab Antragstellung im September 2002 bis zum Ende des Jahres 2008 die AHP 1996, 2004, 2005 und 2008. Für die Zeit ab 1.1.2009 ist die Anl VersMedV Grundlage für die Feststellung des GdB. Aus diesem Wechsel ergeben sich hier keine inhaltlichen Abweichungen, da der Wortlaut der maßgebenden Abschnitte der AHP und der Anl VersMedV ("Versorgungsmedizinische Grundsätze") identisch ist.

20

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist davon auszugehen, dass die AHP grundsätzlich den Maßstab angeben, nach dem der GdB einzuschätzen ist (BSGE 91, 205 = SozR 4-3250 § 69 Nr 2; BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 9). Bei den AHP handelt es sich um antizipierte Sachverständigengutachten, die im konkreten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren zu beachten sind (zum Ganzen s BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 25 mwN). Entsprechendes gilt für die seit dem 1.1.2009 in Kraft befindliche VersMedV als verbindliche Rechtsquelle. Zweifel am Inhalt der AHP oder der Anl VersMedV, der durch besondere, vor allem medizinische Sachkunde bestimmt ist, sind vorzugsweise durch Nachfrage bei dem verantwortlichen Urheber, hier also beim Ärztlichen Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin bzw bei dem für diesen geschäftsführend tätigen BMAS (§ 3 VersMedV) zu klären (vgl dazu BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 9/9a SB 6/06 R - juris RdNr 21). Im Übrigen sind AHP und VersMedV auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen(BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R -, SozialVerw 2009, 59, 62 mwN). Dabei sind sie im Lichte des § 69 SGB IX auszulegen. Bei nach entsprechender Auslegung verbleibenden Verstößen gegen § 69 SGB IX sind diese Rechtsquellen nicht anzuwenden(BSG Urteil vom 23.4.2009, aaO).

21

Bei der Feststellung des (Gesamt)-GdB ist das seit jeher im Schwerbehindertenrecht geltende Finalitätsprinzip (zum Rechtszustand nach dem Schwerbehindertengesetz s BSG SozR 3870 § 57 Nr 1 S 5; s auch Teil A Nr 2.a Satz 1 Anl VersMedV) zu beachten, das sowohl im Behinderungsbegriff des § 2 Abs 1 SGB IX als auch in den Prinzipien zur Feststellung des GdB nach § 69 Abs 1 und Abs 3 SGB IX festgeschrieben worden ist. Danach sind alle dauerhaften Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrem Entstehungsgrund zu erfassen und ihre Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu berücksichtigen (BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9/9a SB 4/07 R - zum Begriff der sog Organkomplikationen unter Hinweis auf Knickrehm, SGb 2008, 220, 221; s auch Nr 18 Abs 1 AHP/Teil A Nr 2.a Anl VersMedV). Das BSG (aaO) hat dargelegt, dass möglicherweise durch eine Haupterkrankung (dort: Diabetes Mellitus) hervorgerufene Gesundheitsstörungen (dort: zB Netzhautveränderungen etc) wie von der Haupterkrankung unabhängig entstandene Gesundheitsstörungen zu behandeln sind und in ihren Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit unabhängig von dem für die Haupterkrankung festzustellenden Einzel-GdB separat zu berücksichtigen sind. Entsprechend hat das BSG im Falle der durch die Haupterkrankung (Schilddrüsenentfernung wegen Karzinom) hervorgerufenen Verletzung eines Stimmbandnervs entschieden (BSG Urteil vom 30.9.2009 - B 9 SB 4/08 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 10). Danach begegnet es durchgreifenden Bedenken, mit der GdB-Bewertung eines Zustands nach Tumorentfernung während der Heilungsbewährung auch abgrenzbare und nennenswerte Schäden an anderen Organen zu erfassen, die nicht immer mit einer derartigen Behandlung verbunden sind.

22

Gemäß Nr 26.1 Abs 3 AHP und Teil B Nr 1.c Anl VersMedV ist nach Behandlung bestimmter Krankheiten, die zu Rezidiven neigen, insbesondere bei bösartigen Geschwulsterkrankungen, eine Heilungsbewährung abzuwarten. Der Zeitraum der Heilungsbewährung beträgt in der Regel fünf Jahre, und zwar ab dem Zeitpunkt, an dem die Geschwulst durch Operation oder andere Primärtherapie als beseitigt angesehen werden kann. Die hinsichtlich der häufigsten und wichtigsten solcher Krankheiten im Folgenden angegebenen GdB/MdE/GdS-Anhaltswerte sind auf den "Zustand nach operativer oder anderweitiger Beseitigung der Geschwulst bezogen". Sie beziehen den "regelhaft verbleibenden Organ- oder Gliedmaßenschaden ein". "Außergewöhnliche Folgen oder Begleiterscheinungen der Behandlung - zB langdauernde schwere Auswirkungen einer wiederholten Chemotherapie - sind gegebenenfalls zusätzlich zu berücksichtigen". Ferner bestimmt Nr 26.1 Abs 3 AHP/Teil B Nr 1.c Anl VersMedV, dass, sofern bis zum Ablauf der Heilungsbewährung der GdB während dieser Zeit 50 beträgt, der GdB entsprechend höher zu bewerten ist, wenn der verbliebene Organ- oder Gliedmaßenschaden und/oder außergewöhnliche Folgen oder Begleiterscheinungen der Behandlung einen GdB von 50 oder mehr bedingen.

23

Wie der Begriff des Organschadens zu verstehen ist, ist in den AHP und der Anl VersMedV nicht näher geregelt. Der erkennende Senat hat dazu mehrere Möglichkeiten aufgezeigt (BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 10 RdNr 28). Jedenfalls aber darf die Einschätzung des Gesamt-GdB nicht unterschiedlich ausfallen in Fällen, in denen der Organschaden schon vor der Krebsoperation vorhanden war, und Fällen, in denen er erst mit oder nach der Operation aufgetreten ist (BSG aaO, RdNr 30, 31). Soweit Nr 26.1 Abs 3 letzter Satz AHP und Teil B Nr 1.c letzter Satz Anl VersMedV bestimmen, dass der wegen Heilungsbewährung anzunehmende GdB erhöht werden muss ("ist … höher zu bewerten"), wenn der verbliebene Organ- oder Gliedmaßenschaden (Körperschaden) - für sich allein - einen GdB von 50 oder mehr bedingt, kann sich diese Regelung mithin nur auf den von der Geschwulsterkrankung betroffenen Körperteil und die mit der Tumorentfernung typischerweise verbundenen Schäden beziehen. Ob die festgelegte Grenze eines GdB von 50 für derartige verbliebene Organ- oder Gliedmaßenschäden zu hoch angesetzt ist, muss hier nicht erörtert werden; denn die schwere Funktionsstörung des linken Schultergelenks, die neben dem Teilverlust des linken Schulterblatts als vom GdB des Zustands nach Tumorentfernung miterfasst angesehen werden könnte, bedingt nach den bisherigen Feststellungen des LSG nur einen GdB von 20.

24

Die Feststellung des GdB ist tatrichterliche Aufgabe (BSGE 4, 147, 149 f; BSGE 62, 209, 212 ff = SozR 3870 § 3 Nr 26 S 83 f; BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 10; zur Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit in der gesetzlichen Unfallversicherung als Tatsachenfeststellung s zuletzt BSG SozR 4-2700 § 56 Nr 2 RdNr 10 mwN) und kann im Revisionsverfahren nur durch entsprechende Verfahrensrügen angegriffen werden (vgl § 163 SGG). Sie ist jedoch in den dargestellten rechtlichen Rahmen eingebettet, den Verwaltung und Tatsachengerichte zwingend zu beachten haben. Entsprechende Rechtsverstöße durch das Tatsachengericht sind vom Revisionsgericht zu beanstanden (§ 162 SGG).

25

Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen (s § 2 Abs 1 SGB IX) und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt sind diese - soweit möglich - den in den AHP/der Anl VersMedV genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann - in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB (vgl Nr 19 Abs 3 AHP/Teil A Nr 3.c Anl VersMedV) - in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinander stehen. Außerdem sind bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der Tabelle der AHP/Anl VersMedV feste GdB/MdE-Werte bzw feste GdS-Werte angegeben sind (vgl Nr 19 Abs 2 AHP/Teil A Nr 3.b Anl VersMedV).

26

Ausgehend von diesen rechtlichen Rahmenbedingungen hat das LSG im ersten Verfahrensschritt Feststellungen über die beim Kläger bestehenden, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen getroffen, die für das Revisionsgericht bindend sind, zumal sie vom Kläger nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind (§ 163 SGG). Danach liegen ein Zustand nach Entfernung eines Chondrosarkoms mit Teilentfernung des linken Schulterblattes und schwerer Funktionsstörung im Bereich des linken Schultergelenks sowie - im Wesentlichen auf der Grundlage einer familiären Osteochondromatose - Funktionsstörungen im Bereich des linken Hüftgelenks und der oberen Sprunggelenke, mittelschwere Funktionsdefizite beider Handgelenke und Unterarme vor. Soweit sich der Kläger gegen die Feststellung des LSG wendet, das Chondrosarkom sei im Frühstadium entfernt worden, betrifft sein Vorbringen weniger den gegenwärtigen Gesundheitszustand, sondern vielmehr ein Merkmal, das nach Nr 26.1 Abs 3 AHP bzw Teil B Nr 1.c Anl VersMedV für die pauschale GdB-Bemessung während der Heilungsbewährung von Bedeutung ist.

27

Der Senat lässt es dahinstehen, inwiefern die vom LSG im zweiten Verfahrensschritt vorgenommenen Feststellungen über die Zuordnung der Gesundheitsstörungen zu in den AHP und der Anl VersMedV aufgeführten Funktionssystemen und deren Bewertung mit jeweils einem Einzel-GdB bindend sind. Insbesondere bleibt offen, ob die vom LSG auf Nr 26.1 Abs 3 AHP und Teil B Nr 1.c Anl VersMedV gestützte Bewertung des Einzel-GdB für den Zustand nach Entfernung des Chondrosarkoms insoweit auf einer das BSG bindenden Tatsachenfeststellung beruht, als das LSG angenommen hat, die Entfernung sei im Frühstadium erfolgt. Denn selbst wenn die Bewertung des Einzel-GdB für den Zustand nach Tumorentfernung mit 50 im Ansatz zutreffend sein sollte, begegnet das weitere Vorgehen des LSG durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

28

Das LSG hat die Regelung der Nr 26.1 Abs 3 AHP bzw Teil B Nr 1.c Anl VersMedV unrichtig angewendet. Es hat bereits verkannt, dass diese Bestimmungen nur die Ermittlung des Einzel-GdB für den Zustand nach Tumorentfernung während der Heilungsbewährung und nicht die Bemessung des Gesamt-GdB betreffen. Es hätte zudem nicht alle mit der familiären Osteochondromatose des Klägers zusammenhängenden Funktionsstörungen in die Bemessung des Einzel-GdB für den Zustand nach Tumorentfernung einbeziehen, sondern insoweit nur die unmittelbar damit verbundenen Schäden berücksichtigen dürfen. Wäre danach der Einzel-GdB von 50 nicht zu erhöhen gewesen, so hätten die übrigen Gesundheitsstörungen (insbesondere im Bereich der Hände, Unterarme, Hüft- und Sprunggelenke) in einem dritten Verfahrensabschnitt in die Bildung des Gesamt-GdB einbezogen werden müssen.

29

Es ist nicht ausgeschlossen, dass diese Vorgehensweise zu einem höheren Gesamt-GdB als 50 hätte führen können. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die betreffenden Funktionsstörungen nach den Feststellungen des LSG jeweils nur einen GdB von 10 bedingen.

30

Nach Nr 19 Abs 4 AHP und Teil A Nr 3.d.ee Anl VersMedV führen, von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Ein derartiger Ausnahmefall könnte hier vorliegen. Die vom LSG festgestellten Beweglichkeitseinschränkungen am linken Hüftgelenk, den Handgelenken und Unterarmen sowie den oberen Sprunggelenken sind offenbar einer sog Systemerkrankung - nämlich einer familiären Osteochondromatose - zuzuordnen. Dadurch könnten die Auswirkungen der einzelnen Erscheinungen insgesamt ein stärkeres Gewicht erhalten. Hinzu könnten besondere seelische Begleiterscheinungen kommen, die sich aus der Vererblichkeit dieser Erkrankung ergeben.

31

Sollte der Kläger - wie seinem Vorbringen entnommen werden könnte - darüber hinaus an einer psychischen Erkrankung leiden, wäre diese mit einem Einzel-GdB zu bewerten und bei der Bildung des Gesamt-GdB gesondert zu berücksichtigen.

32

Nach alledem fehlen weitere tatrichterliche Feststellungen, die das BSG im Revisionsverfahren nicht nachholen kann. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

33

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das LSG erneut zu prüfen und festzustellen haben, ob sich das Chondrosarkom des linken Schulterblattes bei seiner Entfernung tatsächlich erst im Frühstadium oder - wie der Kläger geltend macht - in einem fortgeschrittenen Stadium befunden hat. Letzteres würde nach Nr 26.1 Abs 3 AHP bzw Teil B Nr 1.c Anl VersMedV während der Heilungsbewährung zu einem höheren Einzel-GdB führen.

34

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Blinden Menschen wird zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen Blindenhilfe gewährt, soweit sie keine gleichartigen Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten. Auf die Blindenhilfe sind Leistungen bei häuslicher Pflege nach dem Elften Buch, auch soweit es sich um Sachleistungen handelt, bei Pflegebedürftigen des Pflegegrades 2 mit 50 Prozent des Pflegegeldes des Pflegegrades 2 und bei Pflegebedürftigen der Pflegegrade 3, 4 oder 5 mit 40 Prozent des Pflegegeldes des Pflegegrades 3, höchstens jedoch mit 50 Prozent des Betrages nach Absatz 2, anzurechnen. Satz 2 gilt sinngemäß für Leistungen nach dem Elften Buch aus einer privaten Pflegeversicherung und nach beamtenrechtlichen Vorschriften. § 39a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Blindenhilfe beträgt bis 30. Juni 2004 für blinde Menschen nach Vollendung des 18. Lebensjahres 585 Euro monatlich, für blinde Menschen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, beträgt sie 293 Euro monatlich. Sie verändert sich jeweils zu dem Zeitpunkt und in dem Umfang, wie sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Rentenversicherung verändert.

(3) Lebt der blinde Mensch in einer stationären Einrichtung und werden die Kosten des Aufenthalts ganz oder teilweise aus Mitteln öffentlich-rechtlicher Leistungsträger getragen, so verringert sich die Blindenhilfe nach Absatz 2 um die aus diesen Mitteln getragenen Kosten, höchstens jedoch um 50 vom Hundert der Beträge nach Absatz 2. Satz 1 gilt vom ersten Tage des zweiten Monats an, der auf den Eintritt in die Einrichtung folgt, für jeden vollen Kalendermonat des Aufenthalts in der Einrichtung. Für jeden vollen Tag vorübergehender Abwesenheit von der Einrichtung wird die Blindenhilfe in Höhe von je einem Dreißigstel des Betrages nach Absatz 2 gewährt, wenn die vorübergehende Abwesenheit länger als sechs volle zusammenhängende Tage dauert; der Betrag nach Satz 1 wird im gleichen Verhältnis gekürzt.

(4) Neben der Blindenhilfe wird Hilfe zur Pflege wegen Blindheit nach dem Siebten Kapitel außerhalb von stationären Einrichtungen sowie ein Barbetrag (§ 27b Absatz 2) nicht gewährt. Neben Absatz 1 ist § 30 Abs. 1 Nr. 2 nur anzuwenden, wenn der blinde Mensch nicht allein wegen Blindheit voll erwerbsgemindert ist. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für blinde Menschen, die nicht Blindenhilfe, sondern gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erhalten.

(5) Blinden Menschen stehen Personen gleich, deren beidäugige Gesamtsehschärfe nicht mehr als ein Fünfzigstel beträgt oder bei denen dem Schweregrad dieser Sehschärfe gleichzuachtende, nicht nur vorübergehende Störungen des Sehvermögens vorliegen.

(6) Die Blindenhilfe wird neben Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches erbracht.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, soweit es zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen erforderlich ist, Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates über Folgendes zu erlassen:

1.
die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr, insbesondere über
a)
den Inhalt und die Gültigkeitsdauer von Fahrerlaubnissen, insbesondere unterschieden nach Fahrerlaubnisklassen, über die Probezeit sowie über Auflagen und Beschränkungen zu Fahrerlaubnissen,
b)
die erforderliche Befähigung und Eignung von Personen für ihre Teilnahme am Straßenverkehr, das Mindestalter und die sonstigen Anforderungen und Voraussetzungen zur Teilnahme am Straßenverkehr,
c)
die Ausbildung und die Fortbildung von Personen zur Herstellung und zum Erhalt der Voraussetzungen nach Buchstabe b und die sonstigen Maßnahmen, um die sichere Teilnahme von Personen am Straßenverkehr zu gewährleisten, insbesondere hinsichtlich Personen, die nur bedingt geeignet oder ungeeignet oder nicht befähigt zur Teilnahme am Straßenverkehr sind,
d)
die Prüfung und Beurteilung des Erfüllens der Voraussetzungen nach den Buchstaben b und c,
e)
Ausnahmen von einzelnen Anforderungen und Inhalten der Zulassung von Personen, insbesondere von der Fahrerlaubnispflicht und von einzelnen Erteilungsvoraussetzungen,
2.
das Verhalten im Verkehr, auch im ruhenden Verkehr,
3.
das Verhalten der Beteiligten nach einem Verkehrsunfall, das geboten ist, um
a)
den Verkehr zu sichern und Verletzten zu helfen,
b)
Feststellungen zu ermöglichen, die zur Geltendmachung oder Abwehr von zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen erforderlich sind, insbesondere Feststellungen zur Person der Beteiligten, zur Art ihrer Beteiligung, zum Unfallhergang und zum Versicherer der unfallbeteiligten Fahrzeuge,
4.
die Bezeichnung von im Fahreignungsregister zu speichernden Straftaten und Ordnungswidrigkeiten
a)
für die Maßnahmen nach den Regelungen der Fahrerlaubnis auf Probe nebst der Bewertung dieser Straftaten und Ordnungswidrigkeiten als schwerwiegend oder weniger schwerwiegend,
b)
für die Maßnahmen des Fahreignungsbewertungssystems, wobei
aa)
bei der Bezeichnung von Straftaten deren Bedeutung für die Sicherheit im Straßenverkehr zugrunde zu legen ist,
bb)
Ordnungswidrigkeiten mit Punkten bewertet werden und bei der Bezeichnung und Bewertung von Ordnungswidrigkeiten deren jeweilige Bedeutung für die Sicherheit des Straßenverkehrs und die Höhe des angedrohten Regelsatzes der Geldbuße oder eines Regelfahrverbotes zugrunde zu legen sind,
5.
die Anforderungen an
a)
Bau, Einrichtung, Ausrüstung, Beschaffenheit, Prüfung und Betrieb von Fahrzeugen,
b)
die in oder auf Fahrzeugen einzubauenden oder zu verwendenden Fahrzeugteile, insbesondere Anlagen, Bauteile, Instrumente, Geräte und sonstige Ausrüstungsgegenstände, einschließlich deren Prüfung,
6.
die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr, insbesondere über
a)
die Voraussetzungen für die Zulassung, die Vorgaben für das Inbetriebsetzen zulassungspflichtiger und zulassungsfreier Fahrzeuge, die regelmäßige Untersuchung der Fahrzeuge sowie über die Verantwortung, die Pflichten und die Rechte der Halter,
b)
Ausnahmen von der Pflicht zur Zulassung sowie Ausnahmen von einzelnen Anforderungen nach Buchstabe a,
7.
die Einrichtung einer zentralen Stelle zur Erarbeitung und Evaluierung von verbindlichen Prüfvorgaben bei regelmäßigen Fahrzeuguntersuchungen,
8.
die zur Verhütung von Belästigungen anderer, zur Verhütung von schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung erforderlichen Maßnahmen,
9.
die Maßnahmen
a)
über den Straßenverkehr, die zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit oder zu Verteidigungszwecken erforderlich sind,
b)
zur Durchführung von Großraum- und Schwertransporten,
c)
im Übrigen, die zur Erhaltung der Sicherheit und Ordnung auf öffentlichen Straßen oder zur Verhütung einer über das verkehrsübliche Maß hinausgehenden Abnutzung der Straßen erforderlich sind, insbesondere bei Großveranstaltungen,
10.
das Anbieten zum Verkauf, das Veräußern, das Verwenden, das Erwerben oder das sonstige Inverkehrbringen von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen,
11.
die Kennzeichnung und die Anforderungen an die Kennzeichnung von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen,
12.
den Nachweis über die Entsorgung oder den sonstigen Verbleib von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen, auch nach ihrer Außerbetriebsetzung,
13.
die Ermittlung, das Auffinden und die Sicherstellung von gestohlenen, verlorengegangenen oder sonst abhanden gekommenen Fahrzeugen, Fahrzeugkennzeichen sowie Führerscheinen und Fahrzeugpapieren einschließlich ihrer Vordrucke, soweit nicht die Strafverfolgungsbehörden hierfür zuständig sind,
14.
die Überwachung der gewerbsmäßigen Vermietung von Kraftfahrzeugen und Anhängern an Selbstfahrer,
15.
die Beschränkung des Straßenverkehrs einschließlich des ruhenden Verkehrs
a)
zugunsten schwerbehinderter Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung, mit beidseitiger Amelie oder Phokomelie oder vergleichbaren Funktionseinschränkungen sowie zugunsten blinder Menschen,
b)
zugunsten der Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel,
c)
zur Erforschung des Unfallgeschehens, des Verkehrsverhaltens, der Verkehrsabläufe oder zur Erprobung geplanter verkehrssichernder oder verkehrsregelnder Maßnahmen,
16.
die Einrichtung von Sonderfahrspuren für Linienomnibusse und Taxen,
17.
die Einrichtung und Nutzung von fahrzeugführerlosen Parksystemen im niedrigen Geschwindigkeitsbereich auf Parkflächen,
18.
allgemeine Ausnahmen von den Verkehrsvorschriften nach Abschnitt I oder von auf Grund dieser Verkehrsvorschriften erlassener Rechtsverordnungen zur Durchführung von Versuchen, die eine Weiterentwicklung dieser Rechtsnormen zum Gegenstand haben.
Rechtsverordnungen nach Satz 1 Nummer 18 über allgemeine Ausnahmen von Verkehrsvorschriften nach diesem Gesetz sind für die Dauer von längstens fünf Jahren zu befristen; eine einmalige Verlängerung der Geltungsdauer um längstens fünf Jahre ist zulässig. Rechtsverordnungen können nicht nach Satz 1 erlassen werden über solche Regelungsgegenstände, über die Rechtsverordnungen nach Absatz 2 erlassen werden dürfen. Die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen nach Satz 1 umfasst auch den straßenverkehrsrechtlichen Schutz von Maßnahmen zur Rettung aus Gefahren für Leib und Leben von Menschen oder den Schutz zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche Unfallbeteiligter.

(2) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, soweit es zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen erforderlich ist, Rechtsverordnungen ohne Zustimmung des Bundesrates über Folgendes zu erlassen:

1.
die Typgenehmigung von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, sofern sie unionsrechtlichen Vorgaben unterliegt, über die Fahrzeugeinzelgenehmigung, sofern ihr nach Unionrecht eine Geltung in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zukommt, sowie über das Anbieten zum Verkauf, das Inverkehrbringen, die Inbetriebnahme, das Veräußern oder die Einfuhr von derart genehmigten oder genehmigungspflichtigen Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, insbesondere über
a)
die Systematisierung von Fahrzeugen,
b)
die technischen und baulichen Anforderungen an Fahrzeuge, Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten, einschließlich der durchzuführenden Prüfverfahren zur Feststellung der Konformität,
c)
die Sicherstellung der Übereinstimmung von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge mit einem genehmigten Typ bei ihrer Herstellung,
d)
den Zugang zu technischen Informationen sowie zu Reparatur- und Wartungsinformationen,
e)
die Bewertung, Benennung und Überwachung von technischen Diensten,
f)
die Kennzeichnung und Verpackung von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für Fahrzeuge oder
g)
die Zulassung von Teilen und Ausrüstungen, von denen eine ernste Gefahr für das einwandfreie Funktionieren wesentlicher Systeme von Fahrzeugen ausgehen kann,
2.
die Marktüberwachung von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge,
3.
die Pflichten der Hersteller und ihrer Bevollmächtigten, der Einführer sowie der Händler im Rahmen
a)
des Typgenehmigungsverfahrens im Sinne der Nummer 1,
b)
des Fahrzeugeinzelgenehmigungsverfahrens im Sinne der Nummer 1 oder
c)
des Anbietens zum Verkauf, des Inverkehrbringens, der Inbetriebnahme, des Veräußerns, der Einfuhr sowie der Marktüberwachung von Fahrzeugen, Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge oder
4.
die Technologien, Strategien und andere Mittel, für die festgestellt ist, dass
a)
sie die Leistungen der Fahrzeuge, Systeme, Bauteile oder selbstständigen technischen Einheiten für Fahrzeuge bei Prüfverfahren unter ordnungsgemäßen Betriebsbedingungen verfälschen oder
b)
ihre Verwendung im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens oder des Fahrzeugeinzelgenehmigungsverfahrens im Sinne der Nummer 1 aus anderen Gründen nicht zulässig ist.

(3) In Rechtsverordnungen nach Absatz 1 oder Absatz 2 können hinsichtlich der dort genannten Gegenstände jeweils auch geregelt werden:

1.
die Erteilung, Beschränkung oder Entziehung von Rechten, die sonstigen Maßnahmen zur Anordnung oder Umsetzung, die Anerkennung ausländischer Berechtigungen oder Maßnahmen, die Verwaltungsverfahren einschließlich der erforderlichen Nachweise sowie die Zuständigkeiten und die Ausnahmebefugnisse der vollziehenden Behörden im Einzelfall,
2.
Art, Inhalt, Herstellung, Gestaltung, Lieferung, Ausfertigung, Beschaffenheit und Gültigkeit von Kennzeichen, Plaketten, Urkunden, insbesondere von Führerscheinen, und sonstigen Bescheinigungen,
3.
die Anerkennung, Zulassung, Registrierung, Akkreditierung, Begutachtung, Beaufsichtigung oder Überwachung von natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts oder von sonstigen Einrichtungen im Hinblick auf ihre Tätigkeiten
a)
der Prüfung, Untersuchung, Beurteilung und Begutachtung von Personen, Fahrzeugen oder Fahrzeugteilen sowie der Herstellung und Lieferung nach Nummer 2,
b)
des Anbietens von Maßnahmen zur Herstellung oder zum Erhalt der Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b oder
c)
der Prüfung und Zertifizierung von Qualitätssicherungssystemen,
einschließlich der jeweiligen Voraussetzungen, insbesondere der Anforderungen an die natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts oder an die Einrichtungen, an ihre Träger und an ihre verantwortlichen oder ausführenden Personen, einschließlich der Vorgabe eines Erfahrungsaustausches sowie einschließlich der Verarbeitung von personenbezogenen Daten über die die Tätigkeiten ausführenden oder hieran teilnehmenden Personen durch die zuständigen Behörden, durch die natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts oder durch die Einrichtungen in dem Umfang, der für ihre jeweilige Tätigkeit und deren Qualitätssicherung erforderlich ist,
4.
Emissionsgrenzwerte unter Berücksichtigung der technischen Entwicklung zum Zeitpunkt des Erlasses der jeweiligen Rechtsverordnung,
5.
die Mitwirkung natürlicher oder juristischer Personen des Privatrechts bei der Aufgabenwahrnehmung in Form ihrer Beauftragung, bei der Durchführung von bestimmten Aufgaben zu helfen (Verwaltungshilfe), oder in Form der Übertragung bestimmter Aufgaben nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 5, 6, 7 oder 9 Buchstabe b oder Absatz 2 auf diese Personen (Beleihung), insbesondere
a)
die Bestimmung der Aufgaben und die Art und Weise der Aufgabenerledigung,
b)
die Anforderungen an diese Personen und ihre Überwachung einschließlich des Verfahrens und des Zusammenwirkens der zuständigen Behörden bei der Überwachung oder
c)
die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch diese Personen, insbesondere die Übermittlung solcher Daten an die zuständige Behörde,
6.
die Übertragung der Wahrnehmung von einzelnen Aufgaben auf die Bundesanstalt für Straßenwesen oder das Kraftfahrt-Bundesamt oder
7.
die notwendige Versicherung der natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts oder der sonstigen Einrichtungen in den Fällen der Nummer 3 oder Nummer 5 zur Deckung aller im Zusammenhang mit den dort genannten Tätigkeiten entstehenden Ansprüche sowie die Freistellung der für die Anerkennung, Zulassung, Registrierung, Akkreditierung, Begutachtung, Beaufsichtigung, Überwachung, Beauftragung oder Aufgabenübertragung zuständigen Bundes- oder Landesbehörde von Ansprüchen Dritter wegen Schäden, die diese Personen oder Einrichtungen verursachen.

(4) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5 und 8 oder Absatz 2, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 3, können auch erlassen werden

1.
zur Abwehr von Gefahren, die vom Verkehr auf öffentlichen Straßen ausgehen,
2.
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen, die von Fahrzeugen ausgehen, oder
3.
zum Schutz der Verbraucher.
Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5 und 8, auch in Verbindung mit Absatz 3, können auch erlassen werden
1.
zum Schutz der Bevölkerung in Fußgängerbereichen oder verkehrsberuhigten Bereichen, der Wohnbevölkerung oder der Erholungssuchenden vor Emissionen, die vom Verkehr auf öffentlichen Straßen ausgehen, insbesondere zum Schutz vor Lärm oder vor Abgasen,
2.
für Sonderregelungen an Sonn- und Feiertagen oder
3.
für Sonderregelungen über das Parken in der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr.

(5) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 oder 2 können auch zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union und zur Durchführung von zwischenstaatlichen Vereinbarungen im Anwendungsbereich dieses Gesetzes erlassen werden.

(6) Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 5 oder 8 oder nach Absatz 2, sofern sie jeweils in Verbindung mit Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 oder Satz 2 Nummer 1 erlassen werden, oder Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 12 werden vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gemeinsam erlassen. Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 11, 13 oder 14 oder nach Absatz 3 Nummer 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nummer 1 oder 6 können auch zum Zweck der Bekämpfung von Straftaten erlassen werden. Im Fall des Satzes 2 werden diese Rechtsverordnungen vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat gemeinsam erlassen. Rechtsverordnungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5 oder 8 oder nach Absatz 2, sofern sie jeweils in Verbindung mit Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 erlassen werden, werden vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur und vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gemeinsam erlassen.

(7) Keiner Zustimmung des Bundesrates bedürfen Rechtsverordnungen

1.
zur Durchführung der Vorschriften nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 in Verbindung mit Absatz 3 oder
2.
über allgemeine Ausnahmen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 18, auch in Verbindung mit den Absätzen 3 bis 6.
Vor ihrem Erlass sind die zuständigen obersten Landesbehörden zu hören.

(8) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, jedoch unbeschadet des Absatzes 6,

1.
sofern Verordnungen nach diesem Gesetz geändert oder abgelöst werden, Verweisungen in Gesetzen und Rechtsverordnungen auf diese geänderten oder abgelösten Vorschriften durch Verweisungen auf die jeweils inhaltsgleichen neuen Vorschriften zu ersetzen,
2.
in den auf Grund des Absatzes 1 oder 2, jeweils auch in Verbindung mit den Absätzen 3 bis 7 erlassenen Rechtsverordnungen enthaltene Verweisungen auf Vorschriften in Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union zu ändern, soweit es zur Anpassung an Änderungen jener Vorschriften erforderlich ist, oder
3.
Vorschriften der auf Grund des Absatzes 1 oder 2, jeweils auch in Verbindung mit den Absätzen 3 bis 7 erlassenen Rechtsverordnungen zu streichen oder in ihrem Wortlaut einem verbleibenden Anwendungsbereich anzupassen, sofern diese Vorschriften durch den Erlass entsprechender Vorschriften in unmittelbar im Anwendungsbereich dieses Gesetzes geltenden Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union unanwendbar geworden oder in ihrem Anwendungsbereich beschränkt worden sind.

(9) In den Rechtsverordnungen nach Absatz 1, jeweils auch in Verbindung mit den Absätzen 3 bis 6, kann mit Zustimmung des Bundesrates die jeweilige Ermächtigung ganz oder teilweise auf die Landesregierungen übertragen werden, um besonderen regionalen Bedürfnissen angemessen Rechnung zu tragen. Soweit eine nach Satz 1 erlassene Rechtsverordnung die Landesregierungen zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigt, sind diese befugt, die Ermächtigung durch Rechtsverordnung ganz oder teilweise auf andere Landesbehörden zu übertragen.

(1) Im Ausweis sind auf der Rückseite folgende Merkzeichen einzutragen:

1.aGwenn der schwerbehinderte Mensch außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 229 Absatz 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist,

2.Hwenn der schwerbehinderte Mensch hilflos im Sinne des § 33b des Einkommensteuergesetzes oder entsprechender Vorschriften ist,

3.BIwenn der schwerbehinderte Mensch blind im Sinne des § 72 Abs. 5 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch oder entsprechender Vorschriften ist,

4.GIwenn der schwerbehinderte Mensch gehörlos im Sinne des § 228 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch ist,

5.RFwenn der schwerbehinderte Mensch die landesrechtlich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erfüllt,

6.1. Kl.wenn der schwerbehinderte Mensch die im Verkehr mit Eisenbahnen tariflich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Benutzung der 1. Wagenklasse mit Fahrausweis der 2. Wagenklasse erfüllt,
7.Gwenn der schwerbehinderte Mensch in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt im Sinne des § 229 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder entsprechender Vorschriften ist,
8.TBIwenn der schwerbehinderte Mensch wegen einer Störung der Hörfunktion mindestens einen Grad der Behinderung von 70 und wegen einer Störung des Sehvermögens einen Grad der Behinderung von 100 hat.

(2) Ist der schwerbehinderte Mensch zur Mitnahme einer Begleitperson im Sinne des § 229 Absatz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch berechtigt, sind auf der Vorderseite des Ausweises das Merkzeichen „B“ und der Satz „Die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson ist nachgewiesen“ einzutragen.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 2. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe

 
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches (Merkzeichen) „G“ (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) streitig.
Bei der 1971 geborenen Klägerin stellte das Landratsamt H. - Versorgungsamt - (LRA) auf ihren Antrag auf Erhöhung des Grades der Behinderung (GdB) mit Bescheid vom 21.02.2006 (auf Widerspruch der Klägerin) in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 15.01.2007 wegen eines chronischen Schmerzsyndroms, einer seelischen Störung und posttraumatischer Belastungsstörung (Teil-GdB 50), Verwachsungsbeschwerden nach Bauchoperation und eines Zwölffingerdarmgeschwürsleidens, einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und Hüftdysplasie beidseitig sowie einer Sehbehinderung (Teil-GdB jeweils 20), den Gesamt-GdB mit 70 neu fest.
Außerdem beantragte die Klägerin am 23.08.2006 (wiederholt am 07.11.2006) beim LRA die Feststellung des Merkzeichens „G“. Diesem Antrag entsprach das LRA mit Bescheid vom 17.01.2007 nicht. Hiergegen legte die Klägerin am 20.02.2007 Widerspruch ein. Sie legte das Attest von Dr. He. vom 24.10.2006 vor, in dem über Unterbauchschmerzen durch rezidivierende Ovarialzysten und orthostatische Dysregulationen sowie ausgeprägte Verwachsungsbeschwerden beim Gehen berichtet wird.
Entsprechend der gutachtlichen Stellungnahme der Versorgungsärztin S. vom 11.04.2007 wurden die Widersprüche der Klägerin gegen den Bescheid vom 21.02.2006 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 15.01.2007 sowie gegen den Bescheid vom 17.01.2007 vom Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2007 jeweils zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, eine weitere Erhöhung des GdB sowie die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ ließen sich nicht begründen.
Am 07.05.2007 erhob die Klägerin wegen der Zuerkennung des Merkzeichens „G“ Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG). Sie berief sich zur Begründung auf eine Hüftdysplasie, eine Achillessehnenoperation, Unterbauchschmerzen mit orthostatischen Dysregulationen, einen Meniskusschaden sowie die Bildung von Zysten, wodurch sie an der Zurücklegung ortsüblicher Wegstrecken gehindert sei. Die Klägerin legte das Attest von Dr. He. vom 19.06.2007 und Dr. Ho. vom 26.10.2009 vor.
Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. G. vom 05.03.2008 und Dr. F. vom 22.09.2008 entgegen.
Mit Urteil vom 02.12.2009 wies das SG die Klage ab. Es nahm zur Begründung auf den Ursprungs- und Widerspruchsbescheid Bezug und führte ergänzend aus, die vorgelegten Atteste von Dr. He. und Dr. Ho. seien nicht geeignet, das Vorliegen der Voraussetzungen für das Merkzeichen „G“ zu beweisen.
Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 22.03.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten am 21.04.2010 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung geltend gemacht, aus den im Klageverfahren vorgelegten ärztlichen Attesten gehe entgegen der Auffassung des SG eindeutig hervor, dass sie wegen Verwachsungsbeschwerden am Zurücklegen ortsüblicher Wegstrecken ständig gehindert sei. Ihrem hilfsweise gestellten Beweisantrag auf Einholung eines orthopädischen und eines gynäkologischen Gutachtens hätte das SG nachgehen müssen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
10 
den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Heilbronn vom 2. Dezember 2009 sowie des Bescheides des Beklagten vom 17.01.2007 in der Gestalt des hierzu ergangenen Teils des Widerspruchsbescheids vom 16.04.2007 zu verurteilen, bei ihr die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches „G“ festzustellen.
11 
Der Beklagte beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
13 
Der Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das Vorbringen der Klägerin beinhalte keine neuen Tatsachen oder Gesichtspunkte, die eine der Klägerin günstigere Entscheidung rechtfertigen könnten.
14 
Der Senat hat Dr. He. , den Orthopäden Dr. L. , den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. B. sowie die Frauenärztin Dr. Ho. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Dr. He. teilte in seiner Stellungnahme vom 30.11.2010 unter Vorlage medizinischer Befundunterlagen mit, er habe die Klägerin seit fast 3 1/2 Jahren nicht mehr behandelt und erachtete eine Vernehmung von Dr. Ho. für zweckmäßig. Dr. L. teilte in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 05.12.2010 unter Vorlage medizinischer Befundunterlagen den Behandlungsverlauf, die Diagnosen und erhobenen Befunde mit. Er hielt die Bewegungsfähigkeit der Klägerin im Wesentlichen psychisch bedingt (durch eine Angsterkrankung bzw. eine posttraumatische Belastungsreaktion) eingeschränkt. Dr. B. teilte in seiner Stellungnahme vom 21.12.2010 unter Vorlage medizinischer Befundunterlagen den Behandlungsverlauf, die von der Klägerin geklagten Beschwerden (allgemeine Schwäche, Antriebslosigkeit, Schmerzen am ganzen Körper, besonders im Bauch mit Ausstrahlung in das linke Bein durch eine Eierstockzyste) und die Diagnosen (schwere depressive Erkrankung, neurasthenisches Syndrom) mit. Er hielt die Klägerin wegen einer extrem schweren psychiatrischen Erkrankung für nicht in der Lage, ohne erhebliche Schwierigkeiten Gehstrecken über 200 Meter zu Fuß zurückzulegen. Dr. Ho. teilte in ihrer Stellungnahme vom 29.12.2010 unter Vorlage von medizinischen Befundunterlagen den Behandlungsverlauf, die von der Klägerin geklagten Beschwerden und die Diagnosen (chronisch rezidivierende Unterbauchschmerzen rechts, Ovarialzyste rechts, Verdacht auf Adhäsionen im kleinen Becken bei Zustand nach mehrfachen Laparotomien und Adnexektomie/Ovarektomie links) mit. Zu einer Stellungnahme zur Gehfähigkeit/Bewegungsfähigkeit sah sie sich als Gynäkologin nicht in der Lage, verneinte jedoch, soweit gynäkologisch beurteilbar, die Frage zu den Voraussetzungen für das Merkzeichen „G“.
15 
Der Senat hat außerdem die Rentenakte der Klägerin bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg beigezogen und hieraus ärztliche Unterlagen in Kopie zur Akte genommen (Gutachten Dr. W. vom 12.01.2011, Diagnosen: rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, posttraumatische Belastungsstörung, Agoraphobie mit Panikstörung; Befundberichte Dr. E. vom 12.10.2010, Diagnose rezidivierende depressive Störung, und vom 24.08.2010, Diagnosen: schwere depressive Episode, Zustand nach posttraumatischer Belastungsstörung; Gutachten der Ärztlichen Untersuchungsstelle H. , Dr. Ba. , vom 30.03.2010, Diagnosen: chronifizierte therapieresistente rezidivierende depressive Störung, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, fragliche posttraumatische Belastungsstörung, rezidivierende Ovarialzysten und fragliche abdominelle Verwachsungen; Ärztlicher Entlassungsbericht des Therapiezentrums Bad R. vom 20.02.2008, Diagnosen: muskulär statische Rückenbeschwerden, chronische Unterbauchbeschwerden bei peritonealen Adhäsionen nach mehreren Unterbauchoperationen, posttraumatische Belastungsstörung; Gutachten des MDK vom 02.11.2007, Diagnosen: chronische Unterbauchbeschwerden bei peritonealen Adhäsionen nach mehreren Unterbauchoperationen, Darmresektion 1989, mehrfach Adhäsiolysen, Ovarektomie links, chronisch rezidivierende Ovarialzysten rechts, rezidivierendes Lumbalsyndrom, Hüftdysplasie beidseits, posttraumatische Belastungsstörung).
16 
Der Beklagte trat unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. R. vom 25.05.2011 und 21.12.2011 der Berufung weiter entgegen.
17 
Der Senat hat daraufhin das Gutachten des Arztes für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Schn. vom 18.06.2012 eingeholt. Dr. Schn. diagnostizierte bei der Klägerin eine emotional-instabile Persönlichkeitsstörung mit Borderline-Anteilen, eine somatoforme Störung mit vorwiegender Projektion auf das Abdomen bzw. das muskulo-skelettale System, anamnestisch posttraumatische Belastungsstörung, weitestgehend remittiert, anamnestisch depressives Syndrom, remittiert sowie eine Sehstörung, ein Wirbelsäulenleiden, eine Hüftdysplasie beidseits und Verwachsungsbeschwerden nach abdominellen und gynäkologischen Eingriffen. Er gelangte zusammenfassend zu der Beurteilung, die Angaben der Klägerin bei der Untersuchung zur Wegstrecke bzw. zum Spazierengehen hätten nicht authentisch gewirkt und seien eindeutig nicht mit dem körperlichen Status vereinbar. Entsprechendes gelte für die Angabe einer Kraftlosigkeit. Der internistische Untersuchungsbefund sei bis auf eine vermehrte Schmerzempfindlichkeit am Abdomen unauffällig. Bei der neurologischen Untersuchung habe sich intermittierend ein Verdeutlichungs- bzw. Aggravationsverhalten gezeigt. Der psychopathologische Befund sei im Wesentlichen unauffällig. Es hätten sich deutliche Hinweise auf Somatisierungstendenzen und auf eine emotional-instabile Persönlichkeitsstörung mit vor allem Borderline-Anteilen ergeben. Das EEG zeige einen Alpha-Grundrhythmus. Vigilanzschwankungen oder -minderungen lägen nicht vor. Die weiteren neurophysiologischen Untersuchungen seien unauffällig. Es ergebe sich kein Anhalt für eine Polyneuropathie. Aktuell habe sich kein Anhalt für eine manifeste depressive Symptomatik sowie für eine posttraumatische Belastungsstörung oder für eine generalisierte Angststörung ergeben. Bei der Klägerin ergäben sich an Behinderungen / Funktionsbeeinträchtigungen seelische Störungen und somatoforme Beschwerden (Teil-GdB 40), eine Sehbehinderung (Teil-GdB 20), Verwachsungsbeschwerden nach Bauchoperationen (Teil-GdB 20) sowie ein Wirbelsäulenleiden und Hüftdysplasie beidseits (Teil-GdB 20). Die Klägerin sei bei aller zumutbaren Willensanstrengung durch die genannten Behinderungen / Funktionseinbußen nicht gehindert, ohne erhebliche Schwierigkeiten und ohne Gefahren für sich oder andere die Wegstrecken im Ortsverkehr zu Fuß zurückzulegen, die heute noch üblicherweise gehend bewältigt werden (etwa zwei km in einer halben Stunde). Es bestünden keine Erkrankungen, die die Wegstrecke sozialmedizinisch relevant beschränkten.
18 
Die Beteiligten sind mit richterlicher Verfügung vom 07.08.2012 auf die Möglichkeit einer Entscheidung des Senats nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Äußerung erhalten. Die Beteiligten sind eine Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG nicht entgegen getreten.
19 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, die beigezogene Rentenakte der Klägerin sowie auf ein Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
II.
20 
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind mit richterlicher Verfügung vom 07.08.2012 auf die in Betracht kommende Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG sowie deren Voraussetzungen hingewiesen worden und haben Gelegenheit erhalten, zur Sache und zum beabsichtigen Verfahren Stellung zu nehmen.
21 
Der Senat hat den Berufungsantrag der Klägerin nach ihrem erkennbaren Begehren sachdienlich gefasst. Nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist der Bescheid des Beklagten vom 21.02.2006 in der Gestalt des Teilabhilfebescheids vom 15.01.2007 und der diese Bescheide betreffende Teil des Widerspruchsbescheids vom 16.04.2007 zur Neufeststellung des GdB mit 70. Hiergegen hat die Klägerin sich mit ihrer Klage nicht gewandt. Damit ist die Neufeststellung des GdB mit 70 bestandskräftig und nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites. Die Klägerin begehrt im vorliegenden Rechtsstreit nur, den Beklagten zu verurteilen, ihr - neben einem GdB von 70 zugleich auch - das Merkzeichen „G“ zuzuerkennen, wie sie in ihrer Klageschrift an das SG vom 04.05.2007 beantragt hat. Sie wendet sich damit zweifelsfrei nur gegen den Bescheid des Beklagten vom 17.01.2007 und den diesen Bescheid betreffenden Teil des Widerspruchsbescheids vom 16.04.2007. Dementsprechend hat der Senat den Berufungsantrag der Klägerin sachdienlich gefasst.
22 
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens „G“. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 17.01.2007 in der Gestalt des hierzu ergangenen Teils des Widerspruchsbescheids vom 16.04.2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
23 
Gemäß § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist erheblich beeinträchtigt nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
24 
Bis zum 31.12.2008 waren die „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). Die AHP besaßen zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhten. Sie waren vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirkten, und deshalb normähnliche Auswirkungen hatten. Auch waren sie im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (vgl. BSGE 72, 285, 286; BSG SozR 3-3870 a.a.O.).
25 
Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP die Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG (jetzt § 30 Abs. 16 BVG) zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB.
26 
Allerdings kann sich der Beklagte hinsichtlich der Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens „G“ nicht auf die VG (Teil D 1) berufen. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche durch Verordnung regeln zu können, enthalten weder § 30 Abs. 17 BVG (jetzt: Abs. 16), der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht im SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR-SozR 4/2009), noch andere Regelungen des BVG. Eine Rechtsgrundlage zum Erlass einer Verordnung über Nachteilsausgleiche ist auch nicht in den einschlägigen Vorschriften des SGB IX vorhanden. Die Regelungen der VG zum Nachteilsausgleich G sind damit mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile des Senats vom 23.07.2010 - L 8 SB 3119/08 – und vom 14.08.2009 - L 8 SB 1691/08 -, beide veröff. in juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de) und dem ebenfalls für Schwerbehindertenrecht zuständigen 6. Senat des LSG Baden-Württemberg (vgl. stellvertretend Urteil vom 04.11.2010 - L 6 SB 2556/09 -, unveröffentlicht; offen lassend der 3. Senat, vgl. Urteil vom 17.07.2012 - L 3 SB 523/12 - unveröffentlicht). Rechtsgrundlage sind daher allein die genannten gesetzlichen Bestimmungen und die hierzu in ständiger Rechtsprechung anzuwendenden Grundsätze.
27 
Das Tatbestandsmerkmal der im Ortsverkehr üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegten Wegstrecke des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nach ständiger Rechtsprechung der Sozialgerichte (grundlegend BSG Urt. vom 10.12.1987 - 9a RVs 11/87 -, SozR 3870 § 60 Nr. 2; BSG Urteil vom 13.08.1997 - 9 RVS 1/96 -, SozR 3 - 3870 § 60 Nr. 2) die Bewältigung von Wegstrecken von zwei km in einer halben Stunde ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall. Sowohl die Gesetzesmaterialien zur gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 58 Abs. 1 Satz 1 SchwbG 1979 als auch die AHP 1983 (Seite 123, 127f') enthielten keine Festlegung zur Konkretisierung des Begriffs der im Ortsverkehr üblichen Wegstrecke. Diese Festlegung geht auf eine in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis gegriffene Größe von zwei km zurück, die als allgemeine Tatsache, welche zur allgemeingültigen Auslegung der genannten Gesetzesvorschrift herangezogen wurde, durch verschiedene Studien (vgl. die Nachweise in BSG Urt. vom 10.12.1987 a.a.O.) bestätigt worden ist. Der außerdem hinzukommende Zeitfaktor enthält den in ständiger Rechtsprechung bestätigten Ansatz einer geringeren Durchschnittsgeschwindigkeit als die von fünf bis sechs km pro Stunde zu erwartende Gehgeschwindigkeit rüstiger Wanderer, da im Ortsverkehr in der Vergleichsgruppe auch langsam Gehende, die noch nicht so erheblich behindert sind wie die Schwerbehinderten, denen das Recht auf unentgeltliche Beförderung zukommt, zu berücksichtigen sind (vgl. BSG Urteil vom 10.12.1987, a.a.O.). Anhaltspunkte dafür, dass infolge des Zeitablaufs sich die Tatsachengrundlage geändert haben könnte, hat der Senat nicht. Der Senat legt daher in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt Urteil vom 20.04.2012 - L 8 SB 5315/11- , unveröffentlicht) diese Erkenntnisse weiter der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der ortsüblichen Wegstrecken i.S.v. § 146 Abs. 1 SGB IX zugrunde, auch wenn die entsprechenden Regelungen der VG zu dem Nachteilsausgleich „G“ unwirksam sind, wie oben ausgeführt (ebenso der 3. und 6. Senat des LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 17.07.2012 a.a.O. und vom 04.11.2010 a.a.O.).
28 
Hiervon ausgehend steht für den Senat fest, dass bei der Klägerin keine erhebliche Beeinträchtigung ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr im Sinne des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vorliegt. Die Klägerin ist durch die bei ihr bestehenden Gesundheitsstörungen nicht gehindert, Wegstrecken im Ortsverkehr - ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall - von maximal zwei km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten zu Fuß zurückzulegen. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat aufgrund des im Berufungsverfahren eingeholten Gutachtens des Dr. Schn. vom 18.06.2012 sowie den zu den Akten gelangten (zahlreichen) medizinischen Unterlagen einschließlich der im Rentenverfahren der Klägerin eingeholten Gutachten.
29 
Dass die Gehfähigkeit der Klägerin durch gynäkologische / abdominelle Beschwerden relevant herabgesetzt ist, wie sie geltend macht, steht zur Überzeugung des Senates nicht fest. Die Frauenärztin Dr. Ho. hat vielmehr in ihrer schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an den Senat vom 29.12.2010 - aus gynäkologischer Sicht - die Beweisfrage zum Vorliegen der Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens „G“ verneint. Auch sonst lassen sich den zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen keine Behinderungen der Klägerin entnehmen, die wegen gynäkologischer Leiden eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr plausibel machen. Dies gilt insbesondere auch für die von der Klägerin geklagten (Unter)Bauchschmerzen, die nach den Angaben der Klägerin im Rahmen der Begutachtung durch Dr. Schn. im Zusammenhang beim Stuhlgang oder langem sitzen auftreten. Dem entspricht auch die überzeugende Bewertung von Dr. Schn. in seinem Gutachten, der durch die abdominellen Beschwerden eine Einschränkung der Wegefähigkeit verneint hat, dem sich der Senat anschließt. Auch sonst ist der von Dr. Schn. bei der Begutachtung der Klägerin erhobene internistische Untersuchungsbefund - bis auf eine vermehrte Schmerzempfindlichkeit am Abdomen - unauffällig, wie Dr. Schn. in seinem Gutachten nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt hat. Der nicht näher begründeten abweichenden Ansicht von Dr. He. in seinem Attest vom 19.06.2007 kann im Hinblick auf den von Dr. Schn. erhobenen Befund wie auch den sonst zu den Akten gelangten diesbezüglichen medizinischen Befundunterlagen nicht gefolgt werden.
30 
Weiter bestehen bei der Klägerin hinsichtlich des Bewegungs- und Halteapparates (neurologisch und orthopädisch) keine Funktionsbeeinträchtigungen, die auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr schließen lassen. Dr. Schn. beschreibt in seinem Gutachten ein physiologisches Gangbild mit ausreichender Mitbewegung der oberen Extremitäten sowie regelgerechtem Abrollen der Fußsohlen. Muskelrelief und -tonus sind regelrecht. Ein Hinweis für latente oder manifeste Paresen an den Extremitäten besteht nicht. Alle Gelenke der oberen und insbesondere unteren Extremitäten der Klägerin sind aktiv und passiv beweglich. Für eine neurogene Gangstörung wie auch für das Vorliegen einer Polyneuropathie hat Dr. Schn. kein Anhalt gefunden. Weiter ist bei der Klägerin keine relevante neurologische Läsion zu objektivieren, wie Dr. Schn. in seinem Gutachten außerdem ausgeführt hat. Auch sonst hat Dr. Schn. keine motorische Störung festgestellt, die auf eine Herabsetzung der Gehfähigkeit der Klägerin schließen lässt. Vielmehr ergaben sich bei der Klägerin hinsichtlich des Bewegungs- und Halteapparates Hinweise auf eine Verdeutlichung/Aggravation. Auch Dr. L. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 05.12.2010 auf orthopädischem Gebiet liegende Gesundheitsstörungen und Behinderungen der Klägerin, die ihre Gehfähigkeit herabsetzen, insbesondere wegen der Hüftdysplasie beidseits, nicht beschrieben. Er hat vielmehr mitgeteilt, dass aus seiner Sicht eine psychisch bedingte Einschränkung der Bewegungsfähigkeit bestehe. Entsprechendes gilt für die schriftliche sachverständige Zeugenaussage des Dr. B. vom 12.12.2010, der zwar von einer erheblichen Einschränkung der Gehfähigkeit der Klägerin (Gehstrecke 200 m) ausgeht, die Ursache hierfür jedoch nicht in körperlich somatischen Befunden, sondern in einer psychiatrischen Erkrankung der Klägerin sieht. Auch sonst lässt sich den zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen eine auf orthopädischem Gebiet liegende Funktionsbehinderung, die eine erhebliche Einschränkung der Gehfähigkeit der Klägerin plausibel macht, nicht entnehmen.
31 
Weiter wird die Klägerin durch die (im Vordergrund stehende) seelische Störung und somatoforme Beschwerden in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht erheblich beeinträchtigt. Zwar bestehen bei der Klägerin nach dem nachvollziehbaren und plausiblen Gutachten von Dr. Schn. stärker behindernde Störungen mit einer wesentlich eingeschränkten Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit im Sinne der VG Teil B 3.7. Hierdurch wird die Klägerin jedoch nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. Schn. bei aller zumutbaren Willensanstrengung nicht gehindert, ohne erhebliche Schwierigkeiten oder ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr von etwa zwei km in 30 Minuten zu Fuß zurückzulegen. Dieser Bewertung schließt sich der Senat an. Befunde, die dafür sprechen, dass die Klägerin durch ihre psychische Störungen außer Stande ist, Wegstrecken von etwa zwei km in 30 Minuten zurückzulegen, lässt sich dem von Dr. Schn. erhobenen und in seinem Gutachten nachvollziehbar beschriebenen und psychopathologischen Befund, nicht entnehmen. Insbesondere hat Dr. Schn. eine Angststörung bei der Klägerin nicht festgestellt.
32 
Der abweichenden Ansicht von Dr. B. und Dr. L. in ihren schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen folgt der Senat nicht. Dr. B. stützt seine Ansicht auf die Beschwerdeangaben der Klägerin. Nach den überzeugenden Ausführungen durch Dr. Schn. in seinem Gutachten wirken die Angaben der Klägerin zur Wegstrecke bzw. zum Spazierengehen jedoch nicht authentisch und sind auch nicht mit ihrem körperlichen Status zu vereinbaren. Eigene Befunderhebungen zur Gehfähigkeit der Klägerin beschreibt Dr. B. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage hingegen nicht, weshalb seine Ansicht, auf die sich die Klägerin beruft, nicht nachvollziehbar ist, wie auch Dr. Schn. in seinem Gutachten überzeugend ausgeführt hat. Dr. L. hat seine Ansicht nicht näher begründet und im Übrigen eine erhebliche Einschränkung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr der Klägerin nicht bestätigt („Wenn das so ist, dann aus psychischer Ursache.“).
33 
Danach bedarf es keiner Entscheidung durch den Senat, zu der Frage, ob psychische Erkrankungen (generell) geeignet sind, die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ zu begründen (verneinend LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 12.10.2011 - 6 SB 3032/11-, juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de).
34 
Insgesamt bestehen bei der Klägerin zur Überzeugung des Senats keine Erkrankungen, wie Paresen an den unteren Extremitäten, eine schwere arterielle Verschlusskrankheit, eine dekompensierte Herzinsuffizienz, orthopädische Erkrankungen oder eine andere schwere Zwangs- oder Angsterkrankung, die ihre Gehfähigkeit relevant beschränken, wie Dr. Schn. in seinem Gutachten überzeugend dargelegt hat. Dem entsprechen auch die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen einschließlich der im Rentenverfahren der Klägerin eingeholten Gutachten, wie zudem Dr. R. in seinen versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom 25.05.2011 und 21.12.2011 nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt hat, dem sich der Senat ebenfalls anschließt. Auch ein Anfallsleiden oder Störungen der Orientierungsfähigkeit sind nicht ersichtlich und werden von der Klägerin im Übrigen auch nicht geltend gemacht.
35 
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Für den Senat ist der entscheidungsrelevante Sachverhalt durch die im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen und die zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen geklärt. Neue Gesichtspunkte, die Anlass für weitere Ermittlungen geben, hat die Klägerin im Verlauf des Berufungsverfahrens nicht aufgezeigt.
36 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
37 
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung*als deren Bestandteil festgelegt.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 4. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe

 
I
Der Kläger begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) und der Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich „erhebliche Beeinträchtigung der Gehfähigkeit“ (G).
Mit Bescheid vom 28.01.2004 hatte das Landratsamt Freiburg den GdB des 1958 geborenen Klägers unter Zugrundelegung der versorgungsärztlichen Stellungnahme der Dr. L. vom 20.01.2004, in der diese als Behinderungen eine seelische Krankheit mit multiplen Organbeschwerden (Einzel-GdB 80) sowie eine Arthrose der Kniegelenke (Einzel-GdB 10) berücksichtigte und den Gesamt-GdB mit 80 einschätzte, mit 80 seit 29.07.2003 festgestellt. Ferner hatte das Landratsamt mit Bescheid vom 22.06.2006 unter Zugrundelegung der versorgungsärztlichen Stellungnahme der Dr. M. vom 24.05.2006, in der diese hinsichtlich des GdB an der bisherigen versorgungsärztlichen GdB-Beurteilung festhielt, die Voraussetzungen für das Merkzeichen „Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht“ (RF) festgestellt.
Der Kläger beantragte am 28.05.2008 die Neufeststellung des GdB sowie die Feststellung der Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G. Das Landratsamt holte den Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. O. vom 09.06.2008 (Verdacht auf funikuläre Myelose mit Tetrasymptomatik bei leicht ataktischem Gangbild und mäßigem ungerichtetem Schwanken) ein. Dr. F. hielt in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 25.06.2008 an der bisherigen versorgungsärztlichen Beurteilung fest (wegen der bloßen Verdachtsdiagnose, die vor einem Jahr gestellt worden sei, habe keine Therapie durchgeführt werden müssen).
Mit Bescheid vom 30.06.2008 lehnte das Landratsamt die Neufeststellung des GdB sowie die Feststellung der Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs G ab.
Hiergegen legte der Kläger am 02.08.2008 Widerspruch ein. Die Ärztin K. hielt in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.09.2008 an der bisherigen versorgungsärztlichen Beurteilung fest, da nur gut therapierbare Gefühlsstörungen der Extremitäten objektiviert werden könnten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2008 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 21.11.2008 Klage beim Sozialgericht Freiburg erhoben.
Das Sozialgericht hat den Radiologen Dr. Z. am 14.01.2009, den Internisten und Nephrologen Dr. Sch. am 15.01.2009 sowie Dr. O. am 19.01.2009 schriftlich als sachverständige Zeugen angehört und Arztbriefe der den Kläger behandelnden Ärzte beigezogen. Dr. Z. hat ausgeführt, kernspintomographisch hätten sich am 31.05.2007 für eine funikuläre Myelose, die bei rechtzeitiger und adäquater Substitution des Vitamin-B-12-Mangels reversibel sei, charakteristische Befunde ergeben. Dr. Sch. hat dargelegt, er habe bei der einmaligen Untersuchung am 10.09.2008 eine normale exkretorische Nierenfunktion mit diskret erhöhter Eiweißausscheidung sowie eine arterielle Hypertonie festgestellt, worin jeweils keine Behinderungen zu sehen seien. Dr. O. hat ausgeführt, er gehe aufgrund seiner Untersuchungen am 29.05.2007 und 31.05.2007 und des kernspintomographischen Befundes von einer zervikalen Manifestation einer funikulären Myelose sowie nebenbefundlich von einer sensibel-demyelisierenden Polyneuropathie aus. Der angemeldeten Untersuchung in der Universitätsklinik Freiburg sei der Kläger nicht nachgekommen.
Dr. B. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15.04.2009 dargelegt, es bleibe bei der bisherigen versorgungsärztlichen Beurteilung.
10 
Das Sozialgericht hat von Amts wegen das Gutachten des Neurologen Dr. C. vom 21.08.2009 eingeholt. Der Sachverständige hat zusammenfassend ausgeführt, mit der mit einem Einzel-GdB von 80 im oberen Ermessensspielraum bewerteten Zwangs- und Somatisierungsstörung sowie der mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewertenden leichtgradigen Polyneuropathie liege ein Gesamt-GdB von 80 vor. Ferner liege eine multifaktorielle Gangstörung vor. Das Gangbild sei aber ausreichend sicher. Es träten keine Gefahren oder erhebliche Schwierigkeiten beim Zurücklegen von Wegstrecken im Ortsverkehr zu Fuß auf. Er halte aber den Kläger nicht für in der Lage, eine Strecke von zwei Kilometern innerhalb von 30 Minuten zurückzulegen. Dies hat der Sachverständige mit dem verlangsamten Gangbild und der verminderten Ausdauer beim Gehen begründet. Die Gehfähigkeit werde durch die funikuläre Myelose, das ausgeprägte Übergewicht, die Schmerzen der Extremitäten, die Somatisierungsstörung und die Zwangsstörung beeinträchtigt, wobei die psychogene beziehungsweise funktionelle Komponente nicht hinreichend willentlich überwindbar sei.
11 
Dr. S. ist in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23.12.2009 der GdB-Bewertung des Sachverständigen gefolgt, hat aber die Ansicht vertreten, es sei weder eine erhebliche psychogene Gangstörung noch eine Behinderung der unteren Extremitäten und der Lendenwirbelsäule mit einem GdB von wenigstens 40 bis 50 nachgewiesen, so dass die Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs G nicht erfüllt seien.
12 
Dr. C. hat in seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 05.03.2010 dargelegt, in der gutachtlichen Untersuchung seien ein verlangsamtes und schwerfälliges Gangbild mit Gehhilfe sowie eine Unsicherheit in den Gangprüfungen festgestellt worden. Er habe eine wesentliche funktionelle Überlagerung angenommen. Als objektive Parameter lägen die pathologischen Befunde der sensiblen Nervenleitgeschwindigkeit und der somatosensibel evozierten Potentiale vor. Er halte daher daran fest, dass der Kläger nicht in der Lage sei, eine Strecke von zwei Kilometern innerhalb von 30 Minuten zurückzulegen.
13 
Dr. W. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.06.2010 ausgeführt, bei der Beurteilung des Dr. C. handle es sich um eine subjektive Einschätzung. Im Interesse einer Gleichbehandlung aller behinderten Menschen könnten aber nur objektive Beurteilungskriterien zu Grunde gelegt werden. Bei Anlegung eines objektiven Maßstabes könne vorliegend nicht der Nachweis geführt werden, dass der Kläger nicht in der Lage sei, eine Wegstrecke von zwei Kilometern in 30 Minuten in zumutbarer Weise zurückzulegen.
14 
Mit Urteil vom 04.05.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Nach dem insoweit überzeugenden Gutachten des Dr. C. sei die Zwangskrankheit mit sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem Einzel-GdB von 80 sowie die funikuläre Myelose mit einem Einzel-GdB von 20 und mithin der Gesamt-GdB mit 80 zu beurteilen. Eindeutig im Vordergrund der Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers stehe die seelische Störung. Die Funktionsbeeinträchtigungen durch die hinzugetretene funikuläre Myelose fielen im Vergleich hierzu so gering ins Gewicht, dass eine Erhöhung des Gesamt-GdB nicht gerechtfertigt erscheine. Die Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs G seien nicht gegeben. Der Kläger sei in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr nicht in Folge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens beeinträchtigt. Das Gehvermögen des Klägers, also die organisch bedingte Fähigkeit, Wege in dem geforderten Umfang zurückzulegen, sei nicht in einem Maße eingeschränkt, die den in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) genannten Regelbeispielen entspreche. Die tatsächlichen organischen Beschwerden des Klägers in Form einer Kniearthrose und einer funikulären Myelose seien in dem Ausmaß der daraus resultierenden Beeinträchtigungen nicht mit den in den VG genannten Regelbeispielen vergleichbar. Vielmehr ergebe sich die Beeinträchtigung des Klägers maßgeblich aus einer Zwangskrankheit. Er verlasse wegen dieser Krankheit nur noch selten das Haus. Sei jedoch die Bewegungsfähigkeit nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens, sondern aus anderen, insbesondere psychischen Gründen beeinträchtigt, so könne dies nicht zur Zuerkennung des Merkzeichens G führen.
15 
Gegen das seiner Prozessbevollmächtigten am 08.06.2011 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat der Kläger am 05.07.2011 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung ausgeführt, alleine die Zwangserkrankung sei mit einem Einzel-GdB von 100 zu bewerten. Wegen seiner Zwangserkrankung habe er auch die funikuläre Myelose nicht adäquat behandeln lassen können. Ferner sei die Autoimmungastritis bislang nicht ausreichend gewürdigt worden, obwohl diese Erkrankung die funikuläre Myelose ausgelöst habe und Ursache für häufige Magenschmerzen sei. Auch sei die Hypertonie nicht mit einem Einzel-GdB bewertet worden. Des Weiteren hat er ausgeführt, er habe dem Sachverständigen wenig über seine Zwänge, die ihn am Verlassen der Wohnung hinderten, berichtet. Seiner Computertätigkeit komme er im Übrigen nur nachts nach, wenn er nicht schlafen könne. Die von ihm betriebene Presseagentur sei nur ein Hobby von ihm. Er sitze in seinem Zimmer immer am gleichen Platz und sei von seinen Zwängen gefangen. Er leide dauernd unter starkem Schwitzen und er rieche sehr sauer. Er sei auch wegen seiner Kniearthrose, seiner Gangunsicherheit, seinen starken Rückenschmerzen und seiner Kurzatmigkeit in seiner Bewegungsfähigkeit erheblich eingeschränkt. Der Kläger hat neben anderen Unterlagen das Attest des Allgemeinmediziners Schirmer vom 17.05.2011 (rezidivierende Lumbalgien, arterielle Hypertonie, Adipositas, Hyperurikämie und Gichtanfall, Unterschenkelödeme, Zwangserkrankung) vorgelegt.
16 
Der Kläger beantragt sinngemäß,
17 
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 4. Mai 2011 sowie den Bescheid des Beklagten vom 30. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 28. Januar 2004 abzuändern sowie den Grad der Behinderung mit 100 und die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich „erhebliche Beeinträchtigung der Gehfähigkeit“ seit 28. Mai 2008 festzustellen.
18 
Der Beklagte beantragt,
19 
die Berufung zurückzuweisen.
20 
Er hat zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe Sachargumente, die eine abweichende Beurteilung begründen könnten, nicht dargelegt. Insbesondere stelle nicht jede ärztliche Diagnose eine sich auf den Gesamt-GdB auswirkende Gesundheitsstörung dar. Auch seien die Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs G zu Recht verneint worden.
21 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
22 
Der Senat entscheidet gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
23 
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.
24 
Das Sozialgericht hat mit zutreffender Begründung dargelegt, dass der GdB des Klägers nicht mehr als 80 beträgt und eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen im Vergleich zu denen, die bei der Bewertung im Bescheid vom 28.01.2004 vorlagen, nicht eingetreten ist. Es hat ferner zu Recht entschieden, dass die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G nicht vorliegen.
25 
Maßgebliche Rechtsgrundlage für eine Aufhebung von Verwaltungsakten wegen einer Verschlimmerung des Gesundheitszustandes ist § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X).
26 
Die Beurteilung des GdB und die Feststellung der Voraussetzungen von Nachteilsausgleichen richtet sich nach den Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).
27 
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden, wenn neben dem Vorliegen einer Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind, die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die gesundheitlichen Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX). Die Feststellung des GdB und der Voraussetzungen für Nachteilsausgleiche ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei ist die seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008“ (AHP) getretene Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden.
28 
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 80.
29 
Für das Funktionssystem Psyche einschließlich Gehirn beträgt der Einzel-GdB 80.
30 
1.1 Der Kläger leidet nach dem Gutachten des Dr. C. auf psychiatrischem Fachgebiet im Wesentlichen an einer Zwangs- und Somatisierungsstörung. Nach Teil B, Nr. 3.7 VG (Teil A, Nr. 26.3 AHP) beträgt bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (beispielsweise ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB 30 bis 40 sowie bei schweren Störungen (beispielsweise schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB 80 bis 100. Vorliegend erreicht die seelische Erkrankung des Klägers zwar einen Schweregrad, der die Annahme einer schweren Störung mit schweren sozialen Anpassungsstörungen rechtfertigt. Allerdings ist der Senat nach den Ausführungen des Sachverständigen davon überzeugt, dass die Funktionsstörungen des Klägers nur mit einem im unteren Bereich des GdB-Rahmens zwischen 80 und 100 liegenden Wert zu beurteilen sind. Der Kläger hat im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung lediglich angegeben, alle zwei Wochen an Kontrollzwängen zu leiden, und ferner ausgeführt, er habe derzeit seine Zwangserkrankung unter Kontrolle. In Anbetracht dessen und des Umstandes, dass der Kläger keine fachärztliche psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nimmt (so Urteil LSG Baden-Württemberg vom 17.12.2010 - L 8 SB 1549/10), keine medikamentöse Therapie durchführt, sondern sich allein mit Meditieren behilft, kann sich der Senat nicht von einer einen höheren Einzel-GdB rechtfertigenden Verschlimmerung des seelischen Gesundheitszustandes des Klägers überzeugen. Das gilt umso mehr, als der Kläger eine feste Beziehung hat, nach eigenen Angaben in der Lage ist, nachts an seinem Computer zu arbeiten, und in der gutachterlichen Untersuchung Auffassung, Konzentration, Merkfähigkeit und Gedächtnis nicht beeinträchtigt gewesen sind sowie das Stimmungsbild als ausgeglichen und nicht depressiv herabgesetzt beschrieben worden ist.
31 
Nichts anderes ergibt sich aus der von Dr. C. festgestellten funikulären Myelose und Polyneuropathie. Während die VG für die funikuläre Myelose keine GdB-Kriterien enthalten, ergeben sich nach den VG, Teil B, Nr. 3.11 (Teil A, Nr. 26.3 AHP) bei den Polyneuropathien die Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund motorischer Ausfälle (mit Muskelatrophien), sensibler Störungen oder Kombinationen von beiden, wobei der GdB motorischer Ausfälle in Analogie zu peripheren Nervenschäden einzuschätzen ist. Zwar hat der Kläger in der gutachterlichen Untersuchung Taubheitsgefühle und Kribbelmissempfindungen angegeben und hat Dr. C. einerseits ein verlangsamtes, schwerfälliges und hinkendes Gangbild beschrieben sowie durch elektrophysiologische Untersuchungen eine linksbetonte Verzögerung der sensibel evozierten Potentiale und eine geringgradig verlangsamte Nervenleitgeschwindigkeit nachgewiesen. Die gutachterliche Untersuchung hat aber zum einen regelrecht tastbare Fußpulse ergeben. Zum anderen sind Kopf und Hals frei beweglich gewesen und sind in Bezug auf die Motorik manifeste Paresen oder muskuläre Atrophien bei einem allseits regelgerechten Muskeltonus nicht festgestellt worden. Ferner sind die Reflexe auslösbar gewesen, haben sich keine Pyramidenbahnzeichen gefunden und sind die sensiblen Empfindungsqualitäten nicht pathologisch gewesen. Zutreffend hat daher Dr. C. die funikuläre Myelose und die Polyneuropathie als lediglich leichtgradig eingeschätzt.
32 
Mithin beträgt der Einzel-GdB für das Funktionssystem Psyche einschließlich Gehirn wegen der Zwangs- und Somatisierungsstörung bei integrierender Berücksichtigung der funikulären Myelose und der Polyneuropathie nicht mehr als 80.
33 
1.2 Für das Funktionssystem Beine beträgt der Einzel-GdB 10.
34 
Der Kläger leidet an einer Kniegelenksarthrose. Nach den VG, Teil B, Nr. 18.14 (Teil A, Nr. 26.18 AHP) beträgt bei einer einseitigen Bewegungseinschränkung im Kniegelenk geringen Grades (beispielsweise Streckung/Beugung bis 0/0/90 Grad) der GdB 0 bis 10, mittleren Grades (beispielsweise Streckung/Beugung 0/10/90 Grad) der GdB 20 und stärkeren Grades (beispielsweise Streckung/Beugung 0/30/90 Grad) der GdB 30 sowie beträgt bei einseitigen ausgeprägten Knorpelschäden der Kniegelenke (beispielsweise Chondromalacia patellae Stadium II bis IV) mit anhaltenden Reizerscheinungen ohne Bewegungseinschränkung der GdB 10 bis 30 und mit Bewegungseinschränkung der GdB 20 bis 40. Vorliegend rechtfertigen die aktenkundigen Befunde für das Funktionssystem Beine keinen höheren GdB als 10. Eine einen höheren GdB rechtfertigende Funktionseinschränkung ist nicht dokumentiert. Die durch die funikuläre Myelose und Polyneuropathie hervorgerufene Gangunsicherheit ist bereits bei der Bewertung des Einzel-GdB für das Funktionssystem Psyche einschließlich Gehirn berücksichtigt worden.
35 
1.3 Die weiteren von Dr. C. beschrieben Gesundheitsveränderungen wie die Mykose und die Unterschenkelschwellung links mit Hautrötung bedingen ebenso wenig wie die vom Kläger angegebene Autoimmungastritis GdB-relevante Funktionsbeeinträchtigungen. Objektive Befunde, die derartige Funktionseinschränkungen belegen würden, liegen nicht vor.
36 
1.4 Unter Berücksichtigung der dargelegten Einzel-GdB-Werte (Einzel-GdB 80 für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche, Einzel-GdB 10 für das Funktionssystem Beine) beträgt der Gesamt-GdB nicht mehr als 80. Wegen der Überschneidung der Auswirkungen der Behinderungen auf psychiatrischem und orthopädischem Fachgebiet hat der Senat davon abgesehen, wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen im orthopädischen Bereich dem GdB von 80 für das Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche weitere GdB-Punkte hinzuzufügen.
37 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung der Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G.
38 
Zu den gesundheitlichen Merkmalen im Sinne des § 69 Abs. 5 SGB IX gehört die erhebliche Beeinträchtigung im Straßenverkehr. Schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, werden von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert (§ 145 Abs. 1 SGB IX). In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden (§ 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).
39 
Als solchermaßen üblich sind - ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall - Wegstrecken von bis zu zwei Kilometern mit einer Gehdauer von etwa 30 Minuten anzusehen (BSG, Urteil vom 10.12.1987 - 9a RVs 11/87; BSG, Urteil vom 13.08.1997 - 9 RVS 1/96). Den VG lassen sich im Ergebnis keine weiteren Beurteilungskriterien für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des begehrten Nachteilsausgleichs entnehmen. Denn die VG sind hinsichtlich der getroffenen Regelungen für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche G, „Berechtigung für eine ständige Begleitung“ (B), „außergewöhnliche Gehbehinderung“ (aG), „Gehörlosigkeit“ (Gl) und „Blindheit“ (Bl) unwirksam, da es insoweit an einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung fehlt. Eine solche Ermächtigung findet sich nämlich - mit Ausnahme des Nachteilsausgleichs „Hilflosigkeit“ (H) - weder in § 30 Abs. 17 BVG, noch in sonstigen Regelungen des BVG oder des SGB IX (Urteil des Senats vom 04.11.2010 - L 6 SB 2556/09 - unter Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 14.08.2009 - L 8 SB 1691/08 - und 24.09.2010 - L 8 SB 4533/09; Dau, jurisPR-SozR 4/2009, Anm. 4; so zuletzt auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.05.2011 - L 8 SB 2294/10).
40 
An einer danach den Nachteilsausgleich G rechtfertigenden Einschränkung der Gehfähigkeit leidet der Kläger nicht.
41 
Zwar liegt beim Kläger nach dem Gutachten des Dr. C. eine Beeinträchtigung der Gehfähigkeit vor. Diese erreicht aber im Gegensatz zu dessen Einschätzung noch nicht ein solches Maß, dass der Kläger wegen der bei der Prüfung des Merkzeichens G zu berücksichtigenden Gesundheitsstörungen nicht mehr in der Lage wäre, ohne erhebliche Schwierigkeiten oder ohne Gefahren für sich oder andere eine Wegstrecke von etwa zwei Kilometern in einer Zeit von 30 Minuten zu Fuß zurücklegen. Die Einschätzung des Dr. C., der Kläger erfülle die Voraussetzungen des Merkzeichens G, ist nicht zutreffend. Vielmehr folgt der Senat den gegenteiligen Beurteilungen durch Dres. S. und W. in ihren versorgungsärztlichen Stellungnahmen.
42 
Soweit der Kläger geltend macht, er erfülle die Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches G, ist darauf hinzuweisen, dass die beim Kläger diagnostizierten Funktionsstörungen, die sich auf sein Gehvermögen auswirken können, mit seiner Beschwerdeangabe nicht in Einklang zu bringen sind. Sie sind nicht so schwerwiegend, dass die zu beachtenden Beurteilungskriterien als erfüllt angesehen werden können. Ein GdB-relevantes Lendenwirbelsäulenleiden liegt nicht vor und für das Funktionssystem Beine beträgt der Einzel-GdB allenfalls 10. Auch die durch die funikuläre Myelose und die Polyneuropathie bedingte Gehbeeinträchtigung rechtfertigt nicht die Annahme, der Kläger sei nicht mehr in der Lage, zwei Kilometer innerhalb von 30 Minuten zurückzulegen. Durch diese Erkrankungen erklären sich allenfalls die vom Kläger in der gutachterlichen Untersuchung angegebenen Taubheitsgefühle und Kribbelmissempfindungen, aber nicht das von Dr. C. beschriebene verlangsamte, schwerfällige und hinkende Gangbild. Denn der Sachverständige hat in Bezug auf die Motorik keine manifesten Paresen oder muskulären Atrophien bei einem allseits regelgerechten Muskeltonus festgestellt. Ferner sind die Reflexe auslösbar gewesen, haben sich keine Pyramidenbahnzeichen gefunden und sind die sensiblen Empfindungsqualitäten nicht pathologisch gewesen. Zutreffend hat daher Dr. C. die funikuläre Myelose und die Polyneuropathie als lediglich leichtgradig eingeschätzt. Mithin ist der Senat der Überzeugung, dass die vom Kläger berichtete Gehbeeinträchtigung allenfalls seelischer Natur ist, zumal Dr. C. dargelegt hat, dass vorliegend für die Beeinflussung der Gehfähigkeit der funikulären Myelose nur ein nachgeordneter Anteil zukommt und in diesem Zusammenhang auf die Schmerzempfindung des Klägers und dessen Zwangsstörung hinzuweisen ist.
43 
Die aus dem seelischen Leiden resultierenden Gehbeeinträchtigungen rechtfertigen ebenfalls nicht die Feststellung der Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs G. Zwar ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das menschliche Gehvermögen keine statische Messgröße ist, sondern von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert wird. Darunter sind neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also Körperbau und etwaige Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens (ökonomische Beanspruchung der Muskulatur, Gehtempo und Rhythmus) sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, zu nennen. Von diesen Faktoren sind all jene heraus zu filtern, die nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des schwerbehinderten Menschen im Straßenverkehr nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung seines Gehvermögens, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.09.2010 - L 11 SB 77/07 - unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 7/06 R). Dies zugrunde gelegt erfüllt der Kläger nicht die Voraussetzungen für die Anerkennung des Merkzeichens G. Denn die bei ihm beschriebenen psychischen Störungen sind nicht mit den in § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX genannten Behinderungen vergleichbar. Seine Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung seines Gehvermögens, sondern aus anderen - nicht zu berücksichtigenden - Gründen beeinträchtigt. Die Zwangs- und Somatisierungsstörung, die den Kläger im Wesentlichen daran hindert, sein Haus zu verlassen und längere Gehstrecken zurückzulegen, ist nicht mit den in § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX genannten Anfällen oder Störungen der Orientierungsfähigkeit vergleichbar. Mit diesen Anfällen und Störungen sind nur hirnorganische Anfälle, insbesondere epileptische Anfälle, aber auch hypoglykämische Schocks bei Zuckerkranken gemeint, also solche Anfälle, die mit Bewusstseinsverlust und Sturzgefahr verbunden sind (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.09.2010 - L 11 SB 77/07 - unter Hinweis auf BSG, Beschluss vom 10.05.1994 - 9 BVs 45/93). Solche Funktionsbeeinträchtigungen bestehen im vorliegenden Fall aber nicht. Vielmehr beruht die vom Kläger berichtete Gehbeeinträchtigung auf der Zwangs- und Somatisierungsstörung und daher nicht unabhängig vom Bewusstsein des Klägers. Eine Berücksichtigung dieser psychischen Erkrankung des Klägers im Rahmen der Prüfung des Merkzeichens G kommt aber nicht in Frage. Denn die Bewegungsfähigkeit des Klägers im Straßenverkehr ist nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung seines Gehvermögens, sondern aus anderen Gründen beeinträchtigt. Das Gehvermögen des Klägers, also die organisch bedingte Fähigkeit, Wege in dem geforderten Umfang zurückzulegen, ist nämlich nicht eingeschränkt. Dies ergibt sich aus dem im Gutachten des Dr. C. beschriebenen Untersuchungsbefund, der keine wesentlichen Bewegungseinschränkungen, sondern lediglich die durch die leichtgradige funikuläre Myelose und die leichtgradige Polyneuropathie erklärbaren Taubheitsgefühle und Kribbelmissempfindungen ergeben hat. Die Fälle der die Fortbewegungsfähigkeit beeinträchtigenden Gründe, welche bei der Zuerkennung des Merkzeichens G einbezogen werden dürfen, sind aber abschließend geregelt. Hierzu gehören - wie oben bereits dargelegt - lediglich Anfälle und Störungen der Orientierungsfähigkeit. Als nicht in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt gelten daher psychisch erkrankte Personen, deren Leiden nur mit sonstigen Beeinträchtigungen oder Störungen einhergehen, wie etwa Verstimmungen, Antriebsminderung und Angstzuständen. Eine Abweichung von der Regelung des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist nicht möglich, weil der Gesetzgeber auch in Kenntnis der Rechtsprechung des BSG und der AHP sowie VG keine andere Regelung der Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs G getroffen hat (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.09.2010 - L 11 SB 77/07 - unter Hinweis auf BSG, Beschluss vom 10.05.1994 - 9 BVs 45/93).
44 
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
45 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
46 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

(1) Die Berechnungsgrundlage, die dem Krankengeld, dem Versorgungskrankengeld, dem Verletztengeld und dem Übergangsgeld zugrunde liegt, wird jeweils nach Ablauf eines Jahres ab dem Ende des Bemessungszeitraums an die Entwicklung der Bruttoarbeitsentgelte angepasst und zwar entsprechend der Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 Satz 1 des Sechsten Buches) vom vorvergangenen zum vergangenen Kalenderjahr.

(2) Der Anpassungsfaktor wird errechnet, indem die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer für das vergangene Kalenderjahr durch die entsprechenden Bruttolöhne und -gehälter für das vorvergangene Kalenderjahr geteilt werden; § 68 Absatz 7 und § 121 Absatz 1 des Sechsten Buches gelten entsprechend.

(3) Eine Anpassung nach Absatz 1 erfolgt, wenn der nach Absatz 2 berechnete Anpassungsfaktor den Wert 1,0000 überschreitet.

(4) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gibt jeweils zum 30. Juni eines Kalenderjahres den Anpassungsfaktor, der für die folgenden zwölf Monate maßgebend ist, im Bundesanzeiger bekannt.

(1) Die Bundesagentur für Arbeit kann die Anrechnung eines schwerbehinderten Menschen, besonders eines schwerbehinderten Menschen im Sinne des § 155 Absatz 1 auf mehr als einen Pflichtarbeitsplatz, höchstens drei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen zulassen, wenn dessen Teilhabe am Arbeitsleben auf besondere Schwierigkeiten stößt. Satz 1 gilt auch für schwerbehinderte Menschen im Anschluss an eine Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen und für teilzeitbeschäftigte schwerbehinderte Menschen im Sinne des § 158 Absatz 2.

(2) Ein schwerbehinderter Mensch, der beruflich ausgebildet wird, wird auf zwei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen angerechnet. Satz 1 gilt auch während der Zeit einer Ausbildung im Sinne des § 51 Absatz 2, die in einem Betrieb oder einer Dienststelle durchgeführt wird. Die Bundesagentur für Arbeit kann die Anrechnung auf drei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen zulassen, wenn die Vermittlung in eine berufliche Ausbildungsstelle wegen Art oder Schwere der Behinderung auf besondere Schwierigkeiten stößt. Bei Übernahme in ein Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis durch den ausbildenden oder einen anderen Arbeitgeber im Anschluss an eine abgeschlossene Ausbildung wird der schwerbehinderte Mensch im ersten Jahr der Beschäftigung auf zwei Pflichtarbeitsplätze angerechnet; Absatz 1 bleibt unberührt.

(3) Bescheide über die Anrechnung eines schwerbehinderten Menschen auf mehr als drei Pflichtarbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen, die vor dem 1. August 1986 erlassen worden sind, gelten fort.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

Für Empfänger einer Pflegezulage nach § 35 und für Beschädigte, deren Grad der Schädigungsfolgen allein wegen Tuberkulose oder Gesichtsentstellung wenigstens 50 beträgt, sowie für Hirnbeschädigte haben die Hauptfürsorgestellen die Leistungen der Kriegsopferfürsorge unter Beachtung einer wirksamen Sonderfürsorge zu erbringen.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 13. April 2010 aufgehoben, soweit es die Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen RF betrifft.

In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt im Wege eines Überprüfungsantrags nach § 44 SGB X die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht", also die Zuerkennung des Merkzeichens RF.

2

Bei dem 1973 geborenen Kläger wurde durch Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung München II/Außenstelle Regensburg - Versorgungsamt - vom 5.1.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bayerischen Landesamtes für Versorgung und Familienförderung - Landesversorgungsamt - vom 18.2.2005 ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 festgestellt. Darüber hinaus enthält dieser Verwaltungsakt die Aussage, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen B, G, aG, Bl, H, RF, Gl, 1. Kl. nicht vorliegen. Nach seinem Umzug nach Schleswig-Holstein bat der Kläger das dortige Landesamt für soziale Dienste im Juli 2005 um eine Überprüfung dieser Feststellungen. Mit Bescheid vom 23.9.2005 lehnte dieses Amt eine Neufeststellung nach § 44 Abs 2 SGB X ab. Den Widerspruchsbescheid vom 1.2.2006 stützte es auch auf § 48 SGB X. Am 12.4.2006 beantragte der Kläger erneut eine Überprüfung, die vom beklagten Land durch Bescheid vom 17.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.7.2006 abgelehnt wurde.

3

Der sodann vom Kläger erhobenen, auf Feststellung eines GdB von 80 und der Voraussetzungen für das Merkzeichen RF gerichteten Klage hat das Sozialgericht Itzehoe (SG) - nach Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens vom 18.6.2007 sowie weiterer Stellungnahmen vom 25.10.2007 und 13.10.2008 des Sachverständigen Dr. S. durch Urteil vom 17.10.2008 insoweit stattgegeben, als der Beklagte verpflichtet worden ist, die bei dem Kläger vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen ab 12.4.2006 mit einem GdB von 70 zu bewerten. Im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen. Die dagegen vom Kläger eingelegte Berufung ist vom Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht (LSG) im Wesentlichen mit folgender Begründung zurückgewiesen worden (Urteil vom 13.4.2010):

4

Das Gutachten des Sachverständigen Dr. S., auf dessen Grundlage das SG den GdB des Klägers mit 70 bewertet habe, sei in jeder Hinsicht nachvollziehbar. Es bestehe kein Zweifel daran, dass bei dem Kläger infolge seiner Erkrankung mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten bestünden, da er nicht über hinreichende Anpassungsmöglichkeiten verfüge, um beruflich eingegliedert werden zu können, und zudem auch weitgehend in seinen sozialen Kontakten eingeschränkt sei. Andererseits überzeuge es, wenn der Sachverständige gleichwohl schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten verneine, weil der Kläger noch zu einer selbstständigen Lebensführung in der Lage sei.

5

Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs RF. Anspruchsgrundlage hierfür sei § 69 Abs 4 SGB IX iVm § 3 Abs 1 Nr 5 Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV). Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats sei die einschlägige landesrechtliche Vorschrift Art 5 § 6 Abs 1 Nr 6 bis 8 Achter Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 15.10.2004 (Achter Rundfunkänderungsstaatsvertrag - RdFunkÄndVtr8) in der Fassung des Schleswig-Holsteinischen Gesetzes zum RdFunkÄndVtr8 (RdFunkVtr8ÄndG SH) vom 3.1.2005 (GVBl S 14), mit dessen Inkrafttreten zum 1.4.2005 die Rundfunkgebührenbefreiungsverordnungen der Länder außer Kraft getreten seien. Dabei seien die rechtlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs RF jedoch gleich geblieben. Befreit würden danach unter anderem behinderte Menschen, deren GdB nicht nur vorübergehend wenigstens 80 betrage und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen könnten.

6

Soweit die einschlägige Regelung die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs RF von einem Mindest-GdB von 80 abhängig mache, verstoße sie nicht gegen höherrangiges Recht. Dies gelte insbesondere auch, soweit sie im Einzelfall dazu führe, dass der Nachteilsausgleich nicht zuerkannt werden könne, obwohl die weiteren Voraussetzungen hierfür vorlägen, weil der Betroffene aufgrund der bei ihm bestehenden Funktionsstörungen dauernd faktisch an das Haus gebunden sei. Letzteres habe Dr. S. bei dem Kläger bejaht, weil aufgrund der bei diesem bestehenden Wahnvorstellungen der Kontakt mit Menschen in größerer Zahl zu Verunsicherung und Bedrohungsgefühl führe, was erwarten lasse, dass er Veranstaltungen durch unangemessenes und auch offen aggressives Verhalten stören würde. Ob der Kläger damit im Sinne der Rechtsprechung in dem Sinne umfassend von allen öffentlichen Veranstaltungen ausgeschlossen sei, dass nur noch eine nicht ins Gewicht fallende Zahl von Veranstaltungen in Betracht komme, bedürfe keiner Entscheidung.

7

Unterstelle man, dass bei dem Kläger zwar die Grundvoraussetzung eines GdB von 80 fehle, die weiteren Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs RF dagegen vorlägen, führe dies nicht dazu, dass die einschlägige Vorschrift gegen höherrangiges Recht verstoße bzw im Falle des Klägers ermächtigungskonform so zu interpretieren wäre, dass ihm der Nachteilsausgleich RF unabhängig von einem GdB von mindestens 80 zuzuerkennen wäre. Zwar dürfte der Normgeber davon ausgegangen sein, dass der Mindest-GdB von 80 die Grundvoraussetzung, die faktische Bindung an das Haus eine spezielle, die Grundvoraussetzung weiter einschränkende Regelung beinhalte. In dem speziellen Fall des Klägers erweise sich dagegen die Grundvoraussetzung als die eigentlich einschränkende Regelung. Es entspreche jedoch dem Wesen typisierender und generalisierender Regelungen, wie sie auch die Regelungen über die Gewährung von Nachteilsausgleichen nach dem SGB IX darstellten, dass sie nicht jeden Einzelfall erfassen könnten. Dass es sich hier um einen atypischen Einzelfall handele, sei insbesondere der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen Dr. S. vom 13.10.2008 zu entnehmen, in der dieser nochmals herausstelle, dass bei dem Kläger die - besondere - Konstellation vorliege, dass er - wenn auch mit deutlichen Einschränkungen - aufgrund seines Leidens zwar zu einer weitgehend selbstständigen Lebensführung in der Lage sei, gerade an öffentlichen Veranstaltungen aber nicht teilnehmen könne.

8

Zur Begründung seiner vom Bundessozialgericht (BSG) - beschränkt auf die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens RF - zugelassenen Revision trägt der Kläger unter anderem vor: Gerügt werde eine Verletzung von § 69 Abs 4 SGB IX iVm § 3 Abs 1 Nr 5 SchwbAwV iVm § 6 Abs 1 Nr 8 Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RdFunkGebStVtr) idF des Art 5 Nr 6 RdFunkÄndVtr8. Zwar sei ihm bei strenger Wortlautauslegung das Merkzeichen RF nicht zuzuerkennen, weil bei ihm lediglich ein GdB von 70 vorliege. Hier handele es sich jedoch um eine besondere Konstellation, also um einen atypischen Fall. Das LSG verkenne, dass Art 5 § 6 Abs 1 Nr 6 bis 8 RdFunkVtr8ÄndG SH sogenannte generalisierende Tatbestände enthalte. Dementsprechend seien diese Vorschriften nicht als abschließende Regelung anzusehen. Die Benennung eines willkürlichen Mindest-GdB von 80 solle zwar eine erste Einordnung einer Erkrankung ermöglichen, jedoch in atypischen Fällen die Zuerkennung des Merkzeichens RF nicht zwingend ausschließen.

9

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 13.4.2010 und des SG Itzehoe vom 17.10.2008 sowie den Bescheid des Beklagten vom 17.5.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5.7.2006 insoweit aufzuheben, als die Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen RF betroffen ist, und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm unter entsprechender Rücknahme des Bescheides vom 5.1.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.2.2005 bzw des Bescheides vom 23.9.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.2.2006 die Voraussetzungen für das Merkzeichen RF festzustellen.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.

11

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und bringt ergänzend vor: Entgegen der Ansicht des Klägers sei die Aufzählung in § 6 Abs 1 RdFunkGebStVtr abschließend. Anderenfalls würde sich die Härteregelung in Abs 3 der Vorschrift erübrigen. Diese stelle weitere Befreiungen von der Gebührenpflicht in das Ermessen der Rundfunkanstalten.

12

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. Sie führt zur (teilweisen) Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG, weil die berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen für eine abschließende Entscheidung des erkennenden Senats nicht ausreichen.

14

In der Sache begehrt der Kläger die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des landesrechtlich geregelten Nachteilsausgleichs "Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht", die im Schwerbehindertenausweis durch die Eintragung des Merkzeichens RF dokumentiert wird. Entgegen der Auffassung des LSG ist also nicht das Merkzeichen selbst der Nachteilsausgleich; vielmehr verhilft es dem schwerbehinderten Menschen lediglich dazu, eine Rundfunkgebührenbefreiung zu erlangen (vgl § 69 Abs 5 Satz 2 SGB IX).

15

Bei dem durch den angefochtenen Verwaltungsakt (Bescheid vom 17.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.7.2006) beschiedenen Antrag des Klägers handelt es sich - soweit es hier darauf ankommt - um ein Überprüfungsbegehren nach § 44 SGB X. Es ist in erster Linie auf eine entsprechende Rücknahme des Bescheides vom 5.1.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.2.2005 gerichtet. Zumindest hilfsweise wird auch die Rücknahme des Bescheides vom 23.9.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.2.2006 begehrt. Eine Überprüfung dieses Verwaltungsakts, der auch die Ablehnung einer Neufeststellung nach § 48 SGB X enthält, kommt in Betracht, wenn sich der Bescheid vom 5.1.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.2.2005 als rechtmäßig erweist, in der Zeit danach jedoch eine für den Kläger möglicherweise günstige Änderung eingetreten ist. Zwar ist das LSG - vom Kläger insoweit unangegriffen - davon ausgegangen, dass sich die gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers in der Zeit ab Januar 2005 nicht wesentlich geändert haben, es könnte jedoch - auch infolge des Umzuges des Klägers von Bayern nach Schleswig-Holstein - eine wesentliche Änderung des maßgeblichen Landesrechts eingetreten sein.

16

Der insoweit einschlägige § 44 SGB X bestimmt in seinen Abs 1 und 2:

(1)     

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2)     

Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

17

Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Rücknahme der mit Bescheid vom 5.1.2005 erfolgten Feststellung, dass die Voraussetzungen für das Merkzeichen RF nicht vorliegen, ist § 44 Abs 2 SGB X. Dabei handelt es sich um einen "Auffangtatbestand" für Fälle, in denen § 44 Abs 1 SGB X nicht anwendbar ist(vgl Steinwedel in Kasseler Komm, Stand Oktober 2011, § 44 SGB X RdNr 4 f, 46). So verhält es sich hier, da die streitige Feststellung nach dem Schwerbehindertenrecht insbesondere keine Sozialleistung iS des § 44 Abs 1 SGB X ist(vgl BSGE 69, 14, 16 ff = SozR 3-1300 § 44 Nr 3 S 8 ff). Für die Zuständigkeit des Beklagten ist es unerheblich, dass der Verwaltungsakt, dessen Rücknahme begehrt wird, von bayerischen Behörden erlassen worden ist (§ 44 Abs 3 SGB X).

18

§ 44 Abs 2 Satz 1 iVm Abs 1 Satz 1 SGB X setzt voraus, dass sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist. Maßgebend ist insoweit die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides (vgl BSGE 88, 75, 81 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 20 S 136; BSG Urteil vom 4.11.1998 - B 13 RJ 27/98 R, juris RdNr 15), wobei neuere rechtliche Erkenntnisse zu berücksichtigen sind (vgl BSGE 57, 209, 210 = SozR 1300 § 44 Nr 13 S 21 f; BSGE 63, 18, 23 = SozR 1300 § 44 Nr 31 S 84).

19

Bei Bekanntgabe des in Bayern erlassenen Widerspruchsbescheides vom 18.2.2005 richtete sich die Zuerkennung des Merkzeichens RF nach folgenden Bestimmungen: Gemäß § 69 Abs 4 SGB IX idF vom 23.4.2004 (BGBl I 606) treffen die (für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes - BVG) zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen im Verfahren nach § 69 Abs 1 SGB IX, soweit neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind. Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden aufgrund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den GdB sowie im Falle des Abs 4 über weitere gesundheitliche Merkmale aus (§ 69 Abs 5 Satz 1 SGB IX). Nach § 70 SGB IX ist die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates nähere Vorschriften über die Gestaltung der Ausweise, ihre Gültigkeit und das Verwaltungsverfahren zu erlassen. Auf dieser Grundlage sieht § 3 Abs 1 Nr 5 SchwbAwV in der bis zum 11.12.2006 geltenden Fassung vom 27.12.2003 (BGBl I 3022) vor, dass im Ausweis auf der Rückseite das Merkzeichen RF einzutragen ist, wenn der schwerbehinderte Mensch die landesrechtlich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erfüllt.

20

Seinerzeit galt in Bayern noch die Verordnung über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (RdFunkGebBefrV BY) vom 21.7.1992 (GVBl S 254). Nach deren § 1 Abs 1 Nr 3 wurden von der Rundfunkgebührenpflicht Behinderte befreit, deren GdB nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können. Unbeschadet der Gebührenbefreiung nach § 1 konnte die Rundfunkanstalt in besonderen Härtefällen von der Rundfunkgebührenpflicht befreien(§ 2 RdFunkGebBefrV BY). Der vom LSG im Hinblick auf Umzug des Klägers nach Schleswig-Holstein angewendete § 6 RdFunkGebStVtr vom 31.8.1991 idF des Art 5 Nr 6 RdFunkÄndVtr8 vom 15.10.2004, dem Schleswig-Holstein durch das RdFunkVtr8ÄndG SH vom 3.1.2005 (GVBl S 14) zugestimmt hat, gilt erst ab 1.4.2005. Gleichzeitig sind die RdFunkGebBefrV der Länder außer Kraft getreten (§ 10 Abs 2 RdFunkGebStVtr). Über die Auslegung und Anwendung der RdFunkGebBefrV BY kann der Senat als Revisionsgericht entscheiden, weil sie - wie durch den RdFunkGebStVtr aller Bundesländer beabsichtigt - mit den landesrechtlichen Regelungen anderer Bundesländer übereinstimmt (vgl BSG SozR 3-3870 § 4 Nr 26 S 102).

21

§ 1 Abs 1 RdFunkGebBefrV BY enthält eine abschließende Aufzählung der Personengruppen, die von der Rundfunkgebührenpflicht befreit werden. Weder der Wortlaut noch sonstige Anhaltspunkte (vgl dazu allgemein den Antrag der Bayerischen Staatsregierung zum RdFunkÄndVtr8, LT-Drucks BY 15/1921 S 21; Gesetzentwurf zum RdFunkVtr8ÄndG SH, LT-Drucks SH 15/3747 S 57) deuten darauf hin, dass es sich nur um eine Auflistung typischer Fälle handelt. Selbst wenn die vom zuständigen Bundesministerium herausgegebenen Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP, in der hier maßgeblichen Fassung von 2005) insoweit - wie der Kläger annimmt - missverständliche Formulierungen enthalten sollten, lässt sich daraus kein abweichendes Auslegungsergebnis herleiten, weil die AHP ihrem Charakter als antizipierte Sachverständigengutachten entsprechend nicht geeignet sind, die einschlägigen landesrechtlichen Regelungen authentisch zu interpretieren.

22

Nach dem hier anwendbaren § 1 Abs 1 Nr 3 RdFunkGebBefrV BY mussten Behinderte zwei gesonderte (kumulative) Voraussetzungen erfüllen: Bei ihnen musste ein GdB von 80 vorliegen. Darüber hinaus war es erforderlich, dass sie wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können. Die Regelung lässt es nicht zu, auf das Vorliegen eines GdB von 80 zu verzichten, wenn allein das zweite Merkmal (Nicht-Teilnehmen-Können an öffentlichen Veranstaltungen) gegeben ist. Daran ändert es nichts, dass nicht ohne Weiteres nachvollziehbar ist, warum die betroffenen Personen von einer Gebührenbefreiung ausgeschlossen werden sollten. Jedenfalls ist es fraglich, ob der Mindest-GdB von 80 insoweit eine sachgerechte Schranke bildet. Allerdings dient er immerhin der Verwaltungsvereinfachung, wenn die Prüfung des zweiten Merkmals bei Fehlen des Mindest-GdB grundsätzlich entfallen kann.

23

Ob diese Bestimmung für sich genommen in jeder Hinsicht mit höherrangigem Recht vereinbar war, braucht hier nicht näher geprüft zu werden, denn der Verordnungsgeber hatte durch die Härtefallregelung in § 2 RdFunkGebBefrV BY eine hinreichende Möglichkeit geschaffen, um bei der Rechtsanwendung zu sachgerechten Ergebnissen zu gelangen(vgl dazu allgemein auch BVerfG <2. Kammer des Ersten Senats> Beschluss vom 30.11.2011 - 1 BvR 3269/08 und 1 BvR 656/10 - Umdruck S 7 f). Danach wurde die Gebührenbefreiung in besonderen Härtefällen einer Ermessensentscheidung der Rundfunkanstalt überlassen. Es kann hier offen bleiben, ob es sich bei dem Merkmal eines besonderen Härtefalls generell um eine gesondert zu prüfende Voraussetzung für die der Rundfunkanstalt obliegende Ermessensentscheidung handelt (vgl allgemein dazu BSG SozR 3-3100 § 89 BVG Nr 3 S 8; BSGE 59, 111, 115 f = SozR 1300 § 48 Nr 19 S 39 f). Dies trifft jedenfalls für Härtefälle zu, die allein auf den gesundheitlichen Gegebenheiten des Menschen mit Behinderung beruhen. Das Vorliegen eines gesundheitlich bedingten Härtefalls gehört zu den gesundheitlichen Merkmalen, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "Rundfunkgebührenbefreiung" sind. Gemäß § 69 Abs 4 SGB IX obliegt die Feststellung eines solchen Härtefalls mithin den für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden. Es ist auch sachgerecht, die insoweit erforderlichen Feststellungen einer dafür ausgestatteten, fachkundigen Stelle zu überlassen (vgl allgemein dazu BSG Urteil vom 6.10.1981 - 9 RVs 4/81, juris RdNr 25).

24

Nach Auffassung des erkennenden Senats liegt ein gesundheitlich bedingter Härtefall regelmäßig dann vor, wenn eine Person mit einem GdB von weniger als 80 wegen eines besonderen psychischen Leidens ausnahmsweise an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen kann. Dabei handelt es sich nach den Feststellungen des LSG um eine außergewöhnliche, atypische Konstellation. Dies rechtfertigt es, unter Berücksichtigung des § 2 RdFunkGebBefrV BY die landesrechtlichen Voraussetzungen für eine - hier allerdings in das Ermessen der Rundfunkanstalt gestellte - Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht als erfüllt anzusehen(§ 3 Abs 1 Nr 5 SchwbAwV). Demnach war in einem solchen Fall das Merkzeichen RF zuzuerkennen. Da in dem betreffenden Schwerbehindertenausweis ein GdB von unter 80 eingetragen ist, wurde für jeden deutlich, dass der Inhaber nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Nr 3 RdFunkGebBefrV BY, sondern nur die eines gesundheitlich bedingten Härtefalls nach § 2 RdFunkGebBefrV BY erfüllte.

25

Die für die Zuerkennung des Merkzeichens RF im Februar 2005 einschlägigen Vorschriften sind auch sonst mit höherrangigem Recht vereinbar. Zwar sind - auch in früheren Entscheidungen des BSG (vgl dazu BSG SozR 3-3870 § 48 Nr 2 S 3 f; BSG SozR 3-3870 § 4 Nr 26 S 103 f) -gegen die Befreiung der in § 1 Abs 1 RdFunkGebBefrV BY aufgeführten Menschen mit Behinderung von der Rundfunkgebührenpflicht rechtliche Bedenken geäußert worden. Der Senat lässt ausdrücklich offen, ob daran auch unter Berücksichtigung des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BGBl II 2008, 1419), das seit dem 26.3.2009 in Deutschland in Kraft ist (vgl Bekanntmachung vom 5.6.2009, BGBl II 812), festgehalten werden kann. Jedenfalls wirken sich solche Bedenken nicht auf die Rechtmäßigkeit der Vorschriften über die Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens RF aus, zumal dieses auch den Zugang zu günstigen Telefontarifen (zB Sozialtarif der Deutschen Telekom) ermöglicht (vgl BSG SozR 3-3870 § 4 Nr 26 S 104; BSGE 99, 189 = SozR 4-1500 § 155 Nr 2 RdNr 29 ff).

26

Ob dem Kläger danach im Februar 2005 das Merkzeichen RF zustand, vermag der erkennende Senat nicht abschließend zu entscheiden. Dazu fehlt es an hinreichenden Tatsachenfeststellungen des LSG zu den damaligen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers und deren Auswirkungen bezogen auf die Frage, ob er aufgrund seines Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen konnte. Zunächst ist das LSG zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des Merkzeichens RF auch allein aufgrund einer psychischen Störung erfüllt sein können (vgl BSG SozR 3-3870 § 4 Nr 26). Das LSG hat sodann ausgeführt, es bedürfe keiner Entscheidung, ob der Kläger - wie von der Rechtsprechung gefordert (vgl dazu BSG SozR 3-3870 § 4 Nr 17 S 65 f mwN) - unter Berücksichtigung seines von dem Sachverständigen Dr. S. festgestellten Gesundheitszustandes in dem Sinne umfassend von öffentlichen Veranstaltungen ausgeschlossen sei, dass nur noch eine nicht ins Gewicht fallende Zahl von Veranstaltungen in Betracht komme. Da der Senat die hier erforderlichen, vom LSG aufgrund seiner Rechtsauffassung unterlassenen tatrichterlichen Feststellungen im Revisionsverfahren nicht treffen kann (§ 163 SGG), ist die Sache insoweit an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

27

Eine Zurückverweisung erübrigt sich nicht im Hinblick auf die vom Kläger (hilfsweise) ebenfalls begehrte Überprüfung des Bescheides des Beklagten vom 23.9.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.2.2006. Auch auf diesem Wege gelangt der Senat nicht zu einer abschließenden Sachentscheidung. Zwar sind in der Zeit zwischen dem Erlass des Widerspruchsbescheides vom 18.2.2005 und dem Erlass des Widerspruchsbescheides vom 1.2.2006 insoweit Rechtsänderungen eingetreten, als die RdFunkGebBefrV BY gemäß § 10 Abs 2 RdFunkGebStVtr idF des am 9.2.2005 in Bayern bekannt gemachten Art 5 Nr 10 RdFunkÄndVtr8 (GVBl S 27) ab 1.4.2005 nicht mehr galt und infolge des Umzuges des Klägers nach Schleswig-Holstein dann § 6 RdFunkGebStVtr idF des RdFunkVtr8ÄndG SH anzuwenden war. § 6 Abs 1 Nr 8 RdFunkGebStVtr stimmt jedoch inhaltlich im Wesentlichen mit § 1 Abs 1 Nr 3 RdFunkGebBefrV BY überein. Entsprechendes gilt auch für die Härtefallregelungen in § 6 Abs 3 RdFunkGebStVtr und § 2 RdFunkGebBefrV BY. Folglich ergeben sich aus dieser Änderung für die Beurteilung des vorliegenden Falles keine neuen Gesichtspunkte. Es handelt sich mithin nicht um eine wesentliche Änderung der Verhältnisse iS von § 48 SGB X, die bei der Bescheiderteilung im Februar 2006 iS von § 44 Abs 2 SGB X zu Unrecht außer Acht gelassen worden wäre.

28

Sollte das LSG bei seiner weiteren Prüfung zu der Beurteilung gelangen, dass der Kläger im Februar 2005 die Voraussetzungen für das Merkzeichen RF erfüllte, ist der Beklagte verpflichtet, den Bescheid vom 5.1.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.2.2005 mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (§ 44 Abs 2 Satz 1 SGB X), soweit darin das Vorliegen dieser Voraussetzungen verneint worden ist. Ob eine Rücknahme danach auf die Zeit ab der Bekanntgabe des Bescheides vom 17.5.2006 (vgl dazu BSG SozR 1300 § 48 Nr 31) beschränkt wäre oder sich - wie das SG angenommen hat - auf den Zeitpunkt der Antragstellung (12.4.2006) beziehen kann (vgl dazu Steinwedel in Kasseler Komm, Stand Oktober 2011, § 44 SGB X RdNr 46), ist höchstrichterlich noch nicht eindeutig entschieden (vgl dazu BSG SozR 5755 Art 2 § 1 Nr 5). Auf diese Frage dürfte es hier allerdings praktisch kaum ankommen, da eine Rundfunkgebührenbefreiung gemäß § 6 Abs 5 RdFunkGebStVtr ohnehin nur vom Ersten des Monats an festgestellt wird, der dem Monat folgt, in dem der Befreiungsantrag bei der Landesrundfunkanstalt (bzw bei der von den Landesrundfunkanstalten beauftragten Gebühreneinzugszentrale) gestellt wird(vgl § 6 Abs 4 RdFunkGebStVtr). Bei der Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens RF für die Zukunft wäre dann § 6 Abs 3 RdFunkGebStVtr in der ab 1.4.2005 geltenden Fassung zugrunde zu legen.

29

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Die Erhebungen erfolgen jährlich für das abgelaufene Kalenderjahr.

(1) Hilfsmerkmale sind

1.
Name und Anschrift des Auskunftspflichtigen,
2.
Name, Telefonnummer und E-Mail-Adresse der für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehenden Person,
3.
für die Erhebung nach § 143 Nummer 1 die Kennnummer des Leistungsberechtigten.

(2) Die Kennnummern nach Absatz 1 Nummer 3 dienen der Prüfung der Richtigkeit der Statistik und der Fortschreibung der jeweils letzten Bestandserhebung. Sie enthalten keine Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Leistungsberechtigten und sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens nach Abschluss der wiederkehrenden Bestandserhebung, zu löschen.

Die Erhebungen erfolgen jährlich für das abgelaufene Kalenderjahr.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.