Verwaltungsgericht Bayreuth Beschluss, 28. Sept. 2015 - B 3 E 15.605
Tenor
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 92,91 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus Beitragsbescheiden des Antragsgegners.
Der Antragsteller wurde seit
Mit Bescheid vom
Mit Schreiben vom
Mit Festsetzungsbescheid vom
Mit Schreiben vom
Der Antragsgegner ersuchte mit Schreiben vom 01.08.2015 das Amtsgericht Forchheim um die Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Rundfunkbeiträge für die Zeit vom 01.01.2014 bis 30.09.2014 in Höhe von 185,82 EUR.
Unter der Anschrift „...“ wurde der Antragsteller wegen der Ausübung eines Pflegedienstes seit
Der Antragsteller war zudem als Wohnungsinhaber für die Wohnung „...“ gemeldet (Beitragskonto ...). Aufgrund einer Anfrage des Antragsgegners vom
Mit Schriftsatz vom
Erbeten wird durch Eilrechtschutz die Aufhebung der Vollstreckung durch das Verwaltungsgericht mit Prüfung, ob der oder die vielen Beitragsbescheidungen offensichtlich rechtswidrig sind.
Zur Begründung gab der Antragsteller an, dass es ein grober Verstoß bzw. fahrlässige Betrugsabsicht sei, wenn der Antragsgegner für eine Wohnung unterschiedliche Beitragsnummern aufstelle. Das Haus sei ein Einfamilienhaus. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die GEZ diese Erhebung zustande bringe. Außerdem sei der Rundfunkbeitrag rechtlich stark umstritten. Nach Auffassung des früheren Hamburger Senators Prof. Dr. Ingo von Münch liege beim „Rundfunkbeitrag“ ein verfassungsrechtlich unzulässiger Eingriff in das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) und in die Handlungsfreiheit der Person vor. Viele Rechtsexperten seien der Meinung, dass die Rundfunkzwangsabgabe in Wahrheit gar kein Beitrag, sondern eine Rundfunksteuer sei. Diese Rundfunksteuer lasse man im Gesetz nur unter falscher Flagge als „Rundfunkbeitrag“ segeln, weil die für die Rundfunkgesetzgebung zuständigen Länder gar keine allgemeinen Steuern beschließen dürften. Die Länder würden daher mit dem Rundfunkbeitrag ihre rechtlichen Kompetenzen überschreiten. Gemäß dem Grundgesetz dürfe nur der Deutsche Bundestag allgemeine Steuergesetze erlassen. Die neuen Regelungen würden die gebotene Beitragsgerechtigkeit verletzen. Die jeweilige Inhaberschaft von Wohnungen, Betriebsstätten und Kfz bilde keinen beitragsgerechten Maßstab für Vorteile eines möglichen Rundfunkempfangs der jeweiligen Personen ab. Wegen dieser bestehenden erheblichen rechtlichen Unklarheiten seien die Zahlungen des Antragstellers seit 2013 ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, allerdings mit rechtsverbindlicher Wirkung erfolgt. § 14 Abs. 9 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages sehe vor, dass jede Meldebehörde der jeweiligen Landesrundfunkanstalt verschiedene Daten zu übermitteln habe. Dies stelle eine Verletzung des Datenschutzes dar. Außerdem verstoße die Erhebung des Rundfunkbeitrages gegen europäisches Recht. Insoweit sei zunächst festzustellen, dass europäisches Recht in Deutschland anzuwenden sei. Nationales Recht sei nicht anwendbar, wenn europäisches Recht anzuwenden sei. Europäisches Recht habe Vorrang. Nach der Richtlinie 2007/65/EG (Fernsehrichtlinie) unterlägen Rundfunk und Fernsehen dem Wettbewerbsrecht. Eine Regelung, die EU-Bürgern dem Wettbewerbsrecht unterliegende Dienstleistungen zwangsweise aufdränge, könne keinen Bestand haben. Könne kein EU-Bürger darauf verpflichtet werden, das Angebot eines Dienstleisters anzunehmen, könne er auch nicht verpflichtet werden, es ohne bewusste Annahme trotzdem zu bezahlen. Außerdem stelle die Fernsehtätigkeit eine Dienstleistung i. S. d. Art. 57 AEUV dar. Außerdem sei die Erzwingung von unangemessenen Einkaufs- oder Verkaufspreisen oder sonstigen Geschäftsbedingungen gemäß Art. 102 AEUV verboten. Gerade dies sei Hauptbestandteil des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages, sofern man für etwas bezahlen solle, was man nicht nutze. Der öffentlich-rechtliche Rundfunkbeitrag sei ein Zwangsabonnement. Zu seinem Schaden würden die Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht verschlüsselt. Bei einer Verschlüsselung würden Rundfunkverweigerer wie er von der Zwangsfinanzierung verschont. Rundfunkverweigerer würden daher unangemessen belastet. Zudem dürfe nach der EU-Richtlinie 97/7/EG niemand gezwungen werden, unbestellte Leistungen zu bezahlen.
Der Antragsgegner nahm mit Schreiben an das Amtsgericht Forchheim
Mit Schriftsatz vom
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO sei bereits unzulässig. Das Rechtsschutzinteresse für den Antrag fehle, da es der Antragsteller unterlassen habe, dem Antragsgegner als zuständiger Behörde sein Anliegen vorzutragen. Nach § 10 Abs. 6 Satz 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) würden Festsetzungsbescheide über rückständige Rundfunkbeiträge im Verwaltungsvollstreckungsverfahren vollstreckt. Die Vollstreckung erfolge nach den Vorschriften des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (BayVwZVG). Gemäß Art. 20 Nr. 1 BayVwZVG sei der Antragsgegner Anordnungsbehörde für die Vollstreckung von Rundfunkbeiträgen, da er die streitgegenständlichen Bescheide erlassen bzw. das für vollstreckbar erklärte Ausstandsverzeichnis erteilt habe. Nach Art. 21 BayVwZVG entscheide die Anordnungsbehörde über Einwendungen gegen die Vollstreckung, die den zu vollstreckenden Anspruch selbst betreffen. Aus der Regelung des Art. 21 BayVwZVG folge, dass sich der Antragsteller nach Ergehen des Vollstreckungsersuchens zunächst an die Anordnungsbehörde - also den Antragsgegner - zu wenden habe, wenn er die Abwendung der Vollstreckung begehre. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes müsse der Vollstreckungsschuldner vor der Inanspruchnahme des Gerichts zunächst bei der Behörde seine Einwendungen gegen die Zwangsvollstreckung vorbringen und versuchen, eine Entscheidung darüber herbeizuführen, dass die Vollstreckung aus dem Bescheid für unzulässig erklärt werde. Lehne die Behörde einen solchen Antrag ab oder bleibe sie untätig, könne der Vollstreckungsschuldner im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes einen Antrag nach § 123 VwGO stellen und in der Hauptsache Verpflichtungsklage gemäß § 42 VwGO erheben. Da sich der Antragsteller jedoch nicht an den Antragsgegner als Anordnungsbehörde mit einem Antrag nach Art. 21 BayVwZVG gewandt habe, sei der Antrag an das Gericht, die Vollstreckung aus dem Ausstandsverzeichnis vom 01.08.2015 einstweilen einzustellen, nicht zulässig. Rein vorsorglich werde ausgeführt, dass der Antrag nach § 123 VwGO auch unbegründet sei. Es liege weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch vor. Zum einen habe der Antragsteller nicht dargelegt, dass bzw. inwiefern ihm ein schwerer Nachteil drohe, zu dessen Abwehr der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung erforderlich wäre. Zum anderen bestünden keine überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache, da der Antragsteller keinen Anspruch darauf habe, dass die Vollstreckung einstweilen eingestellt werde. Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen lägen vor. Der Antragsteller habe auch keine durchgreifenden Einwendungen i. S. d. Art. 21 Satz 2 BayVwZVG vorgebracht. Soweit er auf seine geleisteten Zahlungen verweise, sei auszuführen, dass nach Erlass der streitgegenständlichen Bescheide unter der Beitragsnummer ... nur eine einzige Zahlung am 23.10.2014 in Höhe von 61,94 EUR erfolgt sei, die den offenen Betrag aus dem Ausstandsverzeichnis in Höhe von 185,82 EUR nicht habe ausgleichen können. Die Zahlung des Antragstellers sei nach der Bestimmung des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RBStV i. V. m § 13 Satz 1 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge (BR-Beitragssatzung) zunächst mit der ältesten Beitragsschuld verrechnet worden. Der Einwand der teilweisen Erfüllung greife daher nicht. Zudem werde die Rechtmäßigkeit der der Vollstreckung zugrunde liegenden Verwaltungsakte im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich nicht mehr geprüft. Rein ergänzend werde ausgeführt, dass der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag verfassungsgemäß sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die Behörden- und die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
1.
Der Antrag auf Aussetzung der Zwangsvollstreckung ist unzulässig und hätte auch in der Sache keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). § 123 Abs. 1 VwGO setzt ein besonderes Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) im Interesse der Wahrung des behaupteten Rechts (Anordnungsanspruch) voraus. Beides ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen, vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO.
Maßgebend für die Beurteilung sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Über den Erfolg des Antrags ist grundsätzlich aufgrund einer im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung zu entscheiden. Ein Anordnungsgrund setzt voraus, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen unzumutbar ist, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 123 Rn. 26 m. w. N.). Ergibt die überschlägige rechtliche Beurteilung auf der Grundlage der verfügbaren und vom Antragsteller glaubhaft zu machenden Tatsachenbasis, dass von überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache auszugehen ist, besteht regelmäßig ein Anordnungsanspruch. Eine einstweilige Anordnung ist daher in aller Regel zu erlassen, sofern durch die Veränderung des bestehenden Zustandes eine Rechtsvereitelung oder sonst nicht abwendbare Rechtsbeeinträchtigungen drohen.
a)
Der Antrag nach § 123 VwGO ist bereits unzulässig, weil das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat zwar grundsätzlich nicht zur Voraussetzung, dass die zuständige Behörde bzw. die Widerspruchsbehörde vorher mit der Sache bzw. einem entsprechenden Antrag des Antragstellers befasst wurde. In der Regel fehlt aber das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 123 VwGO, wenn der Antragsteller nicht vorher bei der zuständigen Behörde sein Anliegen vorgetragen hat, es sei denn, die Sache ist sehr eilig und die Wahrscheinlichkeit gering, dass der Antrag bei der Behörde von dieser rechtzeitig erledigt wird (Kopp/Schenke, VwGO, a. a. O., § 123 Rn. 22).
Im Verwaltungsvollstreckungsrecht ist hierbei Art. 21 Satz 1 BayVwZVG zu berücksichtigen. Nach dieser Vorschrift sind Einwendungen gegen die Vollstreckung, die den zu vollstreckenden Anspruch betreffen, zunächst gegenüber der Anordnungsbehörde geltend zu machen. Ein vorheriger Antrag nach Art. 21 Satz 1 BayVwZVG bei der Anordnungsbehörde ist grundsätzlich auch zweckmäßig, weil die Anordnungsbehörde, die den Verwaltungsakt gesetzt und die Vollstreckung veranlasst hat, nach Art. 22 BayVwZVG verpflichtet ist, die Vollstreckung einzustellen, wenn und soweit dies erforderlich ist. Ob sich der Antragsteller zuvor an die Anordnungsbehörde wenden musste, um das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 123 VwGO darzulegen, ist jedoch eine Frage des konkreten Falles. Ein Antrag nach § 123 VwGO ohne vorherige Befassung der Anordnungs- bzw. Vollstreckungsbehörde ist jedenfalls bei großer Eilbedürftigkeit zulässig (VG München, B. v. 29.11.2006 - M 10 E 06.3342 - juris Rn. 20).
Der Antragsteller, der sich u. a. auf Zahlungen mit „rechtsverbindlicher Wirkung“ beruft, hat vorliegend keine Gründe dargelegt, aus denen sich ergibt, dass es für ihn zeitlich nicht möglich bzw. unzumutbar war, einen vorherigen Antrag nach Art. 21 Satz 1 BayVwZVG beim Antragsgegner zu stellen, um seinen Erfüllungseinwand geltend zu machen. Anhaltspunkte für eine „große Eilbedürftigkeit“, die eine sofortige Antragstellung bei Gericht hätten rechtfertigen können, sind im konkreten Fall auch nicht ersichtlich. Der Antragsteller wurde mit Schreiben des Gerichtsvollziehers vom 31.08.2015 zum Termin am 29.09.2015 zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung geladen. Der Antragsteller hätte daher genügend Zeit gehabt, seine Einwendungen zunächst beim Antragsgegner vorzubringen, so dass für den vorliegenden Antrag nach § 123 VwGO, der bereits am 07.09.2015 rechtshängig wurde, kein Rechtsschutzbedürfnis besteht.
b)
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist außerdem unbegründet.
aa)
Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht, denn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung besteht mangels Eilbedürftigkeit kein Grund (mehr), dem Antragsteller mittels einer einstweiligen Anordnung Rechtsschutz zu gewähren.
Im Fall der Verwaltungsvollstreckung ist ein Anordnungsgrund abzulehnen, wenn eine Gefährdung von Rechten des Antragstellers durch eine bestimmte Verwaltungsmaßnahme nicht droht. Dies gilt insbesondere dann, wenn der vollstreckende Gläubiger zusagt, eine bestimmte Maßnahme einstweilen nicht zu treffen (Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 27. Ergänzungslieferung, Oktober 2014, § 123 Rn. 79).
Vorliegend drohen dem Antragsteller keine unmittelbaren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durch den Antragsgegner (mehr), weil dieser sein Vollstreckungsersuchen vom 01.08.2015 mit Schreiben vom 10.09.2015 an das Amtsgericht Forchheim einstweilen zurückgenommen hat. Der Antragsteller muss daher jedenfalls bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens keine eidesstattliche Versicherung abgeben. Somit ist auch kein Anordnungsgrund (mehr) gegeben.
bb)
Der Antragsteller hat auch keinen Anordnungsanspruch auf Einstellung der Zwangsvollstreckung glaubhaft gemacht, denn nach summarischer Prüfung ist die beabsichtigte Zwangsvollstreckung zulässig.
Nach Art. 7 Satz 1 des Gesetzes zur Ausführung des Rundfunkstaatsvertrags, des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags und des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags - AGStV Rundf, Jumedsch, Rundfbeitr - werden rückständige Rundfunkbeiträge nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag - RBStV - sowie Zinsen, Kosten und Säumniszuschläge, die nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 RBStV i. V. m. den entsprechenden Satzungsregelungen zu entrichten sind, im Vollstreckungsverfahren nach den Vorschriften des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes beigetrieben. Hiernach können Verwaltungsakte, die auf die Leistung einer öffentlich-rechtlichen Geldforderung gerichtet sind, vollstreckt werden, wenn der Verwaltungsakt entweder unanfechtbar ist (Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 BayVwZVG) oder ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung entfaltet (Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 BayVwZVG) bzw. die sofortige Vollziehung angeordnet ist (Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 BayVwZVG), die Verpflichtung zur Zahlung noch nicht erfüllt ist (Art. 19 Abs. 2 BayVwZVG), der zu vollstreckende Verwaltungsakt dem Leistungspflichtigen zugestellt worden ist (Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 BayVwZVG), die Forderung fällig ist (Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 BayVwZVG) und der Leistungspflichtige gemahnt wurde (Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 BayVwZVG). Außerdem muss eine Vollstreckungsanordnung vorliegen, die den Anforderungen des Art. 24 BayVwZVG genügen muss. Die Rechtmäßigkeit des der Vollstreckung zugrunde liegenden Verwaltungsaktes wird im Vollstreckungsverfahren jedoch grundsätzlich nicht mehr geprüft. Nur nach Maßgabe des Art. 21 BayVwZVG hat der Schuldner im Vollstreckungsverfahren die Möglichkeit, materielle Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch geltend zu machen. Gem. Art. 21 Satz 2 BayVwZVG sind derartige Einwendungen jedoch nur zulässig, soweit die geltend gemachten Gründe erst nach Erlass des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes entstanden sind (z. B. Erfüllung, Verzicht bzw. Erlass oder Stundung der Forderung) und mit förmlichen Rechtsbehelfen nicht mehr geltend gemacht werden können.
Im vorliegenden Fall sind alle Vollstreckungsvoraussetzungen erfüllt.
aaa)
Die Bescheide vom
Zudem hat der Antragsteller seine Verpflichtung zur Zahlung der in diesen Bescheiden geltend gemachten Rundfunkbeiträge und Säumniszuschläge noch nicht erfüllt, Art. 19 Abs. 2 BayVwZVG.
bbb)
Auch die Vollstreckungsvoraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 BayVwZVG liegen vor. Dem Antragsteller sind die streitgegenständlichen Bescheide ordnungsgemäß i. S. d. Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 BayVwZVG zugestellt worden. Der Antragsgegner durfte gemäß Art. 17 Abs. 1 BayVwZVG die Zustellung der schriftlichen Bescheide dadurch ersetzen, dass er dem Antragsteller die Bescheide durch einfachen Brief verschlossen zugesandt hat. Nach Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 BayVwZVG waren die mit den streitgegenständlichen Leistungsbescheiden festgesetzten Rundfunkgebühren fällig, weil der Rundfunkbeitrag gemäß § 7 Abs. 3 RBStV monatlich geschuldet und in der Mitte eines Dreimonatszeitraums für jeweils drei Monate zu leisten ist. Der Antragsteller ist zudem mit den beiden Mahnschreiben vom 01.09.2014 und 01.12.2014 gemäß Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 BayVwZVG ergebnislos dazu aufgefordert worden, die rückständigen Rundfunkbeiträge in voller Höhe zu zahlen.
ccc)
Soweit der Antragsteller geltend macht, dass die streitgegenständlichen Bescheide rechtswidrig sind, so ist dieser Einwand im Vollstreckungsverfahren unzulässig, weil der Antragsteller hiermit materielle Einwendungen vorbringt, die gemäß Art. 21 Satz 2 BayVwZVG im Vollstreckungsverfahren nicht mehr geprüft werden. Insoweit verkennt der Antragsteller, dass es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahme nicht auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Grundverfügung ankommt (ständige Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, vgl. nur VG Dresden, B. v. 11.12.2014 - 2 L 240/14 - juris Rn. 5).
Aber selbst wenn die Rechtmäßigkeit der Bescheide vom 04.04.2014, 04.07.2014 und 01.10.2014 im Vollstreckungsverfahren zu prüfen wäre, hält das Gericht sämtliche rechtliche Bedenken des Antragstellers für nicht durchgreifend.
Die streitgegenständlichen Bescheide sind nicht verfassungswidrig. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat für alle bayerischen Verfassungsorgane, Gerichte und Behörden mit seinen Entscheidungen vom 15.05.2014 (Vf. 8-VII-12
Diese Rechtsauffassung wird bundesweit von den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit geteilt. So geht auch die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung geht davon aus, dass der Gesetzgeber in § 2 Abs. 1 i. V. m. § 3 RBStV einen realitäts- und sachgerechten Anknüpfungspunkt für die Beitragspflicht gewählt hat. Die Erhebung des Rundfunkbeitrages knüpft nach § 2 Abs. 1 RBStV an das Innehaben einer Wohnung i. S. v. § 3 RBStV an. Der durch den Rundfunkbeitrag abzugeltende Vorteil - die Nutzungsmöglichkeit des öffentlich-rechtlichen Programmangebots - wird hierdurch angemessen erfasst. Dem Abgabentatbestand liegt die durch statistische Angaben gestützte Erwägung zugrunde, dass die Nutzung des öffentlich-rechtlichen Programmangebots im privaten Bereich jedenfalls auch und nach wie vor im Schwerpunkt in der Wohnung erfolgt (vgl. nur VG Hamburg, U. v. 17.7.2014 - 3 K 5371/13 - juris Rn. 40 ff).
Inzwischen hat auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 19.06.2015 (Az.: 7 BV 14.1707) entschieden, dass die Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags im privaten Bereich für jede Wohnung durch deren Inhaber verfassungsgemäß ist. Dieser Rechtsauffassung schließt sich das Verwaltungsgericht Bayreuth an.
Die streitgegenständlichen Bescheide sind auch nicht europarechtswidrig. Es kann dahingestellt bleiben, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk - wie der Kläger meint - nach der Richtlinie 2007/65/EG (Fernsehrichtlinie) den Grundsätzen des Wettbewerbsrechts unterliegt. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, ist nicht ersichtlich, dass der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag gegen eine konkrete Norm der Fernsehrichtlinie verstoßen würde. Auch der Antragsteller hat keine konkrete Norm aus dieser Richtlinie genannt, die seiner Auffassung nach verletzt sei. Im Übrigen besteht zwischen dem Wettbewerbsrecht und der vom Antragsteller aufgestellten Behauptung, dass er nicht verpflichtet sei, eine von ihm nicht gewünschte Dienstleistung zu bezahlen, keinerlei Sachzusammenhang. Soweit sich der Antragsteller darauf beruft, dass die Fernsehtätigkeit eine Dienstleistung i. S. d. Art. 57 AEUV sei, so wird nicht klar, welche Rechtsfolgen der Antragsteller aus dieser Feststellung ableiten will. Abgesehen davon setzt die Anwendbarkeit des Art. 57 AEUV einen sogenannten „grenzüberschreitenden Sachverhalt“ voraus. Dieser liegt offensichtlich nicht vor, so dass Art. 57 AEUV schon gar keine Anwendung findet. Auch der Verweis des Antragstellers, dass nach der EU-Richtlinie 97/7/EG niemand gezwungen werden dürfe, unbestellte Leistungen zu bezahlen, ist unbehelflich. Denn ein EU-Bürger kann sich nur dann auf eine Richtlinie berufen, wenn der Mitgliedstaat diese nicht innerhalb der jeweiligen Frist ins nationale Recht umgesetzt hat. Dies ist vorliegend jedoch geschehen. Der deutsche Gesetzgeber hat den Inhalt dieser Richtlinie durch § 241a BGB ins nationale Recht übertragen. Insoweit kann sich der Antragsteller schon gar nicht unmittelbar auf die Richtlinie 97/7/EG berufen. Im Übrigen betrifft die Problematik der unbestellten Leistungen das Zivilrecht. Das öffentlich-rechtliche Rundfunkbeitragsrecht wird hierdurch nicht tangiert.
Auch die übrigen Einwände des Antragstellers gegen die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Bescheide greifen nicht durch, weil die Bescheide in Einklang mit den Vorschriften des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages ergangen sind. Insbesondere hat der Antragsgegner für den streitgegenständlichen Zeitraum (01.01.2014 bis 30.09.2014) in Bezug auf das Anwesen „...“ keine doppelte oder gar mehrfache Beitragserhebung vorgenommen. Die Bescheide vom 04.04.2014, 04.07.2014 und 01.10.2014 (Beitragskonto ...) beziehen sich auf den Zeitraum vom 01.01.2014 bis 30.09.2014. Während dieses Zeitraums bestanden für das Anwesens „...“ zwei Beitragskonten, nämlich die Beitragskonten ... (Wohnungsbeitrag) und ... (Betriebsstättenbeitrag). Die parallele Existenz dieser beiden Beitragskonten für das Anwesen „...“ begegnet keinen rechtlichen Bedenken, weil der Antragsteller für dieses Anwesen sowohl einen Wohnungsbeitrag gemäß § 2 Abs. 1 RBStV als auch einen Betriebsstättenbeitrag gemäß § 5 Abs. 1 RBStV entrichten muss. Da der Antragsteller weder vorgetragen hat noch sonst ersichtlich ist, dass sich die Betriebsstätte „...“ innerhalb der beitragspflichtigen Wohnung befindet, ist auch die Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 5 Nr. 3 RBStV nicht einschlägig. Daher war bzw. ist der Antragsgegner nach wie vor berechtigt und verpflichtet, zu den beiden Beitragskonten ... und ... Beitragsbescheide zu erlassen, auch wenn sich beide Beitragskonten auf das gleiche Anwesen beziehen.
Rechtlich unerheblich für die Erfolgsaussichten des vorliegenden Antrags nach § 123 Abs. 1 VwGO ist der Umstand, dass der Antragsgegner in rechtswidriger Weise das Beitragskonto..., welches zunächst für die Anschrift „...“ eingerichtet wurde, ab dem 06.11.2014 unter der Anschrift „...“ fortführte. Da für dieses Anwesen bereits ein Wohnungsbeitrag über das Beitragskonto ... erhoben wird, hätte der Antragsgegner am 06.11.2014 das Beitragskonto ... von Amts wegen abmelden müssen. Die Fortführung des Beitragskontos ... unter der Anschrift „...“ ist damit zwar rechtswidrig. Dieser Umstand hindert aber nicht die Zwangsvollstreckung aus den Bescheiden vom 04.04.2014, 04.07.2014 und 01.10.2014 (Beitragskonto ...), denn zum einen beziehen sich diese bestandskräftigen Bescheide auf den Zeitraum vom 01.01.2014 bis 30.09.2014. Während dieses streitgegenständlichen Zweitraums wurde das Beitragskonto ... aber noch unter der Anschrift „...“ geführt, so dass für das Anwesen „...“ im streitgegenständlichen Zeitraum keine doppelte Wohnungsbeitragserhebung vorlag. Die streitgegenständlichen Bescheide vom 04.04.2014, 04.07.2014 und 01.10.2014 (Beitragskonto ...) sind somit rechtmäßig. Zum anderen hat der Antragsgegner bezüglich des Beitragskontos ... noch gar keine Beitrags- oder Festsetzungsbescheide erlassen.
ddd)
Schließlich hat der Antragsteller nicht substantiiert vorgetragen, die im Ausstandsverzeichnis zum Vollstreckungsersuchen vom 01.08.2015 genannten Rundfunkbeiträge durch bestimmte Zahlungen getilgt zu haben. Aus den vorgelegten Behördenakten ist auch nicht ersichtlich, dass diesbezüglich (Teil-)Erfüllung eingetreten ist.
2.
Der Antrag konnte daher keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
3.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG. Die der Zwangsvollstreckung zugrunde liegende Forderung beträgt insgesamt 185,82 EUR. Ausgehend hiervon wird der Streitwert auf 92,91 EUR festgesetzt, weil im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes als Streitwert die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren anzusetzenden Streitwertes anzusetzen ist (vgl. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Bayreuth Beschluss, 28. Sept. 2015 - B 3 E 15.605
Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Bayreuth Beschluss, 28. Sept. 2015 - B 3 E 15.605
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Verwaltungsgericht Bayreuth Beschluss, 28. Sept. 2015 - B 3 E 15.605 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.
(2) Das Urteil enthält
- 1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren, - 2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, - 3.
die Urteilsformel, - 4.
den Tatbestand, - 5.
die Entscheidungsgründe, - 6.
die Rechtsmittelbelehrung.
(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.
(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.
(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
Tenor
1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, den in ihrem Rechtsamt zum 1. März 2013 zur Besetzung (Stellenausschreibungs-Nr. 86/2013-30) ausgeschriebenen und nach der BesGr. A 11BBesO bzw. Vergütungsgruppe IVa BAT (entspr. Entgeltgruppe 10 TVöD) bewerteten Dienstposten einer Sachbearbeiterin/eines Sachbearbeiters zur Bearbeitung von Schadenfällen aus den Bereichen Haftpflicht (Buchstaben M – Z) und Autokasko etc. (StPlNr. 50000265) mit der Beigeladenen oder einem anderen Bewerber zu besetzen, bis über die Bewerbung der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag der Antragstellerin, der sich sinngemäß aus der Beschlussformel zu 1. ergibt, ist zulässig und begründet.
3Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt nach Maßgabe des § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2 und 294 ZPO voraus, dass der jeweilige Antragsteller das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen sowohl eines Anordnungsanspruchs (1.) als auch eines Anordnungsgrundes (2.) glaubhaft macht.
4Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall vor.
51. Die Antragstellerin hat den erforderlichen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Auswahlentscheidung der Antragstellerin erweist sich aus mehreren Gründen als rechtsfehlerhaft.
6Zwar hat ein Beamter grundsätzlich keinen Anspruch auf Übertragung eines bestimmten Dienstpostens. Auch der Anspruch eines Beamten auf amtsangemessene Beschäftigung ist generell nur auf die Zuweisung eines Dienstpostens gerichtet, in dem Aufgaben solcher Qualität zusammengefasst sind, die hinsichtlich ihrer Wertigkeit dem statusrechtlichen Amt des Beamten entsprechen.
7Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. April 2012 - 6 A 538/11, juris.
8Die Antragstellerin (eine Stadtamtfrau, gehobener Dienst, BesGr. A 11) ist im vorliegenden Fall mit ihrem Einverständnis derzeit bei der Antragsgegnerin auf einem mit BesGr. A 7 (mittlerer Dienst) bewerteten Dienstposten und damit eindeutig „unterwertig“ eingesetzt. Ab 15. April 2014 soll sie zeitlich begrenzt auf einem nach BesGr. A 11 bewerteten Dienstposten im Wahlbüro der Antragsgegnerin eingesetzt werden.
9Ein Anspruch auf Zuweisung eines bestimmten Dienstpostens folgt aus dem Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung aber grundsätzlich nicht, da es im Wesentlichen der organisatorischen Dispositionsbefugnis des Dienstherrn obliegt, welcher konkrete Dienstposten dem Beamten zur amtsangemessenen Beschäftigung zugewiesen wird.
10Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 2. August 2011 - 6 B 304/11 -, und vom 21. März 2007 - 6 B 39/07 -, beide juris.
11In diesem Zusammenhang kommt dem Dienstherrn bei der Entscheidung, welchen Personenkreis er für eine konkrete Stellenbesetzung in Betracht zieht, grundsätzlich ein weit gefasster Entscheidungsspielraum zu. Insoweit ist es seinem - gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren - organisatorischen Ermessen überlassen, ob er eine frei gewordene Stelle im Wege der Versetzung, Umsetzung, der Beförderung oder auf sonstige Weise neu besetzt. Dabei ist im Grundsatz davon auszugehen, dass Bewerber für einen Dienstposten, auf den sie - wie die Antragstellerin - ohne Statusveränderung umgesetzt oder versetzt werden wollen, keinen Anspruch auf eine Auswahl nach den Grundsätzen der Bestenauslese unter Berücksichtigung der Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG (Eignung, Befähigung, fachliche Leistung) haben.
12Vgl. BVerwG., Urteil vom 25. November 2004 - 2 C 17.03 -, ZBR 2005, 244.
13Etwas anderes gilt aber dann, wenn sich der Dienstherr - wie hier - dazu entschließt, die Übertragung eines bestimmten Dienstpostens im Rahmen eines Auswahlverfahrens nach Maßgabe der Bestenauslese vorzunehmen und neben Umsetzungs- auch Beförderungsbewerber (insbesondere auch solche, die sich auf dem konkreten Dienstposten aus laufbahnrechtlichen Gründen für eine nachfolgende Beförderung erst noch bewähren sollen) einbezieht. Mit dieser Entscheidung beschränkt er seine eigene Organisationsfreiheit und ist aufgrund der hierdurch eingetretenen Selbstbindung gehalten, die nachfolgende Auswahl auch dann an den Maßstäben des Leistungsgrundsatzes zu messen, wenn die konkrete Stellenbesetzung nicht mit einer Statusveränderung verbunden ist. Vor diesem Hintergrund hat der Dienstherr dann auch im Hinblick auf die Umsetzungsbewerber die Auswahlentscheidung im Wege der Bestenauslese nach den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG zu treffen. Nach Maßgabe dieser Vorgaben steht dann auch den Bewerbern um einen bloßen Dienstposten ein Anspruch auf beurteilungs- und ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihre Bewerbung um den zu besetzenden Dienstposten zu.
14Vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Juni 2013 - 2 VR 1.13 -, ZBR 2013, 376, vom 26. Januar 2012 - 2 A 7.09 -, IÖD 2012, 158, vom 25. November 2004 - 2 C 17.03 -, a. a. O.; OVG NRW, Beschlüsse vom 29. November 2013 - 6 B 1193/13 -, juris, vom 9. Januar 2013 - 6 B 1125/12 -, IÖD 2013, 50 und vom 13. Oktober 2009 - 6 B 1232/09 -, Schütz, BeamtR ES/A II 1.4 Nr. 183.
15Im vorliegenden Fall hat sich die Antragsgegnerin mit der hausinternen Stellenaus-schreibung (Nr. 86/2013-30), in der die verschiedenen vom jeweiligen Stellenbewer-ber zu erfüllenden, leistungs- und eignungsbezogenen Anforderungen im Einzelnen benannt werden, für ein solches an dem Grundsatz der Bestenauslese zu orientie-rendes Auswahlverfahren entschieden. Die Antragsgegnerin hat nachfolgend auch eine Auswahl zwischen den Bewerbern getroffen, wobei sie sechs Bewerber zu ei-nem Vorstellungsgespräch eingeladen und sich im Anschluss daran (insoweit ist ein Vermerk über den Abschluss des Auswahlverfahrens gefertigt worden) für die Beige-ladene entschieden hat, weil diese das beste Vorstellungsgespräch absolviert habe.
16Grundsätzlich vermag jeder Fehler im Auswahlverfahren einschließlich etwaiger Feh-ler der dabei zugrunde gelegten Beurteilungen den Erlass einer einstweiligen Anord-nung zu rechtfertigen; vorausgesetzt werden dabei die Berücksichtigungsfähigkeit des Fehlers und dessen potentielle Kausalität für das Auswahlergebnis.
17Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28. Juni 2006 - 6 B 618/06 -, ZBR 2006, 360, und vom 6. August 2004 - 6 B 1226/04 -, juris.
18In Anwendung dieser Grundsätze bestehen gleich mehrere durchgreifende Beden-ken gegen die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin. Zum einen ist die streitbefangene Auswahlentscheidung im Hinblick auf die die Entschei-dung tragenden Auswahlerwägungen nicht hinreichend dokumentiert worden (a.). Zum anderen ist der Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin durch die von der Antragsgegnerin fehlerhaft vorgenommene Aus- und Bewertung der vorlie-genden dienstlichen Beurteilungen verletzt worden (b.). Es erscheint (zumindest) auch möglich, dass der Dienstposten im Falle einer fehlerfreien Wiederholung des Auswahlverfahrens an die Antragstellerin vergeben wird (c.).
19a. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, den streitigen Dienstposten mit der Bei-geladenen zu besetzen, ist zum einen schon deshalb rechtswidrig, weil die tragenden Auswahlerwägungen nur unzureichend dokumentiert wurden.
20Vgl. zu den Anforderungen an die Dokumentationspflicht des Dienstherrn: BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 -, NVwZ 2007, 1178.
21Die Verpflichtung zur Dokumentation besteht auch für Entscheidungen, die Konkur-renzverhältnisse hinsichtlich der Übertragung bloßer Dienstposten betreffen, wenn sich der Dienstherr im Rahmen des ihm zustehenden Organisationsermessens - wie hier - verbindlich darauf festgelegt hat, den Dienstposten auf der Grundlage eines Auswahlverfahrens zu besetzen.
22Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Oktober 2009 - 6 B 1232/09 -, a. a. O.
23Nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen - deren Kenntnis sich der unterlegene Bewerber ggfs. durch Akteneinsicht verschaffen kann - wird der Mitbewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber befinden zu können, ob er die Entscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen und er gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen will. Darüber hinaus eröffnet erst die Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen dem Gericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollzie-hen. Schließlich stellt die schriftliche Dokumentation der Auswahlerwägungen sicher, dass die Bewertungsgrundlagen der entscheidenden Stelle vollständig zur Kenntnis gelangt sind.
24Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 22. März 2013 - 1 B 185/13 -, IÖD 2013, 125, vom 1. August 2011 - 1 B 186/11 -, juris, vom 18. August 2010 - 6 B 868/10 -, vom 13. Oktober 2009 - 6 B 1232/09 -, a. a. O., und vom 26. November 2008 - 6 B 1416/08 -, ZBR 2009, 274; Nds. OVG, Beschluss vom 7. Februar 2013 - 5 ME 256/12 -, juris
25Diesen Anforderungen an die Dokumentationspflicht hat die Antragsgegnerin - im Hinblick auf den hier im Rechtsamt zu besetzenden Dienstposten - nicht ansatzweise genügt. Dem vorgelegten Stellenbesetzungsvorgang ist in keiner Weise nachvoll-ziehbar zu entnehmen, weshalb die Antragsgegnerin im Verhältnis zwischen der An-tragstellerin und der Beigeladenen im Vorfeld des Vorstellungsgesprächs von im Wesentlichen gleich qualifizierten Bewerbern ausgegangen ist. Beide Bewerberinnen hatten in ihren aktuellen dienstlichen Beurteilungen zwar einen Gesamtwert von 4,7 (= ausgezeichnet) erreicht. Ein (Auswahl- oder Zwischen-)Vermerk, in dem nachfol-gend eine nachvollziehbare inhaltliche Ausschöpfung der aktuellen Beurteilungen der Konkurrentinnen durch die Antragsgegnerin vorgenommen wurde, fehlt indes voll-ständig. In dem Vermerk über den „Abschluss des Auswahlverfahrens Ausschrei-bung 86/2013-30“ vom 8. Januar 2014 ist ausgeführt: „(…) Von Frau L. existiert eine Beurteilung vom 23.04.2012, die den Gesamtwert 4,7 ergeben hat. Frau L. wurde daher einvernehmlich für die Besetzung der Stelle ausgewählt. (…)“. Diese Ausführungen genügen nicht ansatzweise dem Mindestmaß an schriftlicher Fixierung der maßgeblichen Auswahlerwägungen im Rahmen einer Auswahlentscheidung. Die Antragstellerin hatte in ihrer aktuellen Beurteilung ebenfalls den Gesamtwert 4,7 er-reicht. Es hätte insoweit einer Auseinandersetzung mit den Einzelfeststellungen in den aktuellen dienstlichen Beurteilungen - und im Falle eines Leistungsgleichstandes ggfs. einer Auswertung früherer Beurteilungen - sowie einer schriftlichen Fixierung dieser Einschätzungen bedurft, um die Auswahlerwägungen der Antragsgegnerin nachvollziehen zu können. Stattdessen hat die Antragsgegnerin maßgeblich auf das ca. 20-minütige Vorstellungsgespräch der Bewerberinnen abgestellt. Hierzu ist in dem Vermerk vom 8. Januar 2014 ausgeführt: „(…) Aus der beiliegenden Matrix geht hervor, dass Frau L. mit Abstand das beste Vorstellungsgespräch absol-viert hat.“ Die Ergebnisse eines Auswahlgesprächs können jedoch lediglich nur zur Abrundung des aus den dienstlichen Beurteilungen (sowohl der aktuellen als auch ggfs. der älteren Beurteilungen der Bewerber) herangezogen werden. An einer hin-reichend qualifizierten, schriftlich dokumentierten Auseinandersetzung mit den Ein-zelergebnissen der Beurteilungen und ggfs. mit den Ergebnissen älterer Beurteilun-gen fehlt es hier vollständig. Eine solche Auswertung lässt sich insbesondere weder dem in dem Stellenbesetzungsvorgang enthaltenen „Bewerberspiegel“ noch der sog. „Matrix“ zum Vorstellungsgespräch entnehmen. Soweit die Antragsgegnerin erst in der Antragserwiderung vom 11. März 2014 - also während des gerichtlichen Verfahrens - Ausführungen zur inhaltlichen Ausschöpfung der aktuellen Beurteilun-gen der Antragstellerin und der Beigeladenen sowie zu früheren Beurteilungen gemacht hat, genügt dies nicht den Anforderungen an die Dokumentationspflicht, denn die maßgeblichen Auswahlerwägungen müssen bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens erfolgen. Sie können nicht erstmalig oder in ausgewechselter Form im gerichtlichen Verfahren nachgeschoben werden.
26Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. August 2011 - 6 B 600/11 -, IÖD 2011, 244.
27Denn mit Blick auf die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bestehende Darlegungslast für den jeweiligen Antragsteller ist dieser maßgeblich auf die Kennt-nis der wesentlichen Auswahlerwägungen angewiesen. Es ist ihm nicht zuzumuten, die Auswahlentscheidung gewissermaßen „ins Blaue hinein“ in einem gerichtlichen Eilverfahren anzugreifen, um dann erst in diesem Verfahren die tragenden Erwägun-gen der angefochtenen Auswahlentscheidung in Erfahrung zu bringen. Eine vollstän-dige Nachholung oder Auswechslung der Auswahlerwägungen während des gericht-lichen Verfahrens - wie hier - widerspricht im Übrigen auch den Grundsätzen, die die Rechtsprechung zu § 114 Satz 2 VwGO für das Nachschieben von Ermessenserwä-gungen aufgestellt hat.
28Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. März 2013 - 1 B 185/13 -, a. a. O., m. w. N.
29b.) Zum anderen ist der Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin – unab-hängig von den Ausführungen zu a) - auch durch die von der Antragsgegnerin vor-genommene Aus- und Bewertung der vorliegenden dienstlichen Beurteilungen ver-letzt worden.
30Für Qualifikationsvergleiche im Rahmen von Auswahlentscheidungen sind in erster Linie aktuelle dienstliche Beurteilungen maßgebend, die den gegenwärtigen Leis-tungsstand der Konkurrenten abbilden.
31Vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2003 - 2 BvR 311/03 -, DVBl. 2003, 1524; OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2001 - 1 B 704/01 -, NVwZ-RR 2002, 113.
32Bei gleichem Gesamturteil hat der Dienstherr in einem nächsten Schritt die aktuellen Beurteilungen zunächst umfassend inhaltlich auszuwerten und Differenzierungen in der Bewertung einzelner Leistungskriterien oder in der verbalen Gesamtwürdigung zur Kenntnis zu nehmen (sog. Binnendifferenzierung bzw. innere Ausschöpfung).
33Ergibt sich nach diesem Vergleich eine im Wesentlichen gleiche Beurteilungslage kann der Dienstherr auch auf ältere Beurteilungen abstellen. Es handelt sich auch insoweit um Erkenntnisse, die über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Beurteilten Aufschluss geben. Zwar verhalten sie sich nicht zu dessen nunmehr er-reichtem Leistungsstand in seinem derzeitigen statusrechtlichen Amt. Gleichwohl können sie insbesondere Rückschlüsse auf die Leistungsentwicklung, Charakterei-genschaften, Kenntnisse, Fähigkeiten etc. ermöglichen.
34Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2003 - 2 C 16.02 -, Schütz, BeamtR ES/A II 1.4 Nr. 98.
35Erst wenn alle unmittelbar leistungsbezogenen Erkenntnisquellen ausgeschöpft sind und die Bewerber "im Wesentlichen gleich" einzustufen sind, kann der Dienstherr in einem weiteren Schritt Hilfskriterien heranzuziehen. So kann der Dienstherr z.B. der dienstlichen Erfahrung oder der Verwendungsbreite besondere Bedeutung beimessen.
36Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. November 2012 – 2 VR 5.12 -, Schütz, BeamtR ES/A II 1.4 Nr. 219.
37Eine Berücksichtigung der Ergebnisse von Vorstellungs- bzw. Auswahlgesprächen oder Assessment-Centern neben der dienstlichen Beurteilung kommt allenfalls er-gänzend in Betracht, wenn bei einem Beurteilungsgleichstand sonst eine „Pattsituati-on“ entstehen würde. Entscheidend ist insoweit, dass Vorstellungsgespräche, Assessment-Center etc. - jedenfalls bei internen Bewerbern - gegenüber dienstlichen Beurteilungen nur eine begrenzte Aussagekraft haben. Denn diese Verfahren stellen nur eine Momentaufnahme dar und können hinsichtlich der nach Art. 33 Abs. 2 GG erforderlichen Erkenntnisgewinnung nur einen Teil der Leistungsanforderungen ab-decken, während sich dienstliche Beurteilungen auf einen längeren Zeitraum erstre-cken, in dem der Beamte den konkreten und vielfältigen Anforderungen seines Am-tes gerecht werden musste, und bieten demgemäß eine profunde, gesicherte Grund-lage für die prognostische Feststellung der Eignung eines Bewerbers hinsichtlich des konkret zu besetzenden Dienstpostens.
38Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 29. November 2013 - 6 B 1193/13 -, a. a. O., und vom 23. März 2010 - 6 B 133/10 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 17. Mai 2013 - 3 CE 12.2469 -, BayVBl. 2014, 84.
39In Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin als rechtswidrig.
40Die Antragsgegnerin hat in ihrem Vermerk über den „Abschluss des Auswahlverfah-rens Ausschreibung 86/2013-30“ maßgeblich darauf abgestellt, dass die Beigeladene das „beste Vorstellungsgespräch“ absolviert und in ihrer Beurteilung vom 23. April 2012 den Gesamtwert 4,7 erhalten habe. Fehlerhaft ist insoweit, dass die Antrags-gegnerin lediglich das Gesamtergebnis der aktuellen dienstlichen Beurteilungen in den Blick genommen hat und sodann aufgrund des von ihr angenommenen Qualifi-kationsgleichstandes das Vorstellungsgespräch als ausschlaggebend angesehen hat. Die Antragsgegnerin wäre vielmehr gehalten gewesen, vorrangig die Einzelfest-stellungen der Beurteilungen der Antragstellerin und der Beigeladenen daraufhin zu würdigen, ob sich ihnen Anhaltspunkte für einen Qualifikationsvorsprung eines Be-werbers entnehmen lassen. Dies gilt zunächst für die aktuellen Beurteilungen und - wenn nicht bereits auf dieser Ebene ein Qualitätsvorsprung feststellbar ist - subsidiär für ältere Beurteilungen.
41Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. März 2010 - 6 B 133/10 -, a. a. O.
42Eine derartige Ausschöpfung hat die Antragsgegnerin ausweislich des vorgelegten Stellenbesetzungsvorgangs nicht vorgenommen. Indem die Antragsgegnerin in dem Vermerk über den „Abschluss des Auswahlverfahrens Ausschreibung 86/2013-30“ lediglich ausgeführt hat, dass die Beigeladene in der aktuellen Beurteilung einen Ge-samtwert von 4,7 erreicht habe, zeigt sich, dass eine Binnendifferenzierung hinsicht-lich der Beurteilungen gerade nicht vorgenommen wurde. In diesem Zusammenhang hat die Antragsgegnerin auch verkannt, dass das mit der Antragstellerin und der Bei-geladenen geführte Vorstellungsgespräch für sich allein keine tragfähige Grundlage für die Auswahlentscheidung bietet. Ein Auswahlgespräch kann - wie bereits oben ausgeführt - lediglich zur Abrundung des sich aus den dienstlichen Beurteilungen ergebenden Leistungs- und Eignungsbildes herangezogen werden, wenn bei einem Beurteilungsgleichstand sonst eine „Pattsituation“ bestehen würde. Dass auch nach Ausschöpfung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen und im Weiteren der Hinzu-ziehung auch älterer Beurteilungen von einem Leistungsgleichstand der Antrag-stellerin und der Beigeladenen auszugehen war und ist, ist zum einen - wie bereits oben dargestellt - im Stellenbesetzungsvorgang nicht hinreichend dokumentiert wor-den und erschließt sich zum anderen auch auf der Basis der Einzelbewertungen in den aktuellen dienstlichen Beurteilungen nicht ohne Weiteres. Die aktuellen Beurtei-lungen der Antragstellerin und der Beigeladenen basieren auf einem 5-stufigen No-tensystem [5=übertrifft die Anforderungen weit (ausgezeichnet), 4=übertrifft die An-forderungen (sehr gut), 3=entspricht den Anforderungen voll (gut), 2=entspricht den Anforderungen weitgehend (weitgehend befriedigend), 1=entspricht den Anforderun-gen teilweise (teilweise ausreichend)], wobei noch eine Gewichtung der Merkmale im Hinblick auf den konkreten Arbeitsplatz vorgenommen wurde. Die Beigeladene er-reichte unter der Rubrik „1. Arbeitsweise/-ergebnisse“ nur in der Unterrubrik „Qualität“ eine Bewertung mit „5“, ansonsten im Hinblick auf „Quantität“ und „Wirtschaftlichkeit“ lediglich eine „4“, während die Antragstellerin im Hinblick auf diese Beurteilungsrubrik durchweg in allen drei Unterrubriken eine Bewertung mit „5“ - also der Bestnote – er-hielt. Während sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene in der Rubrik „2. Sozialverhalten“ durchweg die Bestnote „5“ erhielten, wurde die Antragstellerin mit entsprechendem Gewichtungsfaktor auch in der Rubrik „3. Führung“ beurteilt und erhielt in der Unterrubrik Steuerung eine Bewertung mit „5“ und im Hinblick auf „Mit-arbeiterinneneinschätzung“ und „Förderung“ je eine „4“. Die Beigeladene wurde demgegenüber in der Rubrik „3. Führung“ nicht beurteilt. In der Rubrik „4. Befähi-gung“ erhielt die Antragstellerin in fünf von sechs Unterrubriken („Auffassungsgabe“, „Zielstrebigkeit“, „Aufgeschlossenheit“, „Selbständigkeit“ und „Belastbarkeit“) je eine Bewertung mit der Bestnote „5“ und nur in der Unterrubrik „Kontaktfreude“ eine „4“. Die Beigeladene erhielt demgegenüber nur in vier Unterrubriken eine Bewertung mit „5“ und in den Bereichen „Zielstrebigkeit“ und „Belastbarkeit“ eine „4“. Die Antrag-stellerin ist damit in der Rubrik „1. Arbeitsweise/-ergebnisse“ im Gegensatz zu der Beigeladenen in zwei Unterrubriken und in der Rubrik „4. Befähigung“ in einer Unter-rubrik besser beurteilt worden, wobei gerade der Unterrubrik „Belastbarkeit (zeigt unter Beanspruchung Ausdauer, emotionale Beherrschung und Ruhe)“ - in der die Antragstellerin eine bessere Einzelbewertung als die Beigeladene erhielt - bei objek-tiver Betrachtung ein gewisses Gewicht für die ausgeschriebene Stelle zukommen wird. Inwiefern und aufgrund welcher Erwägungen die Antragsgegnerin bereits auf der Basis der aktuellen Beurteilungen von einem Leistungsgleichstand ausgegangen ist und ausgehen konnte, ist auf der Basis des beigezogenen Stellenbesetzungsvor-gangs nicht nachvollziehbar und nicht plausibel. Will der Dienstherr sich aufdrängen-den oder zumindest nahe liegenden Unterschieden in den dienstlichen Beurteilungen keine Bedeutung beimessen, so trifft ihn insoweit eine Begründungs- und Substantiieungspflicht.
43Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. August 2011 – 1 B 186/11 - , juris.
44Diesen Anforderungen ist die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall nicht nachgekommen.
45c. Insbesondere mit Blick auf das Erfordernis der inhaltlichen Ausschöpfung der ak-tuellen Beurteilungen und der inhaltlichen - schriftlich zu fixierenden – Auseinander-setzung mit der Bewertung der einzelnen Leistungskriterien erscheint es (zumindest) möglich, dass der Dienstposten im Falle einer fehlerfreien Wiederholung des Aus-wahlverfahrens an die Antragstellerin vergeben wird. Dass sie von vornherein in ei-nem erneuten Auswahlverfahren chancenlos wäre, lässt sich nicht feststellen.
462. Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Dieser scheitert nicht daran, dass es im Streitfall nur um die Konkurrenz um einen Dienst-posten geht, der (jedenfalls) für die Antragstellerin keinen Beförderungsdienstposten darstellt. Zwar kann die Übertragung des Dienstpostens wieder rückgängig gemacht werden, wenn sich in einem Hauptsacheverfahren die Rechtswidrigkeit der Auswahl-entscheidung herausstellen sollte. Der Antragstellerin droht jedoch ein wesentlicher Nachteil dadurch, dass auch bei Zugrundelegung einer Umsetzungsentscheidung, bei der sich der Dienstherr - wie hier - dem Leistungsgrundsatz unterworfen hat, die Übertragung des streitigen Dienstpostens für die ausgewählte Beigeladene (ggfs. bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens) einen Erfahrungs- und Eignungsvorsprung vermittelt, der im Falle einer erneuten Auswahlentscheidung zu berücksichtigen wäre. Ein solcher Eignungs- und Erfahrungsvorsprung kann bei ei-ner späteren, neuen Auswahlentscheidung nicht ausgeblendet werden.
47Vgl. auch: OVG NRW, Beschlüsse vom 26. November 2013 - 1 B 691/13, IÖD 2014, 50, und vom 13. Oktober 2009 - 6 B 1232/09 -, a. a. O.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12. Dezember 2013 - 4 S 2153/13 -, IÖD 2014, 62; SächsOVG, Beschluss vom 13. November 2013 - 2 B 347/13 -, juris; ThürOVG Beschluss vom 27. November 2012 - 2 EO 472/12 -, ThürVBl. 2013, 157, VG Düsseldorf, Beschluss vom 9. August 2013 - 13 L 724/13 -, juris; VG Weimar, Beschluss vom 15. März 2013 - 1 E 1151/12 -, juris.
48Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO, wo-bei berücksichtigt worden ist, dass die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat.
49Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. 52 Abs. 2 GKG. Der sich danach ergebende Auffangwert von 5.000,00 Euro ist im Hinblick auf den im Eilrechtsschutz lediglich angestrebten Sicherungszweck um die Hälfte - mithin auf 2.500,00 Euro - zu reduzieren. Die spezielle Vorschrift des § 52 Abs. 5 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 1 GKG ist nicht einschlägig. Das Begehren der Antragstellerin ist im Kern nicht auf die Verleihung eines anderen Amtes im Sinne dieser Vorschrift gerichtet. Hiermit ist nur die Verleihung eines statusrechtlich anderen Amtes mit - wie im Falle der Beförderung - besoldungsmäßigen Auswirkungen gemeint.
50Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Juni 2013 - 6 E 505/13 - und vom 9. Januar 2013 - 6 B 1125/12 -, a. a. O.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
- 1
Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Rundfunkbeiträgen.
- 2
Der Kläger ist seit April 2002 als Rundfunkteilnehmer gemeldet (Teilnehmernummer ...). Bis zum 31. Dezember 2012 war der Kläger mit einem Radio bei der Gebühreneinzugszentrale (ab 1. Januar 2013: Beitragsservice) gemeldet. Das Gebühren- bzw. Beitragskonto des Klägers war bis zum 31. Dezember 2012 ausgeglichen. Zum 1. Januar 2013 stellte der Kläger die Zahlungen an den Beklagten ein.
- 3
Mit Beitragsbescheid vom 5. Juli 2013 setzte der Beklagte Rundfunkbeiträge für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis 31. März 2013 in Höhe von 53,94 Euro sowie einen Säumniszuschlag in Höhe von 8,-- Euro, insgesamt 61,94 Euro fest.
- 4
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 15. Juli 2013 Widerspruch. Der Beitragsbescheid sei rechtswidrig. Die gesetzlichen Grundlagen für den Rundfunkbeitrag seien verfassungswidrig. Die als Rundfunkbeitrag bezeichnete Abgabe sei kein Beitrag, sondern eine Steuer. Den Ländern fehle die Gesetzgebungskompetenz für die Regelung einer Rundfunksteuer. Zudem verstoße der Rundfunkbeitrag in mehrfacher Hinsicht gegen das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG): Erstens würden Personen, die über keine Rundfunkempfangsgeräte verfügten, und Personen, die über solche Geräte verfügten, gleichermaßen Rundfunkbeiträge zahlen müssen. Zweitens wären Personen, die lediglich über ein Radio und kein Fernsehgerät verfügten, verpflichtet, den gleichen Rundfunkbeitrag zu zahlen wie Personen, die über mehrere verschiedene Rundfunkempfangsgeräte verfügten. Drittens sei für Fahrzeuge, die beruflich genutzt würden, ein Rundfunkbeitrag zu zahlen, während dieser für privat genutzte Fahrzeuge nicht zu zahlen sei.
- 5
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2013 wies der Beklagte den Widerspruch zurück: Es sei nicht ersichtlich, dass die Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags verfassungswidrig seien. Der Rundfunkbeitrag sei keine Steuer. Dieser entgelte das Leistungsangebot, das Hörfunk- und Fernsehprogramm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den abgabenpflichtigen Raumeinheiten jederzeit empfangen zu können. Auch fließe der Rundfunkbeitrag nicht in den allgemeinen Staatshaushalt, sondern werde direkt an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten entrichtet. Der Rundfunkbeitrag verstoße auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Angesichts der Durchdringung des privaten Bereichs mit Rundfunkempfangsgeräten sei es gerechtfertigt, die Beitragspflicht typisierend an das Innehaben der Wohnung zu knüpfen. Die einheitliche Höhe des Rundfunkbeitrags im privaten Bereich sei zulässig und sachlich gerechtfertigt. Eine Differenzierung der Beitragshöhe wäre mit hohem Verwaltungsaufwand verbunden. Eine nach der Zahl der Bewohner differenzierende Regelung wäre dagegen nicht praktikabel, weil die Zahl der Bewohner sich ständig ändern könne.
- 6
Der Kläger hat am 19. Dezember 2013 Klage erhoben: Der Beitragsbescheid sei rechtswidrig. Der Beklagte sei als Rundfunkanstalt keine Behörde und könne keine Bescheide erlassen. Die Rechtsgrundlage der Beitragserhebung – der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag – verstoße gegen das Grundgesetz. Diese Ansicht werde durch mehrere Rechtsgutachten und Veröffentlichungen gestützt:
- 7
Das Zustimmungsgesetz des Landesgesetzgebers zum Rundfunkbeitragsstaatsvertrag sei formell verfassungswidrig. Dem Landesgesetzgeber fehle die Gesetzgebungskompetenz. Der Rundfunkbeitrag sei eine Zwecksteuer und damit eine Steuer im Sinne von § 3 Abs. 1 AO. Die Gesetzgebungskompetenz für eine bundesweite Steuer liege nach den Art. 105 ff. GG allein beim Bund. Die Landesparlamente hätten dagegen nicht die Kompetenz, eine Rundfunksteuer zu erlassen. Der als solcher bezeichnete Rundfunkbeitrag erfülle alle Elemente einer Steuer. Es handele sich um eine Geldleistung, die keine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstelle und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werde. Der mit dem Rundfunkbeitrag erfasste Vorteil liege in der Nutzbarkeit des Programmangebots des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der Rundfunkbeitrag knüpfe aber gerade nicht an die Inanspruchnahme des Angebots an. Durch diesen Anknüpfungspunkt werde der Beitrag zu einer verkappten Steuer, die Wohnungs- und Betriebsstätteninhaber einzeln und unabhängig von Nutzen und Nutzung mehrfach belaste. Da der Landesgesetzgeber mit seiner Zustimmung zum Rundfunkbeitragsstaatsvertrag außerhalb seiner Gesetzgebungszuständigkeit gehandelt habe, liege zugleich ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip vor.
- 8
Der Rundfunkbeitrag verletze den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Es liege eine sachlich nicht gerechtfertigte Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte vor. Jeder Haushalt müsse den gleichen Rundfunkbeitrag zahlen, unabhängig davon, ob und wie viele Rundfunkempfangsgeräte dort bereitgehalten würden. Damit müssten auch Haushalte ohne Rundfunkempfangsgeräte den vollen Rundfunkbeitrag zahlen. Die Entscheidung des Einzelnen, das öffentlich-rechtliche Rundfunkangebot nicht zu nutzen, sei aber aufgrund der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG zu respektieren. Nach den Angaben des Statistischen Bundesamts hätten im Jahr 2011 3,8 % – also rund eine Million Haushalte – über kein Fernsehgerät verfügt. Die ungerechtfertigte Gleichbehandlung betreffe damit eine große Zahl von Haushalten. Zudem müsse eine pauschalierende Regelung sachgerecht sein. Wenn überhaupt, müsse der Rundfunkbeitrag an die Person und nicht die Raumeinheit anknüpfen. Nur eine Person selbst könne das Rundfunkangebot nutzen. Anderenfalls müsse eine Person mit zwei Haushalten den Rundfunkbeitrag zweifach zahlen, obwohl sie das Angebot jeweils nur in einer Wohnung nutzen könne. Zudem hätten im Jahr 2011 insgesamt 16,3 Millionen Personen – das entspreche 40,4 % aller Haushalte – in einem Einpersonenhaushalt gelebt. Durch die neue pauschalierende Regelung würden die Einpersonenhaushalte, somit fast die Hälfte aller Haushalte, pro Kopf deutlich mehr zahlen müssen als alle anderen. Eine Typisierung bzw. Pauschalierung sei jedoch nur gerechtfertigt, wenn sie eine kleine Anzahl von Personen betreffe. Das sei hier nicht der Fall. Zudem führe der Rundfunkbeitrag im nicht privaten Bereich bei Unternehmen zu erhöhten Kosten, die letztlich der Endverbraucher mittragen müsse.
- 9
Der Rundfunkbeitrag verletze die Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG). Die negative Informationsfreiheit umfasse das Recht, bestimmte Programmangebote nicht zu nutzen. Der Rundfunkbeitrag zwinge ihn, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mitzufinanzieren, obwohl er diesen nicht nutze. Damit erhalte er keine angemessene Gegenleistung für den Rundfunkbeitrag. Zudem werde der Zugang zu anderen Bildungs- und Informationsquellen beschränkt, da die für den Rundfunkbeitrag gezahlten Mittel insoweit nicht zur Verfügung stünden.
- 10
Der Rundfunkbeitrag verletze die Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG). Durch den Rundfunkbeitrag werde er als Atheist gezwungen, Sendeplattformen von und für Religionsgemeinschaften – wie die Übertragung von Gottesdiensten, Predigten oder Sendungen wie das „Wort zum Sonntag“ – mitzufinanzieren.
- 11
Der Rundfunkbeitrag verletze das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG). Jeder Inhaber einer Wohnung oder eines Betriebs werde in einem bundesweiten, zentralen Register erfasst. Dies sei den Meldebehörden nicht gestattet. Zudem würden persönliche, für den Rundfunkbeitrag unerhebliche Merkmale wie der Doktortitel erfasst.
- 12
Der Rundfunkbeitrag stelle in seiner jetzigen Form auch einen unzulässigen Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung und die allgemeine Handlungsfreiheit dar (Art. 13 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG). Die Wahl und Ausübung des Wohnrechts würden durch eine zusätzliche „Miete“ in Form des Rundfunkbeitrags eingeschränkt.
- 13
Der Rundfunkbeitrag werde zudem für zweckentfremdete Leistungen verwendet, die nicht mehr zeitgemäß seien. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk biete ein Vielfaches mehr an als seinem Bildungsauftrag und der Grundversorgung entspreche. Die Landschaft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bestehe aus rund 100 Sendern, etwa ein Viertel davon seien Fernsehsender, der Rest Radiosender. Zudem werde für nahezu jede Sendung eines Programms ein begleitender Internetauftritt angeboten, wodurch es mehrere tausend Internetpräsenzen gebe. Eine solche Vielzahl von Fernseh- und Radiosendern sei für den Bildungsauftrag und die Grundversorgung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht erforderlich. Es sei bereits fraglich, ob überhaupt noch eine mediale Grundversorgung notwendig sei, bzw. welche Bereiche diese abdecken müsste. Diese Frage sei mit der Einführung eines haushaltsbezogenen Rundfunkbeitrags in keiner Weise geklärt worden. Es sei nicht zu erkennen, wozu der Rundfunkbeitrag diene und was mit der Grundversorgung abgedeckt werde. Die Entscheidung über die Verwendung der Rundfunkbeiträge liege allein bei den Mächtigen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Eine Reduzierung der Kosten sei vor diesem Hintergrund nicht zu erwarten. Vielmehr sei in der Zukunft von Beitragserhöhungen auszugehen. Der Rundfunkbeitrag werde zudem vornehmlich verwendet für Unterhaltungssendungen, Spielfilme und Sportübertragungen. Wer diese Programmangebote, die nicht zur Grundversorgung zählten, beziehen wolle, müsse dies auch gesondert bezahlen. Eine solche verbrauchsabhängige Finanzierung sei inzwischen technisch ohne Weiteres möglich.
- 14
Der Rundfunkbeitrag sei europarechtswidrig. Es handele sich um eine neue Beihilfe im Sinne von Art. 107 AEUV. Damit sei die Einführung der Beihilfe erst nach Notifizierung und Prüfung durch die Kommission zulässig.
- 15
Der Kläger beantragt,
- 16
1. den Beitragsbescheid des Beklagten vom 5. Juli 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2013 aufzuheben;
- 17
2. festzustellen, dass zwischen ihm und dem Beklagten kein Rundfunkbeitragsverhältnis besteht, das seine Beitragspflicht beinhaltet.
- 18
Der Beklagte beantragt,
- 19
die Klage abzuweisen.
- 20
Der Beklagte verweist zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid. Er führt ergänzend aus: Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag und das diesen ratifizierende Landesgesetz stellten eine verfassungskonforme Gesetzesgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrags dar. Die Landesverfassungsgerichte des Landes Rheinland-Pfalz und des Landes Bayern hätten nunmehr entschieden, dass die Erhebung von Rundfunkbeiträgen im privaten Bereich für jede Wohnung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Der Rundfunkbeitrag sei keine Steuer, sondern eine Vorzugslast. Die Länder seien insoweit gesetzgebungsbefugt. Beiträge würden für die Möglichkeit der Benutzung einer Einrichtung oder der Ausnutzung besonderer Vorteile erhoben. Auf die faktische Nutzung komme es nicht an. Eine solche individuell zurechenbare Leistung sei die Möglichkeit der Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Nutzungsmöglichkeit werde bei der Inhaberschaft einer Wohnung oder Betriebsstätte vermutet. Hierin liege die Gegenleistung für den Rundfunkbeitrag. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege nicht vor. Der Gesetzgeber habe durch das Anknüpfen an die Raumeinheit (Wohnung, Betriebsstätte) die Grenzen einer zulässigen Typisierung gewahrt. Erst wenn 10 % oder mehr der Einzelfälle von den typischen gesetzgeberischen Maßnahmen abwichen, sei eine solche typisierende Regelung als unzulässig anzusehen. Das sei hier nicht der Fall. Nach den Angaben des Statistischen Bundesamts verfügten 97 % der Haushalte über mindestens ein Fernsehgerät, 96 % über mindestens ein Radio und 77 % über einen internetfähigen PC, wobei bereits jetzt 98,3 % dieser Haushalte Zugang zu schnelleren Breitband-Internetverbindungen hätten. Der Zusammenhang zwischen Raumeinheit (Wohnung, Betriebsstätte) und Vorteil (Nutzungsmöglichkeit) sei so evident, dass eine Beitragspflicht hieran geknüpft werden könne. Der Kläger verweise zwar auf empirische Erhebungen zur Anzahl der Haushalte, in denen kein Fernsehgerät vorhanden sei. Dies sage aber über die Nutzung des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks nichts aus. Das Programmangebot könne auch über einen Computer oder einen Tablet-PC genutzt werden. Auch im Hinblick auf das Maß der Belastung von Einpersonenhaushalten liege kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz vor. Angesichts der Omnipräsenz von Rundfunkempfangsgeräten im privaten Bereich sei es gerechtfertigt, die Beitragspflicht typisierend an das Innehaben der Wohnung zu knüpfen. Eine Unterscheidung, die ansetze bei der Zahl der im Haushalt lebenden Personen, würde den Verwaltungsaufwand enorm steigern. Hierfür würden zusätzliche Angaben erhoben, gespeichert, verifiziert und regelmäßig aktualisiert werden müssen. Ein solcher Aufwand wäre – unabhängig von datenschutzrechtlichen Bedenken – mit Blick auf die geringen Monatsbeiträge unverhältnismäßig. Zudem wäre eine Unterscheidung nach der Zahl der Bewohner nicht praktikabel, da sich die Zahl der Bewohner in einem Haushalt ständig ändere und sich die Angaben kaum belegen ließen. Eine mit solchen Unsicherheiten behaftete Finanzierungsgrundlage wäre nicht geeignet, die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherzustellen. Nicht durchdringen könne der Kläger mit seinem Einwand, dass der Umfang des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht mehr dem Grundauftrag entspreche. Der Begriff des Grundauftrags sei nicht abschließend definiert. Er bezeichne weder eine Mindestversorgung noch nehme er eine Grenzziehung zwischen einem informierenden und einem unterhaltenden Programmangebot vor. Es handele sich um einen offenen Begriff. Der Kläger belege insoweit nicht, dass die Programmgestaltung dem so zu verstehenden Grundauftrag nicht mehr gerecht werde. Die weiteren behaupteten Grundrechtsverstöße seien ebenfalls nicht gegeben: Ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit unter dem Gesichtspunkt des „Zwangsbeitrags“ liege nicht vor. Die Ausgestaltung des Rundfunkbeitrags entspreche der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Rundfunkfreiheit gebiete eine Finanzierung, die den Rundfunkanstalten die Erfüllung ihres öffentlichen Auftrags ermögliche. Eine Verletzung der (negativen) Informationsfreiheit liege ebenfalls nicht vor. Den Beitragsschuldnern würden keine Informationen aufgedrängt. Es werde kein Zwang ausgeübt, die Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu nutzen. Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag verstoße – insbesondere durch die Regelungen in § 8 Abs. 4, 5 RBStV und § 14 Abs. 9 RBStV – auch nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die nach § 8 Abs. 4, 5 RBStV anzuzeigenden Daten seien für den Beitragseinzug erforderlich. Die Herausgabe der Daten sei zumutbar. Sie berühre den einzelnen Beitragsschuldner nur in geringem Umfang und diene allein der Beitragserhebung. Die Daten würden nicht an Dritte weitergegeben und unterlägen den allgemeinen datenschutzrechtlichen Bedingungen. Auch das Recht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung werde durch den Rundfunkbeitrag nicht berührt. Insoweit sei schon der Schutzbereich nicht eröffnet. Mit der Erhebung der Rundfunkbeiträge werde nicht in den persönlichen Lebensraum der Beitragsschuldner eingegriffen. Der Kläger werde durch die Erhebung des Rundfunkbeitrags auch nicht in seiner Religionsfreiheit betroffen. Er, der Beklagte, sei nach § 42 Abs. 1 RStV verpflichtet, den Evangelischen und Katholischen Kirchen sowie den Jüdischen Gemeinden auf Wunsch angemessene Sendezeiten zur Verfügung zu stellen. Die Einbeziehung der Kirchen und Gemeinden zähle zur Gesamtheit des gesellschaftlichen Bildes. Die negative Religionsfreiheit des Klägers werde hierdurch nicht berührt, da es ihm freistehe, ob und welche Angebote er wahrnehme. Schließlich liege auch kein Verstoß gegen europarechtliche Vorgaben vor. Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stelle nach Ansicht der Kommission eine zulässige Beihilfe dar. Es handele sich um eine Altbeihilfe, die nicht notifizierungsbedürftig sei.
- 21
Wegen der weiteren Einzelheiten wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Sachakten des Beklagten, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
I.
- 22
Der zulässige Antrag zu 1) hat in der Sache keinen Erfolg.
- 23
Der Beitragsbescheid vom 5. Juli 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2013 ist rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat die Rundfunkbeiträge für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis zum 31. März 2013 einschließlich eines Säumniszuschlags in Höhe von insgesamt 61,94 Euro zu Recht erhoben.
- 24
1. Rechtsgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrags in Höhe von monatlich 17,98 Euro sind die Regelungen in §§ 2 Abs. 1, 7 Abs. 1, 10 Abs. 5 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) i. V. m. § 8 Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag (RFinStV). Nach § 2 Abs. 1 RBStV ist im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum Inhaber einer Wohnung im Sinne von §§ 2 Abs. 2, 3 Abs. 1 RBStV. Er war und ist Bewohner der Wohnung ... in Hamburg. Der Beklagte war als Anstalt des öffentlichen Rechts gemäß § 10 Abs. 5 Satz 1 RBStV berechtigt, die rückständigen Rundfunkbeiträge durch Bescheid festzusetzen. Die Rundfunkbeiträge für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis zum 31. März 2013 waren bei Erlass des Beitragsbescheids trotz Fälligkeit gemäß § 7 Abs. 3 RBStV noch nicht gezahlt worden und damit rückständig.
- 25
Die Festsetzung des Rundfunkbeitrags verstößt nicht gegen höherrangige verfassungsrechtliche und europarechtliche Vorgaben. Die durch den Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag neu gefassten Rechtsgrundlagen des Rundfunkbeitrags sowie das Zustimmungsgesetz der Freien und Hansestadt Hamburg zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 15. Februar 2011 (Gesetz zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, HmbGVBl. 2011, S. 63 ff.) sind mit verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Vorgaben zu vereinbaren.
- 26
a. Das Zustimmungsgesetz zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag verletzt nicht Art. 70 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 105, 106 GG. Die Freie und Hansestadt Hamburg besitzt die Gesetzgebungskompetenz für die Erhebung von Abgaben zur Rundfunkfinanzierung. Diese hat ihre Gesetzgebungskompetenz durch die Neuregelung des Rundfunkabgabenrechts nicht überschritten.
- 27
Die Gesetzgebungskompetenz für Steuern begründet Art. 105 GG als spezielle finanzverfassungsrechtliche Norm. Für nichtsteuerliche Abgaben, wie Gebühren und Beiträge als sogenannte Vorzugslasten, sind die Gesetzgebungskompetenzen aus den allgemeinen Regelungen der Art. 70 ff. GG für die betroffene Sachmaterie herzuleiten. Diese steht für den Bereich des Rundfunks den Ländern zu.
- 28
Steuern im Sinne des Grundgesetzes sind alle einmaligen oder laufenden Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere staatliche Leistung darstellen, sondern die von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen – obschon gegebenenfalls zweckgebunden – zur Erzielung von Einkünften zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (BVerfG, Beschl. v. 12.10.1978, 2 BvR 154/74, juris Rn. 43, m. w. N.; vgl. § 3 Abs. 1 AO). Dagegen sind Gebühren das Entgelt für die tatsächliche Inanspruchnahme besonderer Leistungen der öffentlichen Hand durch den Einzelnen und Beiträge dessen Beteiligung an den Kosten einer öffentlichen Einrichtung, die ihm besondere Vorteile gewährt, ohne dass es darauf ankommt, ob er diese auch tatsächlich wahrnimmt. Gebühren und Beiträge dienen damit dem Ausgleich besonderer staatlich gewährter Vorteile (Vorzugslasten). Maßgebliches Abgrenzungskriterium der Steuer von den Vorzugslasten (Gebühren und Beiträge) ist danach, ob das Ziel der Abgabenfinanzierung und der Belastungsgrund im Verhältnis von Leistung – in Gestalt der Gewährung eines zumindest potenziellen Vorteils für den Abgabenpflichtigen – und Gegenleistung stehen oder ob die Geldleistungspflicht „voraussetzungslos“, d. h. ohne Rücksicht auf eine korrespondierende Maßnahme der öffentlichen Hand, auferlegt wird (BVerfG, Beschl. v. 25.6.2014, 1 BvR 668/10 u. a., juris Rn. 43; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urt. v. 13.5.2014, VGH B 35/12, juris Rn. 88 f., m. w. N. zur st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts).
- 29
Nach dieser Maßgabe ist der Rundfunkbeitrag nicht als Steuer zu qualifizieren (eingehend: BayVerfGH, Urt. v. 15.5.2014, Vf. 8-VII-12 u. a., juris Rn. 71 ff.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urt. v. 13.5.2014, VGH B 35/12, juris Rn. 82 ff.; ferner: VG Osnabrück, Urt. v. 1.4.2014, 1 A 182/13, juris Rn. 22 ff.; VG Bremen, Urt. v. 20.12.2013, 2 K 570/13, juris Rn. 16 ff.; VG Potsdam, Urt. v. 18.12.2013, 11 K 2724/13, juris Rn. 30 f.; a. A. Degenhart, K&R Beihefter 1/2013, S. 10 ff.; Koblenzer, Abgabenrechtliche Qualifizierung des neuen Rundfunkbeitrags und finanzverfassungsrechtliche Konsequenzen; Korioth / Koemm, DStR 2013, S. 833, 834 ff.; Terschüren, Die Reform der Rundfunkfinanzierung in Deutschland, 2013, S. 134 ff.).
- 30
Der Rundfunkbeitrag knüpft – erstens – auf der Ebene des Abgabentatbestands an die Möglichkeit an, das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu empfangen. Der Rundfunkbeitrag wird im privaten Bereich nach § 2 Abs. 1 RBStV von dem Inhaber einer Wohnung erhoben. Dieser Regelung liegt die Erwägung zugrunde, dass die Programmangebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zwar nicht ausschließlich, aber in erster Linie in der Wohnung genutzt werden können und genutzt werden und das Innehaben der Wohnung daher einen Rückschluss auf den abzugeltenden Vorteil zulässt. Der Gesetzgeber ist weiter davon ausgegangen, dass die Nutzung der Programmangebote zwar auch und zunehmend mobil erfolgen kann und erfolgt, dass aber der Schwerpunkt der Nutzung weiter im privaten Bereich der Wohnung stattfindet (vgl. Gesetzesbegründung des bayerischen Landesgesetzgebers, BayLT-Drs. 16/7001, S. 12 f.). Der Rundfunkbeitrag ist damit, anders als die Steuer, nicht voraussetzungslos zu leisten. Belastungsgrund der Rundfunkabgabe ist wie bislang auch die Möglichkeit der Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der – im Unterschied zu den bisherigen Regelungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrags – durch den neuen Abgabentatbestand in § 2 Abs. 1 RBStV lediglich stärker typisierend als bislang (Inhaberschaft der Wohnung) erfasst wird. Ob die Annahme des Gesetzgebers, dass in der Wohnung regelmäßig eine Rundfunknutzung stattfindet, tatsächlich ausnahmslos zutrifft und ob es – sofern dies nicht der Fall ist – dennoch gerechtfertigt ist, die Bürger zur Abgabenzahlung zu verpflichten, ist eine Frage der materiellen Verfassungsmäßigkeit (unten, unter I. 1. b.) und hat auf die Bestimmung der Abgabenart – und damit der grundsätzlichen Gesetzgebungskompetenz – keine Auswirkungen (VerfGH Rheinland-Pfalz, Urt. v. 13.5.2014, VGH B 35/12, juris Rn. 94; BayVerfGH, Urt. v. 15.5.2014, Vf. 8-VII-12 u. a., juris Rn. 86).
- 31
Der Rundfunkbeitrag dient – zweitens – auf der Ebene des Abgabenzwecks ausschließlich der Finanzierung der Programmangebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Höhe des Rundfunkbeitrags wird durch den aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden Funktionsauftrag und den danach zu bemessenden Finanzbedarf der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bestimmt und zugleich begrenzt (BVerfG, Urt. 11.9.2007, 1 BvR 2270/05 u. a., juris Rn. 129 f., 133 ff.; BVerfG, Urt. v. 22.2.1994, 1 BvL 30/88, juris Rn. 147 ff.; vgl. BayVerfGH, Urt. v. 15.5.2014, Vf. 8-VII-12 u. a., juris Rn. 76; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urt. v. 13.5.2014, VGH B 35/12, juris Rn. 95). Dementsprechend sieht § 1 RBStV vor, dass der Rundfunkbeitrag der funktionsgerechten Ausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Sinne von § 12 Abs. 1 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) sowie der Finanzierung der Aufgaben nach § 40 RStV (Finanzierung besonderer Aufgaben) dient. Eine darüber hinausgehende, nicht zweckgebundene Verwendung der Rundfunkbeiträge ist nicht zulässig.
- 32
Die Freie und Hansestadt Hamburg hat die Grenzen der Gesetzgebungskompetenz nicht überschritten. Die Kompetenznormen des Grundgesetzes bestimmen nicht nur, welcher Gesetzgeber (Bund oder Land) zum Erlass einer Regelung zuständig ist, sondern legen zugleich auch den Umfang der Regelungsbefugnis fest. Die Erhebung von nichtsteuerlichen Abgaben bedarf einer besonderen sachlichen Rechtfertigung (BVerfG, Urt. v. 19.3.2003, 2 BvL 9/98 u. a., juris Rn. 47 ff., m. w. N. – Rückmeldegebühr). Diesen Anforderungen genügt die Erhebung des Rundfunkbeitrags im privaten Bereich. Der Rundfunkbeitrag wird als Entgelt für die Möglichkeit individueller Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erhoben. Er soll darüber hinaus auch den allgemeinen Vorteil abgelten, der daraus entsteht, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Grundlagen der Informationsgesellschaft fördert und einen Beitrag zur Teilhabe an demokratischen, kulturellen und wirtschaftlichen Prozessen leistet. Seine Ausgestaltung als Vorzugslast (Beitrag oder Gebühr) ist zudem dadurch gerechtfertigt, dass der Finanzbedarf staatsfern (deshalb keine Steuer) und zugleich quotenunabhängig (deshalb kein strikt nutzungsbezogenes Entgelt – „Pay-per-View“) zu decken ist (eingehend: BayVerfGH, Urt. v. 15.5.2014, Vf. 8-VII-12 u. a., juris Rn. 78 ff.; VerfGH Rheinland-Pfalz, Urt. v. 13.5.2014, VGH B 35/12, juris Rn. 104 ff.).
- 33
b. Die Rechtsgrundlage zur Erhebung des Rundfunkbeitrags im privaten Bereich (§ 2 Abs. 1 RBStV) verletzt nicht den Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG).
- 34
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Bei der Anwendung des Gleichheitssatzes ist daher zunächst zu fragen, ob eine Person oder Gruppe durch die als gleichheitswidrig angegriffene Vorschrift anders (schlechter) gestellt wird als eine andere Personengruppe, die man ihr als vergleichbar gegenüberstellt. Art. 3 Abs. 1 GG schließt nicht jede Differenzierung aus und ist nur dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfG, Beschl. v. 30.11.2011, 1 BvR 3269/08 u. a., juris Rn. 14 f., m. w. N. – zur Gleichbehandlung bei der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht).
- 35
Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Der Grundsatz der Typengerechtigkeit ist grundsätzlich geeignet, die hiermit verbundene Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte zu rechtfertigen. Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen allerdings auf eine möglichst breite, alle betroffene Gruppen und Regelungsgegenstände einschließende Beobachtung aufbauen. Insbesondere darf der Gesetzgeber für eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen (BVerfG, Urt. v. 9.12.2008, 2 BvL 1/07 u. a., juris Rn. 60; BVerfG, Beschl. v. 21.6.2006, 2 BvL 2/99, juris Rn. 75; BVerfG, Beschl. v. 10.4.1997, 2 BvL 77/92, juris Rn. 24 f. – jeweils m. w. N.). Weiter setzt eine zulässige Typisierung voraus, dass damit verbundene Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts: BVerfG, Beschl. v. 30.11.2011, 1 BvR 3269/08 u. a., juris Rn. 17; BVerfG, Beschl. v. 28.9.2010, 1 BvR 1660/08, juris Rn. 10; BVerfG, Urt. v. 28.4.1999, 1 BvL 11/94 u. a., juris Rn. 130 – jeweils m. w. N.).
- 36
Mit diesen Anforderungen steht § 2 Abs. 1 RBStV im Einklang (eingehend BayVerfGH, Urt. v. 15.5.2014, Vf. 8-VII-12 u. a., juris Rn. 101 ff. – zu Art. 118 Abs. 1 BV; ferner: VG Bremen, Urt. v. 20.12.2013, 2 K 570/13, juris Rn. 19 ff.; VG Potsdam, Urt. v. 18.12.2013, 11 K 2724/13, juris Rn. 33 ff.; Terschüren, Die Reform der Rundfunkfinanzierung in Deutschland, 2013, S. 99 ff., 123 – hins. der Abgabenpflicht im privaten Bereich; a. A. Degenhart, K&R Beihefter 1/2013, S. 17 f.). Die durch den Kläger im Einzelnen gerügten Gleich- bzw. Ungleichbehandlungen führen nicht zu einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes.
- 37
aa. Die Regelung in § 2 Abs. 1 RBStV verstößt nicht deshalb gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, weil diese nicht danach unterscheidet, ob in der Wohnung Rundfunkempfangsgeräte bereitgehalten werden oder ob dies nicht der Fall ist.
- 38
Durch die Regelung in § 2 Abs. 1 RBStV werden ungleiche Sachverhalte, nämlich Haushalte mit und ohne Rundfunkempfangsgeräte, bei der Beitragserhebung gleich behandelt. Diese mit der Pauschalierung verbundene Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte ist sachlich gerechtfertigt: Die pauschalierende Regelung in § 2 Abs. 1 RBStV beruht angesichts der großen Anzahl der zu verwaltenden Vorgänge und im Hinblick auf die verfolgten gesetzlichen Zwecke (Verwaltungsvereinfachung, Beseitigung von Vollzugsdefiziten, keine Eingriffe in die Privatsphäre durch Betreten der Wohnung) auf sachlichen, nicht willkürlichen Erwägungen: Derzeit bestehen im Geltungsbereich des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags rund 40,6 Millionen Haushalte (vgl. Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit, Haushalte und Familien – Ergebnisse des Mikrozensus, 2012, auch abrufbar unter www.destatis.de). Eine effektive Verwaltung der Beitragsschuldnerverhältnisse ist daher nur über eine typisierende und pauschalierende Regelung des Abgabentatbestands angemessen zu realisieren. Diese führt darüber hinaus zu einer höheren Gleichheit beim Vollzug der Abgabenpflicht. Sie erfasst auch solche Wohnungsinhaber, die zwar Rundfunkempfangsgeräte bereithalten, dies aber bislang nicht angezeigt hatten. Damit steht der Ungleichbehandlung auf der Ebene des Abgabentatbestands eine erhöhte Gleichbehandlung auf der Ebene des Abgabenvollzugs gegenüber (vgl. zu beiden Seiten von Art. 3 Abs. 1 GG bei der Abgabenerhebung: BVerfG, Beschl. v. 10.4.1997, 2 BvL 77/92, juris Rn. 24 f.). Schließlich hat die pauschalierende Erhebung des Rundfunkbeitrags für jede Wohnung zur Folge, dass anders als bislang ein Betreten der Wohnung zur Feststellung der Abgabenpflicht nicht mehr erforderlich ist.
- 39
Der Gesetzgeber hat die oben genannten Grenzen zulässiger Typisierung nicht überschritten.
- 40
Er hat in § 2 Abs. 1 i. V. m. § 3 RBStV einen realitätsgerechten Anknüpfungspunkt für die Beitragspflicht gewählt. Die Erhebung des Rundfunkbeitrags knüpft nach § 2 Abs. 1 RBStV an das Innehaben einer Wohnung im Sinne von § 3 RBStV an. Der durch den Rundfunkbeitrag abzugeltende Vorteil – die Nutzungsmöglichkeit des öffentlich-rechtlichen Programmangebots – wird hierdurch angemessen erfasst. Dem Abgabentatbestand liegt die durch statistische Angaben gestützte Erwägung zugrunde, dass die Nutzung des öffentlich-rechtlichen Programmangebots im privaten Bereich jedenfalls auch und nach wie vor im Schwerpunkt in der Wohnung erfolgt. Nach den Angaben des Statistischen Bundesamts verfügten im Jahr 2012 96,4 % aller Haushalte über mindestens ein Fernsehgerät (2011: 96,2 %). Daneben verfügten im Jahr 2012 insgesamt 83,5 % der Haushalte über mindestens einen Personalcomputer (PC) (2011: 82,0 %) und 79,4 % aller Haushalte über einen Internetzugang (2011: 75,9 %) (Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2013, S. 169, 198; Statistisches Jahrbuch 2012, S. 174, 204, auch abrufbar unter www.destatis.de). Der Ausstattungsgrad der Haushalte mit internetfähigen PCs war dabei in den letzten Jahren deutlich steigend. So verfügten im Jahr 2005 rund 58 % aller Haushalts über einen Internetzugang, im Jahr 2008 waren es 69 % und im Jahr 2010 bereits 77 % (Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2011, S. 114, auch abrufbar unter www.destatis.de). Angesichts dieser Entwicklung dürfte davon auszugehen sein, dass der Ausstattungsgrad der Haushalte mit neuartigen, internetfähigen Rundfunkempfangsgeräten auch in Zukunft weiter steigen wird. Mit Blick auf die bereits für die einzelnen Gerätetypen erreichten Ausstattungsgrade dürfte der Anteil der Haushalte, die weder über ein Fernsehgerät, ein Radio noch über ein neuartiges Rundfunkempfangsgerät (PC, Tablet-PC, Smartphone etc.) verfügen, sehr gering sein und im deutlich einstelligen Prozentbereich liegen. Dem vom Gesetzgeber in § 2 Abs. 1 RBStV gewählten Abgabentatbestand (Innehaben der Wohnung) steht dabei nicht entgegen, dass das öffentlich-rechtliche Programmangebot auch und zunehmend über mobile Geräte außerhalb der Wohnung genutzt werden kann. Der Gesetzgeber durfte bei der Regelung des Abgabentatbestands gestützt auf die oben genannten statistischen Angaben davon ausgehen, dass die Nutzung des öffentlich-rechtlichen Programmangebots im privaten Bereich derzeit jedenfalls auch und im Schwerpunkt noch innerhalb der Wohnung erfolgt, die mobile Nutzung lediglich ergänzend hinzutritt und die Vorteile des öffentlich-rechtlichen Programmangebots somit über das Merkmal der Wohnung nach wie vor angemessen erfasst werden (vgl. BayVerfGH, Urt. v. 15.5.2014, Vf. 8-VII-12 u. a., juris Rn. 113). Schließlich liegt dem Abgabentatbestand auch die realitätsgerechte Erwägung zugrunde, dass einerseits die mit dem Merkmal der Wohnung umfasste Personengruppe eines Haushalts – etwa eine Familie oder eine Wohngemeinschaft – hinsichtlich der Rundfunknutzung eine Gemeinschaft bildet und sich andererseits die unterschiedlichen Nutzungsarten oder -gewohnheiten innerhalb dieser sozialen Gruppe ausgleichen (BayVerfGH, Urt. v. 15.5.2014, Vf. 8-VII-12 u. a., juris Rn. 108, mit Verweis auf die Gesetzesbegründung des bayerischen Landesgesetzgebers, BayLT-Drs 16/7001, S. 12 f.).
- 41
Die mit der Pauschalierung verbundenen Härten wären nur mit Schwierigkeiten zu vermeiden. Eine Härte im Sinne der oben genannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – die nicht notwendig gleichzusetzen ist mit einem Härtefall im Sinne von § 4 Abs. 6 RBStV – liegt vor, wenn die typisierende Annahme des Gesetzgebers (hier die Annahme, dass in der Wohnung regelmäßig Rundfunkempfangsgeräte bereitgehalten werden und Rundfunk empfangen werden kann) nicht zutrifft, der Einzelfall also nicht dem gesetzlichen Typ entspricht. Das ist hier der Fall, wenn in der Wohnung eines Beitragsschuldners im Einzelfall keine Rundfunkempfangsgeräte bereitgehalten werden. Eine solche Härte könnte im System des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags nicht dadurch vermieden werden, dass die unwiderlegliche gesetzliche Vermutung des § 2 Abs. 1 RBStV als widerleglich ausgestaltet, dem Beitragsschuldner also die Möglichkeit eröffnet würde, darzulegen und zu beweisen, dass sich im Einzelfall keine Rundfunkempfangsgeräte in seiner Wohnung befinden. Denn die wesentlichen Ziele der gesetzlichen Regelung (Verwaltungsvereinfachung, Beseitigung von Vollzugsdefiziten, keine Eingriffe in die Privatsphäre durch Betreten der Wohnung) könnten bei einer solchen Ausnahme nur noch ansatzweise und unter Aufgabe des Grundprinzips der Beitragserhebung im privaten Bereich erreicht werden: Die Möglichkeit eines Gegenbeweises würde dazu führen, dass das Bereithalten von Rundfunkempfangsgeräten und nicht das Innehaben einer Wohnung maßgebliche Tatbestandsvoraussetzung für die Abgabenpflicht bliebe. Im Unterschied zu den bisherigen Regelungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrags würden lediglich die Darlegungs- und Beweislast für das Bereithalten des Rundfunkempfangsgeräts von der Rundfunkanstalt auf den Beitragsschuldner verlagert. Damit müssten bei einem entsprechenden Beweisantritt (z. B. durch Benennen von Zeugen oder Vorlage von Unterlagen) wie bislang teils aufwändige Ermittlungen im privaten Bereich durchgeführt werden. Die Kammer hat in diesem Zusammenhang nicht zu entscheiden, ob und in welchen Fällen das fehlende Bereithalten von Rundfunkempfangsgeräten – bei Hinzutreten weiterer Umstände – in Einzelfällen einen besonderen Härtefall im Sinne § 4 Abs. 6 RBStV begründen kann. Eine generell widerlegliche Ausgestaltung des Rundfunkbeitrags ist durch Art. 3 Abs. 1 GG dagegen nicht geboten (a. A. wohl VG Osnabrück, Urt. v. 1.4.2014, 1 A 182/13, juris Rn. 27 ff.: fehlendes Bereithalten von Rundfunkempfangsgeräten kann als besonderer Härtefall gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV anerkannt werden).
- 42
Die mit der Typisierung verbundenen Härten betreffen nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen. Dabei ist der Grundsatz der Typengerechtigkeit regelmäßig geeignet, die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte zu rechtfertigen, solange nicht mehr als 10 % der von der Regelung betroffenen Fälle dem Typ widersprechen, also wenigsten 90 % dem Typ entsprechen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.9.1983, 8 N 1/83, juris Rn. 9 – zur Bemessung von Entwässerungsbeiträgen), wobei es sich nicht um eine starre Grenze handelt und die Art und Bemessung des jeweils maßgeblichen Beitrags zu berücksichtigen sind (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 14.1.2004, 1 Bs 94/03, juris Rn. 19 – zur Bemessung von Sielbaubeiträgen). Die als Richtwert zugrunde zu legende Grenze von 10 % wird hier deutlich unterschritten. Vorliegend ist nach den oben angeführten statistischen Angaben davon auszugehen, dass der Anteil der Haushalte, die über keine Rundfunkempfangsgeräte verfügen, im unteren einstelligen Prozentbereich liegt: Nach den Angaben des statistischen Bundesamts verfügten im Jahr 2012 lediglich 3,8 % der Haushalte über kein Fernsehgerät. Der Anteil der Haushalte, die darüber hinaus auch über keine weiteren Rundfunkempfangsgeräte (Radio, internetfähiger PC, mobile internetfähige Geräte) verfügen, dürfte nochmals deutlich geringer sein und mit dem zunehmenden Ausstattungsgrad der Haushalte auch in der Zukunft noch weiter sinken.
- 43
Die typisierende Gleichbehandlung in § 2 Abs. 1 RBStV führt auch nicht zu intensiven, unzumutbaren Beeinträchtigungen. Die Belastung durch den monatlichen Rundfunkbeitrag in Höhe von derzeit 17,98 Euro ist wirtschaftlich noch zumutbar, zumal nicht leistungsfähige Beitragsschuldner nach Maßgabe von § 4 RBStV von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien sind (BayVerfGH, Urt. v. 15.5.2014, Vf. 8-VII-12 u. a., juris Rn. 110).
- 44
bb. Der Grundsatz der Gleichbehandlung ist nicht dadurch verletzt, dass die Regelung in § 2 Abs. 1 RBStV nicht nach Art und Anzahl der Rundfunkempfangsgeräte je Haushalt unterscheidet. Es ist mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG insbesondere nicht zu beanstanden, dass Wohnungsinhaber, die wie der Kläger ausschließlich ein Radio und keine weiteren Rundfunkempfangsgeräte bereithalten, den einheitlichen Rundfunkbeitrag (derzeit 17,98 Euro) zahlen müssen und nicht mehr – wie bislang nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RGebStV – lediglich eine geringere Grundgebühr (zuletzt 5,76 Euro).
- 45
Der Grundsatz der Gleichbehandlung gebietet es nicht, den Rundfunkbeitrag nach einzelnen Geräteklassen (Fernsehgerät, Radio, stationärer PC, mobile internetfähige Geräte) zu staffeln bzw. einen Grund- und einen Zusatzbeitrag vorzusehen. Vielmehr rechtfertigt es der Grundsatz der Typengerechtigkeit im privaten Bereich einen für alle Wohnungen einheitlichen Rundfunkbeitrag festzusetzen. Die Kammer verweist hierzu auf die oben stehenden Ausführungen (oben, unter I. 1. b.): Soweit es mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG zulässig ist, einen einheitlichen Rundfunkbeitrag zu erheben, wenn in der Wohnung im Einzelfall keine Rundfunkempfangsgeräte bereitgehalten werden, gilt dies auch und umso mehr dann, wenn in der Wohnung im Einzelfall nur bestimmte, nicht fernsehtaugliche Rundfunkempfangsgeräte (z. B. nur ein Radio) bereitgehalten werden. Die typisierende Regelung eines einheitlichen Rundfunkbeitrags ist auch insoweit durch die legitimen gesetzgeberischen Ziele gerechtfertigt. Insbesondere wäre ein Verzicht auf Ermittlungen in der Privatsphäre der Beitragsschuldner nicht möglich, wenn die Höhe des Rundfunkbeitrags nach Art und Anzahl der Rundfunkempfangsgeräte gestaffelt würde. In diesem Fall müssten im Zweifel Nachforschungen über Art und Zahl der in der Wohnung vorhandenen Geräte durchgeführt werden. Hinzu kommt, dass eine Unterscheidung nach einzelnen Geräteklassen durch die technische Entwicklung (Multifunktionalität der Endgeräte, Konvergenz der Medien) zunehmend fraglich und teilweise überholt ist. Dem hat der Gesetzgeber durch die Neuregelung des Rundfunkabgabenrechts Rechnung getragen. Dabei kann offen bleiben, ob eine Unterscheidung nach Geräteklassen angesichts der technischen Entwicklung noch realitätsgerecht und zulässig wäre. Eine solche Unterscheidung ist jedenfalls nicht durch Art. 3 Abs. 1 GG geboten.
- 46
cc. Der Grundsatz der Gleichbehandlung ist auch nicht dadurch verletzt, dass die Regelung in § 2 Abs. 1 i. V. m. § 3 RBStV zum einen nicht zwischen Haupt- und Zweitwohnungen und zum anderen nicht zwischen Ein- und Mehrpersonenhaushalten unterscheidet, sondern für jede Wohnung ein einheitlicher Rundfunkbeitrag anfällt.
- 47
Die Kammer verweist hierzu auf die oben stehenden Ausführungen (oben, unter I. 1. b.). Die Wohnung ist als Nutzungseinheit einer oder mehrerer Personen ein realitätsgerechter Anknüpfungspunkt für die Beitragspflicht. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet nicht, den Rundfunkbeitrag nach der Zahl der Personen in der Wohnung (Ein- und Mehrpersonenhaushalte) oder der Zahl der Wohnungen (Erst- und Zweitwohnungen) weiter abzustufen oder Ausnahmen vorzusehen (vgl. BayVerfGH, Urt. v. 15.5.2014, Vf. 8-VII-12 u. a., juris Rn. 116; a. A. Korioth / Koemm, DStR 2013, S. 833, 837 – Befreiung für Zweitwohnungen ist vorzusehen). Auch insoweit ist die typisierende Erhebung des Rundfunkbeitrags durch die legitimen Ziele des Gesetzgebers gerechtfertigt, das Verwaltungsverfahren effektiv und einfach zu gestalten, Vollzugsdefizite durch Missbrauch zu verhindern und Ermittlungen in der Privatsphäre zu vermeiden. Der Gesetzgeber kann insbesondere wegen der großen Anzahl der zu erfassenden Wohnungen bzw. Beitragsschuldner einen Beitragstatbestand vorsehen, der Ermittlungen zur Zahl der jeweils in einer Wohnung lebenden Personen oder Feststellungen zum Erst- und Zweitwohnsitz entbehrlich macht.
- 48
Der Gesetzgeber hat auch insoweit nicht die durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konkretisierten Grenzen der zulässigen Typisierung (oben, unter I. 1. b.) überschritten. Es ist insbesondere nicht davon auszugehen, dass der einheitliche Rundfunkbeitrag nach § 2 Abs. 1 RBStV für Einpersonenhaushalte oder für Inhaber von Zweitwohnungen generell zu Härten führt, die ohne Schwierigkeiten zu vermeiden wären. Dabei ist bereits nicht anzunehmen, dass der einheitliche Rundfunkbeitrag in den genannten Fällen generell zu einer Härte führt. Denn die der pauschalierenden Regelung in § 2 Abs. 1 RBStV zugrunde liegende gesetzliche Annahme, dass in der Wohnung typischerweise Rundfunkempfangsgeräte bereitgehalten werden und daher die Nutzungsmöglichkeit besteht, trifft für Einpersonenhaushalte wie auch für Zweitwohnungen grundsätzlich zu. Die genannten Fallgruppen entsprechen somit – anders als im Fall von Haushalten, die über keinerlei Geräte verfügen (oben, unter I. 1. b. aa.) – dem gesetzlichen Typ. Eine unzulässige Gleich- bzw. Ungleichbehandlung kann allenfalls darin liegen, dass etwaige graduelle Unterschiede bei der Nutzungsintensität nicht durch Ausnahmen oder Abstufungen des Rundfunkbeitrags erfasst werden. Die insoweit bestehende Gleich- bzw. Ungleichbehandlung ist jedoch die regelmäßige Folge einer pauschalierenden Abgabenregelung, die alle Beitragsschuldner, deren Nutzungsverhalten im Einzelnen stark voneinander abweichen kann, trifft. Diese Folgen ließen sich in den genannten Fallgruppen auch nicht ohne größere Schwierigkeiten vermeiden. Zwar könnte der Gesetzgeber weitere Befreiungen, Ermäßigungen oder Abstufungen des Rundfunkbeitrags nach der Zahl der Bewohner (Ein- und Mehrpersonenhaushalte) oder nach der Zahl der Wohnungen (Erst- und Zweitwohnungen) vorsehen: Die Einführung solcher Ausnahmen würde jedoch jeweils weitere Ermittlungen zur Zahl der Personen in einer Wohnung und zum Haupt- und Nebenwohnsitz erforderlich machen. Damit einher ginge eine erhöhte Gefahr, dass die Beitragspflicht durch unzutreffende oder unvollständige Angaben – etwa durch die unzutreffende Ausweisung einer Wohnung als Zweitwohnung eines Familienmitglieds – umgangen werden könnte. Bereits nach dem Rundfunkgebührenstaatsvertrag waren Befreiungen oder Ermäßigungen für diese Fallgruppen nicht vorgesehen (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 2 RGebStV). Diese sind auch unter der Geltung des neuen Rundfunkbeitragsstaatsvertrags nicht geboten.
- 49
In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Entscheidung, ob der Gesetzgeber – wie der Kläger vorgetragen hat – eine Rundfunkabgabe nicht wohnungs-, sondern auch personenbezogen als „Pro-Kopf-Abgabe“ erheben könnte, wodurch insbesondere die Inhaber von Zweitwohnungen gegenüber der geltenden Regelung entlastet würden. Die Kammer hat ausschließlich zu beurteilen, ob das durch den Gesetzgeber gewählte Modell des wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrags im privaten Bereich (§ 2 Abs. 1 RBStV) mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung zu vereinbaren ist. Hieran bestehen, wie ausgeführt, keine durchgreifenden Bedenken. Die Recht- und Verfassungsmäßigkeit alternativer Modelle für eine Rundfunkabgabe ist nicht zu bewerten.
- 50
dd. Der Kläger kann sich schließlich auch nicht mit Erfolg auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung berufen, soweit für die Inhaber von Kraftfahrzeugen im privaten Bereich kein zusätzlicher Rundfunkbeitrag anfällt, während im nicht privaten Bereich Rundfunkbeiträge nach Maßgabe von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 RBStV zu zahlen sind.
- 51
Die Unterscheidung zwischen der Nutzung von Kraftfahrzeugen im privaten und nicht privaten Bereich beruht auf nachvollziehbaren Erwägungen des Gesetzgebers: Dieser hat in § 5 Abs. 2 RBStV berücksichtigt, dass bei Kraftfahrzeugen, die zu gewerblichen Zwecken, zur selbständigen Erwerbstätigkeit oder zu gemeinnützen Zwecken genutzt werden, eine neue Nutzungssituation entsteht, die sich von der privaten Nutzung eines Kraftfahrzeugs unterscheidet. Weiter kann das gewerblich genutzte Kraftfahrzeug dort, wo keine weitere feste Betriebstätte besteht, eine eigenständige Nutzungseinheit darstellen, die allein durch die Regelung in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RBStV erfasst ist (vgl. die Gesetzesbegründung des bayerischen Landesgesetzgebers, BayLT-Drs. 16/7001, S. 17). Schließlich kann der Gesetzgeber auch berücksichtigen, dass im nicht privaten Bereich die Zahl der Kraftfahrzeuge die der Betriebsstätten häufig um ein Vielfaches übersteigt, während dies im privaten Bereich die Ausnahme ist (vgl. hierzu insgesamt VerfGH Rheinland-Pfalz, Urt. v. 13.5.2014, VGH B 35/12, juris Rn. 147 ff.).
- 52
Selbst wenn die unterschiedlichen Regelungen zur Rundfunkbeitragspflicht für Inhaber von Kraftfahrzeugen im privaten und im nicht privaten Bereich gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen sollten, würde dies nicht zur Nichtigkeit der Regelungen in § 2 Abs. 1 RBStV insgesamt führen (vgl. § 82 Abs. 1 i. V. m. § 78 BVerfGG). Bei der Rundfunkbeitragspflicht für Kraftfahrzeuge handelt es sich um einen von der Rundfunkbeitragspflicht für Wohnungen abtrennbaren Teil der Beitragspflicht. Ein Gleichheitsverstoß bei der Beitragspflicht für Kraftfahrzeuge könnte daher dazu führen, dass diese im privaten Bereich eingeführt oder für den nicht privaten Bereich abgeschafft würde. Die Beitragspflicht für die Inhaber von Wohnungen nach § 2 Abs. 1 RBStV bliebe hiervon in beiden Fällen unberührt.
- 53
c. Die Regelung in § 2 Abs. 1 RBStV verletzt nicht die Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GG).
- 54
Das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 GG gibt jedermann das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Das umfasst auch das Recht, sich aus den genannten Quellen nicht zu unterrichten (negative Informationsfreiheit). Die Erhebung eines Rundfunkbeitrags kann zwar zu einem Eingriff in die Informationsfreiheit führen. Ein solcher Eingriff war jedenfalls mit Blick auf die bisherige gerätebezogene Erhebung der Rundfunkgebühr nicht auszuschließen. Diese war grundsätzlich geeignet, die Beschaffung und Entgegennahme von Informationen zu behindern (vgl. BVerfG, Beschl. v. 22.8.2012, 1 BvR 199/11, juris Rn. 14 – zur Rundfunkgebührenpflicht für einen internetfähigen PC). Ob dies auch noch für den Rundfunkbeitrag gilt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Der mit dem Rundfunkbeitrag verbundene Eingriff in die Informationsfreiheit wäre jedenfalls verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Bei der Regelung in § 2 Abs. 1 RBStV handelt es sich um ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG, durch das die Informationsfreiheit nicht unverhältnismäßig beschränkt wird. Die Beeinträchtigung der Informationsfreiheit ist – wie bereits im Fall der Rundfunkgebühr – nur gering, weil der Beitragsschuldner nicht unmittelbar daran gehindert wird, sich aus den sonstigen Programmangeboten zu informieren, sondern hierfür lediglich mit einer verhältnismäßig niedrigen Zahlungsverpflichtung in Höhe des Rundfunkbeitrags belastet wird. Dieser nur geringen Beeinträchtigung steht mit der Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein Zweck von hinreichendem Gewicht gegenüber (BVerfG, Beschl. v. 22.8.2012, 1 BvR 199/11, juris Rn. 14 ff., 18; vgl. im Ergebnis BVerfG, Beschl. v. 6.9.1999, 1 BvR 1013/99, juris Rn. 11).
- 55
d. Die Erhebung des Rundfunkbeitrags gemäß § 2 Abs. 1 RBStV i. V. m. § 8 RFinStV verletzt nicht die Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).
- 56
Zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit gehört die Sicherung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unter Einschluss seiner bedarfsgerechten Finanzierung. Die bedarfsgerechte Finanzierung erfolgt in erster Linie über Rundfunkbeiträge. Diese sollen die finanziellen Vorbedingungen schaffen, um den klassischen Funktionsauftrag zu erfüllen, der neben seiner Rolle für die Meinungs- und Willensbildung, neben Unterhaltung und Information seine kulturelle Verantwortung umfasst. Aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgt daher das Recht der Rundfunkanstalten, die zur Erfüllung der Funktion nötigen Mittel zu erhalten (BVerfG, Urt. v. 11.9.2007, 1 BvR 2270/05 u. a., juris Rn. 127 ff., 133 ff.; BVerfG, Urt. v. 22.2.1994, 1 BvL 30/88, juris Rn. 140 ff. – jeweils m. w. N.). Umgekehrt umfasst der aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgende Finanzierungsanspruch der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten jeweils nur die Erfüllung des Funktionsauftrags.
- 57
Nach dieser Maßgabe sind die Regelungen in § 2 Abs. 1 RBStV und § 8 RFinStV verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Erhebung des Rundfunkbeitrags in Höhe von derzeit 17,98 Euro zu einer mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht mehr zu vereinbarenden Überfinanzierung der Rundfunkanstalten führt. Der Kläger rügt in diesem Zusammenhang, dass das Programmangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten den Funktionsauftrag bei weitem überschreite, die Einnahmen aus den Rundfunkbeiträgen zweckentfremdet verwendet würden, der Rundfunkbeitrag überhöht und daher jedenfalls der Höhe nach verfassungswidrig sei. Dem ist nach Ansicht der Kammer nicht zu folgen: Zum einen ist nicht ersichtlich, welche Programmangebote oder Programmformate den Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks überschreiten. Die von dem Kläger genannten Unterhaltungs- und Sportsendungen gehören zum Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der Bereich der Grundversorgung ist nicht allein auf politische oder kulturelle Inhalte beschränkt (BVerfG, Urt. 11.9.2007, 1 BvR 2270/05 u. a., juris Rn. 129; BVerfG, Beschl. v. 24.3.1987, 1 BvR 147/86 u. a., juris Rn. 77; BVerfG, Urt. v. 4.11.1986, 1 BvF 1/84, juris Rn. 104). Zum anderen hat der Gesetzgeber zur Finanzierung der Rundfunkanstalten und zur Ermittlung der Höhe des Rundfunkbeitrags ein kooperatives, dreistufiges Verfahren eingeführt, das einerseits der Programmautonomie der Rundfunkanstalten und andererseits der durch den Funktionsauftrag begrenzten Finanzierung der Rundfunkanstalten Rechnung trägt (BVerfG, Urt. v. 11.9.2007, 1 BvR 2270/05 u. a., juris Rn. 136, 143 ff.). Danach findet auf der ersten Stufe eine Bedarfsanmeldung durch die Rundfunkanstalten statt (vgl. § 1 RFinStV). Auf der zweiten Stufe ist durch die unabhängige Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) fachlich zu überprüfen und zu ermitteln, ob sich die Programmentscheidungen im Rahmen des rechtlich umgrenzten Rundfunkauftrags halten und ob der aus ihnen abgeleitete Finanzbedarf zutreffend ermittelt worden ist (vgl. §§ 3 bis 6 RFinStV). Auf der dritten Stufe erfolgt die abschließende Beitragsentscheidung auf der Grundlage des Beitragsvorschlags der KEF durch die Landesregierungen und Landesparlamente (vgl. § 7 RFinStV). Der Gesetzgeber hat damit prozedurale und organisatorische Vorkehrungen getroffen, um die Finanzausstattung der Rundfunkanstalten und die Höhe des Rundfunkbeitrags zu bestimmen. Die Bestimmung der für die Erfüllung des Funktionsauftrags gebotenen finanziellen Ausstattung erfolgt im Rahmen dieses vorgegebenen Verfahrens. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Höhe des Rundfunkbeitrags können sich daher in der Regel nur daraus ergeben, dass das Verfahren zur Bemessung des Rundfunkbeitrags an verfassungsrechtlichen Mängeln leidet. Letzteres ist weder ersichtlich noch durch den Kläger vorgetragen worden. Soweit dagegen einzelne Programmangebote (Sendungen) den Funktionsauftrag überschreiten sollten, würde dies allein nicht dazu führen, dass der Rundfunkbeitrag insgesamt oder teilweise verfassungswidrig wäre.
- 59
Das Grundrecht aus Art. 4 GG garantiert die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sowie das Recht der ungestörten Religionsausübung. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG schützt sowohl die positive wie auch die negative Äußerungsform der Glaubensfreiheit (BVerfG, Urt. v. 24.9.2003, 2 BvR 1436/02, juris Rn. 37, 46; BVerfG, Beschl. v. 16.5.1995, 1 BvR 1087/91, juris Rn. 34). Durch die Erhebung des Rundfunkbeitrags wird der Schutzbereich der Glaubensfreiheit nicht berührt. Die Zahlung einer Abgabe – hier des Rundfunkbeitrags – ist als solche nicht mit der Äußerung eines weltanschaulichen oder religiösen Bekenntnisses verbunden. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch Sendungen mit religiösen Inhalten enthält. Die Glaubensfreiheit wird durch die Zahlung einer Abgabe nur berührt, soweit diese gerade die Finanzierung einer Glaubensgemeinschaft oder eines religiösen Bekenntnisses bezweckt. Die allgemeine Pflicht zur Zahlung einer Abgabe ohne eine solche Zweckbindung berührt regelmäßig nicht den Schutzbereich der Glaubensfreiheit des Abgabenschuldners (vgl. BVerfG, Beschl. v. 2.6.2003, 2 BvR 1775/02, juris Rn. 3; BVerfG, Beschl. v. 26.8.1992, 2 BvR 478/92, juris Rn. 3 – Pflicht zur Steuerzahlung berührt nicht Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 GG). Der Rundfunkbeitrag bezweckt allgemein die funktionsgerechte Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Eine weitergehende, inhaltliche Zweckbindung ist mit dem Rundfunkbeitrag nicht verbunden. Der Rundfunkbeitrag dient insbesondere nicht der Förderung bestimmter religiöser Glaubensgemeinschaften. Vielmehr hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk aufgrund seines öffentlichen Auftrags die Vielfalt der Meinungen im Rundfunk möglichst vollständig widerzuspiegeln. Hierzu gehört auch, dass religiöse Inhalte gesellschaftlich relevanter Glaubensgemeinschaften angemessenen Ausdruck finden.
- 60
f. Durch die Regelung zur Erhebung des Rundfunkbeitrags wird das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) nicht verletzt.
- 61
Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u. a., juris Rn. 145 ff.). Dieser Schutzbereich wird durch die Erhebung und Zahlung eines haushaltsbezogenen Rundfunkbeitrags gemäß § 2 Abs. 1 RBStV nicht berührt. Die weitere Frage, ob das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch die der Erhebung vorgelagerte Verwendung von personenbezogenen Daten (§ 11 RBStV) oder die Übermittlung von Daten der Meldebehörden (§ 14 Abs. 9 Satz 1 RBStV) verletzt wird, berührt dagegen nicht die Beitragspflicht als solche. Selbst wenn die Regelungen zur Verwendung und Übermittlung personenbezogener Daten das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzen sollten (vgl. hierzu: BayVerfGH, Urt. v. 15.05.2014, Vf. 8-VII-12 u. a., Rn. 156 ff. – keine Verletzung des landesverfassungsrechtlichen Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch § 14 Abs. 9 RBStV), hätte dies nicht die Nichtigkeit der Rechtsgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrags in § 2 Abs. 1 RBStV zur Folge (vgl. § 82 Abs. 1 i. V. m. § 78 BVerfGG).
- 62
g. Die Erhebung des Rundfunkbeitrags gemäß § 2 Abs. 1 RBStV verletzt nicht die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG). Das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG schützt die räumliche Lebenssphäre der Person (BVerfG, Beschl. v. 13.3.2014, 2 BvR 974/12, juris Rn. 16). Durch die Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags wird die räumliche Lebenssphäre der Beitragsschuldner nicht berührt.
- 63
h. Die Erhebung des Rundfunkbeitrags verletzt nicht die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG).
- 64
Die dem Kläger auferlegte Geldleistungspflicht berührt den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit. Diese ist allerdings nur im Rahmen der allgemeinen Gesetze gewährleistet. Hierzu zählen sämtliche mit dem Grundgesetz in Einklang stehende Rechtsnormen. Die Rechtsgrundlage in § 2 Abs. 1 RBStV i. V. m. § 8 RFinStV steht, wie ausgeführt, mit dem Grundgesetz in Einklang. Die Beitragspflicht für Wohnungsinhaber im privaten Bereich ist auch geeignet, erforderlich und angemessen. Insoweit ergeben sich durch die Neuregelung des Rundfunkbeitrags keine grundlegenden Änderungen gegenüber der bisherigen, mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 GG zulässigen Rundfunkgebührenpflicht (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 6.9.1999, 1 BvR 1013/99, juris Rn. 13).
- 65
i. Die Erhebung des Rundfunkbeitrags nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag steht nicht im Widerspruch zum Beihilferecht der Europäischen Union (Art. 107 ff. AEUV). Insbesondere handelt es sich bei der Neuregelung der Rundfunkabgabe als Rundfunkbeitrag nicht um die Einführung oder Umgestaltung einer Beihilfe, über die die Kommission zu unterrichten war (Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV). Die Kammer folgt insoweit den Ausführungen in der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 15. Mai 2014 (Vf. 8-VII-12, juris Rn. 87 ff., vgl. hierzu ferner VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 8.5.2008, 2 S 2163/06, juris Rn. 28 ff.). Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat hierzu ausgeführt:
- 66
„[89] Es sprechen entgegen der Sichtweise des Antragstellers im Verfahren Vf. 8-VII-12 keine beachtlichen Gründe dafür, dass die Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags der Kommission als beabsichtigte Beihilfe zugunsten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gemäß Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV vorab hätten gemeldet werden müssen. Die Anmeldepflicht betrifft nur neue Beihilfen, die damit einem präventiven Verbot mit Genehmigungsvorbehalt unterworfen werden. Bestehende Beihilfen, also solche, die bereits bei Inkrafttreten des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft gewährt oder nach seinem Inkrafttreten vertragskonform eingeführt wurden, werden hingegen gemäß Art. 108 Abs. 1 AEUV in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten fortlaufend überprüft; sie unterfallen mithin repressiver Kontrolle. Die Anmeldepflicht nach Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV umfasst demnach alle Beihilfen, die keine bestehenden Beihilfen sind, einschließlich der Änderungen bestehender Beihilfen (vgl. Art. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22.3.1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 93 des EG-Vertrags, ABl vom 27.3.1999 L 83 S. 1).
- 67
[90] Die Kommission ist bei einer Überprüfung der früheren Gebührenfinanzierung mit Entscheidung vom 24. April 2007 Az. K(2007) 1761 zu der Auffassung gelangt, dass es sich bei den Finanzierungsregelungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk um eine bestehende staatliche Beihilfe handle (Rn. 191, 216) und dass die Bedenken in Bezug auf die Unvereinbarkeit mit dem gemeinsamen Markt durch die von Deutschland im Rahmen des Überprüfungsverfahrens eingegangenen Verpflichtungen (Rn. 322 ff.) ausgeräumt seien (Rn. 396). Es ist jedenfalls nicht offensichtlich, dass die Änderungen des Finanzierungssystems durch den Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag als Umwandlung in eine neue Beihilfe zu werten wären. Denn das wird nur für den Fall angenommen, dass die ursprüngliche Regelung durch die Änderung in ihrem Kern betroffen wird (vgl. Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ABl vom 27.10.2009 C 257 S. 1 unter Rn. 31). Durch die Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags werden indes weder die Art des Vorteils oder die Finanzierungsquelle noch das Ziel der Beihilfe, der Kreis der Begünstigten oder deren Tätigkeitsbereiche wesentlich verändert. Auch mit Blick auf zu erwartende Mehreinnahmen aus dem Rundfunkbeitrag ist keine gegenüber dem früheren Gebührensystem beachtliche Änderung zu erkennen. Denn es ist, wie oben ausgeführt (vgl. VI. A. 2. a) bb) (2), auch normativ durch § 3 Abs. 2 Satz 3 RFinStV abgesichert, dass keine Mehreinnahmen erzielt werden, die den extern geprüften und ermittelten Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf Dauer überschreiten.“
- 68
2. Der Beklagte war gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 RBStV i. V. m. § 11 Abs. 1 der Satzung des Norddeutschen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge (NDR-Beitragssatzung) auch berechtigt, einen Säumniszuschlag in Höhe von 8,-- Euro festzusetzen.
- 69
Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 RBStV ist die zuständige Landesrundfunkanstalt ermächtigt, die Erhebung von Zinsen, Kosten und Säumniszuschlägen durch Satzung zu regeln. Nach § 11 Abs. 1 NDR-Beitragssatzung wird ein Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Betrag von 8,-- Euro fällig und zusammen mit dem Beitragsbescheid festgesetzt, wenn geschuldete Rundfunkbeiträge nicht innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden. Der Kläger hat vorliegend die nach § 7 Abs. 3 RBStV fälligen Rundfunkbeiträge innerhalb der Frist von vier Wochen nicht entrichtet. Der danach gemäß § 11 Abs. 1 NDR-Satzung festgesetzte Mindestbeitrag in Höhe von 8,-- Euro ist nach Ansicht der Kammer mit Blick auf die Funktion des Säumniszuschlags noch als verhältnismäßig zu erachten. Der Säumniszuschlag gemäß § 11 Abs. 1 NDR-Satzung ist ein „Druckmittel eigener Art“ zur Durchsetzung fälliger Abgaben. Daneben können über den Säumniszuschlag auch allgemeine Verwaltungsaufwendungen abgegolten werden, die durch die Verwaltung und Erhebung rückständiger Beiträge entstehen. Die zuletzt genannte Funktion ist jedoch in erster Linie durch die Erhebung von (Verwaltungs-)Kosten zu erfüllen, zu der ebenfalls gesondert ermächtigt wird (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 RBStV i. V. m. § 11 Abs. 2, 3 NDR-Satzung). Dagegen dient der Säumniszuschlag nicht dem Ersatz von Säumniszinsen, die ebenfalls gesondert angesetzt werden können (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 RBStV i. V. m. § 12 NDR-Satzung) (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 24.6.2011, 3 M 488/10, juris Rn. 9; VG Frankfurt, Urt. v. 25.4.2005, 10 E 3894/03, juris Rn. 26). Zur Erfüllung der genannten Funktionen erweist sich der Säumniszuschlag in Höhe von mindestens 8,-- Euro als geeignet, erforderlich und noch angemessen. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass der Säumniszuschlag bei dem regelmäßig für einen Drei-Monats-Zeitraum festgesetzten rückständigen Rundfunkbeitrag in Höhe von 53,94 Euro rund 14,8 % der Beitragsschuld ausmacht und damit erheblich über dem in § 11 Abs. 1 NDR-Satzung vorgesehenen Anteil von einem Prozent liegt. Die Funktion als besonderer Anreiz zur rechtzeitigen Zahlung kann durch den Säumniszuschlag jedoch nur effektiv erfüllt werden, wenn gerade auch bei geringeren Beitragsschulden noch ein spürbarer Zuschlag zu der Beitragsschuld festgesetzt werden kann. Dies wäre bei einer Beitragsforderung für einen Drei-Monats-Zeitraum in Höhe von 53,94 Euro und einem anteiligen Säumniszuschlag von einem Prozent (0,53 Euro) nicht gewährleistet.
II.
- 70
Der Antrag zu 2) hat ebenfalls keinen Erfolg.
- 71
Der Antrag ist zulässig. Die Feststellungsklage ist statthaft gemäß § 43 Abs. 1, 2 Satz 1 VwGO. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass über den streitgegenständlichen Beitragsbescheid vom 5. Juli 2013 hinaus generell keine Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags für seine Wohnung besteht. Zwar kann die Feststellung nach § 43 Abs. 2 VwGO nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch die Gestaltungsklage (Anfechtung der jeweils erlassenen Beitragsbescheide) oder die Leistungsklage (Klage auf Erstattung bereits gezahlter Rundfunkbeiträge) verfolgen kann. Eine Feststellungsklage ist dagegen ausnahmsweise statthaft, wenn diese effektiveren Rechtsschutz bietet, etwa weil ihr Gegenstand weiter reicht, als der der Anfechtungs- oder Leistungsklage (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., 2013, § 43 VwGO, Rn. 43). Das ist hier der Fall. Der Kläger bestreitet die Beitragspflicht nicht nur für einen bestimmten Beitragszeitraum. Vielmehr geht es ihm um die grundsätzliche Feststellung, dass er nach der neuen Regelung generell keinen Rundfunkbeitrag schuldet. Insoweit kann der Kläger nicht darauf verwiesen werden, zunächst den Erlass weiterer Beitragsbescheide abzuwarten, die zudem jeweils mit der Festsetzung eines Säumniszuschlags verbunden sind (vgl. auch VG Bremen, Urt. v. 20.12.2013, 2 K 570/13, juris Rn. 11; VG Potsdam, 30.7.2013, 11 K 1090/13, juris Rn. 15).
- 72
In der Sache hat der Antrag keinen Erfolg. Das Gericht verweist hierzu auf die oben stehenden Ausführungen (unter I.).
III.
- 73
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
- 74
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.
IV.
- 75
Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Gründe
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
7 BV 14.1707
Im Namen des Volkes
Urteil
vom 19. Juni 2015
(VG München, Entscheidung vom 16. Juli 2014, Az.: M 6b K 13.5628)
7. Senat
Hauptpunkte:
Rundfunkfreiheit Öffentlich-rechtlicher Rundfunk Rundfunkbeitrag
Rechtsquellen:
Leitsätze:
In der Verwaltungsstreitsache
...
gegen
... Juristische Direktion, R-platz ..., M.,
- Beklagter -
beteiligt:
...
als Vertreter des öffentlichen Interesses, L-str. ..., M.
wegen Rundfunkbeitrags;
hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 7. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Häring, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schmeichel, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Lotz-Schimmelpfennig ohne mündliche Verhandlung am 19. Juni 2015
folgendes Urteil:
I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
das Urteil des Verwaltungsgerichts und den Bescheid des Beklagten vom 1. Dezember 2013 aufzuheben.
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Rechtsmittelbelehrung
(1) Durch die Lieferung beweglicher Sachen, die nicht auf Grund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder anderen gerichtlichen Maßnahmen verkauft werden (Waren), oder durch die Erbringung sonstiger Leistungen durch einen Unternehmer an den Verbraucher wird ein Anspruch gegen den Verbraucher nicht begründet, wenn der Verbraucher die Waren oder sonstigen Leistungen nicht bestellt hat.
(2) Gesetzliche Ansprüche sind nicht ausgeschlossen, wenn die Leistung nicht für den Empfänger bestimmt war oder in der irrigen Vorstellung einer Bestellung erfolgte und der Empfänger dies erkannt hat oder bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können.
(3) Von den Regelungen dieser Vorschrift darf nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden. Die Regelungen finden auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.