Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 04. Mai 2015 - 15 L 947/15.A
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
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G r ü n d e :
2Das am 17. März 2015 bei Gericht eingegangene vorläufige Rechtsschutzgesuch mit dem sinngemäß (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) gestellten Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 15 K 2124/15.A gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 13. Februar 2015 anzuordnen, soweit dort unter Ziffer 2 die Abschiebung nach Bulgarien angeordnet wird,
4hat keinen Erfolg.
5Es ist als Anordnungsbegehren gemäß den §§ 123 Abs. 5, 80 Abs. 5 VwGO in Verbindung mit § 34a Abs. 2 S. 1 AsylVfG zwar statthaft, weil der Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes nach § 75 Abs. 1 AsylVfG kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zukommt, und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist der Rechtsschutzantrag gegenüber der auf § 34a Abs. 1 S. 1 AsylVfG gestützten Abschiebungsanordnung innerhalb der Antragsfrist des § 34a Abs. 2 S. 1 AsylVfG gestellt. Da eine wirksame Zustellung des Bundesamtsbescheides an den Antragsteller, nachdem der Versuch einer Zustellung unter der ehemaligen Anschrift „T. 58, X. “ abgebrochen worden war, erst mit der Aushändigung des Bescheides an den Antragsteller am 12. März 2015 erfolgt ist, hat er mit dem am 17. März 2015 bei Gericht eingegangenen Eilantrag innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Wochenfrist um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.
6Das zulässige Rechtsschutzgesuch ist aber nicht begründet.
7Die im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach summarischer Prüfung gebotene Abwägung des öffentlichen Vollziehungsinteresses der Antragsgegnerin mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers fällt zu Lasten des Antragstellers aus, weil der angefochtene Bescheid des Bundesamtes keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.
8Die Abschiebungsanordnung ist rechtfehlerfrei auf § 34a Abs. 1 S. 1 AsylVfG gestützt. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens nach § 27a AsylVfG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
9Ist ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, ist gemäß § 27a AsylVfG ein Asylantrag unzulässig. Zu Recht hat das Bundesamt hier zur Bestimmung des Staates im Sinne des § 27a AsylVfG die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), herangezogen. Diese findet gemäß Art. 49 Unterabsatz 2 Satz 1 auf Schutzgesuche Anwendung, die nach dem 31. Dezember 2013 gestellt werden, mithin auch auf den Asylantrag des Antragstellers vom 5. August 2014.
10Nach den Vorschriften der Dublin III-VO ist Bulgarien der zuständige Staat für die Prüfung des Asylantrages.
11Wird auf der Grundlage von Beweismitteln und Indizien aus der EURODAC-Datei festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaates illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO für die Prüfung des Asylantrages zuständig. Dem Verwaltungsvorgang des Bundesamtes ist zu entnehmen, dass der Antragsteller laut EURODAC, bevor er am 16. Januar 2014 in Österreich Asyl beantragt hat (EURODAC-Treffer: XX000000000-00000000), zuvor illegal nach Bulgarien eingereist ist (EURODAC-Treffer: XX0XX000X0000000000). Das Gericht hat keinen Anlass hieran zu zweifeln. Die anderslautenden Angaben des Antragstellers anlässlich seiner Anhörung, er sei mit dem Flugzeug über Dubai nach Deutschland geflogen, sind substanzlos und – auch weil es an jeglichen Nachweisen fehlt – unglaubhaft, zumal Bulgarien das Übernahmeersuchen der Bundesrepublik Deutschland vom 5. Oktober 2014 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO am 5. Dezember 2014 angenommen hat. Der Einwand des Antragstellers, wegen seines mehr als fünfmonatigen Aufenthalts in Österreich sei die Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages gemäß Art. 13 Abs. 2 Dublin III-VO auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, geht schon deswegen fehl, weil die Zuständigkeit Bulgariens für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO weiterhin besteht.
12Bulgarien ist daher gemäß Art. 18 Abs. 1a Dublin III-VO verpflichtet, den Antragsteller nach Maßgabe der Art. 12, 22 und 29 Dublin III-VO innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Aufnahme akzeptiert hat bzw. nachdem über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung endgültig entschieden worden ist, wenn im Rahmen dieser Prüfung – wie hier – darüber zu entscheiden ist, ob eine aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO gewährt wird, aufzunehmen (Art. 29 Abs. 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO). Diese Frist ist hier ersichtlich noch nicht abgelaufen.
13Die Abschiebung des Antragstellers nach Bulgarien ist auch nicht aus anderen Gründen rechtlich unzulässig.
14Insbesondere ist die Antragsgegnerin nicht verpflichtet, von ihrem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO Gebrauch zu machen und das Asylgesuch des Antragstellers selbst zu prüfen. Ein subjektives Recht des Asylbewerbers auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts vermittelt diese Vorschrift als Teil der Regelungen der Dublin III-VO, die ausgerichtet an objektiven Kriterien der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten dienen, für sich genommen ohnehin nicht.
15Vgl. Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteile vom 10. Dezember 2013, C 394/12, juris (Rdnr. 60, 62) und vom 14. November 2013, C 4/11, juris (Rdnr. 7); BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014, 10 B 6.14, juris (Rdnr. 7).
16Auch stehen der Abschiebung die Vorschriften des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin III-VO nicht entgegen. Danach wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der für die Prüfung des Schutzgesuchs zuständige Mitgliedstaat, wenn eine Überstellung des Schutzsuchenden in den nach Kapitel III der Dublin III-VO bestimmten Mitgliedstaat unmöglich ist, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtscharta mit sich bringen, und nach Kapitel III der Dublin III-VO kein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
17Die dem gemeinsamen europäischen Asylsystem zu Grunde liegende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Schutzsuchenden einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend beachtet, ist nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Verfahren zur Schutzgewährung und die Aufnahmebedingungen für Schutzsuchende im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Schutzsuchenden im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechtscharta implizieren. Systemische Mängel im vorbezeichneten Sinne können allerdings erst dann angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen von einer Art. 4 EU-Grundrechtscharta bzw. Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten entsprechenden Schwere nicht nur in Einzelfällen zu verzeichnen sind, sondern strukturell bedingt sind und dem überstellenden Staates nicht unbekannt sein können.
18Vgl. zum Ganzen: EuGH, Urteile vom 21. Dezember 2011, C 411/10 u. a., juris (Rdnr. 83 ff); Europäischer Gerichtshof für Menschenrecht (EGMR), Urteil vom 21. Januar 2011, 30696/09, juris.
19Hiervon ist nur dann auszugehen, sofern mit beachtlicher, das heißt überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass der Schutzsuchende wegen solcher systemischer Mängel des Verfahrens zur Schutzgewährung oder der Aufnahmebedingungen, in dem Mitgliedsstaat, in den er überstellt werden soll, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein wird,
20vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2014, 10 B 6.14, juris Rdnr. 6,
21nicht aber schon dann, wenn der Zielstaat der Überstellung trotz möglicher Mängel in der Durchführung des Schutzverfahrens seine rechtlichen Verpflichtungen jedenfalls soweit erfüllt, dass eine Überstellung des Schutzsuchenden dorthin zumutbar erscheint.
22Vgl. etwa VG Düsseldorf, Beschluss vom 30. Januar 2015, 13 L 58.15.A, VG Berlin, Beschlüsse vom 15. Januar 2015, 23 L 899.14 A, und vom 4. August 2014, 34 L 78.14 A, jeweils juris.
23Dabei hängt der Bezugspunkt für die Beurteilung des hinreichenden Schutzes davon ab, ob der betreffende Asylbewerber bereits einen Schutzstatus in dem Land, in das er abgeschoben werden soll, erhalten hat oder nicht. Nur in letzterem Fall ist darauf abzustellen, ob das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische, dem ersuchenden Mitgliedstaat nicht unbekannte Mängel aufweisen, die für den Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr begründen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in dem ersuchten Mitgliedstaat im Sinne von Art. 4 / Art. 19 Abs. 2 der EU-Grundrechtscharta bzw. dem inhaltsgleichen Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein.
24Vgl. hierzu etwa EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011, C-411/10 u.a., juris (Rndr. 78f, 84 ff und 94., ferner VG Minden, Urteil vom 10. Februar 2015, 10 K 1660/14.A, juris (Rdnr. 54) und VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Oktober 2014, 17 L 2379/14.A, juris (Rdnr. 20).
25Dies ist beim Antragsteller der Fall, da er in Bulgarien keinen Asylantrag gestellt und dementsprechend noch keinen Schutzstatus erhalten hat.
26Ausgehend hiervon ergeben sich keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass in Bulgarien systemische Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im vorstehend benannten Sinne bestehen, von denen gerade der Antragsteller betroffen wäre. Entsprechendes hat auch der Antragsteller nicht vorgebracht. Inwieweit für besonders schutzbedürftige Personen, insbesondere ernsthaft erkrankte Personen, Familien oder alleinerziehende Personen mit kleinen Kindern oder unbegleitete Minderjährige sowie für Personen, denen in Bulgarien bereits die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt oder denen dort subsidiärer Schutz gewährt wurde, etwas anderes gilt, lässt das Gericht offen. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller zu diesem Personenkreis gehört, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
27Für den Antragsteller, der als sogenannter Dublin-Rückkehrer nach Bulgarien zurückkehren wird, ist in Bulgarien insbesondere ein ausreichender Zugang zum Asylverfahren gegeben. Das ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus einer Auskunft des UNHCR an das VG Minden vom 23. Dezember 2014 (dortiges Aktenzeichen 10 L 520/14.A), die dem erkennenden Gericht nebst deutscher Übersetzung vorliegt.
28Vgl. hierzu auch das zugehörige Klageverfahren und die dort unter Auswertung der vorgenannten Auskunft ergangene Entscheidung des VG Minden, Urteil vom 10. Februar 2015, 10 K 1660/14.A, juris.
29Danach ist der Zugang zu einem Verfahren über die Feststellung des Flüchtlingsstatus im Falle einer Wiedereinreise nach Bulgarien davon abhängig, welchen Stand das frühere Asylverfahren des betreffenden Asylbewerbers dort hatte. Ist der Asylantrag bei der Rückkehr noch nicht entschieden, wird für die Person (grundsätzlich) in Bulgarien eine Entscheidung getroffen. Hat ein Asylbewerber Bulgarien verlassen und erscheint nicht oder wirkt an einem Verfahrensschritt nicht mit, so wird das Verfahren allerdings nach zehn Tagen des Nichterscheinens bzw. der fehlenden Mitwirkung ausgesetzt. Kehrt der Antragsteller sodann innerhalb von drei Monaten nach Registrierung seines Antrags nach Bulgarien zurück, wird das Verfahren wiedereröffnet und grundlegend geprüft. Erfolgt die Rückkehr in die Republik Bulgarien dagegen erst nach Ablauf dieser Frist, so gilt die Anwesenheit des Asylbewerbers als illegal und er wird in Abschiebungshaft genommen, es sei denn er kann „objektive Gründe“ für einen Wechsel seines Wohnortes, sein Nichterscheinen bei der zuständigen Behörde oder seine fehlende Mitwirkung darlegen. Grundsätzlich ist es möglich, dass der Betroffene nach Beendigung seines Verfahrens einen Folgeantrag stellt; es werden dann aber nur die mit dem Folgeantrag geltend gemachten neuen Gründe geprüft. Bei Dublin-Rückkehrern, wie dem Antragsteller, wird das Asylverfahren indessen grundsätzlich – unabhängig davon, ob die vorstehend genannten Fristen verstrichen sind – wiedereröffnet, und zwar an der Stelle, an welcher der Stillstand eingetreten ist. Voraussetzung hierfür ist, dass der Dublin-Rückkehrer einer Fortführung des Verfahrens in Bulgarien zustimmt. Eine Prüfung seines Antrags ist dann prinzipiell sichergestellt; der Betroffene genießt dieselben Rechte wie andere Asylbewerber auch. Das Verfahren wird nur dann nicht mehr eröffnet, wenn eine Anhörung bereits durchgeführt und das Verfahren daraufhin endgültig beendet worden ist. In diesem Fall hat auch der Dublin-Rückkehrer nur noch die Möglichkeit, einen Folgeantrag zu stellen.
30Vgl. hierzu auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014, A 11 S 1778/14, juris (Rndr. 58).
31Gemessen hieran wird dem Antragsteller als Dublin-Rückkehrer das Asylerstverfahren in Bulgarien ohne Einschränkungen offen stehen, weil er dort noch keinen Asylantrag gestellt hatte und dementsprechend auch noch keine Anhörung stattgefunden haben kann, aufgrund der – gegebenenfalls in seiner Abwesenheit – eine endgültige verfahrensabschließende Entscheidung hätte getroffen werden können. Es gibt zudem keine Anhaltspunkte dafür, dass er aufgrund des in Österreich gestellten Asylantrags in Bulgarien als bloßer Folgeantragsteller behandelt werden würde.
32Es steht auch nicht zu befürchten, dass der Antragsteller in Bulgarien ohne Unterkunft bleibt, da die bulgarischen Aufnahmeeinrichtungen Anfang November 2014 nur zu etwa zwei Dritteln belegt waren, und die Aufnahmebedingungen jedenfalls für nicht ernsthaft erkrankte alleinstehende Personen keine gravierenden systemischen Schwachstellen mehr aufweisen.
33Vgl. UNHCR, Auskunft an VG Minden vom 23. Dezember 2014, S. 1 f der auszugsweisen Übersetzung aus dem Englischen, vgl. anders in Bezug auf besonders schutzbedürftige Personen: Bericht von Pro Asyl (Erniedrigt, misshandelt, schutzlos: Flüchtlinge in Bulgarien) von April 2015, S. 41, www.proasyl.de.
34Die Bulgarien vorgeworfenen Verstöße gegen das Refoulement-Verbot durch Zurückschiebungen an der bulgarisch-türkischen Grenze,
35vgl. dazu etwa den Bericht von Pro Asyl von April 2015 (a.a.O.), S. 27 f,
36betreffen den Antragsteller nicht, weil er sich bereits auf Unionsgebiet befindet. Anhaltspunkte dafür, dass Bulgarien in Bezug auf Dublin-Rückkehrer gegen das Refoulement-Verbot verstößt, sind nicht ersichtlich.
37Schließlich lässt sich auch nicht feststellen, dass der Antragsteller in Bulgarien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit inhaftiert werden wird. Dublin-Rückkehrer genießen grundsätzlich die gleichen Rechte wie andere Antragsteller im Erstverfahren, d.h. sie werden im Anschluss an die Rückkehr üblicherweise in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht. Nur solche im Dublin-Verfahren überstellte Personen, deren Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes durch eine bestands- bzw. rechtskräftige Entscheidung abgelehnt worden ist und die keinen Folgeantrag stellen, können in einer Haftanstalt festgehalten werden, aus der heraus dann die Abschiebung durchgeführt wird. Dies betraf im Zeitraum von 1. Januar bis zum 30. Oktober 2014 nur 7 von 143 Dublin-Rückkehrern.
38Vgl. UNHCR, Auskunft an VG Minden vom 23. Dezember 2014, S. 4 der auszugsweisen Übersetzung aus dem Englischen.
39Abgesehen davon begründet die Möglichkeit, dass Asylbewerber nach bestandskräftiger Ablehnung ihres Asylgesuchs in Abschiebungshaft genommen werden, für sich genommen noch keinen systemischen Mangel des bulgarischen Asylsystems. Mit einer Anordnung von Abschiebungshaft wird nämlich das zulässige Ziel verfolgt, den Zugriff auf einen Ausländer sicherzustellen, dessen Abschiebung ohne Inhaftnahme ansonsten erschwert oder gar vereitelt würde. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. f EMRK lässt ausdrücklich zu, dass die Freiheit einer Person beschränkt wird, wenn gegen sie ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO haben die Mitgliedstaaten die Pflicht, jeden Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates stellt, zu prüfen. Dabei haben sie die durch die erstmals in der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft vom 13. Dezember 2005 (ABl. L 326) und neugefasst in der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180/60) bestimmten einheitlichen Standards zu beachten. Zu diesen Mindestgarantien zählt, dass die Verwaltung mit aller gebotenen Sorgfalt die entsprechenden Erklärungen der betroffenen Person zur Kenntnis nimmt, indem sie sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls untersucht und ihre Entscheidung eingehend begründet. Die Verfahrensgarantien umfassen jedoch nicht das Recht, im Falle eines bereits negativ abgeschlossenen Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedstaat verbleiben zu dürfen und von Maßnahmen verschont zu werden, die der Durchsetzung der Ausreisepflicht dienen. Namentlich erfolgt die Inhaftnahme in einem solchen Fall nicht mehr allein deshalb, weil der Betroffene Asylbewerber ist (vgl. Art. 18 Abs. 1 der RL 2005) bzw. weil er einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat (Art. 26 Abs. 1 RL 2013). Die Haft zum Zweck der Sicherung einer Abschiebung begründet demnach noch keinen systemischen Mangel im Sinne der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung.
40Vgl. dazu VG Minden, Urteil vom 10. Februar 2015, 15 K 1660/14.A, juris (Rdnr. 89 ff) unter Hinweis auf VG Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 2013, 33 L 450.13 A, juris (Rdnr. 14 ff.).
41Damit steht im Sinne des § 34 a Abs. 1 S. 1 AsylVfG fest, dass die Abschiebung des Antragstellers nach Bulgarien durchgeführt werden kann. Denn zielstaatsbezogene oder in der Person des Antragstellers begründete und damit inlandsbezogene Abschiebungshindernisse oder Duldungsgründe, deren Prüfung, auch wenn sie erst nach Erlass der Abschiebungsanordnung auftreten, stets ausschließlich dem Bundesamt obliegt,
42vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14-, juris,
43sind weder dargetan noch ersichtlich.
44Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.
45Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
46Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 04. Mai 2015 - 15 L 947/15.A
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Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 04. Mai 2015 - 15 L 947/15.A zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).
(1) §§ 88, 108 Abs. 1 Satz 1, §§ 118, 119 und 120 gelten entsprechend für Beschlüsse.
(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung der Vollziehung (§§ 80, 80a) und über einstweilige Anordnungen (§ 123) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 161 Abs. 2) sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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Tatbestand:
2Der nach eigenem Bekunden am 21. Juni 1984 geborene Kläger stammt aus Mali. Am 6. November 2012 lehnte die deutsche Botschaft in Bamako (Mali) seinen Antrag auf Erteilung eines Visums ab. Am 26. Februar 2014 wurde er in der Gemeinde Dohma (Sachsen) durch die Polizei aufgegriffen. Dabei wies er sich mit einer am 23. Januar 2014 in Ungarn ausgestellten Aufenthaltsgestattung zur Durchführung eines Asylverfahrens aus. Eine daraufhin durch die Bundespolizei in Altenberg durchgeführte EURODAC-Abfrage ergab für den Kläger einen Treffer der Kategorie 1 hinsichtlich Ungarns (HU1330007615465). Das Amtsgericht Pirna – Az.: 23 XIV B 22/14 – ordnete eine vorläufige Freiheitsentziehung bis zum 12. März 2014 an, woraufhin der Kläger in den Abschiebegewahrsam Köpenick (Berlin) verbracht wurde.
3Am 27. Februar 2014 stellte der Kläger beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (künftig: Bundesamt) einen Asylantrag. Im Rahmen eines am selben Tag mit ihm geführten „Gesprächs zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens“ gab er an: Personalpapiere könne er nicht vorlegen. Er habe am 14. Dezember 2013 in Mali geheiratet. Seine Ehefrau, die am 14. April 1987 geborene E. -G. , halte sich ebenfalls in der Bundesrepublik Deutschland auf. Er habe Mali im August 2013 mit dem Flugzeug verlassen und sich zunächst in die Türkei begeben. Er sei zwei Monate lang in Istanbul geblieben. Danach habe er sich nacheinander zwei Monate in Bulgarien, einen Monat in Griechenland und einen Tag in Serbien aufgehalten. Dann sei er nach Ungarn gereist, wo ihm am 15. Januar 2015 Fingerabdrücke abgenommen worden seien. Im Februar 2014 habe er in Ungarn einen Asylantrag gestellt. Er wolle aber aufgrund der schlechten medizinischen Versorgung nicht dorthin rücküberstellt werden.
4Am 28. Februar 2014 richtete das Bundesamt ein Wiederaufnahmegesuch an die ungarischen Behörden. Diese erklärten unter dem 6. März 2014: Dem Kläger seien in Bulgarien Fingerabdrücke abgenommen worden, da er am 25. September 2013 illegal die Grenze dieses Mitgliedstaates überschritten habe. Die entsprechende EURODAC-Nummer für Bulgarien laute BG2BR206C1309250012. Sie – die ungarischen Behörden – hätten daher am 27. Februar 2014 Bulgarien um Aufnahme des Klägers und seiner Ehefrau gebeten.
5Am 20. März 2014 hob das Landgericht Dresden – Az.: 2 T 197/14 – die gegen den Kläger verhängte Haft auf. Er wurde daraufhin aus dem Abschiebegewahrsam Köpenick entlassen.
6Am 27. März 2014 teilten die ungarischen Behörden dem Bundesamt mit, dass sie sich nicht für zuständig erachteten, da Bulgarien am 26. März 2014 unter Hinweis auf Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO seine Zuständigkeit für das Asylverfahren des Klägers akzeptiert habe. Am selben Tag wurde mit dem Kläger ein weiteres „Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens“ geführt. Dabei ergänzte und korrigierte er einige seiner früher gemachten Angaben und erklärte nunmehr: Die Ehe mit der ebenfalls in Deutschland weilenden kamerunischen Staatsangehörigen E. -G. sei bereits am 14. Februar 2013 in Mali geschlossen worden. Die türkische Botschaft in Bamako (Mali) habe ihm ein Visum erteilt, mit dem er im August 2013 auf dem Luftweg in die Türkei gereist sei. Dort sei er einen Monat lang geblieben. Von der Türkei aus sei er mit dem Pkw nach Bulgarien gefahren, wo ihm im Oktober 2013 Fingerabdrücke abgenommen worden seien. Nach einem Monat des Aufenthalts in Bulgarien sei er eine Woche lang in Griechenland gewesen, bevor er über Serbien nach Ungarn gelangt sei. Dort habe er im Januar 2014 einen Asylantrag gestellt. In Ungarn sei er einen Monat lang geblieben. Dann sei er mit einem Pkw nach Deutschland weitergereist.
7Mit Bescheid vom 31. März 2014 wies die Bezirksregierung Arnsberg den Kläger unter Hinweis auf § 50 AsylVfG der Stadt C. M.---- (Kreis Q. ) zu.
8Am 2. April 2014 richtete das Bundesamt ein Wiederaufnahmegesuch an die bulgarischen Behörden. Diese erklärten sich am 10. April 2014 zur Rückübernahme des Klägers bereit.
9Mit Bescheid vom 26. Juni 2014 – Az.: 5731265-251 – lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab und ordnete seine Abschiebung nach Bulgarien an. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 3. Juli 2014 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.
10Am 9. Juli 2014 hat der Kläger Klage erhoben. Er macht im Wesentlichen geltend, dass in Bulgarien durchgreifende systemische Mängel des Asylverfahrens bestünden, die mit einer Verletzung von Art. 3 EMRK einhergingen. Diese Mängel beträfen den Zugang zum Asylverfahren, das Refoulement-Verbot, die Inhaftierung von Asylsuchenden und Dublin-Rückkehrern sowie die sozialen Aufnahmebedingungen, namentlich die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern. Der Kläger nimmt insoweit Bezug auf verschiedene Berichte des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR), von Amnesty International sowie der Asylum Information Database (Aida) und verweist auf verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, durch die er seine Auffassung bestätigt sieht.
11Der Kläger beantragt,
12den Bescheid des Bundesamtes vom 26. Juni 2014 – Az.: 5731265-251 – aufzuheben.
13Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
14die Klage abzuweisen.
15Sie erklärt: Es bestünden keine Gründe für die Annahme, dass das bulgarische Asylverfahren mit systemischen Mängeln behaftet sei; dies werde auch durch eine Vielzahl entsprechender verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen bestätigt. Die bulgarische Regierung habe Maßnahmen getroffen, die bereits zu einer erheblichen Verbesserung im Asylwesen und in den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber geführt hätten.
16Auf Antrag des Klägers ordnete das Gericht mit Beschluss vom 30. September 2014 – 10 L 530/14.A – die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bundesamtsbescheid vom 26. Juni 2014 enthaltene Abschiebungsanordnung an.
17Bereits unter dem 8. August 2014 hatte das Gericht den UNHCR um Erteilung einer Auskunft zum Asylverfahren und zur Lage von Asylbewerbern in Bulgarien gebeten. Der UNHCR erteilte die erbetene Auskunft unter dem 23. Dezember 2014 in englischer Sprache (Blatt 63 bis 66 der Gerichtsakte). Das Gericht holte eine Übersetzung der Auskunft ins Deutsche ein (Blatt 67 bis 70 der Gerichtsakte).
18Frau E. -G. , bei der es sich nach Angaben des Klägers um seine Ehefrau handelt, wurde auf der Grundlage des § 50 AsylVfG der Stadt N. B1 zugewiesen. Sie betreibt beim Verwaltungsgericht Düsseldorf unter dem Aktenzeichen 23 K 4771/14.A ein Klageverfahren, in dem ein gleichfalls vom 26. Juni 2014 datierender Bundesamtsbescheid – Az.: 5731212-262 –, mit dem ein Asylantrag Frau E. -G1. als unzulässig abgelehnt und ihre Abschiebung nach Bulgarien angeordnet wurde, streitgegenständlich ist. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf gewährte Frau E. -G. mit Beschluss vom 2. Dezember 2014 – 23 L 1658/14.A – vorläufigen Rechtsschutz.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten der Verfahren 10 K 1660/14.A und 10 L 530/14.A, den durch das Bundesamt übermittelten Verwaltungsvorgang sowie die beim Landrat des Kreises Q. über den Kläger geführte Ausländerakte (jeweils ein Heft) Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe:
21A. Der Einzelrichter, dem das vorliegende Verfahren mit Beschluss vom 9. Januar 2015 durch die Kammer zur Entscheidung übertragen wurde (§ 76 Abs. 1 AsylVfG), ist nicht gehindert, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2015 zu entscheiden, obwohl kein Vertreter der Beklagten zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Denn die Beteiligten wurden unter Hinweis darauf, dass das Gericht beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandeln und entscheiden kann, geladen (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
22B. Die auf Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 26. Juni 2014– Az.: 5731265-251 – gerichtete Klage ist als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Jedoch ist die Klage unbegründet. Die in dem Bescheid des Bundesamtes vom 26. September 2014 enthaltenen Verwaltungsakte, nämlich die Ablehnung des durch den Kläger in Deutschland gestellten Asylantrags als unzulässig (§ 27a AsylVfG), sowie die daran anknüpfende Anordnung seiner Abschiebung nach Bulgarien (§ 34a AsylVfG), sind rechtmäßig und verletzen ihn nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23I. Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht als unzulässig abgelehnt. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers ist nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (ABl. L 180, S. 31, sog. Dublin III-VO) die Republik Bulgarien zuständig.
241. Die Dublin-III-VO und nicht deren Vorgängerverordnung, die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (ABl. L 50, S. 1, sog. Dublin-II-VO) ist hier einschlägig, weil der Kläger seinen Asylantrag, d.h. seinen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne von Art. 2 Buchst. b) Dublin-III-VO, am 27. Februar 2014 und damit nach dem 1. Januar 2014 als dem gemäß Art. 49 Unterabs. 2 Dublin-III-VO für die Eröffnung des Anwendungsbereichs dieser Verordnung maßgeblichen Zeitpunkt gestellt hat.
252. Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO sieht vor, dass Anträge auf internationalen Schutz von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft werden. Welcher Mitgliedstaat dies ist, bestimmt sich nach den Kriterien der Art. 8 bis 15 Dublin-III-VO und zwar in der Rangfolge ihrer Nummerierung (Art. 7 Abs. 1 Dublin-III-VO). Lässt sich anhand dieser Kriterien nicht bestimmen, welcher Mitgliedsstaat zuständig ist, so ist der erste Mitgliedstaat zuständig, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin-III-VO). Bei Anwendung dieser Kriterien ist die Republik Bulgarien für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig.
26a) Dies folgt aus Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO. Danach ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, dessen Land-, See- oder Luftgrenze der Antragsteller aus einem Drittstaat kommend illegal überschritten hat Ein solcher Fall ist hier gegeben. Denn ausgehend von seinen eigenen, insofern von der Beklagten nicht in Zweifel gezogenen Angaben hat der Kläger aus einem Drittstaat (Türkei) kommend als erstes die (Land-) Grenze zu dem Mitgliedstaat Bulgarien überschritten. Dies erfolgte – soweit ersichtlich – ohne einen Aufenthaltstitel und insofern illegal. Die daraus resultierende Zuständigkeit Bulgariens hat auch nicht nach Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO geendet. Zwar endet nach dem Wortlaut dieser Vorschrift die Zuständigkeit (eines Mitgliedstaats für die Durchführung des Asylverfahrens) zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Damit ist aber lediglich gemeint, dass die Zuständigkeit dann endet, wenn vor Ablauf der genannten Frist in keinem der Mitgliedstaaten ein Asylantrag gestellt wurde. Diese Auslegung ergibt sich zwingend vor dem Hintergrund des Art. 7 Abs. 2 Dublin-III-VO, der als maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Dublin-Zuständigkeit denjenigen vorgibt, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Deshalb ist es etwa unschädlich, wenn nicht (auch) in dem Einreisestaat innerhalb der in Rede stehenden Frist ein Asylantrag gestellt wurde. Ebenso wenig ist es von Bedeutung, ob der Zwölfmonatszeitraum im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abgelaufen ist.
27Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, m.w.N., juris (Rdnr. 46 ff.), zu den im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmungen der Art. 10 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 2 Dublin-II-VO.
28Damit steht Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO einer Zuständigkeit Bulgariens nicht entgegen. Nach der Mitteilung der ungarischen Behörden an das Bundesamt vom 6. März 2014 (Blatt 29 der beigezogenen Bundesamtsakte) ist der Kläger am 25. September 2013 nach Bulgarien eingereist. Die beim Kläger aufgefundene ungarische Aufenthaltsgestattung zur Durchführung eines Asylverfahrens weist als Ausstellungsdatum den 23. Januar 2014 aus (Blatt 4 der beigezogenen Ausländerakte), woraus folgt, dass er spätestens an diesem Tag in Ungarn einen Asylantrag gestellt haben muss. Dass die vorgenannten Unterlagen inhaltlich unrichtig sein könnten, ist weder vom Kläger substanziiert dargelegt worden noch sonst ersichtlich. Liegt danach zwischen dem illegalen Grenzübertritt nach Bulgarien und der Antragstellung in Ungarn ein Zeitraum von höchstens vier Monaten, so ist die sich aus Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO ergebende zwölfmonatige Frist unzweifelhaft gewahrt. Darauf, dass der Asylantrag nicht in Bulgarien gestellt worden ist, kommt es für die Zuständigkeit dieses Mitgliedsstaates nicht an.
29b) Es greifen auch keine gemäß Art. 7 Abs. 1 Dublin-III-VO vorrangig anzuwendenden Zuständigkeitstatbestände ein, namentlich keine solchen zum Schutz der Familieneinheit gemäß Art. 10 und 11 Dublin-III-VO. Dabei kann zugunsten des Klägers als wahr unterstellt werden, dass er tatsächlich die Ehe mit der am 14. April 1987 geborenen kamerunischen Staatsangehörigen E. -G. geschlossen hat.
30Für die Anwendung des Art. 10 Dublin-III-VO wäre es erforderlich, dass beide Familienangehörigen, zu denen gemäß Art. 2 Buchst. g) Dublin-III-VO auch Ehegatten gehören, den Wunsch zur Prüfung ihrer Asylanträge in demselben Mitgliedstaat schriftlich kundtun. Eine schriftliche Erklärung dieser Art liegt indessen – zumindest für den Kläger – nicht vor.
31Vgl. zu entsprechenden Fällen VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Dezember 2014 – 13 L 2517/14.A –, juris (Rdnr. 15).
32Ebenso wenig vermag Art. 11 Dublin-III-VO etwas an der Zuständigkeit Bulgariens für das Asylverfahren des Klägers zu ändern. Unter der amtlichen Überschrift „Familienverfahren“ erfasst diese Bestimmung (u.a.) den Fall der gleichzeitigen Asylantragstellung durch mehrere Familienangehörige oder der Asylantragstellung mehrerer Familienangehöriger in so großer zeitlicher Nähe, dass die Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats gemeinsam durchgeführt werden können. Besteht in einem solchen Fall bei Anwendung der in der Dublin-III-VO genannten Kriterien die Gefahr der Trennung der Familienangehörigen, so gilt nach Art. 11 Dublin-III-VO Folgendes: a) Zuständig für die Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz sämtlicher Familienangehöriger (…) ist der Mitgliedstaat, der nach den Kriterien für die Aufnahme des größten Teils von ihnen zuständig ist; b) andernfalls ist für die Prüfung der Mitgliedstaat zuständig, der nach den Kriterien für die Prüfung des von dem ältesten von ihnen gestellten Antrags zuständig ist.
33Es spricht bereits vieles dafür, dass Art. 11 Dublin-III-VO hier bereits in seinem Ausgangspunkt nicht einschlägig ist. Denn es dürfte schon keine Gefahr der Trennung im Sinne dieser Bestimmung bestehen, weil eine Zuständigkeit Bulgariens nach Lage der Akten wohl ohnehin – unabhängig von der Anwendung der Vorschriften zur Wahrung der Familieneinheit – auch für Frau E. -G. besteht. Doch selbst wenn dies nicht der Fall wäre, könnte der Kläger aus Art. 11 Dublin-III-VO nichts für sich herleiten. In Bezug auf Art. 11 Buchst. a) Dublin-III-VO gilt dies schon deshalb, weil es hier um die Bestimmung der Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylverfahren von lediglich zwei Personen – des Klägers und seiner (angeblichen) Ehefrau – geht. In einem solchen Fall kann es bei einer etwaigen Verschiedenheit der an sich zuständigen Mitgliedstaaten rechnerisch keinen „größten Teil“ der Familienangehörigen geben.
34Vgl. dazu auch Filzwieser/Sprung, Kommentar zur Dublin-III-VO, 1. Auflage (2014), Art. 11 Dublin-III-VO Anm. K 5.
35Art. 11 Buchst. b) Dublin-III-VO vermag ebenfalls nichts an der Zuständigkeit Bulgariens für die Bearbeitung des Asylantrags des Klägers zu ändern. Denn er ist nach den von ihm und seiner (angeblichen) Ehefrau gemachten Angaben, wonach er am 21. Juni 1984 und Frau E. -G. am 14. April 1987 geboren ist, der ältere der beiden Ehegatten. Daraus folgt, dass gemäß Art. 11 Buchst. b) Dublin-III-VO jener Mitgliedstaat für alle Familienangehörigen (hier für beide Ehegatten) zuständig ist, der nach den einschlägigen Kriterien der Dublin-III-VO für den Kläger zuständig ist
36- ebenso VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Dezember 2014 – 23 L 1658/14.A –, in dem Frau E. -G. betreffenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (vgl. im Einzelnen die Seiten 3 und 4 des den Beteiligten vorliegenden Beschlussabdrucks) -.
37Die sich aus Art. 13 Dublin-III-VO für das Verfahren des Klägers ergebende Zuständigkeit Bulgariens erstreckt sich mithin bei Anwendung des Art. 11 Buchst. b) Dublin-III-VO auf seine Ehefrau.
383. Aufgrund der danach gegebenen Zuständigkeit der Republik Bulgarien ist diese gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. a) Dublin-III-VO zur Aufnahme des Klägers verpflichtet. Dies hat zur Folge, dass in seinem Fall die Verfahrensvorschriften der Art. 21, 22 und 29 Dublin-III-VO zur Anwendung kommen (vgl. dazu nachfolgend 5.). Es besteht hier eine Pflicht zur Aufnahme nach diesen Bestimmungen und nicht eine solche zur Wiederaufnahme nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) bis d) Dublin-III-VO i.V.m. Art. 23, 24, 29 Dublin-III-VO, weil Voraussetzung für eine Wiederaufnahme durch Bulgarien wäre, dass der Kläger dort bereits ein Asylverfahren betrieben hätte. Dies ist indessen nicht der Fall. Der Kläger hat selbst angegeben, lediglich in Ungarn (und nicht auch in Bulgarien) einen Asylantrag gestellt zu haben. Abgesehen davon haben die ungarischen Behörden dem Bundesamt unter dem 6. März 2014 mitgeteilt, dass für den Kläger hinsichtlich Bulgariens (lediglich) ein EURODAC-Treffer der Kategorie 2 (BG2BR206C1309250012) erzielt worden sei (Blatt 29 der Bundesamtsakte). Gemäß Art. 2 Abs. 3 Satz 5 der Verordnung (EG) Nr. 407/2002 des Rates vom 28. Februar 2002 zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 über die Einrichtung von EURODAC für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens (EURODAC-Durchführungsverordnung) werden nur Daten von Asylbewerbern mit der Kategorie 1 versehen. Hieran zeigt sich ebenfalls, dass der Kläger in Bulgarien noch keinen Asylantrag gestellt hat, zumal nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. c) der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 des Rates vom 11. Dezember 2000 über die Einrichtung von EURODAC für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens (EURODAC-VO) eine europarechtliche Richtigkeitsgewähr bzgl. der erhobenen und übermittelten Daten besteht.
39Vgl. zu entsprechenden Fällen VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 13 L 2759/14.A –, juris (Rdnr. 37).
404. Die Aufnahmeverpflichtung Bulgariens nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. a) Dublin-III-VO ist nicht gemäß Art. 19 Dublin-III-VO nachträglich erloschen. Namentlich ergibt sich Entsprechendes nicht aus der Bestimmung des Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO. Danach erlöschen die Pflichten nach Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO, wenn der zuständige Mitgliedstaat nachweisen kann, dass der Antragsteller, um dessen Aufnahme er ersucht wurde, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat, es sei denn, die betreffende Person ist im Besitz eines vom zuständigen Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Aufenthaltstitels. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Nachweis einer mindestens drei Monate dauernden Abwesenheit des Klägers aus dem Gebiet der Mitgliedstaaten ist nicht geführt. Zwar hat er vor dem Bundesamt erklärt, im Anschluss an seinen Aufenthalt in Bulgarien in Serbien, das nicht zu den Mitgliedstaaten zählt, gewesen zu sein. Dieser Aufenthalt in Serbien ist jedoch in keiner Weise belegt und kann abgesehen davon bei dem vom Kläger geschilderten zeitlichen Ablauf ohnehin nur kurzzeitig gewesen sein. Am 27. Februar 2014 hat er selbst gegenüber dem Bundesamt bekundet, sich lediglich einen Tag lang in Serbien aufgehalten zu haben (Blatt 8 der Bundesamtsakte).
415. Des Weiteren sind die Zuständigkeit Bulgariens und die daraus folgende Aufnahmepflicht nicht aufgrund eines Verstreichens der für das Aufnahmeverfahren maßgeblichen Antrags- und Überstellungsfristen erloschen:
42a) Das Bundesamt hat die im Aufnahmeverfahren maßgebliche Frist zur Stellung des Aufnahmegesuchs nach Art. 21 Abs. 1 Dublin-III-VO beachtet. Dabei kann offen bleiben, ob hier eine Frist von drei Monaten (Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO) oder – aufgrund des von den ungarischen Behörden mitgeteilten EURODAC-Treffers hinsichtlich Bulgariens – eine zweimonatige Frist zur Stellung des Aufnahmegesuchs (Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 2 Dublin-III-VO) einschlägig gewesen ist, weil beide Fristen eingehalten worden sind. Das Bundesamt hat dadurch, dass der Kläger am 27. Februar 2015 über einen Aufenthalt in Bulgarien berichtet hat, erste Anhaltspunkte für eine Zuständigkeit dieses Mitgliedstaates erhalten. Die Hinweise auf eine Zuständigkeit Bulgariens haben sich sodann durch den von den ungarischen Behörden unter dem 6. März 2014 mitgeteilten EURODAC-Treffer verdichtet. Am 27. März 2014 haben die ungarischen Behörden schließlich berichtet, dass Bulgarien sich ihnen gegenüber unter Hinweis auf Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO für zuständig erklärt habe. Selbst wenn man hier – zugunsten des Klägers – für den Beginn der Antragsfrist auf den erstgenannten Zeitpunkt (27. Februar 2014) abstellte, hätte das Bundesamt dadurch, dass es sich bereits am 2. April 2014, d.h. nur rund fünf Wochen später, an die bulgarischen Behörden gewandt hat, die Fristen des Art. 21 Abs. 1 Dublin-III-VO beachtet.
43b) Ebenso wenig ist die sechsmonatige Frist für die Überstellung des Antragstellers in den zuständigen Mitgliedstaat (Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO) mit der Folge überschritten, dass die Zuständigkeit für die Durchführung seines Asylverfahrens gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO auf die Beklagte übergegangen wäre.
44Nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO erfolgt die Überstellung eines Antragstellers aus dem ersuchenden Mitgliedsstaat (hier: Bundesrepublik Deutschland) in den zuständigen Mitgliedstaat (hier: Republik Bulgarien) gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedsstaates nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat (Fall 1) oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese(r) gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin-III-VO aufschiebende Wirkung hat (Fall 2).
45Der Fristbeginn bestimmt sich hier nach dem in Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO angesprochenen zweiten Fall, wonach die maßgebliche Überstellungsfrist von sechs Monaten erst mit der (endgültigen) Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese(r) gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin-III-VO aufschiebende Wirkung hat, beginnt. Ein „Rechtsbehelf“ im Sinne von Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO, dem aufschiebende Wirkung zukommen kann, ist (jedenfalls) der Hauptsacherechtsbehelf (hier die vorliegende Klage). Diesem kommt aufschiebende Wirkung in jedem Fall dann zu, wenn diese gemäß § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG in der seit dem 6. September 2013 gültigen Fassung im Einzelfall durch das Gericht angeordnet wird.
46Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2014 – 13 A 1347/14.A –, m.w.N., juris (zur Überstellungsfrist nach der Dublin-II-VO).
47So liegt der Fall auch hier, weil das Gericht mit Beschluss vom 30. September 2014 – 10 L 530/14.A – die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bundesamtsbescheid vom 26. Juni 2014 enthaltene Abschiebungsanordnung angeordnet hatte. Diese gerichtliche Entscheidung erfolgte zu einem Zeitpunkt, zu dem die zunächst angelaufene Frist nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Fall 1 Dublin-III-VO, wonach die Überstellungsfrist von sechs Monaten mit der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat beginnt, noch nicht verstrichen und die Zuständigkeit mithin noch nicht auf die Beklagte übergegangen war. Denn die bulgarischen Behörden haben sich am 10. April 2014 gegenüber der Beklagten zur Aufnahme des Klägers bereit erklärt, so dass die Frist nach dem ersten Fall des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO erst mit dem 10. Oktober 2014 verstrichen wäre. Diese Frist ist mit der gerichtlichen Entscheidung vom 30. September 2014, die dem Hauptsacherechtsbehelf aufschiebende Wirkung zugewiesen hat, mit der Folge (rechtzeitig) unterbrochen worden, dass sich die sechsmonatige Überstellungsfrist nunmehr nach dem zweiten Fall des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO bestimmt. Diese Frist wird erst mit der endgültigen Entscheidung über den Hauptsacherechtsbehelf, d.h. über die vorliegende Klage, zu laufen beginnen und ist mithin im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2015 (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) noch nicht verstrichen.
486. Ferner kann der Antragsteller sich nicht mit Erfolg auf systemische Mängel des bulgarischen Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Bulgarien berufen.
49Gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 VO Dublin-III-VO setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Art. 8 bis 15 Dublin-III-VO vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) mit sich bringen (Unterabs. 2); kann eine Überstellung an einen aufgrund der Kriterien der Art. 8 bis 15 Dublin-III-VO bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, nicht vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat (Unterabs. 3).
50Der Regelung in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin-III-VO liegt die Rechtsprechung des EuGH zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem zugrunde. Dieses gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll zu dieser Konvention von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) finden. Es gilt daher die Vermutung, dass Asylbewerbern in jedem Mitgliedsstaat eine Behandlung entsprechend den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskommission zukommt. Diese Vermutung ist allerdings nicht unwiderleglich. Wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist die Widerlegung der Vermutung aber an hohe Hürden geknüpft, so dass nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder jeder Verstoß gegen Bestimmungen des zum Asylrecht ergangenen Sekundärrechts geeignet sind, die Vermutung zu widerlegen.
51Vgl. EuGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 u.a. (N.S. u.a.) –, NVwZ 2012, 417, sowie vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 (Abdullahi) –, NVwZ 2014, 208.
52Die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin-III-VO liegen vor, wenn das Gericht zu der Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gelangt, dass ein Asylbewerber wegen systemischer Mängel, also strukturell bedingter, größerer Funktionsstörungen, im konkret zu entscheidenden Fall in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein wird.
53Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, NVwZ 2014, 1039, zur Rechtslage nach der Dublin-II-VO.
54Im Rahmen dieser Prognose ist nicht allein auf die Rechtslage im betreffenden Mitgliedstaat abzustellen, maßgeblich ist vielmehr deren Umsetzung in die Praxis.
55Vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 (M.S.S ./. Belgien und Griechenland) –, NVwZ 2011, 413 und HUDOC (Rdnr. 359); Hailbronner, Ausländerrecht, Band 3, Stand: Juni 2014, § 34a AsylVfG Rdnr. 21.
56Die vorstehend aufgezeigten rechtlichen Maßstäbe gelten jedenfalls dann, wenn der betreffende Asylbewerber in dem Mitgliedstaat, in den er abgeschoben werden soll, noch keinen Schutzstatus erlangt hat
57- vgl. dazu VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Oktober 2014– 17 L 2379/14.A –, juris (Rdnr. 20), unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 –, a.a.O. -.
58Dies ist beim Kläger der Fall, da er in Bulgarien keinen Asylantrag gestellt und dementsprechend auch noch keinen Schutzstatus erhalten hat.
59Ausgehend hiervon kann das erkennende Gericht entgegen der Auffassung des Klägers nicht feststellen, dass in der Republik Bulgarien systemische Mängel des Asylverfahrens bzw. der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im vorstehend genannten Sinne, von denen gerade der Kläger betroffen wäre, bestehen
60- ebenso in entsprechenden Fällen: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014 – A 11 S 1778/14 –, juris (Rdnr. 42 ff.), VG Potsdam, Urteil vom 4. Februar 2014 – 6 K 3905/13.A –, juris (Rdnr. 16), VG Ansbach, Urteil vom 10. Juli 2014 – AN 11 14.30366 –, juris (Rdnr. 27), und VG Bremen, Urteil vom 16. Juli 2014 – 1 K 152/14 –, juris (Rdnr. 30 ff.); demgegenüber geht ein Teil der Rechtsprechung vom Vorliegen systemischer Mängel des bulgarischen Asylsystems aus oder sieht deutliche Anhaltspunkte für das Vorliegen derartiger Mängel: VG Bremen, Beschluss vom 11. März 2014 – 1 V 153/14 –, juris (Rdnr. 26 ff.), VG Schwerin, Beschluss vom 13. März 2014– 3 B 230/14 As –, juris (Rdnr. 20 ff.), VG Oldenburg, Beschluss vom 1. Juli 2014 – 12 B 1387/14 –, juris (Rdnr. 18 ff.); vgl. außerdem VG Berlin, Beschluss vom 6. Mai 2014 – 9 L 147/14.A –, juris (Rdnr. 8 ff.), das grundsätzlich keine systemischen Mängel des bulgarischen Asylsystems sieht, eine Ausnahme hiervon jedoch bei besonders schutzbedürftigen Personen (z.B. psychisch kranken Menschen) macht -.
61Der Vortrag des Klägers, wonach in Bezug auf (a) den Zugang zum Asylverfahren, (b) das Refoulement-Verbot, (c) die Inhaftierung von Asylsuchenden und Dublin-Rückkehrern sowie (d) die sozialen Aufnahmebedingungen, namentlich die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern, systemische Mängel des bulgarischen Asylwesens bestünden, greift nicht durch:
62a) Ein ausreichender Zugang zum Asylverfahren ist in Bulgarien für den Kläger gegeben.
63Allerdings war das bulgarische Asylsystem bedingt durch die im Laufe des Jahres 2013 erheblich angestiegene Zahl von Antragstellern, die aufgrund des Konflikts in Syrien über die türkisch-bulgarische Grenze gekommen waren, vollkommen überfordert. Dadurch war bereits ein effektiver Zugang zum Asylverfahren, insbesondere aus einer bestehenden Abschiebehaft heraus, nicht mehr gewährleistet. Zwar wies Bulgarien auch zu dieser Zeit eine vergleichsweise hohe Schutzquote auf. Gleichwohl bestanden – bedingt durch die hohen Eingangszahlen und wohl auch aufgrund unzureichender Qualifikation der beteiligten bulgarischen Amtswalter – unübersehbare Mängel im Verfahren, u.a. im Bereich der Übersetzung, Protokollführung, der Anhörungen und deren Umsetzung in den Bescheiden. Der Komplex der rechtlichen Beratung und Unterstützung wurde als in hohem Maße defizitär geschildert, und zwar vor allem im Hinblick auf fehlende finanzielle Mittel und weniger aufgrund der jeweils maßgeblichen rechtlichen Grundlagen bzw. Vorgaben, die nicht grundsätzlich zu kritisieren sind. Bei dieser Sachlage beschloss der Ministerrat Bulgariens im Oktober 2013 einen „Plan for the containment of the crisis resulting from stronger migration pressure on the Bulgarian border“, der u.a. eine Verbesserung der Verfahrensabläufe, aber auch eine konsequente Verhinderung künftiger unkontrollierter Einwanderung über die Landesgrenze mit der Türkei zum Inhalt hatte. Außerdem wurde durch das European Asylum Support Office (EASO) im Herbst 2013 in Zusammenarbeit mit dem bulgarischen Innenministerium, dem Leiter der bulgarischen Flüchtlingsbehörde (SAR) und UNHCR ein „Operating Plan To Bulgaria“ entwickelt, aufgrund dessen unter Hinzuziehung des Bulgarischen Roten Kreuzes und anderer Nichtregierungsorganisationen weitreichende Verbesserungen des gesamten Asylsystems vorgenommen werden sollten. In Vollzug des Ministerratsbeschlusses vom Oktober 2013 wurde mit dem Bau eines Zaunes an der Grenze zur Türkei begonnen, der mittlerweile in der vorgesehenen Länge fertiggestellt ist. Nicht zuletzt aufgrund dieser Grenzanlage ist die Zahl der Antragsteller seit Anfang des Jahres 2014 zunächst erheblich zurückgegangen. Dies wiederum hat zu einer erheblichen Entlastung des bulgarischen Asylsystems geführt und mit dazu beigetragen, dass die von EASO ins Auge gefassten Maßnahmen unter erleichterten Rahmenbedingungen in Angriff genommen und durchgeführt werden konnten. Es wird von erheblichen Verbesserungen berichtet. Insbesondere wird eine zeitnahe Registrierung von Asylgesuchen und damit ein schneller Zugang zum Asylverfahren nunmehr grundsätzlich gewährleistet. Allerdings ist, worauf nachfolgend unter c) noch näher einzugehen sein wird, nicht auszuschließen, dass es im Falle einer Antragstellung aus der Haft heraus nach wie vor zu Verzögerungen von einigen Tagen kommen kann, die möglicherweise auch vermeidbar wären. Ein grundlegender, das gesamte Asylsystem betreffender Mangel liegt hierin aber nicht (mehr).
64Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014– A 11 S 1778/14 –, m.w.N., juris (Rdnr. 44 ff., 55).
65Zwar hat sich aufgrund des ab August 2014 zu verzeichnenden stetigen Anstiegs der Anzahl der Neuanträge auf internationalen Schutz
66- vgl. dazu die unter http://ec.europa.eu/eurostat/tgm/table.do?tab=table&init= 1&language=en&pcode=tps00189&plugin=1 durch Eurostat veröffentlichten Zahlen (durch das Gericht abgerufen am 9. Februar 2015) -
67die Registrierung und Bearbeitung der Anträge seit kurzem wieder etwas verlangsamt, zumal die SAR weiterhin nicht über eine ausreichende Anzahl an Dolmetschern (insbesondere für Farsi/Dari und Paschtu) sowie Mitarbeitern für die Registrierung und Befragung verfügt. Dies führt für sich genommen aber nicht zur Feststellung systemischer Mängel des bulgarischen Asylsystems. Die neu installierte Videokonferenz-Ausrüstung in zwei Einrichtungen, nämlich in der RC-Harmanli und der Übergangseinrichtung für Einwanderungshaft, Allocation Centre Elhovo, soll helfen, das Verfahren zu beschleunigen, sobald die SAR Dolmetscher benannt hat. Da die Aufnahme- und Bearbeitungskapazitäten seit Anfang 2014 erhöht wurden, was dazu führte, dass 5.624 Antragstellern zwischen Januar und Oktober 2014 ein Schutzstatus gewährt wurde, funktioniert das Asylsystem nach Einschätzung des UNHCR derzeit „einigermaßen“, wobei die SAR allerdings weitere Mittel benötige, um die bisher bei den Aufnahme- und Bearbeitungskapazitäten erzielten Verbesserungen beizubehalten.
68Vgl. dazu die Auskunft des UNHCR an das VG Minden vom 23. Dezember 2014, Seiten 2 und 3.
69Nach alledem ist derzeit die Prognose gerechtfertigt, dass für den Kläger im Anschluss an eine Überstellung nach Bulgarien ein ausreichender Zugang zum dortigen Asylverfahren gegeben sein wird. Abweichendes folgt auch nicht daraus, dass er als sog. Dublin-Rückkehrer nach Bulgarien einreisen wird. Für nach Bulgarien zurückkehrende Asylbewerber gilt nach den Feststellungen des UNHCR
70- vgl. die Seiten 3 und 4 seiner Auskunft an das VG Minden vom 23. Dezember 2014 -
71Folgendes: Der Zugang zu einem Verfahren über die Feststellung des Flüchtlingsstatus ist im Falle einer Wiedereinreise nach Bulgarien davon abhängig, welchen Stand das frühere Asylverfahren des betreffenden Asylbewerbers dort hatte. Ist der Asylantrag bei der Rückkehr noch nicht entschieden, wird für die Person (grundsätzlich) in Bulgarien eine sachliche Entscheidung getroffen. Hat ein Asylbewerber Bulgarien verlassen und erscheint nicht oder wirkt an einem Verfahrensschritt nicht mit, so wird das Verfahren allerdings nach zehn Tagen des Nichterscheinens bzw. der fehlenden Mitwirkung ausgesetzt. Kehrt der Antragsteller sodann innerhalb von drei Monaten nach Registrierung seines Antrags nach Bulgarien zurück, wird das Verfahren wiedereröffnet und grundlegend geprüft. Erfolgt die Rückkehr in die Republik Bulgarien dagegen erst nach Ablauf dieser Frist, so gilt die Anwesenheit des Asylbewerbers als illegal und er wird in Abschiebungshaft genommen, es sei denn er kann „objektive Gründe“ für einen Wechsel seines Wohnortes, sein Nichterscheinen bei der zuständigen Behörde oder seine fehlende Mitwirkung darlegen. Grundsätzlich ist es möglich, dass der Betroffene nach Beendigung seines Verfahrens einen Folgeantrag stellt; es werden dann aber nur die mit dem Folgeantrag geltend gemachten neuen Gründe geprüft. Bei Dublin-Rückkehrern wird das Asylverfahren indessen grundsätzlich – unabhängig davon, ob die vorstehend genannten Fristen verstrichen sind – wiedereröffnet, und zwar an der Stelle, an welcher der Stillstand eingetreten ist. Voraussetzung hierfür ist, dass der Dublin-Rückkehrer einer Fortführung des Verfahrens in Bulgarien zustimmt. Eine Prüfung seines Antrags ist dann prinzipiell sichergestellt; der Betroffene genießt dieselben Rechte wie andere Asylbewerber auch. Das Verfahren wird allerdings dann nicht mehr eröffnet, wenn eine Anhörung bereits durchgeführt und das Verfahren daraufhin endgültig beendet worden ist. In diesem Fall hat auch der Dublin-Rückkehrer nur noch die Möglichkeit, einen Folgeantrag zu stellen.
72Vgl. dazu auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014– A 11 S 1778/14 –, juris (Rdnr. 58).
73Gemessen hieran wird dem Kläger als Dublin-Rückkehrer das Asylerstverfahren in Bulgarien ohne Einschränkungen offen stehen, weil er dort noch keinen Asylantrag gestellt hatte und dementsprechend auch noch keine Anhörung stattgefunden haben kann, aufgrund der – ggf. auch in seiner Abwesenheit – eine endgültige verfahrensabschließende Entscheidung hätte getroffen werden können. Es gibt zudem keine Anhaltspunkte dafür, dass er aufgrund des in Ungarn gestellten Asylantrags in Bulgarien als bloßer Folgeantragsteller behandelt werden würde.
74Auch in Bezug auf den weiteren Verlauf des dem Kläger offenstehenden Asylverfahrens sind keine durchgreifenden Mängel des bulgarischen Asylsystems erkennbar. Die in der Vergangenheit festgestellten Mängel in Bezug auf das Prüfungsverfahren und die Entscheidungen über die Gewährung internationalen Schutzes sind zwar nicht gänzlich ausgeräumt, allerdings sind positive Veränderungen auf den Weg gebracht worden. Die Verfahrensdauer, die bei syrischen Staatsangehörigen in der Regel ohnehin nicht zu beanstanden war, wurde mittlerweile auch bei nicht syrischen Flüchtlingen – wie dem Kläger – wesentlich verkürzt. Die Bereitstellung von Informationen für die Antragsteller über den Ablauf des Verfahrens und die in diesem Zusammenhang bestehenden Rechte wurden wesentlich verbessert, ohne aber wiederum als vollständig befriedigend qualifiziert werden zu können. Zumindest für ein – im Falle des Klägers in Rede stehendes – Asylerstverfahren ist eine kostenlose Rechtsberatung rechtlich gewährleistet, steht mit Rücksicht auf eine unzureichend finanzielle Ausstattung allerdings staatlicherseits nicht zuverlässig zur Verfügung, weshalb Nichtregierungsorganisationen, wie das Bulgarische Helsinki Komitee, einspringen und teilweise selbst die unentgeltliche Vertretung übernehmen müssen. Diese Defizite können jedoch – auch in Anbetracht der stattgefundenen Verbesserungen – nicht als derart gravierend eingestuft werden, dass sie als systemisch zu qualifizieren wären und die Betroffenen in ihren Rechten aus Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK verletzen würden.
75Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014– A 11 S 1778/14 –, m.w.N., juris (Rdnr. 56).
76Hinweise auf entsprechende Rechtsverletzungen aufgrund von Mängeln des Asylverfahrens ergeben sich im Übrigen auch nicht aus der in Bulgarien bestehenden Schutzquote. Denn die Zahl der in Bulgarien als international schutzberechtigt anerkannten Personen ist vergleichsweise hoch. So wurde im dritten Quartal 2014 bei 1.005 Asylentscheidungen in 785 Fällen ein Flüchtlingsstatus und in 90 Fällen ein subsidiärer Schutz zuerkennt; dies entspricht einer Gesamtschutzquote von rund 87 %
77- vgl. die Eurostat-Daten unter http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/images/8/88/First_instance_decisions_by_outcome_and_recognition_rates%2C_3rd_quarter_2014.png (durch das Gericht abgerufen am 9. Februar 2015) -,
78die allerdings zum Teil auch dadurch bedingt sein mag, dass viele Personen, die in Bulgarien einen Asylantrag stellen, aus dem Bürgerkriegsland Syrien stammen.
79b) Soweit der Kläger Verstöße gegen das Refoulement-Verbot rügt, mag dies (teilweise) berechtigt sein, und zwar mit Blick darauf, dass es Berichte über eine Vielzahl von Zurückschiebungen über die Grenze in die Türkei ab dem Jahr 2013 gibt
80- vgl. dazu etwa Human Rights Watch, Containment Plan – Bulgaria’s Pushbacks and Detention of Syrian an Other Asylum Seekers and Migrants, 29. April 2014, Seiten 14 ff. -.
81Damit könnte Bulgarien gegen das unionsrechtliche wie auch das völkerrechtliche Refoulement-Verbot nach Art. 21 Abs. 1 QRL bzw. Art. 33 GFK verstoßen. Denn zum einen ist die Türkei kein sicherer Drittstaat, weil sie die Genfer Flüchtlingskonvention und das Protokoll von 1967 nur mit einem regionalen Vorbehalt gezeichnet hat; zum anderen hat sich Bulgarien offensichtlich nicht vergewissert, dass die Türkei Flüchtlinge nicht in einen potentiell verfolgenden Herkunftsstaat „weiterschiebt“. Da das Refoulement-Verbot auch eine Zurückweisung von Asylbewerbern an der Grenze untersagt, sofern nicht eine Massenfluchtbewegung gegeben ist, wovon aber in Bezug auf Bulgarien wohl nicht auszugehen ist, dürfte auch die Errichtung des Grenzzauns – vgl. dazu bereits die Ausführungen unter a) – kaum mit dem Refoulement-Verbot in Einklang stehen, zumal keine offizielle Anreise über die türkischen Grenzübergangsstellen möglich sein dürfte.
82Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014– A 11 S 1778/14 –, juris (Rdnr. 47).
83Letztlich kann dies aber offen bleiben, weil sich der Kläger bereits auf dem Gebiet der Mitgliedstaaten befindet und somit von der Zurückweisungspraxis an der türkisch-bulgarischen Grenze nicht (mehr) betroffen ist. Dafür, dass sich Bulgarien des Klägers nach Durchführung eines Asylverfahrens unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen würde, ist im Übrigen nichts ersichtlich.
84c) Soweit der Kläger gegen den streitgegenständlichen Bundesamtsbescheid sinngemäß einwendet, Asylbewerber einschließlich Dublin-Rückkehrern hätten in Bulgarien im Widerspruch zu den Bestimmungen der EMRK und der GR-Charta mit Inhaftierung zu rechnen, kann er hiermit ebenfalls nicht durchdringen.
85Nach den Feststellungen des UNHCR
86- vgl. die Seiten 2 bis 4 seiner Auskunft an das VG Minden vom 23. Dezember 2014 -
87reisen Asylbewerber mehrheitlich auf illegale Weise nach Bulgarien ein und werden dabei häufig durch die Grenzpolizei abgefangen, woraufhin sie in Einwanderungshaft genommen werden. Bulgarien verfügt über insgesamt drei Einrichtungen für die Einwanderungshaft. Bei zwei davon handelt es sich um sog. SCTAFs (Special Center for Temporary Accommodation of Foreigners). Eine davon befindet sich in Busmatsi (Sofia), die andere in Lyubiments (Südbulgarien). Hinzu kommt eine weitere vorübergehende Einwanderungshaftanstalt, das in der Nähe der türkischen Grenze gelegene Allocation Centre (AC) in Elhovo. Während es sich bei den SCTAFS in erster Linie um Einrichtungen für die Abschiebungshaft handelt, wurde das AC in Elhovo im Oktober 2013 durch das Innenministerium eingerichtet, um (u.a.) Asylbewerber aus Gruppen illegal einreisender Ausländer „herauszufiltern“. Illegal Eingereiste, die zunächst kein Asyl beantragen wollen, werden an ein SCTAF weitergeleitet. Soweit sie dort Asyl beantragen, werden sie nach Erledigung der vorgesehenen Formalitäten an eine Aufnahmeeinrichtung der SAR verwiesen. In keinem Fall müssen Asylsuchende aber eine längere Inhaftierung nach der Einreise in die Republik Bulgarien befürchten. Diese Verbesserung gegenüber früheren Zuständen beruht auf einer seit dem ersten Quartal 2014 verbesserten Kooperation zwischen den Grenzschutz- und Einwanderungsbehörden einerseits und der SAR andererseits. Die SAR hat sich nunmehr verpflichtet, die Erstregistrierung der Asylbewerber bereits in der Einwanderungshaft vorzunehmen, was dazu führt, dass die Asylbewerber nach durchschnittlich 7 bis 10 Tagen aus der Einwanderungshaft entlassen werden. Die Tatsache allein, dass Asylsuchende, die illegal eingereist sind, zunächst in größerem Umfang inhaftiert werden, stellt keine systemische Schwachstelle des Asylverfahrens dar, sofern, wie nunmehr, sichergestellt ist, dass sie nach der Antragstellung zeitnah registriert werden
88- ebenso VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014– A 11 S 1778/14 –, juris (Rdnr. 55).
89Abgesehen davon wird der Kläger bei einer Rückkehr nach Bulgarien von einer solchen Einwanderungshaft voraussichtlich nicht mehr betroffen sein, weil er im Wege der Überstellung gemäß der Dublin-III-Verordnung nach Bulgarien zurückkehren wird.
90Auch mit Blick auf die in Bulgarien herrschende Praxis im Bereich der Abschiebungshaft, können keine gerade den Kläger betreffenden systemischen Schwachstellen festgestellt werden. Die Verhängung von Abschiebungshaft kommt nach der Auskunft des UNHCR an das erkennende Gericht vom 23. Dezember 2014 (Seiten 3 und 4) zunächst dann in Betracht, wenn ein Asylbewerber Bulgarien während des laufenden Asylverfahrens verlässt und erst nach Verstreichen der unter a) behandelten dreimonatigen Betreibensfrist wieder zurückkehrt oder aber sein Asylantrag– ggf. auch während seiner Abwesenheit – abgelehnt wird. In diesen Fällen gilt der (erneute) Aufenthalt des betroffenen Drittstaatsangehörigen als illegal, mit der Folge, dass er (grundsätzlich) in Abschiebungshaft genommen wird. Den Betroffenen steht die Möglichkeit offen, einen Folgeantrag zu stellen. Wird dieser Antrag zur sachlichen Prüfung zugelassen, so ist eine Haftfortdauer gleichwohl wahrscheinlich. Eine Freilassung aus der Haft kommt allerdings in Betracht, wenn dem Folgeantragsteller ein Platz in einer Einrichtung der SAR zugewiesen wird oder aber eine externe Wohnung nachgewiesen wird. Mit Letzterem ist allerdings ein Verzicht auf staatliche Leistungen verbunden. Die vorstehend behandelte Art der Abschiebungshaft kann auf einen längeren Zeitraum ausgedehnt werden, ohne dass nach Einschätzung des UNHCR bislang ein hinreichender Rechtsschutz dagegen existiert. Mit dieser Art der Haft hat der Kläger indessen ebenfalls nicht zu rechnen. Dublin-Rückkehr, zu denen auch er gehört, genießen nämlich – unabhängig vom etwaigen Ablauf der dreimonatigen Betreibensfrist – grundsätzlich die gleichen Rechte wie andere Asylbewerber im Erstverfahren, d.h. sie werden im Anschluss an die Rückkehr – nach Angaben des UNHCR „höchstwahrscheinlich“ – in einer SAR-Einrichtung untergebracht und somit nicht inhaftiert. Anhaltspunkte dafür, dass im Falle des Klägers ausnahmsweise etwas anderes gelten könnte, liegen nicht vor. Auch dann, wenn über den Antrag eines Dublin-Rückkehrers auf internationalen Schutz in der Sache bereits (endgültig) entscheiden worden ist, kann dieser, wenn er einen Folgeantrag stellt, zunächst wieder in einer SAR-Einrichtung untergebracht werden, soweit ein entsprechender Platz vorhanden ist. Nur im Dublin-Verfahren überstellte Asylbewerber, deren Ansprüche durch eine bestands- bzw. rechtskräftige Entscheidung abgelehnt worden sind und die keinen Folgeantrag stellen, können in einer Haftanstalt festgehalten werden, aus der heraus dann die Abschiebung durchgeführt wird. Zwischen dem 1. Januar 2014 und dem 30. Oktober 2014 wurden nach Auskunft der SAR an den UNHCR 143 Asylbewerber im Dublin-Verfahren nach Bulgarien überstellt. Die Asylanträge von 7 dieser Rückkehrer waren (gerichtlich bestätigt) endgültig abgelehnt worden; diese Personen wurden in Abschiebungshaft genommen. Die restlichen Dublin-Rückkehrer wurden in SAR-Aufnahmeeinrichtungen untergebracht. Daraus ergibt sich für den Kläger, dass er, wenn er – wie im streitgegenständlichen Bescheid vorgezeichnet – im Dublin-Verfahren nach Bulgarien zurückkehrt, allenfalls nach rechts- bzw. bestandskräftigem Abschluss eines in Bulgarien erst noch einzuleitenden Asylverfahrens in Abschiebungshaft genommen werden kann. Ob dies überhaupt geschehen wird, lässt sich derzeit jedoch nicht einmal ansatzweise zuverlässig prognostizieren, so dass das Gericht schon aus diesem Grund nicht die Feststellung treffen kann, der Kläger werde im Zusammenhang mit einer Inhaftierung in Bulgarien einer erniedrigenden, unmenschlichen Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt.
91Abgesehen davon begründet die Möglichkeit, dass Asylbewerber nach bestandskräftiger Ablehnung ihres Asylgesuchs in Abschiebungshaft genommen werden, für sich genommen noch keinen systemischen Mangel des bulgarischen Asylsystems. Mit einer Anordnung von Abschiebungshaft wird nämlich das zulässige Ziel verfolgt, den Zugriff auf einen Ausländer sicherzustellen, dessen Abschiebung ohne Inhaftnahme ansonsten erschwert oder gar vereitelt würde. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. f EMRK lässt ausdrücklich zu, dass die Freiheit einer Person beschränkt wird, wenn gegen sie ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO haben die Mitgliedstaaten die Pflicht, jeden Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates stellt, zu prüfen. Dabei haben sie die durch die (hier noch geltende) Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft vom 13. Dezember 2005 (ABl. L 326, S. 13 ff., sog. Aufnahmerichtlinie) bestimmten einheitlichen Standards zu beachten. Zu diesen Mindestgarantien zählt, dass die Verwaltung mit aller gebotenen Sorgfalt die entsprechenden Erklärungen der betroffenen Person zur Kenntnis nimmt, indem sie sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls untersucht und ihre Entscheidung eingehend begründet. Die Verfahrensgarantien umfassen jedoch nicht das Recht, im Falle eines bereits negativ abgeschlossenen Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedstaat verbleiben zu dürfen und von Maßnahmen verschont zu werden, die der Durchsetzung der Ausreisepflicht dienen. Namentlich erfolgt die Inhaftnahme in einem solchen Fall nicht mehr allein deshalb, weil der Betroffene Asylbewerber ist (vgl. Art. 18 Abs. 1 der Aufnahmerichtlinie). Die Haft zum Zweck der Sicherung einer Abschiebung begründet demnach noch keinen systemischen Mangel im Sinne der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung.
92Vgl. dazu VG Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 2013 – 33 L 450.13 A, juris (Rdnr. 14 ff.).
93Soweit der Kläger unter Berufung auf eine Entscheidung des EGMR
94- Urteil vom 27. Januar 2015 – 36925/10 u.a. (Neskov u.a. ./. Bulgarien) –, HUDOC -
95sinngemäß geltend macht, dass in bulgarischen Gefängnissen menschenunwürdige und erniedrigende Zustände im Sinne von Art. 3 EMRK aufgrund von Überfüllung, unzureichenden sanitären Anlagen sowie fehlendem Ausgang herrschten, kann er auch hiermit nicht durchdringen. Die genannte Entscheidung betrifft die Verhältnisse in der Strafhaft und kann daher nicht auf den hier interessierenden Bereich der Abschiebungshaft, für die – wie dargelegt – gesonderte Haftanstalten zur Verfügung stehen, übertragen werden. Soweit in mehreren Berichten
96- vgl. Aida, National Country Report Bulgaria, April 2014, Seiten 49 ff.; Human Rights Watch, a.a.O., Seiten 39 ff. -
97auch die Verhältnisse in den bulgarischen Abschiebungshaftanstalten – u.a. aufgrund von Überbelegung und unzureichenden sanitären Anlagen – kritisiert werden, beruht dies im Schwerpunkt noch auf der Auswertung von Zahlenmaterial, Besuchen vor Ort und sonstigen Erkenntnissen aus den Jahren bis einschließlich 2013, d.h. aus einer Zeit, in der das gesamte bulgarische Asylsystem durch die (unvorhergesehen) hohe Zahl an Asylbewerbern erheblich überlastet war. Die Berichte vermögen mithin keine verlässliche Auskunft über die heutigen Verhältnisse zu geben. Der UNHCR hat in Bezug auf die Abschiebungshaftanstalten in Busmantsi und Lyubimets (SCAR) im April 2014 festgestellt, dass die Inhaftierten regelmäßig Essen bekämen und eine notwendige medizinische Versorgung sichergestellt sei; zudem bestünden (auf einfachem Niveau) Freizeitmöglichkeiten, und zwar auch auf entsprechenden Außenanlagen.
98Vgl. UNHCR, Bulgaria as a Country of Asylum, April 2014, Seite 6.
99Soweit dem bulgarischen Gesetzgeber ein Gesetzentwurf vorliegt, der eine Verschärfung des Haftrechts vorsieht, bleibt abzuwarten, ob dieser überhaupt verabschiedet werden wird. Abgesehen davon ist derzeit noch nicht absehbar, dass ein entsprechendes Gesetz zu hier relevanten systemischen Mängeln führen würde, zumal nicht erkennbar ist, dass sich die bulgarischen Behörden und Gerichte einer unionsrechtskonformen Auslegung und Anwendung der betreffenden Bestimmungen (systematisch und durchgängig) verweigern würden.
100Vgl. dazu im Einzelnen VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014 – A 11 S 1778/14 –, juris (Rdnr. 57).
101Auch für den Bereich der Abschiebungshaft nach bestandskräftiger Entscheidung im Asylverfahren sind nach alledem – zumindest derzeit – keine durchgreifenden systemischen Mängel feststellbar. Wie ausgeführt ist im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht aber ohnehin nicht hinreichend sicher, dass der Kläger in Bulgarien überhaupt von Abschiebungshaft betroffen werden wird.
102d) Schließlich greift auch der vom Kläger sinngemäß erhobene Einwand, die sozialen Aufnahmebedingungen in Bulgarien, namentlich die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern, seien mit gravierenden (systemischen) Mängeln behaftet, nicht durch.
103Die SAR verwaltet sieben Aufnahme-, Unterbringungs- und Übergangseinrichtungen (drei in Sofia, eines in der Nähe Sofias und drei im Süden Bulgariens) mit einer Gesamtaufnahmekapazität von 6.000 Personen. Am 3. November 2014 waren in diesen Einrichtungen (lediglich) 3.910 Personen (davon 2.817 Syrer) untergebracht. In den Einrichtungen der SAR sollen lediglich Asylbewerber untergebracht werden. Allerdings erlaubt die SAR die andauernde Unterbringung von 650 Einzelpersonen, denen Schutz gewährt wurde und die in diesen Einrichtungen verweilen, da sie keine sonstigen Mittel haben, um ihren Unterhalt in Bulgarien zu sichern.
104Vgl. dazu Seite 2 der Auskunft des UNHCR an das VG Minden vom 23. Dezember 2014.
105Dass sich die genannten Zahlen seit November 2014 wesentlich verändert hätten, ist nicht ersichtlich. Der Kläger wird danach im Anschluss an eine Rückkehr in die Republik Bulgarien einen Platz in einer der Aufnahmeeinrichtungen der SAR erhalten können, da deren Kapazitäten bei weitem nicht erschöpft sind.
106Auch die Bedingungen in den Aufnahmeeinrichtungen sind nicht derart defizitär, dass insoweit von systemischen Mängeln ausgegangen werden müsste. Nach der Auskunft des UNHCR vom 23. Dezember 2014 sorgt der Staat in den Aufnahmeeinrichtungen der SAR zwei Mal täglich für warme Mahlzeiten und eine medizinische Grundversorgung der Bewohner. Aufgrund einer Förderung durch den UNHCR sorgen Partnerorganisationen (Bulgarisches Rotes Kreuz, Bulgarisches Helsinki Komitee, Caritas) u.a. für soziale Dienste, rechtliche Beratung und Sprachkurse. Die in den SAR-Einrichtungen untergebrachten Dublin-Rückkehrer haben ein Recht auf dieselben Hilfe- und Dienstleistungen, die auch anderen Asylbewerbern zustehen.
107Insgesamt sind die früher bestehenden Missstände in den Aufnahmeeinrichtungen in baulicher wie auch personeller Hinsicht grundlegend angegangen und auch im Wesentlichen behoben worden. Dass die Verhältnisse in mancherlei Hinsicht nach wie vor defizitär und wenig befriedigend sein mögen, wie dies im Übrigen auch für einen nicht unerheblichen Teil der einheimischen Bevölkerung der Fall ist, rechtfertigt allein nicht die Annahme, dass sie generell nicht mehr menschenwürdegemäß wären. Dass die Qualität der Nahrung in den Aufnahmeeinrichtungen möglicherweise immer wieder zu wünschen übrig lässt, kann, solange dieses keine gesundheitlich bedenkliche Mangelernährung zur Folge hat, nicht als systemische Schwachstelle, geschweige denn als eine nicht menschenwürdegemäße Schlechtbehandlung angesehen werden. Angesichts der erreichten Verbesserungen in den Aufnahmeeinrichtungen ist – jedenfalls derzeit bei nicht dramatisch steigenden Zahlen von Antragstellern – nicht damit zu rechnen, dass das bulgarische Aufnahmesystem (wie in der Vergangenheit) wieder kollabieren wird und die Asylsuchenden daher die Zentren erneut „auf eigenen Wunsch“ verlassen, damit aber auch keine Unterstützung mehr erhalten. Dies gilt umso mehr, als die derzeit wieder (moderat) ansteigenden Flüchtlingszahlen das Land nicht mehr, wie noch im Jahr 2013, unvorbereitet und ohne Hilfe der Europäischen Union treffen.
108Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014– A 11 S 1778/14 –, juris (Rdnr. 49 ff.).
109Allerdings sieht der UNHCR in seiner Auskunft vom 23. Dezember 2014 nach wie vor erhebliche Defizite des bulgarischen Asylsystems in Bezug auf besonders schutzbedürftige Personen, zu denen vor allem Familien mit Säuglingen und Kleinkindern, unbegleitete Minderjährige und psychisch Kranke gehören.
110Vgl. zu diesem Aspekt auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014 – A 11 S 1778/14 –, juris (Rdnr. 49, 51 ff.).
111Das Gericht lässt offen, ob sich aus den entsprechenden Defiziten systemische Mängel des bulgarischen Asylsystems ergeben. Selbst wenn dies der Fall wäre, könnte der Kläger hieraus nichts für sich herleiten, weil er nicht zum Kreis der besonders schutzbedürftigen Personen im vorstehend genannten Sinne zählt. Für Alleinstehende und Paare ohne Kinder lassen sich entsprechende Mängel in der Regel – so auch hier – nicht feststellen.
112Soweit überdies in Bulgarien erhebliche Defizite bei der Versorgung anerkannter Schutzberechtigter bestehen mögen
113- vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014– A 11 S 1778/14 –, juris (Rdnr. 59) -,
114ist der Kläger hiervon – bei seinem derzeitigen Status – ebenfalls nicht betroffen.
1157. Auch dann, wenn man davon ausginge, dass unabhängig vom Vorliegen systemischer Mängel für jeden Einzelfall zu prüfen wäre, ob eine Verletzung des Art. 4 GR-Charta bzw. des Art. 3 EMRK vorliegt
116- in diesem Sinne etwa EGMR, Urteil vom 4. November 2014 – 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) –, HUDOC (Rdnr. 104), und United Kingdom Supreme Court, Urteil vom 19. Februar 2014 – EM (Eritrea) and others v the Secretary of the State for the Home Department, [2014] UKSC 12 (Rdnr. 42 bis 64), jeweils zu Überstellungen nach Italien -,
117würde dies nicht zur Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Regelung nach § 27a AsylVfG führen. Denn es ist angesichts der Erkenntnisse zum bulgarischen Asylsystem (vgl. dazu vorstehend 6.) nicht erkennbar, dass der Kläger Gefahr liefe, im Anschluss an eine Rücküberstellung nach Bulgarien – ggf. auch unabhängig vom Fehlen systemischer Schwachstellen des dortigen Asylsystems – einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden.
1188. Ist demnach Bulgarien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig und macht das Bundesamt – wie hier – auch nicht von seinem Recht zum Selbsteintritt (Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO) Gebrauch, so hat weder das Bundesamt noch das Gericht im vorliegenden Verfahren zu prüfen, ob einer Abschiebung des Klägers nach Mali Abschiebungsverbote entgegenstehen. Diese Prüfung obliegt gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO allein den zuständigen bulgarischen Behörden. Sieht sich der Kläger durch deren Entscheidung in seinen Rechten verletzt, muss er in Bulgarien um Rechtschutz nachsuchen.
119II. Die in dem streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes vom 26. Juni 2014 enthaltene Abschiebungsanordnung ist ebenfalls rechtmäßig. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG bestimmt, dass dann, wenn ein Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat abgeschoben werden soll, das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat anordnet, sobald feststeht dass sie durchgeführt werden kann.
120Danach ist die Anordnung der Abschiebung des Klägers nach Bulgarien rechtlich nicht zu beanstanden. Die Republik Bulgarien ist – wie bereits unter I. dargelegt – für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig. Die Abschiebung kann auch durchgeführt werden. Ihr stehen weder tatsächliche noch rechtliche Hindernisse entgegen. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf zielstaatsbezogene, sondern auch in Bezug auf inlandsbezogene Abschiebungshindernisse (§ 60a Abs. 2 AufenthG) einschließlich sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebender Ansprüche auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, die im Rahmen des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ebenfalls vom Bundesamt zu prüfen sind.
121Vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 – 2 B 215/14 –, juris (Rdnr. 7); OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2011 – 18 B 1060/11 –, juris (Rdnr. 4); VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011– A 11 S 1523/11 –, InfAuslR 2011, 310, juris (Rdnr. 3) sowie BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 732/14 –, juris (Rdnr. 11).
122Im Falle des Klägers vermag das erkennende Gericht vor allem kein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG i.V.m. Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK festzustellen. Namentlich folgt ein solches nicht aus dem Umstand, dass der Kläger nach eigenem Bekunden mit Frau E. -G. verheiratet ist und sich diese in Deutschland aufhält. Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die jeweils zuständige Behörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die bestehenden familiären Bindungen des den Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen.
123Vgl. dazu etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Januar 2006– 2 BvR 1935/05 –, juris (Rdnr. 16).
124Nach Lage der Akten besteht vorliegend jedoch keine Gefahr einer (dauerhaften) Familientrennung, da nicht nur der Kläger, sondern auch seine Ehefrau zur Durchführung der beantragten Asylverfahren nach Bulgarien zu überstellen sein wird. Dies ergibt sich für Frau E. -G1. , sollte sie wirklich die Ehefrau des Klägers sein, jedenfalls aus Art. 11 Buchst. b) Dublin-III-VO; insoweit wird auf die vorstehend unter I. 2. b). angestellten Erwägungen Bezug genommen. Darüber hinaus ist, selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass eine unter den Schutz von Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK fallende Bindung besteht, nicht ersichtlich, dass ihm eine vorübergehende Trennung von seiner Ehefrau unzumutbar wäre, zumal die Eheleute auch bereits in Deutschland unterschiedlichen Städten zugewiesen sind und somit derzeit an getrennten Orten leben, ohne dass – soweit ersichtlich – ernsthafte Bemühungen unternommen worden wären, diesen Zustand zu ändern. Weiter ist mit Blick auf das vom Kläger geltend gemachte Asylbegehren zu berücksichtigen, dass ein erhebliches Interesse der Bundesrepublik Deutschland daran besteht, sich an dem gemeinsamen europäischen Asylsystem zu beteiligen, das eine anhand von einheitlichen Zuständigkeitskriterien erfolgende Verteilung von Asylbewerbern vorsieht. Kommt es einem Ausländer darauf an, ein Asylverfahren zu durchlaufen, so muss er hierbei angesichts des gemeinsamen europäischen Asylsystems grundsätzlich auch in Kauf nehmen, dass das Asylverfahren in einem anderen, hierfür zuständigen Mitgliedstaat durchgeführt wird. Das ist jedenfalls dann nicht völlig unzumutbar, wenn die Trennung von dem Ehegatten nicht von Dauer, sondern nur vorübergehend sein wird. Eben dies ist hier der Fall. Wie ausgeführt hat nach Lage der Akten auch die (angebliche) Ehefrau des Klägers kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet, sondern ist ebenso wie der Kläger nach Bulgarien zu überstellen. Vor diesem Hintergrund ist, soweit nicht ohnehin eine gemeinsame Überstellung nach Bulgarien erfolgen wird, allenfalls eine kurzzeitige (weitere) Trennung zu befürchten. Dass eine solche dem Kläger unzumutbar sein würde, ist derzeit nicht ersichtlich
125- ebenso in einem ähnlich gelagerten Fall: VG München, Beschluss vom 5. Mai 2014 – M 11 S 14.50165 –, juris (Rdnr. 30) -.
126Ebenso wenig ist erkennbar, dass eine dauerhafte Trennung des Klägers von seiner Ehefrau mit Blick darauf in Betracht käme, dass diese möglicherweise – wie im Termin zur mündlichen Verhandlung geltend gemacht worden ist – psychische Probleme hat und deshalb behandelt wird. Dass die Ehefrau des Klägers aufgrund dieses Umstands längerfristig oder gar dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland verbleiben müsste und damit bei Überstellung allein des Klägers nach Bulgarien eine unzumutbare Trennung drohte, kann das Gericht nicht feststellen, zumal der (auch Frau E. -G. vertretende) Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt hat, kein aussagekräftiges Attest vorlegen zu können, so dass sich das Gericht mangels eines entsprechenden Ansatzpunktes auch nicht veranlasst sieht, von Amts wegen Ermittlungen zum Gesundheitszustand der Ehefrau des Klägers anzustellen.
127C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Hinweis auf die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens folgt aus § 83 b AsylVfG.
128Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
1
Gründe:
2Der am 13. Oktober 2014 bei Gericht sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage (17 K 6678/14.A) gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 19. September 2014 insoweit anzuordnen, als in Ziffer 2 des Bescheides die Abschiebung nach Bulgarien angeordnet wird,
4hat keinen Erfolg.
5A. Der Antrag ist jedenfalls unbegründet.
6Das öffentliche Vollzugsinteresse an der sofort vollziehbaren Abschiebungsanordnung überwiegt bei einer an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientierten Abwägung das Interesse der Antragsteller am vorläufigen Verbleib im Bundesgebiet.
7Die Abschiebungsanordnung ist nach summarischer Prüfung offensichtlich rechtmäßig. Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) abgeschoben werden (I.), ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AsylVfG an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann (II.).
8Diese Voraussetzungen liegen vor.
9I. Bulgarien ist als Mitgliedstaat der Europäischen Union „sicherer Drittstaat“ im Sinne von § 26a AsylVfG. Nach § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kann sich ein Ausländer nicht auf Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz (GG) berufen, wenn er aus einem Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG eingereist ist.
101. Der Anwendung des Art. 16a Abs. 2 GG und der §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylVfG geht nicht die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (sog. Dublin III VO) vor. Denn diese findet auf Ausländer, die in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, nachdem ihnen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union – hier: Bulgarien – die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Richtlinie 2011/95/EU) zuerkannt worden ist, keine Anwendung,
11vgl. angedeutet in BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 C 7.13 –, juris Rn. 26; VG Düsseldorf, Urteil vom 9. September 2014 – 17 K 2897/14.A –, n.V.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Juli 2014 ‑ 17 L 1194/14.A –, juris Rn. 14; so auch zur Vorgängerregelung Dublin II VO Nr. 343/2003: VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Januar 2013 – 6 L 104/13.A –, juris Rn. 20; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2013 – 6 K 7204/12.A –, juris; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: November 2013, § 27a AsylVfG Rn. 34.
12Die Dublin III VO unterscheidet ausdrücklich zwischen „Antragsteller“, Art. 2 lit. c Dublin III VO und „Begünstigter internationalen Schutzes“, Art. 2 lit. f Dublin III VO. Antragsteller im Sinne der Verordnung ist danach derjenige, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den noch nicht endgültig entschieden wurde, wohingegen „Begünstigter internationalen Schutzes“ derjenige ist, dem internationaler Schutz zuerkannt wurde. Das Verfahren zur Bestimmung des für eine Bearbeitung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaates wird nach Art. 20 Abs. 1 Dublin III VO (nur) eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird. Dieses Verfahren ist indes nicht mehr einschlägig, wenn der Ausländer bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach dortigem Antrag auf internationalen Schutz die Flüchtlingseigenschaft – wie hier die Antragsteller in Bulgarien mit Entscheidung vom 11. Februar 2014 – oder den subsidiären Schutzstatus erhalten hat. Dementsprechend sieht auch Art. 18 Abs. 1 lit. a bis d Dublin III VO keine Pflicht des zuständigen Mitgliedstaates im Falle des positiven Bescheides über einen Antrag auf internationalen Schutz vor. Für eine Ausübung des in Art. 17 Abs. 1 Dublin III VO geregelten Selbsteintrittsrechts der Mitgliedstaaten ist dann ebenfalls von vornherein kein Raum mehr.
132. Bulgarien ist nach dem im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzulegenden Prüfungsmaßstab als Mitgliedstaat der Europäischen Union jedenfalls für die Fälle der Antragstellern zuerkannten Flüchtlingseigenschaft ein „sicherer Drittstaat“ im Sinne von Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG.
14a. Der vorgenannten Verfassungsnorm liegt das „Konzept der normativen Vergewisserung“ über die Sicherheit im Drittstaat zugrunde. Diese normative Vergewisserung bezieht sich darauf, dass der Drittstaat einem Betroffenen, der sein Gebiet als Flüchtling erreicht hat, den nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Konvention zum Schutze der Menschenrechte (EMRK) und den Grundfreiheiten gebotenen Schutz vor politischer Verfolgung und anderen ihm im Herkunftsstaat drohenden schwerwiegenden Beeinträchtigungen seines Lebens, seiner Gesundheit oder seiner Freiheit gewährt. Damit entfällt das Bedürfnis, ihm Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu bieten. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten als sicher kraft Entscheidung der Verfassung,
15vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 22 BvR 2315/93 –, juris Rn. 181.
16Dieses nationale Konzept steht im Einklang mit dem hinter der Schaffung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (vgl. Art. 78 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union) stehenden „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“. Selbiges beruht auf der Annahme, alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, beachteten die Grundrechte, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Richtlinie 2011/95/EU, der GFK sowie in der EMRK finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Unter diesen Bedingungen muss die – freilich widerlegbare – Vermutung gelten, die Behandlung der Antragsteller als schutzberechtigt anerkannte Ausländer stehe in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den genannten Rechten,
17vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 und C-493/10 –, juris Rn. 10 ff., 75, 78, 80.
18Diese Annahmen zugrunde gelegt, greift die „sichere Drittstaatenregelung“ (nur) dann nicht, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, der Ausländer sei von einem Sonderfall betroffen, der von dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ bzw. dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ nicht aufgefangen werde,
19vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 –, juris Rn. 52 f., 60 zum „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“; BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93 –, juris Rn. 189 zum „Konzept der normativen Vergewisserung“.
20Von einem solchen Fall ist dann auszugehen, wenn es ernst zu nehmende und durch Tatsachen gestützte Gründe dafür gibt, dass in dem Mitgliedstaat, in den abgeschoben werden soll, in verfahrensrechtlicher oder materieller Hinsicht nach aktuellen Erkenntnissen kein hinreichender Schutz gewährt wird.
21Der Bezugspunkt für die Beurteilung des hinreichenden Schutzes hängt davon ab, ob der Ausländer bereits einen Schutzstatus in dem Land, in das er abgeschoben werden soll, erhalten hat oder nicht. Nur in letzterem Fall ist darauf abzustellen, ob das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische, dem ersuchenden Mitgliedstaat nicht unbekannte Mängel aufweisen, die für den Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr begründen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in dem ersuchten Mitgliedstaat im Sinne von Art. 4 / Art. 19 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtecharta) bzw. dem inhaltsgleichen Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein,
22vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 und C-493/10 –, juris Rn. 78 f., 84 ff. und 94.
23Hat der Ausländer indes – wie hier – bereits einen Schutzstatus erhalten, ist darauf abzustellen, ob der gebotene Inhalt des jeweiligen Schutzstatus hinreichend eingehalten wird oder ein Verstoß gegen die GFK vorliegt bzw. für den Inhaber des Schutzstatus eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in dem ersuchten Mitgliedstaat im Sinne von Art. 4 / Art. 19 Abs. 2 Grundrechtecharta bzw. dem inhaltsgleichen Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein.
24Dass die Verhältnisse in Bulgarien diesbezüglich hinter dem unionsrechtlich vorgesehenen Schutz dergestalt zurückbleiben, ist nach der gebotenen summarischen Prüfung zu dem für die Entscheidung nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt nicht zu erkennen.
25Soweit die Genfer Flüchtlingskonvention für anerkannte Flüchtlinge Wohlfahrtsregelungen enthält (Art. 20 ff. GFK), die vom anerkennenden Drittstaat zu beachten und vom Konzept der normativen Vergewisserung mit umfasst sind, gehen diese im Wesentlichen über Diskriminierungsverbote gegenüber den jeweiligen Inländern nicht hinaus. Namentlich im Bereich der öffentlichen Fürsorge und der sozialen Sicherheit verpflichtet die Genfer Flüchtlingskonvention den Drittstaat zur Inländergleichbehandlung (vgl. Art. 23, 24 GFK). Letztere ist nach den aktuellen Erkenntnissen gegeben. Eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der Antragsteller im Sinne von Art. 3 EMRK ist gleichfalls nicht ersichtlich.
26Der Inhalt des internationalen Flüchtlingsschutzes wird unionsrechtlich vorgegeben durch die Regelungen in Art. 20 bis 35 der Richtlinie 2011/95/EU. So gelten einheitliche Vorgaben etwa für die Erteilung des Aufenthaltstitels (Art. 24) und der Reisedokumente (Art. 25). Einem anerkannten Schutzberechtigten stehen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung (Art. 26), zur Bildung (Art. 27), zum Erhalt von Sozialhilfeleistungen (Art. 29) und medizinischer Versorgung (Art. 30) dieselben Rechte wie den jeweiligen Staatsangehörigen zu.
27Danach ist im Hinblick auf Bulgarien zwar anzuerkennen, dass die Lebensbedingungen (auch) für Personen mit zuerkannter Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiärem Schutzstatus dort nach den gegebenen Erkenntnissen prekär sind. Weder ist aber eine Verletzung der in Art. 26 ff. der Richtlinie 2011/95/EU vorgesehenen Gleichbehandlungsgebote erkennbar noch herrschen in Bulgarien derart handgreiflich eklatante Missstände, die die Annahme rechtfertigten, anerkannte Flüchtlinge bzw. subsidiär Schutzberechtigte würden einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung ausgesetzt und den Antragstellern müsste unabweisbar Schutz gewährt werden. Eine solche Behandlung muss vielmehr ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK zu gelten. Dieses Mindestmaß erreichen die Verhältnisse, denen anerkannte Flüchtlinge bzw. subsidiär Schutzberechtigte in Bulgarien ausgesetzt sind, derzeit nicht.
28Der UNHCR schildert in seinem Bericht „Current Situation of Asylum in Bulgaria“ zwar Schwierigkeiten anerkannter Flüchtlinge bzw. subsidiär Schutzberechtigter in Bulgarien,
29vgl. UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria, Stand: April 2014, Ziffer 2.7.
30So bestünde eine Lücke bei der Gesundheitsversorgung in der Zeit zwischen Anerkennung als Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte aufgrund der Änderung ihres Status im System. Sie hätten außerdem – wie die bulgarischen Staatsangehörigen auch – einen monatlichen Beitrag von umgerechnet 8,70 Euro für die Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu zahlen, von der indes Medikamente und psychologische Betreuung nicht eingeschlossen seien. Berichtet wird außerdem von Schwierigkeiten, eine gesicherte Beschäftigung zu erlangen. Neben der schwierigen wirtschaftlichen Situation seien einige strukturelle Hindernisse wie etwa die fehlende Anerkennung von Vorkenntnissen zu überwinden. Es fehle an gezielter Unterstützung. Außerdem mangele es an geeignetem und bezahlbarem Wohnraum. Auch die für eine erfolgreiche Integration erforderliche Bildung der Schutzberechtigten, insbesondere der Kinder, sei verbesserungswürdig.
31In den vorbezeichneten Defiziten ist eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung indes nicht zu erkennen. Art. 3 EMRK verpflichtet die Konventionsstaaten nicht etwa dazu, Schutzberechtigte finanziell zu unterstützen, um ihnen einen gewissen Lebensstandard einschließlich bestimmter Standards medizinischer Versorgung zu ermöglichen,
32vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30969/09 –, juris Rn. 249.
33Generell reicht die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten,
34vgl. EGMR, Beschluss vom 2. April 2013 – 27725/10 –, juris.
35Art. 3 EMRK ist im Kern ein Abwehrrecht gegen unwürdiges Staatsverhalten im Sinne eines strukturellen Versagens bei dem durch ihn zu gewährenden angemessenen materiellen Mindestniveau und weniger ein individuelles Leistungsrecht einzelner Antragsteller auf bestimmte materielle Lebens- und Sozialbedingungen selbst,
36vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. April 2013 – 17 L 660/13.A –, juris Rn. 43, m.w.N.
37Die Antragsteller müssen sich daher auf den in Bulgarien für alle bulgarischen Staatsangehörigen geltenden Versorgungsstandard verweisen lassen, auch wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entspricht,
38vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. April 2013 – 17 L 660/13.A –, juris Rn. 42, s.a. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. August 2004 – 13 A 2160/04.A –, juris (noch zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG 1990, heute § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG).
39Sonstige, eine andere Würdigung begründende, speziell auf bereits anerkannte Flüchtlinge oder anerkannt subsidiär Schutzberechtigte bezogene Erkenntnisse liegen dem Gericht nicht vor und werden auch von den Antragstellern selbst nicht vorgetragen.
40In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass die zur Frage der Ausgestaltung des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Bulgarien ergangene Rechtsprechung und die hierzu dem Gericht vorliegenden Berichte etwa des UNHCR, von Amnesty International und Asylum Information Database nicht heranzuziehen sind. Denn diese betreffen maßgeblich die Einhaltung der Mindeststandards für Asylbewerber und die Ausgestaltung des Asylverfahrens, also den Zugang zum Asyl- bzw. Flüchtlingsschutz bzw. die Durchführung des Verfahrens, nicht aber die Umsetzung des gewährten internationalen Schutzes,
41vgl. einen systemischen Mangel aufgrund der Auswertung der diesbezüglichen Erkenntnisse für Asylsuchende in Bulgarien verneinend etwa: VG Düsseldorf, Beschluss vom 12. September 2014 ‑ 13 L 1690/14.A – n.V.; VG Ansbach, Urteil vom 10. Juli 2014 – AN 11 K 14.30366 –, juris; VG Potsdam, Beschluss vom 14. November 2013 – 6 L 787/13.A –, juris; VG Regensburg, Beschluss vom 20. August 2012 – RN 9 S 12.30284 –, juris, alle m.w.N.
42b. Die Antragsteller gehören auch nicht zu einer gegebenenfalls besonders schutzbedürftigen Personengruppe.
43Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen kann es zwar im Einzelfall aus individuellen, in der Person der Antragsteller liegenden und damit von dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ bzw. dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ von vornherein nicht erfassten Gründen geboten sein, von Überstellungen in den anderen Mitgliedstaat abzusehen. Anhaltspunkt für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls kann geben, ob es sich bei den Antragstellern um Personen mit besonderen Bedürfnissen gemäß Art. 20 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU handelt und sie gemäß Art. 20 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU nach einer Einzelfallprüfung entsprechend eingestuft wurden.
44Beachtliche, in der Person der Antragsteller liegende Gründe von der Überstellung nach Bulgarien abzusehen liegen indes nicht vor. Sie sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. Bei den Antragstellern handelt es sich um eine knapp 20 Jahre alte Frau, ihren 29 Jahre alten Ehemann und ein noch nicht ganz zwei Jahre altes Kind. Anhaltspunkte für eine besondere Schutzbedürftigkeit der Antragsteller im Sinne der Fallgruppen des Art. 20 Abs. 3 und 4 Richtlinie 2011/95/EU oder ihnen angenäherter Fallgestaltungen bestehen nicht. Erkrankungen oder sonstige gesundheitliche Beeinträchtigungen sind weder vorgetragen noch ansatzweise aus den Verwaltungsvorgängen ersichtlich. Die Ausführungen der Antragsteller zu 1) und 2) bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt lassen eine besondere Schutzbedürftigkeit gleichfalls nicht erkennen. Denn insoweit haben sie lediglich pauschal und ohne Angabe näherer Einzelheiten ausgeführt, die Umstände in Bulgarien seien sehr schlecht.
45Im Hinblick auf den minderjährigen Antragsteller zu 3) kann den bei der Durchführung von Überstellungen in sichere Drittstaaten vor dem Hintergrund der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG allgemein besonders zu beachtenden Gesichtspunkten des Kindeswohls und der Familieneinheit,
46vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 1795/14 –, juris,
47durch die Aufnahme eines Maßgabenvorbehaltes (siehe hierzu unten unter II. 2.) in hinreichendem Maße Rechnung getragen werden.
48c. Schließlich liegt auch keine (weitere) der vom Bundesverfassungsgericht zur Abschiebungsanordnung nach §§ 34a Abs. 1, 26a AsylVfG gebildeten Fallgruppen zur Bestimmung der Ausnahmen vom „Konzept der normativen Vergewisserung“ vor,
49vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93 –, juris Rn. 189.
50Weder drohte den Antragstellern in Bulgarien die Todesstrafe, noch bestünde die erhebliche konkrete Gefahr dafür, dass sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Überstellung nach Bulgarien dort Opfer eines Verbrechens würden, welches zu verhindern nicht in der Macht Bulgariens stünde. Zudem ist nicht ersichtlich, dass Bulgarien selbst zum Verfolgerstaat werden würde.
51II. Ebenso ist die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG rechtmäßig und es steht fest, dass die Abschiebung – unter Berücksichtigung des unter II. 2. ausgesprochenen Maßgabenvorbehaltes – durchgeführt werden kann.
521. Zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) sind weder vorgetragen noch sonst aus den beigezogenen Verwaltungsvorgängen auch nur im Ansatz ersichtlich. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Entscheidung mehr, ob den Antragstellern nicht von vornherein die Berufung auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aufgrund der Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG versagt bliebe, sofern eventuelle Schwierigkeiten nicht individuell, sondern allgemein für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, der sie angehörten, in Bulgarien drohte,
53vgl. für die Gruppe aller ganz oder nahezu mittellosen Kranken in Bulgarien: VG Düsseldorf, Urteil vom 9. September 2014 – 17 K 2471/14.A –, n.V.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Juli 2014 ‑ 17 L 870/14.A –, n.V.
542. Im Rahmen des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG hat das Bundesamt indes mit Blick auf den Wortlaut der Vorschrift („feststeht“) neben zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen auch zu prüfen, ob der Abschiebung inlandsbezogene Vollzugshindernisse entgegenstehen. Für eine insoweit eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde verbleibt daneben kein Raum,
55vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 1795/14 –, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 – 18 B 1060/11 –, juris Rn. 4; OVG Niedersachsen, Urteil vom 4. Juli 2012 – 2 LB 163/10 –, juris Rn. 41; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012 ‑ OVG 2 S 6.12 –, juris Rn. 4 ff.; VGH Bayern, Beschluss vom 12. März 2014 – 10 CE 14.427 –, juris Rn. 4; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 – 2 B 215/14 –, juris Rn. 7; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011 – A 11 S 1523/11 –, juris Rn. 4 ff.; OVG Hamburg, Beschluss vom 3. Dezember 2010 – 4 Bs 223/10 –, juris Rn. 9 ff.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29. November 2004 – 2 M 299/04 –, juris Rn. 9 ff.
56Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen,
57vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 1795/14 –, juris m.w.N.
58Derartige inlandsbezogene Abschiebungshindernisse sind hinsichtlich der Antragsteller nicht ersichtlich. Hinreichend konkrete Umstände, aus denen sich etwa eine Reiseunfähigkeit (im engeren oder weiteren Sinne),
59vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 1795/14 –, juris,
60ergäbe, sind nicht geltend gemacht.
61Allerdings kann es in bestimmten Einzelfällen – und so auch hier – geboten sein, notwendige Vorkehrungen zu treffen, damit eine grundsätzlich zulässige Abschiebung verantwortet werden kann. Insbesondere im gegebenen Fall der Rückführung in sichere Drittstaaten können die betroffenen Ausländer – anders als bei der Rückführung in ihr Heimatland – regelmäßig weder auf verwandtschaftliche Hilfe noch auf ein soziales Netzwerk bei der Suche nach einer Unterkunft für die Zeit unmittelbar nach ihrer Rückkehr zurückgreifen. Bestehen daher belastbare Anhaltspunkte für das Bestehen von Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer im sicheren Drittstaat, hat die für die Abschiebung zuständige deutsche Behörde dem angemessen Rechnung zu tragen,
62vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 1795/14 –, juris, zur Rückführung von Inhabern internationalen Schutzes nach Italien.
63Derartige Anhaltspunkte für Kapazitätsengpässe bei der Unterbringung anerkannter Flüchtlinge bzw. subsidiär Schutzberechtigter bestehen in Anbetracht eines Mangels an geeignetem und bezahlbarem Wohnraum gegenwärtig auch für Bulgarien,
64vgl. UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria, Stand: April 2014, Ziffer 2.7; UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria, Stand: 2. Januar 2014, Ziffer 2.8; UNHCR Where is my home? Homelessness and Access to Housing among Asylum-Seekers, Refugees and Persons with International Protection in Bulgaria, Stand: 2013, Ziffer 2.3.
65Demgemäß hat die Antragsgegnerin vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
66vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 1795/14 –, juris,
67bei Rücküberstellungen nach Bulgarien angesichts der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG sowie unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls und der Familieneinheit jedenfalls bei der – hier in Rede stehenden – Abschiebung von Familien (zwei Elternteile) mit Neugeborenen und Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren in Abstimmung mit den bulgarischen Behörden sicherzustellen, dass für solche Familien der Übergang in eine gesicherte Unterkunft gewährleistet ist, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren für diese in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen.
68Bei der Rückführung hat die Antragsgegnerin daher die Maßgabe zu beachten, vor einer Abschiebung nach Bulgarien in Abstimmung mit den dortigen Behörden sicherzustellen, dass für die Antragsteller unmittelbar nach Ankunft in Bulgarien der Übergang in eine gesicherte Unterkunft gewährleistet ist.
69B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
70Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der nach eigenem Bekunden am 21. Juni 1984 geborene Kläger stammt aus Mali. Am 6. November 2012 lehnte die deutsche Botschaft in Bamako (Mali) seinen Antrag auf Erteilung eines Visums ab. Am 26. Februar 2014 wurde er in der Gemeinde Dohma (Sachsen) durch die Polizei aufgegriffen. Dabei wies er sich mit einer am 23. Januar 2014 in Ungarn ausgestellten Aufenthaltsgestattung zur Durchführung eines Asylverfahrens aus. Eine daraufhin durch die Bundespolizei in Altenberg durchgeführte EURODAC-Abfrage ergab für den Kläger einen Treffer der Kategorie 1 hinsichtlich Ungarns (HU1330007615465). Das Amtsgericht Pirna – Az.: 23 XIV B 22/14 – ordnete eine vorläufige Freiheitsentziehung bis zum 12. März 2014 an, woraufhin der Kläger in den Abschiebegewahrsam Köpenick (Berlin) verbracht wurde.
3Am 27. Februar 2014 stellte der Kläger beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (künftig: Bundesamt) einen Asylantrag. Im Rahmen eines am selben Tag mit ihm geführten „Gesprächs zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens“ gab er an: Personalpapiere könne er nicht vorlegen. Er habe am 14. Dezember 2013 in Mali geheiratet. Seine Ehefrau, die am 14. April 1987 geborene E. -G. , halte sich ebenfalls in der Bundesrepublik Deutschland auf. Er habe Mali im August 2013 mit dem Flugzeug verlassen und sich zunächst in die Türkei begeben. Er sei zwei Monate lang in Istanbul geblieben. Danach habe er sich nacheinander zwei Monate in Bulgarien, einen Monat in Griechenland und einen Tag in Serbien aufgehalten. Dann sei er nach Ungarn gereist, wo ihm am 15. Januar 2015 Fingerabdrücke abgenommen worden seien. Im Februar 2014 habe er in Ungarn einen Asylantrag gestellt. Er wolle aber aufgrund der schlechten medizinischen Versorgung nicht dorthin rücküberstellt werden.
4Am 28. Februar 2014 richtete das Bundesamt ein Wiederaufnahmegesuch an die ungarischen Behörden. Diese erklärten unter dem 6. März 2014: Dem Kläger seien in Bulgarien Fingerabdrücke abgenommen worden, da er am 25. September 2013 illegal die Grenze dieses Mitgliedstaates überschritten habe. Die entsprechende EURODAC-Nummer für Bulgarien laute BG2BR206C1309250012. Sie – die ungarischen Behörden – hätten daher am 27. Februar 2014 Bulgarien um Aufnahme des Klägers und seiner Ehefrau gebeten.
5Am 20. März 2014 hob das Landgericht Dresden – Az.: 2 T 197/14 – die gegen den Kläger verhängte Haft auf. Er wurde daraufhin aus dem Abschiebegewahrsam Köpenick entlassen.
6Am 27. März 2014 teilten die ungarischen Behörden dem Bundesamt mit, dass sie sich nicht für zuständig erachteten, da Bulgarien am 26. März 2014 unter Hinweis auf Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO seine Zuständigkeit für das Asylverfahren des Klägers akzeptiert habe. Am selben Tag wurde mit dem Kläger ein weiteres „Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens“ geführt. Dabei ergänzte und korrigierte er einige seiner früher gemachten Angaben und erklärte nunmehr: Die Ehe mit der ebenfalls in Deutschland weilenden kamerunischen Staatsangehörigen E. -G. sei bereits am 14. Februar 2013 in Mali geschlossen worden. Die türkische Botschaft in Bamako (Mali) habe ihm ein Visum erteilt, mit dem er im August 2013 auf dem Luftweg in die Türkei gereist sei. Dort sei er einen Monat lang geblieben. Von der Türkei aus sei er mit dem Pkw nach Bulgarien gefahren, wo ihm im Oktober 2013 Fingerabdrücke abgenommen worden seien. Nach einem Monat des Aufenthalts in Bulgarien sei er eine Woche lang in Griechenland gewesen, bevor er über Serbien nach Ungarn gelangt sei. Dort habe er im Januar 2014 einen Asylantrag gestellt. In Ungarn sei er einen Monat lang geblieben. Dann sei er mit einem Pkw nach Deutschland weitergereist.
7Mit Bescheid vom 31. März 2014 wies die Bezirksregierung Arnsberg den Kläger unter Hinweis auf § 50 AsylVfG der Stadt C. M.---- (Kreis Q. ) zu.
8Am 2. April 2014 richtete das Bundesamt ein Wiederaufnahmegesuch an die bulgarischen Behörden. Diese erklärten sich am 10. April 2014 zur Rückübernahme des Klägers bereit.
9Mit Bescheid vom 26. Juni 2014 – Az.: 5731265-251 – lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab und ordnete seine Abschiebung nach Bulgarien an. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 3. Juli 2014 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.
10Am 9. Juli 2014 hat der Kläger Klage erhoben. Er macht im Wesentlichen geltend, dass in Bulgarien durchgreifende systemische Mängel des Asylverfahrens bestünden, die mit einer Verletzung von Art. 3 EMRK einhergingen. Diese Mängel beträfen den Zugang zum Asylverfahren, das Refoulement-Verbot, die Inhaftierung von Asylsuchenden und Dublin-Rückkehrern sowie die sozialen Aufnahmebedingungen, namentlich die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern. Der Kläger nimmt insoweit Bezug auf verschiedene Berichte des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR), von Amnesty International sowie der Asylum Information Database (Aida) und verweist auf verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, durch die er seine Auffassung bestätigt sieht.
11Der Kläger beantragt,
12den Bescheid des Bundesamtes vom 26. Juni 2014 – Az.: 5731265-251 – aufzuheben.
13Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
14die Klage abzuweisen.
15Sie erklärt: Es bestünden keine Gründe für die Annahme, dass das bulgarische Asylverfahren mit systemischen Mängeln behaftet sei; dies werde auch durch eine Vielzahl entsprechender verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen bestätigt. Die bulgarische Regierung habe Maßnahmen getroffen, die bereits zu einer erheblichen Verbesserung im Asylwesen und in den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber geführt hätten.
16Auf Antrag des Klägers ordnete das Gericht mit Beschluss vom 30. September 2014 – 10 L 530/14.A – die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bundesamtsbescheid vom 26. Juni 2014 enthaltene Abschiebungsanordnung an.
17Bereits unter dem 8. August 2014 hatte das Gericht den UNHCR um Erteilung einer Auskunft zum Asylverfahren und zur Lage von Asylbewerbern in Bulgarien gebeten. Der UNHCR erteilte die erbetene Auskunft unter dem 23. Dezember 2014 in englischer Sprache (Blatt 63 bis 66 der Gerichtsakte). Das Gericht holte eine Übersetzung der Auskunft ins Deutsche ein (Blatt 67 bis 70 der Gerichtsakte).
18Frau E. -G. , bei der es sich nach Angaben des Klägers um seine Ehefrau handelt, wurde auf der Grundlage des § 50 AsylVfG der Stadt N. B1 zugewiesen. Sie betreibt beim Verwaltungsgericht Düsseldorf unter dem Aktenzeichen 23 K 4771/14.A ein Klageverfahren, in dem ein gleichfalls vom 26. Juni 2014 datierender Bundesamtsbescheid – Az.: 5731212-262 –, mit dem ein Asylantrag Frau E. -G1. als unzulässig abgelehnt und ihre Abschiebung nach Bulgarien angeordnet wurde, streitgegenständlich ist. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf gewährte Frau E. -G. mit Beschluss vom 2. Dezember 2014 – 23 L 1658/14.A – vorläufigen Rechtsschutz.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten der Verfahren 10 K 1660/14.A und 10 L 530/14.A, den durch das Bundesamt übermittelten Verwaltungsvorgang sowie die beim Landrat des Kreises Q. über den Kläger geführte Ausländerakte (jeweils ein Heft) Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe:
21A. Der Einzelrichter, dem das vorliegende Verfahren mit Beschluss vom 9. Januar 2015 durch die Kammer zur Entscheidung übertragen wurde (§ 76 Abs. 1 AsylVfG), ist nicht gehindert, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2015 zu entscheiden, obwohl kein Vertreter der Beklagten zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Denn die Beteiligten wurden unter Hinweis darauf, dass das Gericht beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandeln und entscheiden kann, geladen (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
22B. Die auf Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 26. Juni 2014– Az.: 5731265-251 – gerichtete Klage ist als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Jedoch ist die Klage unbegründet. Die in dem Bescheid des Bundesamtes vom 26. September 2014 enthaltenen Verwaltungsakte, nämlich die Ablehnung des durch den Kläger in Deutschland gestellten Asylantrags als unzulässig (§ 27a AsylVfG), sowie die daran anknüpfende Anordnung seiner Abschiebung nach Bulgarien (§ 34a AsylVfG), sind rechtmäßig und verletzen ihn nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23I. Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht als unzulässig abgelehnt. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers ist nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (ABl. L 180, S. 31, sog. Dublin III-VO) die Republik Bulgarien zuständig.
241. Die Dublin-III-VO und nicht deren Vorgängerverordnung, die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (ABl. L 50, S. 1, sog. Dublin-II-VO) ist hier einschlägig, weil der Kläger seinen Asylantrag, d.h. seinen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne von Art. 2 Buchst. b) Dublin-III-VO, am 27. Februar 2014 und damit nach dem 1. Januar 2014 als dem gemäß Art. 49 Unterabs. 2 Dublin-III-VO für die Eröffnung des Anwendungsbereichs dieser Verordnung maßgeblichen Zeitpunkt gestellt hat.
252. Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO sieht vor, dass Anträge auf internationalen Schutz von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft werden. Welcher Mitgliedstaat dies ist, bestimmt sich nach den Kriterien der Art. 8 bis 15 Dublin-III-VO und zwar in der Rangfolge ihrer Nummerierung (Art. 7 Abs. 1 Dublin-III-VO). Lässt sich anhand dieser Kriterien nicht bestimmen, welcher Mitgliedsstaat zuständig ist, so ist der erste Mitgliedstaat zuständig, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin-III-VO). Bei Anwendung dieser Kriterien ist die Republik Bulgarien für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig.
26a) Dies folgt aus Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO. Danach ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, dessen Land-, See- oder Luftgrenze der Antragsteller aus einem Drittstaat kommend illegal überschritten hat Ein solcher Fall ist hier gegeben. Denn ausgehend von seinen eigenen, insofern von der Beklagten nicht in Zweifel gezogenen Angaben hat der Kläger aus einem Drittstaat (Türkei) kommend als erstes die (Land-) Grenze zu dem Mitgliedstaat Bulgarien überschritten. Dies erfolgte – soweit ersichtlich – ohne einen Aufenthaltstitel und insofern illegal. Die daraus resultierende Zuständigkeit Bulgariens hat auch nicht nach Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO geendet. Zwar endet nach dem Wortlaut dieser Vorschrift die Zuständigkeit (eines Mitgliedstaats für die Durchführung des Asylverfahrens) zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Damit ist aber lediglich gemeint, dass die Zuständigkeit dann endet, wenn vor Ablauf der genannten Frist in keinem der Mitgliedstaaten ein Asylantrag gestellt wurde. Diese Auslegung ergibt sich zwingend vor dem Hintergrund des Art. 7 Abs. 2 Dublin-III-VO, der als maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Dublin-Zuständigkeit denjenigen vorgibt, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Deshalb ist es etwa unschädlich, wenn nicht (auch) in dem Einreisestaat innerhalb der in Rede stehenden Frist ein Asylantrag gestellt wurde. Ebenso wenig ist es von Bedeutung, ob der Zwölfmonatszeitraum im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abgelaufen ist.
27Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, m.w.N., juris (Rdnr. 46 ff.), zu den im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmungen der Art. 10 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 2 Dublin-II-VO.
28Damit steht Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO einer Zuständigkeit Bulgariens nicht entgegen. Nach der Mitteilung der ungarischen Behörden an das Bundesamt vom 6. März 2014 (Blatt 29 der beigezogenen Bundesamtsakte) ist der Kläger am 25. September 2013 nach Bulgarien eingereist. Die beim Kläger aufgefundene ungarische Aufenthaltsgestattung zur Durchführung eines Asylverfahrens weist als Ausstellungsdatum den 23. Januar 2014 aus (Blatt 4 der beigezogenen Ausländerakte), woraus folgt, dass er spätestens an diesem Tag in Ungarn einen Asylantrag gestellt haben muss. Dass die vorgenannten Unterlagen inhaltlich unrichtig sein könnten, ist weder vom Kläger substanziiert dargelegt worden noch sonst ersichtlich. Liegt danach zwischen dem illegalen Grenzübertritt nach Bulgarien und der Antragstellung in Ungarn ein Zeitraum von höchstens vier Monaten, so ist die sich aus Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO ergebende zwölfmonatige Frist unzweifelhaft gewahrt. Darauf, dass der Asylantrag nicht in Bulgarien gestellt worden ist, kommt es für die Zuständigkeit dieses Mitgliedsstaates nicht an.
29b) Es greifen auch keine gemäß Art. 7 Abs. 1 Dublin-III-VO vorrangig anzuwendenden Zuständigkeitstatbestände ein, namentlich keine solchen zum Schutz der Familieneinheit gemäß Art. 10 und 11 Dublin-III-VO. Dabei kann zugunsten des Klägers als wahr unterstellt werden, dass er tatsächlich die Ehe mit der am 14. April 1987 geborenen kamerunischen Staatsangehörigen E. -G. geschlossen hat.
30Für die Anwendung des Art. 10 Dublin-III-VO wäre es erforderlich, dass beide Familienangehörigen, zu denen gemäß Art. 2 Buchst. g) Dublin-III-VO auch Ehegatten gehören, den Wunsch zur Prüfung ihrer Asylanträge in demselben Mitgliedstaat schriftlich kundtun. Eine schriftliche Erklärung dieser Art liegt indessen – zumindest für den Kläger – nicht vor.
31Vgl. zu entsprechenden Fällen VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Dezember 2014 – 13 L 2517/14.A –, juris (Rdnr. 15).
32Ebenso wenig vermag Art. 11 Dublin-III-VO etwas an der Zuständigkeit Bulgariens für das Asylverfahren des Klägers zu ändern. Unter der amtlichen Überschrift „Familienverfahren“ erfasst diese Bestimmung (u.a.) den Fall der gleichzeitigen Asylantragstellung durch mehrere Familienangehörige oder der Asylantragstellung mehrerer Familienangehöriger in so großer zeitlicher Nähe, dass die Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats gemeinsam durchgeführt werden können. Besteht in einem solchen Fall bei Anwendung der in der Dublin-III-VO genannten Kriterien die Gefahr der Trennung der Familienangehörigen, so gilt nach Art. 11 Dublin-III-VO Folgendes: a) Zuständig für die Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz sämtlicher Familienangehöriger (…) ist der Mitgliedstaat, der nach den Kriterien für die Aufnahme des größten Teils von ihnen zuständig ist; b) andernfalls ist für die Prüfung der Mitgliedstaat zuständig, der nach den Kriterien für die Prüfung des von dem ältesten von ihnen gestellten Antrags zuständig ist.
33Es spricht bereits vieles dafür, dass Art. 11 Dublin-III-VO hier bereits in seinem Ausgangspunkt nicht einschlägig ist. Denn es dürfte schon keine Gefahr der Trennung im Sinne dieser Bestimmung bestehen, weil eine Zuständigkeit Bulgariens nach Lage der Akten wohl ohnehin – unabhängig von der Anwendung der Vorschriften zur Wahrung der Familieneinheit – auch für Frau E. -G. besteht. Doch selbst wenn dies nicht der Fall wäre, könnte der Kläger aus Art. 11 Dublin-III-VO nichts für sich herleiten. In Bezug auf Art. 11 Buchst. a) Dublin-III-VO gilt dies schon deshalb, weil es hier um die Bestimmung der Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylverfahren von lediglich zwei Personen – des Klägers und seiner (angeblichen) Ehefrau – geht. In einem solchen Fall kann es bei einer etwaigen Verschiedenheit der an sich zuständigen Mitgliedstaaten rechnerisch keinen „größten Teil“ der Familienangehörigen geben.
34Vgl. dazu auch Filzwieser/Sprung, Kommentar zur Dublin-III-VO, 1. Auflage (2014), Art. 11 Dublin-III-VO Anm. K 5.
35Art. 11 Buchst. b) Dublin-III-VO vermag ebenfalls nichts an der Zuständigkeit Bulgariens für die Bearbeitung des Asylantrags des Klägers zu ändern. Denn er ist nach den von ihm und seiner (angeblichen) Ehefrau gemachten Angaben, wonach er am 21. Juni 1984 und Frau E. -G. am 14. April 1987 geboren ist, der ältere der beiden Ehegatten. Daraus folgt, dass gemäß Art. 11 Buchst. b) Dublin-III-VO jener Mitgliedstaat für alle Familienangehörigen (hier für beide Ehegatten) zuständig ist, der nach den einschlägigen Kriterien der Dublin-III-VO für den Kläger zuständig ist
36- ebenso VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Dezember 2014 – 23 L 1658/14.A –, in dem Frau E. -G. betreffenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (vgl. im Einzelnen die Seiten 3 und 4 des den Beteiligten vorliegenden Beschlussabdrucks) -.
37Die sich aus Art. 13 Dublin-III-VO für das Verfahren des Klägers ergebende Zuständigkeit Bulgariens erstreckt sich mithin bei Anwendung des Art. 11 Buchst. b) Dublin-III-VO auf seine Ehefrau.
383. Aufgrund der danach gegebenen Zuständigkeit der Republik Bulgarien ist diese gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. a) Dublin-III-VO zur Aufnahme des Klägers verpflichtet. Dies hat zur Folge, dass in seinem Fall die Verfahrensvorschriften der Art. 21, 22 und 29 Dublin-III-VO zur Anwendung kommen (vgl. dazu nachfolgend 5.). Es besteht hier eine Pflicht zur Aufnahme nach diesen Bestimmungen und nicht eine solche zur Wiederaufnahme nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) bis d) Dublin-III-VO i.V.m. Art. 23, 24, 29 Dublin-III-VO, weil Voraussetzung für eine Wiederaufnahme durch Bulgarien wäre, dass der Kläger dort bereits ein Asylverfahren betrieben hätte. Dies ist indessen nicht der Fall. Der Kläger hat selbst angegeben, lediglich in Ungarn (und nicht auch in Bulgarien) einen Asylantrag gestellt zu haben. Abgesehen davon haben die ungarischen Behörden dem Bundesamt unter dem 6. März 2014 mitgeteilt, dass für den Kläger hinsichtlich Bulgariens (lediglich) ein EURODAC-Treffer der Kategorie 2 (BG2BR206C1309250012) erzielt worden sei (Blatt 29 der Bundesamtsakte). Gemäß Art. 2 Abs. 3 Satz 5 der Verordnung (EG) Nr. 407/2002 des Rates vom 28. Februar 2002 zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 über die Einrichtung von EURODAC für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens (EURODAC-Durchführungsverordnung) werden nur Daten von Asylbewerbern mit der Kategorie 1 versehen. Hieran zeigt sich ebenfalls, dass der Kläger in Bulgarien noch keinen Asylantrag gestellt hat, zumal nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. c) der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 des Rates vom 11. Dezember 2000 über die Einrichtung von EURODAC für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens (EURODAC-VO) eine europarechtliche Richtigkeitsgewähr bzgl. der erhobenen und übermittelten Daten besteht.
39Vgl. zu entsprechenden Fällen VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 13 L 2759/14.A –, juris (Rdnr. 37).
404. Die Aufnahmeverpflichtung Bulgariens nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. a) Dublin-III-VO ist nicht gemäß Art. 19 Dublin-III-VO nachträglich erloschen. Namentlich ergibt sich Entsprechendes nicht aus der Bestimmung des Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO. Danach erlöschen die Pflichten nach Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO, wenn der zuständige Mitgliedstaat nachweisen kann, dass der Antragsteller, um dessen Aufnahme er ersucht wurde, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat, es sei denn, die betreffende Person ist im Besitz eines vom zuständigen Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Aufenthaltstitels. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Nachweis einer mindestens drei Monate dauernden Abwesenheit des Klägers aus dem Gebiet der Mitgliedstaaten ist nicht geführt. Zwar hat er vor dem Bundesamt erklärt, im Anschluss an seinen Aufenthalt in Bulgarien in Serbien, das nicht zu den Mitgliedstaaten zählt, gewesen zu sein. Dieser Aufenthalt in Serbien ist jedoch in keiner Weise belegt und kann abgesehen davon bei dem vom Kläger geschilderten zeitlichen Ablauf ohnehin nur kurzzeitig gewesen sein. Am 27. Februar 2014 hat er selbst gegenüber dem Bundesamt bekundet, sich lediglich einen Tag lang in Serbien aufgehalten zu haben (Blatt 8 der Bundesamtsakte).
415. Des Weiteren sind die Zuständigkeit Bulgariens und die daraus folgende Aufnahmepflicht nicht aufgrund eines Verstreichens der für das Aufnahmeverfahren maßgeblichen Antrags- und Überstellungsfristen erloschen:
42a) Das Bundesamt hat die im Aufnahmeverfahren maßgebliche Frist zur Stellung des Aufnahmegesuchs nach Art. 21 Abs. 1 Dublin-III-VO beachtet. Dabei kann offen bleiben, ob hier eine Frist von drei Monaten (Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO) oder – aufgrund des von den ungarischen Behörden mitgeteilten EURODAC-Treffers hinsichtlich Bulgariens – eine zweimonatige Frist zur Stellung des Aufnahmegesuchs (Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 2 Dublin-III-VO) einschlägig gewesen ist, weil beide Fristen eingehalten worden sind. Das Bundesamt hat dadurch, dass der Kläger am 27. Februar 2015 über einen Aufenthalt in Bulgarien berichtet hat, erste Anhaltspunkte für eine Zuständigkeit dieses Mitgliedstaates erhalten. Die Hinweise auf eine Zuständigkeit Bulgariens haben sich sodann durch den von den ungarischen Behörden unter dem 6. März 2014 mitgeteilten EURODAC-Treffer verdichtet. Am 27. März 2014 haben die ungarischen Behörden schließlich berichtet, dass Bulgarien sich ihnen gegenüber unter Hinweis auf Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO für zuständig erklärt habe. Selbst wenn man hier – zugunsten des Klägers – für den Beginn der Antragsfrist auf den erstgenannten Zeitpunkt (27. Februar 2014) abstellte, hätte das Bundesamt dadurch, dass es sich bereits am 2. April 2014, d.h. nur rund fünf Wochen später, an die bulgarischen Behörden gewandt hat, die Fristen des Art. 21 Abs. 1 Dublin-III-VO beachtet.
43b) Ebenso wenig ist die sechsmonatige Frist für die Überstellung des Antragstellers in den zuständigen Mitgliedstaat (Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO) mit der Folge überschritten, dass die Zuständigkeit für die Durchführung seines Asylverfahrens gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO auf die Beklagte übergegangen wäre.
44Nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO erfolgt die Überstellung eines Antragstellers aus dem ersuchenden Mitgliedsstaat (hier: Bundesrepublik Deutschland) in den zuständigen Mitgliedstaat (hier: Republik Bulgarien) gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedsstaates nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat (Fall 1) oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese(r) gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin-III-VO aufschiebende Wirkung hat (Fall 2).
45Der Fristbeginn bestimmt sich hier nach dem in Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO angesprochenen zweiten Fall, wonach die maßgebliche Überstellungsfrist von sechs Monaten erst mit der (endgültigen) Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese(r) gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin-III-VO aufschiebende Wirkung hat, beginnt. Ein „Rechtsbehelf“ im Sinne von Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO, dem aufschiebende Wirkung zukommen kann, ist (jedenfalls) der Hauptsacherechtsbehelf (hier die vorliegende Klage). Diesem kommt aufschiebende Wirkung in jedem Fall dann zu, wenn diese gemäß § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG in der seit dem 6. September 2013 gültigen Fassung im Einzelfall durch das Gericht angeordnet wird.
46Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2014 – 13 A 1347/14.A –, m.w.N., juris (zur Überstellungsfrist nach der Dublin-II-VO).
47So liegt der Fall auch hier, weil das Gericht mit Beschluss vom 30. September 2014 – 10 L 530/14.A – die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bundesamtsbescheid vom 26. Juni 2014 enthaltene Abschiebungsanordnung angeordnet hatte. Diese gerichtliche Entscheidung erfolgte zu einem Zeitpunkt, zu dem die zunächst angelaufene Frist nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Fall 1 Dublin-III-VO, wonach die Überstellungsfrist von sechs Monaten mit der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat beginnt, noch nicht verstrichen und die Zuständigkeit mithin noch nicht auf die Beklagte übergegangen war. Denn die bulgarischen Behörden haben sich am 10. April 2014 gegenüber der Beklagten zur Aufnahme des Klägers bereit erklärt, so dass die Frist nach dem ersten Fall des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO erst mit dem 10. Oktober 2014 verstrichen wäre. Diese Frist ist mit der gerichtlichen Entscheidung vom 30. September 2014, die dem Hauptsacherechtsbehelf aufschiebende Wirkung zugewiesen hat, mit der Folge (rechtzeitig) unterbrochen worden, dass sich die sechsmonatige Überstellungsfrist nunmehr nach dem zweiten Fall des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO bestimmt. Diese Frist wird erst mit der endgültigen Entscheidung über den Hauptsacherechtsbehelf, d.h. über die vorliegende Klage, zu laufen beginnen und ist mithin im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2015 (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) noch nicht verstrichen.
486. Ferner kann der Antragsteller sich nicht mit Erfolg auf systemische Mängel des bulgarischen Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Bulgarien berufen.
49Gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 VO Dublin-III-VO setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Art. 8 bis 15 Dublin-III-VO vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) mit sich bringen (Unterabs. 2); kann eine Überstellung an einen aufgrund der Kriterien der Art. 8 bis 15 Dublin-III-VO bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, nicht vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat (Unterabs. 3).
50Der Regelung in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin-III-VO liegt die Rechtsprechung des EuGH zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem zugrunde. Dieses gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll zu dieser Konvention von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) finden. Es gilt daher die Vermutung, dass Asylbewerbern in jedem Mitgliedsstaat eine Behandlung entsprechend den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskommission zukommt. Diese Vermutung ist allerdings nicht unwiderleglich. Wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist die Widerlegung der Vermutung aber an hohe Hürden geknüpft, so dass nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder jeder Verstoß gegen Bestimmungen des zum Asylrecht ergangenen Sekundärrechts geeignet sind, die Vermutung zu widerlegen.
51Vgl. EuGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 u.a. (N.S. u.a.) –, NVwZ 2012, 417, sowie vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 (Abdullahi) –, NVwZ 2014, 208.
52Die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 UA 2 Dublin-III-VO liegen vor, wenn das Gericht zu der Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gelangt, dass ein Asylbewerber wegen systemischer Mängel, also strukturell bedingter, größerer Funktionsstörungen, im konkret zu entscheidenden Fall in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein wird.
53Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, NVwZ 2014, 1039, zur Rechtslage nach der Dublin-II-VO.
54Im Rahmen dieser Prognose ist nicht allein auf die Rechtslage im betreffenden Mitgliedstaat abzustellen, maßgeblich ist vielmehr deren Umsetzung in die Praxis.
55Vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 (M.S.S ./. Belgien und Griechenland) –, NVwZ 2011, 413 und HUDOC (Rdnr. 359); Hailbronner, Ausländerrecht, Band 3, Stand: Juni 2014, § 34a AsylVfG Rdnr. 21.
56Die vorstehend aufgezeigten rechtlichen Maßstäbe gelten jedenfalls dann, wenn der betreffende Asylbewerber in dem Mitgliedstaat, in den er abgeschoben werden soll, noch keinen Schutzstatus erlangt hat
57- vgl. dazu VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Oktober 2014– 17 L 2379/14.A –, juris (Rdnr. 20), unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 –, a.a.O. -.
58Dies ist beim Kläger der Fall, da er in Bulgarien keinen Asylantrag gestellt und dementsprechend auch noch keinen Schutzstatus erhalten hat.
59Ausgehend hiervon kann das erkennende Gericht entgegen der Auffassung des Klägers nicht feststellen, dass in der Republik Bulgarien systemische Mängel des Asylverfahrens bzw. der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im vorstehend genannten Sinne, von denen gerade der Kläger betroffen wäre, bestehen
60- ebenso in entsprechenden Fällen: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014 – A 11 S 1778/14 –, juris (Rdnr. 42 ff.), VG Potsdam, Urteil vom 4. Februar 2014 – 6 K 3905/13.A –, juris (Rdnr. 16), VG Ansbach, Urteil vom 10. Juli 2014 – AN 11 14.30366 –, juris (Rdnr. 27), und VG Bremen, Urteil vom 16. Juli 2014 – 1 K 152/14 –, juris (Rdnr. 30 ff.); demgegenüber geht ein Teil der Rechtsprechung vom Vorliegen systemischer Mängel des bulgarischen Asylsystems aus oder sieht deutliche Anhaltspunkte für das Vorliegen derartiger Mängel: VG Bremen, Beschluss vom 11. März 2014 – 1 V 153/14 –, juris (Rdnr. 26 ff.), VG Schwerin, Beschluss vom 13. März 2014– 3 B 230/14 As –, juris (Rdnr. 20 ff.), VG Oldenburg, Beschluss vom 1. Juli 2014 – 12 B 1387/14 –, juris (Rdnr. 18 ff.); vgl. außerdem VG Berlin, Beschluss vom 6. Mai 2014 – 9 L 147/14.A –, juris (Rdnr. 8 ff.), das grundsätzlich keine systemischen Mängel des bulgarischen Asylsystems sieht, eine Ausnahme hiervon jedoch bei besonders schutzbedürftigen Personen (z.B. psychisch kranken Menschen) macht -.
61Der Vortrag des Klägers, wonach in Bezug auf (a) den Zugang zum Asylverfahren, (b) das Refoulement-Verbot, (c) die Inhaftierung von Asylsuchenden und Dublin-Rückkehrern sowie (d) die sozialen Aufnahmebedingungen, namentlich die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern, systemische Mängel des bulgarischen Asylwesens bestünden, greift nicht durch:
62a) Ein ausreichender Zugang zum Asylverfahren ist in Bulgarien für den Kläger gegeben.
63Allerdings war das bulgarische Asylsystem bedingt durch die im Laufe des Jahres 2013 erheblich angestiegene Zahl von Antragstellern, die aufgrund des Konflikts in Syrien über die türkisch-bulgarische Grenze gekommen waren, vollkommen überfordert. Dadurch war bereits ein effektiver Zugang zum Asylverfahren, insbesondere aus einer bestehenden Abschiebehaft heraus, nicht mehr gewährleistet. Zwar wies Bulgarien auch zu dieser Zeit eine vergleichsweise hohe Schutzquote auf. Gleichwohl bestanden – bedingt durch die hohen Eingangszahlen und wohl auch aufgrund unzureichender Qualifikation der beteiligten bulgarischen Amtswalter – unübersehbare Mängel im Verfahren, u.a. im Bereich der Übersetzung, Protokollführung, der Anhörungen und deren Umsetzung in den Bescheiden. Der Komplex der rechtlichen Beratung und Unterstützung wurde als in hohem Maße defizitär geschildert, und zwar vor allem im Hinblick auf fehlende finanzielle Mittel und weniger aufgrund der jeweils maßgeblichen rechtlichen Grundlagen bzw. Vorgaben, die nicht grundsätzlich zu kritisieren sind. Bei dieser Sachlage beschloss der Ministerrat Bulgariens im Oktober 2013 einen „Plan for the containment of the crisis resulting from stronger migration pressure on the Bulgarian border“, der u.a. eine Verbesserung der Verfahrensabläufe, aber auch eine konsequente Verhinderung künftiger unkontrollierter Einwanderung über die Landesgrenze mit der Türkei zum Inhalt hatte. Außerdem wurde durch das European Asylum Support Office (EASO) im Herbst 2013 in Zusammenarbeit mit dem bulgarischen Innenministerium, dem Leiter der bulgarischen Flüchtlingsbehörde (SAR) und UNHCR ein „Operating Plan To Bulgaria“ entwickelt, aufgrund dessen unter Hinzuziehung des Bulgarischen Roten Kreuzes und anderer Nichtregierungsorganisationen weitreichende Verbesserungen des gesamten Asylsystems vorgenommen werden sollten. In Vollzug des Ministerratsbeschlusses vom Oktober 2013 wurde mit dem Bau eines Zaunes an der Grenze zur Türkei begonnen, der mittlerweile in der vorgesehenen Länge fertiggestellt ist. Nicht zuletzt aufgrund dieser Grenzanlage ist die Zahl der Antragsteller seit Anfang des Jahres 2014 zunächst erheblich zurückgegangen. Dies wiederum hat zu einer erheblichen Entlastung des bulgarischen Asylsystems geführt und mit dazu beigetragen, dass die von EASO ins Auge gefassten Maßnahmen unter erleichterten Rahmenbedingungen in Angriff genommen und durchgeführt werden konnten. Es wird von erheblichen Verbesserungen berichtet. Insbesondere wird eine zeitnahe Registrierung von Asylgesuchen und damit ein schneller Zugang zum Asylverfahren nunmehr grundsätzlich gewährleistet. Allerdings ist, worauf nachfolgend unter c) noch näher einzugehen sein wird, nicht auszuschließen, dass es im Falle einer Antragstellung aus der Haft heraus nach wie vor zu Verzögerungen von einigen Tagen kommen kann, die möglicherweise auch vermeidbar wären. Ein grundlegender, das gesamte Asylsystem betreffender Mangel liegt hierin aber nicht (mehr).
64Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014– A 11 S 1778/14 –, m.w.N., juris (Rdnr. 44 ff., 55).
65Zwar hat sich aufgrund des ab August 2014 zu verzeichnenden stetigen Anstiegs der Anzahl der Neuanträge auf internationalen Schutz
66- vgl. dazu die unter http://ec.europa.eu/eurostat/tgm/table.do?tab=table&init= 1&language=en&pcode=tps00189&plugin=1 durch Eurostat veröffentlichten Zahlen (durch das Gericht abgerufen am 9. Februar 2015) -
67die Registrierung und Bearbeitung der Anträge seit kurzem wieder etwas verlangsamt, zumal die SAR weiterhin nicht über eine ausreichende Anzahl an Dolmetschern (insbesondere für Farsi/Dari und Paschtu) sowie Mitarbeitern für die Registrierung und Befragung verfügt. Dies führt für sich genommen aber nicht zur Feststellung systemischer Mängel des bulgarischen Asylsystems. Die neu installierte Videokonferenz-Ausrüstung in zwei Einrichtungen, nämlich in der RC-Harmanli und der Übergangseinrichtung für Einwanderungshaft, Allocation Centre Elhovo, soll helfen, das Verfahren zu beschleunigen, sobald die SAR Dolmetscher benannt hat. Da die Aufnahme- und Bearbeitungskapazitäten seit Anfang 2014 erhöht wurden, was dazu führte, dass 5.624 Antragstellern zwischen Januar und Oktober 2014 ein Schutzstatus gewährt wurde, funktioniert das Asylsystem nach Einschätzung des UNHCR derzeit „einigermaßen“, wobei die SAR allerdings weitere Mittel benötige, um die bisher bei den Aufnahme- und Bearbeitungskapazitäten erzielten Verbesserungen beizubehalten.
68Vgl. dazu die Auskunft des UNHCR an das VG Minden vom 23. Dezember 2014, Seiten 2 und 3.
69Nach alledem ist derzeit die Prognose gerechtfertigt, dass für den Kläger im Anschluss an eine Überstellung nach Bulgarien ein ausreichender Zugang zum dortigen Asylverfahren gegeben sein wird. Abweichendes folgt auch nicht daraus, dass er als sog. Dublin-Rückkehrer nach Bulgarien einreisen wird. Für nach Bulgarien zurückkehrende Asylbewerber gilt nach den Feststellungen des UNHCR
70- vgl. die Seiten 3 und 4 seiner Auskunft an das VG Minden vom 23. Dezember 2014 -
71Folgendes: Der Zugang zu einem Verfahren über die Feststellung des Flüchtlingsstatus ist im Falle einer Wiedereinreise nach Bulgarien davon abhängig, welchen Stand das frühere Asylverfahren des betreffenden Asylbewerbers dort hatte. Ist der Asylantrag bei der Rückkehr noch nicht entschieden, wird für die Person (grundsätzlich) in Bulgarien eine sachliche Entscheidung getroffen. Hat ein Asylbewerber Bulgarien verlassen und erscheint nicht oder wirkt an einem Verfahrensschritt nicht mit, so wird das Verfahren allerdings nach zehn Tagen des Nichterscheinens bzw. der fehlenden Mitwirkung ausgesetzt. Kehrt der Antragsteller sodann innerhalb von drei Monaten nach Registrierung seines Antrags nach Bulgarien zurück, wird das Verfahren wiedereröffnet und grundlegend geprüft. Erfolgt die Rückkehr in die Republik Bulgarien dagegen erst nach Ablauf dieser Frist, so gilt die Anwesenheit des Asylbewerbers als illegal und er wird in Abschiebungshaft genommen, es sei denn er kann „objektive Gründe“ für einen Wechsel seines Wohnortes, sein Nichterscheinen bei der zuständigen Behörde oder seine fehlende Mitwirkung darlegen. Grundsätzlich ist es möglich, dass der Betroffene nach Beendigung seines Verfahrens einen Folgeantrag stellt; es werden dann aber nur die mit dem Folgeantrag geltend gemachten neuen Gründe geprüft. Bei Dublin-Rückkehrern wird das Asylverfahren indessen grundsätzlich – unabhängig davon, ob die vorstehend genannten Fristen verstrichen sind – wiedereröffnet, und zwar an der Stelle, an welcher der Stillstand eingetreten ist. Voraussetzung hierfür ist, dass der Dublin-Rückkehrer einer Fortführung des Verfahrens in Bulgarien zustimmt. Eine Prüfung seines Antrags ist dann prinzipiell sichergestellt; der Betroffene genießt dieselben Rechte wie andere Asylbewerber auch. Das Verfahren wird allerdings dann nicht mehr eröffnet, wenn eine Anhörung bereits durchgeführt und das Verfahren daraufhin endgültig beendet worden ist. In diesem Fall hat auch der Dublin-Rückkehrer nur noch die Möglichkeit, einen Folgeantrag zu stellen.
72Vgl. dazu auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014– A 11 S 1778/14 –, juris (Rdnr. 58).
73Gemessen hieran wird dem Kläger als Dublin-Rückkehrer das Asylerstverfahren in Bulgarien ohne Einschränkungen offen stehen, weil er dort noch keinen Asylantrag gestellt hatte und dementsprechend auch noch keine Anhörung stattgefunden haben kann, aufgrund der – ggf. auch in seiner Abwesenheit – eine endgültige verfahrensabschließende Entscheidung hätte getroffen werden können. Es gibt zudem keine Anhaltspunkte dafür, dass er aufgrund des in Ungarn gestellten Asylantrags in Bulgarien als bloßer Folgeantragsteller behandelt werden würde.
74Auch in Bezug auf den weiteren Verlauf des dem Kläger offenstehenden Asylverfahrens sind keine durchgreifenden Mängel des bulgarischen Asylsystems erkennbar. Die in der Vergangenheit festgestellten Mängel in Bezug auf das Prüfungsverfahren und die Entscheidungen über die Gewährung internationalen Schutzes sind zwar nicht gänzlich ausgeräumt, allerdings sind positive Veränderungen auf den Weg gebracht worden. Die Verfahrensdauer, die bei syrischen Staatsangehörigen in der Regel ohnehin nicht zu beanstanden war, wurde mittlerweile auch bei nicht syrischen Flüchtlingen – wie dem Kläger – wesentlich verkürzt. Die Bereitstellung von Informationen für die Antragsteller über den Ablauf des Verfahrens und die in diesem Zusammenhang bestehenden Rechte wurden wesentlich verbessert, ohne aber wiederum als vollständig befriedigend qualifiziert werden zu können. Zumindest für ein – im Falle des Klägers in Rede stehendes – Asylerstverfahren ist eine kostenlose Rechtsberatung rechtlich gewährleistet, steht mit Rücksicht auf eine unzureichend finanzielle Ausstattung allerdings staatlicherseits nicht zuverlässig zur Verfügung, weshalb Nichtregierungsorganisationen, wie das Bulgarische Helsinki Komitee, einspringen und teilweise selbst die unentgeltliche Vertretung übernehmen müssen. Diese Defizite können jedoch – auch in Anbetracht der stattgefundenen Verbesserungen – nicht als derart gravierend eingestuft werden, dass sie als systemisch zu qualifizieren wären und die Betroffenen in ihren Rechten aus Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK verletzen würden.
75Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014– A 11 S 1778/14 –, m.w.N., juris (Rdnr. 56).
76Hinweise auf entsprechende Rechtsverletzungen aufgrund von Mängeln des Asylverfahrens ergeben sich im Übrigen auch nicht aus der in Bulgarien bestehenden Schutzquote. Denn die Zahl der in Bulgarien als international schutzberechtigt anerkannten Personen ist vergleichsweise hoch. So wurde im dritten Quartal 2014 bei 1.005 Asylentscheidungen in 785 Fällen ein Flüchtlingsstatus und in 90 Fällen ein subsidiärer Schutz zuerkennt; dies entspricht einer Gesamtschutzquote von rund 87 %
77- vgl. die Eurostat-Daten unter http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/images/8/88/First_instance_decisions_by_outcome_and_recognition_rates%2C_3rd_quarter_2014.png (durch das Gericht abgerufen am 9. Februar 2015) -,
78die allerdings zum Teil auch dadurch bedingt sein mag, dass viele Personen, die in Bulgarien einen Asylantrag stellen, aus dem Bürgerkriegsland Syrien stammen.
79b) Soweit der Kläger Verstöße gegen das Refoulement-Verbot rügt, mag dies (teilweise) berechtigt sein, und zwar mit Blick darauf, dass es Berichte über eine Vielzahl von Zurückschiebungen über die Grenze in die Türkei ab dem Jahr 2013 gibt
80- vgl. dazu etwa Human Rights Watch, Containment Plan – Bulgaria’s Pushbacks and Detention of Syrian an Other Asylum Seekers and Migrants, 29. April 2014, Seiten 14 ff. -.
81Damit könnte Bulgarien gegen das unionsrechtliche wie auch das völkerrechtliche Refoulement-Verbot nach Art. 21 Abs. 1 QRL bzw. Art. 33 GFK verstoßen. Denn zum einen ist die Türkei kein sicherer Drittstaat, weil sie die Genfer Flüchtlingskonvention und das Protokoll von 1967 nur mit einem regionalen Vorbehalt gezeichnet hat; zum anderen hat sich Bulgarien offensichtlich nicht vergewissert, dass die Türkei Flüchtlinge nicht in einen potentiell verfolgenden Herkunftsstaat „weiterschiebt“. Da das Refoulement-Verbot auch eine Zurückweisung von Asylbewerbern an der Grenze untersagt, sofern nicht eine Massenfluchtbewegung gegeben ist, wovon aber in Bezug auf Bulgarien wohl nicht auszugehen ist, dürfte auch die Errichtung des Grenzzauns – vgl. dazu bereits die Ausführungen unter a) – kaum mit dem Refoulement-Verbot in Einklang stehen, zumal keine offizielle Anreise über die türkischen Grenzübergangsstellen möglich sein dürfte.
82Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014– A 11 S 1778/14 –, juris (Rdnr. 47).
83Letztlich kann dies aber offen bleiben, weil sich der Kläger bereits auf dem Gebiet der Mitgliedstaaten befindet und somit von der Zurückweisungspraxis an der türkisch-bulgarischen Grenze nicht (mehr) betroffen ist. Dafür, dass sich Bulgarien des Klägers nach Durchführung eines Asylverfahrens unter Verstoß gegen das Refoulement-Verbot entledigen würde, ist im Übrigen nichts ersichtlich.
84c) Soweit der Kläger gegen den streitgegenständlichen Bundesamtsbescheid sinngemäß einwendet, Asylbewerber einschließlich Dublin-Rückkehrern hätten in Bulgarien im Widerspruch zu den Bestimmungen der EMRK und der GR-Charta mit Inhaftierung zu rechnen, kann er hiermit ebenfalls nicht durchdringen.
85Nach den Feststellungen des UNHCR
86- vgl. die Seiten 2 bis 4 seiner Auskunft an das VG Minden vom 23. Dezember 2014 -
87reisen Asylbewerber mehrheitlich auf illegale Weise nach Bulgarien ein und werden dabei häufig durch die Grenzpolizei abgefangen, woraufhin sie in Einwanderungshaft genommen werden. Bulgarien verfügt über insgesamt drei Einrichtungen für die Einwanderungshaft. Bei zwei davon handelt es sich um sog. SCTAFs (Special Center for Temporary Accommodation of Foreigners). Eine davon befindet sich in Busmatsi (Sofia), die andere in Lyubiments (Südbulgarien). Hinzu kommt eine weitere vorübergehende Einwanderungshaftanstalt, das in der Nähe der türkischen Grenze gelegene Allocation Centre (AC) in Elhovo. Während es sich bei den SCTAFS in erster Linie um Einrichtungen für die Abschiebungshaft handelt, wurde das AC in Elhovo im Oktober 2013 durch das Innenministerium eingerichtet, um (u.a.) Asylbewerber aus Gruppen illegal einreisender Ausländer „herauszufiltern“. Illegal Eingereiste, die zunächst kein Asyl beantragen wollen, werden an ein SCTAF weitergeleitet. Soweit sie dort Asyl beantragen, werden sie nach Erledigung der vorgesehenen Formalitäten an eine Aufnahmeeinrichtung der SAR verwiesen. In keinem Fall müssen Asylsuchende aber eine längere Inhaftierung nach der Einreise in die Republik Bulgarien befürchten. Diese Verbesserung gegenüber früheren Zuständen beruht auf einer seit dem ersten Quartal 2014 verbesserten Kooperation zwischen den Grenzschutz- und Einwanderungsbehörden einerseits und der SAR andererseits. Die SAR hat sich nunmehr verpflichtet, die Erstregistrierung der Asylbewerber bereits in der Einwanderungshaft vorzunehmen, was dazu führt, dass die Asylbewerber nach durchschnittlich 7 bis 10 Tagen aus der Einwanderungshaft entlassen werden. Die Tatsache allein, dass Asylsuchende, die illegal eingereist sind, zunächst in größerem Umfang inhaftiert werden, stellt keine systemische Schwachstelle des Asylverfahrens dar, sofern, wie nunmehr, sichergestellt ist, dass sie nach der Antragstellung zeitnah registriert werden
88- ebenso VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014– A 11 S 1778/14 –, juris (Rdnr. 55).
89Abgesehen davon wird der Kläger bei einer Rückkehr nach Bulgarien von einer solchen Einwanderungshaft voraussichtlich nicht mehr betroffen sein, weil er im Wege der Überstellung gemäß der Dublin-III-Verordnung nach Bulgarien zurückkehren wird.
90Auch mit Blick auf die in Bulgarien herrschende Praxis im Bereich der Abschiebungshaft, können keine gerade den Kläger betreffenden systemischen Schwachstellen festgestellt werden. Die Verhängung von Abschiebungshaft kommt nach der Auskunft des UNHCR an das erkennende Gericht vom 23. Dezember 2014 (Seiten 3 und 4) zunächst dann in Betracht, wenn ein Asylbewerber Bulgarien während des laufenden Asylverfahrens verlässt und erst nach Verstreichen der unter a) behandelten dreimonatigen Betreibensfrist wieder zurückkehrt oder aber sein Asylantrag– ggf. auch während seiner Abwesenheit – abgelehnt wird. In diesen Fällen gilt der (erneute) Aufenthalt des betroffenen Drittstaatsangehörigen als illegal, mit der Folge, dass er (grundsätzlich) in Abschiebungshaft genommen wird. Den Betroffenen steht die Möglichkeit offen, einen Folgeantrag zu stellen. Wird dieser Antrag zur sachlichen Prüfung zugelassen, so ist eine Haftfortdauer gleichwohl wahrscheinlich. Eine Freilassung aus der Haft kommt allerdings in Betracht, wenn dem Folgeantragsteller ein Platz in einer Einrichtung der SAR zugewiesen wird oder aber eine externe Wohnung nachgewiesen wird. Mit Letzterem ist allerdings ein Verzicht auf staatliche Leistungen verbunden. Die vorstehend behandelte Art der Abschiebungshaft kann auf einen längeren Zeitraum ausgedehnt werden, ohne dass nach Einschätzung des UNHCR bislang ein hinreichender Rechtsschutz dagegen existiert. Mit dieser Art der Haft hat der Kläger indessen ebenfalls nicht zu rechnen. Dublin-Rückkehr, zu denen auch er gehört, genießen nämlich – unabhängig vom etwaigen Ablauf der dreimonatigen Betreibensfrist – grundsätzlich die gleichen Rechte wie andere Asylbewerber im Erstverfahren, d.h. sie werden im Anschluss an die Rückkehr – nach Angaben des UNHCR „höchstwahrscheinlich“ – in einer SAR-Einrichtung untergebracht und somit nicht inhaftiert. Anhaltspunkte dafür, dass im Falle des Klägers ausnahmsweise etwas anderes gelten könnte, liegen nicht vor. Auch dann, wenn über den Antrag eines Dublin-Rückkehrers auf internationalen Schutz in der Sache bereits (endgültig) entscheiden worden ist, kann dieser, wenn er einen Folgeantrag stellt, zunächst wieder in einer SAR-Einrichtung untergebracht werden, soweit ein entsprechender Platz vorhanden ist. Nur im Dublin-Verfahren überstellte Asylbewerber, deren Ansprüche durch eine bestands- bzw. rechtskräftige Entscheidung abgelehnt worden sind und die keinen Folgeantrag stellen, können in einer Haftanstalt festgehalten werden, aus der heraus dann die Abschiebung durchgeführt wird. Zwischen dem 1. Januar 2014 und dem 30. Oktober 2014 wurden nach Auskunft der SAR an den UNHCR 143 Asylbewerber im Dublin-Verfahren nach Bulgarien überstellt. Die Asylanträge von 7 dieser Rückkehrer waren (gerichtlich bestätigt) endgültig abgelehnt worden; diese Personen wurden in Abschiebungshaft genommen. Die restlichen Dublin-Rückkehrer wurden in SAR-Aufnahmeeinrichtungen untergebracht. Daraus ergibt sich für den Kläger, dass er, wenn er – wie im streitgegenständlichen Bescheid vorgezeichnet – im Dublin-Verfahren nach Bulgarien zurückkehrt, allenfalls nach rechts- bzw. bestandskräftigem Abschluss eines in Bulgarien erst noch einzuleitenden Asylverfahrens in Abschiebungshaft genommen werden kann. Ob dies überhaupt geschehen wird, lässt sich derzeit jedoch nicht einmal ansatzweise zuverlässig prognostizieren, so dass das Gericht schon aus diesem Grund nicht die Feststellung treffen kann, der Kläger werde im Zusammenhang mit einer Inhaftierung in Bulgarien einer erniedrigenden, unmenschlichen Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt.
91Abgesehen davon begründet die Möglichkeit, dass Asylbewerber nach bestandskräftiger Ablehnung ihres Asylgesuchs in Abschiebungshaft genommen werden, für sich genommen noch keinen systemischen Mangel des bulgarischen Asylsystems. Mit einer Anordnung von Abschiebungshaft wird nämlich das zulässige Ziel verfolgt, den Zugriff auf einen Ausländer sicherzustellen, dessen Abschiebung ohne Inhaftnahme ansonsten erschwert oder gar vereitelt würde. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. f EMRK lässt ausdrücklich zu, dass die Freiheit einer Person beschränkt wird, wenn gegen sie ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO haben die Mitgliedstaaten die Pflicht, jeden Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates stellt, zu prüfen. Dabei haben sie die durch die (hier noch geltende) Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft vom 13. Dezember 2005 (ABl. L 326, S. 13 ff., sog. Aufnahmerichtlinie) bestimmten einheitlichen Standards zu beachten. Zu diesen Mindestgarantien zählt, dass die Verwaltung mit aller gebotenen Sorgfalt die entsprechenden Erklärungen der betroffenen Person zur Kenntnis nimmt, indem sie sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls untersucht und ihre Entscheidung eingehend begründet. Die Verfahrensgarantien umfassen jedoch nicht das Recht, im Falle eines bereits negativ abgeschlossenen Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedstaat verbleiben zu dürfen und von Maßnahmen verschont zu werden, die der Durchsetzung der Ausreisepflicht dienen. Namentlich erfolgt die Inhaftnahme in einem solchen Fall nicht mehr allein deshalb, weil der Betroffene Asylbewerber ist (vgl. Art. 18 Abs. 1 der Aufnahmerichtlinie). Die Haft zum Zweck der Sicherung einer Abschiebung begründet demnach noch keinen systemischen Mangel im Sinne der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung.
92Vgl. dazu VG Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 2013 – 33 L 450.13 A, juris (Rdnr. 14 ff.).
93Soweit der Kläger unter Berufung auf eine Entscheidung des EGMR
94- Urteil vom 27. Januar 2015 – 36925/10 u.a. (Neskov u.a. ./. Bulgarien) –, HUDOC -
95sinngemäß geltend macht, dass in bulgarischen Gefängnissen menschenunwürdige und erniedrigende Zustände im Sinne von Art. 3 EMRK aufgrund von Überfüllung, unzureichenden sanitären Anlagen sowie fehlendem Ausgang herrschten, kann er auch hiermit nicht durchdringen. Die genannte Entscheidung betrifft die Verhältnisse in der Strafhaft und kann daher nicht auf den hier interessierenden Bereich der Abschiebungshaft, für die – wie dargelegt – gesonderte Haftanstalten zur Verfügung stehen, übertragen werden. Soweit in mehreren Berichten
96- vgl. Aida, National Country Report Bulgaria, April 2014, Seiten 49 ff.; Human Rights Watch, a.a.O., Seiten 39 ff. -
97auch die Verhältnisse in den bulgarischen Abschiebungshaftanstalten – u.a. aufgrund von Überbelegung und unzureichenden sanitären Anlagen – kritisiert werden, beruht dies im Schwerpunkt noch auf der Auswertung von Zahlenmaterial, Besuchen vor Ort und sonstigen Erkenntnissen aus den Jahren bis einschließlich 2013, d.h. aus einer Zeit, in der das gesamte bulgarische Asylsystem durch die (unvorhergesehen) hohe Zahl an Asylbewerbern erheblich überlastet war. Die Berichte vermögen mithin keine verlässliche Auskunft über die heutigen Verhältnisse zu geben. Der UNHCR hat in Bezug auf die Abschiebungshaftanstalten in Busmantsi und Lyubimets (SCAR) im April 2014 festgestellt, dass die Inhaftierten regelmäßig Essen bekämen und eine notwendige medizinische Versorgung sichergestellt sei; zudem bestünden (auf einfachem Niveau) Freizeitmöglichkeiten, und zwar auch auf entsprechenden Außenanlagen.
98Vgl. UNHCR, Bulgaria as a Country of Asylum, April 2014, Seite 6.
99Soweit dem bulgarischen Gesetzgeber ein Gesetzentwurf vorliegt, der eine Verschärfung des Haftrechts vorsieht, bleibt abzuwarten, ob dieser überhaupt verabschiedet werden wird. Abgesehen davon ist derzeit noch nicht absehbar, dass ein entsprechendes Gesetz zu hier relevanten systemischen Mängeln führen würde, zumal nicht erkennbar ist, dass sich die bulgarischen Behörden und Gerichte einer unionsrechtskonformen Auslegung und Anwendung der betreffenden Bestimmungen (systematisch und durchgängig) verweigern würden.
100Vgl. dazu im Einzelnen VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014 – A 11 S 1778/14 –, juris (Rdnr. 57).
101Auch für den Bereich der Abschiebungshaft nach bestandskräftiger Entscheidung im Asylverfahren sind nach alledem – zumindest derzeit – keine durchgreifenden systemischen Mängel feststellbar. Wie ausgeführt ist im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht aber ohnehin nicht hinreichend sicher, dass der Kläger in Bulgarien überhaupt von Abschiebungshaft betroffen werden wird.
102d) Schließlich greift auch der vom Kläger sinngemäß erhobene Einwand, die sozialen Aufnahmebedingungen in Bulgarien, namentlich die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern, seien mit gravierenden (systemischen) Mängeln behaftet, nicht durch.
103Die SAR verwaltet sieben Aufnahme-, Unterbringungs- und Übergangseinrichtungen (drei in Sofia, eines in der Nähe Sofias und drei im Süden Bulgariens) mit einer Gesamtaufnahmekapazität von 6.000 Personen. Am 3. November 2014 waren in diesen Einrichtungen (lediglich) 3.910 Personen (davon 2.817 Syrer) untergebracht. In den Einrichtungen der SAR sollen lediglich Asylbewerber untergebracht werden. Allerdings erlaubt die SAR die andauernde Unterbringung von 650 Einzelpersonen, denen Schutz gewährt wurde und die in diesen Einrichtungen verweilen, da sie keine sonstigen Mittel haben, um ihren Unterhalt in Bulgarien zu sichern.
104Vgl. dazu Seite 2 der Auskunft des UNHCR an das VG Minden vom 23. Dezember 2014.
105Dass sich die genannten Zahlen seit November 2014 wesentlich verändert hätten, ist nicht ersichtlich. Der Kläger wird danach im Anschluss an eine Rückkehr in die Republik Bulgarien einen Platz in einer der Aufnahmeeinrichtungen der SAR erhalten können, da deren Kapazitäten bei weitem nicht erschöpft sind.
106Auch die Bedingungen in den Aufnahmeeinrichtungen sind nicht derart defizitär, dass insoweit von systemischen Mängeln ausgegangen werden müsste. Nach der Auskunft des UNHCR vom 23. Dezember 2014 sorgt der Staat in den Aufnahmeeinrichtungen der SAR zwei Mal täglich für warme Mahlzeiten und eine medizinische Grundversorgung der Bewohner. Aufgrund einer Förderung durch den UNHCR sorgen Partnerorganisationen (Bulgarisches Rotes Kreuz, Bulgarisches Helsinki Komitee, Caritas) u.a. für soziale Dienste, rechtliche Beratung und Sprachkurse. Die in den SAR-Einrichtungen untergebrachten Dublin-Rückkehrer haben ein Recht auf dieselben Hilfe- und Dienstleistungen, die auch anderen Asylbewerbern zustehen.
107Insgesamt sind die früher bestehenden Missstände in den Aufnahmeeinrichtungen in baulicher wie auch personeller Hinsicht grundlegend angegangen und auch im Wesentlichen behoben worden. Dass die Verhältnisse in mancherlei Hinsicht nach wie vor defizitär und wenig befriedigend sein mögen, wie dies im Übrigen auch für einen nicht unerheblichen Teil der einheimischen Bevölkerung der Fall ist, rechtfertigt allein nicht die Annahme, dass sie generell nicht mehr menschenwürdegemäß wären. Dass die Qualität der Nahrung in den Aufnahmeeinrichtungen möglicherweise immer wieder zu wünschen übrig lässt, kann, solange dieses keine gesundheitlich bedenkliche Mangelernährung zur Folge hat, nicht als systemische Schwachstelle, geschweige denn als eine nicht menschenwürdegemäße Schlechtbehandlung angesehen werden. Angesichts der erreichten Verbesserungen in den Aufnahmeeinrichtungen ist – jedenfalls derzeit bei nicht dramatisch steigenden Zahlen von Antragstellern – nicht damit zu rechnen, dass das bulgarische Aufnahmesystem (wie in der Vergangenheit) wieder kollabieren wird und die Asylsuchenden daher die Zentren erneut „auf eigenen Wunsch“ verlassen, damit aber auch keine Unterstützung mehr erhalten. Dies gilt umso mehr, als die derzeit wieder (moderat) ansteigenden Flüchtlingszahlen das Land nicht mehr, wie noch im Jahr 2013, unvorbereitet und ohne Hilfe der Europäischen Union treffen.
108Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014– A 11 S 1778/14 –, juris (Rdnr. 49 ff.).
109Allerdings sieht der UNHCR in seiner Auskunft vom 23. Dezember 2014 nach wie vor erhebliche Defizite des bulgarischen Asylsystems in Bezug auf besonders schutzbedürftige Personen, zu denen vor allem Familien mit Säuglingen und Kleinkindern, unbegleitete Minderjährige und psychisch Kranke gehören.
110Vgl. zu diesem Aspekt auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014 – A 11 S 1778/14 –, juris (Rdnr. 49, 51 ff.).
111Das Gericht lässt offen, ob sich aus den entsprechenden Defiziten systemische Mängel des bulgarischen Asylsystems ergeben. Selbst wenn dies der Fall wäre, könnte der Kläger hieraus nichts für sich herleiten, weil er nicht zum Kreis der besonders schutzbedürftigen Personen im vorstehend genannten Sinne zählt. Für Alleinstehende und Paare ohne Kinder lassen sich entsprechende Mängel in der Regel – so auch hier – nicht feststellen.
112Soweit überdies in Bulgarien erhebliche Defizite bei der Versorgung anerkannter Schutzberechtigter bestehen mögen
113- vgl. dazu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014– A 11 S 1778/14 –, juris (Rdnr. 59) -,
114ist der Kläger hiervon – bei seinem derzeitigen Status – ebenfalls nicht betroffen.
1157. Auch dann, wenn man davon ausginge, dass unabhängig vom Vorliegen systemischer Mängel für jeden Einzelfall zu prüfen wäre, ob eine Verletzung des Art. 4 GR-Charta bzw. des Art. 3 EMRK vorliegt
116- in diesem Sinne etwa EGMR, Urteil vom 4. November 2014 – 29217/12 (Tarakhel ./. Schweiz) –, HUDOC (Rdnr. 104), und United Kingdom Supreme Court, Urteil vom 19. Februar 2014 – EM (Eritrea) and others v the Secretary of the State for the Home Department, [2014] UKSC 12 (Rdnr. 42 bis 64), jeweils zu Überstellungen nach Italien -,
117würde dies nicht zur Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Regelung nach § 27a AsylVfG führen. Denn es ist angesichts der Erkenntnisse zum bulgarischen Asylsystem (vgl. dazu vorstehend 6.) nicht erkennbar, dass der Kläger Gefahr liefe, im Anschluss an eine Rücküberstellung nach Bulgarien – ggf. auch unabhängig vom Fehlen systemischer Schwachstellen des dortigen Asylsystems – einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden.
1188. Ist demnach Bulgarien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig und macht das Bundesamt – wie hier – auch nicht von seinem Recht zum Selbsteintritt (Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO) Gebrauch, so hat weder das Bundesamt noch das Gericht im vorliegenden Verfahren zu prüfen, ob einer Abschiebung des Klägers nach Mali Abschiebungsverbote entgegenstehen. Diese Prüfung obliegt gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO allein den zuständigen bulgarischen Behörden. Sieht sich der Kläger durch deren Entscheidung in seinen Rechten verletzt, muss er in Bulgarien um Rechtschutz nachsuchen.
119II. Die in dem streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes vom 26. Juni 2014 enthaltene Abschiebungsanordnung ist ebenfalls rechtmäßig. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG bestimmt, dass dann, wenn ein Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat abgeschoben werden soll, das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat anordnet, sobald feststeht dass sie durchgeführt werden kann.
120Danach ist die Anordnung der Abschiebung des Klägers nach Bulgarien rechtlich nicht zu beanstanden. Die Republik Bulgarien ist – wie bereits unter I. dargelegt – für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig. Die Abschiebung kann auch durchgeführt werden. Ihr stehen weder tatsächliche noch rechtliche Hindernisse entgegen. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf zielstaatsbezogene, sondern auch in Bezug auf inlandsbezogene Abschiebungshindernisse (§ 60a Abs. 2 AufenthG) einschließlich sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebender Ansprüche auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, die im Rahmen des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ebenfalls vom Bundesamt zu prüfen sind.
121Vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 – 2 B 215/14 –, juris (Rdnr. 7); OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2011 – 18 B 1060/11 –, juris (Rdnr. 4); VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011– A 11 S 1523/11 –, InfAuslR 2011, 310, juris (Rdnr. 3) sowie BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 732/14 –, juris (Rdnr. 11).
122Im Falle des Klägers vermag das erkennende Gericht vor allem kein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG i.V.m. Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK festzustellen. Namentlich folgt ein solches nicht aus dem Umstand, dass der Kläger nach eigenem Bekunden mit Frau E. -G. verheiratet ist und sich diese in Deutschland aufhält. Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die jeweils zuständige Behörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die bestehenden familiären Bindungen des den Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen.
123Vgl. dazu etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Januar 2006– 2 BvR 1935/05 –, juris (Rdnr. 16).
124Nach Lage der Akten besteht vorliegend jedoch keine Gefahr einer (dauerhaften) Familientrennung, da nicht nur der Kläger, sondern auch seine Ehefrau zur Durchführung der beantragten Asylverfahren nach Bulgarien zu überstellen sein wird. Dies ergibt sich für Frau E. -G1. , sollte sie wirklich die Ehefrau des Klägers sein, jedenfalls aus Art. 11 Buchst. b) Dublin-III-VO; insoweit wird auf die vorstehend unter I. 2. b). angestellten Erwägungen Bezug genommen. Darüber hinaus ist, selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass eine unter den Schutz von Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK fallende Bindung besteht, nicht ersichtlich, dass ihm eine vorübergehende Trennung von seiner Ehefrau unzumutbar wäre, zumal die Eheleute auch bereits in Deutschland unterschiedlichen Städten zugewiesen sind und somit derzeit an getrennten Orten leben, ohne dass – soweit ersichtlich – ernsthafte Bemühungen unternommen worden wären, diesen Zustand zu ändern. Weiter ist mit Blick auf das vom Kläger geltend gemachte Asylbegehren zu berücksichtigen, dass ein erhebliches Interesse der Bundesrepublik Deutschland daran besteht, sich an dem gemeinsamen europäischen Asylsystem zu beteiligen, das eine anhand von einheitlichen Zuständigkeitskriterien erfolgende Verteilung von Asylbewerbern vorsieht. Kommt es einem Ausländer darauf an, ein Asylverfahren zu durchlaufen, so muss er hierbei angesichts des gemeinsamen europäischen Asylsystems grundsätzlich auch in Kauf nehmen, dass das Asylverfahren in einem anderen, hierfür zuständigen Mitgliedstaat durchgeführt wird. Das ist jedenfalls dann nicht völlig unzumutbar, wenn die Trennung von dem Ehegatten nicht von Dauer, sondern nur vorübergehend sein wird. Eben dies ist hier der Fall. Wie ausgeführt hat nach Lage der Akten auch die (angebliche) Ehefrau des Klägers kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet, sondern ist ebenso wie der Kläger nach Bulgarien zu überstellen. Vor diesem Hintergrund ist, soweit nicht ohnehin eine gemeinsame Überstellung nach Bulgarien erfolgen wird, allenfalls eine kurzzeitige (weitere) Trennung zu befürchten. Dass eine solche dem Kläger unzumutbar sein würde, ist derzeit nicht ersichtlich
125- ebenso in einem ähnlich gelagerten Fall: VG München, Beschluss vom 5. Mai 2014 – M 11 S 14.50165 –, juris (Rdnr. 30) -.
126Ebenso wenig ist erkennbar, dass eine dauerhafte Trennung des Klägers von seiner Ehefrau mit Blick darauf in Betracht käme, dass diese möglicherweise – wie im Termin zur mündlichen Verhandlung geltend gemacht worden ist – psychische Probleme hat und deshalb behandelt wird. Dass die Ehefrau des Klägers aufgrund dieses Umstands längerfristig oder gar dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland verbleiben müsste und damit bei Überstellung allein des Klägers nach Bulgarien eine unzumutbare Trennung drohte, kann das Gericht nicht feststellen, zumal der (auch Frau E. -G. vertretende) Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt hat, kein aussagekräftiges Attest vorlegen zu können, so dass sich das Gericht mangels eines entsprechenden Ansatzpunktes auch nicht veranlasst sieht, von Amts wegen Ermittlungen zum Gesundheitszustand der Ehefrau des Klägers anzustellen.
127C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Hinweis auf die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens folgt aus § 83 b AsylVfG.
128Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 30. Juni 2014 - A 7 K 880/14 - geändert, soweit es der Klage stattgegeben hat.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1 000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro.
(2) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.