Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 19. Feb. 2014 - A 6 K 139/12

bei uns veröffentlicht am19.02.2014

Tenor

Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass hinsichtlich einer Abschiebung des Klägers nach Indien ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK vorliegt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger und die Beklagte tragen jeweils die Hälfte der Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein indischer Staatsangehöriger, der der Gemeinschaft der Sikh angehört, reiste 1993 ins Bundesgebiet ein. Mit Bescheid vom 22.06.1993 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge seinen Antrag auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG (alte Fassung) nicht vorliegen. Zugleich wurde ihm die Abschiebung nach Indien angedroht.
Dieser Ablehnungsbescheid wurde vom Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 18.08.1995 aufgehoben. Das Bundesamt wurde verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG beim Kläger vorliegen. In der Urteilsbegründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, aufgrund von ärztlichen Attesten und der Angaben des Klägers stehe fest, dass er seinerzeit vor der Ausreise in Indien als Mitglied der Organisation Babbar Khalsa, der er seit 1985 angehöre, von den indischen Sicherheitsbehörden schwer gefoltert worden sei. Hier im Exil sei er auch Generalsekretär der Babbar Khalsa Exilorganisation für das Bundesland Bayern. Mit der Anwendung der Folter als Verfolgungsmittel habe der indische Staat die Grenzen einer der reinen Terrorismusabwehr und Kriminalverfolgung dienenden einfachen Kriminalverfolgung überschritten und, weil Folter gegenüber militanten Sikhs besonders hart angewandt werde, infolge dieses sogenannten Politmalus die Grenzen zur politischen Verfolgung überschritten. Aufgrund dieses Hintergrunds und auch vor dem Hintergrund der exilpolitischen Aktivitäten des Klägers drohe ihm im Falle einer Rückkehr nach Indien dort erneut Folter und entsprechende Verfolgung. Der Kläger sei Leiter der Propagandaarbeit der Organisation Babbar Khalsa im Bundesgebiet und seit 1995 auch Generalsekretär der Babbar Khalsa International für die Zone Bayern. Der Asylausschlussgrund des Terrorismus könne ihm nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht entgegen gehalten werden. Glaubhaften Angaben zufolge habe er selbst nie Gewalt angewendet oder terroristische Aktionen unterstützt. Sowohl im Heimatland als auch in Deutschland sei er lediglich in ideologisch-propagandistischer Weise für die Belange der Sikhs und einen eigenständigen Staat „Khalistan“ eingetreten. Die bloße Bekundung von Sympathie, einseitige Parteinahme, das Werben um Verständnis für die politischen Ziele oder vergleichbare, auf die Beeinflussung der öffentlichen Meinung ausgerichteten Verhaltensweisen seien aber nicht geeignet, den Asylanspruch auszuschließen. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 22.06.1993 sei daher rechtswidrig, verletze den Kläger in seinen Rechten und sei daher aufzuheben.
Aufgrund dieses rechtskräftig gewordenen Urteils erkannte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 21.09.1995 den Kläger als Asylberechtigten an und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
Aufgrund einer Prüfanfrage des Innenministeriums Baden-Württemberg leitete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 01.02.2008 die Prüfung eines Widerrufsverfahrens wegen Vorliegen von Ausschlussgründen nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG ein. Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach sei der Kläger Generalsekretär der Babbar Khalsa für Bayern gewesen. Nach den nun vorliegenden Informationen sei er aber zwischen 1998 und 2003 nunmehr auch der Propagandasekretär auf Bundesebene der Babbar Khalsa International geworden und aktiv gewesen. Bei dieser Organisation handele es sich nach der Liste der Europäischen Union zur Bekämpfung des Terrorismus, die aufgrund des Beschlusses des Rates der Europäischen Union vom 29. Mai 2006 aufgestellt worden sei, um eine terroristische Organisation. Nach dem Gutachten des Südasieninstituts vom 26.04.2004 sei die Babbar Khalsa International eine Auslandsorganisation, die Propaganda für die Organisation treibe, Gelder für Babbar Khalsa einwerbe und dieser auch durch Erpressung und Anwerbung neuer Rekruten diene. Es handele sich somit um eine aktive Unterstützung terroristischer Aktivitäten. Der Kläger agiere damit i.S. von § 60 Abs. 8 Satz 2 3.Altern. AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG im Rahmen einer Organisation gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen. Gründe nach § 73 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG seien nicht ersichtlich. Im Widerrufsverfahren teilte das Bundesamt für Verfassungsschutz dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 01.08.2007 (BAS 8 ff) mit, in welcher Form der Kläger nach offiziellen Meldungen, Verlautbarungen und Berichterstattungen im Bundesgebiet für Babbar Khalsa in Erscheinung getreten sei. Ferner findet sich ein Schreiben des Landeskriminalamts Baden-Württemberg an das Innenministerium in der Akte vom 14.06.2006, wonach der Kläger vom Amtsgericht Lörrach wegen einer gefährlichen Körperverletzung, die er am 14.11.2002 begangen hatte, zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung mit einer zweijährigen Bewährungsfrist verurteilt worden war. Ferner fand am 30.01.2007 in... . am Wohnsitz des Klägers ein mehrstündiges Sicherheitsgespräch mit dem Kläger statt, in dem er unter Beteiligung der Ausländerbehörde..., der Polizeidirektion..., des Regierungspräsidiums..., des Landesamts für Verfassungsschutz umfassend zu seinen Aktivitäten für Babbar Khalsa und seinen Einstellungen zu den Zielen und Methoden der Organisation befragt wurde (BAS 15-75).
Mit Schreiben vom 07.02.2008 wurde der Kläger zu dem beabsichtigten Widerruf der Feststellungen zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG angehört. Dabei wurde auf das Gutachten des Südasieninstituts von 2004 über die Ziele und Methoden der Organisation Babbar Khalsa International Bezug genommen sowie darauf, dass der Kläger als Generalsekretär von Babbar Khalsa International in Bayern und Propagandasekretär auf Bundesebene aktiv sei, sowie auf das Sicherheitsgespräch vom 30.01.2007. Aus all dem ergebe sich, dass er aktiv terroristische Aktivitäten unterstütze und mithin den Ausschlussgrund der Zuwiderhandlung gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen verwirkliche. Nach Aktenlage könne er die Rückkehr in das Heimatland auch nicht aus zwingenden Gründen, die auf früheren Verfolgungen beruhten, ablehnen. Dem Kläger-Vertreter, der sich seinerzeit im Februar 2008 für den Kläger im Widerrufsverfahren meldete, wurde Akteneinsicht gewährt. Der Kläger-Vertreter wies darauf hin, dass dem Kläger im Falle einer Rückkehr nach Indien dort akute Lebensgefahr drohe (BAS 84). In seiner Stellungnahme vom 28.04.2008 (BAS 86) wies der Kläger-Vertreter darauf hin, der Kläger habe im Sicherheitsgespräch vom 30.01.2007 wiederholt klargestellt, dass er jede Gewalt ablehne und sich nicht an gewalttätigen Auseinandersetzungen beteilige. Er sei mithin kein Unterstützer des Terrorismus. Im Inland begehe die Babbar Khalsa auch keine Straftaten oder terroristische Straftaten. Es sei auch bis zum heutigen Tage unklar, weshalb die Babbar Khalsa-Organisation von der EU auf die Terrorismusliste gesetzt worden sei. Andere Organisationen, wie etwa die Hisbollah im Libanon befänden sich hingegen nicht auf der Liste, obwohl sie vielfältig durch Terrorakte in Erscheinung getreten seien. Soweit im Schreiben des Bundesamts für Verfassungsschutz u.a. eine Nachricht wiedergegeben wurde, wonach der Kläger persönlich als Drahtzieher eines Sprengstoffanschlags auf zwei Kinos in Neu Delhi im Mai 2005 verantwortlich gemacht werde, handele es sich offenbar um eine gezielte Fehlinformation seitens des indischen Geheimdienstes. Bezeichnend sei, dass ein Rechtshilfeersuchen der indischen Justiz gleichwohl bisher nicht gestellt worden sei. Im Falle seiner Rückkehr drohe ihm in Indien Folter und Tod. Deswegen müsse zumindest für den Kläger der Abschiebungsschutz nach § 60 AufenthG weiterhin aufrecht erhalten werden. Im Übrigen wies der Kläger-Vertreter, der seit vielen Jahren hochrangige Mitglieder der Sikh-Exilszene in Deutschland vertritt, auf eine lange Liste von Anerkennungsbescheiden bezüglich dieses Personenkreises und darauf hin, dass bislang von diesen keiner seiner Asylanerkennung bzw. Flüchtlingsanerkennung widerrufen bekommen habe. Der Kläger-Vertreter legte insoweit ein Schreiben der Shiromani Akali Dal aus Amritsar vom 11.04.2008 (BAS 101) vor, mit dem diese Organisation an den Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland schreibt, dass der Kläger von indischen Behörden fälschlicherweise der Beteiligung an einem Bombenattentat auf ein Kino in Delhi bezichtigt werde. Die Organisation verwies ferner darauf, dass ein Sikh, der 1995 von Deutschland nach Indien abgeschoben worden sei, trotz einer Zusage Indiens, dessen Leben nicht zu gefährden, nachträglich zum Tode verurteilt und in die Todeszelle geschickt worden sei. Der Bruder des Klägers sei im Übrigen gefoltert und eingesperrt worden, weil er eben der Bruder des Klägers sei. Dies zeige, dass der Kläger gefährdet sei.
Das Auswärtige Amt nahm in einem Schreiben vom 02.10.2008 an das Bundesamt dazu Stellung (BAS 102 ff) und führte aus, dass der Kläger des Bombenanschlags auf ein Kino in Neu Delhi im Mai 2005 von den indischen Behörden bezichtigt werde und diese deshalb gegen ihn ermittelten. Gerichtsverwertbare Beweise für seine Teilnahme lägen jedoch derzeit nicht vor. Die vom Bundesamt im Bezugsschreiben vom 31.03.2008 dargestellten Erkenntnisse zu den Familienverhältnissen des Klägers in Bezug auf einen gewissen ...Singh, dem Anführer der Organisation Babbar Khalsa, der sich vermutlich in Pakistan aufhalte, könnten bestätigt werden. Die Babbar Khalsa sei nach einem Beschluss des Rates der EU eine terroristische Organisation und sei auch in Indien als solche verboten. Sippenhaft sei in der indischen Rechtsordnung nicht bekannt. Indien sei ein strategischer Partner der Bundesrepublik und werde grundsätzlich als Demokratie- und auch als Rechtsstaat betrachtet, gleichwohl kämen Menschenrechtsverletzungen bedingt durch Tradition, Größe und Entwicklungsstand des Landes immer wieder vor, gerade in ländlichen Gebieten. Indien gehe, da die Terrorgefahr hier seit Langem Alltag sei, gegen Terroristen und Unterstützer von Terroristen mit großer Entschiedenheit vor. Eine menschenrechtswidrige Behandlung folge allerdings notwendig weder aus einem rein politischen Engagement für die Babbar Khalsa International, noch aus dem weiteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens gegen den Betroffenen.
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 12.05.2010 wurde der Kläger gestützt auf § 54 Nr. 5 AufenthG wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ausgewiesen. Der gegen die Ausweisungsverfügung, die für sofort vollziehbar erklärt worden war, vom Kläger gestellte Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 22.07.2010 (5 K 977/10 - siehe beigezogene Gerichtsakte) abgelehnt. Der Kläger sei nicht nur einfaches Mitglied der Babbar Khalsa International, sondern seit Jahren auch im Bundesvorstand in der Position des Propagandasekretärs und des Pressesprechers tätig. Die terroristischen Aktivitäten der Organisation habe er im Sicherheitsgespräch gebilligt und auch eingeräumt, dass er in Deutschland Spendengelder für die Organisation vereinnahme. Zudem habe er sich in den letzten Jahren mindestens sechs Mal für längere Zeit in Pakistan aufgehalten. Die Befugnis zur Ausweisung sei auch nicht verwirkt. Zwar sei dem Kläger nach Abschluss des Asylverfahrens eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt worden, obwohl er schon im Asylverfahren eine mindestens zweijährige Tätigkeit im Exil als Leiter der Propagandaabteilung von Babbar Khalsa angegeben habe, er habe dann aber in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre seine Unterstützungshandlungen für die Babbar Khalsa erheblich intensiviert und nachhaltig Spenden eingetrieben. In diesem Zusammenhang sei er sogar wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung verurteilt worden.
Die dagegen vom Kläger erhobene Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Beschluss vom 21.09.2010 - 11 S 1906/10 - zurück. Mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts habe sich die Beschwerdebegründung in keiner Weise substantiiert auseinandergesetzt. Soweit der Antragsteller sich darauf berufe, er habe klargestellt, dass er nicht gegen die deutschen Gesetze handeln wolle, sei zu beachten, dass bloße unverbindliche Erklärungen für sich allein genommen nicht geeignet seien, eine festgestellte Unterstützung terroristischer Bestrebungen zu relativieren. Vor dem Hintergrund der vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen jahrelangen führenden Aktivitäten des Klägers für Babbar Khalsa im Exil, also für eine militante Sikh-Organisation, die bis in die jüngste Vergangenheit hinein für zahlreiche schwere Attentate in Indien verantwortlich gemacht werde, genüge es nicht, wenn der Kläger lediglich vortrage, er wolle nicht gegen deutsche Gesetze handeln, sondern nur im Einklang mit ihnen für seine politische Überzeugung eintreten. Im Übrigen lasse sich der mit der Beschwerdebegründung vorgelegten persönlichen Erklärung des Antragstellers und auch seinen Äußerungen in dem Sicherheitsgespräch inhaltlich eine klare Absage an die Anwendung von Gewalt nicht entnehmen. Seine Äußerungen deuteten vielmehr darauf hin, dass er meine, die Sikhs befänden sich gegenüber den Hindus in einer allgemeinen Notwehrsituation, welche generell, also auch außerhalb einer konkreten Selbstverteidigungslage. jegliche Gewaltanwendung rechtfertige. Auch soweit der Kläger darauf Bezug nehme, dass Babbar Khalsa keine Gewalttaten in Europa begehe und es deshalb an einer Gefahr für deutsche Interessen fehle, sei dem nicht zu folgen. Er übersehe, dass es für die Anwendung des § 54 Nr. 5 AufenthG unbeachtlich sei, ob eine Terrororganisation Anschläge in Deutschland oder im Ausland begehe, denn der international organisierte Terrorismus stelle immer auch eine latente Bedrohung der Bundesrepublik dar.
Aufgrund der persönlichen Anhörung des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.02.2011 wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom selben Tage im Verfahren 5 K 976/10 (siehe beigezogene Gerichtsakten) die Klage des Klägers gegen die Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Freiburg ab. Aufgrund der Äußerungen und Stellungnahmen des Klägers und auch seiner Angaben im Termin zur mündlichen Verhandlung (siehe dazu das Sitzungsprotokoll Gas 87-97 der beigezogenen Gerichtsakte 5 K 976/10) sei nicht davon auszugehen, dass der Kläger den Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 nicht verwirklicht habe. Im Gegenteil, er versuche bis heute seine langjährige Unterstützung für Babbar Khalsa zu verharmlosen und herunterzuspielen. Ein nachhaltiges Abwenden von seiner über 20 Jahre dauernden Unterstützungstätigkeit sei nicht dargetan. Selbst die rechtskräftig festgestellte Straftat (Gewaltanwendung bei Spendeneintreibung), deretwegen das Amtsgericht Lörrach den Kläger verurteilt habe, habe dieser schlichtweg bestritten. Er habe immer erst auf nachhaltigen Vorhalt seine Tätigkeiten für die Babbar Khalsa im Einzelnen eingeräumt. Der herunterspielende Vortrag des Klägers gipfle schließlich in der Angabe, er wisse gar nicht, was Babbar Khalsa mache. Das sei angesichts seiner Vorgeschichte abwegig. Sein Vortrag, er sei grundsätzlich gegen Gewalt, sei als Lippenbekenntnis anzusehen. Das Urteil wurde dem Kläger-Vertreter am 11.02.2011 zugestellt und, nach dem Kläger keinen Antrag auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil gestellt hatte, am 19.03.2011 rechtskräftig.
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Bezugnehmend auf dieses Urteil des Verwaltungsgerichts zur Ausweisung teilte das Bundesamt mit Schreiben vom 07.10.2011 dem Kläger-Vertreter mit, es komme nunmehr auch ein Widerruf gestützt auf § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG in Betracht. Der Klägervertreter nahm dazu mit Schreiben vom 18.10.2011 Stellung (BAS 119) und führte aus, § 60 Abs. 8 S. 1 AufenthG sei nicht einschlägig. Der Kläger habe sich jahrzehntelang im Bundesgebiet aufgehalten ohne eine Gefahr für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Bundesrepublik darzustellen. Die Anschuldigungen des indischen Geheimdienstes entbehrten jeder Grundlage. Es wäre im Übrigen mehr als paradox, wenn die Aktivitäten des Klägers, die seinerzeit zur Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter durch das VG Ansbach geführt hätten, nunmehr als Begründung für einen Ausschluss von der Asylanerkennung dienen sollten. An alldem änderten auch die Ausführungen des VG Freiburg im Ausweisungsverfahren nichts. Denn § 54 Nr. 5 AufenthG habe einen ganz anderen Schutzbereich als § 60 Abs. 8 S. 1 AufenthG. Der Kläger habe sich während all der Jahre im Bundesgebiet einwandfrei geführt. Im Übrigen drohe ihm bei Abschiebung nach Indien Foltergefahr. Das Bundesamt möge diesbezüglich Auskünfte von amnesty international oder dem Auswärtigen Amt einholen, wenn es daran Zweifel. Es dürfe keinen Menschen sehenden Auges einer solchen Gefahr aussetzen, denn das sei rechtstaatswidrig.
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Nach ihm gewährte Akteneinsicht teilte der Klägervertreter ferner am 09.11.2011 mit, er habe seiner Stellungnahme vom 18.10.2011 nichts weiter hinzu zu fügen.
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Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 29.12.2012 widerrief das Bundesamt die mit Bescheid vom 21.9.1995 getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (a.F.) vorliegen (Ziff. 1 des Bescheids) und stellte zugleich fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen (Ziff. 2 des Bescheids).
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Zur Begründung verwies es auf § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG, wonach die Feststellung zu § 51 Abs. 1 AuslG unverzüglich zu widerrufen sei, wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorlägen, wofür es auch genüge, wenn nachträglich Ausschlussgründe eingetreten seien. Hier lägen Ausschlussgründe nach § 60 Abs. 8 S. 1 AufenthG aber auch nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG vor. Der Kläger sei aus schwerwiegenden Gründen als Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik anzusehen. Nach dem Urteil des VG Freiburg sei die Babbar Khalsa eine militante Sikh-Organisation, die unabhängig von ihrer Auflistung auf der EU-Terrorismusliste bis in jüngste Zeit für zahlreiche schwere Attentate in Indien verantwortlich sei. Gewaltanschläge oder Drohungen ausländischer Terrororganisationen gefährdeten aber auch die inneres Sicherheit der Bundesrepublik. Der Kläger habe im Sicherheitsgespräch zu erkennen gegeben, dass er Gewalt als gerechtfertigt ansehen. Sein Hinweis auf Wohlverhalten im Bundesgebiet könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass Babbar Khalsa die Bundesrepublik als Ruhe- und Rückzugsraum nutze und er sich deshalb nur aus Organisationsdisziplin als ungefährlich darstelle. Auch wenn § 54 Nr. 5 AufenthG und § 60 Abs. 8 S. 1 AufenthG unterschiedliche Anwendungsbereich hätten, stehe doch nach dem Urteil des VG Freiburg fest, dass der Kläger seine Rolle zu verharmlosen suche, obwohl er mit hohen Geldbeträgen diese unterstützt habe und deshalb als latente Gefahr für die Bundesrepublik anzusehen sei. Der Hinweis auf langjähriges Wohlverhalten greife nicht, denn dieses beruhe auf lediglich taktischem Kalkül. Er habe sich aber nach wie vor nicht von der Terrororganisation distanziert, wie seine Angeben beim VG Freiburg im Ausweisungsverfahren zeigten. Wegen seiner fortdauernden Einbindung in die Organisation sei auch die nach § 60 Abs. 8 S. 1 AufenthG erforderliche Wiederholungsgefahr gegeben.
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Zudem habe er den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt und damit den Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG verwirklicht. Nach dem Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz 2010 und einem Gutachten des Südasien Instituts für das VG Gelsenkirchen vom 26.04.2004 sei die Babbar Kahlsa International eine militante Sikh-Organisation, die Gelder unter anderem durch Erpressung eintreibe und neue Rekruten anwerbe. Für diese Organisation, die ein selbständiges Khalistan auch mit terroristischen Mitteln anstrebe sei der Kläger langjährig als hoher Funktionär tätig gewesen und habe sie auch mit erheblichen Geldzuwendungen unterstützt und damit terroristische Aktionen unterstützt. Auf das Vorliegen einer Widerholungsgefahr komme es hier nach der Rechtsprechung des EuGH (v. 9.11.2010 - C 57/09) nicht an.
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Nach § 30 Abs. 4 AsylVfG sei ein Asylantrag, der auch die Flüchtlingseigenschaft umfasse, als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn - wie im vorliegenden Fall - Ausschlussgründe vorlägen. Nach Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes sei wegen der teilweisen Erweiterung des Schutzumfangs des früheren § 51 Abs. 1 AuslG a.F. durch den diesen ablösenden § 60 Abs. 1 AufenthG im Widerrufsverfahren erstmalig über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG zu entscheiden. Die Ermächtigung dazu ergebe sich aus einer analogen Anwendung der §§ 24 Abs. 2, 31 Abs. 2 S. 1, 31 Abs. 3 S. 1, 32, 39 Abs. 2 und 73 Abs. 1 - 3 AsylVfG. Im vorliegenden Fall komme es auf einen erweiterten Schutzumfang des § 60 Abs. 1 AufenthG aber gar nicht an, weil ja Ausschlussgründe vorlägen.
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Am 27.01.2012 hat der Kläger dagegen Klage beim Verwaltungsgericht Freiburg erhoben.
17 
Er legt zur Begründung eine Meldung der Media Punjab -German News vom 20.03.2011 nebst deutschsprachiger Übersetzung vor, wonach der Kläger am 18.03.2011 von seinen Ämtern bei Babbar Khalsa International Deutschland zurückgetreten sei und seit dem Jahr 2011 kein Verbindungen mehr mit der Partei habe und alle Pressagenturen bitte, seinen Namen nicht zu erwähnen (GAS 11 - 15). Diese. Zusätzlich legte er ein von ihm unterzeichnete, in deutscher Sprache abgefasstes und vom 18.03.2011 datierendes Schreiben an den Präsidenten von Babbar Khalsa International Deutschland vor, in dem er diesen um Bestätigung der fristgerechten Kündigung seiner Mitgliedschaft und seiner Vorstandstätigkeit mit Wirkung zum 18.03.2011 bittet (GAS 67). Dazu legte er ferner ein in deutscher Sprache abgefasstes, vom Präsidenten der Vereinigung stammendes und unterzeichnetes, vom 20.03.2011 datierendes Schreiben vor, in dem ihm dieser die Kündigung bestätigt, für die langjährige Mitarbeit dankt und alles Gute wünscht (GAS 69).
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 29.12.2011 aufzuheben,
und - hilfsweise - die Beklagte zu verpflichten, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder Abs. 7 S. 1 AufenthG vorliegt.
20 
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
22 
Sie nimmt Bezug auf die Begründung des angefochtenen Bescheids.
23 
Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist der Kläger vom Gericht zu den Gründen seines Austritts aus der Organisation und zur Begründung seiner Klage angehört worden. Auf die hierzu angefertigte Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
24 
Im Übrigen wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten auf den Inhalt der Gerichtsakte (1 Heft), der Akten der Beklagten (1 Heft), sowie der beigezogenen Akten des Gerichts (VG Freiburg, 5 K 977/10 und 5 K 976/10) Bezug genommen, die ebenso zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden, wie die Gerichts- und Behördenakten zum zeitgleich verhandelten Parallelverfahren (A 6 K 900/12 - betr. Widerruf der Asylanerkennung), hier insbesondere die Akten der Beklagten zur ursprünglichen Asylanerkennung des Klägers im damaligen Verfahren von 1995.

Entscheidungsgründe

 
25 
Die zulässige Klage ist in dem im Tenor genannten Umfang begründet. Insoweit ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, da er Anspruch auf eine positive Feststellung der Beklagten zum Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG hat (§ 113 Abs. 5 VwGO).
26 
Im Übrigen ist die Klage unbegründet und insoweit abzuweisen. Der Widerruf der im damaligen Anerkennungsbescheid vom 21.09.1995 enthaltenen positiven Feststellungen zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (a.F.) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
27 
1. Widerruf der Feststellung zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 AuslG
28 
Nach § 73 Abs. 1 AsylVfG ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (bzw. vormals die positive Feststellung zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F.) unter anderem dann zwingend zu widerrufen, wenn der Betroffene nach der Anerkennung Ausschlussgründe nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AsylVfG verwirklicht hat (BVerwG, U. v. 31.03.2011 - 10 C 2/10 -, juris, Rd.Nrn. 20 und 43). Das setzt im Anschluss an das Urteil des EuGH vom 09.11.2010 - Rs. C-57/09 -, NVwZ 2011, 285) eine gegenwärtige Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder die Allgemeinheit ebenso wenig voraus, wie eine auf den Einzelfall bezogene Verhältnismäßigkeitsprüfung. Insofern nämlich genügt es bei diesem Ausschlussgrund, dass der Betreffende gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen gehandelt „hat“, weil er sich bereits damit des Flüchtlingsschutzes als „unwürdig“ erwiesen hat. Terroristische Aktivitäten laufen den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider. Der Ausschlussgrund kann auch von Personen begangen werden, die keine Machtposition in einem ihrer Mitgliedsstaaten innehaben. Entscheidend ist aber, dass ihnen eine individuelle Verantwortung für solches Handeln zugerechnet werden kann (BVerwG, U. v. 07.07.2011 - 10 C 26/10). Die individuelle Zurechnung von Terrorakten ist dabei nicht erforderlich. Für das Zuwiderhandeln gegen Ziele der Vereinten Nationen ist außerdem nicht erforderlich, dass der Betreffende eine räumlich-organisatorische Nähe innerhalb der Organisation zur Ausführung terroristischer Taten oder ihrer Rechtfertigung in der Öffentlichkeit hat. Vielmehr genügen für den Ausschluss als asylunwürdig vom Status des „bona fide refugee“ gewichtige ideologische und propagandistische Aktivitäten, da auch „Schreibtischtäter“ und „Propagandisten“ nach dem Normzweck des Ausschlussgrundes nicht privilegiert werden sollen. Werben, ideologisch Schulen, aber auch Kulturaktivitäten, die den ideologischen Zusammenhalt fördern, genügen für einen Ausschluss (so zuletzt BVerwG, Urt. v. 19.11.2013 - 10 C 26/12 -, juris, Rd.Nrn. 16 ff).
29 
Diese Voraussetzungen für den Widerruf der Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sind im Fall des Klägers hier erfüllt.
30 
Dabei steht die Rechtskraft des Urteils des VG Ansbach, mit dem die Beklagte seinerzeit zur positiven Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG verpflichtet wurde, im vorliegenden Fall der Widerrufsentscheidung nicht nach § 121 Nr. 1 VwGO entgegen. Insoweit haben sich hier nämlich nach dem Urteil des VG Ansbach vom 18.8.1995 die dafür entscheidungserheblichen Sachverhalte nachträglich maßgeblich verändert (zur Zulässigkeit des Widerrufs trotz rechtskräftigen Verpflichtungsurteils in diesem Fall BVerwG, U. v. 22.11.2011 - 10 C 29/10 -, juris, Rd.Nrn. 16, 17).
31 
Hier hatte der Kläger zwar schon zum Zeitpunkt der Entscheidung des VG Ansbach eine Funktionärsposition für die Babbar Khalsa International Deutschland inne. Damals beschränkten sich aber seine Aktivitäten nach den Feststellungen des VG Ansbach auf propagandistische Handlungen, einseitige Sympathiebekundungen, und ähnliche Handlungen, die nach dem Urteil dieses Verwaltungsgerichts noch nicht die Schwelle zum Asylausschlussgrund des von der Rechtsprechung zu Art. 16 a Abs. 1 GG entwickelten „Terrorismusvorbehalts“ überschritten.
32 
Wie aber bereits die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts und auch der Verwaltungsgerichtshof in der entsprechenden Beschwerdeentscheidung im Ausweisungsverfahren festgestellt haben, hat der Kläger „seit Mitte der 1990er Jahre seine Aktivitäten demgegenüber deutlich intensiviert und gesteigert“. Von daher kann er nicht geltend machen, ihm würden nunmehr paradoxerweise Aktivitäten als Grundlage für einen Ausschluss von der gewährten Flüchtlingsanerkennung angelastet, die er so auch schon seinerzeit an den Tag gelegt habe ohne dass dies seiner damaligen Anerkennung entgegengestanden habe. Denn er war seither nicht nur nunmehr auch auf Bundesebene Vorstandsmitglieder der Babbar Khalsa International, also in einer führenden Funktion tätig, sondern hat in dieser Funktion auch Geldspenden für die Organisation in beachtlichem Ausmaß beschafft und sich insbesondere dabei selbst gewalttätig verhalten, als er einen Landsmann zusammen mit drei anderen Sikhs in diesem Zusammenhang wegen Geldspenden mit gefährlicher Körperverletzung, Drohung und Nötigung drangsaliert, wofür er rechtskräftig verurteilt wurde. Schon deshalb kann im Übrigen keine Rede davon sein, er habe sich in der Bundesrepublik jahrelang „wohlverhalten“. Seine Aktivitäten waren als hochrangig, langandauernd (über eine Jahrzehnt hinweg mindestens bis 2011) und selbst unter anderem auch zumindest einmal nachgewiesenermaßen gewalttätig. Außerdem hat der sowohl in dem Sicherheitsgespräch als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht im Ausweisungsverfahren noch bis Februar 2011 erkennen lassen, dass er durchaus separatistische Gewalthandlungen seiner Organisation billigt und für gerechtfertigt hält, wenn sie der gerechten Sache der Sikhs und einem freien Khalistan dienen. Die Babbar Khalsa International steht zudem - nach wie vor - auf der Terrorismusliste der EU (Beschl. des Rats der Europäischen Union v. 10.02.2014 - „014/72/GASP - ABl. L 40/56). Das ist - auch wenn dieser Liste im vorliegenden Fall keine Bindungswirkung für die Beklagte und ihre Entscheidung zukommen dürfte - zumindest ein Indiz dafür, dass es sich um eine terroristische Organisation handelt, zumal mittlerweile auch Möglichkeiten für solche Organisationen existieren, sich mit Rechtsmitteln vor dem EuGH gegen die Aufnahme auf einer solchen Liste zur Wehr zu setzen (vgl. dazu GK-AufenthG, Rd.Nr. 277, 278 zu § 60 AufenthG), von denen aber die Babbar Khalsa International bislang keinen Gebrauch gemacht hat. Die terroristischen Umtriebe der Babbar Khalsa ergeben sich zudem nicht allein aus ihrer Auflistung auf der Terrorismusliste, sondern schon unabhängig davon aus den vom Bundesamt im angefochtenen Bescheid genannten Erkenntnismitteln (Südasieninstitut, Bundesamt für Verfassungsschutz). Im Übrigen wird auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs im Ausweisungsverfahren mit den entsprechenden Feststellungen zum terroristischen Charakter dieser Organisation verwiesen, sowie auf die ausführliche Entscheidung des VGH Bad.-Württ. (U. v. 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris) zu der mit Babbar Khalsa kooperierenden International Sikh Youth Federation (ISYF). Auch in der übrigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte wird Babbar Khalsa entsprechend als terroristische militante Sikh Organisation eingestuft (vgl. VG Gelsenkirchen, U. v. 07.09.2004 - 14 K 79/03.A -, juris; VG Mainz, U. v. 27.04.2005 - 7 K 755/04. MZ-, juris; VG Darmstadt, U. v. 23.01.2009 - 5 K 386/08.-DA -, juris; alle diese Entscheidungen enthalten ausführliche Darstellungen der Erkenntnisquellen zu Babbar Khalsa).
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All das genügt an sich bereits für die Verwirklichung des Ausschlussgrundes nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AsylVfG.
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Auf eine Wiederholungsgefahr als solche kommt es nach dem oben Gesagten dabei nicht an. Von daher könnte an sich sogar völlig offenbleiben, ob der Kläger seit seinem Austritt aus der Organisation im März 2011 bis heute überhaupt jemals wieder aktiv war oder Kontakt mit dieser Organisation hatte. Auf die von ihm angeregte Einholung einer aktuellen Auskunft des Landeskriminalamtes und des Landesamtes für Verfassungsschutz kommt es deshalb gar nicht an, wie sie die Ausländerbehörde im Rahmen der Prüfung seines Antrags auf nachträglich Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung Ende 2013 wohl in die Wege geleitet hat.
35 
Der Widerruf wäre hier aber selbst dann rechtmäßig, wenn man auf eine Wiederholungsgefahr abstellen wollte, wie sie in dem insoweit strengeren Ausweisungsrecht gefordert wird, bzw. selbst wenn man der Ansicht wäre, dass eine einschränkende Auslegung des Ausschlussgrundes des § 3 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 AsylVfG dann angezeigt sein kann, wenn es sich bei der Terrorismusunterstützung um sehr lange zurückliegende Taten oder gar „Jugendsünden“ handelt bzw. ein Minimum an Aktualität der Taten fordert. Denn selbst dann wäre in jedem Fall ein glaubwürdige und ernsthafte deutliche aktuelle Distanzierung von diesen Unterstützungshandlungen deshalb notwendig, weil nur dann keine Wiederholungsgefahr mehr angenommen werden kann bzw. dann von einer aktuell fortbestehenden Asylunwürdigkeit wegen eines den Vereinten Nationen und ihren Grundsätzen zuwiderlaufenden Verhaltens womöglich keine Rede mehr sein könnte (siehe zu einer solchen womöglich einschränkenden Anwendung dieses Ausschlussgrundes VGH Bad.-Württ., Urt. v. 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris, Rd.Nr. 68, 69; siehe im Übrigen ausführlich zu solchen den Ausschlussgrund einschränkenden Erwägungen GK AufenthG, Rd.Nrn. 260 - 262 m.w.N.).
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Dafür aber ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich. Es kann dahin gestellt bleiben, ob der Kläger tatsächlich drei Jahre lang keinerlei Aktivitäten mehr für die Babbar Khalsa International an den Tag gelegt hat. Denn selbst wenn dies so zuträfe, würde dies an seiner Asylunwürdigkeit, die er durch das Zuwiderhandeln gegen die Ziele der vereinten Nationen begründet hat, nichts ändern. Das Gericht ist nämlich nach ausführlicher Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung insbesondere zu den Gründen und Motiven seines Austritts aus dieser Vereinigung nicht der Überzeugung, dass dem ein ernsthafter Gesinnungswandel oder gar eine ernsthafte innere Abkehr von den Zielen dieser Vereinigung und eine glaubwürdige Distanzierung von den Unterstützungshandlungen des Klägers zugrunde liegt.
37 
Schon die vom Kläger erstmals mit der Klagebegründung vom 26.01.2012 vorgelegte Meldung der Media Punjab - German News vom 20.03.2011 (GAS 11) beinhaltet lediglich, dass der Kläger am 18.03.2011 noch in seiner Funktion als Pressesprecher und Amtssekretär der Babbar Khalsa International Deutschland die Medien informierte und erklärte, dass er „seit 2011“ von seinen beiden Ämtern zurück tritt. Seit diesem Jahr bestehe keine Verbindung zwischen ihm und der Partei und deren Aktivitäten. Er bitte deshalb alle Presseagenturen, seinen Namen von Parteiaktivitäten und Meldungen darüber auszuschließen. Er habe seit diesem Jahr keinerlei Beziehungen mehr, weder eine Position noch sonst etwas. Und sein Name solle in keiner Form benutzt werden.
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Bereits der Inhalt dieser Meldung zeigt, dass der Kläger hier jedenfalls noch bis zur Abgabe dieser Erklärung offenbar das Amt als Pressesprecher und Amtssekretär inne hatte. Soweit er darin angibt, „seit 2011“, nämlich seit dem Jahr 2011 keinerlei Beziehungen mehr zur Partei zu haben und seine Ämter niedergelegt zu haben, widerspricht dies sogar auch seinen Angaben, die er in der mündlichen Verhandlung bezüglich seiner Ausweisung vor dem Verwaltungsgericht Freiburg am 11.02.2011, also nur wenige Wochen zuvor, eindeutig gemacht hat. Dort hat er nämlich klar angegeben, er sei zur Zeit noch Office Secretary der Vereinigung. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liege darin, Mitglieder in Deutschland anzurufen und Kundgebungen oder Programme zu organisieren (siehe GAS 83 ff der beigezogenen Gerichtsakten 5 K 976/10). Es kann also schon nicht davon die Rede sein, dass der Kläger „im Jahr 2011“ gar keine Aktivitäten oder Funktionen mehr für die Babbar Khalsa International in Deutschland ausgeübt habe. Denn wenige Wochen zuvor hat er genau das Gegenteil erklärt.
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Im Übrigen fällt auf, dass die Meldung über den Austritt des Klägers aus der Partei offenbar allein darauf abzielt, ihn aus dem Fokus internationalen Interesses oder indischer Strafverfolgungsbehörden oder sonstiger Strafverfolgungsbehörden zu rücken. Denn auffälligerweise wird mehrfach erwähnt, man möge seinen Namen nicht mehr erwähnen. Irgendwelche Gründe für seinen Parteiaustritt hat er ausweislich dieser Meldung auch nicht dargelegt oder angegeben. Für eine innere Abkehr und einen Gesinnungswandel ist jedenfalls dieser Meldung nichts zu entnehmen.
40 
Soweit der Kläger dann mit Schreiben vom 14.02.2012 im vorliegenden Verfahren erklärt hat, er habe bereits vor fast einem Jahr seine Mitgliedschaft und Aktivität aufgegeben, also weit vor Erlass der streitgegenständlichen Widerrufsverfügung eingestellt, fällt auf, dass der Kläger davon bisher erstaunlicherweise während des gesamten Widerrufsverfahren mit keinem Wort etwas erwähnt hat. Obwohl er sogar im vorliegenden Widerrufsverfahren ausdrücklich noch einmal von der Beklagtenseite mit Schreiben vom 07.10.2011 an den Kläger-Vertreter unter Hinweis auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg im Ausweisungsverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt bekam, hat er seinerzeit dazu nichts ausgeführt und insbesondere seine bereits im März 2011 angeblich vollständige Beendigung aller Kontakte und Aktivitäten für Babbar Khalsa mit keinem Wort erwähnt. In seiner Stellungnahme vom 18.10.2011 hat er nichts dazu geäußert und auch in der späteren Stellungnahme vom 09.11.2011 hat er dieser Stellungnahme erklärtermaßen nichts hinzuzufügen gehabt. Wäre er aber bereits ein halbes Jahr zuvor, wie nunmehr vorgetragen, eindeutig und unwiderruflich von allen Ämtern bei Babbar Khalsa zurückgetreten und hätte einen deutlichen Gesinnungswandel an den Tag gelegt, so hätte nichts näher gelegen, als speziell darauf bezogen diese Austrittserklärung bzw. den Umstand dieses Austritts und die entsprechenden Pressemeldungen dazu dem Bundesamt im Widerrufsverfahren vorzulegen, um darauf gestützt die Einstufung als asylunwürdig zu erschüttern und zu versuchen, einen Widerruf abzuwenden. Das hätte umso näher gelegen, als der Kläger vom Verwaltungsgericht im Urteil zu seiner Ausweisung sogar ausdrücklich bescheinigt bekommen hatte, seine angeblich gewandelte Einstellung zur Gewalt sei ein bloßes Lippenbekenntnis. Gegen dieses Urteil ist er aber nicht mit Rechtsmitteln vorgegangen, obwohl er in der noch laufenden Rechtsmittelfrist gerade seinen angeblichen vollständigen Austritt und den Abbruch aller Beziehungen zu Babbar Khalsa bewerkstelligt hatte, worauf gestützt er ohne weiteres hätte versuchen können, einen Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil beim Verwaltungsgerichtshof mit der Begründung einzureichen, er habe nun deutlich gemacht, dass es sich nicht um ein bloßes Lippenbekenntnis handele, und dass er es ernst meine und deshalb aus allen Ämtern ausgeschieden sei. Obwohl ihn der Kläger-Vertreter seinerzeit innerhalb der laufenden Rechtsmittelfrist ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass er die Möglichkeit eines Rechtsmittels habe und darum gebeten hatte, dem Kläger-Vertreter mitzuteilen, ob dagegen Rechtsmittel eingelegt werden solle, hat der Kläger seinem Kläger-Vertreter offenbar überhaupt nichts von dem damals ganz aktuellen Austritt bei Babbar Khalsa mitgeteilt, was nahegelegen hätte und sei es nur, um dem Kläger-Vertreter die Prüfung zu ermöglichen, ob darauf gestützt die Berufung gegen das die Ausweisung bestätigende Urteil des Verwaltungsgerichts nicht hätte versucht werden können.
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Auffällig ist auch, dass die vom Kläger vorgelegte Kündigung und deren Bestätigung (Schreiben vom 18.03.2011 des Klägers an die Babbar Khalsa Organisation und deren Präsidenten bzw. Antwort des Präsidenten der Organisation vom 20.03.2011, GAS 67 u. 69) in deutscher Sprache abgefasst sind, obwohl kaum anzunehmen ist, dass der Kläger und der Präsident in dieser ihnen wohl kaum wirklich ausreichend geläufigen Sprache miteinander kommunizieren. Hier hätte vielmehr näher gelegen, dass er in seiner Muttersprache eine solche Erklärung abgibt und empfängt. Als Übersetzung muttersprachlicher Schreiben sind jedenfalls diese beiden vorgelegten Schriftstücke nicht bezeichnet worden und entsprechende muttersprachliche Originale sind auch nicht vorgelegt worden. Dieser Umstand aber zeigt, dass hier eine lediglich zur Kenntnisnahme durch die deutschen Behörden und Gerichte bestimmte Erklärung demonstrativ, nämlich allein zum Zweck des Vorzeigens bestimmt, produziert wurde.
42 
Schließlich enthält die Erklärung auch keinerlei Begründung, wies es etwa nahe gelegen hätte, wenn der Kläger tatsächlich, so wie er es nunmehr in der mündlichen Verhandlung behauptet hat, aus familiären Gründen und um sich weiteren Streit mit Behörden und Gerichten zu ersparen, nach Jahrzehnten aktiver umfassender und hochrangiger Unterstützung für die Organisation auf einmal alle seine Ämter niedergelegt hätte. Dazu findet sich aber in der Erklärung nichts.
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Zudem spricht auch das gesamte Verhalten des Klägers in der mündlichen Verhandlung in keiner Weise dafür, dass er hier eine deutliche innere Abkehr von seinem bisherigen Verhalten an den Tag gelegt hat. Irgendeine nachvollziehbare Motivation für einen angeblichen fundamentalen Gesinnungswandel war dem Kläger trotz mehrfacher gezielter Nachfragen nicht zu entlocken. Er hat hier sehr einsilbig und ganz stereotyp immer wieder nur darauf Bezug genommen, er habe mehr Zeit für seine Familie gebraucht, ohne dass er allerdings dann konkret darlegen konnte, weshalb er in den letzten Jahren etwa infolge seiner Berufstätigkeit oder Tätigkeit für die Organisation nur wenig bis gar keine Zeit für seine Familie gehabt haben sollte. Dass er als Feldarbeiter in ...rund um die Uhr beruflich eingespannt ist und allenfalls am Sonntag mal Zeit hat, ist schon nicht recht nachvollziehbar. Auch dass er jede freie Minute für Parteitätigkeiten aufgewendet hätte und deshalb hätte seine Familie vernachlässigen müssen, lässt sich dem gesamten Akteninhalt nicht nachvollziehbar entnehmen. Er selbst hat beim Verwaltungsgericht im Verfahren bezüglich seiner Ausweisung aber auch im vorliegenden Verfahren eher abschwächend darauf verwiesen, seine Presse- und Propagandasekretärstätigkeit sei relativ unbedeutend gewesen und habe deutlich im Umfang abgenommen, und er habe lediglich ein paar wenige Male im Jahre an bestimmten Veranstaltungen teilgenommen. Zu einem Konflikt mit seinem Familienleben konnte es insofern also gar nicht ernsthaft gekommen sein. Dieser Grund kann also letzten Endes nicht wirklich ausschlaggebend für den Abbruch seiner Beziehungen zur Babbar Khalsa-Organisation gewesen sein, wie er ihn nunmehr in den Vordergrund stellt.
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Auch soweit er darauf Bezug nimmt, er habe sich „Stress mit Behörden und Gerichten“ ersparen wollen und seine Ruhe haben wollen, zeigt dies lediglich, dass er sich die mit den Widerrufs- und Ausweisungsverfahren verbundenen Nachteile und insbesondere auch die mit der wöchentlichen Meldepflicht, wie er sie nach der rechtskräftigen Ausweisungsverfügung zu befolgen hat, verbundenen Nachteile und Erschwernisse schlichtweg ersparen bzw. vom Hals schaffen möchte. Einen inneren Einstellungswandel und eine Abkehr von seinen früheren Zielen und Tätigkeiten stellt dies indessen gerade nicht dar. Wer lediglich Nachteile vermeiden möchte, der agiert ganz offensichtlich allein taktisch, ohne dass dem ein sonstiger Einstellungswandel zugrunde liegt. Ein wirklich anerkennungswürdiges Motiv für einen Austritt könnte insoweit allenfalls dann vorliegen, wenn der Kläger sich ernsthaft mit seinem bisherigen Verhalten beschäftigt hat, erkannt hat, was daran falsch ist, und glaubhaft darlegt, weshalb er nun mehr der Ansicht ist, dass er diesen Weg nicht weitergehen möchte. Wer hierzu lediglich vorträgt, die mit dem Verhalten verbundenen Nachteile bei Behörden und Gerichten seien ihm lästig und bereiteten ihm Stress, lässt einen solchen Einstellungswandel nicht erkennen. Von Einsicht kann insoweit nicht die Rede sein, sondern allenfalls davon, sich damit einem Druck zu beugen. Das aber genügt nicht für eine glaubhaft Distanzierung, um die durch die bisherigen Handlungen dokumentierte Unwürdigkeit „aus der Welt zu schaffen“.
45 
Dass der Kläger mit seinen Parteifreunden und langjährigen Parteikollegen überhaupt nicht über die Gründe seines Austritt gesprochen haben will, dass ihn niemand dazu befragt hat und dass es insoweit auch keine Kritik daran oder einen Rechtfertigungsdruck gegeben hat, wie der Kläger es nunmehr in der mündlichen Verhandlung darzustellen versuchte, vermag ihm das Gericht nicht abzunehmen. Wer jahrzehntelang in der Weise aktiv für eine Organisation war und sich ihr vollständig verschrieben hat und dafür in Indien sogar Folter erleiden musste, wie dies der Kläger ganz offenkundig getan hat, der tritt nicht einfach von heute auf morgen ohne Angabe von Gründen aus und wird von seinen Parteifreunden auch nicht ohne jede Kritik oder Frage nach den Motiven einfach gehen gelassen. In solchen Organisationen dürfte vielmehr der Regelfall sein, dass einem solchen Menschen, gerade weil er jahrzehntelang auch Insider-Kenntnisse gesammelt hat, womöglich gar Verrat vorgeworfen und Konsequenzen angedroht worden. Dafür war dem gesamten Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung überhaupt nichts zu entnehmen.
46 
Vollends unglaubwürdig werden die Aussagen und das Verhalten des Klägers, wenn man seine Antworten zu dem Inhalt des Parteiemblems berücksichtigt. Obwohl die Babbar Khalsa International-Germany offenbar schon seit Jahrzehnten in ihrem Logo an auffälliger exponierter Stelle zwei gekreuzte Sturmgewehre oder Langwaffen aufweist, (siehe GAS 69, siehe aber auch schon Bundesamtsakte aus dem Asylanerkennungsverfahren von 1993 - dort AS 135) gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf Vorhalt allen Ernstes an, er wisse nicht, was das bedeute, er könne dazu nichts sagen, er habe dazu keinerlei Meinung und sich auch noch nie mit seinen Parteikollegen darüber unterhalten. Vor dem Hintergrund, dass er im Sicherheitsgespräch ganz offenkundig keine Probleme damit hatte, dass die Sikhs sich gegenüber vermeintlichem Unrecht, das ihnen durch die indischen Behörden zugefügt wird, für berechtigt halten, auch gewaltsam zurückzuschlagen, erscheint es aber nur stimmig, dass im Emblem der Partei an exponierter Stelle auch zwei gekreuzte Gewehre dargestellt werden, die ganz symbolhaft eindeutig und sinnbildlich in den Vordergrund rücken, dass man sich hier auch einem bewaffneten Kampf verpflichtet sieht. Dafür verspricht auch die militärische Terminologie, mit der die Babbar Khalsa International ihre Führungsspitze selbst bezeichnet („High Command“; „Oberkommando“; siehe dazu BAS 145 bei der Erstanhörung des Klägers durch das Bundesamt am 23.03.1995, wo er selbst ausführt, er sei in Deutschland im „High Command“ Propagandasekretär, und siehe BAS. 136 aus dem Asylanerkennungsverfahren, wo auch dieser Begriff in einer Punjabi-sprachigen Zeitschrift Punjab Times International vom 22.02.1995 bezogen auf die Führungsspitze der Babbar Khalsa mehrfach verwendet wird).
47 
Wenn der Kläger sich dann aber in der mündlichen Verhandlung auf eine derart klare Frage zur Verwendung eines aggressive Gewaltbereitschaft betonenden Parteilogos schlichtweg „dumm stellt“, dann kann von einem Einstellungswandel gegenüber solcher Gewalt nicht abgeneigten Tätigkeit dieser Organisation keine Rede sein. Im Gegenteil, es zeigt vielmehr, dass der Kläger, indem er sich möglichst bedeckt hält und einsilbige Antworten gibt, gerade seine inneren Beweggründe zu verschleiern sucht.
48 
Nach allem nützt es nichts, dass der Kläger hier betont, sein Austritt aus der Partei, den er förmlich vollzogen haben mag, und seine bislang dreijährige Untätigkeit für die Partei belege, dass er sich die mit dem Ausweisungs- und Widerrufsverfahren verbundenen Nachteile gewissermaßen habe „zur Warnung dienen lassen“.
49 
Zum Fehlen glaubwürdiger Distanzierung in Fällen von Ausländern, die einer terroristischen Bestrebung Vorschub leisteten, hat auch die Verwaltungsrechtsprechung ähnliche Ausführungen gemacht (siehe etwa VG Düsseldorf, Urt. v. 07.12.2010 - 22 K 3115/09 - juris, Rd.Nr. 31, wonach eine wirkliche inhaltliche Auseinandersetzung mit der Frage und den Konsequenzen oder eine Distanzierung von den Zielsetzungen und Aktivitäten erforderlich ist; siehe insoweit auch BVerwG, Urt. v. 26.10.2010 - 1 C 19/09 -, juris, Rd.Nr. 24, 28, wonach selbst dann, wenn der Kläger seit fünf Jahren keine Bezüge und Verbindungen mehr zu einer Organisation hat, eine widerlegliche Vermutung dafür spricht, dass das bloß verbale Bestreiten eines Bezugs zu dieser Organisation für die glaubhafte Distanzierung von der Organisation und ihren terroristischen Zielen nicht genügt, insbesondere dann, wenn dies womöglich nur unter dem Druck eines anhängigen Widerrufs oder Ausweisungsverfahrens geschieht; vgl. ferner VG Darmstadt, Urt. v. 23.01.2009 - 5 K 386/08 - DA (3) - juris, Rd.Nr. 42 u. Rd.Nr. 70, wonach ein früheres Vorstandsmitglied der deutschen Sektion von Babbar Khalsa International ohne nachvollziehbar Distanzierung von den Zielen der Vereinigung nicht eingebürgert werden kann und der bloße Austritt aus dieser Vereinigung für eine solche Distanzierung nicht ausreicht. Insbesondere reichte ein Austritt nicht aus, wenn der Betreffende kurz vor seinem Austritt noch ein Funktionärsamt ausgeübt hatte. Außerdem müssen für eine Umorientierung und eine Art innerer Umkehr tatsächlich nachvollziehbare Schlüsselerlebnisse und Anlässe geschildert werden. Bloß vorgeschobene Erklärungen genügen insofern nicht. Es bedarf eine inneren Prozesses der Abkehr. Die Erklärung darf nicht einfach als taktisches Manöver zu werten sein; siehe schließlich VG Stuttgart, Urt. v. 06.06.2005 - A 4 K 10512/05 - juris).
50 
Der Widerrufsentscheidung des Bundesamtes und ihrer Rechtmäßigkeit steht hier auch nicht entgegen, dass der Kläger seinerzeit vor der Ausreise bereits massive Foltermaßnahmen seitens der indischen Sicherheitskräfte erlitten hat. Insbesondere ergibt sich hieraus nicht eine Anwendbarkeit der Vorschrift des § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG. Danach kann einem Ausländer der Wegfall der verfolgungsbegründenden Umstände dann nicht als Widerrufsgrund entgegen gehalten werden, wenn er sich auf zwingende, auf frühere Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann, um die Rückkehr in den Staat abzulehnen. Diese Vorschrift gilt aber nur bezüglich des § 73 Abs. 1 Satz 2. Dieser regelt, dass ein Widerruf insbesondere dann erfolgen kann, wenn die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling bzw. Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft „nicht mehr vorliegen“ und dass dies insbesondere dann der Fall ist, wenn der Ausländer nach Wegfall der verfolgungsbegründenden Umstände es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Gemeint sind hier also Widerrufsfälle, die allein darauf gründen, dass nun nach neuer aktueller Sachlage keine Verfolgungsgefahren mehr bei Rückkehr in den Heimatstaat drohen, wie sie ursprünglich der Anerkennung als Flüchtling bzw. Asylanerkennung noch zugrunde gelegen haben. Im vorliegenden Fall aber stützt sich der Widerruf nicht auf eine solche Konstellation. Vielmehr gründet er allein darauf, dass trotz noch fortbestehender Verfolgungsgefahr in Indien für den Kläger nachträglich nach seiner Anerkennung Ausschlussgründe wegen Asylunwürdigkeit bzw. flüchtlingsrechtlicher Unwürdigkeit aufgetreten sind, die zumindest dem Widerruf des Flüchtlingsstatus und Asylstatus rechtfertigen. In einem solchen Fall aber ist damit noch nichts über ein Abschiebungsverbot und drohende Verfolgungsgefahr als solche gesagt. Den besonderen Schutz des § 73 Abs. 1 Satz 3 bedarf nämlich nur jemand, der zwar in sein Heimatland zurück abgeschoben werden könnte, weil er dort nun wirklich nicht mehr objektiv einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt ist, dem aber eine Rückkehr dorthin schlichtweg deswegen psychisch nicht mehr zumutbar ist, weil er infolge früherer Verfolgungen, die er erlitten hat, schwerst traumatisiert ist. Ein Beispiel dafür wäre etwa ein Jude, der ein deutsches KZ überlebt hat, und dem eine Rückkehr nach Deutschland aus einem Exilland wegen der ihn belastenden Erinnerungen und Traumatisierung nicht zumutbar wäre, auch wenn er heute in Deutschland keinerlei Verfolgung mehr ausgesetzt wäre. Um einen solchen Fall geht es hier aber nicht.
51 
2. Feststellungen des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 AufenthG.
52 
Der angefochtene Widerrufsbescheid ist aber rechtswidrig und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten, als er keine positive Feststellung zum Vorliegen des Abschiebungsverbots des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK bezüglich einer Abschiebung des Klägers nach Indien enthält.
53 
Das Bundesamt hätte im Zusammenhang mit der Widerrufsentscheidung von Amts wegen darüber befinden müssen, ob dem Kläger, nachdem ihm die positive Feststellung zum Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 51 Abs. 1 AuslG a.F. entzogen worden ist, zumindest ein von Ausschlussgründen unabhängiger Abschiebungsschutz wegen ihm in Indien bei Rückkehr dorthin drohender Foltergefahr zu gewähren ist. Nach der Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides ergab sich dies zwar nicht unmittelbar aus dem Asylverfahrensgesetz, jedoch eindeutig aus der damaligen Rechtsprechung, die analog zu den sonstigen Vorschriften im Asylverfahrensgesetz, die bei Rücknahme oder Verzicht auf einen Asylantrag eine Einstellungsentscheidung des Bundesamtes gekoppelt mit einer Prüfung solch eines Abschiebungsverbots regelt, auch für den Fall des Widerrufs eine solche von Amts wegen zu treffende Prüfung von Abschiebungsverboten vorsah (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 20.04.1999 - 9 C 29/98 -, juris, unter Verweis auf Urt. v. 27.02.1996 - 9 C 145.95 -, juris). Das Bundesverwaltungsgericht begründete eine entsprechende Verpflichtung aus einer Rechtsanalogie zu den Regelungen in §§ 24 Abs. 2, 31 Abs. 2 Satz 1, 31 Abs. 3 Satz 1 und 32 sowie 39 Abs. 2 AsylVfG. Diesen Vorschriften lasse sich als gemeinsamer Leitgedanke entnehmen, dass in Verfahren der Schutzgewährung für Ausländer, die politische Verfolgung geltend machten, eine umfassende Entscheidung ergehen solle, die alle Arten des Schutzes vor zielstaatsbezogenen Gefahren einbezieht. Namentlich nach Beendigung eines Asylverfahrens solle nicht offen bleiben, ob und in welcher Form dem Ausländer Abschiebungsschutz zu gewähren sei. Auch der hessische Verwaltungsgerichtshof hat in jüngster Zeit in diesem Sinne entschieden, dass im Falle des Widerrufs einer Asylanerkennung wie auch des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (vormals § 51 Abs. 1 AuslG a.F.) das Bundesamt nach § 60 Abs. 2 - 5 und Abs. 7 AufenthG über das Vorliegen von Abschiebungsverboten entscheiden muss (Hess. VGH, Urt. v. 10.08.2011 - 6 A 95/10.a - juris, Rd.Nr. 24).
54 
Nach heutiger Rechtslage (siehe AsylVfG i.d.F. der Novellierung vom 28.08.2013 - BGBl. I S. 3474, gültig ab 01.12.2013), die im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) zu beachten ist, wird das Bundesamt durch § 73 Abs. 3 in seiner neuen Fassung nunmehr sogar ausdrücklich verpflichtet, bei Widerruf oder Rücknahme der Anerkennung als Asylberechtigter oder der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für den subsidiären Schutz oder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen.
55 
Eine solche Entscheidung hat das Bundesamt hier nicht getroffen, obwohl der Kläger-Vertreter im Widerrufsverfahren sogar mehrfach darauf hingewiesen hat, dass dem Kläger auf jeden Fall ein Abschiebungsverbot wegen ihm in Indien nach Rückkehr dort auch aktuell noch drohender Folter und Lebensgefahr zur Seite stehe.
56 
Da das Bundesamt auch im Termin zur mündlichen Verhandlung trotz der entsprechenden Antragstellung und Erweiterung des bisher auf die Anfechtung der Widerrufsentscheidung beschränkten Klageantrags (zur Zulässigkeit einer solcher Klageerweiterung bei Einwilligung der Beteiligten siehe § 91 VwGO den Kläger nicht etwa durch eine positive Entscheidung zum Vorliegen des Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 5 AufenthG klaglos gestellt hat, besteht auch ein Rechtsschutzinteresse für eine entsprechende Verpflichtungsklage auf positive Feststellung.
57 
Der Sache nach hat der Kläger auch einen Anspruch auf eine solche Feststellung durch das Bundesamt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
58 
Die drohende Foltergefahr ergibt sich für den Kläger im vorliegenden Fall schon daraus, dass er, wie das Verwaltungsgericht Ansbach im ursprünglichen Anerkennungsverfahren eindeutig aufgrund ärztlicher Atteste festgestellt hat, vor seiner Ausreise aus Indien nach Deutschland schwerste Foltermaßnahmen durch die indischen Sicherheitsbehörden erlitten hat. In einem solchen Fall kommt ihm bezüglich des nationalen Abschiebungsverbots, wie es in § 60 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 EMRK formuliert ist, bei der Gefahrenprognose zwar nicht die lediglich für die Gefährdungen nach § 4 AsylVfG und die dort verankerten europarechtlichen Abhebungshindernisse geltende Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der EU-Qualifikationsrichtlinie (zul. i.d.F. v. 13.12.2011 - Richtlinie 2011/95/EU -) zugute, dass eine Verfolgungswiederholung schon dann anzunehmen ist, wenn das Bundesamt nicht mit stichhaltigen Gründen beweisen kann, dass der Betreffende vor einer erneuten Verfolgungshandlung sicher ist. Auch ein sogenannter herabgestufter Gefahrenmaßstab, wie er sonst im Asylrecht für Vorverfolgte entwickelt wurde, mag in solchen Fällen nicht direkt anwendbar sein (siehe zur entsprechenden Rechtsprechung GK-Ausländerrecht, Ktr., Stand Dezember 2000, § 93 ff zu § 53 AuslG a.F.). Gleichwohl ist in jedem Fall die vom Kläger bereits in der Vergangenheit seitens indischer Sicherheitskräfte erlittene Folter bei der Prognose einer Wiederholungsgefahr ein nicht zu vernachlässigender Umstand. Denn dies zeigt, dass der Kläger nicht nur den indischen Sicherheitsbehörden einmal in ganz handgreiflicher Weise bekannt geworden und zum Opfer gefallen ist, sondern auch, dass er von dortiger Seite keine Gnade zu erwarten hat. Da der Kläger ausweislich der Medienmeldungen über ihn im Internet, wie sie im Termin zur mündlichen Verhandlung aber auch sonst in den entsprechenden Medien dargelegt wurden, mehrfach namentlich benannt wurde und als führender Kopf der Babbar Khalsa International-Bewegung in Deutschland in seiner Rolle als Propagandasekretär auch dem Interesse der indischen Sicherheitsbehörden nicht entgangen sein kann, ist sogar mit Sicherheit anzunehmen, dass er im Falle einer Rückkehr nach Indien dort erneut unter Folter zu seinen Exilaktivitäten und seine Verwicklungen in die Tätigkeiten dieser terroristischen Organisation „befragt“ werden wird. Das gilt schon deshalb, weil auch nach den aktuellen Lageberichten des Auswärtigen Amtes Folter in indischen Polizeigefängnissen „an der Tagesordnung ist“. Indien hat zwar die Antifolterkonvention der UN unterzeichnet, aber niemals ratifiziert und unternimmt nur hier und da halbherzige Schritte, diese abzuschaffen. Im Alltag ist Folter aber in Indien weit verbreitet, ohne dass Polizisten deswegen befürchten müssten, belangt zu werden (siehe Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 13.08.2012, dort S. 21). Nach diesem Lagebericht wird nach zuverlässigen Angaben der Asia Pazific Youth Federation Folter systematisch von der Polizei als Mittel der Befragung eingesetzt oder auch zur summarischen Bestrafung vermeintlicher Täter angewendet. Das geht bis hin zu Todesfällen von Häftlingen. Insbesondere in den Bundesstaaten Jammu und Kaschmir, aber auch sonst in Krisengebieten, zu denen der Punjab zweifellos zählt, besteht eine systematische Folterpraxis.
59 
Vor diesem Hintergrund hat die Rechtsprechung der deutschen Verwaltungsgerichte nahezu einhellig in Fällen, wie dem des Klägers, nämlich bei exilpolitisch aktiven Funktionären der Khalistan-Bewegung für den Fall der Rückkehr nach Indien eine konkret drohende Foltergefahr bejaht bzw. ist dies bereits vom Bundesamt in solchen Fällen entsprechend festgestellt worden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 21.04.2010 - 11 S 290/10 - Rd.Nr. 5, wonach das Verwaltungsgericht Sigmaringen mit Urteil vom 26.05.2006 - A 1 K 10241/05 - eine Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 AufenhtG bezüglich einer Abschiebung nach Indien für einen Vorstandsangehörigen der Untergrundorganisation International Sikh-Youth-Feteration - ISYF - feststellte; siehe ferner zu einem ISYF-Mitglied auch VG Ansbach, Urt. v. 01.04.2010 - A N 5 K 09.01429 - juris zu einer entsprechenden Feststellung des Bundesamtes zum Vorliegen des Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 AufenthG - juris Rd.Nr. 20; siehe ferner BVerfG, Beschl. v. 04.02.2008 - 2 BvR 214/08, wonach sich aus Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG eine Pflicht zur sorgfältigen Prüfung einer Mitgliedern von Babbar Khalsa im Falle einer Abschiebung nach Indien als Terrorverdächtigen dort drohenden Foltergefahr ergibt; siehe VG Gelsenkirchen, Urt. v. 07.09.2004 - 14 AK 19 K 79/03.A -, juris, Rd.Nr. 22, wonach Mitgliedern von Babbar Khalsa International aufgrund des hochrangigen Aktivitätsprofils im Ausland im Falle der Rückkehr Verhaftungen und mit hinreichender Verfolgungswahrscheinlichkeit auch Folter als gängige Polizeipraxis in Indien droht, siehe auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 01.08.1996 - A 12 S 2456/94 -, juris, wonach einem besonders exponiert exilpolitisch tätigen Mitglied der ISYF wegen seines publizistischen Einsatzes für die Khalistan-Bewegung bei Rückkehr nach Indien Folter droht und dort im Rahmen der Terrorismusbekämpfung mit intensiven Verhören und Foltern in verschärfter Form gerechnet werden muss; siehe VG Sigmaringen, Urt. v. 08.12.2009 - 1 K 2126/07 -, juris, zu einer positiven Verpflichtung des Bundesamtes zu einer Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 AufenthG, welche im entschiedenen Fall bereits mit Bescheid des Bundesamts vom 19.07.2006 festgestellt worden war; siehe schließlich VG Mainz, Urt. v. 27.04.2005 - 7 K 755/04.MZ - juris, wonach ein Sikh, der sich in Deutschland der Babbar Khalsa International angeschlossen hat und als stellvertretender Generalsekretär der Gruppe West ein Funktionärsamt inne hatte, im Falle der Abschiebung nach Indien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr läuft, der Folter unterworfen zu werden - juris, Rd.Nr. 31).
60 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1. Da der Kläger teils verliert, teils obsiegt, sind die Kosten des Verfahrens zwischen den Beteiligten zu halbieren. Das Abschiebungsverbot, das dem Kläger zumindest mit dem Status eines Geduldeten einen weiteren Aufenthalt in Deutschland ermöglicht, ist im vorliegenden Fall für ihn genauso bedeutsam, wie die Beibehaltung des Flüchtlingsstatus.
61 
Das Verfahren ist gem. §§ 83 b AsylVfG gerichtskostenfrei.

Gründe

 
25 
Die zulässige Klage ist in dem im Tenor genannten Umfang begründet. Insoweit ist der angefochtene Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, da er Anspruch auf eine positive Feststellung der Beklagten zum Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG hat (§ 113 Abs. 5 VwGO).
26 
Im Übrigen ist die Klage unbegründet und insoweit abzuweisen. Der Widerruf der im damaligen Anerkennungsbescheid vom 21.09.1995 enthaltenen positiven Feststellungen zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (a.F.) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
27 
1. Widerruf der Feststellung zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 AuslG
28 
Nach § 73 Abs. 1 AsylVfG ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (bzw. vormals die positive Feststellung zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F.) unter anderem dann zwingend zu widerrufen, wenn der Betroffene nach der Anerkennung Ausschlussgründe nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AsylVfG verwirklicht hat (BVerwG, U. v. 31.03.2011 - 10 C 2/10 -, juris, Rd.Nrn. 20 und 43). Das setzt im Anschluss an das Urteil des EuGH vom 09.11.2010 - Rs. C-57/09 -, NVwZ 2011, 285) eine gegenwärtige Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder die Allgemeinheit ebenso wenig voraus, wie eine auf den Einzelfall bezogene Verhältnismäßigkeitsprüfung. Insofern nämlich genügt es bei diesem Ausschlussgrund, dass der Betreffende gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen gehandelt „hat“, weil er sich bereits damit des Flüchtlingsschutzes als „unwürdig“ erwiesen hat. Terroristische Aktivitäten laufen den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider. Der Ausschlussgrund kann auch von Personen begangen werden, die keine Machtposition in einem ihrer Mitgliedsstaaten innehaben. Entscheidend ist aber, dass ihnen eine individuelle Verantwortung für solches Handeln zugerechnet werden kann (BVerwG, U. v. 07.07.2011 - 10 C 26/10). Die individuelle Zurechnung von Terrorakten ist dabei nicht erforderlich. Für das Zuwiderhandeln gegen Ziele der Vereinten Nationen ist außerdem nicht erforderlich, dass der Betreffende eine räumlich-organisatorische Nähe innerhalb der Organisation zur Ausführung terroristischer Taten oder ihrer Rechtfertigung in der Öffentlichkeit hat. Vielmehr genügen für den Ausschluss als asylunwürdig vom Status des „bona fide refugee“ gewichtige ideologische und propagandistische Aktivitäten, da auch „Schreibtischtäter“ und „Propagandisten“ nach dem Normzweck des Ausschlussgrundes nicht privilegiert werden sollen. Werben, ideologisch Schulen, aber auch Kulturaktivitäten, die den ideologischen Zusammenhalt fördern, genügen für einen Ausschluss (so zuletzt BVerwG, Urt. v. 19.11.2013 - 10 C 26/12 -, juris, Rd.Nrn. 16 ff).
29 
Diese Voraussetzungen für den Widerruf der Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sind im Fall des Klägers hier erfüllt.
30 
Dabei steht die Rechtskraft des Urteils des VG Ansbach, mit dem die Beklagte seinerzeit zur positiven Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG verpflichtet wurde, im vorliegenden Fall der Widerrufsentscheidung nicht nach § 121 Nr. 1 VwGO entgegen. Insoweit haben sich hier nämlich nach dem Urteil des VG Ansbach vom 18.8.1995 die dafür entscheidungserheblichen Sachverhalte nachträglich maßgeblich verändert (zur Zulässigkeit des Widerrufs trotz rechtskräftigen Verpflichtungsurteils in diesem Fall BVerwG, U. v. 22.11.2011 - 10 C 29/10 -, juris, Rd.Nrn. 16, 17).
31 
Hier hatte der Kläger zwar schon zum Zeitpunkt der Entscheidung des VG Ansbach eine Funktionärsposition für die Babbar Khalsa International Deutschland inne. Damals beschränkten sich aber seine Aktivitäten nach den Feststellungen des VG Ansbach auf propagandistische Handlungen, einseitige Sympathiebekundungen, und ähnliche Handlungen, die nach dem Urteil dieses Verwaltungsgerichts noch nicht die Schwelle zum Asylausschlussgrund des von der Rechtsprechung zu Art. 16 a Abs. 1 GG entwickelten „Terrorismusvorbehalts“ überschritten.
32 
Wie aber bereits die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts und auch der Verwaltungsgerichtshof in der entsprechenden Beschwerdeentscheidung im Ausweisungsverfahren festgestellt haben, hat der Kläger „seit Mitte der 1990er Jahre seine Aktivitäten demgegenüber deutlich intensiviert und gesteigert“. Von daher kann er nicht geltend machen, ihm würden nunmehr paradoxerweise Aktivitäten als Grundlage für einen Ausschluss von der gewährten Flüchtlingsanerkennung angelastet, die er so auch schon seinerzeit an den Tag gelegt habe ohne dass dies seiner damaligen Anerkennung entgegengestanden habe. Denn er war seither nicht nur nunmehr auch auf Bundesebene Vorstandsmitglieder der Babbar Khalsa International, also in einer führenden Funktion tätig, sondern hat in dieser Funktion auch Geldspenden für die Organisation in beachtlichem Ausmaß beschafft und sich insbesondere dabei selbst gewalttätig verhalten, als er einen Landsmann zusammen mit drei anderen Sikhs in diesem Zusammenhang wegen Geldspenden mit gefährlicher Körperverletzung, Drohung und Nötigung drangsaliert, wofür er rechtskräftig verurteilt wurde. Schon deshalb kann im Übrigen keine Rede davon sein, er habe sich in der Bundesrepublik jahrelang „wohlverhalten“. Seine Aktivitäten waren als hochrangig, langandauernd (über eine Jahrzehnt hinweg mindestens bis 2011) und selbst unter anderem auch zumindest einmal nachgewiesenermaßen gewalttätig. Außerdem hat der sowohl in dem Sicherheitsgespräch als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht im Ausweisungsverfahren noch bis Februar 2011 erkennen lassen, dass er durchaus separatistische Gewalthandlungen seiner Organisation billigt und für gerechtfertigt hält, wenn sie der gerechten Sache der Sikhs und einem freien Khalistan dienen. Die Babbar Khalsa International steht zudem - nach wie vor - auf der Terrorismusliste der EU (Beschl. des Rats der Europäischen Union v. 10.02.2014 - „014/72/GASP - ABl. L 40/56). Das ist - auch wenn dieser Liste im vorliegenden Fall keine Bindungswirkung für die Beklagte und ihre Entscheidung zukommen dürfte - zumindest ein Indiz dafür, dass es sich um eine terroristische Organisation handelt, zumal mittlerweile auch Möglichkeiten für solche Organisationen existieren, sich mit Rechtsmitteln vor dem EuGH gegen die Aufnahme auf einer solchen Liste zur Wehr zu setzen (vgl. dazu GK-AufenthG, Rd.Nr. 277, 278 zu § 60 AufenthG), von denen aber die Babbar Khalsa International bislang keinen Gebrauch gemacht hat. Die terroristischen Umtriebe der Babbar Khalsa ergeben sich zudem nicht allein aus ihrer Auflistung auf der Terrorismusliste, sondern schon unabhängig davon aus den vom Bundesamt im angefochtenen Bescheid genannten Erkenntnismitteln (Südasieninstitut, Bundesamt für Verfassungsschutz). Im Übrigen wird auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs im Ausweisungsverfahren mit den entsprechenden Feststellungen zum terroristischen Charakter dieser Organisation verwiesen, sowie auf die ausführliche Entscheidung des VGH Bad.-Württ. (U. v. 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris) zu der mit Babbar Khalsa kooperierenden International Sikh Youth Federation (ISYF). Auch in der übrigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte wird Babbar Khalsa entsprechend als terroristische militante Sikh Organisation eingestuft (vgl. VG Gelsenkirchen, U. v. 07.09.2004 - 14 K 79/03.A -, juris; VG Mainz, U. v. 27.04.2005 - 7 K 755/04. MZ-, juris; VG Darmstadt, U. v. 23.01.2009 - 5 K 386/08.-DA -, juris; alle diese Entscheidungen enthalten ausführliche Darstellungen der Erkenntnisquellen zu Babbar Khalsa).
33 
All das genügt an sich bereits für die Verwirklichung des Ausschlussgrundes nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AsylVfG.
34 
Auf eine Wiederholungsgefahr als solche kommt es nach dem oben Gesagten dabei nicht an. Von daher könnte an sich sogar völlig offenbleiben, ob der Kläger seit seinem Austritt aus der Organisation im März 2011 bis heute überhaupt jemals wieder aktiv war oder Kontakt mit dieser Organisation hatte. Auf die von ihm angeregte Einholung einer aktuellen Auskunft des Landeskriminalamtes und des Landesamtes für Verfassungsschutz kommt es deshalb gar nicht an, wie sie die Ausländerbehörde im Rahmen der Prüfung seines Antrags auf nachträglich Befristung der Wirkungen seiner Ausweisung Ende 2013 wohl in die Wege geleitet hat.
35 
Der Widerruf wäre hier aber selbst dann rechtmäßig, wenn man auf eine Wiederholungsgefahr abstellen wollte, wie sie in dem insoweit strengeren Ausweisungsrecht gefordert wird, bzw. selbst wenn man der Ansicht wäre, dass eine einschränkende Auslegung des Ausschlussgrundes des § 3 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 AsylVfG dann angezeigt sein kann, wenn es sich bei der Terrorismusunterstützung um sehr lange zurückliegende Taten oder gar „Jugendsünden“ handelt bzw. ein Minimum an Aktualität der Taten fordert. Denn selbst dann wäre in jedem Fall ein glaubwürdige und ernsthafte deutliche aktuelle Distanzierung von diesen Unterstützungshandlungen deshalb notwendig, weil nur dann keine Wiederholungsgefahr mehr angenommen werden kann bzw. dann von einer aktuell fortbestehenden Asylunwürdigkeit wegen eines den Vereinten Nationen und ihren Grundsätzen zuwiderlaufenden Verhaltens womöglich keine Rede mehr sein könnte (siehe zu einer solchen womöglich einschränkenden Anwendung dieses Ausschlussgrundes VGH Bad.-Württ., Urt. v. 21.04.2010 - 11 S 200/10 - juris, Rd.Nr. 68, 69; siehe im Übrigen ausführlich zu solchen den Ausschlussgrund einschränkenden Erwägungen GK AufenthG, Rd.Nrn. 260 - 262 m.w.N.).
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Dafür aber ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich. Es kann dahin gestellt bleiben, ob der Kläger tatsächlich drei Jahre lang keinerlei Aktivitäten mehr für die Babbar Khalsa International an den Tag gelegt hat. Denn selbst wenn dies so zuträfe, würde dies an seiner Asylunwürdigkeit, die er durch das Zuwiderhandeln gegen die Ziele der vereinten Nationen begründet hat, nichts ändern. Das Gericht ist nämlich nach ausführlicher Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung insbesondere zu den Gründen und Motiven seines Austritts aus dieser Vereinigung nicht der Überzeugung, dass dem ein ernsthafter Gesinnungswandel oder gar eine ernsthafte innere Abkehr von den Zielen dieser Vereinigung und eine glaubwürdige Distanzierung von den Unterstützungshandlungen des Klägers zugrunde liegt.
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Schon die vom Kläger erstmals mit der Klagebegründung vom 26.01.2012 vorgelegte Meldung der Media Punjab - German News vom 20.03.2011 (GAS 11) beinhaltet lediglich, dass der Kläger am 18.03.2011 noch in seiner Funktion als Pressesprecher und Amtssekretär der Babbar Khalsa International Deutschland die Medien informierte und erklärte, dass er „seit 2011“ von seinen beiden Ämtern zurück tritt. Seit diesem Jahr bestehe keine Verbindung zwischen ihm und der Partei und deren Aktivitäten. Er bitte deshalb alle Presseagenturen, seinen Namen von Parteiaktivitäten und Meldungen darüber auszuschließen. Er habe seit diesem Jahr keinerlei Beziehungen mehr, weder eine Position noch sonst etwas. Und sein Name solle in keiner Form benutzt werden.
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Bereits der Inhalt dieser Meldung zeigt, dass der Kläger hier jedenfalls noch bis zur Abgabe dieser Erklärung offenbar das Amt als Pressesprecher und Amtssekretär inne hatte. Soweit er darin angibt, „seit 2011“, nämlich seit dem Jahr 2011 keinerlei Beziehungen mehr zur Partei zu haben und seine Ämter niedergelegt zu haben, widerspricht dies sogar auch seinen Angaben, die er in der mündlichen Verhandlung bezüglich seiner Ausweisung vor dem Verwaltungsgericht Freiburg am 11.02.2011, also nur wenige Wochen zuvor, eindeutig gemacht hat. Dort hat er nämlich klar angegeben, er sei zur Zeit noch Office Secretary der Vereinigung. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liege darin, Mitglieder in Deutschland anzurufen und Kundgebungen oder Programme zu organisieren (siehe GAS 83 ff der beigezogenen Gerichtsakten 5 K 976/10). Es kann also schon nicht davon die Rede sein, dass der Kläger „im Jahr 2011“ gar keine Aktivitäten oder Funktionen mehr für die Babbar Khalsa International in Deutschland ausgeübt habe. Denn wenige Wochen zuvor hat er genau das Gegenteil erklärt.
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Im Übrigen fällt auf, dass die Meldung über den Austritt des Klägers aus der Partei offenbar allein darauf abzielt, ihn aus dem Fokus internationalen Interesses oder indischer Strafverfolgungsbehörden oder sonstiger Strafverfolgungsbehörden zu rücken. Denn auffälligerweise wird mehrfach erwähnt, man möge seinen Namen nicht mehr erwähnen. Irgendwelche Gründe für seinen Parteiaustritt hat er ausweislich dieser Meldung auch nicht dargelegt oder angegeben. Für eine innere Abkehr und einen Gesinnungswandel ist jedenfalls dieser Meldung nichts zu entnehmen.
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Soweit der Kläger dann mit Schreiben vom 14.02.2012 im vorliegenden Verfahren erklärt hat, er habe bereits vor fast einem Jahr seine Mitgliedschaft und Aktivität aufgegeben, also weit vor Erlass der streitgegenständlichen Widerrufsverfügung eingestellt, fällt auf, dass der Kläger davon bisher erstaunlicherweise während des gesamten Widerrufsverfahren mit keinem Wort etwas erwähnt hat. Obwohl er sogar im vorliegenden Widerrufsverfahren ausdrücklich noch einmal von der Beklagtenseite mit Schreiben vom 07.10.2011 an den Kläger-Vertreter unter Hinweis auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg im Ausweisungsverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt bekam, hat er seinerzeit dazu nichts ausgeführt und insbesondere seine bereits im März 2011 angeblich vollständige Beendigung aller Kontakte und Aktivitäten für Babbar Khalsa mit keinem Wort erwähnt. In seiner Stellungnahme vom 18.10.2011 hat er nichts dazu geäußert und auch in der späteren Stellungnahme vom 09.11.2011 hat er dieser Stellungnahme erklärtermaßen nichts hinzuzufügen gehabt. Wäre er aber bereits ein halbes Jahr zuvor, wie nunmehr vorgetragen, eindeutig und unwiderruflich von allen Ämtern bei Babbar Khalsa zurückgetreten und hätte einen deutlichen Gesinnungswandel an den Tag gelegt, so hätte nichts näher gelegen, als speziell darauf bezogen diese Austrittserklärung bzw. den Umstand dieses Austritts und die entsprechenden Pressemeldungen dazu dem Bundesamt im Widerrufsverfahren vorzulegen, um darauf gestützt die Einstufung als asylunwürdig zu erschüttern und zu versuchen, einen Widerruf abzuwenden. Das hätte umso näher gelegen, als der Kläger vom Verwaltungsgericht im Urteil zu seiner Ausweisung sogar ausdrücklich bescheinigt bekommen hatte, seine angeblich gewandelte Einstellung zur Gewalt sei ein bloßes Lippenbekenntnis. Gegen dieses Urteil ist er aber nicht mit Rechtsmitteln vorgegangen, obwohl er in der noch laufenden Rechtsmittelfrist gerade seinen angeblichen vollständigen Austritt und den Abbruch aller Beziehungen zu Babbar Khalsa bewerkstelligt hatte, worauf gestützt er ohne weiteres hätte versuchen können, einen Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil beim Verwaltungsgerichtshof mit der Begründung einzureichen, er habe nun deutlich gemacht, dass es sich nicht um ein bloßes Lippenbekenntnis handele, und dass er es ernst meine und deshalb aus allen Ämtern ausgeschieden sei. Obwohl ihn der Kläger-Vertreter seinerzeit innerhalb der laufenden Rechtsmittelfrist ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass er die Möglichkeit eines Rechtsmittels habe und darum gebeten hatte, dem Kläger-Vertreter mitzuteilen, ob dagegen Rechtsmittel eingelegt werden solle, hat der Kläger seinem Kläger-Vertreter offenbar überhaupt nichts von dem damals ganz aktuellen Austritt bei Babbar Khalsa mitgeteilt, was nahegelegen hätte und sei es nur, um dem Kläger-Vertreter die Prüfung zu ermöglichen, ob darauf gestützt die Berufung gegen das die Ausweisung bestätigende Urteil des Verwaltungsgerichts nicht hätte versucht werden können.
41 
Auffällig ist auch, dass die vom Kläger vorgelegte Kündigung und deren Bestätigung (Schreiben vom 18.03.2011 des Klägers an die Babbar Khalsa Organisation und deren Präsidenten bzw. Antwort des Präsidenten der Organisation vom 20.03.2011, GAS 67 u. 69) in deutscher Sprache abgefasst sind, obwohl kaum anzunehmen ist, dass der Kläger und der Präsident in dieser ihnen wohl kaum wirklich ausreichend geläufigen Sprache miteinander kommunizieren. Hier hätte vielmehr näher gelegen, dass er in seiner Muttersprache eine solche Erklärung abgibt und empfängt. Als Übersetzung muttersprachlicher Schreiben sind jedenfalls diese beiden vorgelegten Schriftstücke nicht bezeichnet worden und entsprechende muttersprachliche Originale sind auch nicht vorgelegt worden. Dieser Umstand aber zeigt, dass hier eine lediglich zur Kenntnisnahme durch die deutschen Behörden und Gerichte bestimmte Erklärung demonstrativ, nämlich allein zum Zweck des Vorzeigens bestimmt, produziert wurde.
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Schließlich enthält die Erklärung auch keinerlei Begründung, wies es etwa nahe gelegen hätte, wenn der Kläger tatsächlich, so wie er es nunmehr in der mündlichen Verhandlung behauptet hat, aus familiären Gründen und um sich weiteren Streit mit Behörden und Gerichten zu ersparen, nach Jahrzehnten aktiver umfassender und hochrangiger Unterstützung für die Organisation auf einmal alle seine Ämter niedergelegt hätte. Dazu findet sich aber in der Erklärung nichts.
43 
Zudem spricht auch das gesamte Verhalten des Klägers in der mündlichen Verhandlung in keiner Weise dafür, dass er hier eine deutliche innere Abkehr von seinem bisherigen Verhalten an den Tag gelegt hat. Irgendeine nachvollziehbare Motivation für einen angeblichen fundamentalen Gesinnungswandel war dem Kläger trotz mehrfacher gezielter Nachfragen nicht zu entlocken. Er hat hier sehr einsilbig und ganz stereotyp immer wieder nur darauf Bezug genommen, er habe mehr Zeit für seine Familie gebraucht, ohne dass er allerdings dann konkret darlegen konnte, weshalb er in den letzten Jahren etwa infolge seiner Berufstätigkeit oder Tätigkeit für die Organisation nur wenig bis gar keine Zeit für seine Familie gehabt haben sollte. Dass er als Feldarbeiter in ...rund um die Uhr beruflich eingespannt ist und allenfalls am Sonntag mal Zeit hat, ist schon nicht recht nachvollziehbar. Auch dass er jede freie Minute für Parteitätigkeiten aufgewendet hätte und deshalb hätte seine Familie vernachlässigen müssen, lässt sich dem gesamten Akteninhalt nicht nachvollziehbar entnehmen. Er selbst hat beim Verwaltungsgericht im Verfahren bezüglich seiner Ausweisung aber auch im vorliegenden Verfahren eher abschwächend darauf verwiesen, seine Presse- und Propagandasekretärstätigkeit sei relativ unbedeutend gewesen und habe deutlich im Umfang abgenommen, und er habe lediglich ein paar wenige Male im Jahre an bestimmten Veranstaltungen teilgenommen. Zu einem Konflikt mit seinem Familienleben konnte es insofern also gar nicht ernsthaft gekommen sein. Dieser Grund kann also letzten Endes nicht wirklich ausschlaggebend für den Abbruch seiner Beziehungen zur Babbar Khalsa-Organisation gewesen sein, wie er ihn nunmehr in den Vordergrund stellt.
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Auch soweit er darauf Bezug nimmt, er habe sich „Stress mit Behörden und Gerichten“ ersparen wollen und seine Ruhe haben wollen, zeigt dies lediglich, dass er sich die mit den Widerrufs- und Ausweisungsverfahren verbundenen Nachteile und insbesondere auch die mit der wöchentlichen Meldepflicht, wie er sie nach der rechtskräftigen Ausweisungsverfügung zu befolgen hat, verbundenen Nachteile und Erschwernisse schlichtweg ersparen bzw. vom Hals schaffen möchte. Einen inneren Einstellungswandel und eine Abkehr von seinen früheren Zielen und Tätigkeiten stellt dies indessen gerade nicht dar. Wer lediglich Nachteile vermeiden möchte, der agiert ganz offensichtlich allein taktisch, ohne dass dem ein sonstiger Einstellungswandel zugrunde liegt. Ein wirklich anerkennungswürdiges Motiv für einen Austritt könnte insoweit allenfalls dann vorliegen, wenn der Kläger sich ernsthaft mit seinem bisherigen Verhalten beschäftigt hat, erkannt hat, was daran falsch ist, und glaubhaft darlegt, weshalb er nun mehr der Ansicht ist, dass er diesen Weg nicht weitergehen möchte. Wer hierzu lediglich vorträgt, die mit dem Verhalten verbundenen Nachteile bei Behörden und Gerichten seien ihm lästig und bereiteten ihm Stress, lässt einen solchen Einstellungswandel nicht erkennen. Von Einsicht kann insoweit nicht die Rede sein, sondern allenfalls davon, sich damit einem Druck zu beugen. Das aber genügt nicht für eine glaubhaft Distanzierung, um die durch die bisherigen Handlungen dokumentierte Unwürdigkeit „aus der Welt zu schaffen“.
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Dass der Kläger mit seinen Parteifreunden und langjährigen Parteikollegen überhaupt nicht über die Gründe seines Austritt gesprochen haben will, dass ihn niemand dazu befragt hat und dass es insoweit auch keine Kritik daran oder einen Rechtfertigungsdruck gegeben hat, wie der Kläger es nunmehr in der mündlichen Verhandlung darzustellen versuchte, vermag ihm das Gericht nicht abzunehmen. Wer jahrzehntelang in der Weise aktiv für eine Organisation war und sich ihr vollständig verschrieben hat und dafür in Indien sogar Folter erleiden musste, wie dies der Kläger ganz offenkundig getan hat, der tritt nicht einfach von heute auf morgen ohne Angabe von Gründen aus und wird von seinen Parteifreunden auch nicht ohne jede Kritik oder Frage nach den Motiven einfach gehen gelassen. In solchen Organisationen dürfte vielmehr der Regelfall sein, dass einem solchen Menschen, gerade weil er jahrzehntelang auch Insider-Kenntnisse gesammelt hat, womöglich gar Verrat vorgeworfen und Konsequenzen angedroht worden. Dafür war dem gesamten Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung überhaupt nichts zu entnehmen.
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Vollends unglaubwürdig werden die Aussagen und das Verhalten des Klägers, wenn man seine Antworten zu dem Inhalt des Parteiemblems berücksichtigt. Obwohl die Babbar Khalsa International-Germany offenbar schon seit Jahrzehnten in ihrem Logo an auffälliger exponierter Stelle zwei gekreuzte Sturmgewehre oder Langwaffen aufweist, (siehe GAS 69, siehe aber auch schon Bundesamtsakte aus dem Asylanerkennungsverfahren von 1993 - dort AS 135) gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf Vorhalt allen Ernstes an, er wisse nicht, was das bedeute, er könne dazu nichts sagen, er habe dazu keinerlei Meinung und sich auch noch nie mit seinen Parteikollegen darüber unterhalten. Vor dem Hintergrund, dass er im Sicherheitsgespräch ganz offenkundig keine Probleme damit hatte, dass die Sikhs sich gegenüber vermeintlichem Unrecht, das ihnen durch die indischen Behörden zugefügt wird, für berechtigt halten, auch gewaltsam zurückzuschlagen, erscheint es aber nur stimmig, dass im Emblem der Partei an exponierter Stelle auch zwei gekreuzte Gewehre dargestellt werden, die ganz symbolhaft eindeutig und sinnbildlich in den Vordergrund rücken, dass man sich hier auch einem bewaffneten Kampf verpflichtet sieht. Dafür verspricht auch die militärische Terminologie, mit der die Babbar Khalsa International ihre Führungsspitze selbst bezeichnet („High Command“; „Oberkommando“; siehe dazu BAS 145 bei der Erstanhörung des Klägers durch das Bundesamt am 23.03.1995, wo er selbst ausführt, er sei in Deutschland im „High Command“ Propagandasekretär, und siehe BAS. 136 aus dem Asylanerkennungsverfahren, wo auch dieser Begriff in einer Punjabi-sprachigen Zeitschrift Punjab Times International vom 22.02.1995 bezogen auf die Führungsspitze der Babbar Khalsa mehrfach verwendet wird).
47 
Wenn der Kläger sich dann aber in der mündlichen Verhandlung auf eine derart klare Frage zur Verwendung eines aggressive Gewaltbereitschaft betonenden Parteilogos schlichtweg „dumm stellt“, dann kann von einem Einstellungswandel gegenüber solcher Gewalt nicht abgeneigten Tätigkeit dieser Organisation keine Rede sein. Im Gegenteil, es zeigt vielmehr, dass der Kläger, indem er sich möglichst bedeckt hält und einsilbige Antworten gibt, gerade seine inneren Beweggründe zu verschleiern sucht.
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Nach allem nützt es nichts, dass der Kläger hier betont, sein Austritt aus der Partei, den er förmlich vollzogen haben mag, und seine bislang dreijährige Untätigkeit für die Partei belege, dass er sich die mit dem Ausweisungs- und Widerrufsverfahren verbundenen Nachteile gewissermaßen habe „zur Warnung dienen lassen“.
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Zum Fehlen glaubwürdiger Distanzierung in Fällen von Ausländern, die einer terroristischen Bestrebung Vorschub leisteten, hat auch die Verwaltungsrechtsprechung ähnliche Ausführungen gemacht (siehe etwa VG Düsseldorf, Urt. v. 07.12.2010 - 22 K 3115/09 - juris, Rd.Nr. 31, wonach eine wirkliche inhaltliche Auseinandersetzung mit der Frage und den Konsequenzen oder eine Distanzierung von den Zielsetzungen und Aktivitäten erforderlich ist; siehe insoweit auch BVerwG, Urt. v. 26.10.2010 - 1 C 19/09 -, juris, Rd.Nr. 24, 28, wonach selbst dann, wenn der Kläger seit fünf Jahren keine Bezüge und Verbindungen mehr zu einer Organisation hat, eine widerlegliche Vermutung dafür spricht, dass das bloß verbale Bestreiten eines Bezugs zu dieser Organisation für die glaubhafte Distanzierung von der Organisation und ihren terroristischen Zielen nicht genügt, insbesondere dann, wenn dies womöglich nur unter dem Druck eines anhängigen Widerrufs oder Ausweisungsverfahrens geschieht; vgl. ferner VG Darmstadt, Urt. v. 23.01.2009 - 5 K 386/08 - DA (3) - juris, Rd.Nr. 42 u. Rd.Nr. 70, wonach ein früheres Vorstandsmitglied der deutschen Sektion von Babbar Khalsa International ohne nachvollziehbar Distanzierung von den Zielen der Vereinigung nicht eingebürgert werden kann und der bloße Austritt aus dieser Vereinigung für eine solche Distanzierung nicht ausreicht. Insbesondere reichte ein Austritt nicht aus, wenn der Betreffende kurz vor seinem Austritt noch ein Funktionärsamt ausgeübt hatte. Außerdem müssen für eine Umorientierung und eine Art innerer Umkehr tatsächlich nachvollziehbare Schlüsselerlebnisse und Anlässe geschildert werden. Bloß vorgeschobene Erklärungen genügen insofern nicht. Es bedarf eine inneren Prozesses der Abkehr. Die Erklärung darf nicht einfach als taktisches Manöver zu werten sein; siehe schließlich VG Stuttgart, Urt. v. 06.06.2005 - A 4 K 10512/05 - juris).
50 
Der Widerrufsentscheidung des Bundesamtes und ihrer Rechtmäßigkeit steht hier auch nicht entgegen, dass der Kläger seinerzeit vor der Ausreise bereits massive Foltermaßnahmen seitens der indischen Sicherheitskräfte erlitten hat. Insbesondere ergibt sich hieraus nicht eine Anwendbarkeit der Vorschrift des § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG. Danach kann einem Ausländer der Wegfall der verfolgungsbegründenden Umstände dann nicht als Widerrufsgrund entgegen gehalten werden, wenn er sich auf zwingende, auf frühere Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann, um die Rückkehr in den Staat abzulehnen. Diese Vorschrift gilt aber nur bezüglich des § 73 Abs. 1 Satz 2. Dieser regelt, dass ein Widerruf insbesondere dann erfolgen kann, wenn die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling bzw. Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft „nicht mehr vorliegen“ und dass dies insbesondere dann der Fall ist, wenn der Ausländer nach Wegfall der verfolgungsbegründenden Umstände es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Gemeint sind hier also Widerrufsfälle, die allein darauf gründen, dass nun nach neuer aktueller Sachlage keine Verfolgungsgefahren mehr bei Rückkehr in den Heimatstaat drohen, wie sie ursprünglich der Anerkennung als Flüchtling bzw. Asylanerkennung noch zugrunde gelegen haben. Im vorliegenden Fall aber stützt sich der Widerruf nicht auf eine solche Konstellation. Vielmehr gründet er allein darauf, dass trotz noch fortbestehender Verfolgungsgefahr in Indien für den Kläger nachträglich nach seiner Anerkennung Ausschlussgründe wegen Asylunwürdigkeit bzw. flüchtlingsrechtlicher Unwürdigkeit aufgetreten sind, die zumindest dem Widerruf des Flüchtlingsstatus und Asylstatus rechtfertigen. In einem solchen Fall aber ist damit noch nichts über ein Abschiebungsverbot und drohende Verfolgungsgefahr als solche gesagt. Den besonderen Schutz des § 73 Abs. 1 Satz 3 bedarf nämlich nur jemand, der zwar in sein Heimatland zurück abgeschoben werden könnte, weil er dort nun wirklich nicht mehr objektiv einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt ist, dem aber eine Rückkehr dorthin schlichtweg deswegen psychisch nicht mehr zumutbar ist, weil er infolge früherer Verfolgungen, die er erlitten hat, schwerst traumatisiert ist. Ein Beispiel dafür wäre etwa ein Jude, der ein deutsches KZ überlebt hat, und dem eine Rückkehr nach Deutschland aus einem Exilland wegen der ihn belastenden Erinnerungen und Traumatisierung nicht zumutbar wäre, auch wenn er heute in Deutschland keinerlei Verfolgung mehr ausgesetzt wäre. Um einen solchen Fall geht es hier aber nicht.
51 
2. Feststellungen des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 AufenthG.
52 
Der angefochtene Widerrufsbescheid ist aber rechtswidrig und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten, als er keine positive Feststellung zum Vorliegen des Abschiebungsverbots des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK bezüglich einer Abschiebung des Klägers nach Indien enthält.
53 
Das Bundesamt hätte im Zusammenhang mit der Widerrufsentscheidung von Amts wegen darüber befinden müssen, ob dem Kläger, nachdem ihm die positive Feststellung zum Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 51 Abs. 1 AuslG a.F. entzogen worden ist, zumindest ein von Ausschlussgründen unabhängiger Abschiebungsschutz wegen ihm in Indien bei Rückkehr dorthin drohender Foltergefahr zu gewähren ist. Nach der Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides ergab sich dies zwar nicht unmittelbar aus dem Asylverfahrensgesetz, jedoch eindeutig aus der damaligen Rechtsprechung, die analog zu den sonstigen Vorschriften im Asylverfahrensgesetz, die bei Rücknahme oder Verzicht auf einen Asylantrag eine Einstellungsentscheidung des Bundesamtes gekoppelt mit einer Prüfung solch eines Abschiebungsverbots regelt, auch für den Fall des Widerrufs eine solche von Amts wegen zu treffende Prüfung von Abschiebungsverboten vorsah (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 20.04.1999 - 9 C 29/98 -, juris, unter Verweis auf Urt. v. 27.02.1996 - 9 C 145.95 -, juris). Das Bundesverwaltungsgericht begründete eine entsprechende Verpflichtung aus einer Rechtsanalogie zu den Regelungen in §§ 24 Abs. 2, 31 Abs. 2 Satz 1, 31 Abs. 3 Satz 1 und 32 sowie 39 Abs. 2 AsylVfG. Diesen Vorschriften lasse sich als gemeinsamer Leitgedanke entnehmen, dass in Verfahren der Schutzgewährung für Ausländer, die politische Verfolgung geltend machten, eine umfassende Entscheidung ergehen solle, die alle Arten des Schutzes vor zielstaatsbezogenen Gefahren einbezieht. Namentlich nach Beendigung eines Asylverfahrens solle nicht offen bleiben, ob und in welcher Form dem Ausländer Abschiebungsschutz zu gewähren sei. Auch der hessische Verwaltungsgerichtshof hat in jüngster Zeit in diesem Sinne entschieden, dass im Falle des Widerrufs einer Asylanerkennung wie auch des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (vormals § 51 Abs. 1 AuslG a.F.) das Bundesamt nach § 60 Abs. 2 - 5 und Abs. 7 AufenthG über das Vorliegen von Abschiebungsverboten entscheiden muss (Hess. VGH, Urt. v. 10.08.2011 - 6 A 95/10.a - juris, Rd.Nr. 24).
54 
Nach heutiger Rechtslage (siehe AsylVfG i.d.F. der Novellierung vom 28.08.2013 - BGBl. I S. 3474, gültig ab 01.12.2013), die im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) zu beachten ist, wird das Bundesamt durch § 73 Abs. 3 in seiner neuen Fassung nunmehr sogar ausdrücklich verpflichtet, bei Widerruf oder Rücknahme der Anerkennung als Asylberechtigter oder der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für den subsidiären Schutz oder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen.
55 
Eine solche Entscheidung hat das Bundesamt hier nicht getroffen, obwohl der Kläger-Vertreter im Widerrufsverfahren sogar mehrfach darauf hingewiesen hat, dass dem Kläger auf jeden Fall ein Abschiebungsverbot wegen ihm in Indien nach Rückkehr dort auch aktuell noch drohender Folter und Lebensgefahr zur Seite stehe.
56 
Da das Bundesamt auch im Termin zur mündlichen Verhandlung trotz der entsprechenden Antragstellung und Erweiterung des bisher auf die Anfechtung der Widerrufsentscheidung beschränkten Klageantrags (zur Zulässigkeit einer solcher Klageerweiterung bei Einwilligung der Beteiligten siehe § 91 VwGO den Kläger nicht etwa durch eine positive Entscheidung zum Vorliegen des Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 5 AufenthG klaglos gestellt hat, besteht auch ein Rechtsschutzinteresse für eine entsprechende Verpflichtungsklage auf positive Feststellung.
57 
Der Sache nach hat der Kläger auch einen Anspruch auf eine solche Feststellung durch das Bundesamt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
58 
Die drohende Foltergefahr ergibt sich für den Kläger im vorliegenden Fall schon daraus, dass er, wie das Verwaltungsgericht Ansbach im ursprünglichen Anerkennungsverfahren eindeutig aufgrund ärztlicher Atteste festgestellt hat, vor seiner Ausreise aus Indien nach Deutschland schwerste Foltermaßnahmen durch die indischen Sicherheitsbehörden erlitten hat. In einem solchen Fall kommt ihm bezüglich des nationalen Abschiebungsverbots, wie es in § 60 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 EMRK formuliert ist, bei der Gefahrenprognose zwar nicht die lediglich für die Gefährdungen nach § 4 AsylVfG und die dort verankerten europarechtlichen Abhebungshindernisse geltende Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der EU-Qualifikationsrichtlinie (zul. i.d.F. v. 13.12.2011 - Richtlinie 2011/95/EU -) zugute, dass eine Verfolgungswiederholung schon dann anzunehmen ist, wenn das Bundesamt nicht mit stichhaltigen Gründen beweisen kann, dass der Betreffende vor einer erneuten Verfolgungshandlung sicher ist. Auch ein sogenannter herabgestufter Gefahrenmaßstab, wie er sonst im Asylrecht für Vorverfolgte entwickelt wurde, mag in solchen Fällen nicht direkt anwendbar sein (siehe zur entsprechenden Rechtsprechung GK-Ausländerrecht, Ktr., Stand Dezember 2000, § 93 ff zu § 53 AuslG a.F.). Gleichwohl ist in jedem Fall die vom Kläger bereits in der Vergangenheit seitens indischer Sicherheitskräfte erlittene Folter bei der Prognose einer Wiederholungsgefahr ein nicht zu vernachlässigender Umstand. Denn dies zeigt, dass der Kläger nicht nur den indischen Sicherheitsbehörden einmal in ganz handgreiflicher Weise bekannt geworden und zum Opfer gefallen ist, sondern auch, dass er von dortiger Seite keine Gnade zu erwarten hat. Da der Kläger ausweislich der Medienmeldungen über ihn im Internet, wie sie im Termin zur mündlichen Verhandlung aber auch sonst in den entsprechenden Medien dargelegt wurden, mehrfach namentlich benannt wurde und als führender Kopf der Babbar Khalsa International-Bewegung in Deutschland in seiner Rolle als Propagandasekretär auch dem Interesse der indischen Sicherheitsbehörden nicht entgangen sein kann, ist sogar mit Sicherheit anzunehmen, dass er im Falle einer Rückkehr nach Indien dort erneut unter Folter zu seinen Exilaktivitäten und seine Verwicklungen in die Tätigkeiten dieser terroristischen Organisation „befragt“ werden wird. Das gilt schon deshalb, weil auch nach den aktuellen Lageberichten des Auswärtigen Amtes Folter in indischen Polizeigefängnissen „an der Tagesordnung ist“. Indien hat zwar die Antifolterkonvention der UN unterzeichnet, aber niemals ratifiziert und unternimmt nur hier und da halbherzige Schritte, diese abzuschaffen. Im Alltag ist Folter aber in Indien weit verbreitet, ohne dass Polizisten deswegen befürchten müssten, belangt zu werden (siehe Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 13.08.2012, dort S. 21). Nach diesem Lagebericht wird nach zuverlässigen Angaben der Asia Pazific Youth Federation Folter systematisch von der Polizei als Mittel der Befragung eingesetzt oder auch zur summarischen Bestrafung vermeintlicher Täter angewendet. Das geht bis hin zu Todesfällen von Häftlingen. Insbesondere in den Bundesstaaten Jammu und Kaschmir, aber auch sonst in Krisengebieten, zu denen der Punjab zweifellos zählt, besteht eine systematische Folterpraxis.
59 
Vor diesem Hintergrund hat die Rechtsprechung der deutschen Verwaltungsgerichte nahezu einhellig in Fällen, wie dem des Klägers, nämlich bei exilpolitisch aktiven Funktionären der Khalistan-Bewegung für den Fall der Rückkehr nach Indien eine konkret drohende Foltergefahr bejaht bzw. ist dies bereits vom Bundesamt in solchen Fällen entsprechend festgestellt worden (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 21.04.2010 - 11 S 290/10 - Rd.Nr. 5, wonach das Verwaltungsgericht Sigmaringen mit Urteil vom 26.05.2006 - A 1 K 10241/05 - eine Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 AufenhtG bezüglich einer Abschiebung nach Indien für einen Vorstandsangehörigen der Untergrundorganisation International Sikh-Youth-Feteration - ISYF - feststellte; siehe ferner zu einem ISYF-Mitglied auch VG Ansbach, Urt. v. 01.04.2010 - A N 5 K 09.01429 - juris zu einer entsprechenden Feststellung des Bundesamtes zum Vorliegen des Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 AufenthG - juris Rd.Nr. 20; siehe ferner BVerfG, Beschl. v. 04.02.2008 - 2 BvR 214/08, wonach sich aus Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG eine Pflicht zur sorgfältigen Prüfung einer Mitgliedern von Babbar Khalsa im Falle einer Abschiebung nach Indien als Terrorverdächtigen dort drohenden Foltergefahr ergibt; siehe VG Gelsenkirchen, Urt. v. 07.09.2004 - 14 AK 19 K 79/03.A -, juris, Rd.Nr. 22, wonach Mitgliedern von Babbar Khalsa International aufgrund des hochrangigen Aktivitätsprofils im Ausland im Falle der Rückkehr Verhaftungen und mit hinreichender Verfolgungswahrscheinlichkeit auch Folter als gängige Polizeipraxis in Indien droht, siehe auch VGH Bad.-Württ., Urt. v. 01.08.1996 - A 12 S 2456/94 -, juris, wonach einem besonders exponiert exilpolitisch tätigen Mitglied der ISYF wegen seines publizistischen Einsatzes für die Khalistan-Bewegung bei Rückkehr nach Indien Folter droht und dort im Rahmen der Terrorismusbekämpfung mit intensiven Verhören und Foltern in verschärfter Form gerechnet werden muss; siehe VG Sigmaringen, Urt. v. 08.12.2009 - 1 K 2126/07 -, juris, zu einer positiven Verpflichtung des Bundesamtes zu einer Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 AufenthG, welche im entschiedenen Fall bereits mit Bescheid des Bundesamts vom 19.07.2006 festgestellt worden war; siehe schließlich VG Mainz, Urt. v. 27.04.2005 - 7 K 755/04.MZ - juris, wonach ein Sikh, der sich in Deutschland der Babbar Khalsa International angeschlossen hat und als stellvertretender Generalsekretär der Gruppe West ein Funktionärsamt inne hatte, im Falle der Abschiebung nach Indien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr läuft, der Folter unterworfen zu werden - juris, Rd.Nr. 31).
60 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1. Da der Kläger teils verliert, teils obsiegt, sind die Kosten des Verfahrens zwischen den Beteiligten zu halbieren. Das Abschiebungsverbot, das dem Kläger zumindest mit dem Status eines Geduldeten einen weiteren Aufenthalt in Deutschland ermöglicht, ist im vorliegenden Fall für ihn genauso bedeutsam, wie die Beibehaltung des Flüchtlingsstatus.
61 
Das Verfahren ist gem. §§ 83 b AsylVfG gerichtskostenfrei.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 19. Feb. 2014 - A 6 K 139/12

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 19. Feb. 2014 - A 6 K 139/12

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG
Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 19. Feb. 2014 - A 6 K 139/12 zitiert 9 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 1


(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 91


(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. (2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersp

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 54 Ausweisungsinteresse


(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 121


Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,1.die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und2.im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 19. Feb. 2014 - A 6 K 139/12 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 19. Feb. 2014 - A 6 K 139/12 zitiert 8 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 19. Nov. 2013 - 10 C 26/12

bei uns veröffentlicht am 19.11.2013

Tatbestand 1 Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 22. Nov. 2011 - 10 C 29/10

bei uns veröffentlicht am 22.11.2011

Tatbestand 1 Der am 1. September 1977 in der Türkei geborene Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Anerkennung als Asylberechtigter und Flüchtling.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 07. Juli 2011 - 10 C 26/10

bei uns veröffentlicht am 07.07.2011

Tatbestand 1 Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Asyl- und Flüchtlingsanerkennung. 2

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 31. März 2011 - 10 C 2/10

bei uns veröffentlicht am 31.03.2011

Tatbestand 1 Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Anerkennung als Flüchtling und Asylberechtigter.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 26. Okt. 2010 - 1 C 19/09

bei uns veröffentlicht am 26.10.2010

Tatbestand 1 Der Kläger, ein irakischer Staatsangehöriger, begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 21. Apr. 2010 - 11 S 200/10

bei uns veröffentlicht am 21.04.2010

Tenor Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 8. Dezember 2009 - 1 K 2126/07 - geändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des V

Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 08. Dez. 2009 - 1 K 2126/07

bei uns veröffentlicht am 08.12.2009

Tenor Der Bescheid des Beklagten vom 14.09.2007 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG zu erteilen. Der Beklagte trägt die

Verwaltungsgericht Stuttgart Entscheidung, 06. Juni 2005 - A 4 K 10512/05

bei uns veröffentlicht am 06.06.2005

Tenor Die Ziffern 2 bis 3 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 22.02.2005 werden aufgehoben. Die Ziffer 4 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 22.02.2005 wird aufgehoben, soweit hierin Herrn Y
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 19. Feb. 2014 - A 6 K 139/12.

Verwaltungsgericht München Urteil, 06. Okt. 2016 - M 17 K 16.30970

bei uns veröffentlicht am 06.10.2016

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Der Kläger ist Staatsange

Referenzen

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Anerkennung als Flüchtling und Asylberechtigter.

2

Der 1963 geborene Kläger ist ruandischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hutu an. 1983 legte er in Ruanda das Abitur ab, arbeitete dort anschließend als Lehrer und studierte dann von 1987 bis 1989 in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo). Im März 1989 reiste er zum Studium in die Bundesrepublik Deutschland ein. 1995 schloss er hier sein Studium der Volkswirtschaftslehre ab, im Dezember 2000 wurde ihm der Doktortitel verliehen. Seit dem Bürgerkrieg in Ruanda im Jahr 1994 engagierte sich der Kläger in Deutschland - überwiegend in leitender Funktion - in ruandischen Exilorganisationen. Mit Bescheid vom 17. März 2000 wurde er wegen der Gefahr der politischen Verfolgung, die ihm aufgrund seiner exilpolitischen Aktivitäten drohte, als Asylberechtigter anerkannt und festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich Ruandas vorliegen. Mitte 2001 wurde der Kläger Präsident der Forces Démocratiques de Libération du Rwanda (nachfolgend: FDLR), einer 1999 gegründeten Hutu-Exilorganisation, die im Osten der DR Kongo über bewaffnete Kampfgruppen verfügt.

3

Am 1. November 2005 nahm der Sanktionsausschuss des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen - gestützt auf die Sicherheitsrats-Resolution 1596 (2005) vom 18. April 2005 - den Kläger in die Liste von Personen und Einrichtungen auf, gegen die Restriktionen wegen des Waffenembargos für das Gebiet der DR Kongo verhängt wurden. Daraufhin widerrief das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 22. Februar 2006 die Asylanerkennung und die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG offensichtlich nicht vorliegen.

4

Der Widerruf wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Kläger Präsident der FDLR sei und daher aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt sei, dass er Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Handlungen begangen habe, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderliefen. Die FDLR sei für regelmäßige Übergriffe - wie Überfälle, Vergewaltigungen und Entführungen - auf Dorfbewohner in der ostkongolesischen Provinz Südkivu verantwortlich. Sie verfüge im Osten der DR Kongo schätzungsweise über 10 000 bis 15 000 Kämpfer und begehe seit Jahren systematisch Verbrechen an der kongolesischen Zivilbevölkerung. Es handele sich dabei um Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998. Der Kläger sei hierfür als Vorgesetzter verantwortlich. Durch die Verletzungen des durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 28. Juli 2003 verhängten Waffenembargos begehe die FDLR zudem Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderliefen. Der Sanktionsausschuss des Sicherheitsrats habe deshalb den Kläger auf die Liste der mit Sanktionen zu belegenden Personen gesetzt, von denen er überzeugt sei, dass sie gegen das Waffenembargo verstießen.

5

Das Verwaltungsgericht hob mit Urteil vom 13. Dezember 2006 den Widerrufsbescheid auf. Die Entscheidung beruhte im Wesentlichen auf der Erwägung, das Bundesamt habe das Vorliegen der Voraussetzungen von Ausschlussgründen nicht hinreichend darlegen und belegen können. Die in das Verfahren eingeführten Auskünfte seien eher vage und nicht hinreichend verlässlich. Das gelte umso mehr für die Verantwortlichkeit des Klägers.

6

Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens ist der Kläger aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 16. November 2009 unter anderem wegen Verdachts auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit und auf Kriegsverbrechen gemäß §§ 4, 7 Abs. 1 Nr. 1 und 6, § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 und 9, § 11 Abs. 1 Nr. 4 Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) in Untersuchungshaft genommen worden. Der Ermittlungsrichter des BGH hat am 17. Juni 2010 die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet (Beschluss vom 17. Juni 2010 - AK 3/10, JZ 2010, 960). Im Dezember 2010 hat der Generalbundesanwalt beim BGH Anklage gegen den Kläger und gegen den Vizepräsidenten der FDLR unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen erhoben; das Oberlandesgericht Stuttgart hat mit Beschluss vom 1. März 2011 die Anklage zugelassen.

7

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch Urteil vom 11. Januar 2010 das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Er teilt die Auffassung des Bundesamts, dass der Kläger als Präsident der FDLR die Ausschlusstatbestände des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3 AsylVfG verwirklicht habe und damit die Voraussetzungen für den Widerruf seiner Flüchtlingseigenschaft nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erfüllt seien. Dem Widerruf stehe nicht entgegen, dass die Handlungen, die zum Ausschluss führten, zeitlich nach der Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes lägen. Für den Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter gelte im Ergebnis nichts anderes.

8

Der Kläger habe die Ausschlusstatbestände des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3 AsylVfG zumindest als "in sonstiger Weise" Beteiligter nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG verwirklicht. Er sei Präsident der FDLR und allein dadurch als maßgeblicher Unterstützer für ihre Aktivitäten mitverantwortlich. Sein maßgeblicher Einfluss auf die Organisation und die grundsätzliche Billigung ihrer Kampfeinsätze sei von ihm selbst nie in Abrede gestellt worden und werde unter anderem durch Aussagen ehemaliger FDLR-Kämpfer bestätigt. Auch der Ermittlungsrichter des BGH komme, gestützt auf Zeugenaussagen und Telekommunikationsüberwachung, zu dem Ergebnis, dass der Kläger innerhalb der FDLR unumschränkte Befehls- und Verfügungsgewalt habe. Damit könnten die Ausschlussgründe, die von der Organisation als solche verwirklicht worden seien und nach ihrer Struktur von ihr verantwortet werden müssten, auch dem Kläger persönlich zugerechnet werden. Es sei aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt, dass Aktionen der FDLR Ausschlussgründe nach § 3 Abs. 2 AsylVfG erfüllten. Das Auswärtige Amt berichte seit Jahren über Ausplünderungen der Bevölkerung, Niederbrennen von Dörfern, Erschießungen von Frauen und Kindern, Massenvergewaltigungen und Verstümmelungen als Kriegswaffe sowie die Rekrutierung von Kindersoldaten (auch) durch die FDLR. Das Gericht sei davon überzeugt, dass die berichteten Gewalttaten mindestens zu einem großen Teil auch tatsächlich der FDLR zur Last fielen und dass die Übergriffe auf die Zivilbevölkerung von der FDLR systematisch als Mittel der Kriegsführung eingesetzt würden. Die aufgeführten Taten der FDLR stellten Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 dar.

9

Der Ausschlusstatbestand der Zuwiderhandlung gegen Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG) sei ebenfalls erfüllt. Er ergebe sich aus den festgestellten systematischen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die FDLR gehöre zu den staatsähnlichen Gebilden und der Kläger persönlich zu den Trägern von Machtpositionen, die in der Lage seien, Zuwiderhandlungen gegen Ziele der Vereinten Nationen zu begehen.

10

Der Kläger begründet seine gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision im Wesentlichen wie folgt: Die Anerkennung als Asylberechtigter und Flüchtling dürfe nach § 73 Abs. 1 AsylVfG nur widerrufen werden, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anerkennungsentscheidung nicht mehr vorlägen. Die nachträgliche Verwirklichung von Ausschlusstatbeständen rechtfertige einen Widerruf hingegen nicht. Auch die Genfer Flüchtlingskonvention gehe davon aus, dass die Ausschlusstatbestände des Art. 1 F bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Aufnahme als Flüchtling vorgelegen haben müssten. Statusbeendende Maßnahmen dürften nur unter den Voraussetzungen des Art. 33 Abs. 2 GFK erfolgen. Ein Widerruf der Asylberechtigung wegen nachträglicher Verwirklichung von Ausschlusstatbeständen verstoße gegen Art. 16a GG. Wenn man eine immanente Schranke der Asylgewährung in den Rechten der Allgemeinheit sehe, sei darunter die deutsche Allgemeinheit zu verstehen, die im vorliegenden Fall aber nicht betroffen sei. Weiterhin werde seine persönliche Verantwortlichkeit durch Anstiftung und Organisationsherrschaft nur behauptet. Es sei nicht festgestellt worden, welchen Tatbeitrag er geleistet habe. Im Übrigen sei sein Recht auf ein faires Verfahren dadurch verletzt worden, dass sein mit Schriftsatz vom 4. Januar 2010 hilfsweise gestellter Antrag abgelehnt worden sei, das Verfahren auszusetzen, bis vorläufige Ergebnisse der Ermittlungen der Bundesanwaltschaft im Kongo vorlägen. Erst im Zeitraum von ca. 2 Monaten vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs seien Berichte veröffentlicht worden, die überhaupt eine Basis für die getroffene Entscheidung darstellen könnten. Durch die Ablehnung einer Aussetzung sei sein Recht vereitelt worden, Beweise gegen den durch die Berichte vermittelten Eindruck über die Verwicklungen der FDLR und seine Beteiligung zu sammeln.

11

Die Beklagte tritt der Revision entgegen und verteidigt im Wesentlichen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs. Bei der erhobenen Verfahrensrüge müsse sich der Kläger entgegenhalten lassen, dass er nicht die ihm zu Gebote stehenden und sachgerechten Mittel gewählt habe, etwa anstelle eines Aussetzungsantrags konkrete Beweisanträge zu stellen. Die dem Kläger im Kern zur Last gelegten Vorwürfe seien auch nicht erst kurzfristig vor der Berufungsverhandlung entstanden, sondern seien bereits Grundlage des Widerrufsbescheids gewesen.

12

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich an dem Verfahren und schließt sich im Wesentlichen der Argumentation der Beklagten an.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die von ihm erhobene Verfahrensrüge ist unzulässig (1.). Die Rüge der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) bleibt ohne Erfolg. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, dass die Rechtsstellung des Klägers als Flüchtling (2.a) und als Asylberechtigter (2.b) zu Recht widerrufen wurde, steht mit Bundesrecht in Einklang.

14

1. Die vom Kläger erhobene Rüge der Verletzung der Grundsätze eines fairen Verfahrens (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) durch die Verweigerung einer Aussetzung des Verfahrens ist unzulässig.

15

Soweit sie sich gegen die Ablehnung der Aussetzung des Verfahrens nach § 94 VwGO wendet, ergibt sich die Unzulässigkeit der Verfahrensrüge daraus, dass ein Verstoß gegen § 94 VwGO als solcher im Revisionsverfahren nicht als Verfahrensmangel rügefähig ist. Eine Aussetzungsentscheidung nach § 94 VwGO ist unanfechtbar, wenn sie im Beschlussweg ergeht (§ 152 Abs. 1 VwGO). Die Revision kann in diesen Fällen nicht auf eine fehlerhafte Ablehnung einer Aussetzung gestützt werden. Dies folgt aus § 173 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO (vgl. Beschluss vom 22. Dezember 1997 - BVerwG 8 B 255.97 - NJW 1998, 2301; Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Juli 2009, § 94 Rn. 42; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 132 Rn. 52). Nichts anderes kann dann gelten, wenn - wie hier - über die hilfsweise begehrte Aussetzung im Urteil entschieden und diese verweigert wird (Beschluss vom 15. April 1983 - BVerwG 1 B 133.82 - Buchholz 310 § 94 VwGO Nr. 4).

16

Der Kläger legt auch nicht dar, dass die Verweigerung der Aussetzung des Verfahrens zu einem Folgemangel geführt hat, der dem Berufungsurteil weiter anhaftet (vgl. hierzu Urteil vom 17. Februar 1972 - BVerwG 8 C 84.70 - BVerwGE 39, 319 <324>). Zwar rügt die Revision eine Verletzung des fairen Verfahrens dadurch, dass dem Kläger durch die verweigerte Aussetzung des Verfahrens die Möglichkeit genommen worden sei, Beweise "gegen die durch die Berichte entstandenen Eindrücke über die Verwicklungen der FDLR und seiner Beteiligung zu sammeln". Damit wird der Sache nach eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 138 Nr. 3 VwGO) geltend gemacht. Insoweit fehlt es aber an einer den gesetzlichen Vorgaben aus § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügenden Darlegung eines Verfahrensmangels, einschließlich der Angabe der Tatsachen, die diesen Mangel ergeben. Denn der Kläger gibt nicht an, weshalb es ihm nicht möglich gewesen sein soll, zu den die FDLR belastenden, von ihm nicht näher bezeichneten "Berichten" Stellung zu nehmen, die "im Zeitraum von ca. 2 Monaten vor der Entscheidung" veröffentlicht worden seien. Dies wäre aber erforderlich gewesen, um zu begründen, weshalb mit der Berufungsentscheidung am 11. Januar 2010 gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs oder des fairen Verfahrens verstoßen worden sein soll. Es hätte dem Kläger oblegen, darzutun, welche der Vorwürfe aus welchen "Berichten" er für unzutreffend erachtet und weshalb es ihm noch nicht möglich gewesen ist, seine Sicht der Dinge darzulegen und unter Beweis zu stellen. Im Übrigen stützt sich das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs nicht nur auf Berichte des Auswärtigen Amtes, einer vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eingesetzten Expertengruppe und von Nichtregierungsorganisationen wie Human Rights Watch, sondern auch auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs (BGH), der dem Kläger - wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom Bevollmächtigten des Klägers eingeräumt - bei seiner Inhaftierung Mitte November 2009 bekannt gegeben worden war. Der geltend gemachte Verfahrensverstoß ist des Weiteren auch deshalb nicht dargelegt, weil der Kläger in der Revisionsbegründung nicht angibt, was er im Einzelnen noch vorgetragen und gegebenenfalls unter Beweis gestellt hätte, wenn ihm hinreichend Zeit zur Erwiderung eingeräumt worden wäre (vgl. Beschluss vom 13. Juni 2007 - BVerwG 10 B 61.07 - juris Rn. 5).

17

2. Die Rüge der Verletzung von Bundesrecht ist unbegründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat in Übereinstimmung mit Bundesrecht entschieden, dass der Widerruf der Anerkennung des Klägers als Flüchtling und Asylberechtigter zu Recht erfolgte. Er entspricht den maßgeblichen Anforderungen des § 73 AsylVfG. Dabei ist hinsichtlich der formellen Voraussetzungen auf die zum Zeitpunkt seines Erlasses geltende Fassung des am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Zuwanderungsgesetzes abzustellen. Hinsichtlich der materiellen Voraussetzungen ist die Vorschrift in der seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - am 28. August 2007 geltenden Fassung (Bekanntmachung der Neufassung des Asylverfahrensgesetzes vom 2. September 2008, BGBl I S. 1798) anzuwenden.

18

Die formellen Widerrufsvoraussetzungen des § 73 AsylVfG liegen vor. Die Revision hat insoweit auch keine Einwände erhoben.

19

a) Zutreffend ist der Verwaltungsgerichtshof zu dem Ergebnis gekommen, dass auch die materiellen Voraussetzungen für den Widerruf der Flüchtlingseigenschaft erfüllt sind. Gemäß § 73 Abs. 1 AsylVfG ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen.

20

aa) Entgegen der Auffassung der Revision erfasst die Vorschrift nicht nur das nachträgliche Entfallen verfolgungsbegründender Umstände, das in Satz 2 der Vorschrift als Beispielfall ("insbesondere") angeführt wird, sondern auch die nachträgliche Verwirklichung von Ausschlussgründen nach § 3 Abs. 2 AsylVfG.

21

(1) Dafür spricht schon der Wortlaut des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, der ohne sachliche Einschränkung die Verpflichtung zum Widerruf begründet, wenn die Voraussetzungen für die Anerkennung "nicht mehr" vorliegen. Das ist auch bei nachträglicher Verwirklichung von Ausschlussgründen der Fall. Dass diese Fallgestaltung von der Regelung mit erfasst werden soll, ergibt sich zudem aus § 73 Abs. 2a Satz 4 AsylVfG. Danach ist ein Widerruf auch nach Ablauf von 3 Jahren nach Unanfechtbarkeit der Anerkennungsentscheidung möglich, steht dann aber im Ermessen des Bundesamts, es sei denn der Widerruf erfolgt, weil die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder des § 3 Abs. 2 AsylVfG vorliegen. Im letzten Fall bleibt es bei der Verpflichtung zum Widerruf nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Die Regelung geht also davon aus, dass auch die Verwirklichung von Ausschlusstatbeständen zu den Gründen zählt, deren nachträgliches Eintreten zur Folge hat, dass die Anerkennungsvoraussetzungen im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG "nicht mehr" vorliegen. Das Ergebnis wird bestätigt durch die Begründung der Bundesregierung zu § 73 Abs. 1 AsylVfG in der Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes (BTDrucks 16/5065 S. 219). Danach sind die Voraussetzungen für den Widerruf "auch dann gegeben, wenn nachträglich Ausschlussgründe eintreten". Ausgenommen ist hiervon nur der Ausschlussgrund nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG, dessen Tatbestand eine vor der Aufnahme als Flüchtling begangene schwere nichtpolitische Straftat voraussetzt.

22

(2) Dem steht die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) nicht entgegen. Diese regelt in Art. 1 F GFK nur die materiellen Voraussetzungen für den Ausschluss von der Flüchtlingseigenschaft, nicht aber das Verfahren der Zu- und Aberkennung. Den Ausschlusstatbeständen liegt maßgeblich das Konzept der Asylunwürdigkeit zugrunde (vgl. Urteil vom 24. November 2009 - BVerwG 10 C 24.08 - BVerwGE 135, 252 Rn. 24 ff.). Die Notwendigkeit des Ausschlusses asylunwürdiger Personen hängt aber nicht davon ab, zu welchem Zeitpunkt sie die materiellen Ausschlussgründe nach Art. 1 F GFK verwirklichen. Etwas anderes gilt nur für den Ausschlussgrund des Art. 1 F Buchst. b GFK, der sich - anders als die hier maßgeblichen Ausschlusstatbestände des Art. 1 F Buchst. a und c GFK - auf nichtpolitische Straftaten beschränkt, die vor Aufnahme als Flüchtling begangen wurden (ebenso wie § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG). Auch der Hohe Flüchtlingskommissar hält eine Aufhebung der Flüchtlingsanerkennung für gerechtfertigt, wenn Ausschlussgründe erst nach der Anerkennungsentscheidung verwirklicht werden. So führt er in Ziffer 4 der UNHCR-Richtlinie zur Beendigung der Flüchtlingseigenschaft vom 10. Februar 2003 (HCR/GIP/03/03) aus: "Ein Widerruf kann ausgesprochen werden, wenn ein Flüchtling im Nachhinein durch sein Verhalten den Tatbestand des Artikels 1 F (a) oder 1 F (c) erfüllt." Gegenteiliges kann nicht aus der Formulierung der Ausschlusstatbestände in der Vergangenheit geschlossen werden ("begangen haben", "zuschulden kommen ließen"), denn daraus ergibt sich nur, dass ein entsprechendes Verhalten vorgelegen haben muss, bevor der Ausschlusstatbestand greift (anders aber Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: Juni 2010, § 2 Rn. 33). Nicht gefolgt werden kann auch der Auffassung von Marx (InfAuslR 2005, 218 <225 f.>), auf die die Revision sich beruft. Er begründet seine Meinung, die nationale Regelung über die Ausschlussgründe könne völkerrechtlich unbedenklich nur die Statusentscheidung sperren, nicht aber einen nachträglichen Widerruf rechtfertigen, unter Bezugnahme auf die Background Note des UNHCR zu den Ausschlussgründen aus dem Jahr 2003 (a.a.O. S. 226 Fn. 52). Marx zitiert aber nur die Passage, die sich mit einer Aufhebung der Flüchtlingsanerkennung ex tunc befasst, während der UNHCR im darauf folgenden Abschnitt der genannten Background Note (a.a.O. Rn. 17) den Widerruf ex nunc wegen nachträglicher Verwirklichung von Ausschlusstatbeständen nach Art. 1 F Buchst. a und c GFK für gerechtfertigt hält, wenn die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind, und als Beispiel die Beteiligung des Flüchtlings an bewaffneten Aktionen im Aufnahmeland nennt.

23

(3) Für eine solche Auslegung des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG spricht auch Art. 14 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/83/EG, der bei Erfüllung eines Ausschlusstatbestandes die Verpflichtung zur Beendigung, Aberkennung oder Nichtverlängerung der Flüchtlingseigenschaft unabhängig davon begründet, wann die Ausschlussgründe entstanden sind ("hätte ausgeschlossen werden müssen oder ausgeschlossen ist"). § 73 AsylVfG i.d.F. des Richtlinienumsetzungsgesetzes von 2007 dient der Umsetzung auch dieser EU-Vorschrift und ist daher in Übereinstimmung mit ihr auszulegen (so im Ergebnis auch Hailbronner, AuslR, Stand: Aug. 2008, § 73 AsylVfG Rn. 50; Wolff, in: HK-AuslR, § 73 AsylVfG Rn. 23).

24

(4) Der Kläger genießt entgegen der Ansicht der Revision keinen Vertrauensschutz dahin, dass seine Anerkennung als Flüchtling vom März 2000 nicht nachträglich den Einschränkungen unterworfen wird, die sich aus der Einführung der Ausschlussgründe in bundesdeutsches Recht mit Wirkung zum 1. Januar 2002 durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9. Januar 2002 (BGBl I S. 361) ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Erfüllung von Ausschlussgründen durch den Kläger aus Tatsachen abgeleitet, die im Schwerpunkt im Zeitraum von 2005 bis 2009 verwirklicht wurden. Aus der Zeit vor 2005 ist insoweit nur die Übernahme des Amtes des Präsidenten der FDLR durch den Kläger Mitte 2001 von Bedeutung. Es kann offenbleiben, ob ein Ausschluss von der Flüchtlingseigenschaft sich nicht auch auf Handeln beziehen darf, das vor der Normierung der Ausschlussgründe im nationalen Recht verwirklicht wurde. Denn hier beruht der Widerruf der Flüchtlingseigenschaft ausschließlich auf dem Kläger zugerechneten Verbrechen der FDLR, die nach Einführung der Ausschlussgründe begangen wurden. Auf Vertrauensschutz kann sich der Kläger schon deshalb nicht berufen. Im Übrigen fordert auch Unionsrecht die Anwendung der Ausschlussgründe auf vor Inkrafttreten der Richtlinie 2004/83/EG ausgesprochene Anerkennungen. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) weist in diesem Zusammenhang auf den zwingenden Charakter des Art. 14 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie hin, der bei Vorliegen von Ausschlussgründen eine Aberkennung oder Beendigung der Flüchtlingseigenschaft auch für schon vorher eingeleitete und abgeschlossene Verfahren verlangt (EuGH, Urteil vom 9. November 2010 - Rs. C-57/09, (B) und Rs. C-101/09, (D) - NVwZ 2011, 285 Rn. 74).

25

bb) Das Berufungsgericht ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger den Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG verwirklicht hat. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG ist ein Ausländer unter anderem dann kein Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen.

26

(1) Der Verwaltungsgerichtshof hat seiner Beurteilung, dass der Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG erfüllt ist, den zutreffenden Beweismaßstab zugrunde gelegt. Er ist zu der Überzeugung gelangt, dass durch Handlungen der FDLR Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG begangen wurden und diese dem Kläger als Präsidenten der FDLR zuzurechnen sind. Für diese Überzeugungsbildung reicht es aus, dass die Annahme der Begehung entsprechender Verbrechen aus schwerwiegenden Gründen gerechtfertigt ist. Ein Beweisstandard, wie er etwa im Strafrecht verlangt wird, ist hierfür nicht erforderlich. Vielmehr ergibt sich aus der Qualifizierung als "schwerwiegend", dass die Anhaltspunkte für die Begehung der in § 3 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG genannten Verbrechen von erheblichem Gewicht sein müssen. Schwerwiegend sind die Gründe in der Regel dann, wenn klare und glaubhafte Indizien für die Begehung derartiger Verbrechen vorliegen (vgl. hierzu die Empfehlung <2005> 6 des Ministerrats des Europarats vom 23. März 2005 zum Ausschluss von der Flüchtlingseigenschaft nach Art. 1 F Buchst. b GFK; ähnlich Hailbronner, AuslR, Stand: Dez. 2007, § 3 AsylVfG Rn. 8). Von diesem Beweismaßstab ist das Berufungsgericht ausgegangen (UA Rn. 29).

27

(2) Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, welche zum Ausschluss nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG führenden Handlungen die FDLR im Einzelnen nach der Überzeugung des Gerichts begangen hat. Dazu zählt die Ausplünderung der Bevölkerung, das Niederbrennen von Dörfern, Erschießungen von Frauen und Kindern, Entführungen, Massenvergewaltigungen und Verstümmelungen als Mittel der Kriegsführung sowie die Rekrutierung von Kindersoldaten. Das Berufungsgericht entwickelt seine Überzeugung nicht nur aufgrund einer zusammenfassenden Würdigung von Lageberichten des Auswärtigen Amtes, sondern bezieht sich auch auf konkret aufgelistete Fälle im Bericht einer Expertengruppe der Vereinten Nationen vom 23. November 2009, im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des BGH vom 16. November 2009, in den Berichten von Human Rights Watch vom April und Dezember 2009 und in der Informationsschrift des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom Mai 2009. Die Beweiswürdigung beruht auf einer hinreichend breiten Tatsachengrundlage.

28

Der Verwaltungsgerichtshof wertet diese Taten zutreffend als Kriegsverbrechen im Sinne von Art. 8 und als Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne von Art. 7 Buchst. a und g des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 (BGBl 2000 II S. 1394, nachfolgend: IStGH-Statut). Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 24. November 2009 - BVerwG 10 C 24.08 - (a.a.O. Rn. 31) entschieden, dass sich die Frage, ob Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG vorliegen, gegenwärtig in erster Linie nach den im IStGH-Statut ausgeformten Tatbeständen dieser Delikte bestimmt. Denn darin manifestiert sich der aktuelle Stand der völkerstrafrechtlichen Entwicklung bei Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht. Dabei durfte der Verwaltungsgerichtshof offenlassen, ob es sich bei den Kämpfen im Ostkongo um einen internationalen oder einen nichtinternationalen bewaffneten Konflikt handelt, weil die festgestellten Morde, Vergewaltigungen, Verstümmelungen, Plünderungen und Zwangsrekrutierungen von Kindersoldaten in beiden Fällen als Kriegsverbrechen im Sinne von Art. 8 IStGH-Statut anzusehen sind (Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. I, Buchst. b Ziff. I, II, X, XVI, XXII, Buchst. c Ziff. I, Buchst. e Ziff. I, V, VI, VII und XI IStGH-Statut, Art. 2 und 3 des Genfer Abkommens zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten vom 12. August 1949, BGBl 1954 II, S. 917). Die Morde und Vergewaltigungen im Rahmen eines ausgedehnten und systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung stellen gleichzeitig Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne von Art. 7 Buchst. a und g IStGH-Statut dar (vgl. auch Haftbefehl des Ermittlungsrichters des BGH vom 16. November 2009 S. 16 ff.).

29

(3) Das Berufungsgericht hat eine Verantwortlichkeit des Klägers für die von der FDLR begangenen Verbrechen zutreffend aus dessen Stellung als Präsident der Organisation und dem damit verbundenen Einfluss auf die Handlungen ihrer Kämpfer abgeleitet. Die im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen tragen den Schluss, dass der Kläger als Täter der von der FDLR begangenen Verbrechen anzusehen ist und nicht nur - wie im Berufungsurteil angenommen - als ein daran in sonstiger Weise Beteiligter gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG.

30

Die Verantwortlichkeit des Klägers ergibt sich aus Art. 28 Buchst. a IStGH-Statut. Danach ist ein militärischer Befehlshaber unter anderem bereits dann für die von Truppen unter seiner Führungsgewalt und Kontrolle begangenen Verbrechen verantwortlich, wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass in seinem Einflussbereich derartige Verbrechen begangen wurden und er nicht alles in seiner Macht stehende unternommen hat, um ihre Begehung zu verhindern. Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass der Kläger Präsident der FDLR ist, maßgeblichen Einfluss auf die Organisation ausübt und innerhalb der FDLR unumschränkte Befehls- und Verfügungsgewalt besitzt. Ergänzend verweist er auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des BGH vom 16. November 2009, der ebenfalls zu diesem Ergebnis kommt. Danach ist der Kläger als Präsident der FDLR zugleich ihr oberster militärischer Befehlshaber (Haftbefehl S. 6 und 14 ff.) und demzufolge berechtigt, sowohl strategische Einsatzbefehle zu erteilen als auch bestimmte Kampfhandlungen oder Kampfmethoden zu unterbinden (Haftbefehl S. 15). Er habe auch faktisch die Befehlsgewalt ausgeübt. Die dem Kläger nachgeordneten, vor Ort tätigen Kommandanten hätten regelmäßig über Satellitentelefon, E-Mail oder herkömmliche Fernsprechverbindungen den engen Kontakt zum Kläger gesucht, um dessen Anordnungen entgegenzunehmen oder zumindest sein Einverständnis zu bestimmten Militäraktionen einzuholen (Haftbefehl S. 15 und 23 ff.). Ausgehend von diesen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) ergibt sich hieraus die Verantwortlichkeit des Klägers für die von der FDLR begangenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß Art. 28 Buchst. a IStGH-Statut.

31

Der Kläger handelte nach den Feststellungen im Berufungsurteil auch vorsätzlich. Für die subjektive Verantwortlichkeit im Sinne von Art. 28 Buchst. a IStGH-Statut reicht zwar Fahrlässigkeit. Der Verwaltungsgerichtshof verweist hinsichtlich der subjektiven Verantwortlichkeit aber auf den Haftbefehl vom 16. November 2009, in dem der Ermittlungsrichter zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger vorsätzlich gehandelt hat. Dies wird damit begründet, dass er aufgrund der zahlreichen Berichte wie auch der persönlichen Unterrichtung durch die örtlichen Kommandanten der FDLR Kenntnis von den Straftaten der FDLR-Milizionäre gehabt habe. Er sei sich darüber im Klaren gewesen, dass die von ihm befehligten Milizionäre in ihrem Herrschaftsbereich weiterhin Tötungen, Folterungen, Plünderungen und Vertreibungen begehen würden, solange er dies nicht unterbindet. Mit Recht kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass distanzierende Presseerklärungen für ein entsprechendes Unterbinden der Verbrechen nicht ausreichen. Auch die Verankerung des Verbots derartiger Verbrechen im Statut der FDLR, auf die die Revision sich beruft, reicht nicht aus, wenn der Kläger keine geeigneten Maßnahmen zur Durchsetzung des Verbots ergreift.

32

Zu einer Verantwortlichkeit des Klägers kommt man auch, wenn man die Kriterien des Gerichtshofs der Europäischen Union anlegt, wie er sie in seinem Urteil vom 9. November 2010 für den Ausschluss von der Flüchtlingseigenschaft nach Art. 12 Abs. 2 Buchst. b und c der Richtlinie 2004/83/EG entwickelt hat (a.a.O. Rn. 95 ff.). Danach kann dem Mitglied einer Organisation ein Teil der Verantwortung für Handlungen, die von der fraglichen Organisation im Zeitraum seiner Mitgliedschaft begangen wurden, zugerechnet werden. Dabei ist insbesondere von Bedeutung, welche Rolle die betreffende Person bei der Verwirklichung der fraglichen Handlungen tatsächlich gespielt hat, welche Position sie innerhalb dieser Organisation gehabt hat und welche Kenntnis sie von deren Handlungen hatte oder haben musste. Hier hatte der Kläger als Präsident und militärischer Oberbefehlshaber eine hervorgehobene Stellung in der Organisation, die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beging. Er wusste von den begangenen Verbrechen und ergriff keine geeigneten Maßnahmen, die Taten zu verhindern.

33

Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang die Rüge der Revision, der Verwaltungsgerichtshof habe die Verantwortlichkeit des Klägers nur behauptet und nicht festgestellt, welchen Tatbeitrag er geleistet habe. Das Berufungsurteil stellt vielmehr auf die Organisationsherrschaft des Klägers als Präsident und militärischer Oberbefehlshaber ab, wodurch ihm alle Handlungen der von ihm geleiteten Organisation zugerechnet werden, sofern er nicht geeignete Schritte zu ihrer Verhinderung ergriffen hat. Der Verweis auf seine Organisationsherrschaft als Präsident ist mehr als eine lediglich "pauschale Behauptung der Täterschaft". Auch trifft es nicht zu, dass - wie die Revision behauptet - die Auswertungen der Kommunikationsüberwachung (TKÜ) und des Laptops des Klägers keine Rolle spielen dürften, weil diese "selbst am 31. März 2010 weitgehend noch nicht ausgewertet" gewesen seien. Der Haftbefehl stützt sich bei seiner Bewertung, dass der Kläger maßgeblichen Einfluss auf die FDLR ausgeübt habe, auf die Angaben des Klägers selbst, auf zahlreiche Berichte von Nichtregierungsorganisationen, auf die Angaben von drei Zeugen sowie die Erkenntnisse aus der Überwachung der Telekommunikation des Klägers und der Auswertung seines E-Mail-Verkehrs. Diese Unterlagen sind detailreich und präzise.

34

cc) Da die Anerkennung des Klägers als Flüchtling wegen der Verwirklichung des Ausschlussgrundes nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG zu widerrufen war, konnte der Senat offenlassen, ob der Kläger - wie vom Berufungsgericht angenommen - auch die Voraussetzungen für den Ausschlussgrund nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG erfüllt. Allerdings spricht viel dafür, dass der Kläger den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.

35

(1) Die für den Ausschlussgrund nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG maßgeblichen Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen werden in der Präambel und in den Art. 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt (vgl. EuGH, Urteil vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 82). In der Präambel wie in Art. 1 der Charta wird das Ziel formuliert, den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren. Kapitel VII der Charta (Art. 39 bis 51) regelt die zu ergreifenden Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen. Nach Art. 39 der Charta obliegt dem Sicherheitsrat die Feststellung, ob eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist dem Umstand besondere Bedeutung beizumessen, dass der Sicherheitsrat, indem er Resolutionen aufgrund von Kapitel VII der Charta beschließt, nach Art. 24 der Charta die Hauptverantwortung wahrnimmt, die ihm zur weltweiten Wahrung des Friedens und der Sicherheit übertragen ist. Das schließt die Befugnis des Sicherheitsrats ein zu bestimmen, was eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit darstellt (EuGH, Urteil der Großen Kammer vom 3. September 2008 - Rs. C-402/05 P und Rs. C-415/05 P, Kadi und Al Barakaat - Slg. 2008 Rn. 294).

36

In der Resolution 1493 (2003) vom 28. Juli 2003 hat der UN-Sicherheitsrat festgestellt, dass der bewaffnete Konflikt in der DR Kongo eine Bedrohung des Weltfriedens darstellt, und sein Handeln ausdrücklich auf Kapitel VII der Charta gestützt (Resolution vor Ziffer 1). Dabei hat er auf das Andauern von Feindseligkeiten im Osten des Landes Bezug genommen und auf die damit einhergehenden schweren Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts. Er verurteilt entschieden die "systematischen Gewalthandlungen gegen Zivilpersonen, einschließlich der Massaker, sowie die anderen Gräueltaten und Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte, insbesondere die sexuellen Gewalthandlungen gegen Frauen und Mädchen, und betont, dass die Verantwortlichen, auch auf Führungsebene vor Gericht gestellt werden müssen" (Ziffer 8 der Resolution). Zudem hat der Sicherheitsrat ein Waffenembargo zur Verhinderung der weiteren Einfuhr von Rüstungsgütern und sonstigem Wehrmaterial in die DR Kongo verhängt (Ziffer 20 der Resolution). Damit steht fest, dass die bewaffneten Auseinandersetzungen in der DR Kongo, an denen die FDLR beteiligt ist, eine Störung des Weltfriedens darstellen, ohne dass die nationalen Gerichte insoweit zu einer Überprüfung ermächtigt sind. Aufgrund der Resolution des UN-Sicherheitsrates steht weiter fest, dass die Störung des Weltfriedens jedenfalls auch durch die in der Resolution näher bezeichneten Gräueltaten und Verletzungen des humanitären Völkerrechts wie auch die Einfuhr von Waffen in das Konfliktgebiet erfolgt. Diese Störungshandlungen laufen damit den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider.

37

(2) Einer Verwirklichung des Ausschlussgrundes durch den Kläger würde es allerdings entgegenstehen, wenn derartige Zuwiderhandlungen nur von Personen begangen werden könnten, die eine Machtposition in einem Mitgliedstaat der Vereinten Nationen oder zumindest in einer staatsähnlichen Organisation innehaben. Diese Auffassung wird nicht nur vom UNHCR vertreten, sondern entspricht auch der früheren Rechtsprechung des 1. Senats des Bundesverwaltungsgerichts (UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, Genf, September 1979, Nr. 163; Urteil vom 1. Juli 1975 - BVerwG 1 C 44.68 - Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 9). Dass der Kläger zu diesem Personenkreis zählt, lässt sich den Feststellungen im Berufungsurteil nicht entnehmen. Denn für die Annahme des Berufungsgerichts, dass er als Präsident der FDLR einer staatsähnlichen Organisation vorstehe, liegen keine ausreichenden, diesen Schluss rechtfertigenden Tatsachenfeststellungen vor.

38

Aus Sicht des Senats spricht allerdings viel dafür, dass unter bestimmten engen Voraussetzungen auch nichtstaatliche Akteure den Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG verwirklichen können. Für Mitglieder terroristischer Organisationen ergibt sich dies aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 9. November 2010 (a.a.O. Rn. 82 ff.). Danach laufen Handlungen des internationalen Terrorismus "unabhängig von der Beteiligung eines Staates" den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider und führen im Falle individueller Verantwortung zum Ausschluss von der Flüchtlingseigenschaft. Dies hat der Gerichtshof unter Bezug auf die Resolution 1373 (2001) vom 28. September 2001 begründet, die in Ziffer 5 ausdrücklich "erklärt, dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen". Für andere Verletzungen des Weltfriedens ist auf der Grundlage der vom UN-Sicherheitsrat verabschiedeten Resolutionen festzustellen, ob und worin er eine Verletzung des Weltfriedens sieht, ob ein privater Akteur maßgeblichen Einfluss darauf hat und ob von ihm eine ähnliche Wirkung auf die Störung des Weltfriedens ausgeht wie von staatlichen Verantwortungsträgern. Diese Auslegung ermöglicht eine sachgerechte Abgrenzung der Ausschlussgründe nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3 AsylVfG, denn Nr. 3 erfasst dann auch das Handeln nichtstaatlicher politischer Verantwortungsträger, die möglicherweise nicht strafrechtlich nach Nr. 1 zur Verantwortung gezogen werden können, deren Ausschluss wegen ihres maßgeblichen Einflusses auf die Störung des Weltfriedens etwa als politische Repräsentanten oder Anführer paramilitärischer Verbände oder Milizen aber zur Wahrung der Integrität des Flüchtlingsstatus geboten ist.

39

Auch Gerichte anderer Staaten wenden die Ausschlussklausel des Zuwiderhandelns gegen Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen (Art. 1 F Buchst. c GFK) auf Personen an, die keine staatliche Macht ausüben (vgl. etwa Urteil des britischen Immigration Appeal Tribunal vom 7. Mai 2004, KK

<2004> UKIAT 00101 Rn. 20; Supreme Court of Canada in der Sache Pushpanathan v. Canada <1999> INLR 36), ohne dass insoweit aber eine einheitliche Staatenpraxis besteht. Folgt man der vom Senat hier entwickelten Auslegung, wäre an der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1975 nicht mehr festzuhalten, wonach die Ausschlussbestimmung des Art. 1 F Buchst. c GFK nur Handlungen erfasst, die dem zwischenstaatlichen (internationalen) Frieden und der zwischenstaatlichen Völkerverständigung zuwiderlaufen (vgl. Urteil vom 1. Juli 1975 a.a.O.).

40

Geht man von diesen Kriterien aus, so ergibt sich eine solche Verantwortlichkeit des Klägers nicht schon aus der Tatsache, dass er von den Vereinten Nationen in eine Liste von Personen aufgenommen wurde, gegen die Beschränkungen zur Durchsetzung des Waffenembargos ergriffen werden sollen. Durch die Resolution 1596 (2005) vom 18. April 2005 hat der Sicherheitsrat in Ziffern 13 und 15 ein Einreiseverbot und finanzielle Restriktionen gegen Personen beschlossen, die nach Ziffer 18 Buchst. a der Resolution von einem dafür benannten Ausschuss benannt und in einer zu aktualisierenden Liste erfasst werden. In diese Liste wurde der Kläger am 1. November 2005 aufgenommen, wobei seine Erfassung mit seiner Stellung als Präsident der FDLR und seiner Beteiligung am Waffenhandel in Verletzung des verhängten Embargos begründet wird. Allerdings genügt die Aufnahme in eine derartige Liste allein nicht, um den Ausschlussgrund des Zuwiderhandelns gegen Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen anzunehmen; ihr kommt insoweit (nur) eine erhebliche Indizwirkung zu. Vielmehr bedarf es, wenn der Betreffende - wie hier - die zugrundeliegenden tatsächlichen Umstände bestreitet, entsprechender Feststellungen durch die nationalen Behörden bzw. Gerichte. Diese Prüfung hat sich auch auf die individuelle Verantwortung des Klägers in Bezug auf das Zuwiderhandeln gegen Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen durch Verletzung des Waffenembargos zu beziehen (vgl. Urteil des EuGH vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 82 ff.). Eine solche individuelle Prüfung hat das Berufungsgericht hier nicht vorgenommen.

41

Für eine Verantwortlichkeit des Klägers im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG spricht indes folgender Umstand: Aus der Resolution 1493 (2003) des UN-Sicherheitsrats ergibt sich, dass eine Störung des Weltfriedens vorliegt und dass sie von den bewaffneten Auseinandersetzungen im Osten der DR Kongo ausgeht, an denen nicht nur staatliche Armeeeinheiten sondern auch nichtstaatliche Milizen wie die FDLR beteiligt sind, sowie von den systematischen Gewalthandlungen gegen Zivilpersonen und Verletzungen des humanitären Völkerrechts, zu deren Verhinderung der Sicherheitsrat "alle Parteien, einschließlich der Regierung der Demokratischen Republik Kongo" auffordert (Ziffer 8 der Resolution). Das spricht dafür, dass hier auch nichtstaatlichen Akteuren ein maßgeblicher Einfluss auf die Störung des Weltfriedens zugeschrieben wird. Nimmt man die Feststellungen des Berufungsgerichts hinzu, dass die FDLR seit Jahren an dem bewaffneten Konflikt beteiligt ist, ein Territorium im Osten der DR Kongo besetzt hält und systematisch Gewaltakte gegen die Zivilbevölkerung verübt, so dürfte sie als eine nichtstaatliche Organisation anzusehen sein, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderhandelt. Dabei kommt es nicht - wie der Verwaltungsgerichtshof meint - darauf an, ob die FDLR ein staatsähnliches Gebilde ist. Entscheidend ist vielmehr, ob die von ihr und ihren Anführern ausgehenden Wirkungen auf die Störungen des Weltfriedens den von staatlichen Machthabern ausgehenden Wirkungen vergleichbar sind. Für das den Weltfrieden störende Handeln der FDLR trägt der Kläger als deren Präsident, der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts maßgeblichen Einfluss auf das Verhalten seiner Kämpfer hat, die persönliche Verantwortung (vgl. Urteil des EuGH vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 97 f.).

42

Auch wenn nach Auffassung des Senats viel dafür spricht, dass der Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG in besonderen Fällen auch von nichtstaatlichen Akteuren wie dem Kläger verwirklicht werden kann, bedurfte es hier keiner abschließenden Entscheidung dieser Frage, da der Kläger schon nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG von der Flüchtlingsstellung ausgeschlossen ist.

43

b) Mit Recht ist der Verwaltungsgerichtshof ferner davon ausgegangen, dass auch die materiellen Voraussetzungen für den Widerruf der Asylberechtigung des Klägers erfüllt sind. Denn der Widerruf der Asylberechtigung ist geboten, wenn Ausschlussgründe nach der Anerkennungsentscheidung verwirklicht werden. Das folgt aus nationalem Recht wie aus Unionsrecht.

44

aa) Die Voraussetzungen für den Widerruf einer Asylanerkennung ergeben sich im nationalen Recht aus § 73 Abs. 1 AsylVfG. Die Vorschrift bezieht sich ausdrücklich auf den Widerruf der Flüchtlingseigenschaft und der Asylberechtigung. Danach ist die Anerkennung als Asylberechtigter zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen (§ 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG). Wie schon für den Widerruf der Flüchtlingseigenschaft ausgeführt, erfasst die Vorschrift nicht nur das nachträgliche Entfallen verfolgungsbegründender Umstände, sondern auch die nachträgliche Verwirklichung von Ausschlussgründen nach § 3 Abs. 2 AsylVfG (vgl. oben Rn. 20 ff.). Weiter ergibt sich aus § 73 Abs. 2a Satz 4 AsylVfG, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass sich die Ausschlussgründe nach § 3 Abs. 2 AsylVfG auch auf die Asylanerkennung erstrecken und demnach auch einen Widerruf der Asylanerkennung rechtfertigen. Der Begriff "Widerruf oder Rücknahme" in dieser Vorschrift bezieht sich ersichtlich auf beide Anerkennungsformen. Außerdem spricht für dieses Verständnis der gesetzlichen Regelung auch § 30 Abs. 4 AsylVfG, wonach ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist, wenn die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder des § 3 Abs. 2 AsylVfG vorliegen. Aus der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Richtlinienumsetzungsgesetz ergibt sich, dass durch die in § 30 Abs. 4 AsylVfG getroffene Regelung eine mögliche Kollision zwischen der Flüchtlingsanerkennung und der Asylberechtigung vermieden werden soll, indem die Ausschlussklauseln gleichermaßen bei der Flüchtlingsanerkennung wie auch bei der Anerkennung als Asylberechtigter anzuwenden sind (BTDrucks 16/5065 S. 214).

45

Ob diese einfachgesetzliche Regelung in vollem Umfang mit Art. 16a GG vereinbar ist oder ob die Grenzen des grundrechtlichen Asylanspruchs nach der hierzu bisher vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anders zu bestimmen sind als nach der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. hierzu Beschluss vom 14. Oktober 2008 - BVerwG 10 C 48.07 - BVerwGE 132, 79 Rn. 36 ff.), kann hier dahinstehen. Denn jedenfalls wird der Fall des Klägers nicht vom Schutzbereich des verfassungsrechtlich garantierten Asyls erfasst, so dass der Widerruf seiner Asylberechtigung nicht gegen Art. 16a GG verstößt.

46

Der Schutzbereich des Art. 16a GG ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durch einen "Terrorismusvorbehalt" begrenzt. Danach liegt es außerhalb des Asylrechts, wenn für terroristische Aktivitäten nur ein neuer Kampfplatz gesucht wird, um sie dort fortzusetzen oder zu unterstützen (BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 1989 - 2 BvR 958/86 - BVerfGE 81, 142 <152 f.>). Demgemäß kann Asyl nicht beanspruchen, wer im Heimatland unternommene terroristische Aktivitäten oder deren Unterstützung von der Bundesrepublik Deutschland aus in den hier möglichen Formen fortzuführen trachtet. Er sucht nicht den Schutz und Frieden, den das Asylrecht gewähren will. Diese normative Begrenzung des Schutzbereichs gilt unabhängig von einer etwaigen Verfolgung wegen terroristischer Aktivitäten im Heimatstaat. Sie gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch für diejenigen, die erstmals von Deutschland aus im Rahmen exilpolitischer Aktivitäten den politischen Kampf mit terroristischen Mitteln aufnehmen (Urteil vom 30. März 1999 - BVerwG 9 C 23.98 - BVerwGE 109, 12 <16 ff.>; die gegen dieses Urteil gerichtete Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen, Beschluss vom 26. Oktober 2000 - 2 BvR 1280/99 - InfAuslR 2001, 89).

47

Lagen den von der Rechtsprechung bisher entschiedenen Fällen nur Sachverhalte zugrunde, in denen es um terroristische Aktivitäten von Asylsuchenden ging, so bedeutet dies keineswegs, dass sich die normative Begrenzung des Schutzbereichs von Art. 16a GG auf eine Betätigung im Bereich des Terrorismus beschränkt. Denn Grund für die normative Begrenzung ist, dass eine derartige Betätigung von der Bundesrepublik Deutschland in Übereinstimmung mit der von ihr mitgetragenen Völkerrechtsordnung grundsätzlich missbilligt wird (vgl. Urteil vom 30. März 1999 a.a.O. Rn. 17). Die Begehung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit stellt einen vergleichbar schweren Verstoß gegen die von der Bundesrepublik Deutschland mitgetragene Völkerrechtsordnung dar wie Akte des Terrorismus. Derartige Handlungen gehören nach dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs zu den schwersten Verbrechen, die "die internationale Gemeinschaft als Ganzes berühren" (Art. 5 IStGH-Statut). Dieses Statut wurde von der Diplomatischen Bevollmächtigtenkonferenz der Vereinten Nationen am 17. Juli 1998 verabschiedet und mittlerweile von 139 Staaten unterzeichnet. In dem Statut wird das Völkerstrafrecht unter Berücksichtigung der gemeinsamen Überzeugungen der Völkerrechtsgemeinschaft kodifiziert (vgl. Denkschrift der Bundesregierung zum Ratifikationsgesetz, BRDrucks 716/1999 S. 99). Ausländer, die nach Aufnahme in Deutschland Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen begehen oder sich an ihnen beteiligen, begehen einen schweren Verstoß gegen die Völkerrechtsordnung und suchen nicht den Schutz und Frieden, den das Asylrecht gewähren will. Sie können asylrechtlichen Schutz nach Art. 16a GG nicht beanspruchen.

48

Für eine derartige Begrenzung des Schutzbereichs von Art. 16a GG spricht im Übrigen auch Art. 26 GG, wonach Handlungen verfassungswidrig sind, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören (vgl. Hobe, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 26 Rn. 11; I. Pernice, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 26 Rn. 18). Durch Art. 26 Abs. 1 Satz 1 GG wird unmittelbar durch die Verfassung ein Verhalten verboten, das auf die Herbeiführung oder Förderung völkerrechtswidriger Zustände unter Gefährdung des Weltfriedens oder der internationalen Sicherheit im Sinne von Art. 39 UN-Charta zielt (vgl. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: März 2006, Art. 26 Rn. 13). Auch die Begehung von oder die Beihilfe zu völkerrechtlichen Verbrechen - wie sie etwa in Art. 5 ff. und Art. 28 IStGH-Statut normiert sind - sind geeignet, den Völkerfrieden zu stören, und werden daher vom Störungsverbot des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 GG erfasst (so I. Pernice, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 26 Rn. 15 und 17). So verstanden könnte auch Art. 26 Abs. 1 GG eine verfassungsimmanente Schranke der Asylverheißung des Art. 16a GG begründen.

49

Wie bereits im Rahmen des Widerrufs der Flüchtlingseigenschaft ausgeführt, ist aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt, dass die vom Kläger geleitete FDLR Kriegsverbrechen im Sinne von Art. 8 IStGH-Statut und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne von Art. 7 Buchst. a und g IStGH-Statut begangen hat und der Kläger hierfür nach Art. 28 Buchst. a IStGH-Statut als Täter verantwortlich ist. Die hier noch erforderliche aktuelle Gefahr (oder auch Wiederholungsgefahr - vgl. hierzu Urteil vom 30. März 1999 a.a.O. Rn. 22 unter Hinweis auf Urteil vom 10. Januar 1995 - BVerwG 9 C 276.94 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 175, juris Rn. 23) ist im Fall des Klägers aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts gegeben, da er weiterhin Präsident der FDLR ist und diese - wie im Haftbefehl ausgeführt - auch während des Berufungsverfahrens ihre einschlägigen Aktivitäten fortgesetzt hat. Damit ist der Kläger auch nach Verfassungsrecht von der Anerkennung als Asylberechtigter ausgeschlossen.

50

bb) Unabhängig davon ist der Widerruf der Asylberechtigung bei der Verwirklichung von Ausschlussgründen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3 AsylVfG auch nach Unionsrecht geboten.

51

Die in § 3 Abs. 2 AsylVfG normierten Ausschlussgründe setzen die für die Flüchtlingseigenschaft getroffenen Vorgaben in Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG um. Nach Art. 14 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie gilt die Verpflichtung zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft im Fall der nachträglichen Feststellung von Ausschlussgründen im Sinne von Art. 12 der Richtlinie auch für Personen, die - wie der Kläger - ihren Antrag auf Gewährung von Flüchtlingsschutz bereits vor Inkrafttreten der Richtlinie gestellt haben. Sie ist auch für die nach nationalem Recht gewährte Asylberechtigung zu beachten. Denn Art. 3 der Richtlinie gestattet den Mitgliedstaaten günstigere Regelungen zur Frage, wer als Flüchtling gilt, nur insoweit, als dies mit der Richtlinie zu vereinbaren ist.

52

Der Senat hat durch Beschluss vom 14. Oktober 2008 - BVerwG 10 C 48.07 - (a.a.O.) dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob es mit Art. 3 der Richtlinie vereinbar ist, dass ein Mitgliedstaat nach seinem Verfassungsrecht einer Person, die gemäß Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen ist, ein Asylrecht zuerkennt. Der Gerichtshof hat die Frage dahin beantwortet, dass es Art. 3 der Richtlinie zuwiderläuft, dass ein Mitgliedstaat Bestimmungen erlässt oder beibehält, die die Rechtsstellung des Flüchtlings einer Person gewähren, die hiervon nach Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie ausgeschlossen ist (Urteil vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 115). Die Mitgliedstaaten dürfen zwar Schutz aus anderen Gründen gewähren als denjenigen, auf denen der internationale Schutz beruht. In Betracht kommt etwa eine Schutzgewährung aus familiären oder humanitären Gründen (a.a.O. Rn. 118). Diese andere Form des Schutzes, zu deren Gewährung die Mitgliedstaaten befugt sind, darf indessen nicht mit der Rechtsstellung des Flüchtlings im Sinne der Richtlinie verwechselbar sein (a.a.O. Rn. 119). Nur soweit die nationalen Rechtsvorschriften, die von der Flüchtlingsanerkennung im Sinne der Richtlinie ausgeschlossenen Personen ein Asylrecht gewähren, eine klare Unterscheidung des nationalen Schutzes von dem Schutz gemäß der Richtlinie erlauben, beeinträchtigen sie daher das von der Richtlinie geschaffene System nicht (a.a.O. Rn. 120).

53

Legt man die vom Gerichtshof entwickelten Kriterien an die einfachgesetzliche Ausgestaltung der Asylberechtigung nach Art. 16a GG an, so handelt es sich um einen nationalen Schutzstatus, der der Rechtsstellung eines Flüchtlings im Sinne der Richtlinie weitgehend entspricht und damit eine Verwechslungsgefahr im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs begründet. Bei der Asylberechtigung nach Art. 16a GG handelt es sich nicht um einen gegenüber der Flüchtlingsanerkennung andersartigen Schutzstatus - gegründet etwa auf familiäre oder humanitäre Motive. Vielmehr genießt ein Asylberechtigter nach § 2 Abs. 1 AsylVfG im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines Flüchtlings im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Seine Rechtsposition entspricht innerstaatlich auch der unionsrechtlichen Stellung von Flüchtlingen, wie sie durch die Richtlinie 2004/83/EG ausgestaltet ist (vgl. Hailbronner, ZAR 2009, 369 <371 ff.>). Damit liefe es aber dem Vorbehalt in Art. 3 der Richtlinie zuwider, wenn Deutschland Personen eine dem Flüchtlingsstatus weitgehend entsprechende Rechtsstellung gewährte oder erhielte, die hiervon nach Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie ausgeschlossen sind. Die Vorgaben des Unionsrechts verlangen somit, dass die Ausschlussgründe des Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie auch auf Asylberechtigte anzuwenden sind und ihre Anerkennung bei nachträglicher Verwirklichung von Ausschlussgründen nach Art. 14 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie zu widerrufen ist. Der deutsche Gesetzgeber hat dem Rechnung getragen, indem er die Geltung der Ausschlussgründe auch für Asylberechtigte angeordnet hat (vgl. oben Rn. 44).

54

Die einfachgesetzliche Erstreckung der Ausschlussklauseln auf Asylberechtigte ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, weil der deutsche Gesetzgeber hierdurch seiner Verpflichtung zur innerstaatlichen Umsetzung des Unionsrechts nachgekommen ist. Die Bindung an zwingende Vorgaben einer Richtlinie nach Art. 288 AEUV befindet sich in Übereinstimmung mit den in Art. 23 Abs. 1 genannten Rechtsgrundsätzen des Grundgesetzes, solange die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Union generell gewährleistet, der dem vom Grundgesetz jeweils als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <95 ff.>). Dass dieser unabdingbar gebotene Grundrechtsschutz auf unionsrechtlicher Ebene in Bezug auf das Asylrecht generell nicht gewährleistet wäre, kann angesichts des in Art. 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verbürgten Rechts auf Asyl und der dem Schutzstandard der Genfer Flüchtlingskonvention verpflichteten Bestimmungen der Richtlinie 2004/83/EG (vgl. etwa Erwägungsgründe 3 und 17 der Richtlinie) nicht angenommen werden. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts hat zwar nicht die Nichtigkeit entgegenstehenden nationalen Rechts zur Folge. Im Anwendungsbereich des Unionsrechts ist entgegenstehendes mitgliedstaatliches Recht aber grundsätzlich unanwendbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - NJW 2010, 3422). Der Anwendungsvorrang gilt in Deutschland allerdings nur kraft des durch Zustimmungsgesetz zu den Verträgen erteilten Rechtsanwendungsbefehls. Er reicht für in Deutschland ausgeübte Hoheitsgewalt daher nur so weit, wie die Bundesrepublik Deutschland dieser Kollisionsregel zugestimmt hat und zustimmen durfte (vgl. BVerfG, Urteil vom 30. Juni 2009 - 2 BvE 2/08 u.a. - BVerfGE 123, 267 <343>). Innerhalb dieser Grenzen ist das Unionsrecht aber auch bei der Auslegung des Grundgesetzes zu beachten. Dies hat hier zur Folge, dass mit der Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG das Grundrecht auf Asyl richtlinienkonform auszulegen ist und die Ausschlussklauseln selbst im Falle einer nicht durch richtlinienkonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung dieses Grundrechts behebbaren Kollision jedenfalls über den Anwendungsvorrang des vom nationalen Gesetzgeber umgesetzten Unionsrechts beachtlich sind.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Asyl- und Flüchtlingsanerkennung.

2

Der 1968 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Im Mai 2001 reiste er aus dem Iran auf dem Luftweg nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Zur Begründung gab er an: Er befürchte Verfolgung sowohl von Seiten des türkischen Staates als auch von Seiten der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK). Er sei schon während seines Studiums an der Universität Istanbul Ende der 80er Jahre wegen seines Eintretens für ein Selbstbestimmungsrecht der Kurden dreimal festgenommen und gefoltert worden. Danach sei er jeweils aus Mangel an Beweisen freigelassen worden. 1990 sei er in die Berge geflohen, um sich der PKK anzuschließen. Er sei dort Guerillakämpfer und hoher Funktionär der PKK gewesen. Ende 1998 habe ihn die PKK in den Nordirak geschickt. Aufgrund politischer Differenzen mit der Führung der PKK habe er sich im Mai 2000 von dieser getrennt und werde seitdem als Abtrünniger von Seiten der PKK bedroht. Er habe sich noch ungefähr ein Jahr im Nordirak aufgehalten, sei aber auch dort nicht sicher gewesen. Deshalb sei er im Mai 2001 über den Iran nach Deutschland geflohen.

3

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - Bundesamt - erkannte den Kläger daraufhin im Mai 2001 als Asylberechtigten an und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Türkei vorliegen (Flüchtlingsanerkennung nach damaligem Recht).

4

Im Januar 2002 führte der deutsche Gesetzgeber mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz neue Ausschlussgründe für die Asyl- und Flüchtlingsanerkennung ein, die sich an den in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) geregelten Ausschlussgründen orientierten. Mit Blick auf diese Gesetzesänderung regte das Bundeskriminalamt beim Bundesamt die Einleitung eines Widerrufs- oder Rücknahmeverfahrens gegen den Kläger an. Nach den dortigen Erkenntnissen treffe es zu, dass der Kläger sich 1990 der PKK angeschlossen habe und Guerillakämpfer und hoher Funktionär der PKK, ein sog. "Kader", gewesen sei. Er habe mindestens ab Februar 1999, möglicherweise schon ab 1995, dem 41 Personen zählenden Führungsgremium angehört und trage damit eine umfassende Mitverantwortung für die terroristischen Aktivitäten der PKK. Im August 2000 habe Interpol Ankara den Kläger aufgrund des Haftbefehls eines Staatssicherheitsgerichts zur internationalen Fahndung ausgeschrieben. Gegenstand des Fahndungsersuchens seien insbesondere Anschläge, bei denen 126 Personen getötet worden seien, sowie die Beteiligung an der Ermordung von zwei PKK-Guerillakämpfern, die aufgrund des eigenen Strafsystems der PKK erfolgt sein soll. Der Tatzeitraum liege zwischen 1993 und 1998.

5

Das Bundesamt widerrief daraufhin mit Bescheid vom 6. Mai 2004 die Asyl- und die Flüchtlingsanerkennung des Klägers. Der Widerruf sei nach § 73 Abs. 1 AsylVfG geboten, weil die Voraussetzungen für die Anerkennungen nicht mehr vorlägen. Mit Einführung der Ausschlussgründe sei eine nachträgliche Rechtsänderung eingetreten, die zur Folge habe, dass der Kläger nunmehr vom Asyl- und Flüchtlingsschutz ausgeschlossen sei. Er erfülle die 2. und 3. Alternative der Ausschlussvorschrift (damals: § 51 Abs. 3 Satz 2 AuslG, später: § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG, jetzt: § 3 Abs. 2 AsylVfG). Denn er sei hinreichend verdächtig, vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb der Bundesrepublik Deutschland begangen und den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider gehandelt zu haben. Der Kläger habe durch seine Einbindung als Guerillakämpfer und aufgrund seiner Position in der Führungsebene der PKK Unterstützungshandlungen für deren terroristische Aktivitäten geleistet und sei somit strafrechtlich für die Begehung schwerster Verbrechen verantwortlich. Darüber hinaus sei er aufgrund des türkischen Haftbefehls und seiner eigenen Einlassung im Asylverfahren hinreichend verdächtig, durch eigene Gewaltbeiträge bis hin zur Tötung zahlreicher Menschen die PKK unterstützt zu haben. Damit habe er die beiden genannten Ausschlusstatbestände erfüllt.

6

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 29. November 2005 den Widerrufsbescheid aufgehoben.

7

Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 27. März 2007 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Widerruf sei rechtswidrig. Er könne weder auf eine Änderung der Sachlage noch auf eine Änderung der Rechtslage gestützt werden. Die für die Anerkennung des Klägers maßgeblichen Verhältnisse in der Türkei hätten sich entgegen dem Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren nicht entscheidend geändert. Der vorverfolgt ausgereiste Kläger sei auch jetzt vor erneuter Verfolgung nicht hinreichend sicher. Trotz der umfassenden Reformbemühungen, insbesondere der "Null-Toleranz-Politik" gegenüber Folter, komme es in der Türkei weiterhin zu Verfolgungsmaßnahmen asylerheblicher Art und Intensität, die dem türkischen Staat zurechenbar seien. Aufgrund des gegen den Kläger vorliegenden Haftbefehls sei anzunehmen, dass er im Falle seiner Rückkehr festgenommen und zu den ihm vorgeworfenen Straftaten sowie zu den Aktivitäten im Bundesgebiet und etwaigen Kontakten zu Organisationsangehörigen im In- und Ausland befragt werde. Dabei bestehe die Gefahr, dass es zu asylerheblichen Übergriffen komme. Der Widerruf sei auch nicht aufgrund einer nachträglichen Änderung der Rechtslage gerechtfertigt. Denn die Voraussetzungen der Ausschlussklauseln seien im Falle des Klägers nicht erfüllt. In Betracht komme allein die 2. Alternative der in § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG geregelten Ausschlussgründe. Auch wenn Erhebliches dafür spreche, dass der Kläger während seiner langjährigen Einbindung in die PKK als Kämpfer und - zeitweise - als Funktionär in hervorgehobener Position an terroristischen Aktionen der PKK beteiligt gewesen sei und damit Taten verübt habe, die nach Art und Schwere als schweres nichtpolitisches Verbrechen zu beurteilen seien, greife der Ausschlussgrund nicht ein. Denn dieser sei in Übereinstimmung mit der Genfer Flüchtlingskonvention bei gemeinschaftsrechts- und verfassungskonformer Auslegung dahin zu verstehen, dass er nicht allein der Sanktionierung eines in der Vergangenheit begangenen, schweren nichtpolitischen Verbrechens, sondern auch der Gefahrenabwehr diene und eine am Sinn und Zweck der Vorschrift und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte umfassende Würdigung des Einzelfalls erfordere. Der Ausschlussgrund könne daher entfallen, wenn von dem Ausländer keine Gefahr mehr ausgehe, etwa weil feststehe, dass er sich von allen früheren terroristischen Aktivitäten losgesagt habe. Das sei bei dem Kläger der Fall.

8

Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage. Sie macht geltend: Der Widerruf der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung sei rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der in dem angefochtenen Bescheid genannten Ausschlussgründe lägen vor. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts setzten beide Ausschlussgründe weder eine fortbestehende Gefährlichkeit des Ausländers noch eine einzelfallbezogene Verhältnismäßigkeitsprüfung voraus.

9

Mit Beschluss vom 25. November 2008 - BVerwG 10 C 46.07 - hat der Senat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union verschiedene Fragen zur Auslegung der inzwischen unionsrechtlich geregelten Ausschlussgründe in Art. 12 Abs. 2 Buchst. b und c und zu Art. 3 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 - sog. Qualifikationsrichtlinie - zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der Gerichtshof hat die Vorlagefragen mit Urteil vom 9. November 2010 (Rs. C-57/09 und C-101/09 - NVwZ 2011, 285) beantwortet.

10

Die Beklagte sieht sich in ihrer Auffassung durch das Urteil des Gerichtshofs bestätigt. Dem schließt sich auch der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht an.

11

Der Kläger verteidigt das Berufungsurteil und hält den Widerruf auch deshalb für unzulässig, weil der Beklagten seine Aktivitäten und Stellung in der PKK schon aufgrund seiner Angaben im Anerkennungsverfahren bekannt gewesen seien und sich seitdem nichts geändert habe. Schließlich fehle es auch an der Feststellung seiner persönlichen Verantwortung für konkrete terroristische Aktionen der PKK.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet. Die Berufungsentscheidung beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hat das Vorliegen von Ausschlussgründen gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG (früher: § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG/§ 51 Abs. 3 Satz 2 AuslG 1990) und damit auch die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung des Klägers mit einer Begründung verneint, die mit Bundesrecht nicht vereinbar ist. Es hat zu Unrecht angenommen, dass ein Ausschluss nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 AsylVfG voraussetzt, dass von dem Betreffenden auch noch gegenwärtig die Gefahr der erneuten Begehung von Straftaten oder Handlungen im Sinne dieser Bestimmungen ausgeht (1.). Dieses fehlerhafte Verständnis der Ausschlussgründe durch das Berufungsgericht wirkt sich auch auf die rechtliche Beurteilung des Widerrufs der Asylanerkennung aus (2.). Mangels ausreichender Feststellungen des Berufungsgerichts konnte der Senat nicht selbst abschließend entscheiden, ob der Kläger durch seine Aktivitäten in der PKK einen Ausschlussgrund nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder 3 AsylVfG verwirklicht hat (3.). Das Verfahren war daher zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

13

1. a) Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung im Bescheid vom 6. Mai 2004 in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden ist (vgl. im Einzelnen den Beschluss des Senats vom 25. November 2008 - BVerwG 10 C 46.07 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 24 = NVwZ 2009, 592 Rn. 15).

14

b) Maßgeblich für die materiellrechtliche Beurteilung des Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung ist die neue, seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz - am 28. August 2007 geltende Rechtslage. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, sofern sie das Berufungsgericht, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte (vgl. Urteil vom 11. September 2007 - BVerwG 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylverfahrensrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylVfG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die aktuelle Rechtslage zugrunde legen (vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 24. Februar 2011 - BVerwG 10 C 3.10 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen, juris Rn. 7 m.w.N.).

15

c) Rechtsgrundlage für den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung ist § 73 Abs. 1 AsylVfG. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Die Anerkennungsvoraussetzungen müssen danach nachträglich - also in der Regel nach Ausspruch der Anerkennung - entfallen sein.

16

aa) Einen Wegfall der Anerkennungsvoraussetzungen aufgrund einer nachträglichen Änderung der Sachlage hat das Berufungsgericht vorliegend im Ergebnis zu Recht verneint. Nach den das Revisionsgericht bindenden tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgericht (§ 137 Abs. 2 VwGO) ist eine wesentliche Änderung der Verfolgungslage in der Türkei, die einen Widerruf der Flüchtlingsanerkennung für den vorverfolgt ausgereisten Kläger rechtfertigen würde, nicht eingetreten.

17

Allerdings hat das Berufungsgericht bei seiner Prüfung, ob sich die für die Beurteilung der Verfolgungsgefahr maßgeblichen Verhältnisse in der Türkei nachträglich erheblich geändert haben, mit Blick auf die Vorverfolgung des Klägers auf den herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hinreichenden Sicherheit vor Verfolgung abgestellt (UA S. 12), wie er in der Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht für Fälle der Vorverfolgung entwickelt und dann auf den Flüchtlingsschutz übertragen worden ist. Dieses materiellrechtliche Konzept unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe für die Verfolgungsprognose ist der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 vom 30. September 2004 S. 12, berichtigt ABl EU Nr. L 204 vom 5. August 2005 S. 24) fremd. Sie geht vielmehr von einem einheitlichen Prognosemaßstab aus, der dem der beachtlichen Wahrscheinlichkeit nach bisheriger deutscher Rechtslage entspricht, und verfolgt einen beweisrechtlichen Ansatz, wie er bei der Nachweispflicht der Mitgliedstaaten nach Art. 14 Abs. 2 und der tatsächlichen Verfolgungsvermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie zum Ausdruck kommt. Mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19. August 2007 hat der deutsche Gesetzgeber deshalb bei der Flüchtlingsanerkennung die bisherigen unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe des nationalen Rechts aufgegeben und sich den beweisrechtlichen Ansatz der Richtlinie zu eigen gemacht (vgl. zum Vorstehenden im Einzelnen Urteil des Senats vom 1. Juni 2011 - BVerwG 10 C 25.10 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen, m.w.N.).

18

Gleichwohl ist die Berufungsentscheidung in diesem Punkt im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn die einzelnen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (UA S. 13 ff.) tragen den Schluss, dass auch bei Zugrundelegung des nunmehr maßgeblichen einheitlichen Prognosemaßstabs nach den unionsrechtlichen Vorgaben die Veränderung der Umstände in der Türkei nicht so erheblich und dauerhaft ist, dass die Furcht des vorverfolgten Klägers vor Verfolgung aus den gleichen Gründen nicht länger als begründet angesehen werden kann (vgl. Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG sowie hierzu Urteil des Senats vom 24. Februar 2011 a.a.O. Rn. 17, 19, zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen, im Anschluss an EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - Rs. C-175/08 u.a., Abdulla u.a. - InfAuslR 2010, 188). So führt das Berufungsgericht u.a. aus, aufgrund des gegen den Kläger vorliegenden Haftbefehls sei anzunehmen, dass er im Falle seiner Rückkehr festgenommen und zu den ihm vorgeworfenen Straftaten sowie zu seinen Aktivitäten im Bundesgebiet und etwaigen Kontakten zu Organisationsangehörigen im In- und Ausland befragt werde und dabei die Gefahr bestehe, dass die Befragung mit asylrechtlich relevanten Übergriffen einhergehe (UA S. 17). Damit ist gerade nicht - wie für einen Widerruf gemäß Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG erforderlich - festgestellt, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründeten und zur Flüchtlingsanerkennung führten, beseitigt sind und diese Beseitigung als dauerhaft angesehen werden kann.

19

Da der Kläger auch nicht durch eigenes Verhalten nach der Anerkennung einen Grund für den Wegfall der Anerkennungsvoraussetzungen, etwa durch nachträgliche Verwirklichung eines Ausschlusstatbestandes, geschaffen hat, scheidet ein Widerruf der Flüchtlingsanerkennung wegen Änderung der Sachlage aus.

20

bb) In Betracht kommt allerdings ein Widerruf der Flüchtlingsanerkennung wegen nachträglicher Änderung der Rechtslage durch Einführung der nach Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes nunmehr in § 3 Abs. 2 AsylVfG geregelten Ausschlussgründe. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 12 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2004/83/EG umgesetzt, die sich ihrerseits an den in Art. 1 F GFK aufgeführten Ausschlussgründen orientieren (BTDrucks 16/5065 S. 214). Sollte der Kläger durch seine Aktivitäten in der PKK einen dieser Ausschlussgründe verwirklicht haben, wäre ein Widerruf wegen dieser nach der Anerkennung eingetretenen Änderung der Rechtslage nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG zulässig und geboten.

21

Jedenfalls nach Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG durch das Richtlinienumsetzungsgesetz ist die Vorschrift mit Blick auf Art. 14 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie unionsrechtskonform so auszulegen, dass bei Vorliegen von Ausschlussgründen Altanerkennungen, die vor Einführung dieser Ausschlussgründe ausgesprochen wurden, wegen der unionsrechtlich nunmehr zwingend gebotenen Beachtung dieser Ausschlussgründe zu widerrufen sind. Nach Art. 14 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie erkennen die Mitgliedstaaten die Flüchtlingseigenschaft ab, beenden diese oder lehnen ihre Verlängerung ab, falls der betreffende Mitgliedstaat nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft feststellt, dass die Person gemäß Art. 12 der Richtlinie von der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hätte ausgeschlossen werden müssen oder ausgeschlossen ist. Diese Regelung ist - anders als Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie - zwingend ausgestaltet und verpflichtet nach Auffassung des Gerichtshofs der Europäischen Union mangels einer Übergangsregelung auch zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft in Fällen, in denen vor Inkrafttreten der Richtlinie Anträge gestellt oder Entscheidungen erlassen wurden (EuGH, Urteil vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 73 f.). Da eine Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft bei ursprünglich rechtmäßiger Anerkennung nach nationalem Recht nur im Wege des Widerrufs erfolgen kann, ist § 73 Abs. 1 AsylVfG, der in seinem Wortlaut insoweit offen ist, unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass er, jedenfalls soweit zwingende Regelungen der Richtlinie 2004/83/EG - wie hier Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie - es erfordern, einen Widerruf aufgrund dieser Änderung der Rechtslage zulässt und gebietet.

22

Diese vom Gerichtshof der Europäischen Union vorgegebene Auslegung steht auch nicht im Widerspruch zu dem insoweit als Maßstab heranzuziehenden unionsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes. Dieser Grundsatz kommt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union vor allem dann zum Tragen, wenn Vorschriften des materiellen Unionsrechts für vor ihrem Inkrafttreten abgeschlossene Sachverhalte gelten sollen. Der Anwendungsbereich dieses Grundsatzes darf aber nicht so weit erstreckt werden, dass die Anwendung einer neuen Regelung auf die künftigen Auswirkungen von unter der Geltung früherer Regelungen entstandenen Sachverhalten schlechthin ausgeschlossen ist (vgl. u.a. EuGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - Rs. C-226/08, Stadt Papenburg - NVwZ 2010, 310 Rn. 46 m.w.N.). Da der Widerruf von Flüchtlingsanerkennungen, die vor Umsetzung von Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2004/83/EG ausgesprochen worden sind, nicht zu einem Entzug des Flüchtlingsstatus in der Vergangenheit führt, sondern lediglich den Fortbestand der Flüchtlingsanerkennung in der Zukunft entfallen lässt, beinhaltet die Regelung nicht eine rückwirkende Neubewertung abgeschlossener Sachverhalte. Sie betrifft vielmehr nur die künftigen Auswirkungen von unter Geltung der früheren Regelung entstandenen Sachverhalten. Vor diesem Hintergrund ist das Vertrauen des Betroffenen, trotz Verwirklichung von Ausschlussgründen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention auch künftig im Besitz der Flüchtlingsanerkennung zu bleiben, nicht schutzwürdig. Im Übrigen sind die aus der unionsrechtskonformen Auslegung von § 73 Abs. 1 AsylVfG folgenden nachteiligen Auswirkungen für den Betroffenen auch deshalb begrenzt, weil mit der Beendigung der Flüchtlingseigenschaft keine Entscheidung über die Abschiebung in den Verfolgerstaat verbunden ist, sondern im Falle einer dort drohenden gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung jedenfalls nach den von den Mitgliedstaaten zu beachtenden völkerrechtlichen Verpflichtungen ein Abschiebungsverbot besteht.

23

cc) Ist demnach im Falle der Verwirklichung eines Ausschlussgrundes nach § 3 Abs. 2 AsylVfG durch den Kläger der Widerruf seiner Flüchtlingsanerkennung geboten, kommt es entscheidend darauf an, ob der Kläger durch die ihm zur Last gelegten Aktivitäten in der PKK vor seiner Ausreise einen Ausschlussgrund nach § 3 Abs. 2 AsylVfG erfüllt hat. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es das Vorliegen eines solchen Ausschlussgrundes bei dem Kläger verneint hat, sind mit revisiblem Recht nicht vereinbar.

24

Das Berufungsgericht hat allein den jetzt in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG (früher in § 60 Abs. 8 Satz 2 Alt. 2 AufenthG) geregelten Ausschlussgrund einer schweren nichtpolitischen Straftat in Betracht gezogen, der dem Ausschlussgrund nach Art. 12 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG sowie nach Art. 1 F Buchst. b GFK entspricht. Nach dieser Bestimmung ist ein Ausländer nicht Flüchtling, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden. Die Regelung gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben (§ 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG in Umsetzung von Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2004/83/EG). Das Berufungsgericht hat die Vorschrift dahingehend ausgelegt, dass der Ausschlussgrund nicht allein der Sanktionierung eines in der Vergangenheit von dem Ausländer begangenen schweren nichtpolitischen Verbrechens, sondern daneben auch der Gefahrenabwehr diene und eine am Sinn und Zweck der Vorschrift sowie am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte umfassende Würdigung des Einzelfalls erfordere. Der Ausschlussgrund könne daher entfallen, wenn von dem Ausländer unter keiner Betrachtungsweise mehr eine Gefahr ausgehe, etwa weil feststehe, dass er sich von allen früheren terroristischen Aktivitäten losgesagt habe oder aus gesundheitlichen Gründen zu politischen Aktivitäten nicht mehr in der Lage sei (UA S. 19 f.). Hiervon ausgehend hat es das Eingreifen des Ausschlussgrundes im Falle des Klägers verneint. Auch wenn er durch seine Beteiligung an terroristischen Aktionen der PKK schwere nichtpolitische Verbrechen begangen haben sollte, bestünden derzeit keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass er sich nochmals an vergleichbaren Taten beteiligen werde (UA S. 44). Diesem rechtlichen Ausgangspunkt ist nach Einholung der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union durch den Senat im vorliegenden Verfahren nicht zu folgen.

25

Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 9. November 2010 (a.a.O. Rn. 104 f.) setzt der Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling nach Art. 12 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie nicht voraus, dass von dem Ausländer eine gegenwärtige Gefahr für den Aufnahmestaat ausgeht. Den Ausführungen des Gerichtshofs zufolge, die sich gleichermaßen auf den Ausschlussgrund des Zuwiderhandelns gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen (Art. 12 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie, § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG) beziehen, wurden die Ausschlussgründe mit dem Ziel geschaffen, von der Flüchtlingsanerkennung Personen auszuschließen, die hinsichtlich des Schutzes, der sich aus der Anerkennung ergibt, als unwürdig angesehen werden, und zu verhindern, dass die Anerkennung den Urhebern bestimmter schwerer Straftaten ermöglicht, sich ihrer strafrechtlichen Verantwortung zu entziehen. Nach der Systematik der Richtlinie 2004/83/EG ist eine möglicherweise von einem Flüchtling für den betreffenden Mitgliedstaat ausgehende gegenwärtige Gefahr nicht im Rahmen des Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie zu berücksichtigen, sondern im Rahmen des Art. 14 Abs. 4 bzw. des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie (vgl. § 3 Abs. 4 und § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG jeweils i.V.m. § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG). Mit den Ausschlussgründen nach Art. 12 Abs. 2 Buchst. b und c der Richtlinie sollen hingegen nach ihrem Wortlaut Handlungen geahndet werden, die in der Vergangenheit begangen wurden (EuGH, Urteil vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 101 ff.). Auf eine fortbestehende von dem Betreffenden ausgehende aktuelle Gefahr kommt es daher nicht an.

26

Für diese Ausschlussgründe bedarf es nach dem Urteil des Gerichtshofs auch keiner (nachgelagerten) auf den Einzelfall bezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung. Erfüllt eine Person die in den Ausschlussgründen festgelegten Voraussetzungen, ist sie zwingend und ohne Ausnahme von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen. Der Ausschluss nach Art. 12 Abs. 2 Buchst. b und c der Richtlinie hängt mit der Schwere der begangenen Handlungen zusammen, die von einem solchen Grad sein muss, dass die betreffende Person nicht in berechtigter Weise Anspruch auf den Schutz als Flüchtling im Sinne der Richtlinie erheben kann. Da bereits im Rahmen der Beurteilung der Schwere der begangenen Handlungen und der individuellen Verantwortung des Betreffenden alle Umstände berücksichtigt werden, die für diese Handlungen und für die Lage des Betreffenden kennzeichnend sind, ist eine zusätzliche weitere Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht mehr geboten (EuGH, Urteil vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 107 ff.).

27

Das Berufungsurteil hält auch hinsichtlich des Ausschlussgrundes des Zuwiderhandelns gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen, der nunmehr als Umsetzung von Art. 12 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG geregelt ist, einer revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat diesen Ausschlussgrund im Fall des Klägers nicht näher in Betracht gezogen, weil es sich der Auffassung des UNHCR zur Auslegung des entsprechenden Ausschlussgrundes in Art. 1 F Buchst. c GFK angeschlossen hat, wonach solche Zuwiderhandlungen nur von Personen begangen werden können, die eine gewisse Machtposition in einem Mitgliedstaat der Vereinten Nationen besessen und zu einer Verletzung der Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen durch ihren Staat direkt beigetragen haben (UA S. 29, 34 f. unter Hinweis auf UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, Genf, September 1979 Nr. 163). Dieser restriktiven Auslegung kann, jedenfalls soweit es um Handlungen des internationalen Terrorismus geht, nach dem Urteil der Gerichtshofs der Europäischen Union vom 9. November 2010 (a.a.O. Rn. 82 ff.) nicht mehr gefolgt werden.

28

Die für einen Ausschluss nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG maßgeblichen Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Art. 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt und u.a. in den Resolutionen des UN-Sicherheitsrats zu den Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, "dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" und "dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" (vgl. Erwägungsgrund 22 zur Richtlinie 2004/83/EG). Wie sich aus den UN-Resolutionen 1373 (2001) und 1377 (2001) ergibt, geht der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen von dem Grundsatz aus, dass Handlungen des internationalen Terrorismus in einer allgemeinen Weise und unabhängig von der Beteiligung eines Staates den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen. Daraus folgert der Gerichtshof, dass dieser Ausschlussgrund auch auf Personen Anwendung finden kann, die im Rahmen ihrer Zugehörigkeit zu einer in der Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 aufgeführten Organisation an terroristischen Handlungen beteiligt waren, die eine internationale Dimension aufweisen (EuGH, Urteil vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 82 bis 84). Danach können Zuwiderhandlungen im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG jedenfalls bei Aktivitäten des internationalen Terrorismus auch von Personen begangen werden, die keine Machtposition in einem Mitgliedstaat der Vereinten Nationen oder zumindest in einer staatsähnlichen Organisation innehaben. Bei diesem Ausschlussgrund bedarf es ebenfalls weder einer gegenwärtigen Gefahr noch einer (nachgelagerten) Verhältnismäßigkeitsprüfung (EuGH, Urteil vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 105 und 111).

29

2. Hinsichtlich des Widerrufs der Asylanerkennung des Klägers beruht das Berufungsurteil ebenfalls auf der Verletzung von Bundesrecht. Wenn der Kläger durch seine Aktivitäten in der PKK einen Ausschlussgrund im Sinne des § 3 Abs. 2 AsylVfG verwirklicht haben sollte, wäre nicht nur der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung, sondern auch der Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG gemäß § 73 Abs. 1 AsylVfG rechtmäßig.

30

a) Rechtsgrundlage für den Widerruf der Asylanerkennung des Klägers ist ebenso wie für den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in der Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes. Auch im Fall der Asylanerkennung ist die Vorschrift unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass sie bei Altanerkennungen, die noch vor Einführung der Ausschlussgründe ausgesprochen wurden, mit Blick auf die unionsrechtlich zwingend gebotene Beachtung der Ausschlussgründe einen Widerruf auch allein aufgrund dieser Rechtsänderung zulässt und gebietet.

31

Zwar wird das durch Art. 16a GG gewährleistete verfassungsrechtliche Asylgrundrecht nicht unmittelbar von der Richtlinie 2004/83/EG erfasst. Wie sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. November 2010 (a.a.O. Rn. 113 ff.) ergibt, wirkt sich die Richtlinie aber insofern auf das nationale Asylgrundrecht aus, als es dem in Art. 3 der Richtlinie niedergelegten Vorbehalt zuwiderläuft, wenn ein Mitgliedstaat Bestimmungen erlässt oder beibehält, die die Rechtsstellung eines Flüchtlings einer Person gewähren, die hiervon nach Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie ausgeschlossen ist (a.a.O. Rn. 115). Die Mitgliedstaaten dürfen zwar Schutz aus anderen Gründen gewähren als denjenigen, auf denen der internationale Schutz beruht. In Betracht kommt etwa eine Schutzgewährung aus familiären oder humanitären Gründen (a.a.O. Rn. 118). Diese andere Form des Schutzes, zu deren Gewährung die Mitgliedstaaten befugt sind, darf indessen nicht mit der Rechtsstellung des Flüchtlings im Sinne der Richtlinie verwechselbar sein (a.a.O. Rn. 119). Nur soweit die nationalen Rechtsvorschriften, die von der Flüchtlingsanerkennung im Sinne der Richtlinie ausgeschlossenen Personen ein Asylrecht gewähren, eine klare Unterscheidung des nationalen Schutzes von dem Schutz gemäß der Richtlinie erlauben, beeinträchtigen sie daher das von der Richtlinie geschaffene System nicht (a.a.O. Rn. 120).

32

Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 31. März 2011 - BVerwG 10 C 2.10 - (zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen, juris Leitsatz 3 und Rn. 53) ausgeführt hat, handelt es sich bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung der Asylberechtigung nach Art. 16a GG um einen nationalen Schutzstatus, der der Rechtsstellung eines Flüchtlings im Sinne der Richtlinie weitgehend entspricht und damit eine Verwechslungsgefahr im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs begründet. Bei der Asylberechtigung nach Art. 16a GG handelt es sich nicht um einen gegenüber der Flüchtlingsanerkennung andersartigen Schutzstatus - gegründet etwa auf familiäre oder humanitäre Motive. Vielmehr genießt ein Asylberechtigter nach § 2 Abs. 1 AsylVfG im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines Flüchtlings im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention; entgegen der Rechtsauffassung des Klägers könnte die Asylberechtigung gemäß Art. 16a GG auch durch Änderung der Voraussetzungen und Rechtsfolgen des § 2 Abs. 1 AsylVfG nicht so weit von der Flüchtlingseigenschaft abgehoben werden, dass keine Verwechselungsgefahr mehr bestünde. Jedenfalls de lege lata entspricht die Rechtsposition des Asylberechtigten innerstaatlich auch der unionsrechtlichen Stellung von Flüchtlingen, wie sie durch die Richtlinie 2004/83/EG ausgestaltet ist (vgl. Hailbronner, ZAR 2009, 369 <371 ff.>). Damit liefe es aber dem Vorbehalt in Art. 3 der Richtlinie zuwider, wenn Deutschland Personen eine dem Flüchtlingsstatus weitgehend entsprechende Rechtsstellung gewährte oder erhielte, die hiervon nach Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie ausgeschlossen sind. Die Vorgaben des Unionsrechts verlangen somit, dass die Ausschlussgründe des Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie auch auf Asylberechtigte anzuwenden sind und ihre Anerkennung bei nachträglicher Verwirklichung von Ausschlussgründen nach Art. 14 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie zu widerrufen ist (Urteil vom 31. März 2011 a.a.O.). Sie verlangen darüber hinaus, dass auch Altanerkennungen, die noch vor Einführung dieser Ausschlussgründe ausgesprochen wurden, nicht mehr aufrechterhalten bleiben, wenn vor der Anerkennung Ausschlussgründe verwirklicht worden sind. Dem ist nach Umsetzung der Richtlinie durch den deutschen Gesetzgeber durch die entsprechende unionsrechtskonforme Auslegung von § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG Rechnung zu tragen.

33

b) Hieraus folgt zugleich, dass bei Vorliegen von zwingenden Ausschlussgründen für die Flüchtlingseigenschaft nach Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG auch die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG nicht mehr vorliegen. Dabei kann offenbleiben, ob der deutsche Gesetzgeber mit der einfachgesetzlichen Übertragung dieser flüchtlingsrechtlichen Ausschlussgründe auf den Asylanspruch nach Art. 16a GG in § 30 Abs. 4 und § 73 Abs. 2a Satz 4 letzter Halbsatz AsylVfG die verfassungsimmanenten Grenzen des Asylgrundrechts zutreffend und in hinreichend bestimmter Weise nachgezeichnet hat (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 12. März 2008 - 2 BvR 378/05 - juris Rn. 23 f.) oder ob diese Grenzen anders zu bestimmen sind als nach der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. hierzu Beschluss vom 14. Oktober 2008 - BVerwG 10 C 48.07 - BVerwGE 132, 79 Rn. 36 ff. sowie Urteil vom 31. März 2011 a.a.O. Rn. 45 ff.). Denn die einfachgesetzliche Erstreckung der Ausschlussklauseln auf den Asylanspruch nach Art. 16a GG ist verfassungsrechtlich schon deshalb nicht zu beanstanden, weil der deutsche Gesetzgeber hierdurch seiner Verpflichtung zur innerstaatlichen Umsetzung des Unionsrechts nachgekommen ist. Die Bindung an zwingende Vorgaben einer Richtlinie nach Art. 288 Abs. 3 AEUV befindet sich in Übereinstimmung mit den in Art. 23 Abs. 1 GG genannten Rechtsgrundsätzen, solange die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Union generell gewährleistet, der dem vom Grundgesetz jeweils als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <95 ff.>). Dass dieser unabdingbar gebotene Grundrechtsschutz auf unionsrechtlicher Ebene in Bezug auf das Asylrecht generell nicht gewährleistet wäre, kann angesichts des in Art. 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verbürgten Rechts auf Asyl und der dem Schutzstandard der Genfer Flüchtlingskonvention verpflichteten Bestimmungen der Richtlinie 2004/83/EG (vgl. etwa Erwägungsgründe 3 und 17 der Richtlinie) nicht angenommen werden. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts hat zwar nicht die Nichtigkeit entgegenstehenden nationalen Rechts zur Folge. Im Anwendungsbereich des Unionsrechts ist entgegenstehendes mitgliedstaatliches Recht aber grundsätzlich unanwendbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - NJW 2010, 3422). Der Anwendungsvorrang gilt in Deutschland allerdings nur kraft des durch Zustimmungsgesetz zu den Verträgen erteilten Rechtsanwendungsbefehls. Er reicht für in Deutschland ausgeübte Hoheitsgewalt daher nur so weit, wie die Bundesrepublik Deutschland dieser Kollisionsregel zugestimmt hat und zustimmen durfte (vgl. BVerfG, Urteil vom 30. Juni 2009 - 2 BvE 2/08 u.a. - BVerfGE 123, 267 <343>). Innerhalb dieser Grenzen ist das Unionsrecht aber auch bei der Auslegung des Grundgesetzes zu beachten. Dies hat hier zur Folge, dass mit der Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG das Grundrecht auf Asyl richtlinienkonform auszulegen ist und die Ausschlussklauseln selbst im Falle einer nicht durch richtlinienkonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung dieses Grundrechts behebbaren Kollision jedenfalls über den Anwendungsvorrang des vom nationalen Gesetzgeber in einfaches Gesetzesrecht umgesetzten Unionsrechts beachtlich sind (Urteil vom 31. März 2011 a.a.O. Rn. 54).

34

3. Auch wenn das Berufungsurteil danach auf der Verletzung von Bundesrecht beruht, kann der Senat nicht selbst über die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Flüchtlings- und der Asylanerkennung entscheiden. Denn aufgrund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob der Kläger einen Ausschlussgrund nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder 3 AsylVfG verwirklicht hat.

35

Das Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG setzt voraus, dass schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Betreffende vor seiner Einreise in das Bundesgebiet eine schwere nichtpolitische Straftat begangen, zu einer solchen Tat angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt hat (§ 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG). Als schwere Straftaten in diesem Sinne sind, wie der Gerichtshof der Europäischen Union betont hat (EuGH, Urteil vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 81), u.a. terroristische Handlungen anzusehen, die durch ihre Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung gekennzeichnet sind, auch wenn mit ihnen vorgeblich politische Ziele verfolgt werden. Allerdings rechtfertigt allein der Umstand, dass eine Person einer Organisation angehört hat, die - wie hier die PKK - wegen ihrer Beteiligung an terroristischen Handlungen in der sog. EU-Terrorliste (Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 17. Juni 2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2002/340/GASP - 2002/462/GSAP - ABl EG Nr. L 160 vom 18. Juni 2002 S. 32) aufgeführt ist, und sie den von dieser Organisation geführten bewaffneten Kampf aktiv unterstützt hat, nicht automatisch die Annahme eines Ausschlussgrundes nach dieser Vorschrift. Es bedarf vielmehr in jedem Einzelfall einer Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände, um zu ermitteln, ob die von der Organisation begangenen Handlungen schwere nichtpolitische Straftaten im Sinne des Ausschlussgrundes sind und ob der betreffenden Person eine individuelle Verantwortung für die Verwirklichung dieser Handlungen zugerechnet werden kann, wobei dem in der Vorschrift verlangten Beweisniveau Rechnung zu tragen ist (EuGH, Urteil vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 99). Dies gilt auch dann, wenn die betreffende Person - wie hier der Kläger - eine hervorgehobene Position innerhalb einer sich terroristischer Methoden bedienender Organisation innehatte. Daraus kann nach Ansicht des Gerichtshofs zwar eine Vermutung hergeleitet werden, dass diese Person eine individuelle Verantwortung für von dieser Organisation im relevanten Zeitraum begangene Handlungen trägt, nichtsdestoweniger bedarf es aber auch dann der Prüfung sämtlicher erheblicher Umstände im Einzelfall, um die Person von der Anerkennung als Flüchtling auszuschließen (EuGH, Urteil vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 98). Entsprechendes gilt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs für den vom Berufungsgericht nicht näher geprüften Ausschlussgrund des Zuwiderhandelns gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. Art. 12 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (EuGH, Urteil vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 99).

36

Daran gemessen genügen die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts auch unter Berücksichtigung des anzulegenden (abgesenkten) Beweismaßes nicht, um das Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 AsylVfG bei dem Kläger zu bejahen. Ob der strafrechtliche Vorwurf, der dem Fahndungsersuchen der türkischen Strafverfolgungsbehörden zugrunde liegt (Anschläge, bei denen 126 Menschen getötet worden seien, und Beteiligung an der Ermordung zweier PKK-Kämpfer in dem Zeitraum von 1993 bis 1998) berechtigt ist, hat das Berufungsgericht offengelassen (UA S. 43). Auch wenn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts davon ausgegangen werden kann, dass die PKK aufgrund der Aufnahme in die EU-Terrorliste eine terroristische Organisation ist und dass der Kläger für einen gewissen Zeitraum hoher Funktionär dieser Organisation gewesen ist, rechtfertigt dies allein noch nicht automatisch die Annahme einer dem Kläger zuzurechnenden schweren nichtpolitischen Straftat. Denn zum einen fehlt es schon an genauen Feststellungen dazu, wann und wie lange der Kläger tatsächlich dem 41-köpfigen Führungsgremium der PKK angehört hat (nach seinen eigenen Angaben vier Monate ab Februar 1999) und welche konkreten terroristischen Straftaten die PKK während dieses Zeitraums begangen oder geplant hat, wie dies für die Vermutung einer individuellen Verantwortung des Klägers aufgrund seiner herausgehobenen Stellung in der PKK nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union erforderlich wäre. Zum anderen bedürfte es aber auch bei Eingreifen dieser Vermutung noch einer Prüfung sämtlicher erheblicher Umstände des Einzelfalls, bei der auch besondere, die Vermutung entkräftende Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind. Für eine solche Prüfung reichen die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts, die aus seiner rechtlichen Sicht auch nicht entscheidungserheblich waren, nicht aus.

37

Im weiteren Verfahren wird das Berufungsgericht den Sachverhalt mit Blick sowohl auf den Ausschlussgrund der schweren nichtpolitischen Straftat als auch den des Zuwiderhandelns gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen aufzuklären haben und dabei für die Beurteilung der Schwere der begangenen Handlungen und der individuellen Verantwortung des Klägers alle Umstände zu ermitteln und zu berücksichtigen haben, die für diese Handlungen und für die Lage des Klägers kennzeichnend sind.

38

Bei der Prüfung des Ausschlussgrunds des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG ist zu berücksichtigen, dass die vom Gerichtshof geforderte individuelle Verantwortlichkeit eine Verantwortlichkeit im strafrechtlichen Sinne erfordert, wobei allerdings auch hier das im Vergleich zum Strafrecht abgesenkte Beweismaß ("wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist") zu beachten ist (zu diesem Beweismaßstab vgl. Urteil vom 31. März 2011 a.a.O. Rn. 26). Dabei liegt mangels einheitlicher internationaler Kriterien (vgl. die Länderberichte in: Sieber/Cornils, Nationales Strafrecht in rechtsvergleichender Darstellung, Teilband 4 Tatbeteiligung, Berlin 2010) grundsätzlich zunächst eine Orientierung an den Regeln des nationalen Strafrechts zur Täterschaft und Teilnahme nahe. Erfasst wird mithin sowohl der Täter als auch der Anstifter einer schweren nichtpolitischen Straftat. Auch der in sonstiger Weise Beteiligte ist für eine schwere nichtpolitische Straftat verantwortlich, wenn er eine strafrechtlich relevante Beihilfe begangen hat. Allerdings muss auch im Fall der Beihilfe der Tatbeitrag nach seinem Gewicht dem einer schweren nichtpolitischen Straftat im Sinne dieser Vorschrift entsprechen. Denn durch die Regelung über die Anstiftung und Beteiligung in sonstiger Weise in Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2004/83/EG und § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG sollte der Ausschlussgrund des Art. 1 F GFK, der eine solche Regelung nicht enthält, nicht erweitert, sondern mit Rücksicht auf das unterschiedliche Verständnis von Täterschaft, Anstiftung und sonstigen Beteiligungsformen in den Strafrechtsordnungen der Mitgliedstaaten lediglich präzisiert werden (ebenso UK Supreme Court, Urteil vom 17. März 2010, <2010> UKSC 15, Rn. 33). Das Berufungsgericht wird daher prüfen müssen, ob vorliegend schwerwiegende Gründe für die Annahme sprechen, dass der Kläger während seiner Zugehörigkeit zur PKK als Täter oder Teilnehmer eine schwere nichtpolitische Straftat begangen hat. Dabei wird es sowohl die dem Fahndungsersuchen der türkischen Strafverfolgungsbehörden zugrunde liegenden Vorwürfe als auch die herausgehobene Stellung des Klägers innerhalb der PKK zu würdigen haben.

39

Beim Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG, der jedenfalls bei Handlungen des Terrorismus mit internationaler Dimension auch von Personen verwirklicht werden kann, die keine Machtposition in einem Staat oder einer staatsähnlichen Organisation haben (vgl. oben Rn. 28), setzt der Tatbestand nicht notwendig die Begehung einer strafbaren Handlung voraus (ebenso zu Art. 1 F Buchst. c GFK: UK Court of Appeal, Urteil vom 24. März 2009, <2009> EWCA Civ 226, Rn. 30). In den hier einschlägigen UN-Resolutionen zu Antiterrormaßnahmen (vgl. Erwägungsgrund 22 der Richtlinie 2004/83/EG) wird in Bekräftigung dessen, dass jede Handlung des internationalen Terrorismus eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstellt, ausdrücklich erklärt, "dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen und dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" (Resolution 1373 <2001> des Sicherheitsrats vom 28. September 2001, Nr. 5). Daraus ergibt sich, dass Handlungen des internationalen Terrorismus allgemein und unabhängig von ihrer strafrechtlichen Relevanz im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen. Von diesem Ausschlussgrund können auch Personen erfasst werden, die im Vorfeld Unterstützungshandlungen zugunsten solcher terroristischen Aktivitäten vornehmen. Zusätzlich wird allerdings - um der Funktion des Ausschlussgrundes gerecht zu werden - in jedem Fall zu prüfen sein, ob der individuelle Beitrag ein Gewicht erreicht, das dem der Ausschlussgründe in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 AsylVfG entspricht.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

2

Der 1979 geborene Kläger reiste im Juni 2005 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag. Zur Begründung gab er an, sich im Juni 1999 dem militanten Arm der PKK angeschlossen zu haben. Er habe im iranisch-irakischen Grenzgebiet eine Kunst- und Kulturschule der PKK geleitet und sei als Künstler aufgetreten. Die Konzerte seien von einem kurdischen Fernsehsender ausgestrahlt worden. Ab Ende 2003 habe er im Lager M. als Kader der PKK seine künstlerische Arbeit fortgesetzt und sei für Kultur zuständig gewesen (Musikunterricht, Gruppenleitung). Da er der Anordnung der PKK im April 2005, zur Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes in die Berge zu ziehen, keine Folge geleistet habe, sei er nach Deutschland geflohen.

3

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - hat den Asylantrag des Klägers mit Bescheid vom 16. September 2005 abgelehnt und festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Dem Kläger wurde die Abschiebung in die Türkei angedroht. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zur Flüchtlingsanerkennung des Klägers verpflichtet und die Klage im Übrigen abgewiesen.

4

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts geändert und die Beklagte verpflichtet, zugunsten des Klägers ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG festzustellen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 AsylVfG von der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausgeschlossen sei. Denn er habe sich jedenfalls zwischen 1999 und 2005 als Mitglied der PKK und Angehöriger der "Volksbefreiungskräfte" in sonstiger Weise an Handlungen der PKK beteiligt, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderliefen. Eine Beteiligung sei auch durch eine aktive, gewichtige ideologische oder propagandistische Unterstützung einer terroristischen Organisation möglich, da terroristische Gruppen wie die PKK ihren Zusammenhalt und ihre Schlagkraft auf ein ideologisches Fundament und ein propagandistisch verbreitetes Ziel gründeten. Der Kläger sei als Leiter für kulturelle Aktivitäten in einer "Kultur- und Kunstschule" der PKK sowie in dem von der PKK beherrschten Lager M. innerhalb der Organisation aktiv und an herausgehobener Stelle für die Propaganda und die ideologische Schulung verantwortlich gewesen. Auch als nachgeordneter Kader habe er im Rahmen ihm erteilter Anweisungen eigenverantwortlich eine größere Anzahl von Personen geführt und sei in der internationalen Medienöffentlichkeit für die PKK in Erscheinung getreten. So sei er im kurdischen Fernsehen in zwei Propagandasendungen für die PKK und ihre Kämpfer zu sehen, in denen unter seiner Mitwirkung u.a. der bewaffnete Kampf, das Leben in den Bergen sowie der kurdische Widerstand gefeiert und besungen werde. Mit Blick auf die ihm bei Rückkehr in die Türkei drohende Verfolgung wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der PKK habe er aber Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 AufenthG.

5

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt der Kläger mangelnde tatsächliche Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zu konkreten, den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufenden Handlungen der PKK, an denen er sich angeblich beteiligt habe. Solle der Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung allein auf die ideologische Unterstützung des bewaffneten Kampfes der PKK gestützt werden, müsse diese inhaltlich auf die Anwendung gewaltsamer Mittel gerichtet sein und in zeitlicher wie räumlich-organisatorischer Nähe zum gewaltsamen Kampf stehen. Der Kläger habe jedoch nie zu terroristischen Straftaten aufgerufen.

6

Nach Auffassung der Beklagten und des Vertreters des Bundesinteresses kann auch die propagandistische Unterstützung gewaltsamer Aktionen terroristischer Organisationen zum Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung führen. Allerdings hätte das Berufungsgericht aufklären müssen, welche konkreten Aktionen die PKK in der Zeit unternommen habe, in der der Kläger ihrem militanten Arm angehört und in leitender Position Propaganda für sie betrieben habe.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Klägers hat Erfolg, denn das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hätte, nachdem es die Furcht des Klägers vor Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG für begründet erachtet (1.), die auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtete Klage nicht wegen Beteiligung des Klägers an Handlungen im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG abweisen dürfen, ohne Feststellungen zu den von der PKK während der Mitgliedschaft des Klägers in der Organisation konkret begangenen terroristischen Taten zu treffen (2.). Revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden ist hingegen die Würdigung des Berufungsgerichts, der Kläger habe sich - solche Handlungen der PKK im Zeitraum seiner Mitgliedschaft zwischen Juni 1999 und Mai 2005 unterstellt - daran durch seine gewichtigen propagandistischen Aktivitäten für diese Organisation in sonstiger Weise beteiligt (3.). Daher kann der Senat in der Sache selbst nicht abschließend entscheiden, so dass die Sache mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist (4.).

8

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des nur noch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichteten klägerischen Begehrens ist gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG das Asylverfahrensgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 1 Nr. 27 und 45 i.V.m. Art. 7 Satz 2 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl I S. 3474). Dadurch haben sich die entscheidungserheblichen Vorschriften jedoch nicht geändert.

9

1. Das Oberverwaltungsgericht hat die Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht. Insbesondere hat es seine Verfolgungsprognose auf der Grundlage aktueller Quellen gestellt und detailliert begründet (§ 108 Abs. 1 VwGO). Dabei hat es sich auch in (noch) nachvollziehbarer Weise mit der Aussage des Auswärtigen Amtes (Lagebericht Februar 2011) auseinander gesetzt, wonach in den letzten Jahren keine Fälle bekannt geworden seien, in denen zurückkehrende Asylbewerber - selbst exponierte Mitglieder und führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen - wegen früherer Aktivitäten gefoltert oder misshandelt worden seien.

10

2. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Kläger aber gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2 Halbs. 2 AsylVfG von der Flüchtlingsanerkennung ausgeschlossen. Die dafür angeführten Erwägungen halten einer revisionsgerichtlichen Prüfung jedoch nicht stand. Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger jedenfalls zwischen 1999 und 2005 aktives Mitglied der PKK war, es hat aber keine tatsächlichen Feststellungen zu terroristischen Aktivitäten der PKK in diesem Zeitraum getroffen, an denen sich der Kläger in sonstiger Weise hätte beteiligen können.

11

Ein Ausländer ist gemäß § 3 Abs. 2 AsylVfG nicht Flüchtling, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG), wenn er vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG), oder wenn er den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG). Dies gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben (§ 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG).

12

Ein Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung wegen Beteiligung an Handlungen, die sich gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen richten (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2 AsylVfG), setzt zunächst voraus, dass derartige Zuwiderhandlungen vorliegen. Die dafür maßgeblichen Ziele und Grundsätze sind in der Präambel und in den Art. 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt und u.a. in den Resolutionen des UN-Sicherheitsrats zu den Antiterrormaßnahmen verankert. Aus diesen folgt, "dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" und "dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" (vgl. Erwägungsgrund 22 zur Richtlinie 2004/83/EG). Wie sich aus den UN-Resolutionen 1373 (2001) und 1377 (2001) ergibt, geht der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen von dem Grundsatz aus, dass Handlungen des internationalen Terrorismus in einer allgemeinen Weise und unabhängig von der Beteiligung eines Staates den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen. Daraus folgert der Gerichtshof der Europäischen Union, dass dieser Ausschlussgrund auch auf Personen Anwendung finden kann, die im Rahmen ihrer Zugehörigkeit zu einer in der Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 aufgeführten Organisation an terroristischen Handlungen beteiligt waren, die eine internationale Dimension aufweisen (EuGH, Urteil vom 9. November 2010 - Rs. C-57/09 und C-101/09 - Slg 2010, I-10979 Rn. 82 ff. = NVwZ 2011, 285). Danach können Zuwiderhandlungen im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG jedenfalls bei Aktivitäten des internationalen Terrorismus auch von Personen begangen werden, die keine Machtposition in einem Mitgliedstaat der Vereinten Nationen oder zumindest in einer staatsähnlichen Organisation innehaben (Urteil vom 7. Juli 2011 - BVerwG 10 C 26.10 - BVerwGE 140, 114 = Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 40 jeweils Rn. 28).

13

Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht für den Zeitraum der Mitgliedschaft des Klägers in der PKK zwischen Juni 1999 und Mai 2005 keine tatsächlichen Feststellungen zu terroristischen Handlungen dieser Organisation getroffen hat. Denn auch auf der Grundlage des abgesenkten Beweismaßes in § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG kann eine Beteiligung an den in der Norm genannten Straftaten oder Handlungen nur angenommen werden, wenn für die erforderliche Haupttat an einzelne Vorfälle angeknüpft wird (Beschluss vom 10. Oktober 2013 - BVerwG 10 B 19.13 - juris Rn. 5). Auch wenn die Beteiligung des Klägers an Taten, die gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen verstoßen, die Schwelle einer Beteiligung im strafrechtlichen Sinne nicht überschreiten muss, so ist es doch erforderlich, dass es während seiner Tätigkeit für die PKK zu konkreten derartigen Taten gekommen ist. Andernfalls fehlte es an einem Anknüpfungspunkt für eine Verantwortlichkeit des Klägers, die die Grundlage für seinen Ausschluss vom Flüchtlingsschutz darstellt. Das Tatsachengericht muss deshalb konkret feststellen, ob schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass sich eine unterstützende Tätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG während des Zeitraums, in dem sie geleistet worden ist, in Handlungen im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG niedergeschlagen hat. Entsprechende Feststellungen hat das Berufungsgericht jedoch nicht getroffen, so dass die angefochtene Entscheidung Bundesrecht verletzt.

14

3. Die Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig oder unrichtig. Insbesondere kann der Senat in der Sache selbst nicht zugunsten des Klägers abschließend entscheiden. Denn die Würdigung der Vorinstanz, der Kläger habe sich - Handlungen der PKK gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG in dem Zeitraum seiner Mitgliedschaft unterstellt - daran durch seine gewichtigen ideologischen und propagandistischen Aktivitäten für diese Organisation in sonstiger Weise beteiligt, ist revisionsgerichtlich aufgrund der von der Vorinstanz festgestellten Tatsachen nicht zu beanstanden.

15

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass allein die Zugehörigkeit zu einer in der sog. EU-Terrorliste aufgeführten Organisation wie der PKK und die aktive Unterstützung ihres bewaffneten Kampfes nicht automatisch die Annahme der Beteiligung an Handlungen im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG rechtfertigen. Es bedarf vielmehr der Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalles, ob dem Asylbewerber eine individuelle Verantwortung für die Verwirklichung dieser Handlungen zugerechnet werden kann, wobei dem in der Vorschrift verlangten Beweisniveau Rechnung zu tragen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 99). Anders als bei der Beteiligung an einer schweren nichtpolitischen Straftat gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Satz 2 AsylVfG, die eine Zurechnung nach strafrechtlichen Kriterien (Anstiftung oder Beihilfe) verlangt (Urteil vom 4. September 2012 - BVerwG 10 C 13.11 - BVerwGE 144, 127 = Buchholz 402.25 § 39 AsylVfG Nr. 1 jeweils Rn. 24), müssen sich Unterstützungshandlungen zugunsten einer terroristischen Organisation nicht spezifisch auf einzelne terroristische Aktionen beziehen, um von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2 AsylVfG erfasst werden zu können. Denn dieser Ausschlussgrund verlangt keine Zurechnung nach strafrechtlichen Kriterien, da er kein strafbares Handeln im Sinne einer Beteiligung an bestimmten Delikten voraussetzt. Demzufolge können auch rein logistische Unterstützungshandlungen von hinreichendem Gewicht im Vorfeld den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2 AsylVfG erfüllen (Urteile vom 7. Juli 2011 a.a.O. jeweils Rn. 39 und vom 4. September 2012 a.a.O. jeweils Rn. 26). Gleiches gilt für gewichtige ideologische und propagandistische Aktivitäten zugunsten einer terroristischen Organisation (vgl. auch OVG Münster, Urteil vom 9. März 2011 - 11 A 1439/07.A - OVGE MüLü 54, 95 ; OVG Schleswig, Urteil vom 1. September 2011 - 4 LB 11/10, AuAS 2011, 262 ). Dagegen reicht etwa das bloße Sprühen von Parolen der Organisation oder das Verteilen von Flugblättern nicht aus. Denn das Gewicht des Tatbeitrages eines Gehilfen als "in sonstiger Weise Beteiligtem" muss dem der Beteiligung an einer schweren nichtpolitischen Straftat im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG entsprechen (Urteil vom 7. Juli 2011 a.a.O. jeweils Rn. 39).

16

Entgegen der Auffassung der Revision ist die Zurechnung bei der Beteiligung an Zuwiderhandlungen gegen Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen allerdings nicht auf Fälle beschränkt, in denen der Asylbewerber objektiv die Möglichkeit tatsächlicher Einflussnahme auf die Begehung von Terrorakten hatte oder solche Taten öffentlich gebilligt oder dazu aufgerufen hat. Mangels Notwendigkeit eines spezifischen Bezugs zwischen der Unterstützungshandlung und einem einzelnen Terrorakt bedarf es für eine Beteiligung in sonstiger Weise gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2 AsylVfG weder einer räumlich-organisatorischen Nähe innerhalb der Organisation zur Ausführung terroristischer Taten noch deren Rechtfertigung in der Öffentlichkeit. Andernfalls genössen reine Schreibtischtäter und Propagandisten Flüchtlingsschutz, obwohl ihr ideologisch-propagandistischer Beitrag zu terroristischen Taten bei der gebotenen wertenden Betrachtung mit Blick auf den Normzweck des § 3 Abs. 2 AsylVfG, asylunwürdige Personen vom Status des "bona fide refugee" fernzuhalten (vgl. Urteil vom 24. November 2009 - BVerwG 10 C 24.08 - BVerwGE 135, 252 = Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 8 jeweils Rn. 25 ff.), keinesfalls minder gewichtig als der von unmittelbar Tatbeteiligten erscheint.

17

In Anwendung dieser Maßstäbe ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger - terroristische Aktionen der PKK in der Zeit seiner Mitgliedschaft zwischen Juni 1999 und Mai 2005 unterstellt - gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2 AsylVfG von der Flüchtlingsanerkennung ausgeschlossen ist. Die Vorinstanz hat festgestellt, dass der Kläger jedenfalls zwischen Juni 1999 und Mai 2005 Mitglied der PKK und Angehöriger der "Volksbefreiungskräfte" gewesen ist. Nach den tatrichterlichen Feststellungen war er Leiter für kulturelle Aktivitäten in einer "Kultur- und Kunstschule" der PKK und hat später in dem von der PKK beherrschten Lager M. an herausgehobener Stelle für die Propaganda und die ideologische Schulung der PKK verantwortlich gezeichnet. Zudem ist er im kurdischen Fernsehen als Musiker in Propagandasendungen für die PKK aufgetreten und hat deren bewaffneten Kampf gefeiert und besungen. Diese Aktivitäten für die PKK hat das Berufungsgericht als hinreichend gewichtig für den Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung angesehen. Das begegnet im Hinblick auf die hohe Bedeutung von Musik, Tanz und Brauchtum als Ausdruck kultureller Identität unter kurdischen Volkszugehörigen und des bewussten Einsatzes dieser Mittel zur Werbung für die PKK und Förderung ihres inneren Zusammenhalts hier keinen Bedenken.

18

4. Da das Revisionsgericht die fehlenden tatsächlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann, ist die Sache zur weiteren Aufklärung gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. In dem neuen Berufungsverfahren wird das Oberverwaltungsgericht unter Berücksichtigung des abgesenkten Beweismaßes in § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG Feststellungen zu terroristischen Aktivitäten der PKK in dem hier jedenfalls maßgeblichen Zeitraum zwischen Juni 1999 und Mai 2005 als Grundlage einer Beteiligung des Klägers treffen müssen. Dazu kann es auf allgemein zugängliche Quellen zurückgreifen (z.B. "Global Terrorism Database" der University Maryland: http://www.start.umd.edu/gtd) oder es wird ggf. dazu ein Gutachten eines Sachverständigen einholen müssen (vgl. die Vorgehensweise des OVG NRW im Verfahren 8 A 5118/05.A, Urteil vom 2. Juli 2013 ).

Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und
2.
im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

Tatbestand

1

Der am 1. September 1977 in der Türkei geborene Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Anerkennung als Asylberechtigter und Flüchtling.

2

Der Kläger reiste 1987 als türkischer Staatsangehöriger nach Deutschland ein und lebt seitdem hier. Im Mai 2002 beantragte er, nachdem gegen ihn eine Ausweisungsverfügung ergangen war, beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nunmehr: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - Bundesamt - Asyl. Er müsse in der Türkei wegen seiner exilpolitischen Aktivitäten für die PKK in den Jahren 1991 bis 1995 mit seiner sofortigen Inhaftierung und Verurteilung rechnen.

3

Das Bundesamt lehnte im Oktober 2002 den Asylantrag ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Auf die dagegen erhobene Klage hob das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 6. November 2003 den ablehnenden Bescheid auf und verpflichtete die Beklagte, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Das Verwaltungsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Kläger türkischer Staatsangehöriger sei und ihm aufgrund seiner in Deutschland entwickelten politischen Aktivitäten in den Jahren 1991 bis 1995 zugunsten der PKK bei einer Rückkehr in die Türkei asylerhebliche Verfolgung drohe. Unter Bezugnahme auf die vom Gericht ausgesprochene Verpflichtung erkannte das Bundesamt mit Bescheid vom 17. März 2004 den Kläger als Asylberechtigten an und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG bezüglich der Türkei vorliegen.

4

Im Rahmen eines vom Kläger durchgeführten Eheschließungsverfahrens wurde dem Landratsamt M. im November 2006 bekannt, dass der Kläger mit Beschluss des türkischen Ministerrats vom 7. Mai 2001 gemäß Art. 25c des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes wegen Wehrdienstentziehung aus der türkischen Staatsangehörigkeit ausgebürgert worden war.

5

Mit Bescheid vom 13. Mai 2008 widerrief das Bundesamt die im März 2004 ausgesprochene Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter und die dort getroffene Feststellung zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (Nr. 1 und 2). Zugleich stellte es fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 3). Eine Entscheidung zum Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG wurde im Hinblick darauf, dass seitens der Ausländerbehörde keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen beabsichtigt seien, nicht getroffen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Widerruf sei gerechtfertigt, weil sich die für die Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse in der Türkei inzwischen wesentlich verändert hätten. Die Menschenrechtslage habe sich verbessert. Dem Auswärtigen Amt sei seit vier Jahren kein einziger Fall bekannt geworden, in dem ein aus Deutschland in die Türkei zurückgekehrter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt wurde. Der Kläger gehöre nicht zu einem gefährdeten Personenkreis. Er sei zwar im Zusammenhang mit PKK-Aktivitäten straffällig geworden, seit 1995 jedoch nicht mehr politisch aktiv. Gegen ihn sei in der Türkei kein Ermittlungs- oder Strafverfahren anhängig.

6

Das Verwaltungsgericht hat den Widerrufsbescheid aufgehoben. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass bei Rückkehr des Klägers in seine Heimat eine asylerhebliche Verfolgung weiterhin nicht ausgeschlossen werden könne. Zwar habe sich die Menschenrechtslage in der Türkei erheblich verbessert. Gleichwohl sei derzeit noch nicht davon auszugehen, dass der Reformprozess bereits weit genug fortgeschritten sei, um eine menschenrechtswidrige Behandlung des Klägers durch türkische Sicherheitsorgane mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ausschließen zu können.

7

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 18. Oktober 2010 die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Eine für eine Widerrufsentscheidung nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erforderliche erhebliche Änderung der für die Beurteilung der Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse liege nicht vor. Dies sei aber Voraussetzung, um die Rechtskraftwirkung des zur Anerkennung verpflichtenden verwaltungsgerichtlichen Urteils zu überwinden. Maßgebliche Voraussetzung für die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter und Flüchtling sei die Annahme des Verwaltungsgerichts gewesen, dass es sich beim Kläger um einen türkischen Staatsangehörigen handele. Dies sei aber nicht der Fall gewesen, weil der Kläger bereits durch Beschluss des türkischen Ministerrats vom 7. Mai 2001 ausgebürgert worden sei. Ein Staatenloser, für den die Bundesrepublik Deutschland - wie für den Kläger - das Land seines gewöhnlichen Aufenthalts sei, könne aber grundsätzlich nicht als Asylberechtigter anerkannt werden. Am Fehlen der türkischen Staatsangehörigkeit habe sich seit Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils nichts geändert, da der Kläger nach wie vor staatenlos sei. Deshalb komme es für die Entscheidung nicht auf die Frage an, ob die Gefahr asylerheblicher Verfolgung für den Kläger als ehemaligen PKK-Aktivisten im Fall seiner Rückkehr in die Türkei nunmehr entfallen sei.

8

Die Beklagte begründet die gegen das Urteil eingelegte Revision im Wesentlichen damit, dass eine vor Anerkennung erfolgte Ausbürgerung eine nachträgliche Veränderung der verfolgungsrelevanten Tatsachen nicht ausschließe. Die Rechtskraft des zur Anerkennung verpflichtenden Urteils stehe der Berücksichtigung der geänderten Tatsachen zum Verfolgungsrisiko für den Kläger im Rahmen der Widerrufsentscheidung nicht entgegen.

9

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

10

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht schließt sich der Auffassung der Beklagten an, dass das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Bundesrecht verletze. Nach seiner Auffassung erstreckt sich die Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Verpflichtungsurteils auch auf die im Rahmen seiner Begründung getroffene Feststellung, dass der Kläger türkischer Staatsangehöriger sei. Von der türkischen Staatsangehörigkeit des Klägers sei daher auch bei der Widerrufsentscheidung auszugehen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet. Die Berufungsentscheidung beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Berufungsgericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständlichen Widerrufe der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung keine formellen Mängel aufweisen (1.). Es hat aber die materielle Rechtmäßigkeit der Widerrufsentscheidungen mit einer Begründung verneint, die mit Bundesrecht nicht vereinbar ist. Es hat zu Unrecht angenommen, dass die Rechtskraft des zur Asyl- und Flüchtlingsanerkennung verpflichtenden verwaltungsgerichtlichen Urteils einer Widerrufsentscheidung entgegensteht (2.). Mangels ausreichender Feststellungen des Berufungsgerichts konnte der Senat nicht selbst abschließend entscheiden, ob die angefochtenen Widerrufsentscheidungen die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 AsylVfG erfüllen (3.). Das Verfahren war daher zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

12

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der angefochtenen Widerrufe ist § 73 AsylVfG in der seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - am 28. August 2007 geltenden Fassung (Bekanntmachung der Neufassung des Asylverfahrensgesetzes vom 2. September 2008, BGBl I S. 1798).

13

1. Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Widerrufe der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung im Bescheid vom 13. Mai 2008 in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden sind. Sie entsprechen insoweit den maßgeblichen Anforderungen des § 73 AsylVfG. Insbesondere begegnen die angefochtenen Entscheidungen weder im Hinblick auf die Unverzüglichkeit der Widerrufe im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG noch im Hinblick auf die Prüfungsfrist des § 73 Abs. 7 AsylVfG Bedenken. Der angefochtene Bescheid ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil das Bundesamt kein Ermessen ausgeübt hat (Urteil vom 24. Februar 2011 - BVerwG 10 C 3.10 - NVwZ 2011, 944 Rn. 11).

14

2. Die Berufungsentscheidung ist aber hinsichtlich der materiellen Widerrufsvoraussetzungen nicht mit § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG zu vereinbaren. Nach Satz 1 der Vorschrift sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist nach Satz 2 insbesondere dann der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Anerkennung als Asylberechtigter oder zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, oder wenn er als Staatenloser in der Lage ist, in das Land zurückzukehren, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

15

Mit § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und f der Richtlinie 2004/83/EG über das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nach Wegfall der die Anerkennung begründenden Umstände umgesetzt. Die Voraussetzungen für den Widerruf nach dieser Vorschrift sind deshalb im Sinne der entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie auszulegen, die sich ihrerseits an Art. 1 C Nr. 5 und 6 der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - orientieren. Dies gilt auch für Fälle, in denen die zugrunde liegenden Schutzanträge - wie hier - vor dem Inkrafttreten der Richtlinie gestellt worden sind (vgl. Urteil vom 24. Februar 2011 a.a.O. Rn. 9). Diese Auslegung ist - soweit sich aus Art. 16a GG nichts Abweichendes ergibt - auch auf den Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter anzuwenden.

16

Die Rechtskraft des zur Anerkennung des Klägers verpflichtenden verwaltungsgerichtlichen Urteils von 2003 steht einer Widerrufsentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylVfG nicht entgegen, wenn sich die zur Zeit des Urteils maßgebliche Sach- oder Rechtslage nachträglich entscheidungserheblich verändert hat (sog. zeitliche Grenze der Rechtskraft, stRspr, etwa Urteil vom 18. September 2001 - BVerwG 1 C 7.01 - BVerwGE 115, 118 <121> m.w.N.). Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Soweit der personelle und sachliche Umfang der Rechtskraft reicht, ist die im Vorprozess unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht befugt, einen neuen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen zu erlassen (vgl. Urteil vom 1. Juni 2011 - BVerwG 10 C 25.10 - InfAuslR 2011, 408 Rn. 12 m.w.N.). Die Behörde ist aber bei einer entscheidungserheblichen Änderung des für die Anerkennung maßgeblichen Sachverhalts nicht gehindert, einen Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft zu widerrufen, den sie in Erfüllung ihrer Verpflichtung aus einem rechtskräftigen Verpflichtungsurteil erlassen hat. Das ist im Asylrecht dann der Fall, wenn nach dem für das rechtskräftige Urteil maßgeblichen Zeitpunkt neue für die Streitentscheidung erhebliche Tatsachen eingetreten sind, die sich so wesentlich von den früher maßgeblichen Umständen unterscheiden, dass auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Rechtskraft eines Urteils eine erneute Sachentscheidung durch die Verwaltung oder ein Gericht gerechtfertigt ist (Urteil vom 18. September 2001 a.a.O.).

17

Die Rechtskraftwirkung besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob das rechtskräftig gewordene Urteil die seinerzeit bestehende Sach- und Rechtslage erschöpfend und zutreffend gewürdigt hat (Urteil vom 18. September 2001 a.a.O. S. 122 f.). Allerdings entfalten fehlerhafte Urteile keine weitergehende Rechtskraftwirkung als fehlerfreie Urteile. Eine Lösung von der Rechtskraftwirkung eines Urteils, das das Bundesamt zur Anerkennung als Asylberechtigter und Flüchtling verpflichtet hat, ist vielmehr immer dann möglich, wenn sich die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebliche Sach- und Rechtslage nachträglich entscheidungserheblich verändert hat, unabhängig davon ob das zur Anerkennung verpflichtende Urteil richtig oder fehlerhaft war.

18

Die Voraussetzungen für eine Beendigung der Rechtskraftwirkung entsprechen damit weitgehend denen, die für den Widerruf einer Anerkennungsentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylVfG gelten. Denn auch § 73 Abs. 1 AsylVfG setzt eine wesentliche Änderung der für die Entscheidung maßgeblichen Verhältnisse voraus. Für den Widerruf einer Behördenentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylVfG hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass es unerheblich ist, ob die Anerkennung rechtmäßig oder rechtswidrig erfolgt ist (vgl. Urteil vom 19. September 2000 - BVerwG 9 C 12.00 - BVerwGE 112, 80 <85 f.>). Der Anwendung des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf rechtswidrige Verwaltungsakte steht danach auch nicht entgegen, dass die Voraussetzungen einer zu Unrecht erfolgten Asylanerkennung oder Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Nachhinein scheinbar nicht entfallen sein können, da sie begriffsnotwendig von Anfang an nicht vorlagen. Diese Sicht verstellt den Blick für den eigenständigen, nicht an die Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheids, sondern an die nachträgliche Veränderung der politischen Verhältnisse im Verfolgerland anknüpfenden Regelungszweck der Widerrufsbestimmung. Sie eröffnet die Möglichkeit eines Widerrufs bereits dann, wenn jedenfalls unzweifelhaft eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse feststeht, ohne dass es noch der unter Umständen schwierigeren Prüfung und Entscheidung bedürfte, ob die ursprüngliche Anerkennung rechtmäßig oder rechtswidrig war (vgl. Urteil vom 19. September 2000 a.a.O. S. 86). Dies gilt erst recht für den Widerruf der auf einem Verpflichtungsurteil beruhenden Anerkennung, von deren Rechtmäßigkeit wegen der Rechtskraft des Urteils auch im Rahmen der Widerrufsprüfung auszugehen ist.

19

Mit Bundesrecht nicht vereinbar ist daher die Auffassung des Berufungsgerichts, dass eine wesentliche Änderung der für die Anerkennung maßgeblichen Tatsachen hier nicht vorliegt, weil das zur Anerkennung verpflichtende Urteil von der unzutreffenden Annahme ausging, der Kläger sei türkischer Staatsangehöriger, obwohl er tatsächlich Staatenloser war und geblieben ist. Maßgeblich für die Beurteilung, ob eine entscheidungserhebliche Änderung vorliegt, ist der Vergleich der dem Verpflichtungsurteil vom 6. November 2003 zugrunde gelegten Tatsachenlage mit derjenigen zum Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung über den Widerruf. Für diesen Vergleich ist der Kläger fiktiv als türkischer Staatsangehöriger zu behandeln, auch wenn er tatsächlich staatenlos war, weil das Gericht dies seiner Verpflichtungsentscheidung zugrunde gelegt hat. Unerheblich ist insoweit, dass die Feststellung zur Staatsangehörigkeit des Klägers nicht von der Rechtskraftwirkung des Urteils umfasst wird, da es sich nur um ein Begründungselement handelt, das - anders als die Verpflichtung zum Erlass des abgelehnten Verwaltungsakts und die Feststellung zur Rechtsverletzung des Klägers durch die damalige ablehnende Behördenentscheidung - nicht in Rechtskraft erwächst (vgl. Beschluss vom 10. Juli 2003 - BVerwG 1 B 338.02 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 87). Das Bundesamt war deshalb durch die Rechtskraftwirkung des Verpflichtungsurteils vom 6. November 2003 nicht an einem Widerruf der Anerkennungen gehindert, wenn sich die Verhältnisse in der Türkei derart grundlegend und dauerhaft geändert haben, dass dem Kläger dort - unter Zugrundelegung seiner fiktiven türkischen Staatsangehörigkeit - die vom Gericht seinerzeit festgestellte asyl- und flüchtlingsrechtlich erhebliche Verfolgung nicht mehr droht (vgl. hierzu Urteil vom 1. Juni 2011 a.a.O. Rn. 19 bis 24).

20

Für die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Anerkennungsentscheidungen nach § 73 Abs. 1 AsylVfG ist weiter Voraussetzung, dass dem Kläger jetzt nicht aus anderen, vom Verpflichtungsurteil nicht erfassten Gründen Verfolgung droht. Bei der Prüfung derartiger neuer Verfolgungsgründe ist nicht von den dem Verpflichtungsurteil zugrunde liegenden Tatsachen auszugehen, sondern von der nunmehr festgestellten Sachlage - und damit von der Staatenlosigkeit des Klägers.

21

3. Da das Berufungsgericht die streitgegenständlichen Widerrufsentscheidungen allein deshalb als rechtswidrig angesehen hat, weil es den Umfang der Rechtskraft des zur Asyl- und Flüchtlingsanerkennung verpflichtenden Urteils verkannt hat, hat es nicht nach den oben dargestellten Maßstäben geprüft, ob sich die verfolgungsrelevanten Tatsachen mittlerweile entscheidungserheblich verändert haben. Der Senat kann mangels ausreichender Feststellungen hierzu nicht selbst abschließend entscheiden, ob sich das Bundesamt von der Rechtskraftwirkung des zur Anerkennung verpflichtenden Urteils lösen durfte und bei dem Kläger die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 AsylVfG für den Widerruf der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung vorliegen. Das Verfahren war daher zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

22

Im weiteren Verfahren wird das Berufungsgericht Folgendes zu berücksichtigen haben:

23

Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab für den Widerruf der Asyl- wie der Flüchtlingsanerkennung entspricht spiegelbildlich dem bei der Anerkennung zugrunde zu legenden Maßstab. Das Bundesverwaltungsgericht hat schon in seiner bisherigen Rechtsprechung keinen sachlichen Grund dafür gesehen, unterschiedliche Anforderungen an die Anerkennungsvoraussetzungen einerseits und an die Widerrufsvoraussetzungen andererseits zu stellen (vgl. Urteil vom 24. November 1992 - BVerwG 9 C 3.92 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG 1992 Nr. 1). Auch der Gerichtshof der Europäischen Union geht für das Flüchtlingsrecht grundsätzlich von einer Symmetrie der Maßstäbe für die Anerkennung und den Widerruf und damit von einem Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft aus, wenn begründete Befürchtungen dafür fehlen, Verfolgungshandlungen ausgesetzt zu sein (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - Rs. C-175/08, C-176/08, C-178/08 und C-179/08, Abdulla u.a. - Slg. 2010, I-1493 Rn. 65 und 73).

24

Das bedeutet für das nationale Asylrecht: Ist der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt worden, weil er vor seiner Ausreise Verfolgung erlitten hat oder als ihm bevorstehend befürchten musste, so sind die Anerkennungsvoraussetzungen nur dann als weggefallen anzusehen, wenn der Betroffene aufgrund der Veränderung der Umstände vor künftiger Verfolgung hinreichend sicher ist (vgl. Urteil vom 24. November 1992 a.a.O.). Beruht die Anerkennung hingegen - wie hier - allein auf Nachfluchtgründen, sind ihre Voraussetzungen dann entfallen, wenn die der Anerkennung zugrunde liegende Verfolgung nach dem allgemeinen Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit nicht mehr droht. Allein die Tatsache, dass der nicht vorverfolgte Ausländer wegen Nachfluchtgründen als Asylberechtigter anerkannt worden ist, rechtfertigt nicht die Anwendung des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabs. Vielmehr spricht der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit von Anerkennungs- und Widerrufsentscheidung dafür, den herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab beim Widerruf nur dann anzuwenden, wenn er auch für die Anerkennung maßgeblich war. Humanitäre Gründe stehen dem nicht entgegen, weil der Betroffene bei reinen Nachfluchtgründen im Herkunftsland selbst keine Verfolgung erlitten hat oder unmittelbar von ihr bedroht war. Das Berufungsgericht wird demnach zu prüfen haben, ob mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter zum Zeitpunkt der neuerlichen gerichtlichen Entscheidung aufgrund veränderter Verhältnisse in der Türkei nicht mehr vorliegen und dem Kläger dort auch nicht aus anderen Gründen Verfolgung droht.

25

Für den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung gilt seit Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG durch das Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19. August 2007 unabhängig von der Frage, ob der Ausländer vorverfolgt war oder nicht, der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 1. Juni 2011 a.a.O. Rn. 22 f.). Die Privilegierung eines vorverfolgten Flüchtlings erfolgt durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie, auf die § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG verweist. Die Beweiserleichterung greift allerdings nicht bei reinen Nachfluchtgründen, wie sie hier vorliegen, da der Ausländer in diesen Fällen - wie bereits dargelegt - nicht bereits verfolgt worden ist oder von Verfolgung unmittelbar bedroht war, was die Vorschrift voraussetzt.

26

Sollte das Berufungsgericht zu dem Schluss kommen, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 73 Abs. 1 AsylVfG im Fall des Klägers nicht vorliegen, müsste der angefochtene Bescheid aufgehoben werden. Eine Umdeutung des Widerrufs in eine Rücknahme der Anerkennungen kommt, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt hat, nicht in Betracht. Dies folgt bereits aus der Rechtskraft des zur Asyl- und Flüchtlingsanerkennung verpflichtenden Urteils vom 6. November 2003, die es verbietet, die Rechtmäßigkeit der Anerkennungen im Nachhinein anders zu beurteilen. Die Frage, ob der Kläger im Hinblick auf seine vor der Anerkennung liegenden Aktivitäten zugunsten der PKK in Deutschland möglicherweise einen Ausschlussgrund nach § 60 Abs. 8 AufenthG, § 3 Abs. 4 oder Abs. 2 AsylVfG verwirklicht haben könnte - was im Übrigen der Sache nach eher fern liegen dürfte -, würde sich schon aus diesem Grund nicht stellen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 8. Dezember 2009 - 1 K 2126/07 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung und begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Der am ... Mai 1973 geborene Kläger ist indischer Staatsangehöriger. Er stellte am 24. Juli 2001 zusammen mit seiner Ehefrau und zwei Kindern einen Asylantrag.
Die Anträge wurden vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge abgelehnt.
Die Klagen vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen blieben ohne Erfolg (Urteil vom 15. Oktober 2003 - A 9 K 11243/01 -).
In einem vom Kläger eingeleiteten Folgeantragsverfahren verpflichtete das Verwaltungsgericht Sigmaringen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch Urteil vom 26. Mai 2006 (A 1 K 10241/05) festzustellen, dass beim Kläger in Bezug auf Indien ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG vorliegt. In demselben Urteil wurde das Verfahren im Übrigen eingestellt, soweit der Kläger seine Klage bezüglich der Zuerkennung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG zurückgenommen hatte. Zur Begründung stellte das Verwaltungsgericht darauf ab, dem Kläger drohe aufgrund seiner exponierten Stellung als Vorstandsmitglied der Unterorganisation der „International Sikh Youth Federation“ (ISYF) in Baden-Württemberg im Falle seiner Rückkehr nach Indien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter.
Am 4. August 2006 beantragte der Kläger bei der unteren Ausländerbehörde die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Das Regierungspräsidium Tübingen verweigerte jedoch die Erteilung der Zustimmung.
Mit Schreiben vom 3. Juli 2007 hörte der Beklagte den Kläger zu einer beabsichtigten Ausweisung an und wies in einem weiteren Schreiben vom 19. Juli 2007 ergänzend darauf hin, dass sich die Bedenken am weiteren Aufenthalt des Klägers in Deutschland aus seiner Tätigkeit für die ISYF ergäben, die von der Europäischen Union als terroristische Organisation eingestuft werde.
Mit Schreiben vom 2. August 2007 wies der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hin, dass es eine aktuelle Auskunft des Auswärtigen Amtes gebe, nach der die ISYF seit dem Jahr 2000 nicht mehr terroristisch tätig sei. Von der bloßen Funktionärstätigkeit für die ISYF könne auch nicht darauf geschlossen werden, dass sich der Kläger Handlungen zuschulden kommen lasse, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderliefen. Die ISYF werde zwar von den Verfassungsschutzämtern überwacht. Es lägen aber keine konkreten Erkenntnisse über deren Verwicklung in terroristische Aktivitäten vor. Nach den Ermittlungen und Beobachtungen des Auswärtigen Amtes sei die ISYF seit der Jahrtausendwende nicht mehr in terroristische Aktivitäten verwickelt.
Das Regierungspräsidium Tübingen wies den Kläger mit Verfügung vom 14. September 2007 aus der Bundesrepublik Deutschland aus und lehnte seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 4. August 2006 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt: Nach § 54 Nr. 5 AufenthG werde ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigten, dass er einer Vereinigung angehöre oder angehört habe, die den Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze oder unterstützt habe, wobei die Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden könne, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründeten. Die ISYF sei eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze. Sie habe terroristische Aktivitäten bislang vorwiegend in Indien entwickelt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei davon auszugehen, dass die ISYF an den Vorbereitungen des Anschlags auf den indischen Botschafter in Bukarest im Jahre 1991 beteiligt gewesen sei. Das Auswärtige Amt führe in seinem Lagebericht Indien vom 19. November 2006 aus, dass die terroristische Gewalt im Punjab seit 2000 nahezu vollständig zum Erliegen gekommen sei und sich die dortige Situation normalisiert habe. Die Angehörigen der verschiedenen militanten Gruppen hätten den Punjab verlassen, operierten jedoch aus anderen Bundesstaaten oder aus Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhielten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland. Deutschland diene hier lebenden Sikh-Extremisten als Ruhe- und Finanzierungsbasis. Die deutsche Sektion der ISYF sammle hauptsächlich Spenden zur Unterstützung der Mutterorganisation in Indien, fördere also den Terrorismus durch Zurverfügungstellung von Geld. Darüber hinaus organisiere sie gemeinsam mit anderen extremistischen Sikh-Gruppen regelmäßig auch überregionale öffentliche Veranstaltungen und Protestdemonstrationen anlässlich indischer Nationalfeiertage. Die ISYF werde von der Europäischen Union als terroristische Organisation angesehen. Auch in Indien werde die ISYF als terroristische Organisation in der Anlage zum Unlawful Activities Prevention Act von 1967 eingestuft. Der Kläger sei Mitglied der ISYF und unterstütze diese. Er sei bereits in Indien für die ISYF tätig gewesen. In Baden-Württemberg sei er am 25. April 2005 zum Präsidenten der ISYF gewählt worden. Die Unterstützungshandlungen für die ISYF seien dem Kläger auch zurechenbar. Aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit für die ISYF sowie seiner hervorgehobenen Funktion in dieser Vereinigung seien dem Kläger deren terroristische Bestrebungen bekannt. Auch aufgrund seiner Aussagen im Rahmen der Anhörung im Asylverfahren wisse er, dass die ISYF zur Realisierung ihrer Ziele den gewaltsamen Weg befürworte und er legitimiere sogar selbst den Einsatz der Gewalt zur Erreichung eines unabhängigen Khalistan. Es sei nicht erkennbar, dass er sich von der ISYF oder deren Zielen abgekehrt habe. Ein besonderer Ausweisungsschutz greife beim Kläger nicht. Eine Ausnahme vom Regelfall liege ebenfalls nicht vor. Die Ausweisung sei auch aus generalpräventiven Gründen gerechtfertigt. Eine Atypik folge nicht aus der Lebenssituation des Klägers. Es werde nicht verkannt, dass die Familie des Klägers seit rund sechs Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet lebe und sein in Deutschland geborener Sohn aufgrund eines Herzfehlers medizinischer Versorgung bedürfe, die aber auch in Indien zur Verfügung stehe. Eine nachhaltige wirtschaftliche Integration habe nicht stattgefunden. Seit geraumer Zeit lebe der Kläger von Sozialhilfe. Wegen des bestehenden Abschiebeverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG scheide eine Beendigung seines Aufenthalts derzeit aus. Auch für den Fall, dass der Kläger Deutschland bei Entfallen einer Foltergefahr verlassen müsse, liege kein Ausnahmefall vor. Eine Trennung von seiner Familie oder eine gemeinsame Rückkehr in das Heimatland wäre aufgrund der von ihm ausgehenden Gefahr nicht unverhältnismäßig. Auch eine gemeinsame Rückkehr mit der Familie stelle keine unverhältnismäßige Härte dar. Das bestehende Abschiebeverbot stelle ebenfalls keinen besonderen Umstand dar, der den Kläger entlaste. Hilfsweise sei die Ausweisung auch im Ermessenswege und unter Abwägung der in § 55 Abs. 3, § 60 a Abs. 2 AufenthG genannten Kriterien gerechtfertigt. Die Ausweisung stehe zudem in Einklang mit Art. 6 GG und Art. 8 EMRK. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sei abzulehnen. Zwar seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG erfüllt. Einer Erteilung stehe jedoch der besondere Versagungsgrund des § 25 Abs. 3 Satz 2 lit. c) AufenthG entgegen. Danach werde eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigten, dass sich der Ausländer Handlungen zuschulden habe kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Art. 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert seien, zuwiderliefen. Die Unterstützung terroristischer Vereinigungen widerspreche diesen Zielen und Grundsätzen. Durch die Mitgliedschaft in der ISYF und aufgrund seiner exponierten Aktivitäten für diese terroristische Organisation habe er eine Handlung begangen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufe. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG komme ebenfalls nicht in Betracht. § 25 Abs. 3 AufenthG schließe die Anwendbarkeit dieser Vorschrift aus. Zudem sei die Aufenthaltserlaubnis wegen § 5 Abs. 4 AufenthG zwingend zu versagen. Die Verfügung wurde am 27. September 2007 zugestellt.
10 
Der Kläger erhob am 29. Oktober 2007, einem Montag, Klage beim Verwaltungsgericht Sigmaringen. Zur Begründung trug er vor, § 25 Abs. 3 Satz 2 lit. c) AufenthG stehe der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nur entgegen, wenn vom Ausländer eine aktuelle Gefährdung ausgehe. Dies ergebe sich aus dem Sinn und Zweck der Norm, die der Bekämpfung des Terrorismus im Vorfeld diene. Entgegen der Auffassung des Beklagten gehe von der Mitgliedschaft des Klägers in der ISYF derzeit keine Gefährdung für die Ziele der Vereinten Nationen aus. Vermutungen, auch wenn sie auf schwerwiegende Anhaltspunkte gestützt würden, reichten für einen Eingriff in die Rechtsgüter von Personen nicht aus. Der Terrorismusvorbehalt sei eng auszulegen. Selbst bei weiter Auslegung des Terrorismusvorbehalts sei eine gegenwärtige Gefahr durch den Kläger in der ISYF nicht feststellbar. Von dieser Organisation gehe ausweislich der jüngsten Lageberichte des Auswärtigen Amtes keine terroristische Gefahr mehr aus. Vielmehr sei sie seit Jahren nur noch politisch tätig, nicht mehr militant.
11 
Der Beklagte trat der Klage entgegen und führte ergänzend aus, der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG sei vor dem Hintergrund der Resolution Nr. 1373/2001 des UN-Sicherheitsrats zur Bekämpfung des Terrorismus zu sehen. In den Blick zu nehmen sei auch der gemeinsame Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 (2001/931/GASP), der zur Umsetzung der Resolution des UN-Sicherheitsrats beschlossen worden sei. Der Rat sei zu dem Schluss gelangt, dass die ISYF an Handlungen im Sinne des gemeinsamen Standpunktes beteiligt gewesen sei und deshalb nach dem Beschluss des Rates vom 26. Januar 2009 (2009/62/EG) die Maßnahmen nach der Verordnung 2580/2001/EG weiterhin auf die ISYF angewendet werden solle. Die Liste nach Art. 2 Abs. 3 der Verordnung 2580/2001/EG habe als Teil einer Verordnung nach § 249 Abs. 2 EGV unmittelbare Wirkung mit dem Vorrang vor dem Bundesrecht.
12 
Das Verwaltungsgericht erhob Beweis durch Einholung einer Auskunft beim Auswärtigen Amt vom 14. September 2009.
13 
Der Kläger wurde in der mündlichen Verhandlung zu seinen aktuellen Aktivitäten für die ISYF befragt. Im Tatbestand des Urteil heißt es in diesem Zusammenhang: „Fragen wurden teilweise nur auf mehrmaliges Nachfragen ausreichend beantwortet. Als Ergebnis der Befragung des Klägers kann zusammenfassend das Folgende festgehalten werden: Er spiele in der ISYF keine Rolle mehr. Er habe seine Aktivitäten für die ISYF vermindert. Dies sei nach der Geburt seines jüngsten Kindes im Jahr 2007 gewesen, das an einer Herzkrankheit leide. Seit Ende 2007 sei er nicht mehr der Vorsitzende der ISYF in Baden-Württemberg. Nachfolger in seiner ISYF-Gruppierung in Baden-Württemberg sei Pal Singh geworden. Daneben gebe es noch eine weitere ISYF-Gruppierung in Baden-Württemberg mit Gurinder Singh als Vorsitzendem. Er glaube, dass sein Nachfolger bei einem Treffen im April 2008 bestimmt worden sei. Er gehe noch zu Veranstaltungen und verteile Flyer. Die Veranstaltungen fänden hauptsächlich in Frankfurt statt. Mitgliederbeiträge bezahle er nicht, er sei aber noch Mitglied. Er spende Geld für die Herstellung der Flyer. Die Fahrtkosten für die Teilnahme an den Veranstaltungen in Frankfurt bezahle er selbst.“
14 
Durch Urteil vom 8. Dezember 2009 hob das Verwaltungsgericht die Verfügung vom 14. September 2007 auf und verpflichtete den Beklagten, dem Kläger die beantragte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
15 
Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus: Nach § 54 Nr. 5 AufenthG werde ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigten, dass er einer Vereinigung angehöre oder angehört habe, die den Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze oder unterstützt habe. Auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen könne die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründe. Diese Voraussetzungen lägen im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht vor. § 54 Nr. 5 AufenthG greife nur ein, wenn eine Unterstützung des Terrorismus im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch vorliege. Hierzu reiche es nicht aus, dass ein Ausländer einer Organisation angehöre, die früher den Terrorismus unterstützt habe. Dies folge schon aus dem Wortlaut des § 54 Nr. 5 Halbsatz 1 AufenthG, der von einer gegenwärtigen Gefahr durch die Stützung des Terrorismus ausgehe („die den Terrorismus unterstützt"). Es folge auch aus dem Zweck der Ausweisungsvorschriften, die der Gefahrenabwehr in der Zukunft diene und nicht der bloßen Sanktionierung eines Verhaltens aus der Vergangenheit. Dass die Unterstützung des Terrorismus im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts noch vorliegen müsse, folge auch aus dem Halbsatz 2 des § 54 Nr. 5 AufenthG. Dort werde vorausgesetzt, dass vom Ausländer eine gegenwärtige Gefährlichkeit ausgehen müsse, wenn seine Mitgliedschaft oder Unterstützungshandlungen einer den Terrorismus unterstützenden Vereinigung in der Vergangenheit lägen. Die gegenwärtige Gefahr entfalle aber auch dann, wenn die Organisation selbst den Terrorismus nicht mehr unterstütze. Der Nachweis der Unterstützung des Terrorismus sei zwar nicht erforderlich, da es ausreiche, wenn Tatsachen eine solche Schlussfolgerung rechtfertigten. Es müssten aber Tatsachen feststellbar sein, auf die eine solche Schlussfolgerung gestützt werden könne. Der nicht durch Tatsachen belegte Verdacht reiche nicht aus. Es könne derzeit nicht festgestellt werden, dass die ISYF, deren Mitglied der Kläger noch ist, den Terrorismus (noch) unterstütze. Es könne daher offen bleiben, ob sich der Kläger, der zumindest früher exponierter Funktionär der ISYF in Baden-Württemberg gewesen sei, in einem Sinne von der ISYF distanziert habe, dass ihm die Unterstützung des Terrorismus durch die ISYF, unterstellt sie würde den Terrorismus noch unterstützen, nicht mehr zugerechnet werden könnte. Käme es darauf an, bestünden auch aufgrund des Verhaltens des Klägers in der mündlichen Verhandlung allerdings erhebliche Zweifel daran, ob eine Distanzierung von derartigen Zielen der ISYF vorläge. Bei seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung habe der Kläger zu Zweifeln an seiner Bereitschaft Anlass gegeben, sein Verhältnis zur ISYF ehrlich darzustellen. Für die Beurteilung der Frage, ob es sich bei der ISYF gegenwärtig um eine Vereinigung handele, die den Terrorismus unterstütze, werte die Kammer die ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel aus. Eine rechtliche Bindung an einzelne Erkenntnismittel bestehe nicht. Dies gelte insbesondere für den gemeinsamen Standpunkt 2008/586/GASP des Rates vom 15. Juli 2008 zur Aktualisierung des gemeinsamen Standpunktes 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des gemeinsamen Standpunkts 2007/871/GASP. Der gemeinsame Standpunkt 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 enthalte einen Anhang mit Personen, Vereinigungen und Körperschaften, auf die der gemeinsame Standpunkt Anwendung finde. Jedenfalls seit der Aktualisierung durch den gemeinsamen Standpunkt 2008/586/GASP gehöre auch die International Sikh Youth Federation - ISYF - zu den Gruppen und Organisationen, auf die der genannte gemeinsame Standpunkt Anwendung finde. Die gemeinsamen Standpunkte des Rates beruhten auf Art. 15 EUV (a.F.). Nach dieser Vorschrift nehme der Rat gemeinsame Standpunkte an. In den gemeinsamen Standpunkten werde das Konzept der Union für eine bestimmte Frage geografischer oder thematischer Art bestimmt. Die Mitgliedstaaten trügen dafür Sorge, dass ihre einzelstaatliche Politik mit dem gemeinsamen Standpunkt in Einklang stehe. Aus Art. 15 Satz 3 EUV sei der Schluss zu ziehen, dass eine Bindung der innerstaatlichen Gerichte an Inhalte eines gemeinsamen Standpunktes bestehe. Der gemeinsame Standpunkt sei an die Mitgliedstaaten gerichtet, die ihn erst in innerstaatliche Politik umsetzen müssten. Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Bedeutung gemeinsamer Standpunkte liege nicht vor. In seinem Urteil vom 15. März 2005 (1 C 26.03) habe sich das Bundesverwaltungsgericht zu den gemeinsamen Standpunkten 2005/220/GASP und 2001/931/GASP nur in dem Sinne geäußert, dass der Verwaltungsgerichtshof, an den das Verfahren zurückverwiesen wurde, sich mit den Beschlüssen des Rates der Europäischen Union über Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus befassen müsse. Die Annahme einer rechtlichen Bindungswirkung folge aus dem Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts an den Verwaltungsgerichtshof nicht. Eine Bindungswirkung an einen gemeinsamen Standpunkt werde auch in der Kommentarliteratur nicht vertreten. Hiernach seien diese und ihre Anhänge bei der Beurteilung, ob eine Vereinigung den Terrorismus unterstütze, zu berücksichtigen. Auch der Beschluss des Rates vom 26. Januar 2009 zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung EG Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Beschlusses 2008/583/EG (2009/62/EG) für die Beurteilung der Zulässigkeit der Ausweisung des Klägers verpflichte die Kammer nicht, davon auszugehen, dass es sich bei der ISYF aktuell um eine terroristische Vereinigung handele. Im Unterschied zum gemeinsamen Standpunkt sei eine EG-Verordnung nach Art. 249 EGV (a.F.) verbindlich und gelte unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. An dieser Geltung nehme auch die Liste, die durch den Beschluss des Rates vom 26. Januar 2009 (2009/62/EG) in Ausübung der Befugnisse aus Art. 2 Abs. 3 der Verordnung 2580/2001/EG aufgestellt worden sei, teil. Die Verbindlichkeit der  Einordnung der ISYF als terroristische Vereinigung beschränke sich aber auf die Maßnahmen, die nach der Verordnung 2580/2001/EG zu ergreifen seien. Ausländerrechtliche Maßnahmen wie z.B. die Ausweisung seien in dieser Verordnung nicht geregelt. Für die hier zu treffende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Ausweisung lieferten die Aufnahme der ISYF in die Listen zum oben zitierten gemeinsamen Standpunkt und zur oben zitierten Verordnung der EG nur Hinweise, die neben anderen Erkenntnisquellen zu würdigen seien. Der Sikh-Terrorismus im Punjab sei seit Ende der 1990er-Jahre nahezu zum Erliegen gekommen, insbesondere lägen dem Auswärtigen Amt keinerlei eigene Erkenntnisse über terroristische Aktivitäten in der ISYF seit dem Jahr 2000 vor. Nach Auswertung und Gewichtung dieser und auch weiterer Erkenntnismittel könne die Kammer nicht feststellen, dass es sich bei der ISYF um eine Vereinigung handele, die aktuell den Terrorismus unterstütze oder bei der dies in absehbarer Zeit zu erwarten sei. Das Auswärtige Amt habe seit mindestens 10 Jahren keine Anhaltspunkte dafür, dass die ISYF (noch) terroristisch tätig sei. Der Terrorismus in Punjab, durch den noch Anfang der 90er Jahre zahlreiche Personen ums Leben gekommen sind, sei danach nahezu zum Erliegen gekommen. Dies sei nochmals auf die Anfrage der Kammer bestätigt worden. Der Kläger habe auch einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG.
16 
Das Urteil wurde dem Beklagten am 4. Januar 2010 zugestellt.
17 
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Beklagte am 27. Januar 2010 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und diese am 25. Februar 2010 unter Stellung eines Antrags, wie folgt, begründet:
18 
Das Verwaltungsgericht gehe in seinem Urteil zu Unrecht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht vorgelegen hätten. Bei der ISYF handele es sich um eine terroristische Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Der Ausweisungstatbestand sei vor dem Hintergrund der völkerrechtlichen Verpflichtung aus der Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen Nr. 1373 (2001) in dem Bestreben eingeführt worden, dem internationalen Terrorismus weltweit schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen. Die aufgrund des VII. Kapitels der Satzung der Vereinten Nationen (SVN) erlassenen Resolutionen des Sicherheitsrates zur Terrorismusbekämpfung enthielten gemäß Art. 25 SVN völkerrechtlich bindende Verpflichtungen. Die Bundesrepublik habe der SVN mit Zustimmungsgesetz vom 6. Juni 1973 den entsprechenden Rechtsanwendungsbefehl im Sinne des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG erteilt und sich in ein System kollektiver Sicherheit eingeordnet. Folglich sei die Bundesrepublik der Bindungswirkung der Resolutionen gemäß Art. 25 SVN i.V.m. Art. 48, 2 Nr. 7 HS 2 SVN unterworfen. Gemäß Art. 30 Abs. 1 der Wiener Vertragsrechtskonvention in Verbindung mit Art. 103 SVN hätten die Verpflichtungen aus den Resolutionen, die auf Grundlage des VII. Kapitels der SVN erlassen worden seien, zudem grundsätzlich Vorrang vor den Verpflichtungen der Bundesrepublik aus der EMRK, wie etwa dem Recht auf Achtung des Privatlebens. Die Resolutionen des Sicherheitsrates zur Terrorismusbekämpfung, wie z.B. Nr. 1269 (1999), 1363 (2001) und Nr. 1373 (2001), beinhalteten das Verbot der Lieferung von Rüstungsgütern, ein Ein- und Durchreiseverbot sowie das Unterbinden von Finanzaktionen. Nach Nr. 2a der Resolution des VN Sicherheitsrates Nr. 1373 (2001) seien die Staaten verpflichtet, unmittelbare oder auch mittelbare Unterstützung für die Begehung terroristischer Handlungen in einem umfassenden Sinne zu verhindern. Der Sicherheitsrat habe die Notwendigkeit betont, den Terrorismus mit allen Mitteln, im Einklang mit der SVN, zu bekämpfen (vgl. Absatz 5 der Präambel der Resolution 1373/2001). Diese Aussage beziehe sich explizit auf die Verpflichtung der Mitgliedstaaten. Die Generalversammlung habe betont, dass die Bemühungen der Vereinten Nationen darauf gerichtet seien, die Kohärenz bei der Umsetzung der Strategie zur Terrorismusbekämpfung auf nationaler, regionaler und globaler Ebene zu fördern (vgl. VN-Dok. A/RES/62/272 v. 5. September 2008, Abs. 5). Aus Nr. 2c der Resolution Nr. 1373 (2001) folge die Pflicht, denjenigen, die terroristische Handlungen finanzierten, planten, unterstützten oder begingen, oder die den Tätern Unterschlupf gewährten, einen sicheren Zufluchtsort zu verweigern. Dies werde auch im Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 (2001/931/GASP) und im Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 (2002/475/Jl) betont. In der Rechtsprechung des EuGH sei anerkannt, dass angesichts des für die Völkergemeinschaft grundlegenden Zieles der Bekämpfung des internationalen Terrorismus auch schwerwiegende Eingriffe in Grundrechte gerechtfertigt seien. Dem gleichen Zweck dienten die von der Europäischen Gemeinschaft mit Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 vom 27. Dezember 2001 angeordneten länderunabhängigen Embargomaßnahmen. Dies werde aus dem 3. Erwägungsgrund dieser Verordnung ersichtlich, der auf die Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen Nr. 1373 (2001) verweise. Im Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 würden Organisationen und Personen aufgeführt, gegen die bestimmte Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus zu ergreifen seien. Der Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 2580/2001, aktualisiert durch die Verordnung (EU) Nr. 1285/2009 des Rates vom 22. Dezember 2009, nehme am unionsrechtlichen Anwendungsvorrang teil. Die Listung von Personen für länderbezogene und länderunabhängige Embargomaßnahmen zur Terrorismusbekämpfung habe eine rechtlich bindende Wirkung auch im Rahmen der Anwendung ausländerrechtlicher Normen. Wegen des Ziels der Rechtsakte des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, dem Terrorismus weltweit schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen und zu verhindern, dass Rückzugsräume entstünden, seien auch ausländerrechtliche Maßnahmen gegen Personen zu ergreifen, die Organisationen angehörten, welche die Bundesrepublik als Rückzugsraum nutzten. Solange keine Berichtigung des Anhangs zur Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 erfolgt sei, sei davon auszugehen, dass es sich bei den aufgeführten Organisationen nach Auffassung des Rates der Europäischen Union um terroristische Organisationen handele und die zuständigen Behörden nach dem Grundsatz der Widerspruchsfreiheit und Einheit der Rechtsordnung, der sowohl innerhalb des Rechtes der Europäischen Union als auch im Bundesrecht, aus Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG gelte, gehalten seien, die entsprechende Organisation als terroristische Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG zu behandeln. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts hätte zur Konsequenz, dass es zwischen den für die Finanzsanktionen zuständigen Behörden seien, und den Ausländerbehörden zu divergierenden Entscheidungen kommen könnte. Die Behörden, die für die Finanzsanktionen zuständig sind, wären unwiderleglich kraft unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs an die Listung einer Organisation im Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 gebunden, während die Ausländerbehörden eine eigenständige Prüfung vorzunehmen hätten. Terroristische Anschläge seien heute des Weiteren weit weniger vorhersehbar als beim „klassischen Terrorismus" in der Vergangenheit. Der Ansatz des Verwaltungsgerichts dürfte eine Überschreitung gewaltenteiliger Befugnisse darstellen. Die ISYF habe auch bisher - soweit ersichtlich - nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 2580/2001, soweit die ISYF dort als terroristische Organisation aufgeführt sei, gemäß Art. 263 AEUV (früher Art. 230 EGV) gerichtlich überprüfen zu lassen. Das EuG überprüfe im Verfahren nach Art. 263 AEUV, ob die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts des Rates vom 27. Dezember 2001 (2001/931/GASP) vorlägen. Gemäß Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts des Rates vom 27. Dezember 2001 (2001/931/GASP) werde die Liste auf Grundlage genauer Informationen, aus denen sich ergebe, dass eine Verurteilung der Organisation für eine terroristische Handlung vorliege, erstellt. Im Klageverfahren vor dem EuG werde geprüft, ob der Verbleib auf der Liste gerechtfertigt sei. Hierbei sei es jedoch nicht erforderlich, dass aktuell Terrorakte nachgewiesen worden seien, sondern es komme darauf an, ob die Beibehaltung der Listung einer Organisation im Hinblick auf die Gesamtheit der maßgeblichen Umstände weiterhin gerechtfertigt sei. Hierbei stehe dem Rat der Europäischen Union bei der Beurteilung, ob künftig von einer Organisation Terroranschläge zu befürchten sind, ein weites Ermessen zu. Das Listungsverfahren sei durch Beschluss des Rates vom 28. Juni 2007 zur Durchführung von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung der Beschlüsse 2006/379/EG und 2006/1008/EG (2007/445/EG) geändert worden. Die Betroffenen erhielten grundsätzlich eine Begründung der gegen sie ergangenen Listungsentscheidung durch das EU-Ratssekretariat. Die Begründung enthalte einen Hinweis auf das Klagerecht vor dem EuG nach Art. 263 Abs. 4 AEUV. Darüber hinaus erfolge vor einem neuen Listungsbeschluss eine im Amtsblatt veröffentlichte Mitteilung des Rates an alle zu diesem Zeitpunkt gelisteten Organisationen, dass der Rat beabsichtige, sie weiterhin in der Liste aufzuführen, nachdem eine Überprüfung ergeben habe, dass die Gründe für ihre Aufnahme in die Liste nach vor wie vor gültig seien. Dabei würden die Betroffenen über die ihnen zustehenden Rechte, eine Begründung der Listungsentscheidung anzufordern und eine Überprüfung der Entscheidung zu beantragen, unterrichtet. Dieses Verfahren sei auch beim Erlass der aktuellen Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 des Rates vom 22. Dezember 2009 eingehalten worden. Die ISYF sei jedoch nicht den ihr zustehenden Weg der Überprüfung der Listung gegangen. Stattdessen habe sie zur Umgehung der Sanktionen der Europäischen Union eine Zweitorganisation, die Sikh Federation Germany (SFG), mit identischen Zielen - der Herauslösung aus dem indischen Staatenverbund und der Errichtung eines selbstständigen Staates Khalistan („Land der Reinen") - und mit den nahezu gleichen Vorstandsmitgliedern gegründet. Diese Erkenntnisse seien in einem Sicherheitsgespräch mit einem ehemaligen Vorstandsmitglied der ISYF gewonnen worden. Hieraus lasse sich schließen, dass die SFG als eine Nachfolgeorganisation der ISYF zur Umgehung der Sanktionen nach der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 gegründet worden sei. Dies werde auch durch die Einlassungen des Klägers in diesem Verfahren bestätigt. Eine aktuelle Gefahr im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG liege gleichwohl vor, denn es sei obergerichtlich geklärt, dass die Auflösung einer Organisation allein einer Gefährlichkeit im Sinne der Ausweisungstatbestände nicht entgegen stehe. Der Kläger sei exponierter Funktionär der ISYF in Baden-Württemberg, in der er seit Ende 2002 als Hauptberater fungiert habe und zu deren Präsidenten er im April 2005 gewählt worden sei. Der Kläger sei auch nach wie vor Mitglied der ISYF. Ein Persönlichkeitswandel oder eine Distanzierung von den Zielen der ISYF und dem Einsatz terroristischer Mittel sei nicht erfolgt und nicht ersichtlich. Nach alledem sei die Ausweisungsverfügung rechtmäßig. Auch die Aufenthaltserlaubnis sei zu Recht versagt worden. Gemäß § 25 Abs. 3 Satz 2 lit c) AufenthG scheide die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG aus, wenn die Person sich Handlungen zuschulden habe kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 SVN verankert seien, zuwiderliefen. Der Ausschlusstatbestand greife auch im Falle des Begehens terroristischer Handlungen ein. Der Sicherheitsrat habe in mehreren Resolutionen Akte des Terrorismus als Bedrohung für den Frieden im Sinne des Art. 39 SVN betrachtet. Wie dargelegt, sei die ISYF bzw. ihre Nachfolgeorganisation SFG eine terroristische Organisation. Eine exponierte Stellung in der ISYF stelle somit eine Handlung dar, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufe.
19 
Es seien zwischenzeitlich weitere behördliche Stellungnahmen mit folgenden Kernaussagen eingeholt worden: Das Bundesamt für Verfassungsschutz habe auf eine aktuelle Anfrage mitgeteilt, dass dort keine Erkenntnisse vorlägen, wonach sich die ISYF öffentlich und hinreichend eindeutig von ihrer terroristischen Vergangenheit losgesagt habe. Das Bundeskriminalamt teile in seiner Stellungnahme vom 1. April 2010 ebenfalls mit, dass dort keine Erkenntnisse vorlägen, die darauf hindeuteten, dass sich die ISYF von ihren terroristischen Aktivitäten distanziert hätte oder von ihren extremistischen Bestrebungen absehen würde. Das Sezessionsstreben und damit der Kampf gegen die vermeintlich indische Vorherrschaft bilde die wesentliche Basis für den Zusammenhalt der Gruppierung. Dies gelte selbst dann, wenn vom Bundesgebiet aus lediglich Propagandaaktivitäten bzw. Geldsammlungen zu Zwecken der ISYF stattgefunden haben sollten. Von den vom Senat aufgeführten Quellen würden vom BKA insbesondere die Berichte des „South Asia Terrorism Portals" als von herausgehobener Qualität benannt. Auch der Bundesnachrichtendienst habe in der beigefügten Behördenerklärung vom 13. April 2010 mitgeteilt, dass sich die Bedrohungslage durch terroristische Gewaltakte im indischen Punjab zwar seit 1993 erheblich entspannt und sich nach dortigen Informationen die letzte Festnahme militanter Aktivisten der ISYF in Indien im Dezember 2008 ereignet habe. Jedoch werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Premierminister SINGH am 4. März 2008 davor gewarnt habe, dass sich extremistische Sikh-Gruppierungen außerhalb Indiens um eine Wiederbelebung des gewaltsamen Kampfes in Indien bemühen würden. Weiter werde festgestellt, dass versprengte Einheiten in Punjab tatsächlich immer noch eine Bedrohung darstellten, wie auch mehrere Sprengstoff-, Waffen- und Munitionsfunde nahe wichtiger Einrichtungen belegten. Nach derzeitigem Erkenntnisstand seien die jüngsten militanten Aktionen aber wohl nicht der ISYF zuzurechnen. Gleichwohl lasse sich auch der Erklärung des Bundesnachrichtendienstes entnehmen, dass keine eindeutige und glaubhafte Distanzierung der ISYF vorliege und daher auch zum derzeitigen Zeitpunkt terroristische Aktivitäten seitens der ISYF durchaus noch für möglich gehalten würden.
20 
Der Beklagte beantragt,
21 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 8. Dezember 2009 - 1 K 2126/07 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
22 
Der Kläger beantragt,
23 
die Berufung zurückzuweisen.
24 
Von der ISYF gingen keine Gefahren für die Ziele der Vereinten Nationen aus, weil diese Organisation nur noch gewaltfrei für einen eigenständigen Staat Khalistan eintrete. § 54 Nr. 5 AufenthG sei eng auszulegen, um rechtsstaatlichen Anforderungen zu genügen. Da die Vorschrift der Gefahrenabwehr diene, müsse vom Kläger im Zeitpunkt der Entscheidung noch eine Gefahr ausgehen, wie dies auch bei § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG gefordert werde. Für das Erfordernis einer gegenwärtigen Gefährlichkeit spreche bereits der Wortlaut der Norm, wonach die betroffene Vereinigung den Terrorismus unterstützen müsse und es nicht genüge, dass sie den Terrorismus unterstützt habe. Insoweit genüge entgegen der Auffassung der Berufung nicht, dass die ISYF im Verzeichnis der Personen, Vereinigungen und Körperschaften im Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (EU-Terrorliste) aufgeführt sei. Der Gemeinsame Standpunkt richte sich nur an die Mitgliedstaaten und habe keine Rechtsverbindlichkeit. Die EU-Terrorliste werde ohne öffentliche Kontrolle erstellt, die Aufnahmekriterien seien undurchschaubar und es spreche einiges für politische und diplomatische Rücksichtnahmen. Gerade im Falle Indiens liege dies nahe, da ein großes Interesse der EU an dieser aufstrebenden Wirtschaftsmacht bestehe. Die Aufnahme einer Organisation in diese Liste habe zwar Indizwirkung, genüge aber allein nicht für Feststellungen nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Vielmehr sei eine eigenständige Prüfung der Behörden und Gerichte erforderlich. Umgekehrt sei dem Senat zuzugeben, dass eine längere Untätigkeit einer vormals terroristisch aktiven Gruppierung nicht per se den Rückschluss auf eine entfallene Gefährlichkeit erlaube. Andererseits könne aber eine schwierige Informationsgewinnung und unklare Informationslage nicht zu Lasten des Klägers gehen. Denn mangele es an konkreten und belastbaren Tatsachenfeststellungen, sei der Schluss auf eine aktuelle Gefährlichkeit der Organisation unzulässig und nur dieser Schluss wiederum rechtfertige den Eingriff in seine Rechte. Gerade wenn die Norm unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten derart problematisch sei, werde man eine unklare Sachverhaltssituation nicht für einen Eingriff genügen lassen können. Es sei zwischen der Babbar Khalsa einerseits und der ISYF andererseits zu unterscheiden. Die Babbar Khalsa sei in der Vergangenheit stets die gewaltbereitere Organisation gewesen, während die ISYF, die in Indien selbst nicht aktiv sei, die auch früher weit weniger militanten Mutterorganisationen AISSF und SSF unterstütze und ebenso wie diese gespalten sei. So gebe es den sog. Rhode-Flügel, der Gewalt als Mittel zur Schaffung eines selbstständigen Staates Khalistan abgelehnt habe, und den sog. Bittu-Flügel, der nach der SSF des Daljit Singh Bittu benannt sei. Daljit Singh Bittu sei in Indien lange als Terrorist gesucht worden und auch verhaftet worden, gelte aber heute - soweit ersichtlich - nicht mehr als militanter Politiker der Sikhs. Nach den zur Verfügung stehenden Informationen würden militante Aktionen der letzten Jahre zwar der Babbar Khalsa, nicht aber der ISYF oder ihren Mutterorganisationen zugeschrieben. Der Kläger sei seit einiger Zeit nur noch einfaches Mitglied der ISYF. Wenn aber nach dem Urteil des BVerwG vom 13. Januar 2009 (1 C 2.08) das Fortbestehen der Mitgliedschaft in einer Vereinigung, die wegen der Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung verboten worden sei, für sich genommen regelmäßig noch keine Gefährdung im Sinne des § 54 Nr. 5a AufenthG begründe, dann deute auch dies darauf hin, dass die Anforderungen an eine aktuelle Gefährlichkeit hoch seien. Die Darlegungs- und Beweislast für Tatsachen, welche die Schlussfolgerung rechtfertigten, dass die Vereinigung, der er angehöre, den Terrorismus unterstütze, liege bei dem Beklagten.
25 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
26 
Dem Senat liegen Akten des Regierungspräsidiums Tübingen sowie Akten des Verwaltungsgerichts vor.

Entscheidungsgründe

 
27 
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Berufung hat Erfolg.
28 
Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen. Denn der angegriffene Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen ist rechtmäßig und verletzt schon daher nicht die Rechte des Klägers (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
29 
I. Ausweisung:
30 
Der Beklagte hat die Ausweisungsverfügung rechtsfehlerfrei auf § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Hiernach ist ein Ausländer in der Regel auszuweisen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt hat; dabei gilt für zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen die Einschränkung, dass hierauf eine Ausweisung nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen.
31 
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 15. März 2005 (1 C 26.03 – BVerwGE 123, 114) zu der in der Sache nicht wesentlich unterschiedlichen Vorläufervorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 5 letzte Variante AuslG 1990 (i.V.m. § 47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG 1990) folgende Grundsätze aufgestellt, die der Senat seiner Rechtsprechung zugrunde legt.
32 
Zum Unterstützungsbegriff hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt:
33 
„Auch die "bloße Teilnahme" an Veranstaltungen und Demonstrationen der der Klägerin vorgehaltenen Art kann unter bestimmten Voraussetzungen eine durch § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG sanktionierte Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus darstellen. Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist - in Anlehnung an die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum strafrechtlichen Unterstützungsbegriff nach §§ 129, 129 a StGB entwickelten Kriterien - jede Tätigkeit anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1984 - 3 StR 526/83 (S) - BGHSt 32, 243; ähnlich Jakober in: Jakober/Welte, Aktuelles Ausländerrecht, § 8 AuslG Rn. 620 und Berlit in: GK-StAR § 86 AuslG Rn. 90 bis 92 zum Unterstützungsbegriff in § 86 Abs. 1 Nr. 2 AuslG 1990). Dazu zählt jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84 - BGHSt 33, 16 unter Hinweis auf BGHSt 29, 99 <101>; 32, 243 <244>). Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB 18/87 - NJW 1988, 1677 unter Hinweis auf BGHSt 29, 99 <101>; 32, 243, <244>) wie - unter Berücksichtigung des präventiven, der Gefahrenabwehr dienenden Zwecks des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG - auf eine subjektive Vorwerfbarkeit (vgl. auch die Begründung zu Art. 11 Nr. 3 des Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386, S. 54: "Dabei muss die von einem Ausländer ausgehende Gefahr entweder gegenwärtig bestehen oder für die Zukunft zu erwarten sein, abgeschlossene Sachverhalte aus der Vergangenheit ohne gegenwärtige oder künftige Relevanz bleiben außer Betracht.").
34 
Allerdings muss auch die eine Unterstützung der Vereinigung, ihre Bestrebungen oder ihre Tätigkeit bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein (zum Ausnahmefall der Inanspruchnahme als Anscheinsstörer in einer zugespitzten Krisensituation vgl. Urteile vom 11. November 1980 - BVerwG 1 C 23.75 und BVerwG 1 C 46.75 - Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nrn. 75, 76 und Urteil vom 1. Juli 1975 - BVerwG 1 C 35.70 - BVerwGE 49, 36 <42 ff.>). An einem Unterstützen fehlt es hingegen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon ggf. deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG kann ferner dann in Betracht kommen, wenn - wie der Klägerin vorgehalten und vom Berufungsgericht zunächst unterstellt - durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung wie der verbotenen PKK bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB 18/87 - a.a.O.). Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (oder des Fehlens jeglicher Distanzierung wie bisher bei der Klägerin) gewürdigt werden. Die potenzielle Erhöhung des latenten Gefährdungsrisikos, welches von einer Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, für die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und anderer Staaten sowie die Völkergemeinschaft ausgeht, ist erforderlich, aber auch ausreichend, um ein Verhalten unter den durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz eingefügten, die allgemeine Sicherheitsgefährdungsklausel in § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG bewusst erweiternden Unterstützungstatbestand zu subsumieren (vgl. auch die Begründung zu Art. 11 Nr. 3 des Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386, S. 54).
35 
Erfasst wird neben den Erscheinungsformen der Gewaltanwendung ebenfalls die Mitgliedschaft oder Unterstützung von Vereinigungen, die Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten oder androhen, unabhängig davon, wo die Anschläge verübt werden. Diese Ausdehnung auf über das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hinaus agierenden Tätergruppen ist angesichts der Erscheinungsformen des international organisierten Terrorismus, der immer auch latent eine Bedrohung für die Bundesrepublik Deutschland darstellt, geboten.
36 
Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich (so aber wohl VGH Mannheim, Beschluss vom 18. November 2004 - 13 S 2394/04 - InfAuslR 2005, 31 und Marx, ZAR 2004, 275; ZAR 2002, 127 unter Übernahme der zur alten Fassung des Ausweisungsgrundes nach § 46 Nr. 1 AuslG 1990, § 10 AuslG 1965 entwickelten Abgrenzung). Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich, wie es im angefochtenen Berufungsurteil (UA S. 7) unter Bezugnahme auf einen vom Bundesgerichtshof aufgehobenen Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts zur Auslegung des § 129 a Abs. 3 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB 18/87 - a.a.O.) vorausgesetzt wird. Die Schwelle für das Eingreifen des neuen Versagungs- und Regelausweisungsgrundes nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 letzte Alternative AuslG ist nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers angesichts der außerordentlichen Gefahren des internationalen Terrorismus deutlich niedriger anzusetzen als die Anforderungen an eine persönliche und konkrete Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland nach der bereits früher geltenden ersten Alternative (vgl. oben 3 a).
37 
Der Beklagte hat hierzu zutreffend darauf hingewiesen, dass die neuen ausländerrechtlichen Regelungen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus im Zusammenhang mit der UN-Resolution 1373 vom 28. September 2001 zu sehen sind, in der die Staaten aufgefordert werden, die Nutzung ihres Staatsgebiets für die Vorbereitung, Durchführung und Finanzierung internationaler terroristischer Akte zu verhindern. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG in der hier anzuwendenden Fassung ist in Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz mit Wirkung vom 1. Januar 2002 eingefügt worden in dem Bestreben, in Übereinstimmung mit der UN-Resolution 1373 (2001) dem internationalen Terrorismus weltweit schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386 , S. 35)
38 
Mit den Anschlägen in den Vereinigten Staaten von Amerika vom 11. September 2001 hat die terroristische Bedrohung weltweit eine neue Dimension erreicht. Vorbereitung und Ausführung der Anschläge waren gekennzeichnet durch ein hohes Ausmaß an Brutalität, Menschenverachtung und Fanatismus. Hinter den Anschlägen steht ein staatenübergreifendes Netz logistischer Verknüpfungen und operativer Strukturen.
39 
Die neue Dimension des Terrorismus und dessen internationale Ausprägung stellen die Sicherheitsbehörden vor neue, schwere Aufgaben. Niemand kann ausschließen, dass nicht auch Deutschland das Ziel solcher terroristischer Attacken wird.
40 
Die gemeinsame Aufgabe aller staatlichen Kräfte muss es sein, dieser Bedrohung mit geeigneten Schutzmaßnahmen entgegen zu treten. Aufgabe der Politik ist es, mögliche Gefahren für die innere Sicherheit und Ordnung gegen Angriffe von innen wie von außen frühzeitig zu erkennen und alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um das Risiko ihres Eintritts zu minimieren.
41 
Die Innen- und Justizminister der EU haben am 20. September 2001 in einer von Deutschland initiierten Sondersitzung des Rates Justiz und Inneres einen umfangreichen Maßnahmenkatalog zur Terrorismusbekämpfung beschlossen. Dieser Katalog sieht unter anderem Maßnahmen bei der Visaerteilung, der Grenzkontrolle sowie Maßnahmen im Inland vor, die sich in weiten Bereichen mit dem nationalen Sicherheitspaket decken. Deutschland hat darüber hinaus eine Reihe von Vorschlägen eingebracht, die zur Konkretisierung der Schlussfolgerungen des Sonderrates für Justiz und Inneres sowie der Resolution des VN-Sicherheitsrates vom 28. September 2001 (Nummer 1373) dienen. Die VN-Resolution fordert unter anderem, durch geeignete Maßnahmen
42 
- die Identifizierung von Terroristen vor der Einreise,
        
- den Schutz von Identitätspapieren und deren missbräuchlicher Verwendung,
        
- einen beschleunigten nationalen und grenzüberschreitenden Informationsaustausch über Terroristen und deren Bewegungen sowie über gefälschte Dokumente und
        
- die Verhinderung des Missbrauchs des Flüchtlingsstatus für terroristische Aktivitäten
43 
sicherzustellen.
44 
Die Verhandlungen zur Umsetzung dieser Vorschläge werden längere Zeit in Anspruch nehmen. Im Hinblick auf die akute Terrorismusgefahr sind daher bereits jetzt entsprechende nationale Maßnahmen erforderlich.
45 
Mit Rücksicht auf diese Zielsetzung ist der Unterstützungsbegriff in § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG auszulegen und anzuwenden. Maßgeblich ist, inwieweit das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nicht nur ganz unwesentlich oder geringfügig beiträgt und deshalb selbst potenziell gefährlich erscheint. Wegen der tatbestandlichen Weite des Unterstützungsbegriffs ist allerdings - wie bereits ausgeführt - bei der Anwendung der Vorschrift darauf zu achten, dass nicht unverhältnismäßig namentlich in das auch Ausländern zustehende Recht auf freie Meinungsäußerung jenseits der zumindest mittelbaren Billigung terroristischer Bestrebungen eingegriffen wird. Die Ausländerbehörden und die Verwaltungsgerichte können erst nach einer umfassenden und konkreten Prüfung der Aktivitäten der Vereinigung und des Verhaltens des Ausländers durch eine wertende Gesamtbetrachtung entscheiden, ob ein Ausländer eine Vereinigung unterstützt, die ihrerseits den internationalen Terrorismus unterstützt. Nur wenn feststeht, dass und zu welchem Zeitpunkt eine Vereinigung - wie hier die PKK und ihre Teil- oder Nachfolgeorganisationen - terroristische Bestrebungen unterstützt oder sich selbst terroristisch betätigt, kommt eine tatbestandsmäßige Unterstützung durch einzelne Personen in Betracht.“
46 
Der Senat kann in diesem Zusammenhang die Frage offen lassen, ob die Herausnahme nur ganz unwesentlicher oder geringfügiger Unterstützungshandlungen sachgerecht ist, oder ob insoweit nicht der Ansatz vorzugswürdig wäre, in diesem Fall eine die Regel durchbrechende Atypik anzunehmen (so etwa Discher, in: GK-AufenthG, § 54 AufenthG Rdn. 515). Denn solche Handlungen sind im vorliegenden Fall nicht zu beurteilen, wie noch darzulegen sein wird. In diesem Zusammenhang ist namentlich mit Rücksicht auf das Vorbringen des Klägers darauf hinzuweisen und zu verdeutlichen, dass die hier maßgebliche Bestimmung des § 54 Nr. 5 AufenthG (anders als die der Nr. 5a) weder vom Tatbestand noch nach Sinn und Zweck, aber auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine vom Betroffenen ausgehende konkrete Gefährdung voraussetzt. Eine solche wird nur vorausgesetzt, wenn eine vergangene Mitgliedschaft des Ausländers oder zurückliegende Unterstützungshandlungen (außerhalb einer Mitgliedschaft) zu beurteilen sind; hierum geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht, da der Kläger nach wie vor aktives ISYF-Mitglied ist. Von diesem Verständnis geht das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 15. März 2005 zu Recht aus. Dem liegt die zutreffende und keineswegs mit größerer zeitlichen Distanz zu den Ereignissen des 11. September 2001 überholte Überlegung zugrunde, dass der internationale Terrorismus ein außerordentliches Gefahrpotential darstellt und die Bestimmung in besonderem Maße der Umsetzung und Durchsetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland dienen soll (vgl. auch Hailbronner, Ausländerrecht, § 54 AufenthG Rdn. 31), weshalb das hier zu beurteilende Instrumentarium bereits weit im Vorfeld des unmittelbar ausgeübten und in die Tat umgesetzten Terrorismus greifen soll und muss.
47 
Zum Terrorismusbegriff führt das Bundesverwaltungsgericht aus (vgl. hierzu auch Discher, in: GK-AufenthG, § 54 AufenthG Rdn. 436 ff. sowie Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 498 ff.):
48 
„Das Terrorismusbekämpfungsgesetz enthält zwar selbst keine Definition, was unter Terrorismus zu verstehen ist, setzt aber einen der Rechtsanwendung fähigen Begriff des Terrorismus voraus (vgl. kritisch etwa Marx, ZAR 2002, 127<128 f.> und ZAR 2004, 275). Auch wenn bisher die Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition des Terrorismus zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen sind (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 8 AuslG Rn. 53; Davy, ZAR 2003, 43 f.; Renner, ZAR 2003, 52 f.), ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts doch in den Grundsätzen geklärt, unter welchen Voraussetzungen die - völkerrechtlich geächtete - Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln anzunehmen ist (vgl. auch Schmahl, ZAR 2004, 217 <219> unter Hinweis auf einen weitgehenden Konsens bei der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999, BGBl II 2003 S. 1923 und auf die Definition terroristischer Straftaten auf Gemeinschaftsebene in dem Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002, ABl 2002 L164, S. 3; vgl. ebenso schon den Gemeinsamen Standpunkt des Rates 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001, ABl 2001 L 344, S. 93). Eine Vereinigung, die selbst - wie die PKK jedenfalls in der Vergangenheit innerhalb und außerhalb der Türkei - ihre politischen Ziele zumindest auch mit terroristischen Mitteln verfolgt hat (vgl. Urteile vom 30. März 1999  - BVerwG 9 C 31.98, 9 C 23.98 und 9 C 22.98 - BVerwGE 109, 1; 109, 12 und 109, 25), gehört zweifellos zu denjenigen Vereinigungen, die § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG im Blick hat. In dem erneuten Berufungsverfahren wird sich der Verwaltungsgerichtshof zur Beurteilung der Terrorismusgefahr durch die PKK im Übrigen auch mit den Beschlüssen des Rates der Europäischen Union über Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus befassen müssen, nach denen die PKK in einer Liste der an terroristischen Handlungen beteiligten Personen, Vereinigungen und Körperschaften aufgeführt ist (vgl. zuletzt Anhang unter 2. Nr. 21 zu dem Gemeinsamen Standpunkt 2005/220/GASP des Rates vom 14. März 2005 zur Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2004/500/GASP, ABl 2005 L 069, S. 59).“
49 
Dieses zugrunde gelegt ist hier von Folgendem auszugehen: Der Kläger war nach den Feststellungen des Senats mehrere Jahre bis Ende 2007 Vorsitzender der ISYF Baden-Württemberg und ist in der Folgezeit weiter einfaches, aber aktives Mitglied und nimmt auch in dieser Stellung an vielfältigen Aktivitäten der Organisation in der Bundesrepublik Deutschland teil. Mitgliedschaft sowie Aktivitäten wurden im Berufungsverfahren vom Kläger ausdrücklich nochmals bestätigt.
50 
Es steht auch für den Senat hinreichend verlässlich fest, dass die ISYF eine Organisation ist, die nach den dargestellten Grundsätzen und dem hiernach nicht zu eng zu verstehenden Unterstützungsbegriff den Terrorismus „unterstützt“. Sie ist als Auslandsorganisation der „All India Sikh Student Federation“ (AISSY) nach den vorliegenden Erkenntnismitteln zwar nicht ausschließlich, aber doch vorwiegend außerhalb Indiens tätig. Die ISYF war möglicherweise nicht selbst unmittelbar an terroristischen Aktivitäten beteiligt gewesen und hat insbesondere nicht zur Begehung solcher gerade in der Bundesrepublik Deutschland aufgerufen (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz v. 20. Juli 2004; BKA v. 1. April 2010; vgl. aber BND v. 13. April 2010, wonach gerade auch Mitglieder der ISYF nach 1984 an Anschlägen beteiligt gewesen und noch im Dezember 2006 militante Aktivisten der ISYF in Indien verhaftet worden seien; vgl. zudem das South Asia Terrorism Portal, Stand 1. März 2010, das von einer unmittelbaren Beteiligung spricht). Die Organisation sah und sieht, was ihre Auslandsaktivitäten betrifft, eine wesentliche Aufgabe und Funktion darin, Gelder zu sammeln, um damit zumindest auch die wirtschaftlichen Grundlagen der Bewegung zur gewaltsamen Löslösung eines unabhängigen Khalistan zu stärken, deren integraler Bestandteil jedenfalls in der Vergangenheit auch die Begehung terroristischer Akte war (vgl. Südasieninstitut v. 8. Juli 2008 und 26. April 2004; Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2008; BND v. 13. April 2010; South Asia Terrorism Portal, Stand 1. März 2010). Dass Gelder möglicherweise auch zur Unterstützung der Familien von „Märtyrern“ verwendet wurden (vgl. hierzu die Äußerungen des Klägers im Asylerstverfahren und hierzu noch im Folgenden) steht dem nicht entgegen, da sich die Organisation nach den verwerteten Erkenntnismitteln keineswegs als karitativ versteht. Daneben ist die Organisation in vielfältiger Weise, insbesondere durch die Abhaltung sog. Märtyrergedenktage ideologisch und informatorisch tätig (vgl. hierzu die vorgenannten Erkenntnismittel). Zwar mag sie allein damit noch nicht den Tatbestand der Unterstützung erfüllen (vgl. hierzu und zu möglichen Bedenken BVerwG, U. v. 15. März 2005 – a.a.O. Rdn. 41). Diese Aktivitäten sind aber geeignet, das Gesamtbild abzurunden. Die AISSY wurde demgegenüber nach allen vorliegenden Erkenntnismitteln bis in die jüngste Vergangenheit als eine Organisation beschrieben und beurteilt, die personell und materiell selbst mit dem Sikh-Terrorismus in Indien, der auch in Pakistan einen sicheren Rückzugsraum gefunden hat und findet, in unmittelbarer Verbindung steht (vgl. Südasieninstitut v. 8. Juli 2008 und 26. April 2004; Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2008; Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, Verfassungsschutzbericht 2008; Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009; UNHCR v. 22. März 2006; Immigration und Refugee Board of Canada v. 16. April 2009; The Mackenzie Institute, 2006; South Asia Terrorism Portal, Stand 1. März 2010).
51 
Der Senat kann in diesem Zusammenhang offen lassen, ob – wie der Beklagte meint – dem Umstand, dass die ISYF in den Anhang Ziffer 2 der aktuell gültigen Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 des Rates v. 22. Dezember 2009 (ABl. L 346, S. 39) aufgenommen wurde, die von ihm für richtig gehaltene Bindungswirkung zukommen kann, oder ob, wie das Verwaltungsgericht mit guten Gründen dargelegt hat, wegen des hier nicht gegebenen sachlichen Anwendungsbereichs der Vorschrift, eine solche auszuscheiden hätte. Bedenken gegen eine Bindungswirkung könnten sich aus rechtstaatlichen Überlegungen und im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG auch deshalb ergeben, weil der Kläger individuell gar nicht in der Lage wäre, den vom Beklagten aufgezeigten Weg einer gerichtlichen Klärung der Aufnahme in den Anhang Ziffer 2 zu beschreiten (vgl. zu den Aspekten eines effektiven, auch unionsrechtlich garantierten effektiven Rechtsschutzes EuGH, Urteil v. 3. September 2008 – C- 402/05 P u.a., Kadi - DVBl 2009, 175-178). Gegen eine derartige Bindungs- oder Tatbestandswirkung (vgl. hierzu Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., 2008, § 43 Rdn. 154 ff.) spricht auch entschieden, dass es keine etwa den §§ 4 und 42 AsylVfG vergleichbare normative Vorgabe gibt, die auch nur ansatzweise in diese Richtung deuten könnte.
52 
Jedenfalls aber kommt der Aufnahme angesichts der vorgenannten vielfältigen Einschätzungen und Äußerungen eine nicht unerhebliche Indizwirkung zu. Dies gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil der genannte unionsrechtliche Rechtsakt seinen Geltungsanspruch u.a. auch aus den Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 12. und 28. September 2001 (Nr. 1368 und 1373) ableitet (vgl. den Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 2001/931/GASP), die den Staaten der Weltgemeinschaft völkerrechtlich bindend aufgibt, dem internationalen Terrorismus keinerlei – auch nur passive - Unterstützung zu leisten. Insbesondere haben hiernach alle Staaten die Verpflichtung, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern (vgl. Ziffer 2 lit. a und c) Resolution Nr. 1373; vgl. zur völkerrechtlichen Verbindlichkeit Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 496 ff.).
53 
Allerdings setzt der Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG voraus, dass der unterstützte Terrorismus überhaupt noch aktuell ist und nicht etwa der Vergangenheit angehört. Dieser einschränkende Aspekt folgt schon aus der Wertung des § 54 Nr. 5 Hs. 2 AufenthG und nicht zuletzt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Vorschrift sanktioniert – anders als möglicherweise Art. 1 F lit. c) GFK bzw. Art. 17 Abs. 1 lit. c) QRL (vgl. hierzu unter II) – nicht etwa in der Vergangenheit liegende Verhaltensweisen, die sich auf terroristische Organisationen und deren Taten bezieht, die nicht mehr existent, überholt und ohne Gegenwartsbezug sind. Aus dem Umstand, dass nach den vom Verwaltungsgericht eingeholten bzw. verwerteten Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes (vgl. insbesondere Stellungnahme vom 14. September 2009) seit etwa 2000 die den militanten Sikh-Organisationen zugerechneten terroristischen Gewalttaten nahezu zum Erliegen gekommen sein sollen und diesbezüglich in dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung auszugsweise vorgelegten Jahresbericht 2009/2010 des Ministry of Home Affairs of India nichts Entsprechendes mehr erwähnt wird (vollständig abzurufen unter http://www.mha.nic.in), kann jedoch gegenwärtig nicht geschlossen werden, im vorliegenden Fall könnte ein solcher Sachverhalt ohne den erforderlichen Gegenwartsbezug gegeben sein. Denn dieser vom Auswärtigen Amt konstatierte Zustand kann vielerlei Ursachen haben und lässt keinen hinreichend verlässlichen Schluss darauf zu, dass das terroristische Gewaltpotential endgültig aus der Welt sein könnte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - maßgebliche Akteure des Terrors nach wie vor existieren. Denn der Umstand, dass gegenwärtig keine Aktivitäten zu beobachten sind, kann namentlich darauf beruhen, dass die finanziellen wie auch die personellen Ressourcen defizitär sind bzw. auch die Sicherheitsvorkehrungen entsprechend effektiv sind. Der BND (v. 13. April 2010) geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass jedenfalls die Strukturen des Sikh-Terrorismus in Indien zumindest weitgehend zerschlagen sind und ihm eine ausreichende Basis in der Bevölkerung fehlt, um gegenwärtig effektiv arbeiten zu können. Zudem ist zu bedenken, dass es auch in der jüngsten Vergangenheit durchaus zu Terrorakten gekommen ist, wie etwa der Anschlag im November 2008 in Mumbai (vgl. Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009), die nicht zuverlässig zugeschrieben werden können.
54 
Von wesentlicher Bedeutung für diese Einschätzung und die vom Senat zu treffende Feststellung eines noch hinreichend aktuellen Gegenwartsbezugs ist auch, dass in jüngster Zeit verschiedentlich darüber berichtet wurde, es gebe aktuelle Restrukturierungsbestrebungen des Sikh Terrorismus und insoweit insbesondere auch der Auslandsbetätigungen der ISYF (vgl. etwa Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009; Immigration and Refugee Board of Canada v. 16. April 2009; South Asia Terrorism Portal Stand 1. März 2010; BND v. 13. April 2010). So wird von verstärkten Kontakten zum pakistanischen Geheimdienst berichtet und von Regruppierungen in Pakistan (vgl. Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009; Immigration and Refugee Board of Canada v. 16. April 2009). Jedenfalls angesichts dieser Entwicklungen wäre es verfehlt und wenig lebensnah, wollte man verlangen, dass es erst wieder zu konkreten neuen terroristischen Akten kommen muss, bevor man von einer relevanten terrorismusbezogenen Unterstützung sprechen kann.
55 
Unter diesen Umständen wäre das durch § 54 Nr. 5 AufenthG vorausgesetzte und vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 15. März 2005 näher beschriebene und, wie oben ausgeführt, keinesfalls zu hoch anzusetzende Gefährdungspotential allerdings dann entfallen, wenn eine glaubwürdige öffentliche und auch praktizierte Distanzierung von jeglichen terroristischen Praktiken von Seiten der ISYF erfolgt wäre. Dafür ist jedoch nichts ersichtlich (vgl. hierzu auch BKA v. 1. April 2010, das ausdrücklich eine erfolgte Distanzierung und entsprechende öffentlich bekannt gewordene Verlautbarungen verneint). Namentlich hat der Kläger auch auf entsprechende Hinweise im Berufungsverfahren keine diesbezüglichen Informationen geliefert, im Gegenteil: Er ist gerade in diesem Zusammenhang bemerkenswert einsilbig und unpräzise geblieben.
56 
Zwar wird von in der Vergangenheit erfolgten Spaltungen der AISSY bzw. der ISYF berichtet (vgl. etwa UNHCR v. 22. März 2006; South Asia Terrorism Portal Stand 1. März 2010; Immigration and Refugee Board of Canada v. 16. April 2009; BND v. 13. April 2010). In diesem Zusammenhang wird aber schon nicht einmal deutlich, dass sich zumindest eine hinreichend abgegrenzte und abgrenzbare Fraktion herausgebildet haben könnte, die überzeugend und glaubwürdig endgültig und ohne „wenn und aber“ dem Terrorismus die Gefolgschaft verweigert hätte und auch weiter verweigern würde. Abgesehen davon bestehen gerade auch nach dem Vorbringen im Berufungsverfahren keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass sich der Kläger – so es denn eine solche Fraktion überhaupt geben sollte – eindeutig und glaubwürdig gerade dieser zugewandt haben könnte und sich mit dieser identifizieren würde (vgl. zu diesem Aspekt im Kontext des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG BVerwG, U. v. 2. Dezember 2009 – 5 C 24.08), sodass von einem Wegfall der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG auszugehen wäre. Auch hier hat der Kläger unübersehbar jede klare Stellungnahme und Einlassung vermieden und hat im Grunde alles offen und im Ungefähren gelassen. In diesem Zusammenhang ist hinsichtlich des Berufungsvorbringens noch darauf hinzuweisen, dass aus den verwerteten Erkenntnismitteln keine Anhaltspunkte abgeleitet werden können, dass nur die Babbar Khalsa dem Terrorismus zugerechnet werden kann, nicht jedoch die ISYF.
57 
Bei der Würdigung der Person des Klägers und seiner politischen Betätigung sowie der persönlichen Einlassungen im Verfahren kann der Senat auch nicht außer Acht lassen, dass er bei seiner Anhörung durch das Bundesamt im Asylerstverfahren bestätigt hatte, an der Verteilung von Geldern an bedürftige Familien, die ihren Ernährer bei gewaltsamen Auseinandersetzungen in Indien verloren hatten, beteiligt gewesen zu sein. Weiter hatte er davon gesprochen, dass er geheime, ihm allerdings unbekannte Nachrichten als Kurier überbracht haben will. Schließlich hatte er die Anwendung von Gewalt bei der Schaffung eines unabhängigen Khalistan ausdrücklich gebilligt.
58 
Die vom Beklagten hilfsweise angestellten Ermessenserwägungen lassen keine rechtserheblichen Defizite erkennen. Wenn der Beklagte davon ausgeht, dass ggf. die gesamte Familie mit dem Kläger ausreisen werde, so ist dieser Ausgangspunkt nicht zu beanstanden. Denn die anderen Familienangehörigen haben ihrerseits kein Aufenthaltsrecht; auch halten sie sich – ohne dass es zu einer rechtserheblichen Verwurzelung in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland gekommen wäre – viel zu kurz im Bundesgebiet auf, als dass ihnen eine Rückkehr nicht mehr zugemutet werden könnte. Was den im Jahre 2007 geborenen Sohn des Klägers betrifft, kann zwar hinsichtlich eines möglichen zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots § 42 AsylVfG nicht eingewandt werden, weil dieser wohl kein Asylverfahren durchgeführt hat. Gleichwohl ist nichts dafür ersichtlich, dass aus Gründen einer Behandlungsbedürftigkeit der Herzkrankheit, über die auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung jedenfalls keine aktuellen Informationen vorliegen, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen könnte. Der Beklagte ist im angegriffenen Bescheid davon ausgegangen, dass eine Behandlung in Indien möglich sein werde, was der Kläger zu keinem Zeitpunkt - weder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren – überhaupt, geschweige denn substantiiert in Zweifel gezogen hat. Insoweit sind die selbstständig tragend angestellten (hilfsweisen) Ermessenserwägungen nicht zu beanstanden.
59 
Gleichwohl hat der Beklagte zusätzlich unterstellt, dass – nach Entfallen der Foltergefahr – es zu einer Trennung der Familie kommen könnte, insoweit dann aber mit Rücksicht auf die überragende Bedeutung des öffentlichen Interesses an einer konsequenten Bekämpfung des internationalen Terrorismus, das, wie dargelegt, insbesondere seine Rechtfertigung in den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland findet, einer Trennung der Familie den Vorzug eingeräumt. Insoweit handelt es sich um eine zwar nicht zwingende, gleichwohl rechtlich mögliche Ermessensentscheidung.
60 
Der Umstand, dass die Ausweisung nicht vollzogen werden kann, solange die Feststellung nach § 60 Abs. 2 AufenthG Bestand hat und kein aufnahmebereiter Drittstaat in Sicht ist, macht die Ausweisung – entgegen der Auffassung des Klägers - nicht ermessensfehlerhaft, insbesondere auch nicht unverhältnismäßig. Denn immerhin wird mit dieser zum einen konsequent jeder Aufenthaltsverfestigung entgegengewirkt, zum anderen werden dadurch die Aufenthaltsbeschränkungen des § 54a AufenthG ausgelöst.
61 
II. Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
62 
Dem Kläger steht auch keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG zu.
63 
Der Senat kann letztlich offen lassen, ob der Bundesgesetzgeber mit der in  § 25 Abs. 3 AufenthG gewählten Regelungsstruktur die Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG v. 29. April 2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie - QRL) ordnungsgemäß und sachgerecht umgesetzt hat. Diese Umsetzung war hier bereits zum 1. Januar 2005 durch das Zuwanderungsgesetz und damit vor dem Verpflichtungsurteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. Mai 2006 erfolgt.
64 
Eine ordnungsgemäße Umsetzung ist allerdings nach Auffassung des Senats nicht erfolgt. Denn die in § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 AufenthG genannten Ausschlussgründe, sind nach den bindenden unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 17 Abs. 1 QRL solche, die bereits zwingend der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach Art. 15 lit. b) QRL entgegenstehen. Darüber hinaus ist das nationale Recht auch deshalb defizitär, weil der unionsrechtlich in Art. 18 QRL ausdrücklich auch für subsidiär Schutzberechtigte vorgesehene, dem Flüchtlingsstatus (vgl. Art. 13 QRL und insoweit ordnungsgemäß umgesetzt in § 3 Abs. 4 AsylVfG) vergleichbare förmliche Schutzstatus nicht eingeräumt wird, an den unmittelbar unionsrechtlich die (zahlreichen) Gewährleistungen der Art. 20 ff. QRL anknüpfen. Dass unionsrechtlich dieser Schutzstatus von essentieller Bedeutung ist, kommt auch darin zum Ausdruck, dass nach Art. 19 Abs. 3 QRL die Mitgliedstaaten andererseits verpflichtet sind, diesen Status unter den dort im Einzelnen bezeichneten Voraussetzungen wieder zu entziehen, um damit deutlich zu machen, dass Unionsrecht derartige Rechte nicht vermitteln kann und sich die Betroffenen nicht mehr auf diese Rechte berufen können. Soweit § 60 Abs. 2 AufenthG daneben und zugleich den völkervertraglichen Abschiebungsschutz nach Art. 3 EMRK zum Ausdruck bringt und absichert, ist dagegen aus unionsrechtlicher Sicht allerdings nichts zu erinnern. Diese Differenzierung zwischen dem nationalen bzw. völkervertraglichen Abschiebungsschutz und dem unionsrechtlichen subsidiären Schutz und daraus fließenden Schutzstatus ist jedoch, wie dargelegt, von zentraler und nicht zu vernachlässigender Bedeutung und hätte vom nationalen Gesetzgeber nachgezeichnet werden müssen.
65 
Der Ausschlussgrund des Art. 17 Abs. 1 QRL hat hiernach schon im Ansatz systematisch und strukturell unionsrechtlich nichts mit der Frage des aufenthaltsrechtlichen Statusnach Einräumung des Schutzstatus zu tun, weshalb dann auch nach Art. 24 Abs. 2 QRL - vorbehaltlich entgegenstehender zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung - ein unbedingter Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht. Aus der Tatsache, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit einer Feststellung nach § 60 Abs. 2 AufenthG zugleich unter Verstoß gegen das Unionsrecht und entgegen Art. 17 Abs. 1 lit. c) QRL das Vorliegen der Voraussetzungen des unionsrechtlichen subsidiären Schutzes nach Art. 15 lit. b) QRL feststellt, folgt jedoch unionsrechtlich kein Anspruch der betreffenden Ausländer auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Sinne von Art. 24 Abs. 2 QRL. Allerdings kann mit Rücksicht auf die Bindungswirkung nach § 42 AsylVfG, auch wenn die Entscheidung unter Verstoß gegen zwingendes Unionsrecht (Art. 17 QRL) ergangen ist und eigentlich hätte, was den unionsrechtlichen subsidiären Schutz betrifft, zu Lasten der Betroffenen ausgehen müssen (vgl. zu den Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 lit. c QRL, der § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. c) AufenthG entspricht, noch die folgenden Ausführungen), nicht davon ausgegangen werden, dass § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. c) AufenthG unmittelbar dem Anspruch auf Erteilung eines Titels nach Art. 24 Abs. 2 QRL entgegen gehalten werden kann; insbesondere können an sich Sachverhalte, die selbst die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 QRL erfüllen, im Ausgangspunkt aus systematischen Gründen nicht unwiderlegbar und gewissermaßen automatisch anspruchsvernichtende zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 2 QRL ausmachen. Gleichwohl bedarf bis zu einer ordnungsgemäßen Umsetzung des Unionsrechts, insbesondere eines ausdrücklichen Verfahrens zur Gewährung eines subsidiären Schutzstatus die Vorbehaltsklausel der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der erweiternden Auslegung dergestalt, dass die Ausschlussgründe jedenfalls dem Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegenstehen. Denn unionsrechtlich folgt aus Art. 17 Abs. 1 QRL, dass, wenn schon der Schutzstatus zwingend zu versagen ist, gewissermaßen erst recht ein Anspruch auf Erteilung eines auf diesen zurückzuführenden Titels ausscheiden muss. Wollte man hier einen unionsrechtlichen Anspruch bejahen, so würde der ohnehin gegebene, auf dem Umsetzungsdefizit beruhende Verstoß gegen das Unionsrecht noch wesentlich verschärft mit der Folge, dass ein dem Unionsrecht noch ferneres Ergebnis erzielt würde, was offenkundig mit Art. 4 Abs. 3 EUV unvereinbar wäre.
66 
Nach alledem kann dann zwar allein der Umstand, dass nach nationalem Recht der Erteilung des Titels § 11 Abs. 1 Satz 2 (i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 2) AufenthG entgegenstünde, den Anspruch nach Art. 24 Abs. 2 QRL nicht ohne weiteres entfallen lassen, sondern nur dann, wenn sich in der Sperrwirkung zugleich zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung manifestieren würden. Dies ist aber der Fall, wenn eine Ausweisung wirksam und materiell zu Recht auf § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt wird. Namentlich der oben beschriebene völkerrechtliche und unionsrechtliche Hintergrund dieser Bestimmung sowie das mit ihr zu bekämpfende Gefährdungspotential verkörpern typischerweise derartige zwingende Gründe, selbst wenn von den jeweils betroffenen Personen keine unmittelbare konkrete oder gar gegenwärtige Gefahr ausgehen sollte.
67 
Unabhängig hiervon liegen nach Überzeugung des Senats auch die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 lit. c QRL bzw. des § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. c) AufenthG vor. Hiernach erfolgt ein Ausschluss vom subsidiären Schutzstatus bzw. wird der Aufenthaltstitel abgelehnt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Betreffende sich Handlungen hat zuschulden kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen. Der Wortlaut beider Bestimmungen stimmt im Wesentlichen mit Art. 1 F lit. c) GFK überein. Beide Bestimmungen weichen allerdings von Art. 12 Abs. 2 lit. c) QRL ab, der die maßgeblichen Ziele der Vereinten Nationen als diejenigen benennt und konkretisiert, die in der Präambel der UN-Charta und deren Art. 1 und 2 enthalten sind. Daraus wird teilweise der Schluss gezogen, das Gemeinschaftsrecht habe eine Entscheidung dahin gehend getroffen bzw. entsprechende in der Literatur und Rechtspraxis vertretene Auffassungen bekräftigt, wonach hier als in Betracht kommende Akteure nur Repräsentanten von Staaten oder jedenfalls staatsähnlicher Organisationen gemeint sein können, weil in der UN-Charta an sich nur die Beziehungen von Staaten untereinander in den Blick genommen werden (so etwa OVG NW, U. v. 27. März 2007 - 8 A 5118105.A - juris; Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 33 Rdn. 97 ff.). Worin dann allerdings bei diesem Ansatz der anwendungsrelevante Unterschied zu § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. a) AufenthG (bzw. Art. 12 Abs. 2 lit. a) bzw. Art. 17 Abs. 1 lit. a) QRL) bestehen soll, erschließt sich dem Senat nicht. Zwar hatte UNHCR (Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Ziff. 163) sicherlich mit guten Gründen darauf hingewiesen, dass die in der Charta genannten Ziele im Grundsatz nur das Verhältnis der Staaten untereinander betreffen, was die Schlussfolgerung nahe legen konnte, hier liege die Vorstellung und Konzeption zugrunde, der in den Blick zu nehmende Personenkreis sei auf solche Personen beschränkt, die aufgrund ihrer Stellung in einem staatlichen Machtapparat einen wesentlichen Beitrag zu einer durch den Staat selbst begangenen Verletzung dieser Grundsätze geleistet haben (vgl. hierzu auch UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, ZAR 2004, 207 Nr. 17; auch bereits Marx, Handbuch zur Asyl- und Flüchtlingsanerkennung, § 63 Stand Dez. 1997, Rdn. 148; vgl. auch BVerwG, U. v. 1. Juli 1975 - 1 C 44.68 - Buchholz 402.24 § 28 AusIG Nr. 9 mit dem zutreffenden Hinweis, dass in erster Linie Handlungen gemeint sind, die dem internationalen Frieden und der Völkerverständigung entgegen laufen). Zieht man aber schon den 22. Erwägungsgrund der Qualifikationsrichtlinie in die Überlegungen mit ein, so kann eine derartige Beschränkung nicht befürwortet werden. Denn dort werden zwar ebenfalls die Präambel sowie die Art. 1 und 2 der UN-Charta angesprochen. Daneben werden aber auch ausdrücklich die Resolutionen der UN erwähnt, wonach „Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen“ stünden und darüber hinaus auch die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu gleichfalls mit den Zielen und Grundsätzen unvereinbar seien. In diesem Zusammenhang ist unübersehbar, dass hier gegenüber den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Erarbeitung der Konvention mittlerweile ein nicht unerheblicher Bedeutungswandel eingetreten ist. Denn spätestens in der Resolution des Sicherheitsrats Nr. 1373 (2001) vom 28. September 2001 bringt dieser unmissverständlich zum Ausdruck, dass Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den in Kapitel 1 der Charta der Vereinten Nationen niedergelegten Zielen und Grundsätzen der Organisation stehen. Nach dieser Resolution, deren Umsetzung die hier in Rede stehenden Bestimmungen dienen und die der 22. Erwägungsgrund im Auge hat (vgl. BTDrucks 14/7386, S. 57), sollen, wie schon oben ausgeführt, die Staaten gegen alles vorgehen bzw. alles unterlassen, was den Terrorismus in irgendeiner Weise unterstützen könnte. Insbesondere sollen sie die Finanzierung terroristischer Handlungen verhüten und bekämpfen (Nr. 1 a), die vorsätzliche Bereitstellung oder Sammlung von Geldern, gleichviel durch welche Mittel und ob mittelbar oder unmittelbar durch ihre Staatsangehörigen oder in ihrem Hoheitsgebiet mit der Absicht oder in Kenntnis dessen, dass die Gelder zur Ausführung terroristischer Handlungen verwendet werden, unter Strafe stellen (Nr. 1 b) und diejenigen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, erleichtern oder begehen, daran hindern, ihr Hoheitsgebiet für diese Zwecke zu nutzen (Nr. 2 der Resolution). Hieraus wird deutlich, dass die ursprünglich für richtig gehaltene Beschränkung des Personenkreises nicht mehr in dieser Weise uneingeschränkt aufrechterhalten werden kann, denn die dort angesprochenen Akteure des Terrors haben regelmäßig nichts mit (zumindest) staatsähnlichen Organisationen zu tun (a.A. Marx, InfAusIR 2005, 218 <227>, der zu stark die Entstehungsgeschichte in den Blick nimmt und dabei übersieht, dass die Vorschrift, indem sie auf die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen abstellt, für einen Bedeutungswandel offen ist und daher nicht gesagt werden kann, die GFK stelle statisch nur auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt ihrer Entstehung ab; wie hier etwa OVG RP, U. v. 6. Dezember 2002 - 10 A 10089/02 - InfAuslR 2003, 254; Hailbronner, Ausländerrecht, § 60 AufenthG Stand Oktober 2008, Rdn. 227; vgl. auch die Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts v. 14. Oktober 2008 - 10 C 48.07 - BVerwGE 132, 79; v. 25. November 2008 - 10 C 46.07 - NVwZ 2009, 592). Der von Marx in diesem Zusammenhang weiter erhobene Einwand, bislang sei keine zufriedenstellende praktikable juristische Definition des Terrorismusbegriffs gefunden worden (vgl. Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 33 Rdn. 114), ist im Ansatz sicherlich nicht vollständig von der Hand zu weisen, ein solcher wird auf absehbare Zeit wohl auch nicht weltweit konsensfähig sein. Andererseits liegt der genannten Sicherheitsratsresolution ein „sicherer" Begriffskern zugrunde, wovon auch das BVerwG im bereits oben angesprochenen Urteil v. 15. März 2005 (1 C 26.03 - a.a.O.) ausgegangen ist.
68 
Für die Anwendung des Ausschlussgrundes ist schon vom Wortlaut der Bestimmung, der auf eine retrospektive Sichtweise abstellt, nicht erforderlich, dass eine konkrete Wiederholungsgefahr festgestellt werden kann. Die zugrunde liegende Bestimmung des Art. 1 F lit. c) GFK (wie generell Art. 1 F GFK) bringt vielmehr vorrangig ein gewichtiges wertendes Element der „Asylunwürdigkeit" zum Ausdruck (vgl. hierzu auch BVerwG, B. v. 14. Oktober 2008 - 10 C 48.07 - BVerwGE 132, 79; v. 25. November 2008 - 10 C 46.07 - NVwZ 2009, 592; Hailbronner, Ausländerrecht, § 60 AufenthG Stand Oktober 2008, Rdn. 211 ff.). Gleichwohl stehen auch diese gemeinschaftsrechtlichen und völkervertraglichen Ausschlussgründe unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. Liegen die entsprechenden Gründe bzw. Taten zum Zeitpunkt der Aktualisierung bzw. des Eintritts der flüchtlingsrechtlich zu betrachtenden Verfolgungsgefahr lange zurück und haben sich die Betroffenen insbesondere mittlerweile glaubwürdig distanziert oder aber wirken sie mittlerweile sogar aktiv an der Bekämpfung des Terrorismus mit, so wäre ein Zurückstellen des Flüchtlingsschutzes nicht mehr gerechtfertigt (so auch im Ausgangspunkt UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, ZAR 2004, 207 ff., Nr. 23 f.; ders., Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Nr. 157; vgl. auch BVerwG, B. v. 14. Oktober 2008 – 10 C 48.07 – a.a.O.). Zu verlangen ist daher – wenn auch keine konkrete Wiederholungsgefahr – so doch ein Minimum an Aktualität. Auch wenn im Falle des Art. 1 F lit. b) GFK - anders als in Art. 33 Nr. 2 GFK - nicht ausdrücklich auf das Vorliegen einer Gefahr abgestellt wird, so ist zwar unübersehbar, dass diese Bestimmung der Abwehr von Gefahren für das Zufluchtland dient. Gleichwohl ist die Zwecksetzung nicht darauf beschränkt, denn es geht auch darum, dem Missbrauch des Flüchtlingsstatus entgegenzuwirken, v.a. aber darum zu verhindern, dass sich die Betreffenden einer berechtigten Strafverfolgung entziehen (vgl. im Einzelnen die Nachweise bei BVerwG, B. v. 14. Oktober 2008 – 10 C 48.07 – a.a.O.; a.A. Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 33 Rdn. 84 ff. m.w.N., wonach sich die beiden Bestimmungen im Wesentlichen nur durch den Ort der Tatbegehung unterschieden, weshalb es nahe liege, von einem komplementären Charakter der Vorschriften auszugehen und auch hier nach den allgemeinen Maßstäben eine konkrete Gefahr zu verlangen; UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Ziff. 151; vgl. auch OVG NW, U. v. 27. März 2007 – 8 A 5118/05.A – juris).
69 
Der Senat kann offen lassen, ob Personen, die lediglich als Mitläufer bzw. unbedeutende Unterstützer des Terrorismus einzustufen sind, taugliche Akteure im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. c) QRL sein können. Der Kläger war jedoch als ehemaliger höher gestellter mehrjähriger Funktionär der Organisation eine Person, die maßgeblich den Weg der Organisation in der Bundesrepublik mitbestimmen und prägen konnte, weshalb sein Handeln unmittelbar geeignet war, die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen nachteilig zu berühren. Auch liegen diese Aktivitäten nicht so lange zurück, als dass sie als obsolet angesehen werden könnten. Schließlich kann von einer glaubwürdigen Distanzierung, wie bereits ausgeführt, keine Rede sein.
70 
Wollte man nicht der Auffassung einer unionsrechtswidrigen Umsetzung folgen, so stünde der Erteilung nicht nur § 25 Abs. 3 Satz 2 3. Variante lit. c) AufenthG entgegen, sondern auch § 11 Abs. 1 Satz 2 (i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 2) AufenthG sowie § 5 Abs. 4 AufenthG.
71 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
72 
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO).
73 
Beschluss vom 21. April 2010
74 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt.
75 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
27 
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Berufung hat Erfolg.
28 
Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen. Denn der angegriffene Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen ist rechtmäßig und verletzt schon daher nicht die Rechte des Klägers (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
29 
I. Ausweisung:
30 
Der Beklagte hat die Ausweisungsverfügung rechtsfehlerfrei auf § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Hiernach ist ein Ausländer in der Regel auszuweisen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt hat; dabei gilt für zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen die Einschränkung, dass hierauf eine Ausweisung nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen.
31 
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 15. März 2005 (1 C 26.03 – BVerwGE 123, 114) zu der in der Sache nicht wesentlich unterschiedlichen Vorläufervorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 5 letzte Variante AuslG 1990 (i.V.m. § 47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG 1990) folgende Grundsätze aufgestellt, die der Senat seiner Rechtsprechung zugrunde legt.
32 
Zum Unterstützungsbegriff hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt:
33 
„Auch die "bloße Teilnahme" an Veranstaltungen und Demonstrationen der der Klägerin vorgehaltenen Art kann unter bestimmten Voraussetzungen eine durch § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG sanktionierte Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus darstellen. Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist - in Anlehnung an die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum strafrechtlichen Unterstützungsbegriff nach §§ 129, 129 a StGB entwickelten Kriterien - jede Tätigkeit anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1984 - 3 StR 526/83 (S) - BGHSt 32, 243; ähnlich Jakober in: Jakober/Welte, Aktuelles Ausländerrecht, § 8 AuslG Rn. 620 und Berlit in: GK-StAR § 86 AuslG Rn. 90 bis 92 zum Unterstützungsbegriff in § 86 Abs. 1 Nr. 2 AuslG 1990). Dazu zählt jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84 - BGHSt 33, 16 unter Hinweis auf BGHSt 29, 99 <101>; 32, 243 <244>). Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB 18/87 - NJW 1988, 1677 unter Hinweis auf BGHSt 29, 99 <101>; 32, 243, <244>) wie - unter Berücksichtigung des präventiven, der Gefahrenabwehr dienenden Zwecks des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG - auf eine subjektive Vorwerfbarkeit (vgl. auch die Begründung zu Art. 11 Nr. 3 des Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386, S. 54: "Dabei muss die von einem Ausländer ausgehende Gefahr entweder gegenwärtig bestehen oder für die Zukunft zu erwarten sein, abgeschlossene Sachverhalte aus der Vergangenheit ohne gegenwärtige oder künftige Relevanz bleiben außer Betracht.").
34 
Allerdings muss auch die eine Unterstützung der Vereinigung, ihre Bestrebungen oder ihre Tätigkeit bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein (zum Ausnahmefall der Inanspruchnahme als Anscheinsstörer in einer zugespitzten Krisensituation vgl. Urteile vom 11. November 1980 - BVerwG 1 C 23.75 und BVerwG 1 C 46.75 - Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nrn. 75, 76 und Urteil vom 1. Juli 1975 - BVerwG 1 C 35.70 - BVerwGE 49, 36 <42 ff.>). An einem Unterstützen fehlt es hingegen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon ggf. deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG kann ferner dann in Betracht kommen, wenn - wie der Klägerin vorgehalten und vom Berufungsgericht zunächst unterstellt - durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung wie der verbotenen PKK bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB 18/87 - a.a.O.). Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (oder des Fehlens jeglicher Distanzierung wie bisher bei der Klägerin) gewürdigt werden. Die potenzielle Erhöhung des latenten Gefährdungsrisikos, welches von einer Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, für die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und anderer Staaten sowie die Völkergemeinschaft ausgeht, ist erforderlich, aber auch ausreichend, um ein Verhalten unter den durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz eingefügten, die allgemeine Sicherheitsgefährdungsklausel in § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG bewusst erweiternden Unterstützungstatbestand zu subsumieren (vgl. auch die Begründung zu Art. 11 Nr. 3 des Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386, S. 54).
35 
Erfasst wird neben den Erscheinungsformen der Gewaltanwendung ebenfalls die Mitgliedschaft oder Unterstützung von Vereinigungen, die Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten oder androhen, unabhängig davon, wo die Anschläge verübt werden. Diese Ausdehnung auf über das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hinaus agierenden Tätergruppen ist angesichts der Erscheinungsformen des international organisierten Terrorismus, der immer auch latent eine Bedrohung für die Bundesrepublik Deutschland darstellt, geboten.
36 
Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich (so aber wohl VGH Mannheim, Beschluss vom 18. November 2004 - 13 S 2394/04 - InfAuslR 2005, 31 und Marx, ZAR 2004, 275; ZAR 2002, 127 unter Übernahme der zur alten Fassung des Ausweisungsgrundes nach § 46 Nr. 1 AuslG 1990, § 10 AuslG 1965 entwickelten Abgrenzung). Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich, wie es im angefochtenen Berufungsurteil (UA S. 7) unter Bezugnahme auf einen vom Bundesgerichtshof aufgehobenen Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts zur Auslegung des § 129 a Abs. 3 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB 18/87 - a.a.O.) vorausgesetzt wird. Die Schwelle für das Eingreifen des neuen Versagungs- und Regelausweisungsgrundes nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 letzte Alternative AuslG ist nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers angesichts der außerordentlichen Gefahren des internationalen Terrorismus deutlich niedriger anzusetzen als die Anforderungen an eine persönliche und konkrete Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland nach der bereits früher geltenden ersten Alternative (vgl. oben 3 a).
37 
Der Beklagte hat hierzu zutreffend darauf hingewiesen, dass die neuen ausländerrechtlichen Regelungen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus im Zusammenhang mit der UN-Resolution 1373 vom 28. September 2001 zu sehen sind, in der die Staaten aufgefordert werden, die Nutzung ihres Staatsgebiets für die Vorbereitung, Durchführung und Finanzierung internationaler terroristischer Akte zu verhindern. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG in der hier anzuwendenden Fassung ist in Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz mit Wirkung vom 1. Januar 2002 eingefügt worden in dem Bestreben, in Übereinstimmung mit der UN-Resolution 1373 (2001) dem internationalen Terrorismus weltweit schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386 , S. 35)
38 
Mit den Anschlägen in den Vereinigten Staaten von Amerika vom 11. September 2001 hat die terroristische Bedrohung weltweit eine neue Dimension erreicht. Vorbereitung und Ausführung der Anschläge waren gekennzeichnet durch ein hohes Ausmaß an Brutalität, Menschenverachtung und Fanatismus. Hinter den Anschlägen steht ein staatenübergreifendes Netz logistischer Verknüpfungen und operativer Strukturen.
39 
Die neue Dimension des Terrorismus und dessen internationale Ausprägung stellen die Sicherheitsbehörden vor neue, schwere Aufgaben. Niemand kann ausschließen, dass nicht auch Deutschland das Ziel solcher terroristischer Attacken wird.
40 
Die gemeinsame Aufgabe aller staatlichen Kräfte muss es sein, dieser Bedrohung mit geeigneten Schutzmaßnahmen entgegen zu treten. Aufgabe der Politik ist es, mögliche Gefahren für die innere Sicherheit und Ordnung gegen Angriffe von innen wie von außen frühzeitig zu erkennen und alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um das Risiko ihres Eintritts zu minimieren.
41 
Die Innen- und Justizminister der EU haben am 20. September 2001 in einer von Deutschland initiierten Sondersitzung des Rates Justiz und Inneres einen umfangreichen Maßnahmenkatalog zur Terrorismusbekämpfung beschlossen. Dieser Katalog sieht unter anderem Maßnahmen bei der Visaerteilung, der Grenzkontrolle sowie Maßnahmen im Inland vor, die sich in weiten Bereichen mit dem nationalen Sicherheitspaket decken. Deutschland hat darüber hinaus eine Reihe von Vorschlägen eingebracht, die zur Konkretisierung der Schlussfolgerungen des Sonderrates für Justiz und Inneres sowie der Resolution des VN-Sicherheitsrates vom 28. September 2001 (Nummer 1373) dienen. Die VN-Resolution fordert unter anderem, durch geeignete Maßnahmen
42 
- die Identifizierung von Terroristen vor der Einreise,
        
- den Schutz von Identitätspapieren und deren missbräuchlicher Verwendung,
        
- einen beschleunigten nationalen und grenzüberschreitenden Informationsaustausch über Terroristen und deren Bewegungen sowie über gefälschte Dokumente und
        
- die Verhinderung des Missbrauchs des Flüchtlingsstatus für terroristische Aktivitäten
43 
sicherzustellen.
44 
Die Verhandlungen zur Umsetzung dieser Vorschläge werden längere Zeit in Anspruch nehmen. Im Hinblick auf die akute Terrorismusgefahr sind daher bereits jetzt entsprechende nationale Maßnahmen erforderlich.
45 
Mit Rücksicht auf diese Zielsetzung ist der Unterstützungsbegriff in § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG auszulegen und anzuwenden. Maßgeblich ist, inwieweit das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nicht nur ganz unwesentlich oder geringfügig beiträgt und deshalb selbst potenziell gefährlich erscheint. Wegen der tatbestandlichen Weite des Unterstützungsbegriffs ist allerdings - wie bereits ausgeführt - bei der Anwendung der Vorschrift darauf zu achten, dass nicht unverhältnismäßig namentlich in das auch Ausländern zustehende Recht auf freie Meinungsäußerung jenseits der zumindest mittelbaren Billigung terroristischer Bestrebungen eingegriffen wird. Die Ausländerbehörden und die Verwaltungsgerichte können erst nach einer umfassenden und konkreten Prüfung der Aktivitäten der Vereinigung und des Verhaltens des Ausländers durch eine wertende Gesamtbetrachtung entscheiden, ob ein Ausländer eine Vereinigung unterstützt, die ihrerseits den internationalen Terrorismus unterstützt. Nur wenn feststeht, dass und zu welchem Zeitpunkt eine Vereinigung - wie hier die PKK und ihre Teil- oder Nachfolgeorganisationen - terroristische Bestrebungen unterstützt oder sich selbst terroristisch betätigt, kommt eine tatbestandsmäßige Unterstützung durch einzelne Personen in Betracht.“
46 
Der Senat kann in diesem Zusammenhang die Frage offen lassen, ob die Herausnahme nur ganz unwesentlicher oder geringfügiger Unterstützungshandlungen sachgerecht ist, oder ob insoweit nicht der Ansatz vorzugswürdig wäre, in diesem Fall eine die Regel durchbrechende Atypik anzunehmen (so etwa Discher, in: GK-AufenthG, § 54 AufenthG Rdn. 515). Denn solche Handlungen sind im vorliegenden Fall nicht zu beurteilen, wie noch darzulegen sein wird. In diesem Zusammenhang ist namentlich mit Rücksicht auf das Vorbringen des Klägers darauf hinzuweisen und zu verdeutlichen, dass die hier maßgebliche Bestimmung des § 54 Nr. 5 AufenthG (anders als die der Nr. 5a) weder vom Tatbestand noch nach Sinn und Zweck, aber auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine vom Betroffenen ausgehende konkrete Gefährdung voraussetzt. Eine solche wird nur vorausgesetzt, wenn eine vergangene Mitgliedschaft des Ausländers oder zurückliegende Unterstützungshandlungen (außerhalb einer Mitgliedschaft) zu beurteilen sind; hierum geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht, da der Kläger nach wie vor aktives ISYF-Mitglied ist. Von diesem Verständnis geht das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 15. März 2005 zu Recht aus. Dem liegt die zutreffende und keineswegs mit größerer zeitlichen Distanz zu den Ereignissen des 11. September 2001 überholte Überlegung zugrunde, dass der internationale Terrorismus ein außerordentliches Gefahrpotential darstellt und die Bestimmung in besonderem Maße der Umsetzung und Durchsetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland dienen soll (vgl. auch Hailbronner, Ausländerrecht, § 54 AufenthG Rdn. 31), weshalb das hier zu beurteilende Instrumentarium bereits weit im Vorfeld des unmittelbar ausgeübten und in die Tat umgesetzten Terrorismus greifen soll und muss.
47 
Zum Terrorismusbegriff führt das Bundesverwaltungsgericht aus (vgl. hierzu auch Discher, in: GK-AufenthG, § 54 AufenthG Rdn. 436 ff. sowie Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 498 ff.):
48 
„Das Terrorismusbekämpfungsgesetz enthält zwar selbst keine Definition, was unter Terrorismus zu verstehen ist, setzt aber einen der Rechtsanwendung fähigen Begriff des Terrorismus voraus (vgl. kritisch etwa Marx, ZAR 2002, 127<128 f.> und ZAR 2004, 275). Auch wenn bisher die Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition des Terrorismus zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen sind (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 8 AuslG Rn. 53; Davy, ZAR 2003, 43 f.; Renner, ZAR 2003, 52 f.), ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts doch in den Grundsätzen geklärt, unter welchen Voraussetzungen die - völkerrechtlich geächtete - Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln anzunehmen ist (vgl. auch Schmahl, ZAR 2004, 217 <219> unter Hinweis auf einen weitgehenden Konsens bei der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999, BGBl II 2003 S. 1923 und auf die Definition terroristischer Straftaten auf Gemeinschaftsebene in dem Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002, ABl 2002 L164, S. 3; vgl. ebenso schon den Gemeinsamen Standpunkt des Rates 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001, ABl 2001 L 344, S. 93). Eine Vereinigung, die selbst - wie die PKK jedenfalls in der Vergangenheit innerhalb und außerhalb der Türkei - ihre politischen Ziele zumindest auch mit terroristischen Mitteln verfolgt hat (vgl. Urteile vom 30. März 1999  - BVerwG 9 C 31.98, 9 C 23.98 und 9 C 22.98 - BVerwGE 109, 1; 109, 12 und 109, 25), gehört zweifellos zu denjenigen Vereinigungen, die § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG im Blick hat. In dem erneuten Berufungsverfahren wird sich der Verwaltungsgerichtshof zur Beurteilung der Terrorismusgefahr durch die PKK im Übrigen auch mit den Beschlüssen des Rates der Europäischen Union über Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus befassen müssen, nach denen die PKK in einer Liste der an terroristischen Handlungen beteiligten Personen, Vereinigungen und Körperschaften aufgeführt ist (vgl. zuletzt Anhang unter 2. Nr. 21 zu dem Gemeinsamen Standpunkt 2005/220/GASP des Rates vom 14. März 2005 zur Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2004/500/GASP, ABl 2005 L 069, S. 59).“
49 
Dieses zugrunde gelegt ist hier von Folgendem auszugehen: Der Kläger war nach den Feststellungen des Senats mehrere Jahre bis Ende 2007 Vorsitzender der ISYF Baden-Württemberg und ist in der Folgezeit weiter einfaches, aber aktives Mitglied und nimmt auch in dieser Stellung an vielfältigen Aktivitäten der Organisation in der Bundesrepublik Deutschland teil. Mitgliedschaft sowie Aktivitäten wurden im Berufungsverfahren vom Kläger ausdrücklich nochmals bestätigt.
50 
Es steht auch für den Senat hinreichend verlässlich fest, dass die ISYF eine Organisation ist, die nach den dargestellten Grundsätzen und dem hiernach nicht zu eng zu verstehenden Unterstützungsbegriff den Terrorismus „unterstützt“. Sie ist als Auslandsorganisation der „All India Sikh Student Federation“ (AISSY) nach den vorliegenden Erkenntnismitteln zwar nicht ausschließlich, aber doch vorwiegend außerhalb Indiens tätig. Die ISYF war möglicherweise nicht selbst unmittelbar an terroristischen Aktivitäten beteiligt gewesen und hat insbesondere nicht zur Begehung solcher gerade in der Bundesrepublik Deutschland aufgerufen (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz v. 20. Juli 2004; BKA v. 1. April 2010; vgl. aber BND v. 13. April 2010, wonach gerade auch Mitglieder der ISYF nach 1984 an Anschlägen beteiligt gewesen und noch im Dezember 2006 militante Aktivisten der ISYF in Indien verhaftet worden seien; vgl. zudem das South Asia Terrorism Portal, Stand 1. März 2010, das von einer unmittelbaren Beteiligung spricht). Die Organisation sah und sieht, was ihre Auslandsaktivitäten betrifft, eine wesentliche Aufgabe und Funktion darin, Gelder zu sammeln, um damit zumindest auch die wirtschaftlichen Grundlagen der Bewegung zur gewaltsamen Löslösung eines unabhängigen Khalistan zu stärken, deren integraler Bestandteil jedenfalls in der Vergangenheit auch die Begehung terroristischer Akte war (vgl. Südasieninstitut v. 8. Juli 2008 und 26. April 2004; Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2008; BND v. 13. April 2010; South Asia Terrorism Portal, Stand 1. März 2010). Dass Gelder möglicherweise auch zur Unterstützung der Familien von „Märtyrern“ verwendet wurden (vgl. hierzu die Äußerungen des Klägers im Asylerstverfahren und hierzu noch im Folgenden) steht dem nicht entgegen, da sich die Organisation nach den verwerteten Erkenntnismitteln keineswegs als karitativ versteht. Daneben ist die Organisation in vielfältiger Weise, insbesondere durch die Abhaltung sog. Märtyrergedenktage ideologisch und informatorisch tätig (vgl. hierzu die vorgenannten Erkenntnismittel). Zwar mag sie allein damit noch nicht den Tatbestand der Unterstützung erfüllen (vgl. hierzu und zu möglichen Bedenken BVerwG, U. v. 15. März 2005 – a.a.O. Rdn. 41). Diese Aktivitäten sind aber geeignet, das Gesamtbild abzurunden. Die AISSY wurde demgegenüber nach allen vorliegenden Erkenntnismitteln bis in die jüngste Vergangenheit als eine Organisation beschrieben und beurteilt, die personell und materiell selbst mit dem Sikh-Terrorismus in Indien, der auch in Pakistan einen sicheren Rückzugsraum gefunden hat und findet, in unmittelbarer Verbindung steht (vgl. Südasieninstitut v. 8. Juli 2008 und 26. April 2004; Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2008; Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, Verfassungsschutzbericht 2008; Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009; UNHCR v. 22. März 2006; Immigration und Refugee Board of Canada v. 16. April 2009; The Mackenzie Institute, 2006; South Asia Terrorism Portal, Stand 1. März 2010).
51 
Der Senat kann in diesem Zusammenhang offen lassen, ob – wie der Beklagte meint – dem Umstand, dass die ISYF in den Anhang Ziffer 2 der aktuell gültigen Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 des Rates v. 22. Dezember 2009 (ABl. L 346, S. 39) aufgenommen wurde, die von ihm für richtig gehaltene Bindungswirkung zukommen kann, oder ob, wie das Verwaltungsgericht mit guten Gründen dargelegt hat, wegen des hier nicht gegebenen sachlichen Anwendungsbereichs der Vorschrift, eine solche auszuscheiden hätte. Bedenken gegen eine Bindungswirkung könnten sich aus rechtstaatlichen Überlegungen und im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG auch deshalb ergeben, weil der Kläger individuell gar nicht in der Lage wäre, den vom Beklagten aufgezeigten Weg einer gerichtlichen Klärung der Aufnahme in den Anhang Ziffer 2 zu beschreiten (vgl. zu den Aspekten eines effektiven, auch unionsrechtlich garantierten effektiven Rechtsschutzes EuGH, Urteil v. 3. September 2008 – C- 402/05 P u.a., Kadi - DVBl 2009, 175-178). Gegen eine derartige Bindungs- oder Tatbestandswirkung (vgl. hierzu Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., 2008, § 43 Rdn. 154 ff.) spricht auch entschieden, dass es keine etwa den §§ 4 und 42 AsylVfG vergleichbare normative Vorgabe gibt, die auch nur ansatzweise in diese Richtung deuten könnte.
52 
Jedenfalls aber kommt der Aufnahme angesichts der vorgenannten vielfältigen Einschätzungen und Äußerungen eine nicht unerhebliche Indizwirkung zu. Dies gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil der genannte unionsrechtliche Rechtsakt seinen Geltungsanspruch u.a. auch aus den Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 12. und 28. September 2001 (Nr. 1368 und 1373) ableitet (vgl. den Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 2001/931/GASP), die den Staaten der Weltgemeinschaft völkerrechtlich bindend aufgibt, dem internationalen Terrorismus keinerlei – auch nur passive - Unterstützung zu leisten. Insbesondere haben hiernach alle Staaten die Verpflichtung, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern (vgl. Ziffer 2 lit. a und c) Resolution Nr. 1373; vgl. zur völkerrechtlichen Verbindlichkeit Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 496 ff.).
53 
Allerdings setzt der Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG voraus, dass der unterstützte Terrorismus überhaupt noch aktuell ist und nicht etwa der Vergangenheit angehört. Dieser einschränkende Aspekt folgt schon aus der Wertung des § 54 Nr. 5 Hs. 2 AufenthG und nicht zuletzt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Vorschrift sanktioniert – anders als möglicherweise Art. 1 F lit. c) GFK bzw. Art. 17 Abs. 1 lit. c) QRL (vgl. hierzu unter II) – nicht etwa in der Vergangenheit liegende Verhaltensweisen, die sich auf terroristische Organisationen und deren Taten bezieht, die nicht mehr existent, überholt und ohne Gegenwartsbezug sind. Aus dem Umstand, dass nach den vom Verwaltungsgericht eingeholten bzw. verwerteten Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes (vgl. insbesondere Stellungnahme vom 14. September 2009) seit etwa 2000 die den militanten Sikh-Organisationen zugerechneten terroristischen Gewalttaten nahezu zum Erliegen gekommen sein sollen und diesbezüglich in dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung auszugsweise vorgelegten Jahresbericht 2009/2010 des Ministry of Home Affairs of India nichts Entsprechendes mehr erwähnt wird (vollständig abzurufen unter http://www.mha.nic.in), kann jedoch gegenwärtig nicht geschlossen werden, im vorliegenden Fall könnte ein solcher Sachverhalt ohne den erforderlichen Gegenwartsbezug gegeben sein. Denn dieser vom Auswärtigen Amt konstatierte Zustand kann vielerlei Ursachen haben und lässt keinen hinreichend verlässlichen Schluss darauf zu, dass das terroristische Gewaltpotential endgültig aus der Welt sein könnte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - maßgebliche Akteure des Terrors nach wie vor existieren. Denn der Umstand, dass gegenwärtig keine Aktivitäten zu beobachten sind, kann namentlich darauf beruhen, dass die finanziellen wie auch die personellen Ressourcen defizitär sind bzw. auch die Sicherheitsvorkehrungen entsprechend effektiv sind. Der BND (v. 13. April 2010) geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass jedenfalls die Strukturen des Sikh-Terrorismus in Indien zumindest weitgehend zerschlagen sind und ihm eine ausreichende Basis in der Bevölkerung fehlt, um gegenwärtig effektiv arbeiten zu können. Zudem ist zu bedenken, dass es auch in der jüngsten Vergangenheit durchaus zu Terrorakten gekommen ist, wie etwa der Anschlag im November 2008 in Mumbai (vgl. Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009), die nicht zuverlässig zugeschrieben werden können.
54 
Von wesentlicher Bedeutung für diese Einschätzung und die vom Senat zu treffende Feststellung eines noch hinreichend aktuellen Gegenwartsbezugs ist auch, dass in jüngster Zeit verschiedentlich darüber berichtet wurde, es gebe aktuelle Restrukturierungsbestrebungen des Sikh Terrorismus und insoweit insbesondere auch der Auslandsbetätigungen der ISYF (vgl. etwa Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009; Immigration and Refugee Board of Canada v. 16. April 2009; South Asia Terrorism Portal Stand 1. März 2010; BND v. 13. April 2010). So wird von verstärkten Kontakten zum pakistanischen Geheimdienst berichtet und von Regruppierungen in Pakistan (vgl. Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009; Immigration and Refugee Board of Canada v. 16. April 2009). Jedenfalls angesichts dieser Entwicklungen wäre es verfehlt und wenig lebensnah, wollte man verlangen, dass es erst wieder zu konkreten neuen terroristischen Akten kommen muss, bevor man von einer relevanten terrorismusbezogenen Unterstützung sprechen kann.
55 
Unter diesen Umständen wäre das durch § 54 Nr. 5 AufenthG vorausgesetzte und vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 15. März 2005 näher beschriebene und, wie oben ausgeführt, keinesfalls zu hoch anzusetzende Gefährdungspotential allerdings dann entfallen, wenn eine glaubwürdige öffentliche und auch praktizierte Distanzierung von jeglichen terroristischen Praktiken von Seiten der ISYF erfolgt wäre. Dafür ist jedoch nichts ersichtlich (vgl. hierzu auch BKA v. 1. April 2010, das ausdrücklich eine erfolgte Distanzierung und entsprechende öffentlich bekannt gewordene Verlautbarungen verneint). Namentlich hat der Kläger auch auf entsprechende Hinweise im Berufungsverfahren keine diesbezüglichen Informationen geliefert, im Gegenteil: Er ist gerade in diesem Zusammenhang bemerkenswert einsilbig und unpräzise geblieben.
56 
Zwar wird von in der Vergangenheit erfolgten Spaltungen der AISSY bzw. der ISYF berichtet (vgl. etwa UNHCR v. 22. März 2006; South Asia Terrorism Portal Stand 1. März 2010; Immigration and Refugee Board of Canada v. 16. April 2009; BND v. 13. April 2010). In diesem Zusammenhang wird aber schon nicht einmal deutlich, dass sich zumindest eine hinreichend abgegrenzte und abgrenzbare Fraktion herausgebildet haben könnte, die überzeugend und glaubwürdig endgültig und ohne „wenn und aber“ dem Terrorismus die Gefolgschaft verweigert hätte und auch weiter verweigern würde. Abgesehen davon bestehen gerade auch nach dem Vorbringen im Berufungsverfahren keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass sich der Kläger – so es denn eine solche Fraktion überhaupt geben sollte – eindeutig und glaubwürdig gerade dieser zugewandt haben könnte und sich mit dieser identifizieren würde (vgl. zu diesem Aspekt im Kontext des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG BVerwG, U. v. 2. Dezember 2009 – 5 C 24.08), sodass von einem Wegfall der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG auszugehen wäre. Auch hier hat der Kläger unübersehbar jede klare Stellungnahme und Einlassung vermieden und hat im Grunde alles offen und im Ungefähren gelassen. In diesem Zusammenhang ist hinsichtlich des Berufungsvorbringens noch darauf hinzuweisen, dass aus den verwerteten Erkenntnismitteln keine Anhaltspunkte abgeleitet werden können, dass nur die Babbar Khalsa dem Terrorismus zugerechnet werden kann, nicht jedoch die ISYF.
57 
Bei der Würdigung der Person des Klägers und seiner politischen Betätigung sowie der persönlichen Einlassungen im Verfahren kann der Senat auch nicht außer Acht lassen, dass er bei seiner Anhörung durch das Bundesamt im Asylerstverfahren bestätigt hatte, an der Verteilung von Geldern an bedürftige Familien, die ihren Ernährer bei gewaltsamen Auseinandersetzungen in Indien verloren hatten, beteiligt gewesen zu sein. Weiter hatte er davon gesprochen, dass er geheime, ihm allerdings unbekannte Nachrichten als Kurier überbracht haben will. Schließlich hatte er die Anwendung von Gewalt bei der Schaffung eines unabhängigen Khalistan ausdrücklich gebilligt.
58 
Die vom Beklagten hilfsweise angestellten Ermessenserwägungen lassen keine rechtserheblichen Defizite erkennen. Wenn der Beklagte davon ausgeht, dass ggf. die gesamte Familie mit dem Kläger ausreisen werde, so ist dieser Ausgangspunkt nicht zu beanstanden. Denn die anderen Familienangehörigen haben ihrerseits kein Aufenthaltsrecht; auch halten sie sich – ohne dass es zu einer rechtserheblichen Verwurzelung in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland gekommen wäre – viel zu kurz im Bundesgebiet auf, als dass ihnen eine Rückkehr nicht mehr zugemutet werden könnte. Was den im Jahre 2007 geborenen Sohn des Klägers betrifft, kann zwar hinsichtlich eines möglichen zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots § 42 AsylVfG nicht eingewandt werden, weil dieser wohl kein Asylverfahren durchgeführt hat. Gleichwohl ist nichts dafür ersichtlich, dass aus Gründen einer Behandlungsbedürftigkeit der Herzkrankheit, über die auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung jedenfalls keine aktuellen Informationen vorliegen, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen könnte. Der Beklagte ist im angegriffenen Bescheid davon ausgegangen, dass eine Behandlung in Indien möglich sein werde, was der Kläger zu keinem Zeitpunkt - weder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren – überhaupt, geschweige denn substantiiert in Zweifel gezogen hat. Insoweit sind die selbstständig tragend angestellten (hilfsweisen) Ermessenserwägungen nicht zu beanstanden.
59 
Gleichwohl hat der Beklagte zusätzlich unterstellt, dass – nach Entfallen der Foltergefahr – es zu einer Trennung der Familie kommen könnte, insoweit dann aber mit Rücksicht auf die überragende Bedeutung des öffentlichen Interesses an einer konsequenten Bekämpfung des internationalen Terrorismus, das, wie dargelegt, insbesondere seine Rechtfertigung in den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland findet, einer Trennung der Familie den Vorzug eingeräumt. Insoweit handelt es sich um eine zwar nicht zwingende, gleichwohl rechtlich mögliche Ermessensentscheidung.
60 
Der Umstand, dass die Ausweisung nicht vollzogen werden kann, solange die Feststellung nach § 60 Abs. 2 AufenthG Bestand hat und kein aufnahmebereiter Drittstaat in Sicht ist, macht die Ausweisung – entgegen der Auffassung des Klägers - nicht ermessensfehlerhaft, insbesondere auch nicht unverhältnismäßig. Denn immerhin wird mit dieser zum einen konsequent jeder Aufenthaltsverfestigung entgegengewirkt, zum anderen werden dadurch die Aufenthaltsbeschränkungen des § 54a AufenthG ausgelöst.
61 
II. Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
62 
Dem Kläger steht auch keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG zu.
63 
Der Senat kann letztlich offen lassen, ob der Bundesgesetzgeber mit der in  § 25 Abs. 3 AufenthG gewählten Regelungsstruktur die Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG v. 29. April 2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie - QRL) ordnungsgemäß und sachgerecht umgesetzt hat. Diese Umsetzung war hier bereits zum 1. Januar 2005 durch das Zuwanderungsgesetz und damit vor dem Verpflichtungsurteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. Mai 2006 erfolgt.
64 
Eine ordnungsgemäße Umsetzung ist allerdings nach Auffassung des Senats nicht erfolgt. Denn die in § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 AufenthG genannten Ausschlussgründe, sind nach den bindenden unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 17 Abs. 1 QRL solche, die bereits zwingend der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach Art. 15 lit. b) QRL entgegenstehen. Darüber hinaus ist das nationale Recht auch deshalb defizitär, weil der unionsrechtlich in Art. 18 QRL ausdrücklich auch für subsidiär Schutzberechtigte vorgesehene, dem Flüchtlingsstatus (vgl. Art. 13 QRL und insoweit ordnungsgemäß umgesetzt in § 3 Abs. 4 AsylVfG) vergleichbare förmliche Schutzstatus nicht eingeräumt wird, an den unmittelbar unionsrechtlich die (zahlreichen) Gewährleistungen der Art. 20 ff. QRL anknüpfen. Dass unionsrechtlich dieser Schutzstatus von essentieller Bedeutung ist, kommt auch darin zum Ausdruck, dass nach Art. 19 Abs. 3 QRL die Mitgliedstaaten andererseits verpflichtet sind, diesen Status unter den dort im Einzelnen bezeichneten Voraussetzungen wieder zu entziehen, um damit deutlich zu machen, dass Unionsrecht derartige Rechte nicht vermitteln kann und sich die Betroffenen nicht mehr auf diese Rechte berufen können. Soweit § 60 Abs. 2 AufenthG daneben und zugleich den völkervertraglichen Abschiebungsschutz nach Art. 3 EMRK zum Ausdruck bringt und absichert, ist dagegen aus unionsrechtlicher Sicht allerdings nichts zu erinnern. Diese Differenzierung zwischen dem nationalen bzw. völkervertraglichen Abschiebungsschutz und dem unionsrechtlichen subsidiären Schutz und daraus fließenden Schutzstatus ist jedoch, wie dargelegt, von zentraler und nicht zu vernachlässigender Bedeutung und hätte vom nationalen Gesetzgeber nachgezeichnet werden müssen.
65 
Der Ausschlussgrund des Art. 17 Abs. 1 QRL hat hiernach schon im Ansatz systematisch und strukturell unionsrechtlich nichts mit der Frage des aufenthaltsrechtlichen Statusnach Einräumung des Schutzstatus zu tun, weshalb dann auch nach Art. 24 Abs. 2 QRL - vorbehaltlich entgegenstehender zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung - ein unbedingter Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht. Aus der Tatsache, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit einer Feststellung nach § 60 Abs. 2 AufenthG zugleich unter Verstoß gegen das Unionsrecht und entgegen Art. 17 Abs. 1 lit. c) QRL das Vorliegen der Voraussetzungen des unionsrechtlichen subsidiären Schutzes nach Art. 15 lit. b) QRL feststellt, folgt jedoch unionsrechtlich kein Anspruch der betreffenden Ausländer auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Sinne von Art. 24 Abs. 2 QRL. Allerdings kann mit Rücksicht auf die Bindungswirkung nach § 42 AsylVfG, auch wenn die Entscheidung unter Verstoß gegen zwingendes Unionsrecht (Art. 17 QRL) ergangen ist und eigentlich hätte, was den unionsrechtlichen subsidiären Schutz betrifft, zu Lasten der Betroffenen ausgehen müssen (vgl. zu den Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 lit. c QRL, der § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. c) AufenthG entspricht, noch die folgenden Ausführungen), nicht davon ausgegangen werden, dass § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. c) AufenthG unmittelbar dem Anspruch auf Erteilung eines Titels nach Art. 24 Abs. 2 QRL entgegen gehalten werden kann; insbesondere können an sich Sachverhalte, die selbst die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 QRL erfüllen, im Ausgangspunkt aus systematischen Gründen nicht unwiderlegbar und gewissermaßen automatisch anspruchsvernichtende zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 2 QRL ausmachen. Gleichwohl bedarf bis zu einer ordnungsgemäßen Umsetzung des Unionsrechts, insbesondere eines ausdrücklichen Verfahrens zur Gewährung eines subsidiären Schutzstatus die Vorbehaltsklausel der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der erweiternden Auslegung dergestalt, dass die Ausschlussgründe jedenfalls dem Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegenstehen. Denn unionsrechtlich folgt aus Art. 17 Abs. 1 QRL, dass, wenn schon der Schutzstatus zwingend zu versagen ist, gewissermaßen erst recht ein Anspruch auf Erteilung eines auf diesen zurückzuführenden Titels ausscheiden muss. Wollte man hier einen unionsrechtlichen Anspruch bejahen, so würde der ohnehin gegebene, auf dem Umsetzungsdefizit beruhende Verstoß gegen das Unionsrecht noch wesentlich verschärft mit der Folge, dass ein dem Unionsrecht noch ferneres Ergebnis erzielt würde, was offenkundig mit Art. 4 Abs. 3 EUV unvereinbar wäre.
66 
Nach alledem kann dann zwar allein der Umstand, dass nach nationalem Recht der Erteilung des Titels § 11 Abs. 1 Satz 2 (i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 2) AufenthG entgegenstünde, den Anspruch nach Art. 24 Abs. 2 QRL nicht ohne weiteres entfallen lassen, sondern nur dann, wenn sich in der Sperrwirkung zugleich zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung manifestieren würden. Dies ist aber der Fall, wenn eine Ausweisung wirksam und materiell zu Recht auf § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt wird. Namentlich der oben beschriebene völkerrechtliche und unionsrechtliche Hintergrund dieser Bestimmung sowie das mit ihr zu bekämpfende Gefährdungspotential verkörpern typischerweise derartige zwingende Gründe, selbst wenn von den jeweils betroffenen Personen keine unmittelbare konkrete oder gar gegenwärtige Gefahr ausgehen sollte.
67 
Unabhängig hiervon liegen nach Überzeugung des Senats auch die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 lit. c QRL bzw. des § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. c) AufenthG vor. Hiernach erfolgt ein Ausschluss vom subsidiären Schutzstatus bzw. wird der Aufenthaltstitel abgelehnt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Betreffende sich Handlungen hat zuschulden kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen. Der Wortlaut beider Bestimmungen stimmt im Wesentlichen mit Art. 1 F lit. c) GFK überein. Beide Bestimmungen weichen allerdings von Art. 12 Abs. 2 lit. c) QRL ab, der die maßgeblichen Ziele der Vereinten Nationen als diejenigen benennt und konkretisiert, die in der Präambel der UN-Charta und deren Art. 1 und 2 enthalten sind. Daraus wird teilweise der Schluss gezogen, das Gemeinschaftsrecht habe eine Entscheidung dahin gehend getroffen bzw. entsprechende in der Literatur und Rechtspraxis vertretene Auffassungen bekräftigt, wonach hier als in Betracht kommende Akteure nur Repräsentanten von Staaten oder jedenfalls staatsähnlicher Organisationen gemeint sein können, weil in der UN-Charta an sich nur die Beziehungen von Staaten untereinander in den Blick genommen werden (so etwa OVG NW, U. v. 27. März 2007 - 8 A 5118105.A - juris; Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 33 Rdn. 97 ff.). Worin dann allerdings bei diesem Ansatz der anwendungsrelevante Unterschied zu § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. a) AufenthG (bzw. Art. 12 Abs. 2 lit. a) bzw. Art. 17 Abs. 1 lit. a) QRL) bestehen soll, erschließt sich dem Senat nicht. Zwar hatte UNHCR (Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Ziff. 163) sicherlich mit guten Gründen darauf hingewiesen, dass die in der Charta genannten Ziele im Grundsatz nur das Verhältnis der Staaten untereinander betreffen, was die Schlussfolgerung nahe legen konnte, hier liege die Vorstellung und Konzeption zugrunde, der in den Blick zu nehmende Personenkreis sei auf solche Personen beschränkt, die aufgrund ihrer Stellung in einem staatlichen Machtapparat einen wesentlichen Beitrag zu einer durch den Staat selbst begangenen Verletzung dieser Grundsätze geleistet haben (vgl. hierzu auch UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, ZAR 2004, 207 Nr. 17; auch bereits Marx, Handbuch zur Asyl- und Flüchtlingsanerkennung, § 63 Stand Dez. 1997, Rdn. 148; vgl. auch BVerwG, U. v. 1. Juli 1975 - 1 C 44.68 - Buchholz 402.24 § 28 AusIG Nr. 9 mit dem zutreffenden Hinweis, dass in erster Linie Handlungen gemeint sind, die dem internationalen Frieden und der Völkerverständigung entgegen laufen). Zieht man aber schon den 22. Erwägungsgrund der Qualifikationsrichtlinie in die Überlegungen mit ein, so kann eine derartige Beschränkung nicht befürwortet werden. Denn dort werden zwar ebenfalls die Präambel sowie die Art. 1 und 2 der UN-Charta angesprochen. Daneben werden aber auch ausdrücklich die Resolutionen der UN erwähnt, wonach „Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen“ stünden und darüber hinaus auch die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu gleichfalls mit den Zielen und Grundsätzen unvereinbar seien. In diesem Zusammenhang ist unübersehbar, dass hier gegenüber den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Erarbeitung der Konvention mittlerweile ein nicht unerheblicher Bedeutungswandel eingetreten ist. Denn spätestens in der Resolution des Sicherheitsrats Nr. 1373 (2001) vom 28. September 2001 bringt dieser unmissverständlich zum Ausdruck, dass Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den in Kapitel 1 der Charta der Vereinten Nationen niedergelegten Zielen und Grundsätzen der Organisation stehen. Nach dieser Resolution, deren Umsetzung die hier in Rede stehenden Bestimmungen dienen und die der 22. Erwägungsgrund im Auge hat (vgl. BTDrucks 14/7386, S. 57), sollen, wie schon oben ausgeführt, die Staaten gegen alles vorgehen bzw. alles unterlassen, was den Terrorismus in irgendeiner Weise unterstützen könnte. Insbesondere sollen sie die Finanzierung terroristischer Handlungen verhüten und bekämpfen (Nr. 1 a), die vorsätzliche Bereitstellung oder Sammlung von Geldern, gleichviel durch welche Mittel und ob mittelbar oder unmittelbar durch ihre Staatsangehörigen oder in ihrem Hoheitsgebiet mit der Absicht oder in Kenntnis dessen, dass die Gelder zur Ausführung terroristischer Handlungen verwendet werden, unter Strafe stellen (Nr. 1 b) und diejenigen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, erleichtern oder begehen, daran hindern, ihr Hoheitsgebiet für diese Zwecke zu nutzen (Nr. 2 der Resolution). Hieraus wird deutlich, dass die ursprünglich für richtig gehaltene Beschränkung des Personenkreises nicht mehr in dieser Weise uneingeschränkt aufrechterhalten werden kann, denn die dort angesprochenen Akteure des Terrors haben regelmäßig nichts mit (zumindest) staatsähnlichen Organisationen zu tun (a.A. Marx, InfAusIR 2005, 218 <227>, der zu stark die Entstehungsgeschichte in den Blick nimmt und dabei übersieht, dass die Vorschrift, indem sie auf die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen abstellt, für einen Bedeutungswandel offen ist und daher nicht gesagt werden kann, die GFK stelle statisch nur auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt ihrer Entstehung ab; wie hier etwa OVG RP, U. v. 6. Dezember 2002 - 10 A 10089/02 - InfAuslR 2003, 254; Hailbronner, Ausländerrecht, § 60 AufenthG Stand Oktober 2008, Rdn. 227; vgl. auch die Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts v. 14. Oktober 2008 - 10 C 48.07 - BVerwGE 132, 79; v. 25. November 2008 - 10 C 46.07 - NVwZ 2009, 592). Der von Marx in diesem Zusammenhang weiter erhobene Einwand, bislang sei keine zufriedenstellende praktikable juristische Definition des Terrorismusbegriffs gefunden worden (vgl. Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 33 Rdn. 114), ist im Ansatz sicherlich nicht vollständig von der Hand zu weisen, ein solcher wird auf absehbare Zeit wohl auch nicht weltweit konsensfähig sein. Andererseits liegt der genannten Sicherheitsratsresolution ein „sicherer" Begriffskern zugrunde, wovon auch das BVerwG im bereits oben angesprochenen Urteil v. 15. März 2005 (1 C 26.03 - a.a.O.) ausgegangen ist.
68 
Für die Anwendung des Ausschlussgrundes ist schon vom Wortlaut der Bestimmung, der auf eine retrospektive Sichtweise abstellt, nicht erforderlich, dass eine konkrete Wiederholungsgefahr festgestellt werden kann. Die zugrunde liegende Bestimmung des Art. 1 F lit. c) GFK (wie generell Art. 1 F GFK) bringt vielmehr vorrangig ein gewichtiges wertendes Element der „Asylunwürdigkeit" zum Ausdruck (vgl. hierzu auch BVerwG, B. v. 14. Oktober 2008 - 10 C 48.07 - BVerwGE 132, 79; v. 25. November 2008 - 10 C 46.07 - NVwZ 2009, 592; Hailbronner, Ausländerrecht, § 60 AufenthG Stand Oktober 2008, Rdn. 211 ff.). Gleichwohl stehen auch diese gemeinschaftsrechtlichen und völkervertraglichen Ausschlussgründe unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. Liegen die entsprechenden Gründe bzw. Taten zum Zeitpunkt der Aktualisierung bzw. des Eintritts der flüchtlingsrechtlich zu betrachtenden Verfolgungsgefahr lange zurück und haben sich die Betroffenen insbesondere mittlerweile glaubwürdig distanziert oder aber wirken sie mittlerweile sogar aktiv an der Bekämpfung des Terrorismus mit, so wäre ein Zurückstellen des Flüchtlingsschutzes nicht mehr gerechtfertigt (so auch im Ausgangspunkt UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, ZAR 2004, 207 ff., Nr. 23 f.; ders., Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Nr. 157; vgl. auch BVerwG, B. v. 14. Oktober 2008 – 10 C 48.07 – a.a.O.). Zu verlangen ist daher – wenn auch keine konkrete Wiederholungsgefahr – so doch ein Minimum an Aktualität. Auch wenn im Falle des Art. 1 F lit. b) GFK - anders als in Art. 33 Nr. 2 GFK - nicht ausdrücklich auf das Vorliegen einer Gefahr abgestellt wird, so ist zwar unübersehbar, dass diese Bestimmung der Abwehr von Gefahren für das Zufluchtland dient. Gleichwohl ist die Zwecksetzung nicht darauf beschränkt, denn es geht auch darum, dem Missbrauch des Flüchtlingsstatus entgegenzuwirken, v.a. aber darum zu verhindern, dass sich die Betreffenden einer berechtigten Strafverfolgung entziehen (vgl. im Einzelnen die Nachweise bei BVerwG, B. v. 14. Oktober 2008 – 10 C 48.07 – a.a.O.; a.A. Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 33 Rdn. 84 ff. m.w.N., wonach sich die beiden Bestimmungen im Wesentlichen nur durch den Ort der Tatbegehung unterschieden, weshalb es nahe liege, von einem komplementären Charakter der Vorschriften auszugehen und auch hier nach den allgemeinen Maßstäben eine konkrete Gefahr zu verlangen; UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Ziff. 151; vgl. auch OVG NW, U. v. 27. März 2007 – 8 A 5118/05.A – juris).
69 
Der Senat kann offen lassen, ob Personen, die lediglich als Mitläufer bzw. unbedeutende Unterstützer des Terrorismus einzustufen sind, taugliche Akteure im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. c) QRL sein können. Der Kläger war jedoch als ehemaliger höher gestellter mehrjähriger Funktionär der Organisation eine Person, die maßgeblich den Weg der Organisation in der Bundesrepublik mitbestimmen und prägen konnte, weshalb sein Handeln unmittelbar geeignet war, die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen nachteilig zu berühren. Auch liegen diese Aktivitäten nicht so lange zurück, als dass sie als obsolet angesehen werden könnten. Schließlich kann von einer glaubwürdigen Distanzierung, wie bereits ausgeführt, keine Rede sein.
70 
Wollte man nicht der Auffassung einer unionsrechtswidrigen Umsetzung folgen, so stünde der Erteilung nicht nur § 25 Abs. 3 Satz 2 3. Variante lit. c) AufenthG entgegen, sondern auch § 11 Abs. 1 Satz 2 (i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 2) AufenthG sowie § 5 Abs. 4 AufenthG.
71 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
72 
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO).
73 
Beschluss vom 21. April 2010
74 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt.
75 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein irakischer Staatsangehöriger, begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

2

Der Kläger reiste im Juli 1997 in das Bundesgebiet ein und wurde vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) im Oktober 1997 als Flüchtling anerkannt (§ 51 Abs. 1 AuslG 1990). Diese Entscheidung wurde im August 2004 nach Änderung der Verhältnisse im Irak bestandskräftig widerrufen.

3

Als Flüchtling erhielt der Kläger von der Beklagten eine Aufenthaltsbefugnis, die mehrfach, zuletzt bis zum 5. Oktober 2005 verlängert wurde. Nachdem bekannt geworden war, dass der Kläger Kontakte zu Mitgliedern der Organisation "Ansar al-Islam" unterhielt, lehnte die Beklagte im Dezember 2005 sowohl eine weitere Verlängerung als auch die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels ab und drohte dem Kläger die Abschiebung in den Irak an. Die hiergegen erhobene Klage nahm der Kläger im Juli 2007 zurück. Im Gegenzug sicherte die Beklagte zu, über einen neuen Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach den Bleiberechtsregelungen zu entscheiden. Dabei gingen die Beteiligten davon aus, dass der Kläger auf der Basis der bekannten Erkenntnisse keinen Ausweisungstatbestand erfüllt. Seitdem wird der Kläger geduldet.

4

Mit Bescheid vom 24. September 2007 lehnte die Beklagte auch diesen neuen Antrag ab. Der Kläger erfülle weder die Voraussetzungen des § 104a AufenthG noch könne ihm nach § 23 AufenthG i.V.m. dem Bleiberechtsbeschluss der Innenministerkonferenz vom November 2006 - IMK-Bleiberechtsbeschluss - eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Nach Auswertung neuer Erkenntnisse lägen bei ihm insbesondere Bezüge zu einer extremistischen und terroristischen Organisation vor.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 8. Juli 2008 verpflichtet, über den Antrag des Klägers erneut zu entscheiden, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der Kläger habe zwar keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG i.V.m. dem IMK-Bleiberechtsbeschluss vom November 2006, er erfülle jedoch die Voraussetzungen des § 104a Abs. 1 AufenthG. Da er keinen Pass besitze, müsse die Beklagte aber noch entscheiden, ob von der Erfüllung der Passpflicht im Ermessenswege abgesehen werde. Kontakte zu Mitgliedern der "Ansar al-Islam" stünden der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen. Dabei könne offenbleiben, ob der Kläger Bezüge zu extremistischen oder terroristischen Organisationen habe und ob die von der Beklagten inzwischen eingeholten Informationen überhaupt noch für eine Versagung nutzbar gemacht werden könnten. Denn nach § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG bedürfe es kumulativ auch einer Unterstützung. Hieran fehle es vorliegend.

6

Die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 29. Juli 2009 zurückgewiesen. Der Kläger habe einen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Altfallregelung des § 104a AufenthG, weil er bis auf die Passpflicht alle Erteilungsvoraussetzungen erfülle. Der zwischen den Beteiligten im Berufungsverfahren nur noch streitige Versagungsgrund des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG stehe der Erteilung nicht entgegen. Diese Vorschrift enthalte zwei in engem Kontext stehende Tatbestandsmerkmale. Nach der reinen Wortbedeutung seien unter "Bezüge" grundsätzlich alle Beziehungen, Zusammenhänge, Verbindungen oder Verknüpfungen zu verstehen. Der Verweis auf extremistische oder terroristische Organisationen mache aber deutlich, dass nicht jede Verbindung zu Personen und Sachverhalten ausreiche, die einen extremistischen oder terroristischen Hintergrund aufwiesen. Andererseits könnten Bezüge auch über Mitglieder und ggf. Unterstützer solcher Organisationen vermittelt werden. Die Schwelle sei erheblich niedriger als beim Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG. Gleichwohl genügten reine Mutmaßungen nicht, sondern es müssten zumindest nachvollziehbare Anhaltspunkte vorliegen. Das Tatbestandsmerkmal der Unterstützung derartiger Organisationen sei für sich genommen in der Rechtsprechung inhaltlich hinreichend geklärt. Danach genüge in Anlehnung an den strafrechtlichen Unterstützungsbegriff jede Tätigkeit, die sich für den Ausländer erkennbar in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Organisationen auswirke. Da sowohl bei einem alternativen als auch bei einem kumulativen Verständnis jeweils eines der beiden Merkmale leerlaufen würde, könne § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG nicht in zwei streng isoliert zu betrachtende Tatbestandsmerkmale unterteilt werden. Der Ausschlussgrund greife immer dann ein, wenn der Ausländer bei einer wertenden Gesamtschau durch sein Verhalten oder Handeln eine innere Nähe und Verbundenheit zu einer extremistischen oder terroristischen Organisation selbst erkennbar zum Ausdruck bringe. Anders als bei § 54 Nr. 5 AufenthG sei eine auf einer entsprechenden Tatsachengrundlage beruhende Gefährlichkeitsprognose nicht erforderlich. In der Vergangenheit liegende Sachverhalte müssten aber in die Gegenwart hineinwirken. Bei Anhaltspunkten für zurückliegende Bezüge bzw. Unterstützungshandlungen müsse der Ausländer daher darlegen, dass er sich glaubhaft distanziert und endgültig von der Organisation abgewandt habe. Beim Kläger lägen keine derartigen Bezüge zur terroristischen Organisation "Ansar al-Islam" vor, auch nicht in Form entsprechender Unterstützungshandlungen. Ein Ermittlungsverfahren wegen Verbrechensverabredung sei eingestellt worden. Soweit das Landeskriminalamt in seinem Bericht vom November 2005 davon ausgehe, dass der Kläger enge persönliche Kontakte zur früheren Führungsebene der "Ansar al-Islam" in Süddeutschland gepflegt habe und er aufgrund seiner Kontakte als Vertreter der Organisation in München gelten könnte, seien die Beteiligten im Juli 2007 übereinstimmend davon ausgegangen, dass auf dieser Grundlage kein Ausweisungstatbestand vorliege und ein Aufenthaltstitel nicht versagt werden könne. Diese Einschätzung sei auch mit Blick auf die Altfallregelung noch zutreffend. Der Kläger habe die in dem Bericht angesprochenen Kontakte nie bestritten, sondern nachvollziehbar und letztlich auch glaubhaft dargelegt, dass diese rein privater bzw. sozialer Natur und zum Teil auch über seine Ehefrau vermittelt gewesen seien. Weder aus dem Bericht des Landeskriminalamts noch aus den vorgelegten Telefonüberwachungsprotokollen ergäben sich Bezüge des Klägers zur "Ansar al-Islam". Es sei zwar unklar geblieben, was er im Telefongespräch vom 25. Dezember 2003 wirklich mit der Bezeichnung "das Ding" gemeint habe. Allerdings habe sich auch nicht aufklären lassen, ob in den Gesprächen, an denen der Kläger nicht selbst beteiligt gewesen sei, tatsächlich von ihm die Rede gewesen sei. Auch wenn der Kläger nicht alle Ungereimtheiten habe ausräumen können, ergebe sich bei einer wertenden Gesamtschau der Protokolle und der Erläuterungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats nicht, dass der Kläger in der Vergangenheit durch sein Verhalten oder Handeln die erforderliche innere Nähe oder Verbundenheit zur "Ansar al-Islam" hinreichend erkennbar zum Ausdruck gebracht habe. Im Übrigen habe die Vertreterin des Landeskriminalamts in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass der Kläger jedenfalls seit Herbst 2005 keine Bezüge oder Verbindungen mehr zu der Organisation gehabt habe.

7

Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 2 mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts habe bei § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG der Begriff "Bezüge" eine eigenständige Bedeutung und könne weder einem Unterstützen gleichgestellt noch hierdurch näher definiert werden. Dies ergebe sich bei einer grammatikalischen, an den Prinzipien der Aussagenlogik orientierten Auslegung der Regelung. Es sei nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber den Schutz der Bevölkerung vor terroristischen Aktivitäten gegenüber dem IMK-Bleiberechtsbeschluss vom November 2006 habe reduzieren wollen. Die Gesetzessystematik spreche ebenfalls für zwei Alternativen. Ansonsten hätte der Ausschlussgrund neben dem zwingenden Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG und dem Regelversagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG praktisch keinen eigenständigen Anwendungsbereich. Im Übrigen widerspräche es Sinn und Zweck der Altfallregelung, Ausländern mit Verbindungen zu extremistischen oder terroristischen Organisationen ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu verschaffen, wenn diese Beziehungen über bloß zufällige, vereinzelte Kontakte hinausgingen und der Ausländer von der Ausrichtung der mit ihm in Kontakt getretenen Person wisse oder zumindest hätte wissen müssen. In diesem Fall könne nicht von einer gelungenen Integration ausgegangen werden.

8

Der Kläger tritt der Revision entgegen. Mit Blick auf die Befristungsregelung in § 104a Abs. 5 Satz 1 AufenthG stellt er klar, dass sein Begehren im vorliegenden Verfahren auf die Erteilung einer auf den 31. Dezember 2009 befristeten Aufenthaltserlaubnis gerichtet ist.

9

Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt und unterstützt die Revision.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Beteiligten zu 2 ist zulässig. Insbesondere genügt sie den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO. Sie ist auch begründet. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der gesetzlichen Altfallregelung stehe der Ausschlussgrund des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG nicht entgegen, beruht auf einer Begründung, die mit Bundesrecht nicht vereinbar ist (§ 137 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen kann der Senat nicht selbst abschließend entscheiden, ob der Ausschlussgrund im Fall des Klägers vorliegt. Die Sache ist deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

11

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur (noch) die Frage, ob der Kläger einen Anspruch darauf hat, dass die Beklagte erneut über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entscheidet, da das Verwaltungsgericht der Klage nur insoweit stattgegeben hat und nur hiergegen ein Rechtsmittel eingelegt worden ist. Dabei sind sich die Beteiligten einig, dass als Anspruchsgrundlage allein die mit dem Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I 2007, 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - im August 2007 in § 104a AufenthG aufgenommene Altfallregelung in Betracht kommt.

12

2. Der Rechtsstreit hat sich mit Blick auf § 104a Abs. 5 Satz 1 AufenthG nicht erledigt. Danach darf eine Aufenthaltserlaubnis nach der gesetzlichen Altfallregelung nur mit einer Gültigkeit bis zum 31. Dezember 2009 erteilt werden. Dies schließt kraft Gesetzes die (erstmalige) Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 104a AufenthG für einen nach dem 31. Dezember 2009 liegenden Zeitraum aus. Diesem durch Zeitablauf während des Revisionsverfahrens relevant gewordenen Umstand ist der Kläger zulässigerweise begegnet, indem er klargestellt hat, dass sich sein Begehren auf die Erteilung einer auf den 31. Dezember 2009 befristeten Aufenthaltserlaubnis bezieht. Dies ist nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 3 ZPO nicht als Klageänderung anzusehen und verstößt nicht gegen § 142 VwGO.

13

3. Der Kläger hat auch ein Rechtsschutzbedürfnis für sein auf die Vergangenheit bezogenes Neubescheidungsbegehren. Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein Ausländer die Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich auch für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum nach der Antragstellung beanspruchen, wenn er hieran ein schutzwürdiges Interesse hat. Das ist insbesondere der Fall, wenn die rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die weitere aufenthaltsrechtliche Stellung des Ausländers erheblich sein kann, und gilt unabhängig davon, ob der Aufenthaltstitel für einen späteren Zeitpunkt bereits erteilt worden ist oder nicht (vgl. Urteil vom 9. Juni 2009 - BVerwG 1 C 7.08 - Buchholz 402.242 § 9a AufenthG Nr. 1 m.w.N.).

14

In diesem Sinne hat der Kläger ein schutzwürdiges Interesse an der rückwirkenden Erteilung einer auf den 31. Dezember 2009 befristeten Aufenthaltserlaubnis nach der gesetzlichen Altfallregelung. Denn diese Aufenthaltserlaubnis ist Voraussetzung für eine Verlängerung nach § 104a Abs. 5 Satz 2 AufenthG. Außerdem haben sich die Innenminister und -senatoren der Länder auf der Innenministerkonferenz vom 3./4. Dezember 2009 inzwischen auf der Grundlage von § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf eine weitergehende Anschlussregelung für die inzwischen ausgelaufenen Aufenthaltserlaubnisse auf Probe nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG geeinigt.

15

4. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der gesetzlichen Altfallregelung nicht entgegenstehe. Dabei hat es die beiden negativen Tatbestandsalternativen dieser Vorschrift aber zu Unrecht miteinander verknüpft und mit seiner Forderung, der Ausschlussgrund des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG greife nur ein, wenn der Ausländer bei einer wertenden Gesamtschau durch sein Verhalten oder Handeln eine innere Nähe und Verbundenheit zu einer extremistischen oder terroristischen Organisation erkennbar zum Ausdruck bringe, im Ergebnis zu hohe Anforderungen an das Vorliegen der ersten Tatbestandsalternative gestellt.

16

Nach § 104a AufenthG soll einem geduldeten Ausländer, der außer den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen auch die in § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG aufgezählten besonderen Voraussetzungen erfüllt, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Mit dieser gesetzlichen Altfallregelung wird dem Bedürfnis der seit Jahren im Bundesgebiet geduldeten und hier integrierten Ausländer nach einer dauerhaften Perspektive in Deutschland Rechnung getragen (vgl. BTDrucks 16/5065 S. 201). Nach § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Altfallregelung aber voraus, dass der Ausländer keine Bezüge zu extremistischen oder terroristischen Organisationen hat und diese auch nicht unterstützt.

17

a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt den beiden negativen Tatbestandsalternativen in § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG jeweils eigenständige Bedeutung zu. Ausgehend vom Wortlaut der Vorschrift setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei einer an den Gesetzen der Logik orientierten grammatikalischen Auslegung voraus, dass der Ausländer weder Bezüge zu einer extremistischen oder terroristischen Organisation hat noch eine solche Organisation unterstützt. Damit genügt für einen Ausschluss, dass der Ausländer eines der beiden Tatbestandsmerkmale (Bezüge oder Unterstützen) erfüllt (vgl. auch Nr. 104a.1.6 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 - AVwV AufenthG - GMBl S. 877). Auch wenn sich die beiden Tatbestandsmerkmale inhaltlich nur bedingt gegeneinander abgrenzen lassen - so dürften insbesondere beim Unterstützen einer extremistischen oder terroristischen Organisation häufig auch Bezüge zu dieser Organisation vorhanden sein -, handelt es sich nicht - wie vom Berufungsgericht angenommen - um einen einheitlichen Ausschlussgrund, der der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nur entgegensteht, wenn der Ausländer durch sein Verhalten oder Handeln erkennbar eine innere Nähe und Verbundenheit zu einer extremistischen oder terroristischen Organisation zum Ausdruck bringt. Eine derartige Einschränkung ergibt sich weder aus der Entstehungsgeschichte der Norm noch findet sie eine Stütze in der Gesetzessystematik und dem Sinn und Zweck der Ausschlussregelung.

18

Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung sind die Ausschlussgründe für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG zum großen Teil eng an die des Bleiberechtsbeschlusses der Innenministerkonferenz - IMK-Bleiberechtsbeschluss - vom 17. November 2006 angelehnt (BTDrucks 16/5065 S. 202). Nach dessen Nr. 6.5 sind von der Bleiberechtsregelung u.a. Personen ausgeschlossen, die Bezüge zu Extremismus oder Terrorismus haben. Aus welchen Gründen bei § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG eine hiervon abweichende Formulierung gewählt worden ist, ist den Materialien nicht zu entnehmen. Der in § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG enthaltene Begriff des Unterstützens findet sich im Aufenthaltsgesetz in Bezug auf terroristische Organisationen allerdings auch an anderer Stelle. So wird ein Ausländer nach § 54 Nr. 5 AufenthG in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. In diesem Fall ist zugleich nach § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu versagen. Hiervon können nur in begründeten Einzelfällen Ausnahmen zugelassen werden (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 2 und 3 AufenthG). Die Formulierung "Bezüge zu terroristischen oder extremistischen Organisationen" knüpft dagegen an die Formulierung im IMK-Bleiberechtsbeschluss vom November 2006 an. Auch dies spricht dafür, dass die Ausschlussregelung zwei im Kern eigenständige Tatbestandsalternativen enthält und damit weiter gefasst ist als die entsprechenden Ausweisungsgründe und die hieran anknüpfenden allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen. Ansonsten wäre die Regelung bei Kontakten zu terroristischen Organisationen auch weitgehend überflüssig, da hier - von engen Ausnahmefällen abgesehen - jedes Unterstützen einen allgemeinen Versagungsgrund darstellt.

19

Für eine derartige Auslegung des Ausschlussgrundes spricht schließlich auch der Sinn und Zweck der Altfallregelung. § 104a AufenthG ermöglicht im Wege einer Stichtagsregelung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen ein Überwinden der gesetzlichen Ausreisepflicht bei Ausländern, die über keinen gültigen Aufenthaltstitel verfügen. Wenngleich der Gesetzgeber mit dieser Altfallregelung im Grundsatz einen möglichst großen Personenkreis der in Deutschland ohne Aussicht auf ein Aufenthaltsrecht lebenden geduldeten Ausländer erfassen und ihnen eine Legalisierung ihres Aufenthalts ermöglichen wollte, knüpft die Vergünstigung an die tatsächliche Integration des Ausländers an. Dies erklärt, warum der Gesetzgeber bei der konkreten Ausgestaltung im Vergleich zu anderen Aufenthaltstiteln teilweise höhere Hürden aufgestellt hat. So soll die Privilegierung ersichtlich nur solchen ausreisepflichtigen Ausländern zukommen, bei denen keine Anhaltspunkte für eine Verbindung zu einer extremistischen oder terroristischen Organisation bestehen. Hat der Ausländer Bezüge zu einer solchen Organisation oder unterstützt er sie gar, fehlt es nach den Vorstellungen des Gesetzgebers an einer hinreichenden tatsächlichen Integration, die ein Überwinden der gesetzlichen Ausreisepflicht rechtfertigt. Angesichts der von extremistischen und terroristischen Organisationen ausgehenden Gefahren, ihrer verdeckten und konspirativen Arbeitsweise und der oft über persönliche Kontakte verschleierten und schleichenden Anwerbung sollen Ausländer aus dem Umfeld derartiger Organisationen von der Privilegierung ausgeschlossen sein. Entsprechend niedrig hat der Gesetzgeber daher die Schwelle für das Eingreifen des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG gelegt, indem hier schon bloße Bezüge zu einer extremistischen oder terroristischen Organisation zu einem Ausschluss führen, ohne dass es darauf ankommt, ob von dem Ausländer tatsächlich eine Gefahr ausgeht.

20

Diese Ausgestaltung des Ausschlussgrundes durch den Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei der Altfallregelung handelt es sich nicht um einen Eingriff in eine bestehende Rechtsposition, sondern um die Gewährung einer Begünstigung. Hier steht dem Gesetzgeber grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Dieser Rahmen wird nicht dadurch überschritten, dass der Gesetzgeber bei der Festlegung der Voraussetzungen, unter denen die bestehende Ausreisepflicht ausnahmsweise überwunden und ein rechtswidriger Aufenthalt legalisiert werden kann, sicherheitspolitischen Erwägungen ein hohes Gewicht einräumt. Die Regelung verstößt auch nicht gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot, da die darin enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe der Prüfung und konkretisierenden Auslegung durch die Fachgerichte unterliegen.

21

b) Enthält § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG zwei eigenständige Tatbestandsalternativen, kann dahinstehen, ob bei der Auslegung des Unterstützungsbegriffs auf die Rechtsprechung des Senats zu § 8 Abs. 1 Nr. 5 letzte Alt. AuslG 1990 (jetzt: § 5 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG) zum Unterstützen einer Vereinigung, die ihrerseits den Terrorismus unterstützt, zurückgegriffen werden kann (vgl. den entsprechenden Hinweis in Nr. 104a.1.6 auf Nr. 54.2.1.2.1 der AVwV AufenthG). Danach wurde vom Senat - in Anlehnung an die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Kriterien zum Unterstützungsbegriff in §§ 129, 129a StGB - als Unterstützungshandlung jede Tätigkeit angesehen, die sich - für den Ausländer erkennbar - in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung auswirkt (Urteil vom 15. März 2005 - BVerwG 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <124>). Ob an dieser Rechtsprechung mit Blick auf die zwischenzeitliche Einschränkung des strafrechtlichen Unterstützungsbegriffs und die dies berücksichtigende Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, StB 3/07 - BGHSt 51, 345) weiterhin festzuhalten ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn vorliegend fehlen auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts Anhaltspunkte für ein aktives Unterstützen der "Ansar al-Islam" durch den Kläger.

22

c) Für einen Ausschluss von der gesetzlichen Altfallregelung genügt nach dem Vorstehenden, dass der Ausländer Bezüge zu einer extremistischen oder terroristischen Organisation hat. Diese Tatbestandsalternative knüpft ersichtlich an die Regelung in Nr. 6.5 des IMK-Bleiberechtsbeschluss vom November 2006 an. Dabei hat der Gesetzgeber allerdings die von den Innenministern der Länder sehr allgemein gefasste Formel, wonach der Ausländer keine Bezüge zu Extremismus und Terrorismus haben darf, durch die Bindung der Bezüge an extremistische oder terroristische Organisationen weiter konkretisiert.

23

Während das Unterstützen an ein Tätigwerden anknüpft, werden über die Bezüge alle - auch strafrechtlich nicht relevante - Verbindungen des Ausländers zu extremistischen oder terroristischen Organisationen erfasst. Derartige Verbindungen können sich auch aus Kontakten zu führenden Mitgliedern einer solchen Organisation ergeben. Hierfür müssen die Kontakte aber eine gewisse Intensität aufweisen. Sie müssen über bloß zufällige oder unvermeidbare Begegnungen hinausgehen und dürfen nicht nur loser Natur sein, d.h. sich grundsätzlich nicht auf einmalige oder gelegentliche bzw. vereinzelte Kontakte beschränken. Außerdem ist erforderlich, dass der Ausländer um die Einbindung der von ihm kontaktierten Personen in eine extremistische oder terroristische Organisation weiß bzw. zumindest wissen müsste und dennoch eine Verbindung herstellt oder aufrechterhält. Liegen diese Voraussetzungen vor, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass über diese Kontakte auch eine Verbindung des Ausländers zu der Organisation besteht, ohne dass er seine innere Nähe oder Verbundenheit mit dieser Organisation erkennbar zum Ausdruck bringen muss. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass eine Verbindung zu der Organisation zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann. Etwaige nicht ausräumbare Ungewissheiten gehen dabei zu Lasten des Ausländers.

24

d) Da § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG erfordert, dass der Ausländer keine Bezüge zu den fraglichen Organisationen "hat" und diese auch nicht "unterstützt", können in der Vergangenheit liegende Sachverhalte eine Versagung nur rechtfertigen, wenn sie in die Gegenwart hineinwirken. Dies setzt allerdings nicht den Nachweis fortbestehender aktueller Bezüge oder Unterstützungshandlungen voraus. Hatte der Ausländer in der Vergangenheit Bezüge zu einer extremistischen oder terroristischen Organisation oder hat er eine solche Organisation unterstützt, steht dies der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Altfallregelung entgegen, solange es an einer glaubhaften Distanzierung des Ausländers von der Organisation und ihren Zielen fehlt.

25

5. Auch wenn das Berufungsurteil demnach in Bezug auf die Auslegung und Anwendung der ersten Tatbestandsalternative des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG auf der Verletzung von Bundesrecht beruht, kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht selbst abschließend entscheiden, ob der Kläger hinsichtlich der Erteilung einer auf den 31. Dezember 2009 befristeten Aufenthaltserlaubnis einen Anspruch auf Neubescheidung hat.

26

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich bei der "Ansar al-Islam" um eine terroristische Organisation (UA S. 13). Die vom Kläger nie bestrittenen engen persönlichen Kontakte, die er in der Vergangenheit zu führenden Mitgliedern dieser Organisation in Süddeutschland unterhielt (UA S. 14), weisen sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht die für das Eingreifen der Vermutung notwendige Intensität auf. Ob dem Kläger allerdings schon damals die Einbindung dieser Personen in eine terroristische Organisation bekannt war oder zumindest hätte bekannt sein müssen, ist dem Berufungsurteil indes nicht zu entnehmen. Damit kann nicht abschließend entschieden werden, ob die Vermutung vorliegend eingreift.

27

Auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger bei einem unterstellten Eingreifen der Vermutung diese zumindest widerlegt hat. Denn der Kläger konnte hinsichtlich der abgehörten Telefongespräche nicht alle Ungereimtheiten ausräumen, so ist etwa unklar geblieben, was er im Telefongespräch vom 25. Dezember 2003 wirklich mit der Bezeichnung "das Ding" meinte (UA S. 15), um dessen Übergabe an einen mit Vornamen benannten Dritten es offenbar ging. Derartige nicht ausräumbare Unwägbarkeiten gehen im Rahmen des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Alt. 1 AufenthG zu Lasten des Ausländers.

28

Selbst wenn der Kläger in der Vergangenheit Verbindungen zu einer terroristischen Organisation hatte, erfordert der Ausschlussgrund, dass dieser Sachverhalt in die Gegenwart hineinwirkt. Insoweit fehlen ebenfalls hinreichende tatsächliche Feststellungen für eine abschließende Prüfung und Entscheidung durch den Senat. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Vertreterin des Landeskriminalamts in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zwar davon ausgegangen, dass der Kläger jedenfalls seit Herbst 2005 keine Bezüge oder Verbindungen mehr zu der Organisation hat (UA S. 15). Diese Einschätzung beruht ausweislich der Sitzungsniederschrift aber darauf, dass eine der Kontaktpersonen im Herbst 2005 festgenommen wurde und die meisten Personen der Organisation inzwischen langjährige Haftstrafen verbüßen, ausgewiesen, untergetaucht oder mit Maßnahmen nach § 54a AufenthG belegt worden sind. Unterstellt man, dass der Kläger in der Vergangenheit Bezüge zur Organisation "Ansar al-Islam" hatte - sei es auch nur über eine nicht widerlegte Vermutung -, entfiele der Ausschlussgrund erst nach einer glaubhaften Distanzierung von der Organisation und ihren terroristischen Zielen. Hierfür genügt nicht, dass der Kläger jeden Bezug verbal bestreitet und - möglicherweise nur mangels Gelegenheit oder unter dem Druck des anhängigen Verfahrens - keinen Kontakt mehr zu früheren Verbindungspersonen hat.

29

6. Das Berufungsgericht wird deshalb in einem erneuten Berufungsverfahren nochmals prüfen müssen, ob der Erteilung einer auf den 31. Dezember 2009 befristeten Aufenthaltserlaubnis nach der gesetzlichen Altfallregelung der Ausschlussgrund des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG entgegensteht, weil der Kläger in der Vergangenheit enge Kontakte zur süddeutschen Führungsebene der terroristischen Organisation "Ansar al-Islam" hatte.

30

In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass der Anwendung des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG nicht entgegensteht, dass sich die Beteiligten im Juli 2007 einig waren, dass auf der Grundlage des Berichts des Landeskriminalamts vom November 2005 das Vorliegen eines Ausweisungstatbestands nach § 54 Nr. 5, 5a und Nr. 6 AufenthG nicht belegt und allein aufgrund dieses Tatsachenmaterials ein Aufenthaltstitel daher nicht versagt werden könne. Daraus ergibt sich lediglich, dass die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt davon ausgegangen ist, dass der Erteilung eines Aufenthaltstitels weder ein Regelausweisungsgrund noch ein allgemeiner Versagungsgrund entgegensteht. Ein Bindungswille hinsichtlich der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der gesetzlichen Altfallregelung mit ihren speziellen Ausschlussgründen kann dem nicht entnommen werden, zumal § 104a AufenthG erst zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz am 28. August 2007, in Kraft getreten ist.

31

Das Berufungsgericht wird daher aufzuklären haben, ob dem Kläger die Einbindung seiner Kontaktpersonen in eine terroristische Organisation positiv bekannt war oder zumindest hätten bekannt sein müssen und er dennoch mit ihnen in Kontakt getreten ist oder er diesen fortgeführt hat. Sollte dies der Fall sein, spräche eine Vermutung dafür, dass er damit auch eigene Bezüge zu der Organisation hatte. Es wäre dann zu ermitteln, ob dieser Umstand der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Altfallregelung auch weiterhin entgegensteht. Dabei ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage hier nicht auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (vgl. Urteil vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 276 <279 f.>), sondern mit Blick auf die Befristungsregelung des § 104a Abs. 5 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise auf den 31. Dezember 2009 abzustellen. Das hindert allerdings nicht, aus späteren Umständen Rückschlüsse auf das damalige Vorliegen der Voraussetzungen des Ausschlussgrundes zu ziehen. Sollte das Berufungsgericht feststellen, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt keine Verbindung mehr mit der terroristischen Organisation hatte, wird es zu würdigen haben, worauf dies zurückzuführen ist. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass nach Aktenlage bislang keine Anhaltspunkte für eine glaubhafte Distanzierung vorliegen.

32

Kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass einem Anspruch auf erneute Bescheidung nicht schon der Ausschlussgrund des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG entgegensteht, hat es auch zu entscheiden, ob der Lebensunterhalt des Klägers - ebenfalls bezogen auf den 31. Dezember 2009 - aus eigener Erwerbstätigkeit gesichert war. Denn in diesem Fall würde sich die Verpflichtung zur Neubescheidung nach § 104a Abs. 1 Satz 2 AufenthG auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG beziehen. Andernfalls käme nur die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG in Betracht (sog. Aufenthaltserlaubnis auf Probe; § 104a Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Da an diese beiden Aufenthaltstitel unterschiedliche Rechtsfolgen anknüpfen - so finden etwa bei der Aufenthaltserlaubnis auf Probe die §§ 9 und 26 Abs. 4 AufenthG keine Anwendung (§ 104a Abs. 1 Satz 3 Halbs. 3 AufenthG) - hat das Berufungsgericht auch insoweit Spruchreife herbeizuführen.

Tenor

Die Ziffern 2 bis 3 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 22.02.2005 werden aufgehoben.

Die Ziffer 4 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 22.02.2005 wird aufgehoben, soweit hierin Herrn Y die Abschiebung in die Türkei angedroht wird.

Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens des gerichtskostenfreien Verfahrens je zur Hälfte.

Tatbestand

 
Der 1974 geborene Kläger, Herr Y, ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er stammt aus A.
Er reiste nach seinen Angaben am 1., 2. oder 3. September 2002 mit einem Direktflug (Istanbul - Stuttgart) in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und suchte am 12.09.2002 um Asyl nach.
Am 02.12.2002 wurde er vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge persönlich zu seinen Fluchtgründen angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Niederschrift vom gleichen Tag verwiesen.
Mit Bescheid vom 22.02.2005 lehnte das Bundesamt den Asylantrag und den Antrag auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG als offensichtlich unbegründet ab und stellte weiter fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen, und drohte Herrn Y die Abschiebung in die Türkei an. Ein Zustellungsnachweis ist nicht zu den Behördenkaten gelangt.
Herr Y hat am 08.03.2005 Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben, diese in der Klageschrift näher begründet und zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Durch Beschluss vom 18.04.2005 (A 4 K 10513/05) wurde die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.
Herr Y beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes vom 22.02.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen, sowie hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.
Die Beklagte ist der Klage aus den Gründen ihres angefochtenen Bescheids entgegengetreten.
Das Gericht hat Herrn Y. in der mündlichen Verhandlung unter Hinzuziehung eines Dolmetschers ergänzend zu seinen Asylgründen angehört.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zu den Gerichtsakten eingereichten Schriftsätze verwiesen. Im Übrigen nimmt das Gericht Bezug auf die beigezogenen Behördenakten (des Klägers sowie seines Bruders) und den Inhalt der Gerichtsakten sowie die verwerteten Erkenntnis- und Rechtsprechungsquellen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe

 
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Das Gericht konnte trotz des Ausbleibens von Beteiligten zur Sache verhandeln und entscheiden, da in den ordnungsgemäßen Ladungen auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO). Es entscheidet im Einverständnis der Beteiligten durch den Vorsitzenden (vgl. § 87 a Abs. 2 VwGO).
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Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.
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I. Herr Y hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung einen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG.
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1. Nach § 60 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch dann vorliegen, wenn die Bedrohung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der Freiheit allein an das Geschlecht anknüpft. Eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 kann ausgehen von a) dem Staat, b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder c) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den Buchstaben a und b genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.
15 
2. Wer um Asyl oder um Abschiebungsschutz im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG nachsucht, hat seine Gründe für eine politische Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Es gehört zu seinen Obliegenheiten, hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse und Erlebnisse von sich aus unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Begehren lückenlos zu tragen (vgl. etwa BVerfG, B. v. 29.11.1990 - 2 BvR 1095/90 - InfAuslR 1991, 94; BVerwG, U. v. 30.10.1990 9 C 72.89 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 135; v. 30.10.1990 - 9 C 64.89 - Buchholz 310 § 137 Nr. 165). Das Gericht muss die volle Überzeugung von der Wahrheit des von einem Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet (BVerwG, B. v. 21.07.1989 - 9 B 239.89 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 113). An der erforderlichen Glaubhaftmachung fehlt es in der Regel, wenn das Vorbringen im Lauf des Verfahrens in einer ins Gewicht fallenden Weise gesteigert wird, insbesondere wenn Tatsachen, die für das Begehren als maßgeblich betrachtet werden, ohne vernünftige Erklärung erst spät in das Verfahren eingeführt werden, ferner wenn während des Verfahrens unterschiedliche Angaben gemacht werden und das Vorbringen in wesentlichen Punkten nicht überzeugend auflösbare Widersprüche oder sonst Unstimmigkeiten enthält, sowie auch dann, wenn die Darstellung nach der Lebenserfahrung der erforderlichen Plausibilität entbehrt oder im Blick auf vergleichbare bekannte Geschehensabläufe als unglaubhaft erscheint (vgl. zum Ganzen die angeführte Rechtsprechung).
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3. Gemessen hieran ist das Gericht auch aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnen Eindrucks von seiner Person und unter Berücksichtigung der Angaben des Bruders in dessen Asylverfahren zu der Überzeugung gelangt, dass Herr Y im Verfahren vor dem Bundesamt wie auch im gerichtlichen Verfahren wahrheitsgemäße Angaben gemacht hat. Hiernach steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass er (zusammen mit seinem Bruder) im November 1995 von der Polizei verhaftet und im Anschluss hieran im Polizeigewahrsam schwersten Misshandlungen und Foltermaßnahmen unterzogen wurde. Dabei ist das Gericht auch zu der Überzeugung gelangt, dass er in diesem Zusammenhang zu Unrecht der Mitgliedschaft und Mitarbeit in der terroristischen Organisation DHKP-C verdächtigt bzw. beschuldigt wurde, weshalb dann die insoweit am 17.11.1998 erfolgte Verurteilung durch das Staatssicherheitsgericht A auf keiner ausreichenden Grundlage beruhte. Zwar ist dem Bundesamt im Ausgangspunkt zuzugeben, dass dieses Urteil nicht von vornherein für das Asylverfahren ohne Bedeutung sein muss, zumal mit ihm auch eine Reihe von Angeklagten freigesprochen wurden. Andererseits vermochte Herr Y das Gericht davon zu überzeugen, dass er die verwerteten Geständnisse unter Folter abgelegt hatte. Angesichts dessen und unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Gerichtsverfahren vor den Staatssicherheitsgerichten zumindest zum damaligen Zeitpunkt keineswegs als rechtsstaatlich unbedenklich beurteilt werden müssen, könnte von der Richtigkeit der dort getroffenen Feststellungen nur ausgegangen werden, wenn das Urteil auch aufgrund anderer überzeugender Beweise und Beweisführungen die Begehung der fraglichen Taten untermauert hätte. Dieses ist, wie die in der mündlichen Verhandlung in Auszügen erfolgte Übersetzung des Urteils ergeben hat, indessen nicht der Fall. Die Ziffer 4.3 des Urteils, die Herrn Y betrifft, beschränkt sich auf nicht nachvollziehbare Behauptungen und lässt jede abwägende Beweiswürdigung vermissen, insbesondere fehlt jede Begründung dazu, weshalb dem Zeugen K die in der Verhandlung - abweichend zu den polizeilichen Vernehmungen - gemachte Aussage nicht geglaubt wurde. Abschließend ist in diesem Zusammenhang noch auf die Erwägung des Bundesamts einzugehen, dass für die Mitgliedschaft von Herrn Y auch spreche, dass er an dem Todesfasten zahlreicher Gefangener teilgenommen hat, das letztlich wegen Haftunfähigkeit zu seiner vorübergehenden Freilassung geführt hatte. Auch wenn davon auszugehen ist, dass das fragliche Todesfasten wesentlich durch die DHKP-C initiiert und gesteuert war (vgl. AA v. 20.09.2001 an VG Würzburg), so ist doch der Rückschluss des Bundesamts nicht ausreichend tragfähig, zumal selbst das Auswärtige Amt betont, dass die Aktionen nur teilweise in der Hand linksextremer Gruppen waren (vgl. Lagebericht v. 20.03.2002, S. 11 f.). Das Gericht hat diesen Gesichtspunkt in der mündlichen Verhandlung nochmals eingehend mit Herrn Y erörtert. Er hat dabei darauf hingewiesen, dass er an dieser Aktion aus existentieller Verzweiflung angesichts der zu Unrecht erfolgten Verurteilung und der erlittenen Foltermaßnahmen teilgenommen habe, ohne dabei abzustreiten, dass er hierbei auch durch das Erleben in der Gruppe mit anderen Inhaftierten bestärkt worden war. Eine wie auch immer geartete Einbindung von Herrn Y in die Ziele der DHKP-C ist in diesem Zusammenhang nicht deutlich geworden.
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4. Hat er Y somit schwerste Eingriffe in seine körperlich Integrität und bis zu seiner vorübergehenden Freilassung im Juli 2001 infolge der langjährigen Haft in seine persönliche Freiheit erlitten, so steht für das Gericht fest, dass er im Jahre 2002 vorverfolgt ausgereist ist. Dass er dies nicht unmittelbar nach der Freilassung getan hatte, unterbricht den erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht schon deshalb nicht, weil er aufgrund seines zur Haftentlassung führenden Gesundheitszustands zu einer Ausreise zunächst gar nicht in der Lage war.
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5. Der Umstand, dass Herr Y nicht Träger des asylerheblichen Merkmals war, führt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht dazu, dass den in Frage stehenden staatlichen Maßnahmen die Asylerheblichkeit abgesprochen werden könnte (vgl. B.v. 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 - E 80, 315 <340>; B.v. 20.12.1989 - 2 BvR 956/86 - E 81, 142 <151>; B.v. 28.02.1992 - 2 BvR 1608/90 - InfAuslR 1992, 215 <218>; v. 28.01.1993 - 2 BvR 1803/92 - InfAuslR 1993, 142; v. 22.11.1996 - 2 BvR 2 BvR 1753/96 - AuAS 1997, 6).
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6. Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass Herr Y Mitglied in der Organisation war und in dieser gearbeitet hatte, so gilt unabhängig von dem Vorgesagten: Zwar wäre unter diesen Umständen eine strafrechtliche Verfolgung und Ahndung im Ausgangspunkt zunächst als asylirrelevant zu beurteilen (vgl. BVerfG, B.v. 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 - E 80, 315 <337>; B.v. 20.12.1989 - 2 BvR 956/86 - E 81, 142 <149 f.>). Eine an sich unerhebliche Verfolgung von Straftaten kann aber nach dieser Rechtsprechung in politische Verfolgung umschlagen, wenn objektive Umstände darauf schließen lassen, dass der Betroffene auch wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt wird, wofür eine erheblich härtere Behandlung und/oder Bestrafung eine wichtiges Indiz sein kann. Namentlich erlittene unmenschliche Behandlung oder Folter können von asylerheblicher Relevanz sein, wenn der hiervon Betroffene als politisch überzeugter Täter getroffen werden soll (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.1989 - 2 BvR 956/86 - E 81, 142 <151 f.>; B.v. 07.07.1993 - 2 BvR 400/93 - juris). In diesem Fall stellt die Anwendung von Folter regelmäßig jedenfalls ein gewichtiges Indiz für die asylerhebliche Zielrichtung der zu beurteilenden staatlichen Maßnahme dar (vgl. BVerfG , B.v. 09.01.1991 - 2 BvR 935/90 - InfAuslR 1992, 59 <62>; v. 03.07.1996 - 2 BvR 1957/94 - InfAuslR 1996, 318 <321>). Die Asylerheblichkeit kann nur dann verneint werden, wenn verlässliche Feststellungen getroffen werden können, dass vergleichbar massive Folterungen auch bei der Ahndung anderer „normaler“ krimineller Taten angewendet werden. Solches ist aber nach den verwerteten Erkenntnismittel nicht im Ansatz erkennbar. Gegen eine verfolgungsbedingte Ausreise kann hier auch nicht eingewandt werden, dass die asylerheblichen Maßnahmen bereits im Jahre 1997 erlitten wurden, die Ausreise jedoch erst im Jahre 2002 erfolgte. Denn Herr Y war bis Juli 2001 wegen der Haft und sodann wegen seines Gesundheitszustands nicht in der Lage auszureisen.
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7. Als vorverfolgt ausgereistem Flüchtling wäre Herrn Y eine Rückkehr nur dann zuzumuten, wenn er im Falle der Rückkehr vor erneuter Verfolgung hinreichend sicher wäre (vgl. BVerfG, B.v. 02.07.1980 - 1 BvR 147/80, E 54, 341 <361 f.>; v. 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 - E 80, 315 <344>), ohne dass allerdings der Maßstab einer an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen wäre (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 18.02.1997 - 9 C 9.96 - E 104, 97). Davon kann gegenwärtig nach den verwerten Erkenntnismitteln nicht ausgegangen werden. Zunächst ist davon auszugehen, dass Herr Y aktuell per Haftbefehl gesucht wird, weil er nur bedingt und vorübergehend wegen seines Gesundheitszustands aus der Strafhaft entlassen wurde und sich der weiteren Strafvollstreckung durch die Flucht entzogen hat. Zudem ergibt sich aus den vorgelegten, durch den Rechtsanwalt in der Türkei übersandten Unterlagen, dass gegen Herrn Y. wegen der Teilnahme an dem „Todesfasten“ ein Ermittlungsverfahren durchgeführt wird. Deshalb hat er zu gewärtigen, unmittelbar bei seiner Einreise durch die Polizei verhaftet zu werden. Zwar trifft die Annahme des Bundesamtes durchaus zu, dass auch schon in der Vergangenheit in den Phasen von Untersuchungs- oder Strafhaft in der Türkei der Betroffene nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit Folter oder Misshandlungen zu rechnen hatte, wobei letztlich offen bleiben kann, ob in der Vergangenheit auch dem hier zugrunde zu legenden Maßstab der hinreichenden Sicherheit genügt wurde. Vorliegend ist aber zu beachten, dass Herr Y. zunächst bei seiner Ankunft in Polizeihaft genommen würde, bei der er sicherlich im Übrigen auch nach den Umständen seines Aufenthalts im Ausland befragt würde, was eine andere Beurteilung notwendig macht. Zwar geht das Gericht aufgrund der verwerteten Erkenntnismittel davon aus, dass mit Rücksicht auf die jüngsten Veränderungen in der Türkei ein „politischer Straftäter“ im Falle der Polizeihaft wohl nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit Folter und Misshandlungen rechnen müsste. Dieses kann jedoch letztlich unentschieden bleiben. Jedenfalls ist nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand, insbesondere auch aufgrund der vielfältigen Berichte der Menschenrechtsorganisationen in der Türkei, auch wenn die von diesen registrierten Folterfälle nicht ausnahmslos verifiziert worden sind (vgl. hierzu AA Lagebericht v. 03.05.2005), davon auszugehen, dass nach wie vor ein nicht gänzlich unbedeutendes Restrisiko verblieben ist, das die Annahme einer hinreichenden Sicherheit nicht rechtfertigt. Das Gericht macht sich insoweit auch die überzeugenden Ausführungen und tatsächlichen Feststellungen des OVG Münster im Urteil vom 19.04.2005 (8 K 273/04.A - S. 49 ff.) sowie des OVG Weimar im Urteil vom 13.01.2005 (3 KO 1047/04 - S. 22 ff.) zu eigen, auf die ausdrücklich Bezug genommen wird.
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8. Der Feststellung nach § 60 Abs. 1 AufenthG steht auch nicht § 60 Abs. 8 AufenthG entgegen. Dies folgt hier schon daraus, dass Herr Y nach Überzeugung des Gerichts nicht Mitglied in der DHKP-C war und nicht für diese aktiv geworden war.
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9. Aber selbst wenn man dem nicht folgen wollte, ist von Folgendem auszugehen:
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a) Bei allen fünf Fallvarianten des Absatzes 8 ist nach Auffassung des Gerichts, auch wenn es nicht in jedem Fall ausdrücklich zur Tatbestandvoraussetzung gemacht wurde, die Einschränkung zu machen, dass von den Betreffenden auch in der Zukunft eine konkrete Gefahr, wie sich in der Begehung der jeweils genannten Taten manifestiert hatte, ausgehen muss, weil nur unter dieser Voraussetzung auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U.v. 30.03.1999 - 9 C 31.98 - E 109, 1) die Asylberechtigung, auf die die Vorschrift ebenfalls anwendbar ist, verfassungsrechtlich unbedenklich „neutralisiert“ werden kann. Denn andernfalls würde es an einem zumindest gleichrangigen zu schützenden Rechtsgut von Verfassungsrang fehlen, das allein eine Zurückdrängung des Asylgrundrechts zu rechtfertigen vermag (so zutreffend auch OVG Koblenz, U.v. 6.12.2002 – 10 A 10089/02 – NVwZ-RR 2003, 596 <599>). Insbesondere wird auch durch eine rechtskräftige Verurteilung im Sinne von Absatz 3 S. 1 2. Alt. das Erfordernis einer konkreten Wiederholungsgefahr in Bezug auf eine entsprechende schwere Straftat nicht ersetzt (vgl. BVerwG, U.v. 16.11.2000 – 9 C 8.00 – E 112, 185 ; VGHBW, B.v. 9.11.2001 – 10 S 1900/01 – InfAuslR 2002, 175). Das Bundesverwaltungsgericht hat sich allerdings in diesem Zusammenhang explizit nur zu § 60 Abs. 8 S. 1 AufenthG bzw. § 51 Abs. 3 S. 1 AuslG 1990 geäußert, nicht jedoch zu Satz 2. Ausgehend von dem argumentativen Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts kann insoweit aber nichts anderes gelten. Ist in den Fallvarianten 2 und 3 des Satzes 2 (vgl. zur Auslegung des Begriffs „schweren nichtpolitischen Verbrechens“ im Kontext des Terrorismus GK-AsylVfG § 2 Rdn. 35; zu den - gewandelten „Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen“ OVG Koblenz, U.v. 6.12.2002 - 10 A 10089/02 - NVwZ-RR 2003, 596 < >) keine Wiederholungsgefahr feststellbar, so kann allerdings nach dem von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Terrorismusvorbehalt gleichwohl das Asylgrundrecht nicht eingreifen (vgl. B.v. 10.7.1989 – 2 BvR 502/86 – E 80, 315 <336 ff.>; B.v. 20.12.1989 – 2 BvR 958/86 – E 81, 142), der nicht von der Feststellung einer Wiederholungsgefahr abhängig ist. Der Beschluss vom 20.12.1989 betrifft gegenüber dem vom 10.7.1989 nur einen Sonderfall, in dem auch ein Politmalus nicht asylbegründend sein kann (vgl. BVerfG , B.v. 26.10.2000 - 2 BvR 1280/99 - InfAuslR 2001, 89).
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b) In Bezug auf den flüchtlingsrechtlich abgeleiteten Abschiebungsschutz ist diese Einschränkung allerdings nicht für alle fünf Varianten zwingend durch den Wortlaut der zugrunde liegenden Bestimmung des Art. 1 F GFK (entspricht Absatz 8 S. 2) vorgegeben, sondern nur, soweit hinter Absatz 8 S. 1 die Bestimmung des Art. 33 Abs. 2 GFK steht. Zwar enthält die Bestimmung des Art. 1 F GFK sicherlich ein gewichtiges wertendes Element der „Asylunwürdigkeit“ (vgl. hierzu GK-AsylVfG, vor II-2 Rdn. 25; Hailbronner, Ausländerrecht, § 51 AuslG Rdn. 37). Es wäre jedoch eine verkürzte Sichtweise, wenn man hierbei stehen bleiben wollte. Denn auch diese völkervertraglichen Ausschlussgründe stehen unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, der bei lange zurück liegenden Taten und insbesondere auch einer mittlerweile glaubwürdig erfolgten Distanzierung des oder der Betroffenen ein Zurückstellen des Flüchtlingsschutzes nicht mehr rechtfertigt (so im Ausgangspunkt UNHCR Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, ZAR 2004, 207 ff. Nr. 23 f.). War jemand aber etwa in der Vergangenheit zweifelsfrei in eine terroristische Organisation strukturell eingebunden (vgl. hierzu noch im Folgenden), so wird allerdings eine – widerlegbare – Vermutung für seine weitere Gefährlichkeit sprechen (vgl. auch OVG Koblenz, U.v 6.12.2002 – 10 A 10089/02 - NVwZ-RR 2003, 596 <600>). Es ist danach Sache der Betroffenen hinreichend glaubhaft zu machen, dass eine vollständige Distanzierung von der Organisation, ihren Zielen und Methoden erfolgt ist. Es ist aber nicht gerechtfertigt, bei „besonders verabscheuungswürdigen Verbrechen“ im Falle einer entsprechenden Distanzierung gleichwohl die Ausschlussklausel anzuwenden (so aber UNHCR, Richtlinien, a.a.O., Nr. 24).
25 
c) Generell gilt für die Gefahrprognose: Die Rechtsprechung legt im Recht der Ausweisung bei der Beurteilung einer Wiederholungsgefahr einen gleitenden nach Art und Ausmaß der möglichen Schäden ausgerichteten differenzierenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrunde, wie er auch allgemein im Polizei- und Ordnungsrecht anerkannt ist (vgl. hierzu im Einzelnen zunächst GK-AuslR § 45 Rdn. 389 ff.). Eine derartige Relativierung nach Maßgabe des möglichen (großen) Schadens darf im vorliegenden Kontext jedoch nicht erfolgen. Zum einen folgt dies schon systemimmanent auf der einfach-gesetzlichen Ebene aus der Tatsache, dass die Norm überhaupt nur schwere Straftaten und damit die Verletzung erheblicher und gewichtiger Rechtsgüter erfasst und zum Anlass nimmt, überhaupt in eine Gefahrprognose einzutreten. Bei dieser Ausgangslage kann angesichts des beispielsweise ausdrücklich normierten weiteren Tatbestandsmerkmals einer „Gefahr für die Allgemeinheit“ nicht angenommen werden, dass hier der ordnungsrechtlich anerkannte relativierende Maßstab gemeint sein könnte, da es dann nahe gelegen hätte, etwa zu formulieren, dass „eine erneute Wiederholung aufgrund konkreter Tatsachen nicht ausgeschlossen werden kann“ (vgl. auch die vom BVerwG, B.v. 19.3.1990 – 1 B 27.90 – Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 122, ausdrücklich gebilligten Ausführungen des VGHBW). Zum anderen wäre eine derartige Relativierung ungeeignet, ein hinreichend gewichtiges Rechtsgut von Verfassungsrang zu beschreiben und zu begründen, das geeignet wäre, das Asylgrundrecht zu überwinden.
26 
d) Besondere Schwierigkeiten kann - vornehmlich bei den drei Fallvarianten des Satzes 2 - allerdings im Einzelfall die Beantwortung der Frage bereiten, ob und unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen eine hinreichend klare Zurechnung und persönliche Verantwortung der Betroffenen vorgenommen bzw. festgestellt werden kann. Anders ausgedrückt: Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Mitgliedschaft und Mitarbeit in einer Organisation, der konkrete terroristische Gewalttaten, Kriegsverbrechen etc. zugeschrieben werden können, bereits als eine Tat im Sinne des Absatzes 8 zu betrachten ist. Unproblematisch ist dies bei denjenigen Personen, die Täter oder Teilnehmer (Anstifter und Gehilfe) im strafrechtlichen Sinn bezüglich der jeweiligen Straftat oder Handlung sind, die in Absatz 8 zum konkreten Anknüpfungspunkt genommen wird (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, ZAR 2004, 207 Nr. 18). Problematischer sind hingegen die Fälle, in denen etwa „nur“ ein „Organisationsdelikt“begangen wurde und beispielsweise keine Täterschaft oder Teilnahme an erheblichen, insbesondere terroristischen Gewalttaten selbst festgestellt werden kann. Entsprechende Fragestellungen ergeben sich auch in Fällen von „Regierungskriminalität“. Auch wenn weitgehend Einigkeit besteht, dass die hier zugrunde liegenden Bestimmungen der Art. 1 F GFK und 33 Abs. 2 GFK eng auszulegen sind und zuvörderst die Akteure der Gewalt und des Terrors selbst betreffen, bieten die Vorschriften keinen ausreichenden Anhalt, dass hier generell eine Abschiebung bzw. ein Ausschluss unzulässig wäre (so aber ohne überzeugende Argumente Marx, InfAuslR 2005, 218 <226 f.>). Dessen Sichtweise entspricht bemerkenswerter Weise nicht einmal mehr dem aktuell von UNHCR eingenommenen Standpunkt (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, a.a.O., Nr. 18 ff.). Eher unproblematisch sind dabei nach Auffassung des Gerichts zunächst die Fälle der führenden Köpfe und Funktionäre (auch Regierungsmitglieder im Falle des Satzes 2 1. Fallvariante), die allesamt maßgeblichen Einfluss auf die Ziele und die die Organisation prägenden Aktivitäten genommen haben und nehmen, selbst wenn diesen eine Täterschaft oder Teilnahme an bestimmten Einzelaktionen nicht konkret nachgewiesen werden kann. Es sind dies die Fälle, in denen „sich die von die Organisation ausgehende Gefährdungen in der Person des Ausländers konkretisieren“ (vgl. BVerwG, U.v. 31.05.1994 - 1 C 5.93 - E 96, 86 <91 f.>; U.v. 30.03.1999 - 9 C 31.98 - E 109, 1). Im Übrigen handelt sich dabei typischer Weise im Wesentlichen um den Personenkreis, der nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine aktive Unterstützung terroristischer Aktivitäten vollbringt und damit aus der Asylgewährleistung herausfällt (vgl. B.v. 10.7.1989 – 2 BvR 502/86– E 80, 315 <336 ff.>; B.v. 20.12.1989 – 2 BvR 958/86 – E 81, 142). Bei qualifiziert gewalttätigen terroristischen Gruppierungen beispielsweise, die dann auch regelmäßig in hohem Maße konspirativ und im Untergrund agieren werden, kann es aber nach Maßgabe einer Bewertung aller Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt sein, auch in der „Mitgliedschaft“ und - von Bagatellen abgesehen – kontinuierlichen aktiven Mitarbeit bei struktureller Einbindung in die Organisation ein ausreichendes Zurechnungsmoment zu erkennen, weil hier grundsätzlich alle Elemente der Mitarbeit in ihrer Vielzahl und Vielfalt den Zusammenhalt der Organisation und damit dann auch deren Zielverwirklichung fördern bzw. ihr zugute kommen, was dann letztlich auch ihre spezifische Gefährlichkeit ausmacht (in diesem Sinne nunmehr auch UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, a.a.O., Nr. 19). Die beweiskräftige Feststellung einer hervorgehobenen Funktion oder Funktionärstätigkeit ist hier nicht mehr erforderlich und wäre bei einer realistischen Betrachtungsweise einer so beschriebenen Organisation auch lebensfremd. Gegen dieses Ergebnis kann auch nicht Art. 12 RL 2004/83/EG v. 29.4.2004 (ABl. L 304, 12) eingewandt werden (so aber Marx, a.a.O., 226). Denn nach deren Absatz 3 findet der Ausschluss auch Anwendung auf Personen, die andere zu den Straftaten und Handlungen im Sinne des Absatzes 2 anstiften oder sich „in sonstiger Weise daran beteiligen“. Diese zweite Alternative ist so weit gehalten, dass auch andere als strafrechtlich relevante Beihilfehandlungen zu dem eigentlichen terroristischen Akt erfasst werden.
27 
e) Im Falle von Herrn Y ist nach der eingehenden Erörterung in der mündlichen Verhandlung - auch im Hinblick auf seinen angegriffenen Gesundheitszustand (vgl. Dr. A. vom 01.06.2005) - nicht ersichtlich, dass er in der Bundesrepublik Deutschland irgendwelche Kontakte zu gewaltbereiten terroristischen Gruppierungen hat oder solche für die Zukunft anstrebt, weshalb ein irgendwie geartetes Gefährdungsmoment nicht auszumachen ist. Ihm geht es ersichtlich vielmehr darum, seine gesamte Situation einschließlich des gesundheitlichen Aspekts zu konsolidieren und nach den erlittenen Misshandlungen eine neue Lebensperspektive aufzubauen.
28 
f) Abgesehen davon fehlt es - auch nach dem Urteil des Staatssicherheitsgericht - bei Herrn Y an konkreten Feststellungen zu Aktivitäten, die - neben der bloßen Mitgliedschaft - die Bagatellgrenze überschreiten. Denn im Urteil ist lediglich von einer Mitgliedschaft und Plakatkleben die Rede, ohne dass nähere Einzelheiten über Dauer und ausmaß der Tätigkeiten mitgeteilt würden. Schon aus diesem Grund fiele Herr Y nicht in den Anwendungsbereich der vom Bundesamt geprüften Bestimmungen des Absatzes 8 S. 2 2. und 3. Fallvariante.
29 
10. Liegen demnach die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vor, kann auch die Abschiebungsandrohung keinen Bestand haben, soweit hierin die Abschiebung in die Türkei angedroht wurde (vgl. § 34 AsylVfG i.V.m. § 59 Abs. 3 AufenthG).
30 
II. Herr Y kann jedoch nicht als Asylberechtigter anerkannt werden. Dem steht Art. 16a Abs. 2 GG entgegen. Er hat nicht den erforderlichen Nachweis erbracht, dass er auf dem Luftweg und damit nicht über einen sicheren Drittstaat eingereist ist (vgl. im Einzelnen GK-AsylVfG, § 26a Rdn. 41 ff.). Seine Angaben beim Bundesamt sind insgesamt nicht glaubhaft. Denn insbesondere ist nicht nachvollziehbar, dass er den in den bei der Einreise verwendeten Pass eingetragenen Namen nicht gekannt haben will, hätte dies doch dazu geführt, dass er im Falle eine diesbezüglichen Nachfrage bei der Einreisekontrolle sofort als illegal Einreisender identifiziert worden wäre. Hätte er aber beim Bundesamt oder im gerichtlichen Verfahren den Namen angegeben, so hätte seine Einreise vermittels der Passagierlisten der Fluggesellschaften nachvollzogen werden können.
31 
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 S. 1 und § 83b AsylVfG.

Gründe

 
11 
Das Gericht konnte trotz des Ausbleibens von Beteiligten zur Sache verhandeln und entscheiden, da in den ordnungsgemäßen Ladungen auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO). Es entscheidet im Einverständnis der Beteiligten durch den Vorsitzenden (vgl. § 87 a Abs. 2 VwGO).
12 
Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.
13 
I. Herr Y hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung einen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG.
14 
1. Nach § 60 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch dann vorliegen, wenn die Bedrohung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der Freiheit allein an das Geschlecht anknüpft. Eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 kann ausgehen von a) dem Staat, b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder c) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den Buchstaben a und b genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.
15 
2. Wer um Asyl oder um Abschiebungsschutz im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG nachsucht, hat seine Gründe für eine politische Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Es gehört zu seinen Obliegenheiten, hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse und Erlebnisse von sich aus unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Begehren lückenlos zu tragen (vgl. etwa BVerfG, B. v. 29.11.1990 - 2 BvR 1095/90 - InfAuslR 1991, 94; BVerwG, U. v. 30.10.1990 9 C 72.89 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 135; v. 30.10.1990 - 9 C 64.89 - Buchholz 310 § 137 Nr. 165). Das Gericht muss die volle Überzeugung von der Wahrheit des von einem Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet (BVerwG, B. v. 21.07.1989 - 9 B 239.89 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 113). An der erforderlichen Glaubhaftmachung fehlt es in der Regel, wenn das Vorbringen im Lauf des Verfahrens in einer ins Gewicht fallenden Weise gesteigert wird, insbesondere wenn Tatsachen, die für das Begehren als maßgeblich betrachtet werden, ohne vernünftige Erklärung erst spät in das Verfahren eingeführt werden, ferner wenn während des Verfahrens unterschiedliche Angaben gemacht werden und das Vorbringen in wesentlichen Punkten nicht überzeugend auflösbare Widersprüche oder sonst Unstimmigkeiten enthält, sowie auch dann, wenn die Darstellung nach der Lebenserfahrung der erforderlichen Plausibilität entbehrt oder im Blick auf vergleichbare bekannte Geschehensabläufe als unglaubhaft erscheint (vgl. zum Ganzen die angeführte Rechtsprechung).
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3. Gemessen hieran ist das Gericht auch aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnen Eindrucks von seiner Person und unter Berücksichtigung der Angaben des Bruders in dessen Asylverfahren zu der Überzeugung gelangt, dass Herr Y im Verfahren vor dem Bundesamt wie auch im gerichtlichen Verfahren wahrheitsgemäße Angaben gemacht hat. Hiernach steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass er (zusammen mit seinem Bruder) im November 1995 von der Polizei verhaftet und im Anschluss hieran im Polizeigewahrsam schwersten Misshandlungen und Foltermaßnahmen unterzogen wurde. Dabei ist das Gericht auch zu der Überzeugung gelangt, dass er in diesem Zusammenhang zu Unrecht der Mitgliedschaft und Mitarbeit in der terroristischen Organisation DHKP-C verdächtigt bzw. beschuldigt wurde, weshalb dann die insoweit am 17.11.1998 erfolgte Verurteilung durch das Staatssicherheitsgericht A auf keiner ausreichenden Grundlage beruhte. Zwar ist dem Bundesamt im Ausgangspunkt zuzugeben, dass dieses Urteil nicht von vornherein für das Asylverfahren ohne Bedeutung sein muss, zumal mit ihm auch eine Reihe von Angeklagten freigesprochen wurden. Andererseits vermochte Herr Y das Gericht davon zu überzeugen, dass er die verwerteten Geständnisse unter Folter abgelegt hatte. Angesichts dessen und unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Gerichtsverfahren vor den Staatssicherheitsgerichten zumindest zum damaligen Zeitpunkt keineswegs als rechtsstaatlich unbedenklich beurteilt werden müssen, könnte von der Richtigkeit der dort getroffenen Feststellungen nur ausgegangen werden, wenn das Urteil auch aufgrund anderer überzeugender Beweise und Beweisführungen die Begehung der fraglichen Taten untermauert hätte. Dieses ist, wie die in der mündlichen Verhandlung in Auszügen erfolgte Übersetzung des Urteils ergeben hat, indessen nicht der Fall. Die Ziffer 4.3 des Urteils, die Herrn Y betrifft, beschränkt sich auf nicht nachvollziehbare Behauptungen und lässt jede abwägende Beweiswürdigung vermissen, insbesondere fehlt jede Begründung dazu, weshalb dem Zeugen K die in der Verhandlung - abweichend zu den polizeilichen Vernehmungen - gemachte Aussage nicht geglaubt wurde. Abschließend ist in diesem Zusammenhang noch auf die Erwägung des Bundesamts einzugehen, dass für die Mitgliedschaft von Herrn Y auch spreche, dass er an dem Todesfasten zahlreicher Gefangener teilgenommen hat, das letztlich wegen Haftunfähigkeit zu seiner vorübergehenden Freilassung geführt hatte. Auch wenn davon auszugehen ist, dass das fragliche Todesfasten wesentlich durch die DHKP-C initiiert und gesteuert war (vgl. AA v. 20.09.2001 an VG Würzburg), so ist doch der Rückschluss des Bundesamts nicht ausreichend tragfähig, zumal selbst das Auswärtige Amt betont, dass die Aktionen nur teilweise in der Hand linksextremer Gruppen waren (vgl. Lagebericht v. 20.03.2002, S. 11 f.). Das Gericht hat diesen Gesichtspunkt in der mündlichen Verhandlung nochmals eingehend mit Herrn Y erörtert. Er hat dabei darauf hingewiesen, dass er an dieser Aktion aus existentieller Verzweiflung angesichts der zu Unrecht erfolgten Verurteilung und der erlittenen Foltermaßnahmen teilgenommen habe, ohne dabei abzustreiten, dass er hierbei auch durch das Erleben in der Gruppe mit anderen Inhaftierten bestärkt worden war. Eine wie auch immer geartete Einbindung von Herrn Y in die Ziele der DHKP-C ist in diesem Zusammenhang nicht deutlich geworden.
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4. Hat er Y somit schwerste Eingriffe in seine körperlich Integrität und bis zu seiner vorübergehenden Freilassung im Juli 2001 infolge der langjährigen Haft in seine persönliche Freiheit erlitten, so steht für das Gericht fest, dass er im Jahre 2002 vorverfolgt ausgereist ist. Dass er dies nicht unmittelbar nach der Freilassung getan hatte, unterbricht den erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht schon deshalb nicht, weil er aufgrund seines zur Haftentlassung führenden Gesundheitszustands zu einer Ausreise zunächst gar nicht in der Lage war.
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5. Der Umstand, dass Herr Y nicht Träger des asylerheblichen Merkmals war, führt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht dazu, dass den in Frage stehenden staatlichen Maßnahmen die Asylerheblichkeit abgesprochen werden könnte (vgl. B.v. 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 - E 80, 315 <340>; B.v. 20.12.1989 - 2 BvR 956/86 - E 81, 142 <151>; B.v. 28.02.1992 - 2 BvR 1608/90 - InfAuslR 1992, 215 <218>; v. 28.01.1993 - 2 BvR 1803/92 - InfAuslR 1993, 142; v. 22.11.1996 - 2 BvR 2 BvR 1753/96 - AuAS 1997, 6).
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6. Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass Herr Y Mitglied in der Organisation war und in dieser gearbeitet hatte, so gilt unabhängig von dem Vorgesagten: Zwar wäre unter diesen Umständen eine strafrechtliche Verfolgung und Ahndung im Ausgangspunkt zunächst als asylirrelevant zu beurteilen (vgl. BVerfG, B.v. 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 - E 80, 315 <337>; B.v. 20.12.1989 - 2 BvR 956/86 - E 81, 142 <149 f.>). Eine an sich unerhebliche Verfolgung von Straftaten kann aber nach dieser Rechtsprechung in politische Verfolgung umschlagen, wenn objektive Umstände darauf schließen lassen, dass der Betroffene auch wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt wird, wofür eine erheblich härtere Behandlung und/oder Bestrafung eine wichtiges Indiz sein kann. Namentlich erlittene unmenschliche Behandlung oder Folter können von asylerheblicher Relevanz sein, wenn der hiervon Betroffene als politisch überzeugter Täter getroffen werden soll (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.1989 - 2 BvR 956/86 - E 81, 142 <151 f.>; B.v. 07.07.1993 - 2 BvR 400/93 - juris). In diesem Fall stellt die Anwendung von Folter regelmäßig jedenfalls ein gewichtiges Indiz für die asylerhebliche Zielrichtung der zu beurteilenden staatlichen Maßnahme dar (vgl. BVerfG , B.v. 09.01.1991 - 2 BvR 935/90 - InfAuslR 1992, 59 <62>; v. 03.07.1996 - 2 BvR 1957/94 - InfAuslR 1996, 318 <321>). Die Asylerheblichkeit kann nur dann verneint werden, wenn verlässliche Feststellungen getroffen werden können, dass vergleichbar massive Folterungen auch bei der Ahndung anderer „normaler“ krimineller Taten angewendet werden. Solches ist aber nach den verwerteten Erkenntnismittel nicht im Ansatz erkennbar. Gegen eine verfolgungsbedingte Ausreise kann hier auch nicht eingewandt werden, dass die asylerheblichen Maßnahmen bereits im Jahre 1997 erlitten wurden, die Ausreise jedoch erst im Jahre 2002 erfolgte. Denn Herr Y war bis Juli 2001 wegen der Haft und sodann wegen seines Gesundheitszustands nicht in der Lage auszureisen.
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7. Als vorverfolgt ausgereistem Flüchtling wäre Herrn Y eine Rückkehr nur dann zuzumuten, wenn er im Falle der Rückkehr vor erneuter Verfolgung hinreichend sicher wäre (vgl. BVerfG, B.v. 02.07.1980 - 1 BvR 147/80, E 54, 341 <361 f.>; v. 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 - E 80, 315 <344>), ohne dass allerdings der Maßstab einer an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen wäre (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 18.02.1997 - 9 C 9.96 - E 104, 97). Davon kann gegenwärtig nach den verwerten Erkenntnismitteln nicht ausgegangen werden. Zunächst ist davon auszugehen, dass Herr Y aktuell per Haftbefehl gesucht wird, weil er nur bedingt und vorübergehend wegen seines Gesundheitszustands aus der Strafhaft entlassen wurde und sich der weiteren Strafvollstreckung durch die Flucht entzogen hat. Zudem ergibt sich aus den vorgelegten, durch den Rechtsanwalt in der Türkei übersandten Unterlagen, dass gegen Herrn Y. wegen der Teilnahme an dem „Todesfasten“ ein Ermittlungsverfahren durchgeführt wird. Deshalb hat er zu gewärtigen, unmittelbar bei seiner Einreise durch die Polizei verhaftet zu werden. Zwar trifft die Annahme des Bundesamtes durchaus zu, dass auch schon in der Vergangenheit in den Phasen von Untersuchungs- oder Strafhaft in der Türkei der Betroffene nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit Folter oder Misshandlungen zu rechnen hatte, wobei letztlich offen bleiben kann, ob in der Vergangenheit auch dem hier zugrunde zu legenden Maßstab der hinreichenden Sicherheit genügt wurde. Vorliegend ist aber zu beachten, dass Herr Y. zunächst bei seiner Ankunft in Polizeihaft genommen würde, bei der er sicherlich im Übrigen auch nach den Umständen seines Aufenthalts im Ausland befragt würde, was eine andere Beurteilung notwendig macht. Zwar geht das Gericht aufgrund der verwerteten Erkenntnismittel davon aus, dass mit Rücksicht auf die jüngsten Veränderungen in der Türkei ein „politischer Straftäter“ im Falle der Polizeihaft wohl nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit Folter und Misshandlungen rechnen müsste. Dieses kann jedoch letztlich unentschieden bleiben. Jedenfalls ist nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand, insbesondere auch aufgrund der vielfältigen Berichte der Menschenrechtsorganisationen in der Türkei, auch wenn die von diesen registrierten Folterfälle nicht ausnahmslos verifiziert worden sind (vgl. hierzu AA Lagebericht v. 03.05.2005), davon auszugehen, dass nach wie vor ein nicht gänzlich unbedeutendes Restrisiko verblieben ist, das die Annahme einer hinreichenden Sicherheit nicht rechtfertigt. Das Gericht macht sich insoweit auch die überzeugenden Ausführungen und tatsächlichen Feststellungen des OVG Münster im Urteil vom 19.04.2005 (8 K 273/04.A - S. 49 ff.) sowie des OVG Weimar im Urteil vom 13.01.2005 (3 KO 1047/04 - S. 22 ff.) zu eigen, auf die ausdrücklich Bezug genommen wird.
21 
8. Der Feststellung nach § 60 Abs. 1 AufenthG steht auch nicht § 60 Abs. 8 AufenthG entgegen. Dies folgt hier schon daraus, dass Herr Y nach Überzeugung des Gerichts nicht Mitglied in der DHKP-C war und nicht für diese aktiv geworden war.
22 
9. Aber selbst wenn man dem nicht folgen wollte, ist von Folgendem auszugehen:
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a) Bei allen fünf Fallvarianten des Absatzes 8 ist nach Auffassung des Gerichts, auch wenn es nicht in jedem Fall ausdrücklich zur Tatbestandvoraussetzung gemacht wurde, die Einschränkung zu machen, dass von den Betreffenden auch in der Zukunft eine konkrete Gefahr, wie sich in der Begehung der jeweils genannten Taten manifestiert hatte, ausgehen muss, weil nur unter dieser Voraussetzung auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U.v. 30.03.1999 - 9 C 31.98 - E 109, 1) die Asylberechtigung, auf die die Vorschrift ebenfalls anwendbar ist, verfassungsrechtlich unbedenklich „neutralisiert“ werden kann. Denn andernfalls würde es an einem zumindest gleichrangigen zu schützenden Rechtsgut von Verfassungsrang fehlen, das allein eine Zurückdrängung des Asylgrundrechts zu rechtfertigen vermag (so zutreffend auch OVG Koblenz, U.v. 6.12.2002 – 10 A 10089/02 – NVwZ-RR 2003, 596 <599>). Insbesondere wird auch durch eine rechtskräftige Verurteilung im Sinne von Absatz 3 S. 1 2. Alt. das Erfordernis einer konkreten Wiederholungsgefahr in Bezug auf eine entsprechende schwere Straftat nicht ersetzt (vgl. BVerwG, U.v. 16.11.2000 – 9 C 8.00 – E 112, 185 ; VGHBW, B.v. 9.11.2001 – 10 S 1900/01 – InfAuslR 2002, 175). Das Bundesverwaltungsgericht hat sich allerdings in diesem Zusammenhang explizit nur zu § 60 Abs. 8 S. 1 AufenthG bzw. § 51 Abs. 3 S. 1 AuslG 1990 geäußert, nicht jedoch zu Satz 2. Ausgehend von dem argumentativen Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts kann insoweit aber nichts anderes gelten. Ist in den Fallvarianten 2 und 3 des Satzes 2 (vgl. zur Auslegung des Begriffs „schweren nichtpolitischen Verbrechens“ im Kontext des Terrorismus GK-AsylVfG § 2 Rdn. 35; zu den - gewandelten „Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen“ OVG Koblenz, U.v. 6.12.2002 - 10 A 10089/02 - NVwZ-RR 2003, 596 < >) keine Wiederholungsgefahr feststellbar, so kann allerdings nach dem von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Terrorismusvorbehalt gleichwohl das Asylgrundrecht nicht eingreifen (vgl. B.v. 10.7.1989 – 2 BvR 502/86 – E 80, 315 <336 ff.>; B.v. 20.12.1989 – 2 BvR 958/86 – E 81, 142), der nicht von der Feststellung einer Wiederholungsgefahr abhängig ist. Der Beschluss vom 20.12.1989 betrifft gegenüber dem vom 10.7.1989 nur einen Sonderfall, in dem auch ein Politmalus nicht asylbegründend sein kann (vgl. BVerfG , B.v. 26.10.2000 - 2 BvR 1280/99 - InfAuslR 2001, 89).
24 
b) In Bezug auf den flüchtlingsrechtlich abgeleiteten Abschiebungsschutz ist diese Einschränkung allerdings nicht für alle fünf Varianten zwingend durch den Wortlaut der zugrunde liegenden Bestimmung des Art. 1 F GFK (entspricht Absatz 8 S. 2) vorgegeben, sondern nur, soweit hinter Absatz 8 S. 1 die Bestimmung des Art. 33 Abs. 2 GFK steht. Zwar enthält die Bestimmung des Art. 1 F GFK sicherlich ein gewichtiges wertendes Element der „Asylunwürdigkeit“ (vgl. hierzu GK-AsylVfG, vor II-2 Rdn. 25; Hailbronner, Ausländerrecht, § 51 AuslG Rdn. 37). Es wäre jedoch eine verkürzte Sichtweise, wenn man hierbei stehen bleiben wollte. Denn auch diese völkervertraglichen Ausschlussgründe stehen unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, der bei lange zurück liegenden Taten und insbesondere auch einer mittlerweile glaubwürdig erfolgten Distanzierung des oder der Betroffenen ein Zurückstellen des Flüchtlingsschutzes nicht mehr rechtfertigt (so im Ausgangspunkt UNHCR Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, ZAR 2004, 207 ff. Nr. 23 f.). War jemand aber etwa in der Vergangenheit zweifelsfrei in eine terroristische Organisation strukturell eingebunden (vgl. hierzu noch im Folgenden), so wird allerdings eine – widerlegbare – Vermutung für seine weitere Gefährlichkeit sprechen (vgl. auch OVG Koblenz, U.v 6.12.2002 – 10 A 10089/02 - NVwZ-RR 2003, 596 <600>). Es ist danach Sache der Betroffenen hinreichend glaubhaft zu machen, dass eine vollständige Distanzierung von der Organisation, ihren Zielen und Methoden erfolgt ist. Es ist aber nicht gerechtfertigt, bei „besonders verabscheuungswürdigen Verbrechen“ im Falle einer entsprechenden Distanzierung gleichwohl die Ausschlussklausel anzuwenden (so aber UNHCR, Richtlinien, a.a.O., Nr. 24).
25 
c) Generell gilt für die Gefahrprognose: Die Rechtsprechung legt im Recht der Ausweisung bei der Beurteilung einer Wiederholungsgefahr einen gleitenden nach Art und Ausmaß der möglichen Schäden ausgerichteten differenzierenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrunde, wie er auch allgemein im Polizei- und Ordnungsrecht anerkannt ist (vgl. hierzu im Einzelnen zunächst GK-AuslR § 45 Rdn. 389 ff.). Eine derartige Relativierung nach Maßgabe des möglichen (großen) Schadens darf im vorliegenden Kontext jedoch nicht erfolgen. Zum einen folgt dies schon systemimmanent auf der einfach-gesetzlichen Ebene aus der Tatsache, dass die Norm überhaupt nur schwere Straftaten und damit die Verletzung erheblicher und gewichtiger Rechtsgüter erfasst und zum Anlass nimmt, überhaupt in eine Gefahrprognose einzutreten. Bei dieser Ausgangslage kann angesichts des beispielsweise ausdrücklich normierten weiteren Tatbestandsmerkmals einer „Gefahr für die Allgemeinheit“ nicht angenommen werden, dass hier der ordnungsrechtlich anerkannte relativierende Maßstab gemeint sein könnte, da es dann nahe gelegen hätte, etwa zu formulieren, dass „eine erneute Wiederholung aufgrund konkreter Tatsachen nicht ausgeschlossen werden kann“ (vgl. auch die vom BVerwG, B.v. 19.3.1990 – 1 B 27.90 – Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 122, ausdrücklich gebilligten Ausführungen des VGHBW). Zum anderen wäre eine derartige Relativierung ungeeignet, ein hinreichend gewichtiges Rechtsgut von Verfassungsrang zu beschreiben und zu begründen, das geeignet wäre, das Asylgrundrecht zu überwinden.
26 
d) Besondere Schwierigkeiten kann - vornehmlich bei den drei Fallvarianten des Satzes 2 - allerdings im Einzelfall die Beantwortung der Frage bereiten, ob und unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen eine hinreichend klare Zurechnung und persönliche Verantwortung der Betroffenen vorgenommen bzw. festgestellt werden kann. Anders ausgedrückt: Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Mitgliedschaft und Mitarbeit in einer Organisation, der konkrete terroristische Gewalttaten, Kriegsverbrechen etc. zugeschrieben werden können, bereits als eine Tat im Sinne des Absatzes 8 zu betrachten ist. Unproblematisch ist dies bei denjenigen Personen, die Täter oder Teilnehmer (Anstifter und Gehilfe) im strafrechtlichen Sinn bezüglich der jeweiligen Straftat oder Handlung sind, die in Absatz 8 zum konkreten Anknüpfungspunkt genommen wird (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, ZAR 2004, 207 Nr. 18). Problematischer sind hingegen die Fälle, in denen etwa „nur“ ein „Organisationsdelikt“begangen wurde und beispielsweise keine Täterschaft oder Teilnahme an erheblichen, insbesondere terroristischen Gewalttaten selbst festgestellt werden kann. Entsprechende Fragestellungen ergeben sich auch in Fällen von „Regierungskriminalität“. Auch wenn weitgehend Einigkeit besteht, dass die hier zugrunde liegenden Bestimmungen der Art. 1 F GFK und 33 Abs. 2 GFK eng auszulegen sind und zuvörderst die Akteure der Gewalt und des Terrors selbst betreffen, bieten die Vorschriften keinen ausreichenden Anhalt, dass hier generell eine Abschiebung bzw. ein Ausschluss unzulässig wäre (so aber ohne überzeugende Argumente Marx, InfAuslR 2005, 218 <226 f.>). Dessen Sichtweise entspricht bemerkenswerter Weise nicht einmal mehr dem aktuell von UNHCR eingenommenen Standpunkt (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, a.a.O., Nr. 18 ff.). Eher unproblematisch sind dabei nach Auffassung des Gerichts zunächst die Fälle der führenden Köpfe und Funktionäre (auch Regierungsmitglieder im Falle des Satzes 2 1. Fallvariante), die allesamt maßgeblichen Einfluss auf die Ziele und die die Organisation prägenden Aktivitäten genommen haben und nehmen, selbst wenn diesen eine Täterschaft oder Teilnahme an bestimmten Einzelaktionen nicht konkret nachgewiesen werden kann. Es sind dies die Fälle, in denen „sich die von die Organisation ausgehende Gefährdungen in der Person des Ausländers konkretisieren“ (vgl. BVerwG, U.v. 31.05.1994 - 1 C 5.93 - E 96, 86 <91 f.>; U.v. 30.03.1999 - 9 C 31.98 - E 109, 1). Im Übrigen handelt sich dabei typischer Weise im Wesentlichen um den Personenkreis, der nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine aktive Unterstützung terroristischer Aktivitäten vollbringt und damit aus der Asylgewährleistung herausfällt (vgl. B.v. 10.7.1989 – 2 BvR 502/86– E 80, 315 <336 ff.>; B.v. 20.12.1989 – 2 BvR 958/86 – E 81, 142). Bei qualifiziert gewalttätigen terroristischen Gruppierungen beispielsweise, die dann auch regelmäßig in hohem Maße konspirativ und im Untergrund agieren werden, kann es aber nach Maßgabe einer Bewertung aller Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt sein, auch in der „Mitgliedschaft“ und - von Bagatellen abgesehen – kontinuierlichen aktiven Mitarbeit bei struktureller Einbindung in die Organisation ein ausreichendes Zurechnungsmoment zu erkennen, weil hier grundsätzlich alle Elemente der Mitarbeit in ihrer Vielzahl und Vielfalt den Zusammenhalt der Organisation und damit dann auch deren Zielverwirklichung fördern bzw. ihr zugute kommen, was dann letztlich auch ihre spezifische Gefährlichkeit ausmacht (in diesem Sinne nunmehr auch UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, a.a.O., Nr. 19). Die beweiskräftige Feststellung einer hervorgehobenen Funktion oder Funktionärstätigkeit ist hier nicht mehr erforderlich und wäre bei einer realistischen Betrachtungsweise einer so beschriebenen Organisation auch lebensfremd. Gegen dieses Ergebnis kann auch nicht Art. 12 RL 2004/83/EG v. 29.4.2004 (ABl. L 304, 12) eingewandt werden (so aber Marx, a.a.O., 226). Denn nach deren Absatz 3 findet der Ausschluss auch Anwendung auf Personen, die andere zu den Straftaten und Handlungen im Sinne des Absatzes 2 anstiften oder sich „in sonstiger Weise daran beteiligen“. Diese zweite Alternative ist so weit gehalten, dass auch andere als strafrechtlich relevante Beihilfehandlungen zu dem eigentlichen terroristischen Akt erfasst werden.
27 
e) Im Falle von Herrn Y ist nach der eingehenden Erörterung in der mündlichen Verhandlung - auch im Hinblick auf seinen angegriffenen Gesundheitszustand (vgl. Dr. A. vom 01.06.2005) - nicht ersichtlich, dass er in der Bundesrepublik Deutschland irgendwelche Kontakte zu gewaltbereiten terroristischen Gruppierungen hat oder solche für die Zukunft anstrebt, weshalb ein irgendwie geartetes Gefährdungsmoment nicht auszumachen ist. Ihm geht es ersichtlich vielmehr darum, seine gesamte Situation einschließlich des gesundheitlichen Aspekts zu konsolidieren und nach den erlittenen Misshandlungen eine neue Lebensperspektive aufzubauen.
28 
f) Abgesehen davon fehlt es - auch nach dem Urteil des Staatssicherheitsgericht - bei Herrn Y an konkreten Feststellungen zu Aktivitäten, die - neben der bloßen Mitgliedschaft - die Bagatellgrenze überschreiten. Denn im Urteil ist lediglich von einer Mitgliedschaft und Plakatkleben die Rede, ohne dass nähere Einzelheiten über Dauer und ausmaß der Tätigkeiten mitgeteilt würden. Schon aus diesem Grund fiele Herr Y nicht in den Anwendungsbereich der vom Bundesamt geprüften Bestimmungen des Absatzes 8 S. 2 2. und 3. Fallvariante.
29 
10. Liegen demnach die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vor, kann auch die Abschiebungsandrohung keinen Bestand haben, soweit hierin die Abschiebung in die Türkei angedroht wurde (vgl. § 34 AsylVfG i.V.m. § 59 Abs. 3 AufenthG).
30 
II. Herr Y kann jedoch nicht als Asylberechtigter anerkannt werden. Dem steht Art. 16a Abs. 2 GG entgegen. Er hat nicht den erforderlichen Nachweis erbracht, dass er auf dem Luftweg und damit nicht über einen sicheren Drittstaat eingereist ist (vgl. im Einzelnen GK-AsylVfG, § 26a Rdn. 41 ff.). Seine Angaben beim Bundesamt sind insgesamt nicht glaubhaft. Denn insbesondere ist nicht nachvollziehbar, dass er den in den bei der Einreise verwendeten Pass eingetragenen Namen nicht gekannt haben will, hätte dies doch dazu geführt, dass er im Falle eine diesbezüglichen Nachfrage bei der Einreisekontrolle sofort als illegal Einreisender identifiziert worden wäre. Hätte er aber beim Bundesamt oder im gerichtlichen Verfahren den Namen angegeben, so hätte seine Einreise vermittels der Passagierlisten der Fluggesellschaften nachvollzogen werden können.
31 
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 S. 1 und § 83b AsylVfG.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.

(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 14.09.2007 wird aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG zu erteilen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung und begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Der am … 1973 geborene Kläger ist indischer Staatsangehöriger. Er stellte am 24.07.2001 zusammen mit seiner Ehefrau und zwei Kindern einen Asylantrag. Sein Antrag wurde vom damaligen Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge abgelehnt. Seine Klage beim Verwaltungsgericht ... blieb ohne Erfolg (Urteil vom 15.10.2003 - ... -).
Im Folgeantragsverfahren des Klägers wurde das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch Urteil des Verwaltungsgerichts ... vom 26.05.2006 - ... - verpflichtet festzustellen, dass beim Kläger in Bezug auf Indien ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG vorliegt. In demselben Urteil wurde das Verfahren eingestellt, soweit der Kläger seine Klage bezüglich der Zuerkennung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG zurückgenommen hatte. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass dem Kläger aufgrund seiner exponierten Stellung innerhalb der ISYF (Vorstand der Unterorganisation der ISYF in ...) bei seiner Rückkehr nach Indien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter drohe.
Mit Bescheid vom 19.07.2006 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG hinsichtlich Indiens fest.
Am 04.08.2006 stellte der Kläger bei der unteren Ausländerbehörde einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Das Regierungspräsidium ... stimmte nicht zu.
Mit Schreiben vom 03.07.2007 hörte der Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Ausweisung an. Mit Schreiben vom 19.07.2007 wurde ergänzend darauf hingewiesen, dass sich die Bedenken am weiteren Aufenthalt des Klägers in Deutschland aus seiner Tätigkeit für die International Sikh Youth Federation (ISYF) ergäben, die von der Europäischen Union als terroristische Organisation eingestuft werde.
Mit Schreiben vom 02.08.2007 wies der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hin, dass es eine aktuelle Auskunft des Auswärtigen Amtes gebe, nach der die ISYF seit dem Jahr 2000 nicht mehr terroristisch tätig sei. Mit Schreiben vom 20.08.2007 führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus, von der bloßen Funktionärstätigkeit für die ISYF darauf zu schließen, dass der Kläger sich Handlungen zuschulden kommen lasse, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderliefen, sei bedenklich. Die ISYF werde von den Verfassungsschutzämtern überwacht. Es lägen aber keinerlei konkrete Erkenntnisse über deren Verwicklung in terroristische Aktivitäten vor. Nach den Ermittlungen und Beobachtungen des Auswärtigen Amtes sei die ISYF seit der Jahrtausendwende nicht mehr in terroristische Aktivitäten verwickelt.
Das Regierungspräsidium ... wies den Kläger mit Verfügung vom 14.09.2007 aus der Bundesrepublik Deutschland aus und lehnte seinen Antrag auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 04.08.2006 ab.
Zur Begründung wurde ausgeführt, nach § 54 Nr. 5 AufenthG werde ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigten, dass er einer Vereinigung angehöre oder angehört habe, die den Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze oder unterstützt habe, wobei die Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden könne, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründeten. Die ISYF sei eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze. Sie habe terroristische Aktivitäten bislang vorwiegend in Indien entwickelt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei davon auszugehen, dass die ISYF an den Vorbereitungen des Anschlags auf den indischen Botschafter in Bukarest im Jahre 1991 beteiligt gewesen sei. Das Auswärtige Amt führe in seinem Lagebericht Indien vom 19.11.2006 aus, dass die terroristische Gewalt im Punjab seit 2000 nahezu vollständig zum Erliegen gekommen sei und sich die dortige Situation normalisiert habe. Die Angehörigen der verschiedenen militanten Gruppen hätten den Punjab verlassen, operierten jedoch aus anderen Bundesstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhielten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland. Deutschland diene hier lebenden Sikh-Extremisten als Ruhe- und Finanzierungsbasis. Die deutsche Sektion der ISYF sammle hauptsächlich Spenden zur Unterstützung der Mutterorganisation in Indien, fördere also den Terrorismus durch Zurverfügungstellung von Geld. Darüber hinaus organisiere sie gemeinsam mit anderen extremistischen Sikh-Gruppen regelmäßig auch überregionale öffentliche Veranstaltungen und Protestdemonstrationen anlässlich indischer Nationalfeiertage. Die ISYF werde von der Europäischen Union als terroristische Organisation angesehen (vgl. Gemeinsamer Standpunkt 2007/448/GASP des Rates vom 28.06.2007). Auch in Indien werde die ISYF als terroristische Organisation in der Anlage zum Unlawful Activities Prevention Act von 1967 eingestuft.
10 
Der Kläger sei Mitglied der ISYF und unterstütze diese. Er sei bereits in Indien für die ISYF tätig gewesen. In ... sei er am 25.04.2005 zum Präsidenten der ISYF gewählt worden. Die Unterstützungshandlungen für die ISYF seien dem Kläger auch zurechenbar. Aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit für die ISYF sowie seiner herausragenden Funktion in dieser Vereinigung seien dem Kläger auch deren terroristische Bestrebungen bekannt. Auch aufgrund seiner Aussagen im Rahmen der Anhörung im Asylverfahren wisse er, dass die ISYF zur Realisierung ihrer Ziele den gewaltsamen Weg befürworte und er legitimiere sogar selbst den Einsatz der Gewalt zur Erreichung eines unabhängigen Khalistan. Es sei nicht erkennbar, dass sich der Kläger von der ISYF oder deren Zielen abgekehrt habe.
11 
Ein besonderer Ausweisungsschutz greife beim Kläger nicht. Ein Ausnahmefall vom Regelfall liege ebenfalls nicht vor. Die Ausweisung sei auch aus generalpräventiven Gründen gerechtfertigt. Eine Atypik folge nicht aus der Lebenssituation des Klägers. Es werde nicht verkannt, dass die Familie des Klägers seit rund sechs Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet lebe und sein in Deutschland geborener Sohn aufgrund eines angeborenen Herzfehlers medizinischer Versorgung bedürfe. Eine nachhaltige wirtschaftliche Integration habe nicht stattgefunden. Seit geraumer Zeit lebe der Kläger von Sozialhilfe. Wegen des bestehenden Abschiebeverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG scheide eine Beendigung seines Aufenthalts derzeit aus. Auch in dem Falle, dass der Kläger Deutschland bei Entfallen einer Foltergefahr verlassen müsse, liege kein Ausnahmefall vor. Eine Trennung von seiner Familie oder eine gemeinsame Rückkehr in das Heimatland wäre aufgrund der von ihm ausgehenden Gefahr nicht unverhältnismäßig. Auch eine gemeinsame Rückkehr mit der Familie stelle keine unverhältnismäßige Härte dar. Das bestehende Abschiebeverbot stelle ebenfalls keinen besonderen Umstand dar, der den Kläger entlaste.
12 
Hilfsweise sei die Ausweisung auch im Ermessenswege und unter Abwägung der in § 55 Abs. 3, § 60 a Abs. 2 AufenthG genannten Kriterien gerechtfertigt (wird ausgeführt). Die Ausweisung stehe auch in Einklang mit Art. 6 GG und Art. 8 EMRK (wird ausgeführt).
13 
Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sei abzulehnen. Zwar seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG erfüllt. Einer Erteilung stehe jedoch der besondere Versagungsgrund des § 25 Abs. 3 Satz 2 c AufenthG entgegen. Danach werde eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigten, dass sich der Ausländer Handlungen zuschulden habe kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Art. 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert seien, zuwiderliefen. Die Unterstützung terroristischer Vereinigungen widerspreche diesen Zielen und Grundsätzen. Durch die Mitgliedschaft in der ISYF und aufgrund seiner exponierten Aktivitäten für diese terroristische Organisation habe er eine Handlung begangen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufe.
14 
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG komme ebenfalls nicht in Betracht. § 25 Abs. 3 AufenthG schließe die Anwendbarkeit dieser Vorschrift aus. Zudem sei die Aufenthaltserlaubnis wegen § 5 Abs. 4 AufenthG zwingend zu versagen. Die Verfügung wurde am 27.09.2007 zugestellt.
15 
Der Kläger hat am 29.10.2007, einem Montag, Klage beim Verwaltungsgericht ... erhoben. Zur Begründung trägt der Prozessbevollmächtigte des Klägers vor, § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchstabe c AufenthG stehe der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nur entgegen, wenn vom Ausländer eine aktuelle Gefährdung ausgehe. Dies ergebe sich aus dem Sinn und Zweck der Norm, die der Bekämpfung des Terrorismus im Vorfeld diene. Dies werde auch aus der Fassung des § 54 Nr. 5 AufenthG deutlich. Entgegen der Auffassung des Beklagten gehe von der Mitgliedschaft des Klägers in der ISYF derzeit keine Gefährdung für die Ziele der Vereinten Nationen aus. Vermutungen, auch wenn sie auf schwerwiegende Anhaltspunkte gestützt würden, reichten für einen Eingriff in die Rechtsgüter von Personen nicht aus. Der Terrorismusvorbehalt sei eng auszulegen. Selbst bei weiter Auslegung des Terrorismusvorbehalts sei eine gegenwärtige Gefahr durch den Kläger in der ISYF nicht feststellbar. Von dieser Organisation gehe ausweislich der jüngsten Lageberichte des Auswärtigen Amtes keine terroristische Gefahr mehr aus. Vielmehr sei sie seit Jahren nur noch politisch tätig, nicht mehr militant.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
den Bescheid des Regierungspräsidiums ... vom 14.09.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
18 
Der Beklagte beantragt,
19 
die Klage abzuweisen.
20 
Zur Begründung verweist der Beklagte zunächst auf die Begründung des angefochtenen Bescheides. Ergänzend führt er aus, der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG sei vor dem Hintergrund der Resolution Nr. 1373/2001 des UN-Sicherheitsrats zur Bekämpfung des Terrorismus zu sehen. In den Blick zu nehmen sei auch der gemeinsame Standpunkt des Rates vom 27.12.2001 (2001/931/GASP), der zur Umsetzung der Resolution des UN-Sicherheitsrats beschlossen worden sei. Der Rat sei zu dem Schluss gelangt, dass die ISYF an Handlungen i.S. des gemeinsamen Standpunktes beteiligt gewesen sei und deshalb die Maßnahmen nach der Verordnung 2580/2001/EG nach dem Beschluss des Rates vom 26.01.2009 (2009/62/EG) weiterhin auf die ISYF angewendet werden solle. Die Liste nach Art. 2 Abs. 3 der Verordnung 2580/2001/EG habe als Teil einer Verordnung nach § 249 Abs. 2 EGV unmittelbar geltende Wirkung mit dem Vorrang vor dem Bundesrecht.
21 
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung einer Auskunft beim Auswärtigen Amt. Auf den Beweisbeschluss der Kammer vom 23.06.2009 und die Antwort des Auswärtigen Amtes vom 14.09.2009 wird verwiesen.
22 
Der Kammer hat die Ausweisungsakte des Regierungspräsidiums ..., die Ausländerakte der Stadt ... (bis Blatt 529) sowie die Gerichtsakte aus dem Verfahren ... vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird darauf sowie auf die Gerichtsakte aus dem Klageverfahren verwiesen.
23 
Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung eingehend zu seinen aktuellen Aktivitäten für die ISYF befragt worden. Fragen wurden teilweise nur auf mehrmaliges Nachfragen ausreichend beantwortet. Als Ergebnis der Befragung des Klägers kann zusammenfassend das Folgende festgehalten werden: Er spiele in der ISYF keine Rolle mehr. Er habe seine Aktivitäten für die ISYF vermindert. Dies sei nach der Geburt seines jüngsten Kindes im Jahr 2007 gewesen, das an einer Herzkrankheit leide. Seit Ende 2007 sei er nicht mehr der Vorsitzende der ISYF in ... Nachfolger in seiner ISYF-Gruppierung in ... sei ... geworden. Daneben gebe es noch eine weitere ISYF-Gruppierung in ... mit ... als Vorsitzendem. Er glaube, dass sein Nachfolger bei einem Treffen im April 2008 bestimmt worden sei. Er gehe noch zu Veranstaltungen und verteile Flyer. Die Veranstaltungen fänden hauptsächlich in ... statt. Mitgliederbeiträge bezahle er nicht, er sei aber noch Mitglied. Er spende Geld für die Herstellung der Flyer. Die Fahrtkosten für die Teilnahme an den Veranstaltungen in ... bezahle er selbst.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die - fristgerecht erhobene - Klage ist zulässig und begründet. Die Ausweisung des Klägers ist rechtswidrig (1.). Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG (2.).
1.
25 
Nach § 54 Nr. 5 AufenthG wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat (Halbsatz 1). Auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen (Halbsatz 2).
26 
Diese Voraussetzungen liegen im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht vor. § 54 Nr. 5 AufenthG greift nur ein, wenn eine Unterstützung des Terrorismus im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch vorliegt. Hierzu reicht es nicht aus, dass ein Ausländer einer Organisation angehört, die früher den Terrorismus unterstützt hat. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 54 Nr. 5 Halbsatz 1 AufenthG, der von einer gegenwärtigen Gefahr durch die Stützung des Terrorismus ausgeht („die den Terrorismus unterstützt“). Es folgt auch aus dem Zweck der Ausweisungsvorschriften, die der Gefahrenabwehr in der Zukunft dienen und nicht der bloßen Sanktionierung eines Verhaltens aus der Vergangenheit. Dass die Unterstützung des Terrorismus im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts noch vorliegen muss, folgt auch aus dem Halbsatz 2 des § 54 Nr. 5 AufenthG. Dort wird vorausgesetzt, dass vom Ausländer eine gegenwärtige Gefährlichkeit ausgehen muss, wenn seine Mitgliedschaft oder Unterstützungshandlungen einer den Terrorismus unterstützenden Vereinigung in der Vergangenheit liegen. Die gegenwärtige Gefahr entfällt aber auch dann, wenn die Organisation selbst den Terrorismus nicht mehr unterstützt. Der Nachweis der Unterstützung des Terrorismus ist zwar nicht erforderlich, da es ausreicht, wenn Tatsachen eine solche Schlussfolgerung rechtfertigen. Es müssen aber Tatsachen feststellbar sein, auf die eine solche Schlussfolgerung gestützt werden kann. Der nicht durch Tatsachen belegte Verdacht reicht nicht aus.
27 
Es kann derzeit nicht festgestellt werden, dass die ISYF, deren Mitglied der Kläger noch ist, den Terrorismus (noch) unterstützt. Es kann daher offen bleiben, ob sich der Kläger, der zumindest früher exponierter Funktionär der ISYF in ... war - er wurde im April 2005 zum Vorstand der Unterorganisation der ISYF in ... bestimmt (vgl. Urteil ... ... vom 26.05.2006 - ... -) - in einem Sinne von der ISYF distanziert hat, dass ihm die Unterstützung des Terrorismus durch die ISYF, unterstellt sie würde den Terrorismus noch unterstützen, nicht mehr zugerechnet werden könnte. Käme es darauf an, bestünden auch aufgrund des Verhaltens des Klägers in der mündlichen Verhandlung erhebliche Zweifel daran, ob eine Distanzierung des Klägers von derartigen Zielen der ISYF vorläge. Bei seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung gab der Kläger zu Zweifeln an seiner Bereitschaft Anlass, sein Verhältnis zur ISYF ehrlich darzustellen.
28 
Für die Beurteilung der Frage, ob es sich bei der ISYF gegenwärtig um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, wertet die Kammer die ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel aus. Eine rechtliche Bindung an einzelne Erkenntnismittel besteht nicht.
29 
Dies gilt insbesondere für den gemeinsamen Standpunkt 2008/586/GASP des Rates vom 15.07.2008 (ABl. vom 16.07.2008, L 188/71) zur Aktualisierung des gemeinsamen Standpunktes 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des gemeinsamen Standpunkts 2007/871/GASP. Der gemeinsame Standpunkt 2001/931/GASP des Rates vom 27.12.2001 (vgl. ABl. vom 28.12.2001, L 344/93) enthält einen Anhang mit Personen, Vereinigungen und Körperschaften, auf die der gemeinsame Standpunkt Anwendung findet. Jedenfalls seit der Aktualisierung durch den gemeinsamen Standpunkt 2008/586/GASP gehört auch die International Sikh Youth Federation - ISYF - zu den Gruppen und Organisationen, auf die der genannte gemeinsame Standpunkt Anwendung findet. Die gemeinsamen Standpunkte des Rates beruhen auf Art. 15 EUV. Nach dieser Vorschrift nimmt der Rat gemeinsame Standpunkte an. In den gemeinsamen Standpunkten wird das Konzept der Union für eine bestimmte Frage geografischer oder thematischer Art bestimmt. Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass ihre einzelstaatliche Politik mit dem gemeinsamen Standpunkt in Einklang steht. Aus Art. 15 Satz 3 EUV ist der Schluss zu ziehen, dass eine Bindung der innerstaatlichen Gerichte an Inhalte eines gemeinsamen Standpunktes nicht besteht. Der gemeinsame Standpunkt ist gerichtet an die Mitgliedstaaten, die ihn erst in innerstaatliche Politik umsetzen müssen. Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Bedeutung gemeinsamer Standpunkte liegt, soweit es der Kammer erkennbar ist, nicht vor. In seinem Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - (InfAuslR 2005, 374) hat sich das Bundesverwaltungsgericht zu den gemeinsamen Standpunkten 2005/220/GASP und 2001/931/GASP nur in dem Sinne geäußert, dass der Verwaltungsgerichtshof, an den das Verfahren zurückverwiesen wurde, sich mit den Beschlüssen des Rates der Europäischen Union über Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus befassen müsse. Die Annahme einer rechtlichen Bindungswirkung folgt aus dem Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts an den Verwaltungsgerichtshof nicht. Eine Bindungswirkung an einen gemeinsamen Standpunkt wird auch in der Kommentarliteratur nicht vertreten. Diescher in GK-Aufenthaltsgesetz (Loseblattsammlung, Stand Januar 2007, § 54 Rdnr. 435) spricht unter Hinweis auf das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) nur davon, dass der Anhang zum Standpunkt 2001/931/GASP bei der Beurteilung, ob eine Vereinigung den Terrorismus unterstützt, zu berücksichtigen sei.
30 
Die Kammer geht weiter davon aus, dass auch der Beschluss des Rates vom 26.01.2009 zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung EG Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Beschlusses 2008/583/EG (2009/62/EG, ABl. vom 27.01.2009, L 23/25) für die Beurteilung der Zulässigkeit der Ausweisung des Klägers die Kammer nicht verpflichtet, davon auszugehen, dass es sich bei der ISYF aktuell um eine terroristische Vereinigung handelt. Im Unterschied zum gemeinsamen Standpunkt ist eine EG-Verordnung nach § 249 EGV verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. An dieser Geltung nimmt auch die Liste, die durch den Beschluss des Rates vom 26.01.2009 (2009/62/EG) in Ausübung der Befugnisse aus Art. 2 Abs. 3 der Verordnung 2580/2001/EG aufgestellt wurde, teil. Die Verbindlichkeit der Einordnung der ISYF als terroristische Vereinigung beschränkt sich aber auf die Maßnahmen, die nach der Verordnung 2580/2001/EG zu ergreifen sind. Ausländerrechtliche Maßnahmen wie z.B. die Ausweisung sind in dieser Verordnung nicht geregelt.
31 
Für die hier zu treffende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Ausweisung des Klägers liefern die Aufnahme der ISYF in die Listen zum oben zitierten gemeinsamen Standpunkt und zur oben zitierten Verordnung der EG Hinweise, die neben anderen Erkenntnisquellen zu würdigen sind.
32 
Das Auswärtige Amt macht in seinen Lageberichten zur ISYF folgende Aussagen:
33 
Lageberichte Indien vom 07.09.2004 (Seite 8) und vom 19.10.2005 (Seite 10)
34 
„Die bekanntesten militanten Oppositionsgruppen, von denen manche auch im Ausland vertreten sind, sind die folgenden:
35 
36 
- Im Zusammenhang mit dem Punjab sind vor allem die Babbar Khalsa, die Khalistan Liberation Force, die International Sikh Youth Federation und die Bhindranwale Tiger Force of Khalistan politisch aktiv (nicht mehr terroristisch), die für einen eigenständigen Staat Khalistan eintreten …“.
37 
Lagebericht Indien vom 06.08.2008
38 
„Nachdem der Terrorismus im Punjab, der auf die Unabhängigkeit von Khalistan abzielte, in den 1980er-Jahren niedergeschlagen wurde, ist die terroristische Gewalt im Punjab seit 2000 nahezu vollständig zum Erliegen gekommen. Ein Anschlag auf ein Kino in Neu-Delhi im Mai 2005, der der Terrorgruppe Babbar Khalsa zugeschrieben wird, hat zu keiner weiteren Gewalt geführt. Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen dort einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen. Die Angehörigen der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Bundesstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland“ (Seite 6).
39 
„Am 21. September 2004 hat die neue Regierung das umstrittene Terrorbekämpfungsgesetz Prevention of Terrorism Act [POTA], 2002, per Regierungsverordnung außer Kraft gesetzt … Die materiell-rechtlichen Regelungen von POTA wurden in den Unlawful Activities Prevention Act (UAA), 1967, überführt … Die unter POTA gelisteten 32 terroristischen Organisationen werden weiterhin als terroristische Vereinigungen eingestuft …“ (Seite 10).
40 
„Die bekanntesten militanten Oppositionsgruppen, von denen manche auch im Ausland vertreten sind, sind die folgenden:
41 
42 
- Im Zusammenhang mit dem Punjab sind vor allem die Babbar Khalsa, die Khalistan Commando Force, die International Sikh Youth Federation und die Khalistan Zindabad Force zu nennen, die für einen eigenständigen Staat Khalistan eintreten …“ (Seite 12).
43 
„Das britische Home Office nennt als weitere bedeutende militante Sikh-Organisationen die Khalistan Commando Force (Paramjit Singh Panjwar Fraktion), Khalistan Commando Force (Zaffarwal und Rajasthai Gruppe), Khalistan Liberation Force, Bhindranwale Tiger Force of Khalistan, All India Sikh Student Federation (Manjit und Mehta Chawla), sowie die Sikh Student Federation“ (Seite 25; nach der Anlage 2 zum Lagebericht gehört die ISYF zu den nach dem UAA als terroristische Organisationen verbotenen Organisationen).
44 
Der Lagebericht Indien des Auswärtigen Amtes vom 04.10.2009 trifft zur vorliegend relevanten Problematik im Wesentlichen nur die Aussage, „Der Sikh-Terrorismus im Punjab ist seit Ende der 1990er-Jahre nahezu zum Erliegen gekommen“. Daneben enthält er unter der Überschrift 1.9 „Exilgruppen“ in Bezug auf die Gruppen, die sich mit der Punjab-Problematik befassen, die gleiche Aufzählung, die oben aus dem Lagebericht des Vorjahres bereits zitiert wurde (Lagebericht vom 04.10.2009, Seite 16 f.).
45 
In der von der Kammer eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 14.09.2009 wird das Bild, das sich aus den Lageberichten ergibt, nochmals bestätigt. Dem Auswärtigen Amt liegen keinerlei eigene Erkenntnisse über terroristische Aktivitäten in der ISYF seit dem Jahr 2000 vor.
46 
Der aktuelle Verfassungsschutzbericht 2008 des Bundesministeriums des Innern enthält zu Sikh-Organisationen, zu denen auch die International Sikh Youth Federation gehört, folgende Aussagen:
47 
„Extremistische Organisationen aus dem Spektrum der Religionsgemeinschaft der Sikhs kämpfen seit Jahrzehnten auch mit terroristischen Mitteln dafür, einen unabhängigen Staat „Khalistan“ auf dem Gebiet des nordindischen Bundesstaates Punjab zu errichten. Mit Attentaten gegen Mitglieder der indischen Regierung und terroristischen Anschlägen, die sich bisher überwiegend gegen Einrichtungen und Ziele in Indien richteten, versuchten sie auf ihre politischen Ziele aufmerksam zu machen. Bei diesen Anschlägen ist es immer wieder zu zahlreichen Todesopfern unter der Zivilbevölkerung gekommen.
48 
In Deutschland sind primär die von der EU seit dem 02. Mai 2002 als terroristische Organisationen gelisteten BKI und ISYF mit zusammen ca. 750 Anhängern aktiv. Im Vergleich hierzu ist die KMDI mit ihrer geringen Anhängerschaft und selteneren Aktivität kaum in Erscheinung getreten.
49 
Bisher sind von diesen Organisationen im Bundesgebiet keine terroristischen Aktionen ausgegangen.
50 
Hauptziel dieser Sikh-Gruppierung in Deutschland ist es, die jeweilige Mutterorganisation in Indien propagandistisch und vor allem auch finanziell zu unterstützen. In regelmäßig durchgeführten Versammlungen wird u.a. auch zu Geldspenden aufgerufen. Einen Teil dieser Gelder dürften die Mutterorganisationen in Indien auch zur Finanzierung des bewaffneten Kampfes verwenden. Daneben dienen solche Spendengelder auch zur Unterstützung und materiellen Absicherung von Angehörigen der im bewaffneten Kampf getöteten 'Märtyrer' der Organisation oder zur Finanzierung von Rechtshilfe für inhaftierte Glaubensbrüder“ (Seite 305 und 306).
51 
Der Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2008 enthält folgende Ausführungen:
52 
„5. Sikh-Organisationen
53 
54 
International Sikh Youth Federation (ISYF)… Die Bestrebungen extremistischer Gruppierungen der Sikh, im indischen Bundesstaat Punjab einen eigenen Staat Khalistan (Land der Reinen) zu gründen, führten in den vergangenen 20 Jahren zu unzähligen gewalttätigen Übergriffen von Sikh-Kämpfern und Auseinandersetzungen mit indischen Sicherheitskräften, bei denen eine Vielzahl von Separatisten festgenommen oder getötet wurde. Auch im Jahr 2008 wurden dort wieder Aktivisten der International Sikh Youth Federation (ISYF) und der Babbar Khalsa (BKI) wegen angeblich verübter Bombenanschläge inhaftiert, was aber zur Folge hatte, dass diese Organisationen zumindest im Heimatland vermehrt Zulauf und Sympathisanten erhielten. Terroristische Aktivitäten außerhalb Indiens sind in den letzten Jahren nicht bekannt geworden. Aufgrund ihrer terroristischen Aktivitäten fällt die ISYF in Indien unter den 'Activities Act' vom 22. März 2002 und ist außerdem in Großbritannien durch den 'Terrorism Act 2000' verboten. Da sowohl die Babbar Khalsa (BKI) als auch die ISYF vor Jahren noch außerhalb Indiens am häufigsten im Zusammenhang mit terroristischen Aktionen hervorgetreten sind, wurden beide Gruppierungen von der Europäischen Union in die Liste der terroristischen Organisationen aufgenommen.
55 
… Darüber hinaus nutzten Funktionäre sogenannte Märtyrer-Gedenkveranstaltungen in den Sikh-Tempeln als politische Plattform und zum Aufruf zu Spendensammlungen und Unterstützung der Angehörigen gefallener Kämpfer und der Organisationen in der Heimat“.
56 
Nach dem Home Office Country of Origin Information Report - India vom 12. Mai 2009 gehört die ISYF zu den Organisationen, die im Vereinigten Königreich nach dem „Terrorism Act 2000“ verboten sind (vgl. Seite 133).
57 
Nach Auswertung und Gewichtung dieser Erkenntnismittel kann die Kammer nicht feststellen, dass es sich bei der ISYF um eine Vereinigung handelt, die aktuell den Terrorismus unterstützt oder bei der dies in absehbarer Zeit zu erwarten ist. Das Auswärtige Amt hat seit mindestens 10 Jahren keine Anhaltspunkte dafür, dass die ISYF (noch) terroristisch tätig ist. Der Terrorismus in Punjab, durch den noch Anfang der 90er Jahre zahlreiche Personen ums Leben gekommen sind, ist danach nahezu zum Erliegen gekommen. Dies wurde nochmals auf die Anfrage der Kammer bestätigt. In zwei Lageberichten geht das Auswärtige Amt sogar davon aus, dass die ISYF nur noch politisch tätig sei. Konkrete Hinweise auf terroristische Aktivitäten der ISYF haben die anderen, oben zitierten Erkenntnisquellen nicht bzw. es ist nicht erkennbar, auf welchen konkreten Tatsachen die Einschätzung beruht, die ISYF sei noch terroristisch tätig. Die beiden zitierten Verfassungsschutzberichte erwecken den Eindruck, als gebe es eine kontinuierliche Linie terroristische Aktivitäten der ISYF seit dem Auftreten des Terrorismus zu Beginn der 80er Jahre. Der Verfassungsschutzbericht des Landes Baden-Württemberg spricht von unzähligen gewalttätigen Übergriffen in den vergangen 20 Jahren. Dem Auswärtigen Amt, das die Lage vor Ort beobachtet, sind aber jedenfalls in den letzen 10 Jahren keine solchen Aktivitäten der ISYF bekannt oder sonstiger Vereinigungen im Zusammenhang mit der Khalistan-Frage bekannt geworden. Die Verhaftungen von Aktivisten der ISYF und der BKI in Indien im Jahr 2008, auf die der Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg hinweist, sagen nichts darüber aus, wann es zu den vorgeworfenen Anschlägen gekommen ist. Letztendlich müssen aber Tatsachen die Schlussfolgerung der Unterstützung des Terrorismus rechtfertigen. Solche Tatsachen, die vom Gericht bewertet werden können, liegen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht vor. Die oben zitierten Erkenntnisse, die die Lage anders als das Auswärtige Amt bewerten, versetzen das Gericht nicht durch Nennung von Tatsachen in die Lage, eine eigene Einschätzung der Situation vorzunehmen. Es reicht nicht aus, dass lediglich nicht ausgeschlossen werden kann, dass es wieder zu terroristischen Aktivitäten kommen kann. Hier ist auch der lange Zeitraum zu würdigen, in dem es keine Anhaltspunkte für terroristische Aktivitäten der ISYF gibt. Insofern hat sich die Lage seit dem Ergehen des Urteils vom 15.10.2003 - ... -, in dem die Kammer noch zu einer anderen Einschätzung gelangt ist, geändert.
58 
Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Abs. 5 AufenthG für eine Regelausweisung nicht vor, gibt es mangels Gefährlichkeit des Klägers auch keinen Anlass für die hilfsweise erfolgte Ermessensausweisung des Klägers.
2.
59 
Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG. Danach soll einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG vorliegt. Beim Kläger liegt aufgrund des Urteils ... ... vom 26.05.2006 - ... - ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG vor. Gründe, von der Regel („soll“) des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG abzuweichen, sind nicht erkennbar.
60 
Ein Ausschlussgrund nach § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, insbesondere ein solcher nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchstabe c AufenthG, liegt nicht vor. Nach der zuletzt genannten Vorschrift wird eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer sich Handlungen hat zuschulden kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel oder den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen. Den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen laufen Handlungen zuwider, die geeignet sind, den Terrorismus zu fördern (vgl. Urteil ... ... 15.10.2003 - ...). Solche Handlungen des Klägers lassen sich nicht feststellen. Im Zeitraum, in dem ihm aufgrund einer exponierten Stellung in der ISYF (Präsident der ISYF in ... ab April 2005) den Terrorismus fördernde Handlungen der ISYF hätten zugerechnet werden können (vgl. Urteil ... ... 15.10.2003 - ...), lassen sich aufgrund der obigen Ausführungen nicht feststellen.
61 
Von den Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG ist nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 AufenthG abzusehen.
3.
62 
Das Verfahren hat wegen der Frage der Bedeutung der Anhänge zur Verordnung 2580/2001/EG für das Vorliegen des Regelausweisungsgrundes § 54 Nr. 5 AufenthG und wegen der Frage, ob es sich bei der ISYF um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus fördert, grundsätzliche Bedeutung. Die Berufung ist daher zuzulassen (§ 124a Abs. 1 in Verbindung mit § 124 abs. 2 Nr. 3 VwGO).
63 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Kammer macht von der Möglichkeit des § 167 Abs. 2 VwGO, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, keinen Gebrauch.

Gründe

 
24 
Die - fristgerecht erhobene - Klage ist zulässig und begründet. Die Ausweisung des Klägers ist rechtswidrig (1.). Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG (2.).
1.
25 
Nach § 54 Nr. 5 AufenthG wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat (Halbsatz 1). Auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen (Halbsatz 2).
26 
Diese Voraussetzungen liegen im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht vor. § 54 Nr. 5 AufenthG greift nur ein, wenn eine Unterstützung des Terrorismus im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch vorliegt. Hierzu reicht es nicht aus, dass ein Ausländer einer Organisation angehört, die früher den Terrorismus unterstützt hat. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 54 Nr. 5 Halbsatz 1 AufenthG, der von einer gegenwärtigen Gefahr durch die Stützung des Terrorismus ausgeht („die den Terrorismus unterstützt“). Es folgt auch aus dem Zweck der Ausweisungsvorschriften, die der Gefahrenabwehr in der Zukunft dienen und nicht der bloßen Sanktionierung eines Verhaltens aus der Vergangenheit. Dass die Unterstützung des Terrorismus im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts noch vorliegen muss, folgt auch aus dem Halbsatz 2 des § 54 Nr. 5 AufenthG. Dort wird vorausgesetzt, dass vom Ausländer eine gegenwärtige Gefährlichkeit ausgehen muss, wenn seine Mitgliedschaft oder Unterstützungshandlungen einer den Terrorismus unterstützenden Vereinigung in der Vergangenheit liegen. Die gegenwärtige Gefahr entfällt aber auch dann, wenn die Organisation selbst den Terrorismus nicht mehr unterstützt. Der Nachweis der Unterstützung des Terrorismus ist zwar nicht erforderlich, da es ausreicht, wenn Tatsachen eine solche Schlussfolgerung rechtfertigen. Es müssen aber Tatsachen feststellbar sein, auf die eine solche Schlussfolgerung gestützt werden kann. Der nicht durch Tatsachen belegte Verdacht reicht nicht aus.
27 
Es kann derzeit nicht festgestellt werden, dass die ISYF, deren Mitglied der Kläger noch ist, den Terrorismus (noch) unterstützt. Es kann daher offen bleiben, ob sich der Kläger, der zumindest früher exponierter Funktionär der ISYF in ... war - er wurde im April 2005 zum Vorstand der Unterorganisation der ISYF in ... bestimmt (vgl. Urteil ... ... vom 26.05.2006 - ... -) - in einem Sinne von der ISYF distanziert hat, dass ihm die Unterstützung des Terrorismus durch die ISYF, unterstellt sie würde den Terrorismus noch unterstützen, nicht mehr zugerechnet werden könnte. Käme es darauf an, bestünden auch aufgrund des Verhaltens des Klägers in der mündlichen Verhandlung erhebliche Zweifel daran, ob eine Distanzierung des Klägers von derartigen Zielen der ISYF vorläge. Bei seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung gab der Kläger zu Zweifeln an seiner Bereitschaft Anlass, sein Verhältnis zur ISYF ehrlich darzustellen.
28 
Für die Beurteilung der Frage, ob es sich bei der ISYF gegenwärtig um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, wertet die Kammer die ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel aus. Eine rechtliche Bindung an einzelne Erkenntnismittel besteht nicht.
29 
Dies gilt insbesondere für den gemeinsamen Standpunkt 2008/586/GASP des Rates vom 15.07.2008 (ABl. vom 16.07.2008, L 188/71) zur Aktualisierung des gemeinsamen Standpunktes 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des gemeinsamen Standpunkts 2007/871/GASP. Der gemeinsame Standpunkt 2001/931/GASP des Rates vom 27.12.2001 (vgl. ABl. vom 28.12.2001, L 344/93) enthält einen Anhang mit Personen, Vereinigungen und Körperschaften, auf die der gemeinsame Standpunkt Anwendung findet. Jedenfalls seit der Aktualisierung durch den gemeinsamen Standpunkt 2008/586/GASP gehört auch die International Sikh Youth Federation - ISYF - zu den Gruppen und Organisationen, auf die der genannte gemeinsame Standpunkt Anwendung findet. Die gemeinsamen Standpunkte des Rates beruhen auf Art. 15 EUV. Nach dieser Vorschrift nimmt der Rat gemeinsame Standpunkte an. In den gemeinsamen Standpunkten wird das Konzept der Union für eine bestimmte Frage geografischer oder thematischer Art bestimmt. Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass ihre einzelstaatliche Politik mit dem gemeinsamen Standpunkt in Einklang steht. Aus Art. 15 Satz 3 EUV ist der Schluss zu ziehen, dass eine Bindung der innerstaatlichen Gerichte an Inhalte eines gemeinsamen Standpunktes nicht besteht. Der gemeinsame Standpunkt ist gerichtet an die Mitgliedstaaten, die ihn erst in innerstaatliche Politik umsetzen müssen. Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Bedeutung gemeinsamer Standpunkte liegt, soweit es der Kammer erkennbar ist, nicht vor. In seinem Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - (InfAuslR 2005, 374) hat sich das Bundesverwaltungsgericht zu den gemeinsamen Standpunkten 2005/220/GASP und 2001/931/GASP nur in dem Sinne geäußert, dass der Verwaltungsgerichtshof, an den das Verfahren zurückverwiesen wurde, sich mit den Beschlüssen des Rates der Europäischen Union über Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus befassen müsse. Die Annahme einer rechtlichen Bindungswirkung folgt aus dem Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts an den Verwaltungsgerichtshof nicht. Eine Bindungswirkung an einen gemeinsamen Standpunkt wird auch in der Kommentarliteratur nicht vertreten. Diescher in GK-Aufenthaltsgesetz (Loseblattsammlung, Stand Januar 2007, § 54 Rdnr. 435) spricht unter Hinweis auf das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) nur davon, dass der Anhang zum Standpunkt 2001/931/GASP bei der Beurteilung, ob eine Vereinigung den Terrorismus unterstützt, zu berücksichtigen sei.
30 
Die Kammer geht weiter davon aus, dass auch der Beschluss des Rates vom 26.01.2009 zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung EG Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Beschlusses 2008/583/EG (2009/62/EG, ABl. vom 27.01.2009, L 23/25) für die Beurteilung der Zulässigkeit der Ausweisung des Klägers die Kammer nicht verpflichtet, davon auszugehen, dass es sich bei der ISYF aktuell um eine terroristische Vereinigung handelt. Im Unterschied zum gemeinsamen Standpunkt ist eine EG-Verordnung nach § 249 EGV verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. An dieser Geltung nimmt auch die Liste, die durch den Beschluss des Rates vom 26.01.2009 (2009/62/EG) in Ausübung der Befugnisse aus Art. 2 Abs. 3 der Verordnung 2580/2001/EG aufgestellt wurde, teil. Die Verbindlichkeit der Einordnung der ISYF als terroristische Vereinigung beschränkt sich aber auf die Maßnahmen, die nach der Verordnung 2580/2001/EG zu ergreifen sind. Ausländerrechtliche Maßnahmen wie z.B. die Ausweisung sind in dieser Verordnung nicht geregelt.
31 
Für die hier zu treffende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Ausweisung des Klägers liefern die Aufnahme der ISYF in die Listen zum oben zitierten gemeinsamen Standpunkt und zur oben zitierten Verordnung der EG Hinweise, die neben anderen Erkenntnisquellen zu würdigen sind.
32 
Das Auswärtige Amt macht in seinen Lageberichten zur ISYF folgende Aussagen:
33 
Lageberichte Indien vom 07.09.2004 (Seite 8) und vom 19.10.2005 (Seite 10)
34 
„Die bekanntesten militanten Oppositionsgruppen, von denen manche auch im Ausland vertreten sind, sind die folgenden:
35 
36 
- Im Zusammenhang mit dem Punjab sind vor allem die Babbar Khalsa, die Khalistan Liberation Force, die International Sikh Youth Federation und die Bhindranwale Tiger Force of Khalistan politisch aktiv (nicht mehr terroristisch), die für einen eigenständigen Staat Khalistan eintreten …“.
37 
Lagebericht Indien vom 06.08.2008
38 
„Nachdem der Terrorismus im Punjab, der auf die Unabhängigkeit von Khalistan abzielte, in den 1980er-Jahren niedergeschlagen wurde, ist die terroristische Gewalt im Punjab seit 2000 nahezu vollständig zum Erliegen gekommen. Ein Anschlag auf ein Kino in Neu-Delhi im Mai 2005, der der Terrorgruppe Babbar Khalsa zugeschrieben wird, hat zu keiner weiteren Gewalt geführt. Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen dort einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen. Die Angehörigen der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Bundesstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland“ (Seite 6).
39 
„Am 21. September 2004 hat die neue Regierung das umstrittene Terrorbekämpfungsgesetz Prevention of Terrorism Act [POTA], 2002, per Regierungsverordnung außer Kraft gesetzt … Die materiell-rechtlichen Regelungen von POTA wurden in den Unlawful Activities Prevention Act (UAA), 1967, überführt … Die unter POTA gelisteten 32 terroristischen Organisationen werden weiterhin als terroristische Vereinigungen eingestuft …“ (Seite 10).
40 
„Die bekanntesten militanten Oppositionsgruppen, von denen manche auch im Ausland vertreten sind, sind die folgenden:
41 
42 
- Im Zusammenhang mit dem Punjab sind vor allem die Babbar Khalsa, die Khalistan Commando Force, die International Sikh Youth Federation und die Khalistan Zindabad Force zu nennen, die für einen eigenständigen Staat Khalistan eintreten …“ (Seite 12).
43 
„Das britische Home Office nennt als weitere bedeutende militante Sikh-Organisationen die Khalistan Commando Force (Paramjit Singh Panjwar Fraktion), Khalistan Commando Force (Zaffarwal und Rajasthai Gruppe), Khalistan Liberation Force, Bhindranwale Tiger Force of Khalistan, All India Sikh Student Federation (Manjit und Mehta Chawla), sowie die Sikh Student Federation“ (Seite 25; nach der Anlage 2 zum Lagebericht gehört die ISYF zu den nach dem UAA als terroristische Organisationen verbotenen Organisationen).
44 
Der Lagebericht Indien des Auswärtigen Amtes vom 04.10.2009 trifft zur vorliegend relevanten Problematik im Wesentlichen nur die Aussage, „Der Sikh-Terrorismus im Punjab ist seit Ende der 1990er-Jahre nahezu zum Erliegen gekommen“. Daneben enthält er unter der Überschrift 1.9 „Exilgruppen“ in Bezug auf die Gruppen, die sich mit der Punjab-Problematik befassen, die gleiche Aufzählung, die oben aus dem Lagebericht des Vorjahres bereits zitiert wurde (Lagebericht vom 04.10.2009, Seite 16 f.).
45 
In der von der Kammer eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 14.09.2009 wird das Bild, das sich aus den Lageberichten ergibt, nochmals bestätigt. Dem Auswärtigen Amt liegen keinerlei eigene Erkenntnisse über terroristische Aktivitäten in der ISYF seit dem Jahr 2000 vor.
46 
Der aktuelle Verfassungsschutzbericht 2008 des Bundesministeriums des Innern enthält zu Sikh-Organisationen, zu denen auch die International Sikh Youth Federation gehört, folgende Aussagen:
47 
„Extremistische Organisationen aus dem Spektrum der Religionsgemeinschaft der Sikhs kämpfen seit Jahrzehnten auch mit terroristischen Mitteln dafür, einen unabhängigen Staat „Khalistan“ auf dem Gebiet des nordindischen Bundesstaates Punjab zu errichten. Mit Attentaten gegen Mitglieder der indischen Regierung und terroristischen Anschlägen, die sich bisher überwiegend gegen Einrichtungen und Ziele in Indien richteten, versuchten sie auf ihre politischen Ziele aufmerksam zu machen. Bei diesen Anschlägen ist es immer wieder zu zahlreichen Todesopfern unter der Zivilbevölkerung gekommen.
48 
In Deutschland sind primär die von der EU seit dem 02. Mai 2002 als terroristische Organisationen gelisteten BKI und ISYF mit zusammen ca. 750 Anhängern aktiv. Im Vergleich hierzu ist die KMDI mit ihrer geringen Anhängerschaft und selteneren Aktivität kaum in Erscheinung getreten.
49 
Bisher sind von diesen Organisationen im Bundesgebiet keine terroristischen Aktionen ausgegangen.
50 
Hauptziel dieser Sikh-Gruppierung in Deutschland ist es, die jeweilige Mutterorganisation in Indien propagandistisch und vor allem auch finanziell zu unterstützen. In regelmäßig durchgeführten Versammlungen wird u.a. auch zu Geldspenden aufgerufen. Einen Teil dieser Gelder dürften die Mutterorganisationen in Indien auch zur Finanzierung des bewaffneten Kampfes verwenden. Daneben dienen solche Spendengelder auch zur Unterstützung und materiellen Absicherung von Angehörigen der im bewaffneten Kampf getöteten 'Märtyrer' der Organisation oder zur Finanzierung von Rechtshilfe für inhaftierte Glaubensbrüder“ (Seite 305 und 306).
51 
Der Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2008 enthält folgende Ausführungen:
52 
„5. Sikh-Organisationen
53 
54 
International Sikh Youth Federation (ISYF)… Die Bestrebungen extremistischer Gruppierungen der Sikh, im indischen Bundesstaat Punjab einen eigenen Staat Khalistan (Land der Reinen) zu gründen, führten in den vergangenen 20 Jahren zu unzähligen gewalttätigen Übergriffen von Sikh-Kämpfern und Auseinandersetzungen mit indischen Sicherheitskräften, bei denen eine Vielzahl von Separatisten festgenommen oder getötet wurde. Auch im Jahr 2008 wurden dort wieder Aktivisten der International Sikh Youth Federation (ISYF) und der Babbar Khalsa (BKI) wegen angeblich verübter Bombenanschläge inhaftiert, was aber zur Folge hatte, dass diese Organisationen zumindest im Heimatland vermehrt Zulauf und Sympathisanten erhielten. Terroristische Aktivitäten außerhalb Indiens sind in den letzten Jahren nicht bekannt geworden. Aufgrund ihrer terroristischen Aktivitäten fällt die ISYF in Indien unter den 'Activities Act' vom 22. März 2002 und ist außerdem in Großbritannien durch den 'Terrorism Act 2000' verboten. Da sowohl die Babbar Khalsa (BKI) als auch die ISYF vor Jahren noch außerhalb Indiens am häufigsten im Zusammenhang mit terroristischen Aktionen hervorgetreten sind, wurden beide Gruppierungen von der Europäischen Union in die Liste der terroristischen Organisationen aufgenommen.
55 
… Darüber hinaus nutzten Funktionäre sogenannte Märtyrer-Gedenkveranstaltungen in den Sikh-Tempeln als politische Plattform und zum Aufruf zu Spendensammlungen und Unterstützung der Angehörigen gefallener Kämpfer und der Organisationen in der Heimat“.
56 
Nach dem Home Office Country of Origin Information Report - India vom 12. Mai 2009 gehört die ISYF zu den Organisationen, die im Vereinigten Königreich nach dem „Terrorism Act 2000“ verboten sind (vgl. Seite 133).
57 
Nach Auswertung und Gewichtung dieser Erkenntnismittel kann die Kammer nicht feststellen, dass es sich bei der ISYF um eine Vereinigung handelt, die aktuell den Terrorismus unterstützt oder bei der dies in absehbarer Zeit zu erwarten ist. Das Auswärtige Amt hat seit mindestens 10 Jahren keine Anhaltspunkte dafür, dass die ISYF (noch) terroristisch tätig ist. Der Terrorismus in Punjab, durch den noch Anfang der 90er Jahre zahlreiche Personen ums Leben gekommen sind, ist danach nahezu zum Erliegen gekommen. Dies wurde nochmals auf die Anfrage der Kammer bestätigt. In zwei Lageberichten geht das Auswärtige Amt sogar davon aus, dass die ISYF nur noch politisch tätig sei. Konkrete Hinweise auf terroristische Aktivitäten der ISYF haben die anderen, oben zitierten Erkenntnisquellen nicht bzw. es ist nicht erkennbar, auf welchen konkreten Tatsachen die Einschätzung beruht, die ISYF sei noch terroristisch tätig. Die beiden zitierten Verfassungsschutzberichte erwecken den Eindruck, als gebe es eine kontinuierliche Linie terroristische Aktivitäten der ISYF seit dem Auftreten des Terrorismus zu Beginn der 80er Jahre. Der Verfassungsschutzbericht des Landes Baden-Württemberg spricht von unzähligen gewalttätigen Übergriffen in den vergangen 20 Jahren. Dem Auswärtigen Amt, das die Lage vor Ort beobachtet, sind aber jedenfalls in den letzen 10 Jahren keine solchen Aktivitäten der ISYF bekannt oder sonstiger Vereinigungen im Zusammenhang mit der Khalistan-Frage bekannt geworden. Die Verhaftungen von Aktivisten der ISYF und der BKI in Indien im Jahr 2008, auf die der Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg hinweist, sagen nichts darüber aus, wann es zu den vorgeworfenen Anschlägen gekommen ist. Letztendlich müssen aber Tatsachen die Schlussfolgerung der Unterstützung des Terrorismus rechtfertigen. Solche Tatsachen, die vom Gericht bewertet werden können, liegen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht vor. Die oben zitierten Erkenntnisse, die die Lage anders als das Auswärtige Amt bewerten, versetzen das Gericht nicht durch Nennung von Tatsachen in die Lage, eine eigene Einschätzung der Situation vorzunehmen. Es reicht nicht aus, dass lediglich nicht ausgeschlossen werden kann, dass es wieder zu terroristischen Aktivitäten kommen kann. Hier ist auch der lange Zeitraum zu würdigen, in dem es keine Anhaltspunkte für terroristische Aktivitäten der ISYF gibt. Insofern hat sich die Lage seit dem Ergehen des Urteils vom 15.10.2003 - ... -, in dem die Kammer noch zu einer anderen Einschätzung gelangt ist, geändert.
58 
Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Abs. 5 AufenthG für eine Regelausweisung nicht vor, gibt es mangels Gefährlichkeit des Klägers auch keinen Anlass für die hilfsweise erfolgte Ermessensausweisung des Klägers.
2.
59 
Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG. Danach soll einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG vorliegt. Beim Kläger liegt aufgrund des Urteils ... ... vom 26.05.2006 - ... - ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG vor. Gründe, von der Regel („soll“) des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG abzuweichen, sind nicht erkennbar.
60 
Ein Ausschlussgrund nach § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, insbesondere ein solcher nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchstabe c AufenthG, liegt nicht vor. Nach der zuletzt genannten Vorschrift wird eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer sich Handlungen hat zuschulden kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel oder den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen. Den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen laufen Handlungen zuwider, die geeignet sind, den Terrorismus zu fördern (vgl. Urteil ... ... 15.10.2003 - ...). Solche Handlungen des Klägers lassen sich nicht feststellen. Im Zeitraum, in dem ihm aufgrund einer exponierten Stellung in der ISYF (Präsident der ISYF in ... ab April 2005) den Terrorismus fördernde Handlungen der ISYF hätten zugerechnet werden können (vgl. Urteil ... ... 15.10.2003 - ...), lassen sich aufgrund der obigen Ausführungen nicht feststellen.
61 
Von den Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG ist nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 AufenthG abzusehen.
3.
62 
Das Verfahren hat wegen der Frage der Bedeutung der Anhänge zur Verordnung 2580/2001/EG für das Vorliegen des Regelausweisungsgrundes § 54 Nr. 5 AufenthG und wegen der Frage, ob es sich bei der ISYF um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus fördert, grundsätzliche Bedeutung. Die Berufung ist daher zuzulassen (§ 124a Abs. 1 in Verbindung mit § 124 abs. 2 Nr. 3 VwGO).
63 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Kammer macht von der Möglichkeit des § 167 Abs. 2 VwGO, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, keinen Gebrauch.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Anerkennung als Flüchtling und Asylberechtigter.

2

Der 1963 geborene Kläger ist ruandischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hutu an. 1983 legte er in Ruanda das Abitur ab, arbeitete dort anschließend als Lehrer und studierte dann von 1987 bis 1989 in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo). Im März 1989 reiste er zum Studium in die Bundesrepublik Deutschland ein. 1995 schloss er hier sein Studium der Volkswirtschaftslehre ab, im Dezember 2000 wurde ihm der Doktortitel verliehen. Seit dem Bürgerkrieg in Ruanda im Jahr 1994 engagierte sich der Kläger in Deutschland - überwiegend in leitender Funktion - in ruandischen Exilorganisationen. Mit Bescheid vom 17. März 2000 wurde er wegen der Gefahr der politischen Verfolgung, die ihm aufgrund seiner exilpolitischen Aktivitäten drohte, als Asylberechtigter anerkannt und festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich Ruandas vorliegen. Mitte 2001 wurde der Kläger Präsident der Forces Démocratiques de Libération du Rwanda (nachfolgend: FDLR), einer 1999 gegründeten Hutu-Exilorganisation, die im Osten der DR Kongo über bewaffnete Kampfgruppen verfügt.

3

Am 1. November 2005 nahm der Sanktionsausschuss des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen - gestützt auf die Sicherheitsrats-Resolution 1596 (2005) vom 18. April 2005 - den Kläger in die Liste von Personen und Einrichtungen auf, gegen die Restriktionen wegen des Waffenembargos für das Gebiet der DR Kongo verhängt wurden. Daraufhin widerrief das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 22. Februar 2006 die Asylanerkennung und die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG offensichtlich nicht vorliegen.

4

Der Widerruf wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Kläger Präsident der FDLR sei und daher aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt sei, dass er Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Handlungen begangen habe, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderliefen. Die FDLR sei für regelmäßige Übergriffe - wie Überfälle, Vergewaltigungen und Entführungen - auf Dorfbewohner in der ostkongolesischen Provinz Südkivu verantwortlich. Sie verfüge im Osten der DR Kongo schätzungsweise über 10 000 bis 15 000 Kämpfer und begehe seit Jahren systematisch Verbrechen an der kongolesischen Zivilbevölkerung. Es handele sich dabei um Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998. Der Kläger sei hierfür als Vorgesetzter verantwortlich. Durch die Verletzungen des durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 28. Juli 2003 verhängten Waffenembargos begehe die FDLR zudem Handlungen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderliefen. Der Sanktionsausschuss des Sicherheitsrats habe deshalb den Kläger auf die Liste der mit Sanktionen zu belegenden Personen gesetzt, von denen er überzeugt sei, dass sie gegen das Waffenembargo verstießen.

5

Das Verwaltungsgericht hob mit Urteil vom 13. Dezember 2006 den Widerrufsbescheid auf. Die Entscheidung beruhte im Wesentlichen auf der Erwägung, das Bundesamt habe das Vorliegen der Voraussetzungen von Ausschlussgründen nicht hinreichend darlegen und belegen können. Die in das Verfahren eingeführten Auskünfte seien eher vage und nicht hinreichend verlässlich. Das gelte umso mehr für die Verantwortlichkeit des Klägers.

6

Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens ist der Kläger aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 16. November 2009 unter anderem wegen Verdachts auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit und auf Kriegsverbrechen gemäß §§ 4, 7 Abs. 1 Nr. 1 und 6, § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 und 9, § 11 Abs. 1 Nr. 4 Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) in Untersuchungshaft genommen worden. Der Ermittlungsrichter des BGH hat am 17. Juni 2010 die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet (Beschluss vom 17. Juni 2010 - AK 3/10, JZ 2010, 960). Im Dezember 2010 hat der Generalbundesanwalt beim BGH Anklage gegen den Kläger und gegen den Vizepräsidenten der FDLR unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen erhoben; das Oberlandesgericht Stuttgart hat mit Beschluss vom 1. März 2011 die Anklage zugelassen.

7

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch Urteil vom 11. Januar 2010 das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Er teilt die Auffassung des Bundesamts, dass der Kläger als Präsident der FDLR die Ausschlusstatbestände des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3 AsylVfG verwirklicht habe und damit die Voraussetzungen für den Widerruf seiner Flüchtlingseigenschaft nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erfüllt seien. Dem Widerruf stehe nicht entgegen, dass die Handlungen, die zum Ausschluss führten, zeitlich nach der Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes lägen. Für den Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter gelte im Ergebnis nichts anderes.

8

Der Kläger habe die Ausschlusstatbestände des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3 AsylVfG zumindest als "in sonstiger Weise" Beteiligter nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG verwirklicht. Er sei Präsident der FDLR und allein dadurch als maßgeblicher Unterstützer für ihre Aktivitäten mitverantwortlich. Sein maßgeblicher Einfluss auf die Organisation und die grundsätzliche Billigung ihrer Kampfeinsätze sei von ihm selbst nie in Abrede gestellt worden und werde unter anderem durch Aussagen ehemaliger FDLR-Kämpfer bestätigt. Auch der Ermittlungsrichter des BGH komme, gestützt auf Zeugenaussagen und Telekommunikationsüberwachung, zu dem Ergebnis, dass der Kläger innerhalb der FDLR unumschränkte Befehls- und Verfügungsgewalt habe. Damit könnten die Ausschlussgründe, die von der Organisation als solche verwirklicht worden seien und nach ihrer Struktur von ihr verantwortet werden müssten, auch dem Kläger persönlich zugerechnet werden. Es sei aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt, dass Aktionen der FDLR Ausschlussgründe nach § 3 Abs. 2 AsylVfG erfüllten. Das Auswärtige Amt berichte seit Jahren über Ausplünderungen der Bevölkerung, Niederbrennen von Dörfern, Erschießungen von Frauen und Kindern, Massenvergewaltigungen und Verstümmelungen als Kriegswaffe sowie die Rekrutierung von Kindersoldaten (auch) durch die FDLR. Das Gericht sei davon überzeugt, dass die berichteten Gewalttaten mindestens zu einem großen Teil auch tatsächlich der FDLR zur Last fielen und dass die Übergriffe auf die Zivilbevölkerung von der FDLR systematisch als Mittel der Kriegsführung eingesetzt würden. Die aufgeführten Taten der FDLR stellten Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 dar.

9

Der Ausschlusstatbestand der Zuwiderhandlung gegen Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG) sei ebenfalls erfüllt. Er ergebe sich aus den festgestellten systematischen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die FDLR gehöre zu den staatsähnlichen Gebilden und der Kläger persönlich zu den Trägern von Machtpositionen, die in der Lage seien, Zuwiderhandlungen gegen Ziele der Vereinten Nationen zu begehen.

10

Der Kläger begründet seine gegen das Berufungsurteil eingelegte Revision im Wesentlichen wie folgt: Die Anerkennung als Asylberechtigter und Flüchtling dürfe nach § 73 Abs. 1 AsylVfG nur widerrufen werden, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anerkennungsentscheidung nicht mehr vorlägen. Die nachträgliche Verwirklichung von Ausschlusstatbeständen rechtfertige einen Widerruf hingegen nicht. Auch die Genfer Flüchtlingskonvention gehe davon aus, dass die Ausschlusstatbestände des Art. 1 F bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Aufnahme als Flüchtling vorgelegen haben müssten. Statusbeendende Maßnahmen dürften nur unter den Voraussetzungen des Art. 33 Abs. 2 GFK erfolgen. Ein Widerruf der Asylberechtigung wegen nachträglicher Verwirklichung von Ausschlusstatbeständen verstoße gegen Art. 16a GG. Wenn man eine immanente Schranke der Asylgewährung in den Rechten der Allgemeinheit sehe, sei darunter die deutsche Allgemeinheit zu verstehen, die im vorliegenden Fall aber nicht betroffen sei. Weiterhin werde seine persönliche Verantwortlichkeit durch Anstiftung und Organisationsherrschaft nur behauptet. Es sei nicht festgestellt worden, welchen Tatbeitrag er geleistet habe. Im Übrigen sei sein Recht auf ein faires Verfahren dadurch verletzt worden, dass sein mit Schriftsatz vom 4. Januar 2010 hilfsweise gestellter Antrag abgelehnt worden sei, das Verfahren auszusetzen, bis vorläufige Ergebnisse der Ermittlungen der Bundesanwaltschaft im Kongo vorlägen. Erst im Zeitraum von ca. 2 Monaten vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs seien Berichte veröffentlicht worden, die überhaupt eine Basis für die getroffene Entscheidung darstellen könnten. Durch die Ablehnung einer Aussetzung sei sein Recht vereitelt worden, Beweise gegen den durch die Berichte vermittelten Eindruck über die Verwicklungen der FDLR und seine Beteiligung zu sammeln.

11

Die Beklagte tritt der Revision entgegen und verteidigt im Wesentlichen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs. Bei der erhobenen Verfahrensrüge müsse sich der Kläger entgegenhalten lassen, dass er nicht die ihm zu Gebote stehenden und sachgerechten Mittel gewählt habe, etwa anstelle eines Aussetzungsantrags konkrete Beweisanträge zu stellen. Die dem Kläger im Kern zur Last gelegten Vorwürfe seien auch nicht erst kurzfristig vor der Berufungsverhandlung entstanden, sondern seien bereits Grundlage des Widerrufsbescheids gewesen.

12

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich an dem Verfahren und schließt sich im Wesentlichen der Argumentation der Beklagten an.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die von ihm erhobene Verfahrensrüge ist unzulässig (1.). Die Rüge der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) bleibt ohne Erfolg. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, dass die Rechtsstellung des Klägers als Flüchtling (2.a) und als Asylberechtigter (2.b) zu Recht widerrufen wurde, steht mit Bundesrecht in Einklang.

14

1. Die vom Kläger erhobene Rüge der Verletzung der Grundsätze eines fairen Verfahrens (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) durch die Verweigerung einer Aussetzung des Verfahrens ist unzulässig.

15

Soweit sie sich gegen die Ablehnung der Aussetzung des Verfahrens nach § 94 VwGO wendet, ergibt sich die Unzulässigkeit der Verfahrensrüge daraus, dass ein Verstoß gegen § 94 VwGO als solcher im Revisionsverfahren nicht als Verfahrensmangel rügefähig ist. Eine Aussetzungsentscheidung nach § 94 VwGO ist unanfechtbar, wenn sie im Beschlussweg ergeht (§ 152 Abs. 1 VwGO). Die Revision kann in diesen Fällen nicht auf eine fehlerhafte Ablehnung einer Aussetzung gestützt werden. Dies folgt aus § 173 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO (vgl. Beschluss vom 22. Dezember 1997 - BVerwG 8 B 255.97 - NJW 1998, 2301; Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Juli 2009, § 94 Rn. 42; Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 132 Rn. 52). Nichts anderes kann dann gelten, wenn - wie hier - über die hilfsweise begehrte Aussetzung im Urteil entschieden und diese verweigert wird (Beschluss vom 15. April 1983 - BVerwG 1 B 133.82 - Buchholz 310 § 94 VwGO Nr. 4).

16

Der Kläger legt auch nicht dar, dass die Verweigerung der Aussetzung des Verfahrens zu einem Folgemangel geführt hat, der dem Berufungsurteil weiter anhaftet (vgl. hierzu Urteil vom 17. Februar 1972 - BVerwG 8 C 84.70 - BVerwGE 39, 319 <324>). Zwar rügt die Revision eine Verletzung des fairen Verfahrens dadurch, dass dem Kläger durch die verweigerte Aussetzung des Verfahrens die Möglichkeit genommen worden sei, Beweise "gegen die durch die Berichte entstandenen Eindrücke über die Verwicklungen der FDLR und seiner Beteiligung zu sammeln". Damit wird der Sache nach eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 138 Nr. 3 VwGO) geltend gemacht. Insoweit fehlt es aber an einer den gesetzlichen Vorgaben aus § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügenden Darlegung eines Verfahrensmangels, einschließlich der Angabe der Tatsachen, die diesen Mangel ergeben. Denn der Kläger gibt nicht an, weshalb es ihm nicht möglich gewesen sein soll, zu den die FDLR belastenden, von ihm nicht näher bezeichneten "Berichten" Stellung zu nehmen, die "im Zeitraum von ca. 2 Monaten vor der Entscheidung" veröffentlicht worden seien. Dies wäre aber erforderlich gewesen, um zu begründen, weshalb mit der Berufungsentscheidung am 11. Januar 2010 gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs oder des fairen Verfahrens verstoßen worden sein soll. Es hätte dem Kläger oblegen, darzutun, welche der Vorwürfe aus welchen "Berichten" er für unzutreffend erachtet und weshalb es ihm noch nicht möglich gewesen ist, seine Sicht der Dinge darzulegen und unter Beweis zu stellen. Im Übrigen stützt sich das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs nicht nur auf Berichte des Auswärtigen Amtes, einer vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eingesetzten Expertengruppe und von Nichtregierungsorganisationen wie Human Rights Watch, sondern auch auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs (BGH), der dem Kläger - wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom Bevollmächtigten des Klägers eingeräumt - bei seiner Inhaftierung Mitte November 2009 bekannt gegeben worden war. Der geltend gemachte Verfahrensverstoß ist des Weiteren auch deshalb nicht dargelegt, weil der Kläger in der Revisionsbegründung nicht angibt, was er im Einzelnen noch vorgetragen und gegebenenfalls unter Beweis gestellt hätte, wenn ihm hinreichend Zeit zur Erwiderung eingeräumt worden wäre (vgl. Beschluss vom 13. Juni 2007 - BVerwG 10 B 61.07 - juris Rn. 5).

17

2. Die Rüge der Verletzung von Bundesrecht ist unbegründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat in Übereinstimmung mit Bundesrecht entschieden, dass der Widerruf der Anerkennung des Klägers als Flüchtling und Asylberechtigter zu Recht erfolgte. Er entspricht den maßgeblichen Anforderungen des § 73 AsylVfG. Dabei ist hinsichtlich der formellen Voraussetzungen auf die zum Zeitpunkt seines Erlasses geltende Fassung des am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Zuwanderungsgesetzes abzustellen. Hinsichtlich der materiellen Voraussetzungen ist die Vorschrift in der seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - am 28. August 2007 geltenden Fassung (Bekanntmachung der Neufassung des Asylverfahrensgesetzes vom 2. September 2008, BGBl I S. 1798) anzuwenden.

18

Die formellen Widerrufsvoraussetzungen des § 73 AsylVfG liegen vor. Die Revision hat insoweit auch keine Einwände erhoben.

19

a) Zutreffend ist der Verwaltungsgerichtshof zu dem Ergebnis gekommen, dass auch die materiellen Voraussetzungen für den Widerruf der Flüchtlingseigenschaft erfüllt sind. Gemäß § 73 Abs. 1 AsylVfG ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen.

20

aa) Entgegen der Auffassung der Revision erfasst die Vorschrift nicht nur das nachträgliche Entfallen verfolgungsbegründender Umstände, das in Satz 2 der Vorschrift als Beispielfall ("insbesondere") angeführt wird, sondern auch die nachträgliche Verwirklichung von Ausschlussgründen nach § 3 Abs. 2 AsylVfG.

21

(1) Dafür spricht schon der Wortlaut des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, der ohne sachliche Einschränkung die Verpflichtung zum Widerruf begründet, wenn die Voraussetzungen für die Anerkennung "nicht mehr" vorliegen. Das ist auch bei nachträglicher Verwirklichung von Ausschlussgründen der Fall. Dass diese Fallgestaltung von der Regelung mit erfasst werden soll, ergibt sich zudem aus § 73 Abs. 2a Satz 4 AsylVfG. Danach ist ein Widerruf auch nach Ablauf von 3 Jahren nach Unanfechtbarkeit der Anerkennungsentscheidung möglich, steht dann aber im Ermessen des Bundesamts, es sei denn der Widerruf erfolgt, weil die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder des § 3 Abs. 2 AsylVfG vorliegen. Im letzten Fall bleibt es bei der Verpflichtung zum Widerruf nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Die Regelung geht also davon aus, dass auch die Verwirklichung von Ausschlusstatbeständen zu den Gründen zählt, deren nachträgliches Eintreten zur Folge hat, dass die Anerkennungsvoraussetzungen im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG "nicht mehr" vorliegen. Das Ergebnis wird bestätigt durch die Begründung der Bundesregierung zu § 73 Abs. 1 AsylVfG in der Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes (BTDrucks 16/5065 S. 219). Danach sind die Voraussetzungen für den Widerruf "auch dann gegeben, wenn nachträglich Ausschlussgründe eintreten". Ausgenommen ist hiervon nur der Ausschlussgrund nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG, dessen Tatbestand eine vor der Aufnahme als Flüchtling begangene schwere nichtpolitische Straftat voraussetzt.

22

(2) Dem steht die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) nicht entgegen. Diese regelt in Art. 1 F GFK nur die materiellen Voraussetzungen für den Ausschluss von der Flüchtlingseigenschaft, nicht aber das Verfahren der Zu- und Aberkennung. Den Ausschlusstatbeständen liegt maßgeblich das Konzept der Asylunwürdigkeit zugrunde (vgl. Urteil vom 24. November 2009 - BVerwG 10 C 24.08 - BVerwGE 135, 252 Rn. 24 ff.). Die Notwendigkeit des Ausschlusses asylunwürdiger Personen hängt aber nicht davon ab, zu welchem Zeitpunkt sie die materiellen Ausschlussgründe nach Art. 1 F GFK verwirklichen. Etwas anderes gilt nur für den Ausschlussgrund des Art. 1 F Buchst. b GFK, der sich - anders als die hier maßgeblichen Ausschlusstatbestände des Art. 1 F Buchst. a und c GFK - auf nichtpolitische Straftaten beschränkt, die vor Aufnahme als Flüchtling begangen wurden (ebenso wie § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG). Auch der Hohe Flüchtlingskommissar hält eine Aufhebung der Flüchtlingsanerkennung für gerechtfertigt, wenn Ausschlussgründe erst nach der Anerkennungsentscheidung verwirklicht werden. So führt er in Ziffer 4 der UNHCR-Richtlinie zur Beendigung der Flüchtlingseigenschaft vom 10. Februar 2003 (HCR/GIP/03/03) aus: "Ein Widerruf kann ausgesprochen werden, wenn ein Flüchtling im Nachhinein durch sein Verhalten den Tatbestand des Artikels 1 F (a) oder 1 F (c) erfüllt." Gegenteiliges kann nicht aus der Formulierung der Ausschlusstatbestände in der Vergangenheit geschlossen werden ("begangen haben", "zuschulden kommen ließen"), denn daraus ergibt sich nur, dass ein entsprechendes Verhalten vorgelegen haben muss, bevor der Ausschlusstatbestand greift (anders aber Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: Juni 2010, § 2 Rn. 33). Nicht gefolgt werden kann auch der Auffassung von Marx (InfAuslR 2005, 218 <225 f.>), auf die die Revision sich beruft. Er begründet seine Meinung, die nationale Regelung über die Ausschlussgründe könne völkerrechtlich unbedenklich nur die Statusentscheidung sperren, nicht aber einen nachträglichen Widerruf rechtfertigen, unter Bezugnahme auf die Background Note des UNHCR zu den Ausschlussgründen aus dem Jahr 2003 (a.a.O. S. 226 Fn. 52). Marx zitiert aber nur die Passage, die sich mit einer Aufhebung der Flüchtlingsanerkennung ex tunc befasst, während der UNHCR im darauf folgenden Abschnitt der genannten Background Note (a.a.O. Rn. 17) den Widerruf ex nunc wegen nachträglicher Verwirklichung von Ausschlusstatbeständen nach Art. 1 F Buchst. a und c GFK für gerechtfertigt hält, wenn die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind, und als Beispiel die Beteiligung des Flüchtlings an bewaffneten Aktionen im Aufnahmeland nennt.

23

(3) Für eine solche Auslegung des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG spricht auch Art. 14 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/83/EG, der bei Erfüllung eines Ausschlusstatbestandes die Verpflichtung zur Beendigung, Aberkennung oder Nichtverlängerung der Flüchtlingseigenschaft unabhängig davon begründet, wann die Ausschlussgründe entstanden sind ("hätte ausgeschlossen werden müssen oder ausgeschlossen ist"). § 73 AsylVfG i.d.F. des Richtlinienumsetzungsgesetzes von 2007 dient der Umsetzung auch dieser EU-Vorschrift und ist daher in Übereinstimmung mit ihr auszulegen (so im Ergebnis auch Hailbronner, AuslR, Stand: Aug. 2008, § 73 AsylVfG Rn. 50; Wolff, in: HK-AuslR, § 73 AsylVfG Rn. 23).

24

(4) Der Kläger genießt entgegen der Ansicht der Revision keinen Vertrauensschutz dahin, dass seine Anerkennung als Flüchtling vom März 2000 nicht nachträglich den Einschränkungen unterworfen wird, die sich aus der Einführung der Ausschlussgründe in bundesdeutsches Recht mit Wirkung zum 1. Januar 2002 durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9. Januar 2002 (BGBl I S. 361) ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Erfüllung von Ausschlussgründen durch den Kläger aus Tatsachen abgeleitet, die im Schwerpunkt im Zeitraum von 2005 bis 2009 verwirklicht wurden. Aus der Zeit vor 2005 ist insoweit nur die Übernahme des Amtes des Präsidenten der FDLR durch den Kläger Mitte 2001 von Bedeutung. Es kann offenbleiben, ob ein Ausschluss von der Flüchtlingseigenschaft sich nicht auch auf Handeln beziehen darf, das vor der Normierung der Ausschlussgründe im nationalen Recht verwirklicht wurde. Denn hier beruht der Widerruf der Flüchtlingseigenschaft ausschließlich auf dem Kläger zugerechneten Verbrechen der FDLR, die nach Einführung der Ausschlussgründe begangen wurden. Auf Vertrauensschutz kann sich der Kläger schon deshalb nicht berufen. Im Übrigen fordert auch Unionsrecht die Anwendung der Ausschlussgründe auf vor Inkrafttreten der Richtlinie 2004/83/EG ausgesprochene Anerkennungen. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) weist in diesem Zusammenhang auf den zwingenden Charakter des Art. 14 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie hin, der bei Vorliegen von Ausschlussgründen eine Aberkennung oder Beendigung der Flüchtlingseigenschaft auch für schon vorher eingeleitete und abgeschlossene Verfahren verlangt (EuGH, Urteil vom 9. November 2010 - Rs. C-57/09, (B) und Rs. C-101/09, (D) - NVwZ 2011, 285 Rn. 74).

25

bb) Das Berufungsgericht ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger den Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG verwirklicht hat. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG ist ein Ausländer unter anderem dann kein Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen.

26

(1) Der Verwaltungsgerichtshof hat seiner Beurteilung, dass der Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG erfüllt ist, den zutreffenden Beweismaßstab zugrunde gelegt. Er ist zu der Überzeugung gelangt, dass durch Handlungen der FDLR Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG begangen wurden und diese dem Kläger als Präsidenten der FDLR zuzurechnen sind. Für diese Überzeugungsbildung reicht es aus, dass die Annahme der Begehung entsprechender Verbrechen aus schwerwiegenden Gründen gerechtfertigt ist. Ein Beweisstandard, wie er etwa im Strafrecht verlangt wird, ist hierfür nicht erforderlich. Vielmehr ergibt sich aus der Qualifizierung als "schwerwiegend", dass die Anhaltspunkte für die Begehung der in § 3 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG genannten Verbrechen von erheblichem Gewicht sein müssen. Schwerwiegend sind die Gründe in der Regel dann, wenn klare und glaubhafte Indizien für die Begehung derartiger Verbrechen vorliegen (vgl. hierzu die Empfehlung <2005> 6 des Ministerrats des Europarats vom 23. März 2005 zum Ausschluss von der Flüchtlingseigenschaft nach Art. 1 F Buchst. b GFK; ähnlich Hailbronner, AuslR, Stand: Dez. 2007, § 3 AsylVfG Rn. 8). Von diesem Beweismaßstab ist das Berufungsgericht ausgegangen (UA Rn. 29).

27

(2) Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, welche zum Ausschluss nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG führenden Handlungen die FDLR im Einzelnen nach der Überzeugung des Gerichts begangen hat. Dazu zählt die Ausplünderung der Bevölkerung, das Niederbrennen von Dörfern, Erschießungen von Frauen und Kindern, Entführungen, Massenvergewaltigungen und Verstümmelungen als Mittel der Kriegsführung sowie die Rekrutierung von Kindersoldaten. Das Berufungsgericht entwickelt seine Überzeugung nicht nur aufgrund einer zusammenfassenden Würdigung von Lageberichten des Auswärtigen Amtes, sondern bezieht sich auch auf konkret aufgelistete Fälle im Bericht einer Expertengruppe der Vereinten Nationen vom 23. November 2009, im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des BGH vom 16. November 2009, in den Berichten von Human Rights Watch vom April und Dezember 2009 und in der Informationsschrift des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom Mai 2009. Die Beweiswürdigung beruht auf einer hinreichend breiten Tatsachengrundlage.

28

Der Verwaltungsgerichtshof wertet diese Taten zutreffend als Kriegsverbrechen im Sinne von Art. 8 und als Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne von Art. 7 Buchst. a und g des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 (BGBl 2000 II S. 1394, nachfolgend: IStGH-Statut). Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 24. November 2009 - BVerwG 10 C 24.08 - (a.a.O. Rn. 31) entschieden, dass sich die Frage, ob Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG vorliegen, gegenwärtig in erster Linie nach den im IStGH-Statut ausgeformten Tatbeständen dieser Delikte bestimmt. Denn darin manifestiert sich der aktuelle Stand der völkerstrafrechtlichen Entwicklung bei Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht. Dabei durfte der Verwaltungsgerichtshof offenlassen, ob es sich bei den Kämpfen im Ostkongo um einen internationalen oder einen nichtinternationalen bewaffneten Konflikt handelt, weil die festgestellten Morde, Vergewaltigungen, Verstümmelungen, Plünderungen und Zwangsrekrutierungen von Kindersoldaten in beiden Fällen als Kriegsverbrechen im Sinne von Art. 8 IStGH-Statut anzusehen sind (Art. 8 Abs. 2 Buchst. a Ziff. I, Buchst. b Ziff. I, II, X, XVI, XXII, Buchst. c Ziff. I, Buchst. e Ziff. I, V, VI, VII und XI IStGH-Statut, Art. 2 und 3 des Genfer Abkommens zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten vom 12. August 1949, BGBl 1954 II, S. 917). Die Morde und Vergewaltigungen im Rahmen eines ausgedehnten und systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung stellen gleichzeitig Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne von Art. 7 Buchst. a und g IStGH-Statut dar (vgl. auch Haftbefehl des Ermittlungsrichters des BGH vom 16. November 2009 S. 16 ff.).

29

(3) Das Berufungsgericht hat eine Verantwortlichkeit des Klägers für die von der FDLR begangenen Verbrechen zutreffend aus dessen Stellung als Präsident der Organisation und dem damit verbundenen Einfluss auf die Handlungen ihrer Kämpfer abgeleitet. Die im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen tragen den Schluss, dass der Kläger als Täter der von der FDLR begangenen Verbrechen anzusehen ist und nicht nur - wie im Berufungsurteil angenommen - als ein daran in sonstiger Weise Beteiligter gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG.

30

Die Verantwortlichkeit des Klägers ergibt sich aus Art. 28 Buchst. a IStGH-Statut. Danach ist ein militärischer Befehlshaber unter anderem bereits dann für die von Truppen unter seiner Führungsgewalt und Kontrolle begangenen Verbrechen verantwortlich, wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass in seinem Einflussbereich derartige Verbrechen begangen wurden und er nicht alles in seiner Macht stehende unternommen hat, um ihre Begehung zu verhindern. Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass der Kläger Präsident der FDLR ist, maßgeblichen Einfluss auf die Organisation ausübt und innerhalb der FDLR unumschränkte Befehls- und Verfügungsgewalt besitzt. Ergänzend verweist er auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des BGH vom 16. November 2009, der ebenfalls zu diesem Ergebnis kommt. Danach ist der Kläger als Präsident der FDLR zugleich ihr oberster militärischer Befehlshaber (Haftbefehl S. 6 und 14 ff.) und demzufolge berechtigt, sowohl strategische Einsatzbefehle zu erteilen als auch bestimmte Kampfhandlungen oder Kampfmethoden zu unterbinden (Haftbefehl S. 15). Er habe auch faktisch die Befehlsgewalt ausgeübt. Die dem Kläger nachgeordneten, vor Ort tätigen Kommandanten hätten regelmäßig über Satellitentelefon, E-Mail oder herkömmliche Fernsprechverbindungen den engen Kontakt zum Kläger gesucht, um dessen Anordnungen entgegenzunehmen oder zumindest sein Einverständnis zu bestimmten Militäraktionen einzuholen (Haftbefehl S. 15 und 23 ff.). Ausgehend von diesen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) ergibt sich hieraus die Verantwortlichkeit des Klägers für die von der FDLR begangenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß Art. 28 Buchst. a IStGH-Statut.

31

Der Kläger handelte nach den Feststellungen im Berufungsurteil auch vorsätzlich. Für die subjektive Verantwortlichkeit im Sinne von Art. 28 Buchst. a IStGH-Statut reicht zwar Fahrlässigkeit. Der Verwaltungsgerichtshof verweist hinsichtlich der subjektiven Verantwortlichkeit aber auf den Haftbefehl vom 16. November 2009, in dem der Ermittlungsrichter zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger vorsätzlich gehandelt hat. Dies wird damit begründet, dass er aufgrund der zahlreichen Berichte wie auch der persönlichen Unterrichtung durch die örtlichen Kommandanten der FDLR Kenntnis von den Straftaten der FDLR-Milizionäre gehabt habe. Er sei sich darüber im Klaren gewesen, dass die von ihm befehligten Milizionäre in ihrem Herrschaftsbereich weiterhin Tötungen, Folterungen, Plünderungen und Vertreibungen begehen würden, solange er dies nicht unterbindet. Mit Recht kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass distanzierende Presseerklärungen für ein entsprechendes Unterbinden der Verbrechen nicht ausreichen. Auch die Verankerung des Verbots derartiger Verbrechen im Statut der FDLR, auf die die Revision sich beruft, reicht nicht aus, wenn der Kläger keine geeigneten Maßnahmen zur Durchsetzung des Verbots ergreift.

32

Zu einer Verantwortlichkeit des Klägers kommt man auch, wenn man die Kriterien des Gerichtshofs der Europäischen Union anlegt, wie er sie in seinem Urteil vom 9. November 2010 für den Ausschluss von der Flüchtlingseigenschaft nach Art. 12 Abs. 2 Buchst. b und c der Richtlinie 2004/83/EG entwickelt hat (a.a.O. Rn. 95 ff.). Danach kann dem Mitglied einer Organisation ein Teil der Verantwortung für Handlungen, die von der fraglichen Organisation im Zeitraum seiner Mitgliedschaft begangen wurden, zugerechnet werden. Dabei ist insbesondere von Bedeutung, welche Rolle die betreffende Person bei der Verwirklichung der fraglichen Handlungen tatsächlich gespielt hat, welche Position sie innerhalb dieser Organisation gehabt hat und welche Kenntnis sie von deren Handlungen hatte oder haben musste. Hier hatte der Kläger als Präsident und militärischer Oberbefehlshaber eine hervorgehobene Stellung in der Organisation, die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beging. Er wusste von den begangenen Verbrechen und ergriff keine geeigneten Maßnahmen, die Taten zu verhindern.

33

Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang die Rüge der Revision, der Verwaltungsgerichtshof habe die Verantwortlichkeit des Klägers nur behauptet und nicht festgestellt, welchen Tatbeitrag er geleistet habe. Das Berufungsurteil stellt vielmehr auf die Organisationsherrschaft des Klägers als Präsident und militärischer Oberbefehlshaber ab, wodurch ihm alle Handlungen der von ihm geleiteten Organisation zugerechnet werden, sofern er nicht geeignete Schritte zu ihrer Verhinderung ergriffen hat. Der Verweis auf seine Organisationsherrschaft als Präsident ist mehr als eine lediglich "pauschale Behauptung der Täterschaft". Auch trifft es nicht zu, dass - wie die Revision behauptet - die Auswertungen der Kommunikationsüberwachung (TKÜ) und des Laptops des Klägers keine Rolle spielen dürften, weil diese "selbst am 31. März 2010 weitgehend noch nicht ausgewertet" gewesen seien. Der Haftbefehl stützt sich bei seiner Bewertung, dass der Kläger maßgeblichen Einfluss auf die FDLR ausgeübt habe, auf die Angaben des Klägers selbst, auf zahlreiche Berichte von Nichtregierungsorganisationen, auf die Angaben von drei Zeugen sowie die Erkenntnisse aus der Überwachung der Telekommunikation des Klägers und der Auswertung seines E-Mail-Verkehrs. Diese Unterlagen sind detailreich und präzise.

34

cc) Da die Anerkennung des Klägers als Flüchtling wegen der Verwirklichung des Ausschlussgrundes nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG zu widerrufen war, konnte der Senat offenlassen, ob der Kläger - wie vom Berufungsgericht angenommen - auch die Voraussetzungen für den Ausschlussgrund nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG erfüllt. Allerdings spricht viel dafür, dass der Kläger den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.

35

(1) Die für den Ausschlussgrund nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG maßgeblichen Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen werden in der Präambel und in den Art. 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt (vgl. EuGH, Urteil vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 82). In der Präambel wie in Art. 1 der Charta wird das Ziel formuliert, den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren. Kapitel VII der Charta (Art. 39 bis 51) regelt die zu ergreifenden Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen. Nach Art. 39 der Charta obliegt dem Sicherheitsrat die Feststellung, ob eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist dem Umstand besondere Bedeutung beizumessen, dass der Sicherheitsrat, indem er Resolutionen aufgrund von Kapitel VII der Charta beschließt, nach Art. 24 der Charta die Hauptverantwortung wahrnimmt, die ihm zur weltweiten Wahrung des Friedens und der Sicherheit übertragen ist. Das schließt die Befugnis des Sicherheitsrats ein zu bestimmen, was eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit darstellt (EuGH, Urteil der Großen Kammer vom 3. September 2008 - Rs. C-402/05 P und Rs. C-415/05 P, Kadi und Al Barakaat - Slg. 2008 Rn. 294).

36

In der Resolution 1493 (2003) vom 28. Juli 2003 hat der UN-Sicherheitsrat festgestellt, dass der bewaffnete Konflikt in der DR Kongo eine Bedrohung des Weltfriedens darstellt, und sein Handeln ausdrücklich auf Kapitel VII der Charta gestützt (Resolution vor Ziffer 1). Dabei hat er auf das Andauern von Feindseligkeiten im Osten des Landes Bezug genommen und auf die damit einhergehenden schweren Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts. Er verurteilt entschieden die "systematischen Gewalthandlungen gegen Zivilpersonen, einschließlich der Massaker, sowie die anderen Gräueltaten und Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte, insbesondere die sexuellen Gewalthandlungen gegen Frauen und Mädchen, und betont, dass die Verantwortlichen, auch auf Führungsebene vor Gericht gestellt werden müssen" (Ziffer 8 der Resolution). Zudem hat der Sicherheitsrat ein Waffenembargo zur Verhinderung der weiteren Einfuhr von Rüstungsgütern und sonstigem Wehrmaterial in die DR Kongo verhängt (Ziffer 20 der Resolution). Damit steht fest, dass die bewaffneten Auseinandersetzungen in der DR Kongo, an denen die FDLR beteiligt ist, eine Störung des Weltfriedens darstellen, ohne dass die nationalen Gerichte insoweit zu einer Überprüfung ermächtigt sind. Aufgrund der Resolution des UN-Sicherheitsrates steht weiter fest, dass die Störung des Weltfriedens jedenfalls auch durch die in der Resolution näher bezeichneten Gräueltaten und Verletzungen des humanitären Völkerrechts wie auch die Einfuhr von Waffen in das Konfliktgebiet erfolgt. Diese Störungshandlungen laufen damit den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider.

37

(2) Einer Verwirklichung des Ausschlussgrundes durch den Kläger würde es allerdings entgegenstehen, wenn derartige Zuwiderhandlungen nur von Personen begangen werden könnten, die eine Machtposition in einem Mitgliedstaat der Vereinten Nationen oder zumindest in einer staatsähnlichen Organisation innehaben. Diese Auffassung wird nicht nur vom UNHCR vertreten, sondern entspricht auch der früheren Rechtsprechung des 1. Senats des Bundesverwaltungsgerichts (UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, Genf, September 1979, Nr. 163; Urteil vom 1. Juli 1975 - BVerwG 1 C 44.68 - Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 9). Dass der Kläger zu diesem Personenkreis zählt, lässt sich den Feststellungen im Berufungsurteil nicht entnehmen. Denn für die Annahme des Berufungsgerichts, dass er als Präsident der FDLR einer staatsähnlichen Organisation vorstehe, liegen keine ausreichenden, diesen Schluss rechtfertigenden Tatsachenfeststellungen vor.

38

Aus Sicht des Senats spricht allerdings viel dafür, dass unter bestimmten engen Voraussetzungen auch nichtstaatliche Akteure den Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG verwirklichen können. Für Mitglieder terroristischer Organisationen ergibt sich dies aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 9. November 2010 (a.a.O. Rn. 82 ff.). Danach laufen Handlungen des internationalen Terrorismus "unabhängig von der Beteiligung eines Staates" den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider und führen im Falle individueller Verantwortung zum Ausschluss von der Flüchtlingseigenschaft. Dies hat der Gerichtshof unter Bezug auf die Resolution 1373 (2001) vom 28. September 2001 begründet, die in Ziffer 5 ausdrücklich "erklärt, dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen". Für andere Verletzungen des Weltfriedens ist auf der Grundlage der vom UN-Sicherheitsrat verabschiedeten Resolutionen festzustellen, ob und worin er eine Verletzung des Weltfriedens sieht, ob ein privater Akteur maßgeblichen Einfluss darauf hat und ob von ihm eine ähnliche Wirkung auf die Störung des Weltfriedens ausgeht wie von staatlichen Verantwortungsträgern. Diese Auslegung ermöglicht eine sachgerechte Abgrenzung der Ausschlussgründe nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3 AsylVfG, denn Nr. 3 erfasst dann auch das Handeln nichtstaatlicher politischer Verantwortungsträger, die möglicherweise nicht strafrechtlich nach Nr. 1 zur Verantwortung gezogen werden können, deren Ausschluss wegen ihres maßgeblichen Einflusses auf die Störung des Weltfriedens etwa als politische Repräsentanten oder Anführer paramilitärischer Verbände oder Milizen aber zur Wahrung der Integrität des Flüchtlingsstatus geboten ist.

39

Auch Gerichte anderer Staaten wenden die Ausschlussklausel des Zuwiderhandelns gegen Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen (Art. 1 F Buchst. c GFK) auf Personen an, die keine staatliche Macht ausüben (vgl. etwa Urteil des britischen Immigration Appeal Tribunal vom 7. Mai 2004, KK

<2004> UKIAT 00101 Rn. 20; Supreme Court of Canada in der Sache Pushpanathan v. Canada <1999> INLR 36), ohne dass insoweit aber eine einheitliche Staatenpraxis besteht. Folgt man der vom Senat hier entwickelten Auslegung, wäre an der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1975 nicht mehr festzuhalten, wonach die Ausschlussbestimmung des Art. 1 F Buchst. c GFK nur Handlungen erfasst, die dem zwischenstaatlichen (internationalen) Frieden und der zwischenstaatlichen Völkerverständigung zuwiderlaufen (vgl. Urteil vom 1. Juli 1975 a.a.O.).

40

Geht man von diesen Kriterien aus, so ergibt sich eine solche Verantwortlichkeit des Klägers nicht schon aus der Tatsache, dass er von den Vereinten Nationen in eine Liste von Personen aufgenommen wurde, gegen die Beschränkungen zur Durchsetzung des Waffenembargos ergriffen werden sollen. Durch die Resolution 1596 (2005) vom 18. April 2005 hat der Sicherheitsrat in Ziffern 13 und 15 ein Einreiseverbot und finanzielle Restriktionen gegen Personen beschlossen, die nach Ziffer 18 Buchst. a der Resolution von einem dafür benannten Ausschuss benannt und in einer zu aktualisierenden Liste erfasst werden. In diese Liste wurde der Kläger am 1. November 2005 aufgenommen, wobei seine Erfassung mit seiner Stellung als Präsident der FDLR und seiner Beteiligung am Waffenhandel in Verletzung des verhängten Embargos begründet wird. Allerdings genügt die Aufnahme in eine derartige Liste allein nicht, um den Ausschlussgrund des Zuwiderhandelns gegen Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen anzunehmen; ihr kommt insoweit (nur) eine erhebliche Indizwirkung zu. Vielmehr bedarf es, wenn der Betreffende - wie hier - die zugrundeliegenden tatsächlichen Umstände bestreitet, entsprechender Feststellungen durch die nationalen Behörden bzw. Gerichte. Diese Prüfung hat sich auch auf die individuelle Verantwortung des Klägers in Bezug auf das Zuwiderhandeln gegen Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen durch Verletzung des Waffenembargos zu beziehen (vgl. Urteil des EuGH vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 82 ff.). Eine solche individuelle Prüfung hat das Berufungsgericht hier nicht vorgenommen.

41

Für eine Verantwortlichkeit des Klägers im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG spricht indes folgender Umstand: Aus der Resolution 1493 (2003) des UN-Sicherheitsrats ergibt sich, dass eine Störung des Weltfriedens vorliegt und dass sie von den bewaffneten Auseinandersetzungen im Osten der DR Kongo ausgeht, an denen nicht nur staatliche Armeeeinheiten sondern auch nichtstaatliche Milizen wie die FDLR beteiligt sind, sowie von den systematischen Gewalthandlungen gegen Zivilpersonen und Verletzungen des humanitären Völkerrechts, zu deren Verhinderung der Sicherheitsrat "alle Parteien, einschließlich der Regierung der Demokratischen Republik Kongo" auffordert (Ziffer 8 der Resolution). Das spricht dafür, dass hier auch nichtstaatlichen Akteuren ein maßgeblicher Einfluss auf die Störung des Weltfriedens zugeschrieben wird. Nimmt man die Feststellungen des Berufungsgerichts hinzu, dass die FDLR seit Jahren an dem bewaffneten Konflikt beteiligt ist, ein Territorium im Osten der DR Kongo besetzt hält und systematisch Gewaltakte gegen die Zivilbevölkerung verübt, so dürfte sie als eine nichtstaatliche Organisation anzusehen sein, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderhandelt. Dabei kommt es nicht - wie der Verwaltungsgerichtshof meint - darauf an, ob die FDLR ein staatsähnliches Gebilde ist. Entscheidend ist vielmehr, ob die von ihr und ihren Anführern ausgehenden Wirkungen auf die Störungen des Weltfriedens den von staatlichen Machthabern ausgehenden Wirkungen vergleichbar sind. Für das den Weltfrieden störende Handeln der FDLR trägt der Kläger als deren Präsident, der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts maßgeblichen Einfluss auf das Verhalten seiner Kämpfer hat, die persönliche Verantwortung (vgl. Urteil des EuGH vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 97 f.).

42

Auch wenn nach Auffassung des Senats viel dafür spricht, dass der Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG in besonderen Fällen auch von nichtstaatlichen Akteuren wie dem Kläger verwirklicht werden kann, bedurfte es hier keiner abschließenden Entscheidung dieser Frage, da der Kläger schon nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG von der Flüchtlingsstellung ausgeschlossen ist.

43

b) Mit Recht ist der Verwaltungsgerichtshof ferner davon ausgegangen, dass auch die materiellen Voraussetzungen für den Widerruf der Asylberechtigung des Klägers erfüllt sind. Denn der Widerruf der Asylberechtigung ist geboten, wenn Ausschlussgründe nach der Anerkennungsentscheidung verwirklicht werden. Das folgt aus nationalem Recht wie aus Unionsrecht.

44

aa) Die Voraussetzungen für den Widerruf einer Asylanerkennung ergeben sich im nationalen Recht aus § 73 Abs. 1 AsylVfG. Die Vorschrift bezieht sich ausdrücklich auf den Widerruf der Flüchtlingseigenschaft und der Asylberechtigung. Danach ist die Anerkennung als Asylberechtigter zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen (§ 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG). Wie schon für den Widerruf der Flüchtlingseigenschaft ausgeführt, erfasst die Vorschrift nicht nur das nachträgliche Entfallen verfolgungsbegründender Umstände, sondern auch die nachträgliche Verwirklichung von Ausschlussgründen nach § 3 Abs. 2 AsylVfG (vgl. oben Rn. 20 ff.). Weiter ergibt sich aus § 73 Abs. 2a Satz 4 AsylVfG, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass sich die Ausschlussgründe nach § 3 Abs. 2 AsylVfG auch auf die Asylanerkennung erstrecken und demnach auch einen Widerruf der Asylanerkennung rechtfertigen. Der Begriff "Widerruf oder Rücknahme" in dieser Vorschrift bezieht sich ersichtlich auf beide Anerkennungsformen. Außerdem spricht für dieses Verständnis der gesetzlichen Regelung auch § 30 Abs. 4 AsylVfG, wonach ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist, wenn die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder des § 3 Abs. 2 AsylVfG vorliegen. Aus der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Richtlinienumsetzungsgesetz ergibt sich, dass durch die in § 30 Abs. 4 AsylVfG getroffene Regelung eine mögliche Kollision zwischen der Flüchtlingsanerkennung und der Asylberechtigung vermieden werden soll, indem die Ausschlussklauseln gleichermaßen bei der Flüchtlingsanerkennung wie auch bei der Anerkennung als Asylberechtigter anzuwenden sind (BTDrucks 16/5065 S. 214).

45

Ob diese einfachgesetzliche Regelung in vollem Umfang mit Art. 16a GG vereinbar ist oder ob die Grenzen des grundrechtlichen Asylanspruchs nach der hierzu bisher vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anders zu bestimmen sind als nach der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. hierzu Beschluss vom 14. Oktober 2008 - BVerwG 10 C 48.07 - BVerwGE 132, 79 Rn. 36 ff.), kann hier dahinstehen. Denn jedenfalls wird der Fall des Klägers nicht vom Schutzbereich des verfassungsrechtlich garantierten Asyls erfasst, so dass der Widerruf seiner Asylberechtigung nicht gegen Art. 16a GG verstößt.

46

Der Schutzbereich des Art. 16a GG ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durch einen "Terrorismusvorbehalt" begrenzt. Danach liegt es außerhalb des Asylrechts, wenn für terroristische Aktivitäten nur ein neuer Kampfplatz gesucht wird, um sie dort fortzusetzen oder zu unterstützen (BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 1989 - 2 BvR 958/86 - BVerfGE 81, 142 <152 f.>). Demgemäß kann Asyl nicht beanspruchen, wer im Heimatland unternommene terroristische Aktivitäten oder deren Unterstützung von der Bundesrepublik Deutschland aus in den hier möglichen Formen fortzuführen trachtet. Er sucht nicht den Schutz und Frieden, den das Asylrecht gewähren will. Diese normative Begrenzung des Schutzbereichs gilt unabhängig von einer etwaigen Verfolgung wegen terroristischer Aktivitäten im Heimatstaat. Sie gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch für diejenigen, die erstmals von Deutschland aus im Rahmen exilpolitischer Aktivitäten den politischen Kampf mit terroristischen Mitteln aufnehmen (Urteil vom 30. März 1999 - BVerwG 9 C 23.98 - BVerwGE 109, 12 <16 ff.>; die gegen dieses Urteil gerichtete Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen, Beschluss vom 26. Oktober 2000 - 2 BvR 1280/99 - InfAuslR 2001, 89).

47

Lagen den von der Rechtsprechung bisher entschiedenen Fällen nur Sachverhalte zugrunde, in denen es um terroristische Aktivitäten von Asylsuchenden ging, so bedeutet dies keineswegs, dass sich die normative Begrenzung des Schutzbereichs von Art. 16a GG auf eine Betätigung im Bereich des Terrorismus beschränkt. Denn Grund für die normative Begrenzung ist, dass eine derartige Betätigung von der Bundesrepublik Deutschland in Übereinstimmung mit der von ihr mitgetragenen Völkerrechtsordnung grundsätzlich missbilligt wird (vgl. Urteil vom 30. März 1999 a.a.O. Rn. 17). Die Begehung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit stellt einen vergleichbar schweren Verstoß gegen die von der Bundesrepublik Deutschland mitgetragene Völkerrechtsordnung dar wie Akte des Terrorismus. Derartige Handlungen gehören nach dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs zu den schwersten Verbrechen, die "die internationale Gemeinschaft als Ganzes berühren" (Art. 5 IStGH-Statut). Dieses Statut wurde von der Diplomatischen Bevollmächtigtenkonferenz der Vereinten Nationen am 17. Juli 1998 verabschiedet und mittlerweile von 139 Staaten unterzeichnet. In dem Statut wird das Völkerstrafrecht unter Berücksichtigung der gemeinsamen Überzeugungen der Völkerrechtsgemeinschaft kodifiziert (vgl. Denkschrift der Bundesregierung zum Ratifikationsgesetz, BRDrucks 716/1999 S. 99). Ausländer, die nach Aufnahme in Deutschland Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen begehen oder sich an ihnen beteiligen, begehen einen schweren Verstoß gegen die Völkerrechtsordnung und suchen nicht den Schutz und Frieden, den das Asylrecht gewähren will. Sie können asylrechtlichen Schutz nach Art. 16a GG nicht beanspruchen.

48

Für eine derartige Begrenzung des Schutzbereichs von Art. 16a GG spricht im Übrigen auch Art. 26 GG, wonach Handlungen verfassungswidrig sind, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören (vgl. Hobe, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 26 Rn. 11; I. Pernice, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 26 Rn. 18). Durch Art. 26 Abs. 1 Satz 1 GG wird unmittelbar durch die Verfassung ein Verhalten verboten, das auf die Herbeiführung oder Förderung völkerrechtswidriger Zustände unter Gefährdung des Weltfriedens oder der internationalen Sicherheit im Sinne von Art. 39 UN-Charta zielt (vgl. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: März 2006, Art. 26 Rn. 13). Auch die Begehung von oder die Beihilfe zu völkerrechtlichen Verbrechen - wie sie etwa in Art. 5 ff. und Art. 28 IStGH-Statut normiert sind - sind geeignet, den Völkerfrieden zu stören, und werden daher vom Störungsverbot des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 GG erfasst (so I. Pernice, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 26 Rn. 15 und 17). So verstanden könnte auch Art. 26 Abs. 1 GG eine verfassungsimmanente Schranke der Asylverheißung des Art. 16a GG begründen.

49

Wie bereits im Rahmen des Widerrufs der Flüchtlingseigenschaft ausgeführt, ist aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt, dass die vom Kläger geleitete FDLR Kriegsverbrechen im Sinne von Art. 8 IStGH-Statut und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne von Art. 7 Buchst. a und g IStGH-Statut begangen hat und der Kläger hierfür nach Art. 28 Buchst. a IStGH-Statut als Täter verantwortlich ist. Die hier noch erforderliche aktuelle Gefahr (oder auch Wiederholungsgefahr - vgl. hierzu Urteil vom 30. März 1999 a.a.O. Rn. 22 unter Hinweis auf Urteil vom 10. Januar 1995 - BVerwG 9 C 276.94 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 175, juris Rn. 23) ist im Fall des Klägers aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts gegeben, da er weiterhin Präsident der FDLR ist und diese - wie im Haftbefehl ausgeführt - auch während des Berufungsverfahrens ihre einschlägigen Aktivitäten fortgesetzt hat. Damit ist der Kläger auch nach Verfassungsrecht von der Anerkennung als Asylberechtigter ausgeschlossen.

50

bb) Unabhängig davon ist der Widerruf der Asylberechtigung bei der Verwirklichung von Ausschlussgründen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3 AsylVfG auch nach Unionsrecht geboten.

51

Die in § 3 Abs. 2 AsylVfG normierten Ausschlussgründe setzen die für die Flüchtlingseigenschaft getroffenen Vorgaben in Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG um. Nach Art. 14 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie gilt die Verpflichtung zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft im Fall der nachträglichen Feststellung von Ausschlussgründen im Sinne von Art. 12 der Richtlinie auch für Personen, die - wie der Kläger - ihren Antrag auf Gewährung von Flüchtlingsschutz bereits vor Inkrafttreten der Richtlinie gestellt haben. Sie ist auch für die nach nationalem Recht gewährte Asylberechtigung zu beachten. Denn Art. 3 der Richtlinie gestattet den Mitgliedstaaten günstigere Regelungen zur Frage, wer als Flüchtling gilt, nur insoweit, als dies mit der Richtlinie zu vereinbaren ist.

52

Der Senat hat durch Beschluss vom 14. Oktober 2008 - BVerwG 10 C 48.07 - (a.a.O.) dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob es mit Art. 3 der Richtlinie vereinbar ist, dass ein Mitgliedstaat nach seinem Verfassungsrecht einer Person, die gemäß Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen ist, ein Asylrecht zuerkennt. Der Gerichtshof hat die Frage dahin beantwortet, dass es Art. 3 der Richtlinie zuwiderläuft, dass ein Mitgliedstaat Bestimmungen erlässt oder beibehält, die die Rechtsstellung des Flüchtlings einer Person gewähren, die hiervon nach Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie ausgeschlossen ist (Urteil vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 115). Die Mitgliedstaaten dürfen zwar Schutz aus anderen Gründen gewähren als denjenigen, auf denen der internationale Schutz beruht. In Betracht kommt etwa eine Schutzgewährung aus familiären oder humanitären Gründen (a.a.O. Rn. 118). Diese andere Form des Schutzes, zu deren Gewährung die Mitgliedstaaten befugt sind, darf indessen nicht mit der Rechtsstellung des Flüchtlings im Sinne der Richtlinie verwechselbar sein (a.a.O. Rn. 119). Nur soweit die nationalen Rechtsvorschriften, die von der Flüchtlingsanerkennung im Sinne der Richtlinie ausgeschlossenen Personen ein Asylrecht gewähren, eine klare Unterscheidung des nationalen Schutzes von dem Schutz gemäß der Richtlinie erlauben, beeinträchtigen sie daher das von der Richtlinie geschaffene System nicht (a.a.O. Rn. 120).

53

Legt man die vom Gerichtshof entwickelten Kriterien an die einfachgesetzliche Ausgestaltung der Asylberechtigung nach Art. 16a GG an, so handelt es sich um einen nationalen Schutzstatus, der der Rechtsstellung eines Flüchtlings im Sinne der Richtlinie weitgehend entspricht und damit eine Verwechslungsgefahr im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs begründet. Bei der Asylberechtigung nach Art. 16a GG handelt es sich nicht um einen gegenüber der Flüchtlingsanerkennung andersartigen Schutzstatus - gegründet etwa auf familiäre oder humanitäre Motive. Vielmehr genießt ein Asylberechtigter nach § 2 Abs. 1 AsylVfG im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines Flüchtlings im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Seine Rechtsposition entspricht innerstaatlich auch der unionsrechtlichen Stellung von Flüchtlingen, wie sie durch die Richtlinie 2004/83/EG ausgestaltet ist (vgl. Hailbronner, ZAR 2009, 369 <371 ff.>). Damit liefe es aber dem Vorbehalt in Art. 3 der Richtlinie zuwider, wenn Deutschland Personen eine dem Flüchtlingsstatus weitgehend entsprechende Rechtsstellung gewährte oder erhielte, die hiervon nach Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie ausgeschlossen sind. Die Vorgaben des Unionsrechts verlangen somit, dass die Ausschlussgründe des Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie auch auf Asylberechtigte anzuwenden sind und ihre Anerkennung bei nachträglicher Verwirklichung von Ausschlussgründen nach Art. 14 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie zu widerrufen ist. Der deutsche Gesetzgeber hat dem Rechnung getragen, indem er die Geltung der Ausschlussgründe auch für Asylberechtigte angeordnet hat (vgl. oben Rn. 44).

54

Die einfachgesetzliche Erstreckung der Ausschlussklauseln auf Asylberechtigte ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, weil der deutsche Gesetzgeber hierdurch seiner Verpflichtung zur innerstaatlichen Umsetzung des Unionsrechts nachgekommen ist. Die Bindung an zwingende Vorgaben einer Richtlinie nach Art. 288 AEUV befindet sich in Übereinstimmung mit den in Art. 23 Abs. 1 genannten Rechtsgrundsätzen des Grundgesetzes, solange die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Union generell gewährleistet, der dem vom Grundgesetz jeweils als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <95 ff.>). Dass dieser unabdingbar gebotene Grundrechtsschutz auf unionsrechtlicher Ebene in Bezug auf das Asylrecht generell nicht gewährleistet wäre, kann angesichts des in Art. 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verbürgten Rechts auf Asyl und der dem Schutzstandard der Genfer Flüchtlingskonvention verpflichteten Bestimmungen der Richtlinie 2004/83/EG (vgl. etwa Erwägungsgründe 3 und 17 der Richtlinie) nicht angenommen werden. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts hat zwar nicht die Nichtigkeit entgegenstehenden nationalen Rechts zur Folge. Im Anwendungsbereich des Unionsrechts ist entgegenstehendes mitgliedstaatliches Recht aber grundsätzlich unanwendbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - NJW 2010, 3422). Der Anwendungsvorrang gilt in Deutschland allerdings nur kraft des durch Zustimmungsgesetz zu den Verträgen erteilten Rechtsanwendungsbefehls. Er reicht für in Deutschland ausgeübte Hoheitsgewalt daher nur so weit, wie die Bundesrepublik Deutschland dieser Kollisionsregel zugestimmt hat und zustimmen durfte (vgl. BVerfG, Urteil vom 30. Juni 2009 - 2 BvE 2/08 u.a. - BVerfGE 123, 267 <343>). Innerhalb dieser Grenzen ist das Unionsrecht aber auch bei der Auslegung des Grundgesetzes zu beachten. Dies hat hier zur Folge, dass mit der Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG das Grundrecht auf Asyl richtlinienkonform auszulegen ist und die Ausschlussklauseln selbst im Falle einer nicht durch richtlinienkonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung dieses Grundrechts behebbaren Kollision jedenfalls über den Anwendungsvorrang des vom nationalen Gesetzgeber umgesetzten Unionsrechts beachtlich sind.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Asyl- und Flüchtlingsanerkennung.

2

Der 1968 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Im Mai 2001 reiste er aus dem Iran auf dem Luftweg nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Zur Begründung gab er an: Er befürchte Verfolgung sowohl von Seiten des türkischen Staates als auch von Seiten der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK). Er sei schon während seines Studiums an der Universität Istanbul Ende der 80er Jahre wegen seines Eintretens für ein Selbstbestimmungsrecht der Kurden dreimal festgenommen und gefoltert worden. Danach sei er jeweils aus Mangel an Beweisen freigelassen worden. 1990 sei er in die Berge geflohen, um sich der PKK anzuschließen. Er sei dort Guerillakämpfer und hoher Funktionär der PKK gewesen. Ende 1998 habe ihn die PKK in den Nordirak geschickt. Aufgrund politischer Differenzen mit der Führung der PKK habe er sich im Mai 2000 von dieser getrennt und werde seitdem als Abtrünniger von Seiten der PKK bedroht. Er habe sich noch ungefähr ein Jahr im Nordirak aufgehalten, sei aber auch dort nicht sicher gewesen. Deshalb sei er im Mai 2001 über den Iran nach Deutschland geflohen.

3

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - Bundesamt - erkannte den Kläger daraufhin im Mai 2001 als Asylberechtigten an und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Türkei vorliegen (Flüchtlingsanerkennung nach damaligem Recht).

4

Im Januar 2002 führte der deutsche Gesetzgeber mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz neue Ausschlussgründe für die Asyl- und Flüchtlingsanerkennung ein, die sich an den in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) geregelten Ausschlussgründen orientierten. Mit Blick auf diese Gesetzesänderung regte das Bundeskriminalamt beim Bundesamt die Einleitung eines Widerrufs- oder Rücknahmeverfahrens gegen den Kläger an. Nach den dortigen Erkenntnissen treffe es zu, dass der Kläger sich 1990 der PKK angeschlossen habe und Guerillakämpfer und hoher Funktionär der PKK, ein sog. "Kader", gewesen sei. Er habe mindestens ab Februar 1999, möglicherweise schon ab 1995, dem 41 Personen zählenden Führungsgremium angehört und trage damit eine umfassende Mitverantwortung für die terroristischen Aktivitäten der PKK. Im August 2000 habe Interpol Ankara den Kläger aufgrund des Haftbefehls eines Staatssicherheitsgerichts zur internationalen Fahndung ausgeschrieben. Gegenstand des Fahndungsersuchens seien insbesondere Anschläge, bei denen 126 Personen getötet worden seien, sowie die Beteiligung an der Ermordung von zwei PKK-Guerillakämpfern, die aufgrund des eigenen Strafsystems der PKK erfolgt sein soll. Der Tatzeitraum liege zwischen 1993 und 1998.

5

Das Bundesamt widerrief daraufhin mit Bescheid vom 6. Mai 2004 die Asyl- und die Flüchtlingsanerkennung des Klägers. Der Widerruf sei nach § 73 Abs. 1 AsylVfG geboten, weil die Voraussetzungen für die Anerkennungen nicht mehr vorlägen. Mit Einführung der Ausschlussgründe sei eine nachträgliche Rechtsänderung eingetreten, die zur Folge habe, dass der Kläger nunmehr vom Asyl- und Flüchtlingsschutz ausgeschlossen sei. Er erfülle die 2. und 3. Alternative der Ausschlussvorschrift (damals: § 51 Abs. 3 Satz 2 AuslG, später: § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG, jetzt: § 3 Abs. 2 AsylVfG). Denn er sei hinreichend verdächtig, vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb der Bundesrepublik Deutschland begangen und den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider gehandelt zu haben. Der Kläger habe durch seine Einbindung als Guerillakämpfer und aufgrund seiner Position in der Führungsebene der PKK Unterstützungshandlungen für deren terroristische Aktivitäten geleistet und sei somit strafrechtlich für die Begehung schwerster Verbrechen verantwortlich. Darüber hinaus sei er aufgrund des türkischen Haftbefehls und seiner eigenen Einlassung im Asylverfahren hinreichend verdächtig, durch eigene Gewaltbeiträge bis hin zur Tötung zahlreicher Menschen die PKK unterstützt zu haben. Damit habe er die beiden genannten Ausschlusstatbestände erfüllt.

6

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 29. November 2005 den Widerrufsbescheid aufgehoben.

7

Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 27. März 2007 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Widerruf sei rechtswidrig. Er könne weder auf eine Änderung der Sachlage noch auf eine Änderung der Rechtslage gestützt werden. Die für die Anerkennung des Klägers maßgeblichen Verhältnisse in der Türkei hätten sich entgegen dem Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren nicht entscheidend geändert. Der vorverfolgt ausgereiste Kläger sei auch jetzt vor erneuter Verfolgung nicht hinreichend sicher. Trotz der umfassenden Reformbemühungen, insbesondere der "Null-Toleranz-Politik" gegenüber Folter, komme es in der Türkei weiterhin zu Verfolgungsmaßnahmen asylerheblicher Art und Intensität, die dem türkischen Staat zurechenbar seien. Aufgrund des gegen den Kläger vorliegenden Haftbefehls sei anzunehmen, dass er im Falle seiner Rückkehr festgenommen und zu den ihm vorgeworfenen Straftaten sowie zu den Aktivitäten im Bundesgebiet und etwaigen Kontakten zu Organisationsangehörigen im In- und Ausland befragt werde. Dabei bestehe die Gefahr, dass es zu asylerheblichen Übergriffen komme. Der Widerruf sei auch nicht aufgrund einer nachträglichen Änderung der Rechtslage gerechtfertigt. Denn die Voraussetzungen der Ausschlussklauseln seien im Falle des Klägers nicht erfüllt. In Betracht komme allein die 2. Alternative der in § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG geregelten Ausschlussgründe. Auch wenn Erhebliches dafür spreche, dass der Kläger während seiner langjährigen Einbindung in die PKK als Kämpfer und - zeitweise - als Funktionär in hervorgehobener Position an terroristischen Aktionen der PKK beteiligt gewesen sei und damit Taten verübt habe, die nach Art und Schwere als schweres nichtpolitisches Verbrechen zu beurteilen seien, greife der Ausschlussgrund nicht ein. Denn dieser sei in Übereinstimmung mit der Genfer Flüchtlingskonvention bei gemeinschaftsrechts- und verfassungskonformer Auslegung dahin zu verstehen, dass er nicht allein der Sanktionierung eines in der Vergangenheit begangenen, schweren nichtpolitischen Verbrechens, sondern auch der Gefahrenabwehr diene und eine am Sinn und Zweck der Vorschrift und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte umfassende Würdigung des Einzelfalls erfordere. Der Ausschlussgrund könne daher entfallen, wenn von dem Ausländer keine Gefahr mehr ausgehe, etwa weil feststehe, dass er sich von allen früheren terroristischen Aktivitäten losgesagt habe. Das sei bei dem Kläger der Fall.

8

Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage. Sie macht geltend: Der Widerruf der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung sei rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der in dem angefochtenen Bescheid genannten Ausschlussgründe lägen vor. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts setzten beide Ausschlussgründe weder eine fortbestehende Gefährlichkeit des Ausländers noch eine einzelfallbezogene Verhältnismäßigkeitsprüfung voraus.

9

Mit Beschluss vom 25. November 2008 - BVerwG 10 C 46.07 - hat der Senat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union verschiedene Fragen zur Auslegung der inzwischen unionsrechtlich geregelten Ausschlussgründe in Art. 12 Abs. 2 Buchst. b und c und zu Art. 3 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 - sog. Qualifikationsrichtlinie - zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der Gerichtshof hat die Vorlagefragen mit Urteil vom 9. November 2010 (Rs. C-57/09 und C-101/09 - NVwZ 2011, 285) beantwortet.

10

Die Beklagte sieht sich in ihrer Auffassung durch das Urteil des Gerichtshofs bestätigt. Dem schließt sich auch der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht an.

11

Der Kläger verteidigt das Berufungsurteil und hält den Widerruf auch deshalb für unzulässig, weil der Beklagten seine Aktivitäten und Stellung in der PKK schon aufgrund seiner Angaben im Anerkennungsverfahren bekannt gewesen seien und sich seitdem nichts geändert habe. Schließlich fehle es auch an der Feststellung seiner persönlichen Verantwortung für konkrete terroristische Aktionen der PKK.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet. Die Berufungsentscheidung beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hat das Vorliegen von Ausschlussgründen gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG (früher: § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG/§ 51 Abs. 3 Satz 2 AuslG 1990) und damit auch die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung des Klägers mit einer Begründung verneint, die mit Bundesrecht nicht vereinbar ist. Es hat zu Unrecht angenommen, dass ein Ausschluss nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 AsylVfG voraussetzt, dass von dem Betreffenden auch noch gegenwärtig die Gefahr der erneuten Begehung von Straftaten oder Handlungen im Sinne dieser Bestimmungen ausgeht (1.). Dieses fehlerhafte Verständnis der Ausschlussgründe durch das Berufungsgericht wirkt sich auch auf die rechtliche Beurteilung des Widerrufs der Asylanerkennung aus (2.). Mangels ausreichender Feststellungen des Berufungsgerichts konnte der Senat nicht selbst abschließend entscheiden, ob der Kläger durch seine Aktivitäten in der PKK einen Ausschlussgrund nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder 3 AsylVfG verwirklicht hat (3.). Das Verfahren war daher zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

13

1. a) Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung im Bescheid vom 6. Mai 2004 in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden ist (vgl. im Einzelnen den Beschluss des Senats vom 25. November 2008 - BVerwG 10 C 46.07 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 24 = NVwZ 2009, 592 Rn. 15).

14

b) Maßgeblich für die materiellrechtliche Beurteilung des Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung ist die neue, seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - im Folgenden: Richtlinienumsetzungsgesetz - am 28. August 2007 geltende Rechtslage. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, sofern sie das Berufungsgericht, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte (vgl. Urteil vom 11. September 2007 - BVerwG 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylverfahrensrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylVfG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die aktuelle Rechtslage zugrunde legen (vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 24. Februar 2011 - BVerwG 10 C 3.10 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen, juris Rn. 7 m.w.N.).

15

c) Rechtsgrundlage für den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung ist § 73 Abs. 1 AsylVfG. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Die Anerkennungsvoraussetzungen müssen danach nachträglich - also in der Regel nach Ausspruch der Anerkennung - entfallen sein.

16

aa) Einen Wegfall der Anerkennungsvoraussetzungen aufgrund einer nachträglichen Änderung der Sachlage hat das Berufungsgericht vorliegend im Ergebnis zu Recht verneint. Nach den das Revisionsgericht bindenden tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgericht (§ 137 Abs. 2 VwGO) ist eine wesentliche Änderung der Verfolgungslage in der Türkei, die einen Widerruf der Flüchtlingsanerkennung für den vorverfolgt ausgereisten Kläger rechtfertigen würde, nicht eingetreten.

17

Allerdings hat das Berufungsgericht bei seiner Prüfung, ob sich die für die Beurteilung der Verfolgungsgefahr maßgeblichen Verhältnisse in der Türkei nachträglich erheblich geändert haben, mit Blick auf die Vorverfolgung des Klägers auf den herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hinreichenden Sicherheit vor Verfolgung abgestellt (UA S. 12), wie er in der Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht für Fälle der Vorverfolgung entwickelt und dann auf den Flüchtlingsschutz übertragen worden ist. Dieses materiellrechtliche Konzept unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe für die Verfolgungsprognose ist der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 vom 30. September 2004 S. 12, berichtigt ABl EU Nr. L 204 vom 5. August 2005 S. 24) fremd. Sie geht vielmehr von einem einheitlichen Prognosemaßstab aus, der dem der beachtlichen Wahrscheinlichkeit nach bisheriger deutscher Rechtslage entspricht, und verfolgt einen beweisrechtlichen Ansatz, wie er bei der Nachweispflicht der Mitgliedstaaten nach Art. 14 Abs. 2 und der tatsächlichen Verfolgungsvermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie zum Ausdruck kommt. Mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19. August 2007 hat der deutsche Gesetzgeber deshalb bei der Flüchtlingsanerkennung die bisherigen unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe des nationalen Rechts aufgegeben und sich den beweisrechtlichen Ansatz der Richtlinie zu eigen gemacht (vgl. zum Vorstehenden im Einzelnen Urteil des Senats vom 1. Juni 2011 - BVerwG 10 C 25.10 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen, m.w.N.).

18

Gleichwohl ist die Berufungsentscheidung in diesem Punkt im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn die einzelnen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (UA S. 13 ff.) tragen den Schluss, dass auch bei Zugrundelegung des nunmehr maßgeblichen einheitlichen Prognosemaßstabs nach den unionsrechtlichen Vorgaben die Veränderung der Umstände in der Türkei nicht so erheblich und dauerhaft ist, dass die Furcht des vorverfolgten Klägers vor Verfolgung aus den gleichen Gründen nicht länger als begründet angesehen werden kann (vgl. Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG sowie hierzu Urteil des Senats vom 24. Februar 2011 a.a.O. Rn. 17, 19, zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen, im Anschluss an EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - Rs. C-175/08 u.a., Abdulla u.a. - InfAuslR 2010, 188). So führt das Berufungsgericht u.a. aus, aufgrund des gegen den Kläger vorliegenden Haftbefehls sei anzunehmen, dass er im Falle seiner Rückkehr festgenommen und zu den ihm vorgeworfenen Straftaten sowie zu seinen Aktivitäten im Bundesgebiet und etwaigen Kontakten zu Organisationsangehörigen im In- und Ausland befragt werde und dabei die Gefahr bestehe, dass die Befragung mit asylrechtlich relevanten Übergriffen einhergehe (UA S. 17). Damit ist gerade nicht - wie für einen Widerruf gemäß Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG erforderlich - festgestellt, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründeten und zur Flüchtlingsanerkennung führten, beseitigt sind und diese Beseitigung als dauerhaft angesehen werden kann.

19

Da der Kläger auch nicht durch eigenes Verhalten nach der Anerkennung einen Grund für den Wegfall der Anerkennungsvoraussetzungen, etwa durch nachträgliche Verwirklichung eines Ausschlusstatbestandes, geschaffen hat, scheidet ein Widerruf der Flüchtlingsanerkennung wegen Änderung der Sachlage aus.

20

bb) In Betracht kommt allerdings ein Widerruf der Flüchtlingsanerkennung wegen nachträglicher Änderung der Rechtslage durch Einführung der nach Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes nunmehr in § 3 Abs. 2 AsylVfG geregelten Ausschlussgründe. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 12 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2004/83/EG umgesetzt, die sich ihrerseits an den in Art. 1 F GFK aufgeführten Ausschlussgründen orientieren (BTDrucks 16/5065 S. 214). Sollte der Kläger durch seine Aktivitäten in der PKK einen dieser Ausschlussgründe verwirklicht haben, wäre ein Widerruf wegen dieser nach der Anerkennung eingetretenen Änderung der Rechtslage nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG zulässig und geboten.

21

Jedenfalls nach Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG durch das Richtlinienumsetzungsgesetz ist die Vorschrift mit Blick auf Art. 14 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie unionsrechtskonform so auszulegen, dass bei Vorliegen von Ausschlussgründen Altanerkennungen, die vor Einführung dieser Ausschlussgründe ausgesprochen wurden, wegen der unionsrechtlich nunmehr zwingend gebotenen Beachtung dieser Ausschlussgründe zu widerrufen sind. Nach Art. 14 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie erkennen die Mitgliedstaaten die Flüchtlingseigenschaft ab, beenden diese oder lehnen ihre Verlängerung ab, falls der betreffende Mitgliedstaat nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft feststellt, dass die Person gemäß Art. 12 der Richtlinie von der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hätte ausgeschlossen werden müssen oder ausgeschlossen ist. Diese Regelung ist - anders als Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie - zwingend ausgestaltet und verpflichtet nach Auffassung des Gerichtshofs der Europäischen Union mangels einer Übergangsregelung auch zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft in Fällen, in denen vor Inkrafttreten der Richtlinie Anträge gestellt oder Entscheidungen erlassen wurden (EuGH, Urteil vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 73 f.). Da eine Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft bei ursprünglich rechtmäßiger Anerkennung nach nationalem Recht nur im Wege des Widerrufs erfolgen kann, ist § 73 Abs. 1 AsylVfG, der in seinem Wortlaut insoweit offen ist, unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass er, jedenfalls soweit zwingende Regelungen der Richtlinie 2004/83/EG - wie hier Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie - es erfordern, einen Widerruf aufgrund dieser Änderung der Rechtslage zulässt und gebietet.

22

Diese vom Gerichtshof der Europäischen Union vorgegebene Auslegung steht auch nicht im Widerspruch zu dem insoweit als Maßstab heranzuziehenden unionsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes. Dieser Grundsatz kommt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union vor allem dann zum Tragen, wenn Vorschriften des materiellen Unionsrechts für vor ihrem Inkrafttreten abgeschlossene Sachverhalte gelten sollen. Der Anwendungsbereich dieses Grundsatzes darf aber nicht so weit erstreckt werden, dass die Anwendung einer neuen Regelung auf die künftigen Auswirkungen von unter der Geltung früherer Regelungen entstandenen Sachverhalten schlechthin ausgeschlossen ist (vgl. u.a. EuGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - Rs. C-226/08, Stadt Papenburg - NVwZ 2010, 310 Rn. 46 m.w.N.). Da der Widerruf von Flüchtlingsanerkennungen, die vor Umsetzung von Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2004/83/EG ausgesprochen worden sind, nicht zu einem Entzug des Flüchtlingsstatus in der Vergangenheit führt, sondern lediglich den Fortbestand der Flüchtlingsanerkennung in der Zukunft entfallen lässt, beinhaltet die Regelung nicht eine rückwirkende Neubewertung abgeschlossener Sachverhalte. Sie betrifft vielmehr nur die künftigen Auswirkungen von unter Geltung der früheren Regelung entstandenen Sachverhalten. Vor diesem Hintergrund ist das Vertrauen des Betroffenen, trotz Verwirklichung von Ausschlussgründen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention auch künftig im Besitz der Flüchtlingsanerkennung zu bleiben, nicht schutzwürdig. Im Übrigen sind die aus der unionsrechtskonformen Auslegung von § 73 Abs. 1 AsylVfG folgenden nachteiligen Auswirkungen für den Betroffenen auch deshalb begrenzt, weil mit der Beendigung der Flüchtlingseigenschaft keine Entscheidung über die Abschiebung in den Verfolgerstaat verbunden ist, sondern im Falle einer dort drohenden gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung jedenfalls nach den von den Mitgliedstaaten zu beachtenden völkerrechtlichen Verpflichtungen ein Abschiebungsverbot besteht.

23

cc) Ist demnach im Falle der Verwirklichung eines Ausschlussgrundes nach § 3 Abs. 2 AsylVfG durch den Kläger der Widerruf seiner Flüchtlingsanerkennung geboten, kommt es entscheidend darauf an, ob der Kläger durch die ihm zur Last gelegten Aktivitäten in der PKK vor seiner Ausreise einen Ausschlussgrund nach § 3 Abs. 2 AsylVfG erfüllt hat. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es das Vorliegen eines solchen Ausschlussgrundes bei dem Kläger verneint hat, sind mit revisiblem Recht nicht vereinbar.

24

Das Berufungsgericht hat allein den jetzt in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG (früher in § 60 Abs. 8 Satz 2 Alt. 2 AufenthG) geregelten Ausschlussgrund einer schweren nichtpolitischen Straftat in Betracht gezogen, der dem Ausschlussgrund nach Art. 12 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG sowie nach Art. 1 F Buchst. b GFK entspricht. Nach dieser Bestimmung ist ein Ausländer nicht Flüchtling, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden. Die Regelung gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben (§ 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG in Umsetzung von Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2004/83/EG). Das Berufungsgericht hat die Vorschrift dahingehend ausgelegt, dass der Ausschlussgrund nicht allein der Sanktionierung eines in der Vergangenheit von dem Ausländer begangenen schweren nichtpolitischen Verbrechens, sondern daneben auch der Gefahrenabwehr diene und eine am Sinn und Zweck der Vorschrift sowie am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte umfassende Würdigung des Einzelfalls erfordere. Der Ausschlussgrund könne daher entfallen, wenn von dem Ausländer unter keiner Betrachtungsweise mehr eine Gefahr ausgehe, etwa weil feststehe, dass er sich von allen früheren terroristischen Aktivitäten losgesagt habe oder aus gesundheitlichen Gründen zu politischen Aktivitäten nicht mehr in der Lage sei (UA S. 19 f.). Hiervon ausgehend hat es das Eingreifen des Ausschlussgrundes im Falle des Klägers verneint. Auch wenn er durch seine Beteiligung an terroristischen Aktionen der PKK schwere nichtpolitische Verbrechen begangen haben sollte, bestünden derzeit keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass er sich nochmals an vergleichbaren Taten beteiligen werde (UA S. 44). Diesem rechtlichen Ausgangspunkt ist nach Einholung der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union durch den Senat im vorliegenden Verfahren nicht zu folgen.

25

Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 9. November 2010 (a.a.O. Rn. 104 f.) setzt der Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling nach Art. 12 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie nicht voraus, dass von dem Ausländer eine gegenwärtige Gefahr für den Aufnahmestaat ausgeht. Den Ausführungen des Gerichtshofs zufolge, die sich gleichermaßen auf den Ausschlussgrund des Zuwiderhandelns gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen (Art. 12 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie, § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG) beziehen, wurden die Ausschlussgründe mit dem Ziel geschaffen, von der Flüchtlingsanerkennung Personen auszuschließen, die hinsichtlich des Schutzes, der sich aus der Anerkennung ergibt, als unwürdig angesehen werden, und zu verhindern, dass die Anerkennung den Urhebern bestimmter schwerer Straftaten ermöglicht, sich ihrer strafrechtlichen Verantwortung zu entziehen. Nach der Systematik der Richtlinie 2004/83/EG ist eine möglicherweise von einem Flüchtling für den betreffenden Mitgliedstaat ausgehende gegenwärtige Gefahr nicht im Rahmen des Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie zu berücksichtigen, sondern im Rahmen des Art. 14 Abs. 4 bzw. des Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie (vgl. § 3 Abs. 4 und § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG jeweils i.V.m. § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG). Mit den Ausschlussgründen nach Art. 12 Abs. 2 Buchst. b und c der Richtlinie sollen hingegen nach ihrem Wortlaut Handlungen geahndet werden, die in der Vergangenheit begangen wurden (EuGH, Urteil vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 101 ff.). Auf eine fortbestehende von dem Betreffenden ausgehende aktuelle Gefahr kommt es daher nicht an.

26

Für diese Ausschlussgründe bedarf es nach dem Urteil des Gerichtshofs auch keiner (nachgelagerten) auf den Einzelfall bezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung. Erfüllt eine Person die in den Ausschlussgründen festgelegten Voraussetzungen, ist sie zwingend und ohne Ausnahme von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen. Der Ausschluss nach Art. 12 Abs. 2 Buchst. b und c der Richtlinie hängt mit der Schwere der begangenen Handlungen zusammen, die von einem solchen Grad sein muss, dass die betreffende Person nicht in berechtigter Weise Anspruch auf den Schutz als Flüchtling im Sinne der Richtlinie erheben kann. Da bereits im Rahmen der Beurteilung der Schwere der begangenen Handlungen und der individuellen Verantwortung des Betreffenden alle Umstände berücksichtigt werden, die für diese Handlungen und für die Lage des Betreffenden kennzeichnend sind, ist eine zusätzliche weitere Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht mehr geboten (EuGH, Urteil vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 107 ff.).

27

Das Berufungsurteil hält auch hinsichtlich des Ausschlussgrundes des Zuwiderhandelns gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen, der nunmehr als Umsetzung von Art. 12 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG geregelt ist, einer revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat diesen Ausschlussgrund im Fall des Klägers nicht näher in Betracht gezogen, weil es sich der Auffassung des UNHCR zur Auslegung des entsprechenden Ausschlussgrundes in Art. 1 F Buchst. c GFK angeschlossen hat, wonach solche Zuwiderhandlungen nur von Personen begangen werden können, die eine gewisse Machtposition in einem Mitgliedstaat der Vereinten Nationen besessen und zu einer Verletzung der Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen durch ihren Staat direkt beigetragen haben (UA S. 29, 34 f. unter Hinweis auf UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, Genf, September 1979 Nr. 163). Dieser restriktiven Auslegung kann, jedenfalls soweit es um Handlungen des internationalen Terrorismus geht, nach dem Urteil der Gerichtshofs der Europäischen Union vom 9. November 2010 (a.a.O. Rn. 82 ff.) nicht mehr gefolgt werden.

28

Die für einen Ausschluss nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG maßgeblichen Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen sind in der Präambel und in den Art. 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt und u.a. in den Resolutionen des UN-Sicherheitsrats zu den Antiterrormaßnahmen verankert, in denen erklärt wird, "dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" und "dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" (vgl. Erwägungsgrund 22 zur Richtlinie 2004/83/EG). Wie sich aus den UN-Resolutionen 1373 (2001) und 1377 (2001) ergibt, geht der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen von dem Grundsatz aus, dass Handlungen des internationalen Terrorismus in einer allgemeinen Weise und unabhängig von der Beteiligung eines Staates den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen. Daraus folgert der Gerichtshof, dass dieser Ausschlussgrund auch auf Personen Anwendung finden kann, die im Rahmen ihrer Zugehörigkeit zu einer in der Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 aufgeführten Organisation an terroristischen Handlungen beteiligt waren, die eine internationale Dimension aufweisen (EuGH, Urteil vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 82 bis 84). Danach können Zuwiderhandlungen im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG jedenfalls bei Aktivitäten des internationalen Terrorismus auch von Personen begangen werden, die keine Machtposition in einem Mitgliedstaat der Vereinten Nationen oder zumindest in einer staatsähnlichen Organisation innehaben. Bei diesem Ausschlussgrund bedarf es ebenfalls weder einer gegenwärtigen Gefahr noch einer (nachgelagerten) Verhältnismäßigkeitsprüfung (EuGH, Urteil vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 105 und 111).

29

2. Hinsichtlich des Widerrufs der Asylanerkennung des Klägers beruht das Berufungsurteil ebenfalls auf der Verletzung von Bundesrecht. Wenn der Kläger durch seine Aktivitäten in der PKK einen Ausschlussgrund im Sinne des § 3 Abs. 2 AsylVfG verwirklicht haben sollte, wäre nicht nur der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung, sondern auch der Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG gemäß § 73 Abs. 1 AsylVfG rechtmäßig.

30

a) Rechtsgrundlage für den Widerruf der Asylanerkennung des Klägers ist ebenso wie für den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in der Fassung des Richtlinienumsetzungsgesetzes. Auch im Fall der Asylanerkennung ist die Vorschrift unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass sie bei Altanerkennungen, die noch vor Einführung der Ausschlussgründe ausgesprochen wurden, mit Blick auf die unionsrechtlich zwingend gebotene Beachtung der Ausschlussgründe einen Widerruf auch allein aufgrund dieser Rechtsänderung zulässt und gebietet.

31

Zwar wird das durch Art. 16a GG gewährleistete verfassungsrechtliche Asylgrundrecht nicht unmittelbar von der Richtlinie 2004/83/EG erfasst. Wie sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. November 2010 (a.a.O. Rn. 113 ff.) ergibt, wirkt sich die Richtlinie aber insofern auf das nationale Asylgrundrecht aus, als es dem in Art. 3 der Richtlinie niedergelegten Vorbehalt zuwiderläuft, wenn ein Mitgliedstaat Bestimmungen erlässt oder beibehält, die die Rechtsstellung eines Flüchtlings einer Person gewähren, die hiervon nach Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie ausgeschlossen ist (a.a.O. Rn. 115). Die Mitgliedstaaten dürfen zwar Schutz aus anderen Gründen gewähren als denjenigen, auf denen der internationale Schutz beruht. In Betracht kommt etwa eine Schutzgewährung aus familiären oder humanitären Gründen (a.a.O. Rn. 118). Diese andere Form des Schutzes, zu deren Gewährung die Mitgliedstaaten befugt sind, darf indessen nicht mit der Rechtsstellung des Flüchtlings im Sinne der Richtlinie verwechselbar sein (a.a.O. Rn. 119). Nur soweit die nationalen Rechtsvorschriften, die von der Flüchtlingsanerkennung im Sinne der Richtlinie ausgeschlossenen Personen ein Asylrecht gewähren, eine klare Unterscheidung des nationalen Schutzes von dem Schutz gemäß der Richtlinie erlauben, beeinträchtigen sie daher das von der Richtlinie geschaffene System nicht (a.a.O. Rn. 120).

32

Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 31. März 2011 - BVerwG 10 C 2.10 - (zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen, juris Leitsatz 3 und Rn. 53) ausgeführt hat, handelt es sich bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung der Asylberechtigung nach Art. 16a GG um einen nationalen Schutzstatus, der der Rechtsstellung eines Flüchtlings im Sinne der Richtlinie weitgehend entspricht und damit eine Verwechslungsgefahr im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs begründet. Bei der Asylberechtigung nach Art. 16a GG handelt es sich nicht um einen gegenüber der Flüchtlingsanerkennung andersartigen Schutzstatus - gegründet etwa auf familiäre oder humanitäre Motive. Vielmehr genießt ein Asylberechtigter nach § 2 Abs. 1 AsylVfG im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines Flüchtlings im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention; entgegen der Rechtsauffassung des Klägers könnte die Asylberechtigung gemäß Art. 16a GG auch durch Änderung der Voraussetzungen und Rechtsfolgen des § 2 Abs. 1 AsylVfG nicht so weit von der Flüchtlingseigenschaft abgehoben werden, dass keine Verwechselungsgefahr mehr bestünde. Jedenfalls de lege lata entspricht die Rechtsposition des Asylberechtigten innerstaatlich auch der unionsrechtlichen Stellung von Flüchtlingen, wie sie durch die Richtlinie 2004/83/EG ausgestaltet ist (vgl. Hailbronner, ZAR 2009, 369 <371 ff.>). Damit liefe es aber dem Vorbehalt in Art. 3 der Richtlinie zuwider, wenn Deutschland Personen eine dem Flüchtlingsstatus weitgehend entsprechende Rechtsstellung gewährte oder erhielte, die hiervon nach Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie ausgeschlossen sind. Die Vorgaben des Unionsrechts verlangen somit, dass die Ausschlussgründe des Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie auch auf Asylberechtigte anzuwenden sind und ihre Anerkennung bei nachträglicher Verwirklichung von Ausschlussgründen nach Art. 14 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie zu widerrufen ist (Urteil vom 31. März 2011 a.a.O.). Sie verlangen darüber hinaus, dass auch Altanerkennungen, die noch vor Einführung dieser Ausschlussgründe ausgesprochen wurden, nicht mehr aufrechterhalten bleiben, wenn vor der Anerkennung Ausschlussgründe verwirklicht worden sind. Dem ist nach Umsetzung der Richtlinie durch den deutschen Gesetzgeber durch die entsprechende unionsrechtskonforme Auslegung von § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG Rechnung zu tragen.

33

b) Hieraus folgt zugleich, dass bei Vorliegen von zwingenden Ausschlussgründen für die Flüchtlingseigenschaft nach Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG auch die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG nicht mehr vorliegen. Dabei kann offenbleiben, ob der deutsche Gesetzgeber mit der einfachgesetzlichen Übertragung dieser flüchtlingsrechtlichen Ausschlussgründe auf den Asylanspruch nach Art. 16a GG in § 30 Abs. 4 und § 73 Abs. 2a Satz 4 letzter Halbsatz AsylVfG die verfassungsimmanenten Grenzen des Asylgrundrechts zutreffend und in hinreichend bestimmter Weise nachgezeichnet hat (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 12. März 2008 - 2 BvR 378/05 - juris Rn. 23 f.) oder ob diese Grenzen anders zu bestimmen sind als nach der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. hierzu Beschluss vom 14. Oktober 2008 - BVerwG 10 C 48.07 - BVerwGE 132, 79 Rn. 36 ff. sowie Urteil vom 31. März 2011 a.a.O. Rn. 45 ff.). Denn die einfachgesetzliche Erstreckung der Ausschlussklauseln auf den Asylanspruch nach Art. 16a GG ist verfassungsrechtlich schon deshalb nicht zu beanstanden, weil der deutsche Gesetzgeber hierdurch seiner Verpflichtung zur innerstaatlichen Umsetzung des Unionsrechts nachgekommen ist. Die Bindung an zwingende Vorgaben einer Richtlinie nach Art. 288 Abs. 3 AEUV befindet sich in Übereinstimmung mit den in Art. 23 Abs. 1 GG genannten Rechtsgrundsätzen, solange die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Union generell gewährleistet, der dem vom Grundgesetz jeweils als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <95 ff.>). Dass dieser unabdingbar gebotene Grundrechtsschutz auf unionsrechtlicher Ebene in Bezug auf das Asylrecht generell nicht gewährleistet wäre, kann angesichts des in Art. 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verbürgten Rechts auf Asyl und der dem Schutzstandard der Genfer Flüchtlingskonvention verpflichteten Bestimmungen der Richtlinie 2004/83/EG (vgl. etwa Erwägungsgründe 3 und 17 der Richtlinie) nicht angenommen werden. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts hat zwar nicht die Nichtigkeit entgegenstehenden nationalen Rechts zur Folge. Im Anwendungsbereich des Unionsrechts ist entgegenstehendes mitgliedstaatliches Recht aber grundsätzlich unanwendbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - NJW 2010, 3422). Der Anwendungsvorrang gilt in Deutschland allerdings nur kraft des durch Zustimmungsgesetz zu den Verträgen erteilten Rechtsanwendungsbefehls. Er reicht für in Deutschland ausgeübte Hoheitsgewalt daher nur so weit, wie die Bundesrepublik Deutschland dieser Kollisionsregel zugestimmt hat und zustimmen durfte (vgl. BVerfG, Urteil vom 30. Juni 2009 - 2 BvE 2/08 u.a. - BVerfGE 123, 267 <343>). Innerhalb dieser Grenzen ist das Unionsrecht aber auch bei der Auslegung des Grundgesetzes zu beachten. Dies hat hier zur Folge, dass mit der Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG das Grundrecht auf Asyl richtlinienkonform auszulegen ist und die Ausschlussklauseln selbst im Falle einer nicht durch richtlinienkonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung dieses Grundrechts behebbaren Kollision jedenfalls über den Anwendungsvorrang des vom nationalen Gesetzgeber in einfaches Gesetzesrecht umgesetzten Unionsrechts beachtlich sind (Urteil vom 31. März 2011 a.a.O. Rn. 54).

34

3. Auch wenn das Berufungsurteil danach auf der Verletzung von Bundesrecht beruht, kann der Senat nicht selbst über die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Flüchtlings- und der Asylanerkennung entscheiden. Denn aufgrund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob der Kläger einen Ausschlussgrund nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder 3 AsylVfG verwirklicht hat.

35

Das Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG setzt voraus, dass schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Betreffende vor seiner Einreise in das Bundesgebiet eine schwere nichtpolitische Straftat begangen, zu einer solchen Tat angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt hat (§ 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG). Als schwere Straftaten in diesem Sinne sind, wie der Gerichtshof der Europäischen Union betont hat (EuGH, Urteil vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 81), u.a. terroristische Handlungen anzusehen, die durch ihre Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung gekennzeichnet sind, auch wenn mit ihnen vorgeblich politische Ziele verfolgt werden. Allerdings rechtfertigt allein der Umstand, dass eine Person einer Organisation angehört hat, die - wie hier die PKK - wegen ihrer Beteiligung an terroristischen Handlungen in der sog. EU-Terrorliste (Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 17. Juni 2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2002/340/GASP - 2002/462/GSAP - ABl EG Nr. L 160 vom 18. Juni 2002 S. 32) aufgeführt ist, und sie den von dieser Organisation geführten bewaffneten Kampf aktiv unterstützt hat, nicht automatisch die Annahme eines Ausschlussgrundes nach dieser Vorschrift. Es bedarf vielmehr in jedem Einzelfall einer Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände, um zu ermitteln, ob die von der Organisation begangenen Handlungen schwere nichtpolitische Straftaten im Sinne des Ausschlussgrundes sind und ob der betreffenden Person eine individuelle Verantwortung für die Verwirklichung dieser Handlungen zugerechnet werden kann, wobei dem in der Vorschrift verlangten Beweisniveau Rechnung zu tragen ist (EuGH, Urteil vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 99). Dies gilt auch dann, wenn die betreffende Person - wie hier der Kläger - eine hervorgehobene Position innerhalb einer sich terroristischer Methoden bedienender Organisation innehatte. Daraus kann nach Ansicht des Gerichtshofs zwar eine Vermutung hergeleitet werden, dass diese Person eine individuelle Verantwortung für von dieser Organisation im relevanten Zeitraum begangene Handlungen trägt, nichtsdestoweniger bedarf es aber auch dann der Prüfung sämtlicher erheblicher Umstände im Einzelfall, um die Person von der Anerkennung als Flüchtling auszuschließen (EuGH, Urteil vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 98). Entsprechendes gilt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs für den vom Berufungsgericht nicht näher geprüften Ausschlussgrund des Zuwiderhandelns gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. Art. 12 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG (EuGH, Urteil vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 99).

36

Daran gemessen genügen die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts auch unter Berücksichtigung des anzulegenden (abgesenkten) Beweismaßes nicht, um das Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 AsylVfG bei dem Kläger zu bejahen. Ob der strafrechtliche Vorwurf, der dem Fahndungsersuchen der türkischen Strafverfolgungsbehörden zugrunde liegt (Anschläge, bei denen 126 Menschen getötet worden seien, und Beteiligung an der Ermordung zweier PKK-Kämpfer in dem Zeitraum von 1993 bis 1998) berechtigt ist, hat das Berufungsgericht offengelassen (UA S. 43). Auch wenn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts davon ausgegangen werden kann, dass die PKK aufgrund der Aufnahme in die EU-Terrorliste eine terroristische Organisation ist und dass der Kläger für einen gewissen Zeitraum hoher Funktionär dieser Organisation gewesen ist, rechtfertigt dies allein noch nicht automatisch die Annahme einer dem Kläger zuzurechnenden schweren nichtpolitischen Straftat. Denn zum einen fehlt es schon an genauen Feststellungen dazu, wann und wie lange der Kläger tatsächlich dem 41-köpfigen Führungsgremium der PKK angehört hat (nach seinen eigenen Angaben vier Monate ab Februar 1999) und welche konkreten terroristischen Straftaten die PKK während dieses Zeitraums begangen oder geplant hat, wie dies für die Vermutung einer individuellen Verantwortung des Klägers aufgrund seiner herausgehobenen Stellung in der PKK nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union erforderlich wäre. Zum anderen bedürfte es aber auch bei Eingreifen dieser Vermutung noch einer Prüfung sämtlicher erheblicher Umstände des Einzelfalls, bei der auch besondere, die Vermutung entkräftende Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind. Für eine solche Prüfung reichen die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts, die aus seiner rechtlichen Sicht auch nicht entscheidungserheblich waren, nicht aus.

37

Im weiteren Verfahren wird das Berufungsgericht den Sachverhalt mit Blick sowohl auf den Ausschlussgrund der schweren nichtpolitischen Straftat als auch den des Zuwiderhandelns gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen aufzuklären haben und dabei für die Beurteilung der Schwere der begangenen Handlungen und der individuellen Verantwortung des Klägers alle Umstände zu ermitteln und zu berücksichtigen haben, die für diese Handlungen und für die Lage des Klägers kennzeichnend sind.

38

Bei der Prüfung des Ausschlussgrunds des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG ist zu berücksichtigen, dass die vom Gerichtshof geforderte individuelle Verantwortlichkeit eine Verantwortlichkeit im strafrechtlichen Sinne erfordert, wobei allerdings auch hier das im Vergleich zum Strafrecht abgesenkte Beweismaß ("wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist") zu beachten ist (zu diesem Beweismaßstab vgl. Urteil vom 31. März 2011 a.a.O. Rn. 26). Dabei liegt mangels einheitlicher internationaler Kriterien (vgl. die Länderberichte in: Sieber/Cornils, Nationales Strafrecht in rechtsvergleichender Darstellung, Teilband 4 Tatbeteiligung, Berlin 2010) grundsätzlich zunächst eine Orientierung an den Regeln des nationalen Strafrechts zur Täterschaft und Teilnahme nahe. Erfasst wird mithin sowohl der Täter als auch der Anstifter einer schweren nichtpolitischen Straftat. Auch der in sonstiger Weise Beteiligte ist für eine schwere nichtpolitische Straftat verantwortlich, wenn er eine strafrechtlich relevante Beihilfe begangen hat. Allerdings muss auch im Fall der Beihilfe der Tatbeitrag nach seinem Gewicht dem einer schweren nichtpolitischen Straftat im Sinne dieser Vorschrift entsprechen. Denn durch die Regelung über die Anstiftung und Beteiligung in sonstiger Weise in Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2004/83/EG und § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG sollte der Ausschlussgrund des Art. 1 F GFK, der eine solche Regelung nicht enthält, nicht erweitert, sondern mit Rücksicht auf das unterschiedliche Verständnis von Täterschaft, Anstiftung und sonstigen Beteiligungsformen in den Strafrechtsordnungen der Mitgliedstaaten lediglich präzisiert werden (ebenso UK Supreme Court, Urteil vom 17. März 2010, <2010> UKSC 15, Rn. 33). Das Berufungsgericht wird daher prüfen müssen, ob vorliegend schwerwiegende Gründe für die Annahme sprechen, dass der Kläger während seiner Zugehörigkeit zur PKK als Täter oder Teilnehmer eine schwere nichtpolitische Straftat begangen hat. Dabei wird es sowohl die dem Fahndungsersuchen der türkischen Strafverfolgungsbehörden zugrunde liegenden Vorwürfe als auch die herausgehobene Stellung des Klägers innerhalb der PKK zu würdigen haben.

39

Beim Ausschlussgrund des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG, der jedenfalls bei Handlungen des Terrorismus mit internationaler Dimension auch von Personen verwirklicht werden kann, die keine Machtposition in einem Staat oder einer staatsähnlichen Organisation haben (vgl. oben Rn. 28), setzt der Tatbestand nicht notwendig die Begehung einer strafbaren Handlung voraus (ebenso zu Art. 1 F Buchst. c GFK: UK Court of Appeal, Urteil vom 24. März 2009, <2009> EWCA Civ 226, Rn. 30). In den hier einschlägigen UN-Resolutionen zu Antiterrormaßnahmen (vgl. Erwägungsgrund 22 der Richtlinie 2004/83/EG) wird in Bekräftigung dessen, dass jede Handlung des internationalen Terrorismus eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstellt, ausdrücklich erklärt, "dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen und dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" (Resolution 1373 <2001> des Sicherheitsrats vom 28. September 2001, Nr. 5). Daraus ergibt sich, dass Handlungen des internationalen Terrorismus allgemein und unabhängig von ihrer strafrechtlichen Relevanz im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen. Von diesem Ausschlussgrund können auch Personen erfasst werden, die im Vorfeld Unterstützungshandlungen zugunsten solcher terroristischen Aktivitäten vornehmen. Zusätzlich wird allerdings - um der Funktion des Ausschlussgrundes gerecht zu werden - in jedem Fall zu prüfen sein, ob der individuelle Beitrag ein Gewicht erreicht, das dem der Ausschlussgründe in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 AsylVfG entspricht.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

2

Der 1979 geborene Kläger reiste im Juni 2005 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag. Zur Begründung gab er an, sich im Juni 1999 dem militanten Arm der PKK angeschlossen zu haben. Er habe im iranisch-irakischen Grenzgebiet eine Kunst- und Kulturschule der PKK geleitet und sei als Künstler aufgetreten. Die Konzerte seien von einem kurdischen Fernsehsender ausgestrahlt worden. Ab Ende 2003 habe er im Lager M. als Kader der PKK seine künstlerische Arbeit fortgesetzt und sei für Kultur zuständig gewesen (Musikunterricht, Gruppenleitung). Da er der Anordnung der PKK im April 2005, zur Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes in die Berge zu ziehen, keine Folge geleistet habe, sei er nach Deutschland geflohen.

3

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - hat den Asylantrag des Klägers mit Bescheid vom 16. September 2005 abgelehnt und festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Dem Kläger wurde die Abschiebung in die Türkei angedroht. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zur Flüchtlingsanerkennung des Klägers verpflichtet und die Klage im Übrigen abgewiesen.

4

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts geändert und die Beklagte verpflichtet, zugunsten des Klägers ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG festzustellen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 AsylVfG von der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausgeschlossen sei. Denn er habe sich jedenfalls zwischen 1999 und 2005 als Mitglied der PKK und Angehöriger der "Volksbefreiungskräfte" in sonstiger Weise an Handlungen der PKK beteiligt, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderliefen. Eine Beteiligung sei auch durch eine aktive, gewichtige ideologische oder propagandistische Unterstützung einer terroristischen Organisation möglich, da terroristische Gruppen wie die PKK ihren Zusammenhalt und ihre Schlagkraft auf ein ideologisches Fundament und ein propagandistisch verbreitetes Ziel gründeten. Der Kläger sei als Leiter für kulturelle Aktivitäten in einer "Kultur- und Kunstschule" der PKK sowie in dem von der PKK beherrschten Lager M. innerhalb der Organisation aktiv und an herausgehobener Stelle für die Propaganda und die ideologische Schulung verantwortlich gewesen. Auch als nachgeordneter Kader habe er im Rahmen ihm erteilter Anweisungen eigenverantwortlich eine größere Anzahl von Personen geführt und sei in der internationalen Medienöffentlichkeit für die PKK in Erscheinung getreten. So sei er im kurdischen Fernsehen in zwei Propagandasendungen für die PKK und ihre Kämpfer zu sehen, in denen unter seiner Mitwirkung u.a. der bewaffnete Kampf, das Leben in den Bergen sowie der kurdische Widerstand gefeiert und besungen werde. Mit Blick auf die ihm bei Rückkehr in die Türkei drohende Verfolgung wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der PKK habe er aber Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 AufenthG.

5

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt der Kläger mangelnde tatsächliche Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zu konkreten, den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufenden Handlungen der PKK, an denen er sich angeblich beteiligt habe. Solle der Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung allein auf die ideologische Unterstützung des bewaffneten Kampfes der PKK gestützt werden, müsse diese inhaltlich auf die Anwendung gewaltsamer Mittel gerichtet sein und in zeitlicher wie räumlich-organisatorischer Nähe zum gewaltsamen Kampf stehen. Der Kläger habe jedoch nie zu terroristischen Straftaten aufgerufen.

6

Nach Auffassung der Beklagten und des Vertreters des Bundesinteresses kann auch die propagandistische Unterstützung gewaltsamer Aktionen terroristischer Organisationen zum Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung führen. Allerdings hätte das Berufungsgericht aufklären müssen, welche konkreten Aktionen die PKK in der Zeit unternommen habe, in der der Kläger ihrem militanten Arm angehört und in leitender Position Propaganda für sie betrieben habe.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Klägers hat Erfolg, denn das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hätte, nachdem es die Furcht des Klägers vor Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG für begründet erachtet (1.), die auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtete Klage nicht wegen Beteiligung des Klägers an Handlungen im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG abweisen dürfen, ohne Feststellungen zu den von der PKK während der Mitgliedschaft des Klägers in der Organisation konkret begangenen terroristischen Taten zu treffen (2.). Revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden ist hingegen die Würdigung des Berufungsgerichts, der Kläger habe sich - solche Handlungen der PKK im Zeitraum seiner Mitgliedschaft zwischen Juni 1999 und Mai 2005 unterstellt - daran durch seine gewichtigen propagandistischen Aktivitäten für diese Organisation in sonstiger Weise beteiligt (3.). Daher kann der Senat in der Sache selbst nicht abschließend entscheiden, so dass die Sache mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist (4.).

8

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des nur noch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichteten klägerischen Begehrens ist gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG das Asylverfahrensgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 1 Nr. 27 und 45 i.V.m. Art. 7 Satz 2 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl I S. 3474). Dadurch haben sich die entscheidungserheblichen Vorschriften jedoch nicht geändert.

9

1. Das Oberverwaltungsgericht hat die Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht. Insbesondere hat es seine Verfolgungsprognose auf der Grundlage aktueller Quellen gestellt und detailliert begründet (§ 108 Abs. 1 VwGO). Dabei hat es sich auch in (noch) nachvollziehbarer Weise mit der Aussage des Auswärtigen Amtes (Lagebericht Februar 2011) auseinander gesetzt, wonach in den letzten Jahren keine Fälle bekannt geworden seien, in denen zurückkehrende Asylbewerber - selbst exponierte Mitglieder und führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen - wegen früherer Aktivitäten gefoltert oder misshandelt worden seien.

10

2. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Kläger aber gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2 Halbs. 2 AsylVfG von der Flüchtlingsanerkennung ausgeschlossen. Die dafür angeführten Erwägungen halten einer revisionsgerichtlichen Prüfung jedoch nicht stand. Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger jedenfalls zwischen 1999 und 2005 aktives Mitglied der PKK war, es hat aber keine tatsächlichen Feststellungen zu terroristischen Aktivitäten der PKK in diesem Zeitraum getroffen, an denen sich der Kläger in sonstiger Weise hätte beteiligen können.

11

Ein Ausländer ist gemäß § 3 Abs. 2 AsylVfG nicht Flüchtling, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG), wenn er vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG), oder wenn er den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG). Dies gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben (§ 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG).

12

Ein Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung wegen Beteiligung an Handlungen, die sich gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen richten (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2 AsylVfG), setzt zunächst voraus, dass derartige Zuwiderhandlungen vorliegen. Die dafür maßgeblichen Ziele und Grundsätze sind in der Präambel und in den Art. 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen dargelegt und u.a. in den Resolutionen des UN-Sicherheitsrats zu den Antiterrormaßnahmen verankert. Aus diesen folgt, "dass die Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" und "dass die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu ebenfalls im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen stehen" (vgl. Erwägungsgrund 22 zur Richtlinie 2004/83/EG). Wie sich aus den UN-Resolutionen 1373 (2001) und 1377 (2001) ergibt, geht der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen von dem Grundsatz aus, dass Handlungen des internationalen Terrorismus in einer allgemeinen Weise und unabhängig von der Beteiligung eines Staates den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen. Daraus folgert der Gerichtshof der Europäischen Union, dass dieser Ausschlussgrund auch auf Personen Anwendung finden kann, die im Rahmen ihrer Zugehörigkeit zu einer in der Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 aufgeführten Organisation an terroristischen Handlungen beteiligt waren, die eine internationale Dimension aufweisen (EuGH, Urteil vom 9. November 2010 - Rs. C-57/09 und C-101/09 - Slg 2010, I-10979 Rn. 82 ff. = NVwZ 2011, 285). Danach können Zuwiderhandlungen im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG jedenfalls bei Aktivitäten des internationalen Terrorismus auch von Personen begangen werden, die keine Machtposition in einem Mitgliedstaat der Vereinten Nationen oder zumindest in einer staatsähnlichen Organisation innehaben (Urteil vom 7. Juli 2011 - BVerwG 10 C 26.10 - BVerwGE 140, 114 = Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 40 jeweils Rn. 28).

13

Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht für den Zeitraum der Mitgliedschaft des Klägers in der PKK zwischen Juni 1999 und Mai 2005 keine tatsächlichen Feststellungen zu terroristischen Handlungen dieser Organisation getroffen hat. Denn auch auf der Grundlage des abgesenkten Beweismaßes in § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG kann eine Beteiligung an den in der Norm genannten Straftaten oder Handlungen nur angenommen werden, wenn für die erforderliche Haupttat an einzelne Vorfälle angeknüpft wird (Beschluss vom 10. Oktober 2013 - BVerwG 10 B 19.13 - juris Rn. 5). Auch wenn die Beteiligung des Klägers an Taten, die gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen verstoßen, die Schwelle einer Beteiligung im strafrechtlichen Sinne nicht überschreiten muss, so ist es doch erforderlich, dass es während seiner Tätigkeit für die PKK zu konkreten derartigen Taten gekommen ist. Andernfalls fehlte es an einem Anknüpfungspunkt für eine Verantwortlichkeit des Klägers, die die Grundlage für seinen Ausschluss vom Flüchtlingsschutz darstellt. Das Tatsachengericht muss deshalb konkret feststellen, ob schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass sich eine unterstützende Tätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG während des Zeitraums, in dem sie geleistet worden ist, in Handlungen im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG niedergeschlagen hat. Entsprechende Feststellungen hat das Berufungsgericht jedoch nicht getroffen, so dass die angefochtene Entscheidung Bundesrecht verletzt.

14

3. Die Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig oder unrichtig. Insbesondere kann der Senat in der Sache selbst nicht zugunsten des Klägers abschließend entscheiden. Denn die Würdigung der Vorinstanz, der Kläger habe sich - Handlungen der PKK gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG in dem Zeitraum seiner Mitgliedschaft unterstellt - daran durch seine gewichtigen ideologischen und propagandistischen Aktivitäten für diese Organisation in sonstiger Weise beteiligt, ist revisionsgerichtlich aufgrund der von der Vorinstanz festgestellten Tatsachen nicht zu beanstanden.

15

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass allein die Zugehörigkeit zu einer in der sog. EU-Terrorliste aufgeführten Organisation wie der PKK und die aktive Unterstützung ihres bewaffneten Kampfes nicht automatisch die Annahme der Beteiligung an Handlungen im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG rechtfertigen. Es bedarf vielmehr der Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalles, ob dem Asylbewerber eine individuelle Verantwortung für die Verwirklichung dieser Handlungen zugerechnet werden kann, wobei dem in der Vorschrift verlangten Beweisniveau Rechnung zu tragen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 9. November 2010 a.a.O. Rn. 99). Anders als bei der Beteiligung an einer schweren nichtpolitischen Straftat gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Satz 2 AsylVfG, die eine Zurechnung nach strafrechtlichen Kriterien (Anstiftung oder Beihilfe) verlangt (Urteil vom 4. September 2012 - BVerwG 10 C 13.11 - BVerwGE 144, 127 = Buchholz 402.25 § 39 AsylVfG Nr. 1 jeweils Rn. 24), müssen sich Unterstützungshandlungen zugunsten einer terroristischen Organisation nicht spezifisch auf einzelne terroristische Aktionen beziehen, um von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2 AsylVfG erfasst werden zu können. Denn dieser Ausschlussgrund verlangt keine Zurechnung nach strafrechtlichen Kriterien, da er kein strafbares Handeln im Sinne einer Beteiligung an bestimmten Delikten voraussetzt. Demzufolge können auch rein logistische Unterstützungshandlungen von hinreichendem Gewicht im Vorfeld den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2 AsylVfG erfüllen (Urteile vom 7. Juli 2011 a.a.O. jeweils Rn. 39 und vom 4. September 2012 a.a.O. jeweils Rn. 26). Gleiches gilt für gewichtige ideologische und propagandistische Aktivitäten zugunsten einer terroristischen Organisation (vgl. auch OVG Münster, Urteil vom 9. März 2011 - 11 A 1439/07.A - OVGE MüLü 54, 95 ; OVG Schleswig, Urteil vom 1. September 2011 - 4 LB 11/10, AuAS 2011, 262 ). Dagegen reicht etwa das bloße Sprühen von Parolen der Organisation oder das Verteilen von Flugblättern nicht aus. Denn das Gewicht des Tatbeitrages eines Gehilfen als "in sonstiger Weise Beteiligtem" muss dem der Beteiligung an einer schweren nichtpolitischen Straftat im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG entsprechen (Urteil vom 7. Juli 2011 a.a.O. jeweils Rn. 39).

16

Entgegen der Auffassung der Revision ist die Zurechnung bei der Beteiligung an Zuwiderhandlungen gegen Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen allerdings nicht auf Fälle beschränkt, in denen der Asylbewerber objektiv die Möglichkeit tatsächlicher Einflussnahme auf die Begehung von Terrorakten hatte oder solche Taten öffentlich gebilligt oder dazu aufgerufen hat. Mangels Notwendigkeit eines spezifischen Bezugs zwischen der Unterstützungshandlung und einem einzelnen Terrorakt bedarf es für eine Beteiligung in sonstiger Weise gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2 AsylVfG weder einer räumlich-organisatorischen Nähe innerhalb der Organisation zur Ausführung terroristischer Taten noch deren Rechtfertigung in der Öffentlichkeit. Andernfalls genössen reine Schreibtischtäter und Propagandisten Flüchtlingsschutz, obwohl ihr ideologisch-propagandistischer Beitrag zu terroristischen Taten bei der gebotenen wertenden Betrachtung mit Blick auf den Normzweck des § 3 Abs. 2 AsylVfG, asylunwürdige Personen vom Status des "bona fide refugee" fernzuhalten (vgl. Urteil vom 24. November 2009 - BVerwG 10 C 24.08 - BVerwGE 135, 252 = Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 8 jeweils Rn. 25 ff.), keinesfalls minder gewichtig als der von unmittelbar Tatbeteiligten erscheint.

17

In Anwendung dieser Maßstäbe ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger - terroristische Aktionen der PKK in der Zeit seiner Mitgliedschaft zwischen Juni 1999 und Mai 2005 unterstellt - gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2 AsylVfG von der Flüchtlingsanerkennung ausgeschlossen ist. Die Vorinstanz hat festgestellt, dass der Kläger jedenfalls zwischen Juni 1999 und Mai 2005 Mitglied der PKK und Angehöriger der "Volksbefreiungskräfte" gewesen ist. Nach den tatrichterlichen Feststellungen war er Leiter für kulturelle Aktivitäten in einer "Kultur- und Kunstschule" der PKK und hat später in dem von der PKK beherrschten Lager M. an herausgehobener Stelle für die Propaganda und die ideologische Schulung der PKK verantwortlich gezeichnet. Zudem ist er im kurdischen Fernsehen als Musiker in Propagandasendungen für die PKK aufgetreten und hat deren bewaffneten Kampf gefeiert und besungen. Diese Aktivitäten für die PKK hat das Berufungsgericht als hinreichend gewichtig für den Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung angesehen. Das begegnet im Hinblick auf die hohe Bedeutung von Musik, Tanz und Brauchtum als Ausdruck kultureller Identität unter kurdischen Volkszugehörigen und des bewussten Einsatzes dieser Mittel zur Werbung für die PKK und Förderung ihres inneren Zusammenhalts hier keinen Bedenken.

18

4. Da das Revisionsgericht die fehlenden tatsächlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann, ist die Sache zur weiteren Aufklärung gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. In dem neuen Berufungsverfahren wird das Oberverwaltungsgericht unter Berücksichtigung des abgesenkten Beweismaßes in § 3 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG Feststellungen zu terroristischen Aktivitäten der PKK in dem hier jedenfalls maßgeblichen Zeitraum zwischen Juni 1999 und Mai 2005 als Grundlage einer Beteiligung des Klägers treffen müssen. Dazu kann es auf allgemein zugängliche Quellen zurückgreifen (z.B. "Global Terrorism Database" der University Maryland: http://www.start.umd.edu/gtd) oder es wird ggf. dazu ein Gutachten eines Sachverständigen einholen müssen (vgl. die Vorgehensweise des OVG NRW im Verfahren 8 A 5118/05.A, Urteil vom 2. Juli 2013 ).

Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und
2.
im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

Tatbestand

1

Der am 1. September 1977 in der Türkei geborene Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Anerkennung als Asylberechtigter und Flüchtling.

2

Der Kläger reiste 1987 als türkischer Staatsangehöriger nach Deutschland ein und lebt seitdem hier. Im Mai 2002 beantragte er, nachdem gegen ihn eine Ausweisungsverfügung ergangen war, beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nunmehr: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - Bundesamt - Asyl. Er müsse in der Türkei wegen seiner exilpolitischen Aktivitäten für die PKK in den Jahren 1991 bis 1995 mit seiner sofortigen Inhaftierung und Verurteilung rechnen.

3

Das Bundesamt lehnte im Oktober 2002 den Asylantrag ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Auf die dagegen erhobene Klage hob das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 6. November 2003 den ablehnenden Bescheid auf und verpflichtete die Beklagte, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Das Verwaltungsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Kläger türkischer Staatsangehöriger sei und ihm aufgrund seiner in Deutschland entwickelten politischen Aktivitäten in den Jahren 1991 bis 1995 zugunsten der PKK bei einer Rückkehr in die Türkei asylerhebliche Verfolgung drohe. Unter Bezugnahme auf die vom Gericht ausgesprochene Verpflichtung erkannte das Bundesamt mit Bescheid vom 17. März 2004 den Kläger als Asylberechtigten an und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG bezüglich der Türkei vorliegen.

4

Im Rahmen eines vom Kläger durchgeführten Eheschließungsverfahrens wurde dem Landratsamt M. im November 2006 bekannt, dass der Kläger mit Beschluss des türkischen Ministerrats vom 7. Mai 2001 gemäß Art. 25c des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes wegen Wehrdienstentziehung aus der türkischen Staatsangehörigkeit ausgebürgert worden war.

5

Mit Bescheid vom 13. Mai 2008 widerrief das Bundesamt die im März 2004 ausgesprochene Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter und die dort getroffene Feststellung zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (Nr. 1 und 2). Zugleich stellte es fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 3). Eine Entscheidung zum Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG wurde im Hinblick darauf, dass seitens der Ausländerbehörde keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen beabsichtigt seien, nicht getroffen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Widerruf sei gerechtfertigt, weil sich die für die Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse in der Türkei inzwischen wesentlich verändert hätten. Die Menschenrechtslage habe sich verbessert. Dem Auswärtigen Amt sei seit vier Jahren kein einziger Fall bekannt geworden, in dem ein aus Deutschland in die Türkei zurückgekehrter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt wurde. Der Kläger gehöre nicht zu einem gefährdeten Personenkreis. Er sei zwar im Zusammenhang mit PKK-Aktivitäten straffällig geworden, seit 1995 jedoch nicht mehr politisch aktiv. Gegen ihn sei in der Türkei kein Ermittlungs- oder Strafverfahren anhängig.

6

Das Verwaltungsgericht hat den Widerrufsbescheid aufgehoben. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass bei Rückkehr des Klägers in seine Heimat eine asylerhebliche Verfolgung weiterhin nicht ausgeschlossen werden könne. Zwar habe sich die Menschenrechtslage in der Türkei erheblich verbessert. Gleichwohl sei derzeit noch nicht davon auszugehen, dass der Reformprozess bereits weit genug fortgeschritten sei, um eine menschenrechtswidrige Behandlung des Klägers durch türkische Sicherheitsorgane mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ausschließen zu können.

7

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 18. Oktober 2010 die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Eine für eine Widerrufsentscheidung nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erforderliche erhebliche Änderung der für die Beurteilung der Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse liege nicht vor. Dies sei aber Voraussetzung, um die Rechtskraftwirkung des zur Anerkennung verpflichtenden verwaltungsgerichtlichen Urteils zu überwinden. Maßgebliche Voraussetzung für die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter und Flüchtling sei die Annahme des Verwaltungsgerichts gewesen, dass es sich beim Kläger um einen türkischen Staatsangehörigen handele. Dies sei aber nicht der Fall gewesen, weil der Kläger bereits durch Beschluss des türkischen Ministerrats vom 7. Mai 2001 ausgebürgert worden sei. Ein Staatenloser, für den die Bundesrepublik Deutschland - wie für den Kläger - das Land seines gewöhnlichen Aufenthalts sei, könne aber grundsätzlich nicht als Asylberechtigter anerkannt werden. Am Fehlen der türkischen Staatsangehörigkeit habe sich seit Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils nichts geändert, da der Kläger nach wie vor staatenlos sei. Deshalb komme es für die Entscheidung nicht auf die Frage an, ob die Gefahr asylerheblicher Verfolgung für den Kläger als ehemaligen PKK-Aktivisten im Fall seiner Rückkehr in die Türkei nunmehr entfallen sei.

8

Die Beklagte begründet die gegen das Urteil eingelegte Revision im Wesentlichen damit, dass eine vor Anerkennung erfolgte Ausbürgerung eine nachträgliche Veränderung der verfolgungsrelevanten Tatsachen nicht ausschließe. Die Rechtskraft des zur Anerkennung verpflichtenden Urteils stehe der Berücksichtigung der geänderten Tatsachen zum Verfolgungsrisiko für den Kläger im Rahmen der Widerrufsentscheidung nicht entgegen.

9

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

10

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht schließt sich der Auffassung der Beklagten an, dass das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Bundesrecht verletze. Nach seiner Auffassung erstreckt sich die Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Verpflichtungsurteils auch auf die im Rahmen seiner Begründung getroffene Feststellung, dass der Kläger türkischer Staatsangehöriger sei. Von der türkischen Staatsangehörigkeit des Klägers sei daher auch bei der Widerrufsentscheidung auszugehen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet. Die Berufungsentscheidung beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Berufungsgericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständlichen Widerrufe der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung keine formellen Mängel aufweisen (1.). Es hat aber die materielle Rechtmäßigkeit der Widerrufsentscheidungen mit einer Begründung verneint, die mit Bundesrecht nicht vereinbar ist. Es hat zu Unrecht angenommen, dass die Rechtskraft des zur Asyl- und Flüchtlingsanerkennung verpflichtenden verwaltungsgerichtlichen Urteils einer Widerrufsentscheidung entgegensteht (2.). Mangels ausreichender Feststellungen des Berufungsgerichts konnte der Senat nicht selbst abschließend entscheiden, ob die angefochtenen Widerrufsentscheidungen die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 AsylVfG erfüllen (3.). Das Verfahren war daher zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

12

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der angefochtenen Widerrufe ist § 73 AsylVfG in der seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - am 28. August 2007 geltenden Fassung (Bekanntmachung der Neufassung des Asylverfahrensgesetzes vom 2. September 2008, BGBl I S. 1798).

13

1. Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Widerrufe der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung im Bescheid vom 13. Mai 2008 in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden sind. Sie entsprechen insoweit den maßgeblichen Anforderungen des § 73 AsylVfG. Insbesondere begegnen die angefochtenen Entscheidungen weder im Hinblick auf die Unverzüglichkeit der Widerrufe im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG noch im Hinblick auf die Prüfungsfrist des § 73 Abs. 7 AsylVfG Bedenken. Der angefochtene Bescheid ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil das Bundesamt kein Ermessen ausgeübt hat (Urteil vom 24. Februar 2011 - BVerwG 10 C 3.10 - NVwZ 2011, 944 Rn. 11).

14

2. Die Berufungsentscheidung ist aber hinsichtlich der materiellen Widerrufsvoraussetzungen nicht mit § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG zu vereinbaren. Nach Satz 1 der Vorschrift sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist nach Satz 2 insbesondere dann der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Anerkennung als Asylberechtigter oder zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, oder wenn er als Staatenloser in der Lage ist, in das Land zurückzukehren, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

15

Mit § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und f der Richtlinie 2004/83/EG über das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nach Wegfall der die Anerkennung begründenden Umstände umgesetzt. Die Voraussetzungen für den Widerruf nach dieser Vorschrift sind deshalb im Sinne der entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie auszulegen, die sich ihrerseits an Art. 1 C Nr. 5 und 6 der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - orientieren. Dies gilt auch für Fälle, in denen die zugrunde liegenden Schutzanträge - wie hier - vor dem Inkrafttreten der Richtlinie gestellt worden sind (vgl. Urteil vom 24. Februar 2011 a.a.O. Rn. 9). Diese Auslegung ist - soweit sich aus Art. 16a GG nichts Abweichendes ergibt - auch auf den Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter anzuwenden.

16

Die Rechtskraft des zur Anerkennung des Klägers verpflichtenden verwaltungsgerichtlichen Urteils von 2003 steht einer Widerrufsentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylVfG nicht entgegen, wenn sich die zur Zeit des Urteils maßgebliche Sach- oder Rechtslage nachträglich entscheidungserheblich verändert hat (sog. zeitliche Grenze der Rechtskraft, stRspr, etwa Urteil vom 18. September 2001 - BVerwG 1 C 7.01 - BVerwGE 115, 118 <121> m.w.N.). Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Soweit der personelle und sachliche Umfang der Rechtskraft reicht, ist die im Vorprozess unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht befugt, einen neuen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen zu erlassen (vgl. Urteil vom 1. Juni 2011 - BVerwG 10 C 25.10 - InfAuslR 2011, 408 Rn. 12 m.w.N.). Die Behörde ist aber bei einer entscheidungserheblichen Änderung des für die Anerkennung maßgeblichen Sachverhalts nicht gehindert, einen Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft zu widerrufen, den sie in Erfüllung ihrer Verpflichtung aus einem rechtskräftigen Verpflichtungsurteil erlassen hat. Das ist im Asylrecht dann der Fall, wenn nach dem für das rechtskräftige Urteil maßgeblichen Zeitpunkt neue für die Streitentscheidung erhebliche Tatsachen eingetreten sind, die sich so wesentlich von den früher maßgeblichen Umständen unterscheiden, dass auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Rechtskraft eines Urteils eine erneute Sachentscheidung durch die Verwaltung oder ein Gericht gerechtfertigt ist (Urteil vom 18. September 2001 a.a.O.).

17

Die Rechtskraftwirkung besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob das rechtskräftig gewordene Urteil die seinerzeit bestehende Sach- und Rechtslage erschöpfend und zutreffend gewürdigt hat (Urteil vom 18. September 2001 a.a.O. S. 122 f.). Allerdings entfalten fehlerhafte Urteile keine weitergehende Rechtskraftwirkung als fehlerfreie Urteile. Eine Lösung von der Rechtskraftwirkung eines Urteils, das das Bundesamt zur Anerkennung als Asylberechtigter und Flüchtling verpflichtet hat, ist vielmehr immer dann möglich, wenn sich die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebliche Sach- und Rechtslage nachträglich entscheidungserheblich verändert hat, unabhängig davon ob das zur Anerkennung verpflichtende Urteil richtig oder fehlerhaft war.

18

Die Voraussetzungen für eine Beendigung der Rechtskraftwirkung entsprechen damit weitgehend denen, die für den Widerruf einer Anerkennungsentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylVfG gelten. Denn auch § 73 Abs. 1 AsylVfG setzt eine wesentliche Änderung der für die Entscheidung maßgeblichen Verhältnisse voraus. Für den Widerruf einer Behördenentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylVfG hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass es unerheblich ist, ob die Anerkennung rechtmäßig oder rechtswidrig erfolgt ist (vgl. Urteil vom 19. September 2000 - BVerwG 9 C 12.00 - BVerwGE 112, 80 <85 f.>). Der Anwendung des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf rechtswidrige Verwaltungsakte steht danach auch nicht entgegen, dass die Voraussetzungen einer zu Unrecht erfolgten Asylanerkennung oder Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Nachhinein scheinbar nicht entfallen sein können, da sie begriffsnotwendig von Anfang an nicht vorlagen. Diese Sicht verstellt den Blick für den eigenständigen, nicht an die Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheids, sondern an die nachträgliche Veränderung der politischen Verhältnisse im Verfolgerland anknüpfenden Regelungszweck der Widerrufsbestimmung. Sie eröffnet die Möglichkeit eines Widerrufs bereits dann, wenn jedenfalls unzweifelhaft eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse feststeht, ohne dass es noch der unter Umständen schwierigeren Prüfung und Entscheidung bedürfte, ob die ursprüngliche Anerkennung rechtmäßig oder rechtswidrig war (vgl. Urteil vom 19. September 2000 a.a.O. S. 86). Dies gilt erst recht für den Widerruf der auf einem Verpflichtungsurteil beruhenden Anerkennung, von deren Rechtmäßigkeit wegen der Rechtskraft des Urteils auch im Rahmen der Widerrufsprüfung auszugehen ist.

19

Mit Bundesrecht nicht vereinbar ist daher die Auffassung des Berufungsgerichts, dass eine wesentliche Änderung der für die Anerkennung maßgeblichen Tatsachen hier nicht vorliegt, weil das zur Anerkennung verpflichtende Urteil von der unzutreffenden Annahme ausging, der Kläger sei türkischer Staatsangehöriger, obwohl er tatsächlich Staatenloser war und geblieben ist. Maßgeblich für die Beurteilung, ob eine entscheidungserhebliche Änderung vorliegt, ist der Vergleich der dem Verpflichtungsurteil vom 6. November 2003 zugrunde gelegten Tatsachenlage mit derjenigen zum Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung über den Widerruf. Für diesen Vergleich ist der Kläger fiktiv als türkischer Staatsangehöriger zu behandeln, auch wenn er tatsächlich staatenlos war, weil das Gericht dies seiner Verpflichtungsentscheidung zugrunde gelegt hat. Unerheblich ist insoweit, dass die Feststellung zur Staatsangehörigkeit des Klägers nicht von der Rechtskraftwirkung des Urteils umfasst wird, da es sich nur um ein Begründungselement handelt, das - anders als die Verpflichtung zum Erlass des abgelehnten Verwaltungsakts und die Feststellung zur Rechtsverletzung des Klägers durch die damalige ablehnende Behördenentscheidung - nicht in Rechtskraft erwächst (vgl. Beschluss vom 10. Juli 2003 - BVerwG 1 B 338.02 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 87). Das Bundesamt war deshalb durch die Rechtskraftwirkung des Verpflichtungsurteils vom 6. November 2003 nicht an einem Widerruf der Anerkennungen gehindert, wenn sich die Verhältnisse in der Türkei derart grundlegend und dauerhaft geändert haben, dass dem Kläger dort - unter Zugrundelegung seiner fiktiven türkischen Staatsangehörigkeit - die vom Gericht seinerzeit festgestellte asyl- und flüchtlingsrechtlich erhebliche Verfolgung nicht mehr droht (vgl. hierzu Urteil vom 1. Juni 2011 a.a.O. Rn. 19 bis 24).

20

Für die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Anerkennungsentscheidungen nach § 73 Abs. 1 AsylVfG ist weiter Voraussetzung, dass dem Kläger jetzt nicht aus anderen, vom Verpflichtungsurteil nicht erfassten Gründen Verfolgung droht. Bei der Prüfung derartiger neuer Verfolgungsgründe ist nicht von den dem Verpflichtungsurteil zugrunde liegenden Tatsachen auszugehen, sondern von der nunmehr festgestellten Sachlage - und damit von der Staatenlosigkeit des Klägers.

21

3. Da das Berufungsgericht die streitgegenständlichen Widerrufsentscheidungen allein deshalb als rechtswidrig angesehen hat, weil es den Umfang der Rechtskraft des zur Asyl- und Flüchtlingsanerkennung verpflichtenden Urteils verkannt hat, hat es nicht nach den oben dargestellten Maßstäben geprüft, ob sich die verfolgungsrelevanten Tatsachen mittlerweile entscheidungserheblich verändert haben. Der Senat kann mangels ausreichender Feststellungen hierzu nicht selbst abschließend entscheiden, ob sich das Bundesamt von der Rechtskraftwirkung des zur Anerkennung verpflichtenden Urteils lösen durfte und bei dem Kläger die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 AsylVfG für den Widerruf der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung vorliegen. Das Verfahren war daher zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

22

Im weiteren Verfahren wird das Berufungsgericht Folgendes zu berücksichtigen haben:

23

Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab für den Widerruf der Asyl- wie der Flüchtlingsanerkennung entspricht spiegelbildlich dem bei der Anerkennung zugrunde zu legenden Maßstab. Das Bundesverwaltungsgericht hat schon in seiner bisherigen Rechtsprechung keinen sachlichen Grund dafür gesehen, unterschiedliche Anforderungen an die Anerkennungsvoraussetzungen einerseits und an die Widerrufsvoraussetzungen andererseits zu stellen (vgl. Urteil vom 24. November 1992 - BVerwG 9 C 3.92 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG 1992 Nr. 1). Auch der Gerichtshof der Europäischen Union geht für das Flüchtlingsrecht grundsätzlich von einer Symmetrie der Maßstäbe für die Anerkennung und den Widerruf und damit von einem Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft aus, wenn begründete Befürchtungen dafür fehlen, Verfolgungshandlungen ausgesetzt zu sein (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - Rs. C-175/08, C-176/08, C-178/08 und C-179/08, Abdulla u.a. - Slg. 2010, I-1493 Rn. 65 und 73).

24

Das bedeutet für das nationale Asylrecht: Ist der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt worden, weil er vor seiner Ausreise Verfolgung erlitten hat oder als ihm bevorstehend befürchten musste, so sind die Anerkennungsvoraussetzungen nur dann als weggefallen anzusehen, wenn der Betroffene aufgrund der Veränderung der Umstände vor künftiger Verfolgung hinreichend sicher ist (vgl. Urteil vom 24. November 1992 a.a.O.). Beruht die Anerkennung hingegen - wie hier - allein auf Nachfluchtgründen, sind ihre Voraussetzungen dann entfallen, wenn die der Anerkennung zugrunde liegende Verfolgung nach dem allgemeinen Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit nicht mehr droht. Allein die Tatsache, dass der nicht vorverfolgte Ausländer wegen Nachfluchtgründen als Asylberechtigter anerkannt worden ist, rechtfertigt nicht die Anwendung des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabs. Vielmehr spricht der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit von Anerkennungs- und Widerrufsentscheidung dafür, den herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab beim Widerruf nur dann anzuwenden, wenn er auch für die Anerkennung maßgeblich war. Humanitäre Gründe stehen dem nicht entgegen, weil der Betroffene bei reinen Nachfluchtgründen im Herkunftsland selbst keine Verfolgung erlitten hat oder unmittelbar von ihr bedroht war. Das Berufungsgericht wird demnach zu prüfen haben, ob mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter zum Zeitpunkt der neuerlichen gerichtlichen Entscheidung aufgrund veränderter Verhältnisse in der Türkei nicht mehr vorliegen und dem Kläger dort auch nicht aus anderen Gründen Verfolgung droht.

25

Für den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung gilt seit Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG durch das Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19. August 2007 unabhängig von der Frage, ob der Ausländer vorverfolgt war oder nicht, der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 1. Juni 2011 a.a.O. Rn. 22 f.). Die Privilegierung eines vorverfolgten Flüchtlings erfolgt durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie, auf die § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG verweist. Die Beweiserleichterung greift allerdings nicht bei reinen Nachfluchtgründen, wie sie hier vorliegen, da der Ausländer in diesen Fällen - wie bereits dargelegt - nicht bereits verfolgt worden ist oder von Verfolgung unmittelbar bedroht war, was die Vorschrift voraussetzt.

26

Sollte das Berufungsgericht zu dem Schluss kommen, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 73 Abs. 1 AsylVfG im Fall des Klägers nicht vorliegen, müsste der angefochtene Bescheid aufgehoben werden. Eine Umdeutung des Widerrufs in eine Rücknahme der Anerkennungen kommt, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt hat, nicht in Betracht. Dies folgt bereits aus der Rechtskraft des zur Asyl- und Flüchtlingsanerkennung verpflichtenden Urteils vom 6. November 2003, die es verbietet, die Rechtmäßigkeit der Anerkennungen im Nachhinein anders zu beurteilen. Die Frage, ob der Kläger im Hinblick auf seine vor der Anerkennung liegenden Aktivitäten zugunsten der PKK in Deutschland möglicherweise einen Ausschlussgrund nach § 60 Abs. 8 AufenthG, § 3 Abs. 4 oder Abs. 2 AsylVfG verwirklicht haben könnte - was im Übrigen der Sache nach eher fern liegen dürfte -, würde sich schon aus diesem Grund nicht stellen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 8. Dezember 2009 - 1 K 2126/07 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung und begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Der am ... Mai 1973 geborene Kläger ist indischer Staatsangehöriger. Er stellte am 24. Juli 2001 zusammen mit seiner Ehefrau und zwei Kindern einen Asylantrag.
Die Anträge wurden vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge abgelehnt.
Die Klagen vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen blieben ohne Erfolg (Urteil vom 15. Oktober 2003 - A 9 K 11243/01 -).
In einem vom Kläger eingeleiteten Folgeantragsverfahren verpflichtete das Verwaltungsgericht Sigmaringen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch Urteil vom 26. Mai 2006 (A 1 K 10241/05) festzustellen, dass beim Kläger in Bezug auf Indien ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG vorliegt. In demselben Urteil wurde das Verfahren im Übrigen eingestellt, soweit der Kläger seine Klage bezüglich der Zuerkennung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG zurückgenommen hatte. Zur Begründung stellte das Verwaltungsgericht darauf ab, dem Kläger drohe aufgrund seiner exponierten Stellung als Vorstandsmitglied der Unterorganisation der „International Sikh Youth Federation“ (ISYF) in Baden-Württemberg im Falle seiner Rückkehr nach Indien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter.
Am 4. August 2006 beantragte der Kläger bei der unteren Ausländerbehörde die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Das Regierungspräsidium Tübingen verweigerte jedoch die Erteilung der Zustimmung.
Mit Schreiben vom 3. Juli 2007 hörte der Beklagte den Kläger zu einer beabsichtigten Ausweisung an und wies in einem weiteren Schreiben vom 19. Juli 2007 ergänzend darauf hin, dass sich die Bedenken am weiteren Aufenthalt des Klägers in Deutschland aus seiner Tätigkeit für die ISYF ergäben, die von der Europäischen Union als terroristische Organisation eingestuft werde.
Mit Schreiben vom 2. August 2007 wies der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hin, dass es eine aktuelle Auskunft des Auswärtigen Amtes gebe, nach der die ISYF seit dem Jahr 2000 nicht mehr terroristisch tätig sei. Von der bloßen Funktionärstätigkeit für die ISYF könne auch nicht darauf geschlossen werden, dass sich der Kläger Handlungen zuschulden kommen lasse, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderliefen. Die ISYF werde zwar von den Verfassungsschutzämtern überwacht. Es lägen aber keine konkreten Erkenntnisse über deren Verwicklung in terroristische Aktivitäten vor. Nach den Ermittlungen und Beobachtungen des Auswärtigen Amtes sei die ISYF seit der Jahrtausendwende nicht mehr in terroristische Aktivitäten verwickelt.
Das Regierungspräsidium Tübingen wies den Kläger mit Verfügung vom 14. September 2007 aus der Bundesrepublik Deutschland aus und lehnte seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 4. August 2006 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt: Nach § 54 Nr. 5 AufenthG werde ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigten, dass er einer Vereinigung angehöre oder angehört habe, die den Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze oder unterstützt habe, wobei die Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden könne, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründeten. Die ISYF sei eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze. Sie habe terroristische Aktivitäten bislang vorwiegend in Indien entwickelt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei davon auszugehen, dass die ISYF an den Vorbereitungen des Anschlags auf den indischen Botschafter in Bukarest im Jahre 1991 beteiligt gewesen sei. Das Auswärtige Amt führe in seinem Lagebericht Indien vom 19. November 2006 aus, dass die terroristische Gewalt im Punjab seit 2000 nahezu vollständig zum Erliegen gekommen sei und sich die dortige Situation normalisiert habe. Die Angehörigen der verschiedenen militanten Gruppen hätten den Punjab verlassen, operierten jedoch aus anderen Bundesstaaten oder aus Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhielten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland. Deutschland diene hier lebenden Sikh-Extremisten als Ruhe- und Finanzierungsbasis. Die deutsche Sektion der ISYF sammle hauptsächlich Spenden zur Unterstützung der Mutterorganisation in Indien, fördere also den Terrorismus durch Zurverfügungstellung von Geld. Darüber hinaus organisiere sie gemeinsam mit anderen extremistischen Sikh-Gruppen regelmäßig auch überregionale öffentliche Veranstaltungen und Protestdemonstrationen anlässlich indischer Nationalfeiertage. Die ISYF werde von der Europäischen Union als terroristische Organisation angesehen. Auch in Indien werde die ISYF als terroristische Organisation in der Anlage zum Unlawful Activities Prevention Act von 1967 eingestuft. Der Kläger sei Mitglied der ISYF und unterstütze diese. Er sei bereits in Indien für die ISYF tätig gewesen. In Baden-Württemberg sei er am 25. April 2005 zum Präsidenten der ISYF gewählt worden. Die Unterstützungshandlungen für die ISYF seien dem Kläger auch zurechenbar. Aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit für die ISYF sowie seiner hervorgehobenen Funktion in dieser Vereinigung seien dem Kläger deren terroristische Bestrebungen bekannt. Auch aufgrund seiner Aussagen im Rahmen der Anhörung im Asylverfahren wisse er, dass die ISYF zur Realisierung ihrer Ziele den gewaltsamen Weg befürworte und er legitimiere sogar selbst den Einsatz der Gewalt zur Erreichung eines unabhängigen Khalistan. Es sei nicht erkennbar, dass er sich von der ISYF oder deren Zielen abgekehrt habe. Ein besonderer Ausweisungsschutz greife beim Kläger nicht. Eine Ausnahme vom Regelfall liege ebenfalls nicht vor. Die Ausweisung sei auch aus generalpräventiven Gründen gerechtfertigt. Eine Atypik folge nicht aus der Lebenssituation des Klägers. Es werde nicht verkannt, dass die Familie des Klägers seit rund sechs Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet lebe und sein in Deutschland geborener Sohn aufgrund eines Herzfehlers medizinischer Versorgung bedürfe, die aber auch in Indien zur Verfügung stehe. Eine nachhaltige wirtschaftliche Integration habe nicht stattgefunden. Seit geraumer Zeit lebe der Kläger von Sozialhilfe. Wegen des bestehenden Abschiebeverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG scheide eine Beendigung seines Aufenthalts derzeit aus. Auch für den Fall, dass der Kläger Deutschland bei Entfallen einer Foltergefahr verlassen müsse, liege kein Ausnahmefall vor. Eine Trennung von seiner Familie oder eine gemeinsame Rückkehr in das Heimatland wäre aufgrund der von ihm ausgehenden Gefahr nicht unverhältnismäßig. Auch eine gemeinsame Rückkehr mit der Familie stelle keine unverhältnismäßige Härte dar. Das bestehende Abschiebeverbot stelle ebenfalls keinen besonderen Umstand dar, der den Kläger entlaste. Hilfsweise sei die Ausweisung auch im Ermessenswege und unter Abwägung der in § 55 Abs. 3, § 60 a Abs. 2 AufenthG genannten Kriterien gerechtfertigt. Die Ausweisung stehe zudem in Einklang mit Art. 6 GG und Art. 8 EMRK. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sei abzulehnen. Zwar seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG erfüllt. Einer Erteilung stehe jedoch der besondere Versagungsgrund des § 25 Abs. 3 Satz 2 lit. c) AufenthG entgegen. Danach werde eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigten, dass sich der Ausländer Handlungen zuschulden habe kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Art. 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert seien, zuwiderliefen. Die Unterstützung terroristischer Vereinigungen widerspreche diesen Zielen und Grundsätzen. Durch die Mitgliedschaft in der ISYF und aufgrund seiner exponierten Aktivitäten für diese terroristische Organisation habe er eine Handlung begangen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufe. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG komme ebenfalls nicht in Betracht. § 25 Abs. 3 AufenthG schließe die Anwendbarkeit dieser Vorschrift aus. Zudem sei die Aufenthaltserlaubnis wegen § 5 Abs. 4 AufenthG zwingend zu versagen. Die Verfügung wurde am 27. September 2007 zugestellt.
10 
Der Kläger erhob am 29. Oktober 2007, einem Montag, Klage beim Verwaltungsgericht Sigmaringen. Zur Begründung trug er vor, § 25 Abs. 3 Satz 2 lit. c) AufenthG stehe der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nur entgegen, wenn vom Ausländer eine aktuelle Gefährdung ausgehe. Dies ergebe sich aus dem Sinn und Zweck der Norm, die der Bekämpfung des Terrorismus im Vorfeld diene. Entgegen der Auffassung des Beklagten gehe von der Mitgliedschaft des Klägers in der ISYF derzeit keine Gefährdung für die Ziele der Vereinten Nationen aus. Vermutungen, auch wenn sie auf schwerwiegende Anhaltspunkte gestützt würden, reichten für einen Eingriff in die Rechtsgüter von Personen nicht aus. Der Terrorismusvorbehalt sei eng auszulegen. Selbst bei weiter Auslegung des Terrorismusvorbehalts sei eine gegenwärtige Gefahr durch den Kläger in der ISYF nicht feststellbar. Von dieser Organisation gehe ausweislich der jüngsten Lageberichte des Auswärtigen Amtes keine terroristische Gefahr mehr aus. Vielmehr sei sie seit Jahren nur noch politisch tätig, nicht mehr militant.
11 
Der Beklagte trat der Klage entgegen und führte ergänzend aus, der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG sei vor dem Hintergrund der Resolution Nr. 1373/2001 des UN-Sicherheitsrats zur Bekämpfung des Terrorismus zu sehen. In den Blick zu nehmen sei auch der gemeinsame Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 (2001/931/GASP), der zur Umsetzung der Resolution des UN-Sicherheitsrats beschlossen worden sei. Der Rat sei zu dem Schluss gelangt, dass die ISYF an Handlungen im Sinne des gemeinsamen Standpunktes beteiligt gewesen sei und deshalb nach dem Beschluss des Rates vom 26. Januar 2009 (2009/62/EG) die Maßnahmen nach der Verordnung 2580/2001/EG weiterhin auf die ISYF angewendet werden solle. Die Liste nach Art. 2 Abs. 3 der Verordnung 2580/2001/EG habe als Teil einer Verordnung nach § 249 Abs. 2 EGV unmittelbare Wirkung mit dem Vorrang vor dem Bundesrecht.
12 
Das Verwaltungsgericht erhob Beweis durch Einholung einer Auskunft beim Auswärtigen Amt vom 14. September 2009.
13 
Der Kläger wurde in der mündlichen Verhandlung zu seinen aktuellen Aktivitäten für die ISYF befragt. Im Tatbestand des Urteil heißt es in diesem Zusammenhang: „Fragen wurden teilweise nur auf mehrmaliges Nachfragen ausreichend beantwortet. Als Ergebnis der Befragung des Klägers kann zusammenfassend das Folgende festgehalten werden: Er spiele in der ISYF keine Rolle mehr. Er habe seine Aktivitäten für die ISYF vermindert. Dies sei nach der Geburt seines jüngsten Kindes im Jahr 2007 gewesen, das an einer Herzkrankheit leide. Seit Ende 2007 sei er nicht mehr der Vorsitzende der ISYF in Baden-Württemberg. Nachfolger in seiner ISYF-Gruppierung in Baden-Württemberg sei Pal Singh geworden. Daneben gebe es noch eine weitere ISYF-Gruppierung in Baden-Württemberg mit Gurinder Singh als Vorsitzendem. Er glaube, dass sein Nachfolger bei einem Treffen im April 2008 bestimmt worden sei. Er gehe noch zu Veranstaltungen und verteile Flyer. Die Veranstaltungen fänden hauptsächlich in Frankfurt statt. Mitgliederbeiträge bezahle er nicht, er sei aber noch Mitglied. Er spende Geld für die Herstellung der Flyer. Die Fahrtkosten für die Teilnahme an den Veranstaltungen in Frankfurt bezahle er selbst.“
14 
Durch Urteil vom 8. Dezember 2009 hob das Verwaltungsgericht die Verfügung vom 14. September 2007 auf und verpflichtete den Beklagten, dem Kläger die beantragte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
15 
Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus: Nach § 54 Nr. 5 AufenthG werde ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigten, dass er einer Vereinigung angehöre oder angehört habe, die den Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze oder unterstützt habe. Auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen könne die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründe. Diese Voraussetzungen lägen im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht vor. § 54 Nr. 5 AufenthG greife nur ein, wenn eine Unterstützung des Terrorismus im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch vorliege. Hierzu reiche es nicht aus, dass ein Ausländer einer Organisation angehöre, die früher den Terrorismus unterstützt habe. Dies folge schon aus dem Wortlaut des § 54 Nr. 5 Halbsatz 1 AufenthG, der von einer gegenwärtigen Gefahr durch die Stützung des Terrorismus ausgehe („die den Terrorismus unterstützt"). Es folge auch aus dem Zweck der Ausweisungsvorschriften, die der Gefahrenabwehr in der Zukunft diene und nicht der bloßen Sanktionierung eines Verhaltens aus der Vergangenheit. Dass die Unterstützung des Terrorismus im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts noch vorliegen müsse, folge auch aus dem Halbsatz 2 des § 54 Nr. 5 AufenthG. Dort werde vorausgesetzt, dass vom Ausländer eine gegenwärtige Gefährlichkeit ausgehen müsse, wenn seine Mitgliedschaft oder Unterstützungshandlungen einer den Terrorismus unterstützenden Vereinigung in der Vergangenheit lägen. Die gegenwärtige Gefahr entfalle aber auch dann, wenn die Organisation selbst den Terrorismus nicht mehr unterstütze. Der Nachweis der Unterstützung des Terrorismus sei zwar nicht erforderlich, da es ausreiche, wenn Tatsachen eine solche Schlussfolgerung rechtfertigten. Es müssten aber Tatsachen feststellbar sein, auf die eine solche Schlussfolgerung gestützt werden könne. Der nicht durch Tatsachen belegte Verdacht reiche nicht aus. Es könne derzeit nicht festgestellt werden, dass die ISYF, deren Mitglied der Kläger noch ist, den Terrorismus (noch) unterstütze. Es könne daher offen bleiben, ob sich der Kläger, der zumindest früher exponierter Funktionär der ISYF in Baden-Württemberg gewesen sei, in einem Sinne von der ISYF distanziert habe, dass ihm die Unterstützung des Terrorismus durch die ISYF, unterstellt sie würde den Terrorismus noch unterstützen, nicht mehr zugerechnet werden könnte. Käme es darauf an, bestünden auch aufgrund des Verhaltens des Klägers in der mündlichen Verhandlung allerdings erhebliche Zweifel daran, ob eine Distanzierung von derartigen Zielen der ISYF vorläge. Bei seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung habe der Kläger zu Zweifeln an seiner Bereitschaft Anlass gegeben, sein Verhältnis zur ISYF ehrlich darzustellen. Für die Beurteilung der Frage, ob es sich bei der ISYF gegenwärtig um eine Vereinigung handele, die den Terrorismus unterstütze, werte die Kammer die ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel aus. Eine rechtliche Bindung an einzelne Erkenntnismittel bestehe nicht. Dies gelte insbesondere für den gemeinsamen Standpunkt 2008/586/GASP des Rates vom 15. Juli 2008 zur Aktualisierung des gemeinsamen Standpunktes 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des gemeinsamen Standpunkts 2007/871/GASP. Der gemeinsame Standpunkt 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 enthalte einen Anhang mit Personen, Vereinigungen und Körperschaften, auf die der gemeinsame Standpunkt Anwendung finde. Jedenfalls seit der Aktualisierung durch den gemeinsamen Standpunkt 2008/586/GASP gehöre auch die International Sikh Youth Federation - ISYF - zu den Gruppen und Organisationen, auf die der genannte gemeinsame Standpunkt Anwendung finde. Die gemeinsamen Standpunkte des Rates beruhten auf Art. 15 EUV (a.F.). Nach dieser Vorschrift nehme der Rat gemeinsame Standpunkte an. In den gemeinsamen Standpunkten werde das Konzept der Union für eine bestimmte Frage geografischer oder thematischer Art bestimmt. Die Mitgliedstaaten trügen dafür Sorge, dass ihre einzelstaatliche Politik mit dem gemeinsamen Standpunkt in Einklang stehe. Aus Art. 15 Satz 3 EUV sei der Schluss zu ziehen, dass eine Bindung der innerstaatlichen Gerichte an Inhalte eines gemeinsamen Standpunktes bestehe. Der gemeinsame Standpunkt sei an die Mitgliedstaaten gerichtet, die ihn erst in innerstaatliche Politik umsetzen müssten. Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Bedeutung gemeinsamer Standpunkte liege nicht vor. In seinem Urteil vom 15. März 2005 (1 C 26.03) habe sich das Bundesverwaltungsgericht zu den gemeinsamen Standpunkten 2005/220/GASP und 2001/931/GASP nur in dem Sinne geäußert, dass der Verwaltungsgerichtshof, an den das Verfahren zurückverwiesen wurde, sich mit den Beschlüssen des Rates der Europäischen Union über Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus befassen müsse. Die Annahme einer rechtlichen Bindungswirkung folge aus dem Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts an den Verwaltungsgerichtshof nicht. Eine Bindungswirkung an einen gemeinsamen Standpunkt werde auch in der Kommentarliteratur nicht vertreten. Hiernach seien diese und ihre Anhänge bei der Beurteilung, ob eine Vereinigung den Terrorismus unterstütze, zu berücksichtigen. Auch der Beschluss des Rates vom 26. Januar 2009 zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung EG Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Beschlusses 2008/583/EG (2009/62/EG) für die Beurteilung der Zulässigkeit der Ausweisung des Klägers verpflichte die Kammer nicht, davon auszugehen, dass es sich bei der ISYF aktuell um eine terroristische Vereinigung handele. Im Unterschied zum gemeinsamen Standpunkt sei eine EG-Verordnung nach Art. 249 EGV (a.F.) verbindlich und gelte unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. An dieser Geltung nehme auch die Liste, die durch den Beschluss des Rates vom 26. Januar 2009 (2009/62/EG) in Ausübung der Befugnisse aus Art. 2 Abs. 3 der Verordnung 2580/2001/EG aufgestellt worden sei, teil. Die Verbindlichkeit der  Einordnung der ISYF als terroristische Vereinigung beschränke sich aber auf die Maßnahmen, die nach der Verordnung 2580/2001/EG zu ergreifen seien. Ausländerrechtliche Maßnahmen wie z.B. die Ausweisung seien in dieser Verordnung nicht geregelt. Für die hier zu treffende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Ausweisung lieferten die Aufnahme der ISYF in die Listen zum oben zitierten gemeinsamen Standpunkt und zur oben zitierten Verordnung der EG nur Hinweise, die neben anderen Erkenntnisquellen zu würdigen seien. Der Sikh-Terrorismus im Punjab sei seit Ende der 1990er-Jahre nahezu zum Erliegen gekommen, insbesondere lägen dem Auswärtigen Amt keinerlei eigene Erkenntnisse über terroristische Aktivitäten in der ISYF seit dem Jahr 2000 vor. Nach Auswertung und Gewichtung dieser und auch weiterer Erkenntnismittel könne die Kammer nicht feststellen, dass es sich bei der ISYF um eine Vereinigung handele, die aktuell den Terrorismus unterstütze oder bei der dies in absehbarer Zeit zu erwarten sei. Das Auswärtige Amt habe seit mindestens 10 Jahren keine Anhaltspunkte dafür, dass die ISYF (noch) terroristisch tätig sei. Der Terrorismus in Punjab, durch den noch Anfang der 90er Jahre zahlreiche Personen ums Leben gekommen sind, sei danach nahezu zum Erliegen gekommen. Dies sei nochmals auf die Anfrage der Kammer bestätigt worden. Der Kläger habe auch einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG.
16 
Das Urteil wurde dem Beklagten am 4. Januar 2010 zugestellt.
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Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Beklagte am 27. Januar 2010 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und diese am 25. Februar 2010 unter Stellung eines Antrags, wie folgt, begründet:
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Das Verwaltungsgericht gehe in seinem Urteil zu Unrecht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht vorgelegen hätten. Bei der ISYF handele es sich um eine terroristische Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG. Der Ausweisungstatbestand sei vor dem Hintergrund der völkerrechtlichen Verpflichtung aus der Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen Nr. 1373 (2001) in dem Bestreben eingeführt worden, dem internationalen Terrorismus weltweit schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen. Die aufgrund des VII. Kapitels der Satzung der Vereinten Nationen (SVN) erlassenen Resolutionen des Sicherheitsrates zur Terrorismusbekämpfung enthielten gemäß Art. 25 SVN völkerrechtlich bindende Verpflichtungen. Die Bundesrepublik habe der SVN mit Zustimmungsgesetz vom 6. Juni 1973 den entsprechenden Rechtsanwendungsbefehl im Sinne des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG erteilt und sich in ein System kollektiver Sicherheit eingeordnet. Folglich sei die Bundesrepublik der Bindungswirkung der Resolutionen gemäß Art. 25 SVN i.V.m. Art. 48, 2 Nr. 7 HS 2 SVN unterworfen. Gemäß Art. 30 Abs. 1 der Wiener Vertragsrechtskonvention in Verbindung mit Art. 103 SVN hätten die Verpflichtungen aus den Resolutionen, die auf Grundlage des VII. Kapitels der SVN erlassen worden seien, zudem grundsätzlich Vorrang vor den Verpflichtungen der Bundesrepublik aus der EMRK, wie etwa dem Recht auf Achtung des Privatlebens. Die Resolutionen des Sicherheitsrates zur Terrorismusbekämpfung, wie z.B. Nr. 1269 (1999), 1363 (2001) und Nr. 1373 (2001), beinhalteten das Verbot der Lieferung von Rüstungsgütern, ein Ein- und Durchreiseverbot sowie das Unterbinden von Finanzaktionen. Nach Nr. 2a der Resolution des VN Sicherheitsrates Nr. 1373 (2001) seien die Staaten verpflichtet, unmittelbare oder auch mittelbare Unterstützung für die Begehung terroristischer Handlungen in einem umfassenden Sinne zu verhindern. Der Sicherheitsrat habe die Notwendigkeit betont, den Terrorismus mit allen Mitteln, im Einklang mit der SVN, zu bekämpfen (vgl. Absatz 5 der Präambel der Resolution 1373/2001). Diese Aussage beziehe sich explizit auf die Verpflichtung der Mitgliedstaaten. Die Generalversammlung habe betont, dass die Bemühungen der Vereinten Nationen darauf gerichtet seien, die Kohärenz bei der Umsetzung der Strategie zur Terrorismusbekämpfung auf nationaler, regionaler und globaler Ebene zu fördern (vgl. VN-Dok. A/RES/62/272 v. 5. September 2008, Abs. 5). Aus Nr. 2c der Resolution Nr. 1373 (2001) folge die Pflicht, denjenigen, die terroristische Handlungen finanzierten, planten, unterstützten oder begingen, oder die den Tätern Unterschlupf gewährten, einen sicheren Zufluchtsort zu verweigern. Dies werde auch im Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 (2001/931/GASP) und im Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 (2002/475/Jl) betont. In der Rechtsprechung des EuGH sei anerkannt, dass angesichts des für die Völkergemeinschaft grundlegenden Zieles der Bekämpfung des internationalen Terrorismus auch schwerwiegende Eingriffe in Grundrechte gerechtfertigt seien. Dem gleichen Zweck dienten die von der Europäischen Gemeinschaft mit Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 vom 27. Dezember 2001 angeordneten länderunabhängigen Embargomaßnahmen. Dies werde aus dem 3. Erwägungsgrund dieser Verordnung ersichtlich, der auf die Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen Nr. 1373 (2001) verweise. Im Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 würden Organisationen und Personen aufgeführt, gegen die bestimmte Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus zu ergreifen seien. Der Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 2580/2001, aktualisiert durch die Verordnung (EU) Nr. 1285/2009 des Rates vom 22. Dezember 2009, nehme am unionsrechtlichen Anwendungsvorrang teil. Die Listung von Personen für länderbezogene und länderunabhängige Embargomaßnahmen zur Terrorismusbekämpfung habe eine rechtlich bindende Wirkung auch im Rahmen der Anwendung ausländerrechtlicher Normen. Wegen des Ziels der Rechtsakte des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, dem Terrorismus weltweit schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen und zu verhindern, dass Rückzugsräume entstünden, seien auch ausländerrechtliche Maßnahmen gegen Personen zu ergreifen, die Organisationen angehörten, welche die Bundesrepublik als Rückzugsraum nutzten. Solange keine Berichtigung des Anhangs zur Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 erfolgt sei, sei davon auszugehen, dass es sich bei den aufgeführten Organisationen nach Auffassung des Rates der Europäischen Union um terroristische Organisationen handele und die zuständigen Behörden nach dem Grundsatz der Widerspruchsfreiheit und Einheit der Rechtsordnung, der sowohl innerhalb des Rechtes der Europäischen Union als auch im Bundesrecht, aus Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG gelte, gehalten seien, die entsprechende Organisation als terroristische Organisation im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG zu behandeln. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts hätte zur Konsequenz, dass es zwischen den für die Finanzsanktionen zuständigen Behörden seien, und den Ausländerbehörden zu divergierenden Entscheidungen kommen könnte. Die Behörden, die für die Finanzsanktionen zuständig sind, wären unwiderleglich kraft unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs an die Listung einer Organisation im Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 gebunden, während die Ausländerbehörden eine eigenständige Prüfung vorzunehmen hätten. Terroristische Anschläge seien heute des Weiteren weit weniger vorhersehbar als beim „klassischen Terrorismus" in der Vergangenheit. Der Ansatz des Verwaltungsgerichts dürfte eine Überschreitung gewaltenteiliger Befugnisse darstellen. Die ISYF habe auch bisher - soweit ersichtlich - nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Anhang zur Verordnung (EG) Nr. 2580/2001, soweit die ISYF dort als terroristische Organisation aufgeführt sei, gemäß Art. 263 AEUV (früher Art. 230 EGV) gerichtlich überprüfen zu lassen. Das EuG überprüfe im Verfahren nach Art. 263 AEUV, ob die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts des Rates vom 27. Dezember 2001 (2001/931/GASP) vorlägen. Gemäß Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts des Rates vom 27. Dezember 2001 (2001/931/GASP) werde die Liste auf Grundlage genauer Informationen, aus denen sich ergebe, dass eine Verurteilung der Organisation für eine terroristische Handlung vorliege, erstellt. Im Klageverfahren vor dem EuG werde geprüft, ob der Verbleib auf der Liste gerechtfertigt sei. Hierbei sei es jedoch nicht erforderlich, dass aktuell Terrorakte nachgewiesen worden seien, sondern es komme darauf an, ob die Beibehaltung der Listung einer Organisation im Hinblick auf die Gesamtheit der maßgeblichen Umstände weiterhin gerechtfertigt sei. Hierbei stehe dem Rat der Europäischen Union bei der Beurteilung, ob künftig von einer Organisation Terroranschläge zu befürchten sind, ein weites Ermessen zu. Das Listungsverfahren sei durch Beschluss des Rates vom 28. Juni 2007 zur Durchführung von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung der Beschlüsse 2006/379/EG und 2006/1008/EG (2007/445/EG) geändert worden. Die Betroffenen erhielten grundsätzlich eine Begründung der gegen sie ergangenen Listungsentscheidung durch das EU-Ratssekretariat. Die Begründung enthalte einen Hinweis auf das Klagerecht vor dem EuG nach Art. 263 Abs. 4 AEUV. Darüber hinaus erfolge vor einem neuen Listungsbeschluss eine im Amtsblatt veröffentlichte Mitteilung des Rates an alle zu diesem Zeitpunkt gelisteten Organisationen, dass der Rat beabsichtige, sie weiterhin in der Liste aufzuführen, nachdem eine Überprüfung ergeben habe, dass die Gründe für ihre Aufnahme in die Liste nach vor wie vor gültig seien. Dabei würden die Betroffenen über die ihnen zustehenden Rechte, eine Begründung der Listungsentscheidung anzufordern und eine Überprüfung der Entscheidung zu beantragen, unterrichtet. Dieses Verfahren sei auch beim Erlass der aktuellen Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 des Rates vom 22. Dezember 2009 eingehalten worden. Die ISYF sei jedoch nicht den ihr zustehenden Weg der Überprüfung der Listung gegangen. Stattdessen habe sie zur Umgehung der Sanktionen der Europäischen Union eine Zweitorganisation, die Sikh Federation Germany (SFG), mit identischen Zielen - der Herauslösung aus dem indischen Staatenverbund und der Errichtung eines selbstständigen Staates Khalistan („Land der Reinen") - und mit den nahezu gleichen Vorstandsmitgliedern gegründet. Diese Erkenntnisse seien in einem Sicherheitsgespräch mit einem ehemaligen Vorstandsmitglied der ISYF gewonnen worden. Hieraus lasse sich schließen, dass die SFG als eine Nachfolgeorganisation der ISYF zur Umgehung der Sanktionen nach der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 gegründet worden sei. Dies werde auch durch die Einlassungen des Klägers in diesem Verfahren bestätigt. Eine aktuelle Gefahr im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG liege gleichwohl vor, denn es sei obergerichtlich geklärt, dass die Auflösung einer Organisation allein einer Gefährlichkeit im Sinne der Ausweisungstatbestände nicht entgegen stehe. Der Kläger sei exponierter Funktionär der ISYF in Baden-Württemberg, in der er seit Ende 2002 als Hauptberater fungiert habe und zu deren Präsidenten er im April 2005 gewählt worden sei. Der Kläger sei auch nach wie vor Mitglied der ISYF. Ein Persönlichkeitswandel oder eine Distanzierung von den Zielen der ISYF und dem Einsatz terroristischer Mittel sei nicht erfolgt und nicht ersichtlich. Nach alledem sei die Ausweisungsverfügung rechtmäßig. Auch die Aufenthaltserlaubnis sei zu Recht versagt worden. Gemäß § 25 Abs. 3 Satz 2 lit c) AufenthG scheide die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG aus, wenn die Person sich Handlungen zuschulden habe kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 SVN verankert seien, zuwiderliefen. Der Ausschlusstatbestand greife auch im Falle des Begehens terroristischer Handlungen ein. Der Sicherheitsrat habe in mehreren Resolutionen Akte des Terrorismus als Bedrohung für den Frieden im Sinne des Art. 39 SVN betrachtet. Wie dargelegt, sei die ISYF bzw. ihre Nachfolgeorganisation SFG eine terroristische Organisation. Eine exponierte Stellung in der ISYF stelle somit eine Handlung dar, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufe.
19 
Es seien zwischenzeitlich weitere behördliche Stellungnahmen mit folgenden Kernaussagen eingeholt worden: Das Bundesamt für Verfassungsschutz habe auf eine aktuelle Anfrage mitgeteilt, dass dort keine Erkenntnisse vorlägen, wonach sich die ISYF öffentlich und hinreichend eindeutig von ihrer terroristischen Vergangenheit losgesagt habe. Das Bundeskriminalamt teile in seiner Stellungnahme vom 1. April 2010 ebenfalls mit, dass dort keine Erkenntnisse vorlägen, die darauf hindeuteten, dass sich die ISYF von ihren terroristischen Aktivitäten distanziert hätte oder von ihren extremistischen Bestrebungen absehen würde. Das Sezessionsstreben und damit der Kampf gegen die vermeintlich indische Vorherrschaft bilde die wesentliche Basis für den Zusammenhalt der Gruppierung. Dies gelte selbst dann, wenn vom Bundesgebiet aus lediglich Propagandaaktivitäten bzw. Geldsammlungen zu Zwecken der ISYF stattgefunden haben sollten. Von den vom Senat aufgeführten Quellen würden vom BKA insbesondere die Berichte des „South Asia Terrorism Portals" als von herausgehobener Qualität benannt. Auch der Bundesnachrichtendienst habe in der beigefügten Behördenerklärung vom 13. April 2010 mitgeteilt, dass sich die Bedrohungslage durch terroristische Gewaltakte im indischen Punjab zwar seit 1993 erheblich entspannt und sich nach dortigen Informationen die letzte Festnahme militanter Aktivisten der ISYF in Indien im Dezember 2008 ereignet habe. Jedoch werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Premierminister SINGH am 4. März 2008 davor gewarnt habe, dass sich extremistische Sikh-Gruppierungen außerhalb Indiens um eine Wiederbelebung des gewaltsamen Kampfes in Indien bemühen würden. Weiter werde festgestellt, dass versprengte Einheiten in Punjab tatsächlich immer noch eine Bedrohung darstellten, wie auch mehrere Sprengstoff-, Waffen- und Munitionsfunde nahe wichtiger Einrichtungen belegten. Nach derzeitigem Erkenntnisstand seien die jüngsten militanten Aktionen aber wohl nicht der ISYF zuzurechnen. Gleichwohl lasse sich auch der Erklärung des Bundesnachrichtendienstes entnehmen, dass keine eindeutige und glaubhafte Distanzierung der ISYF vorliege und daher auch zum derzeitigen Zeitpunkt terroristische Aktivitäten seitens der ISYF durchaus noch für möglich gehalten würden.
20 
Der Beklagte beantragt,
21 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 8. Dezember 2009 - 1 K 2126/07 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
22 
Der Kläger beantragt,
23 
die Berufung zurückzuweisen.
24 
Von der ISYF gingen keine Gefahren für die Ziele der Vereinten Nationen aus, weil diese Organisation nur noch gewaltfrei für einen eigenständigen Staat Khalistan eintrete. § 54 Nr. 5 AufenthG sei eng auszulegen, um rechtsstaatlichen Anforderungen zu genügen. Da die Vorschrift der Gefahrenabwehr diene, müsse vom Kläger im Zeitpunkt der Entscheidung noch eine Gefahr ausgehen, wie dies auch bei § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG gefordert werde. Für das Erfordernis einer gegenwärtigen Gefährlichkeit spreche bereits der Wortlaut der Norm, wonach die betroffene Vereinigung den Terrorismus unterstützen müsse und es nicht genüge, dass sie den Terrorismus unterstützt habe. Insoweit genüge entgegen der Auffassung der Berufung nicht, dass die ISYF im Verzeichnis der Personen, Vereinigungen und Körperschaften im Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (EU-Terrorliste) aufgeführt sei. Der Gemeinsame Standpunkt richte sich nur an die Mitgliedstaaten und habe keine Rechtsverbindlichkeit. Die EU-Terrorliste werde ohne öffentliche Kontrolle erstellt, die Aufnahmekriterien seien undurchschaubar und es spreche einiges für politische und diplomatische Rücksichtnahmen. Gerade im Falle Indiens liege dies nahe, da ein großes Interesse der EU an dieser aufstrebenden Wirtschaftsmacht bestehe. Die Aufnahme einer Organisation in diese Liste habe zwar Indizwirkung, genüge aber allein nicht für Feststellungen nach § 54 Nr. 5 AufenthG. Vielmehr sei eine eigenständige Prüfung der Behörden und Gerichte erforderlich. Umgekehrt sei dem Senat zuzugeben, dass eine längere Untätigkeit einer vormals terroristisch aktiven Gruppierung nicht per se den Rückschluss auf eine entfallene Gefährlichkeit erlaube. Andererseits könne aber eine schwierige Informationsgewinnung und unklare Informationslage nicht zu Lasten des Klägers gehen. Denn mangele es an konkreten und belastbaren Tatsachenfeststellungen, sei der Schluss auf eine aktuelle Gefährlichkeit der Organisation unzulässig und nur dieser Schluss wiederum rechtfertige den Eingriff in seine Rechte. Gerade wenn die Norm unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten derart problematisch sei, werde man eine unklare Sachverhaltssituation nicht für einen Eingriff genügen lassen können. Es sei zwischen der Babbar Khalsa einerseits und der ISYF andererseits zu unterscheiden. Die Babbar Khalsa sei in der Vergangenheit stets die gewaltbereitere Organisation gewesen, während die ISYF, die in Indien selbst nicht aktiv sei, die auch früher weit weniger militanten Mutterorganisationen AISSF und SSF unterstütze und ebenso wie diese gespalten sei. So gebe es den sog. Rhode-Flügel, der Gewalt als Mittel zur Schaffung eines selbstständigen Staates Khalistan abgelehnt habe, und den sog. Bittu-Flügel, der nach der SSF des Daljit Singh Bittu benannt sei. Daljit Singh Bittu sei in Indien lange als Terrorist gesucht worden und auch verhaftet worden, gelte aber heute - soweit ersichtlich - nicht mehr als militanter Politiker der Sikhs. Nach den zur Verfügung stehenden Informationen würden militante Aktionen der letzten Jahre zwar der Babbar Khalsa, nicht aber der ISYF oder ihren Mutterorganisationen zugeschrieben. Der Kläger sei seit einiger Zeit nur noch einfaches Mitglied der ISYF. Wenn aber nach dem Urteil des BVerwG vom 13. Januar 2009 (1 C 2.08) das Fortbestehen der Mitgliedschaft in einer Vereinigung, die wegen der Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung verboten worden sei, für sich genommen regelmäßig noch keine Gefährdung im Sinne des § 54 Nr. 5a AufenthG begründe, dann deute auch dies darauf hin, dass die Anforderungen an eine aktuelle Gefährlichkeit hoch seien. Die Darlegungs- und Beweislast für Tatsachen, welche die Schlussfolgerung rechtfertigten, dass die Vereinigung, der er angehöre, den Terrorismus unterstütze, liege bei dem Beklagten.
25 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
26 
Dem Senat liegen Akten des Regierungspräsidiums Tübingen sowie Akten des Verwaltungsgerichts vor.

Entscheidungsgründe

 
27 
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Berufung hat Erfolg.
28 
Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen. Denn der angegriffene Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen ist rechtmäßig und verletzt schon daher nicht die Rechte des Klägers (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
29 
I. Ausweisung:
30 
Der Beklagte hat die Ausweisungsverfügung rechtsfehlerfrei auf § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Hiernach ist ein Ausländer in der Regel auszuweisen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt hat; dabei gilt für zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen die Einschränkung, dass hierauf eine Ausweisung nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen.
31 
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 15. März 2005 (1 C 26.03 – BVerwGE 123, 114) zu der in der Sache nicht wesentlich unterschiedlichen Vorläufervorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 5 letzte Variante AuslG 1990 (i.V.m. § 47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG 1990) folgende Grundsätze aufgestellt, die der Senat seiner Rechtsprechung zugrunde legt.
32 
Zum Unterstützungsbegriff hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt:
33 
„Auch die "bloße Teilnahme" an Veranstaltungen und Demonstrationen der der Klägerin vorgehaltenen Art kann unter bestimmten Voraussetzungen eine durch § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG sanktionierte Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus darstellen. Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist - in Anlehnung an die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum strafrechtlichen Unterstützungsbegriff nach §§ 129, 129 a StGB entwickelten Kriterien - jede Tätigkeit anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1984 - 3 StR 526/83 (S) - BGHSt 32, 243; ähnlich Jakober in: Jakober/Welte, Aktuelles Ausländerrecht, § 8 AuslG Rn. 620 und Berlit in: GK-StAR § 86 AuslG Rn. 90 bis 92 zum Unterstützungsbegriff in § 86 Abs. 1 Nr. 2 AuslG 1990). Dazu zählt jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84 - BGHSt 33, 16 unter Hinweis auf BGHSt 29, 99 <101>; 32, 243 <244>). Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB 18/87 - NJW 1988, 1677 unter Hinweis auf BGHSt 29, 99 <101>; 32, 243, <244>) wie - unter Berücksichtigung des präventiven, der Gefahrenabwehr dienenden Zwecks des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG - auf eine subjektive Vorwerfbarkeit (vgl. auch die Begründung zu Art. 11 Nr. 3 des Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386, S. 54: "Dabei muss die von einem Ausländer ausgehende Gefahr entweder gegenwärtig bestehen oder für die Zukunft zu erwarten sein, abgeschlossene Sachverhalte aus der Vergangenheit ohne gegenwärtige oder künftige Relevanz bleiben außer Betracht.").
34 
Allerdings muss auch die eine Unterstützung der Vereinigung, ihre Bestrebungen oder ihre Tätigkeit bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein (zum Ausnahmefall der Inanspruchnahme als Anscheinsstörer in einer zugespitzten Krisensituation vgl. Urteile vom 11. November 1980 - BVerwG 1 C 23.75 und BVerwG 1 C 46.75 - Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nrn. 75, 76 und Urteil vom 1. Juli 1975 - BVerwG 1 C 35.70 - BVerwGE 49, 36 <42 ff.>). An einem Unterstützen fehlt es hingegen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon ggf. deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG kann ferner dann in Betracht kommen, wenn - wie der Klägerin vorgehalten und vom Berufungsgericht zunächst unterstellt - durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung wie der verbotenen PKK bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB 18/87 - a.a.O.). Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (oder des Fehlens jeglicher Distanzierung wie bisher bei der Klägerin) gewürdigt werden. Die potenzielle Erhöhung des latenten Gefährdungsrisikos, welches von einer Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, für die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und anderer Staaten sowie die Völkergemeinschaft ausgeht, ist erforderlich, aber auch ausreichend, um ein Verhalten unter den durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz eingefügten, die allgemeine Sicherheitsgefährdungsklausel in § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG bewusst erweiternden Unterstützungstatbestand zu subsumieren (vgl. auch die Begründung zu Art. 11 Nr. 3 des Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386, S. 54).
35 
Erfasst wird neben den Erscheinungsformen der Gewaltanwendung ebenfalls die Mitgliedschaft oder Unterstützung von Vereinigungen, die Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten oder androhen, unabhängig davon, wo die Anschläge verübt werden. Diese Ausdehnung auf über das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hinaus agierenden Tätergruppen ist angesichts der Erscheinungsformen des international organisierten Terrorismus, der immer auch latent eine Bedrohung für die Bundesrepublik Deutschland darstellt, geboten.
36 
Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich (so aber wohl VGH Mannheim, Beschluss vom 18. November 2004 - 13 S 2394/04 - InfAuslR 2005, 31 und Marx, ZAR 2004, 275; ZAR 2002, 127 unter Übernahme der zur alten Fassung des Ausweisungsgrundes nach § 46 Nr. 1 AuslG 1990, § 10 AuslG 1965 entwickelten Abgrenzung). Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich, wie es im angefochtenen Berufungsurteil (UA S. 7) unter Bezugnahme auf einen vom Bundesgerichtshof aufgehobenen Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts zur Auslegung des § 129 a Abs. 3 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB 18/87 - a.a.O.) vorausgesetzt wird. Die Schwelle für das Eingreifen des neuen Versagungs- und Regelausweisungsgrundes nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 letzte Alternative AuslG ist nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers angesichts der außerordentlichen Gefahren des internationalen Terrorismus deutlich niedriger anzusetzen als die Anforderungen an eine persönliche und konkrete Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland nach der bereits früher geltenden ersten Alternative (vgl. oben 3 a).
37 
Der Beklagte hat hierzu zutreffend darauf hingewiesen, dass die neuen ausländerrechtlichen Regelungen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus im Zusammenhang mit der UN-Resolution 1373 vom 28. September 2001 zu sehen sind, in der die Staaten aufgefordert werden, die Nutzung ihres Staatsgebiets für die Vorbereitung, Durchführung und Finanzierung internationaler terroristischer Akte zu verhindern. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG in der hier anzuwendenden Fassung ist in Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz mit Wirkung vom 1. Januar 2002 eingefügt worden in dem Bestreben, in Übereinstimmung mit der UN-Resolution 1373 (2001) dem internationalen Terrorismus weltweit schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386 , S. 35)
38 
Mit den Anschlägen in den Vereinigten Staaten von Amerika vom 11. September 2001 hat die terroristische Bedrohung weltweit eine neue Dimension erreicht. Vorbereitung und Ausführung der Anschläge waren gekennzeichnet durch ein hohes Ausmaß an Brutalität, Menschenverachtung und Fanatismus. Hinter den Anschlägen steht ein staatenübergreifendes Netz logistischer Verknüpfungen und operativer Strukturen.
39 
Die neue Dimension des Terrorismus und dessen internationale Ausprägung stellen die Sicherheitsbehörden vor neue, schwere Aufgaben. Niemand kann ausschließen, dass nicht auch Deutschland das Ziel solcher terroristischer Attacken wird.
40 
Die gemeinsame Aufgabe aller staatlichen Kräfte muss es sein, dieser Bedrohung mit geeigneten Schutzmaßnahmen entgegen zu treten. Aufgabe der Politik ist es, mögliche Gefahren für die innere Sicherheit und Ordnung gegen Angriffe von innen wie von außen frühzeitig zu erkennen und alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um das Risiko ihres Eintritts zu minimieren.
41 
Die Innen- und Justizminister der EU haben am 20. September 2001 in einer von Deutschland initiierten Sondersitzung des Rates Justiz und Inneres einen umfangreichen Maßnahmenkatalog zur Terrorismusbekämpfung beschlossen. Dieser Katalog sieht unter anderem Maßnahmen bei der Visaerteilung, der Grenzkontrolle sowie Maßnahmen im Inland vor, die sich in weiten Bereichen mit dem nationalen Sicherheitspaket decken. Deutschland hat darüber hinaus eine Reihe von Vorschlägen eingebracht, die zur Konkretisierung der Schlussfolgerungen des Sonderrates für Justiz und Inneres sowie der Resolution des VN-Sicherheitsrates vom 28. September 2001 (Nummer 1373) dienen. Die VN-Resolution fordert unter anderem, durch geeignete Maßnahmen
42 
- die Identifizierung von Terroristen vor der Einreise,
        
- den Schutz von Identitätspapieren und deren missbräuchlicher Verwendung,
        
- einen beschleunigten nationalen und grenzüberschreitenden Informationsaustausch über Terroristen und deren Bewegungen sowie über gefälschte Dokumente und
        
- die Verhinderung des Missbrauchs des Flüchtlingsstatus für terroristische Aktivitäten
43 
sicherzustellen.
44 
Die Verhandlungen zur Umsetzung dieser Vorschläge werden längere Zeit in Anspruch nehmen. Im Hinblick auf die akute Terrorismusgefahr sind daher bereits jetzt entsprechende nationale Maßnahmen erforderlich.
45 
Mit Rücksicht auf diese Zielsetzung ist der Unterstützungsbegriff in § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG auszulegen und anzuwenden. Maßgeblich ist, inwieweit das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nicht nur ganz unwesentlich oder geringfügig beiträgt und deshalb selbst potenziell gefährlich erscheint. Wegen der tatbestandlichen Weite des Unterstützungsbegriffs ist allerdings - wie bereits ausgeführt - bei der Anwendung der Vorschrift darauf zu achten, dass nicht unverhältnismäßig namentlich in das auch Ausländern zustehende Recht auf freie Meinungsäußerung jenseits der zumindest mittelbaren Billigung terroristischer Bestrebungen eingegriffen wird. Die Ausländerbehörden und die Verwaltungsgerichte können erst nach einer umfassenden und konkreten Prüfung der Aktivitäten der Vereinigung und des Verhaltens des Ausländers durch eine wertende Gesamtbetrachtung entscheiden, ob ein Ausländer eine Vereinigung unterstützt, die ihrerseits den internationalen Terrorismus unterstützt. Nur wenn feststeht, dass und zu welchem Zeitpunkt eine Vereinigung - wie hier die PKK und ihre Teil- oder Nachfolgeorganisationen - terroristische Bestrebungen unterstützt oder sich selbst terroristisch betätigt, kommt eine tatbestandsmäßige Unterstützung durch einzelne Personen in Betracht.“
46 
Der Senat kann in diesem Zusammenhang die Frage offen lassen, ob die Herausnahme nur ganz unwesentlicher oder geringfügiger Unterstützungshandlungen sachgerecht ist, oder ob insoweit nicht der Ansatz vorzugswürdig wäre, in diesem Fall eine die Regel durchbrechende Atypik anzunehmen (so etwa Discher, in: GK-AufenthG, § 54 AufenthG Rdn. 515). Denn solche Handlungen sind im vorliegenden Fall nicht zu beurteilen, wie noch darzulegen sein wird. In diesem Zusammenhang ist namentlich mit Rücksicht auf das Vorbringen des Klägers darauf hinzuweisen und zu verdeutlichen, dass die hier maßgebliche Bestimmung des § 54 Nr. 5 AufenthG (anders als die der Nr. 5a) weder vom Tatbestand noch nach Sinn und Zweck, aber auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine vom Betroffenen ausgehende konkrete Gefährdung voraussetzt. Eine solche wird nur vorausgesetzt, wenn eine vergangene Mitgliedschaft des Ausländers oder zurückliegende Unterstützungshandlungen (außerhalb einer Mitgliedschaft) zu beurteilen sind; hierum geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht, da der Kläger nach wie vor aktives ISYF-Mitglied ist. Von diesem Verständnis geht das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 15. März 2005 zu Recht aus. Dem liegt die zutreffende und keineswegs mit größerer zeitlichen Distanz zu den Ereignissen des 11. September 2001 überholte Überlegung zugrunde, dass der internationale Terrorismus ein außerordentliches Gefahrpotential darstellt und die Bestimmung in besonderem Maße der Umsetzung und Durchsetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland dienen soll (vgl. auch Hailbronner, Ausländerrecht, § 54 AufenthG Rdn. 31), weshalb das hier zu beurteilende Instrumentarium bereits weit im Vorfeld des unmittelbar ausgeübten und in die Tat umgesetzten Terrorismus greifen soll und muss.
47 
Zum Terrorismusbegriff führt das Bundesverwaltungsgericht aus (vgl. hierzu auch Discher, in: GK-AufenthG, § 54 AufenthG Rdn. 436 ff. sowie Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 498 ff.):
48 
„Das Terrorismusbekämpfungsgesetz enthält zwar selbst keine Definition, was unter Terrorismus zu verstehen ist, setzt aber einen der Rechtsanwendung fähigen Begriff des Terrorismus voraus (vgl. kritisch etwa Marx, ZAR 2002, 127<128 f.> und ZAR 2004, 275). Auch wenn bisher die Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition des Terrorismus zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen sind (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 8 AuslG Rn. 53; Davy, ZAR 2003, 43 f.; Renner, ZAR 2003, 52 f.), ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts doch in den Grundsätzen geklärt, unter welchen Voraussetzungen die - völkerrechtlich geächtete - Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln anzunehmen ist (vgl. auch Schmahl, ZAR 2004, 217 <219> unter Hinweis auf einen weitgehenden Konsens bei der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999, BGBl II 2003 S. 1923 und auf die Definition terroristischer Straftaten auf Gemeinschaftsebene in dem Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002, ABl 2002 L164, S. 3; vgl. ebenso schon den Gemeinsamen Standpunkt des Rates 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001, ABl 2001 L 344, S. 93). Eine Vereinigung, die selbst - wie die PKK jedenfalls in der Vergangenheit innerhalb und außerhalb der Türkei - ihre politischen Ziele zumindest auch mit terroristischen Mitteln verfolgt hat (vgl. Urteile vom 30. März 1999  - BVerwG 9 C 31.98, 9 C 23.98 und 9 C 22.98 - BVerwGE 109, 1; 109, 12 und 109, 25), gehört zweifellos zu denjenigen Vereinigungen, die § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG im Blick hat. In dem erneuten Berufungsverfahren wird sich der Verwaltungsgerichtshof zur Beurteilung der Terrorismusgefahr durch die PKK im Übrigen auch mit den Beschlüssen des Rates der Europäischen Union über Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus befassen müssen, nach denen die PKK in einer Liste der an terroristischen Handlungen beteiligten Personen, Vereinigungen und Körperschaften aufgeführt ist (vgl. zuletzt Anhang unter 2. Nr. 21 zu dem Gemeinsamen Standpunkt 2005/220/GASP des Rates vom 14. März 2005 zur Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2004/500/GASP, ABl 2005 L 069, S. 59).“
49 
Dieses zugrunde gelegt ist hier von Folgendem auszugehen: Der Kläger war nach den Feststellungen des Senats mehrere Jahre bis Ende 2007 Vorsitzender der ISYF Baden-Württemberg und ist in der Folgezeit weiter einfaches, aber aktives Mitglied und nimmt auch in dieser Stellung an vielfältigen Aktivitäten der Organisation in der Bundesrepublik Deutschland teil. Mitgliedschaft sowie Aktivitäten wurden im Berufungsverfahren vom Kläger ausdrücklich nochmals bestätigt.
50 
Es steht auch für den Senat hinreichend verlässlich fest, dass die ISYF eine Organisation ist, die nach den dargestellten Grundsätzen und dem hiernach nicht zu eng zu verstehenden Unterstützungsbegriff den Terrorismus „unterstützt“. Sie ist als Auslandsorganisation der „All India Sikh Student Federation“ (AISSY) nach den vorliegenden Erkenntnismitteln zwar nicht ausschließlich, aber doch vorwiegend außerhalb Indiens tätig. Die ISYF war möglicherweise nicht selbst unmittelbar an terroristischen Aktivitäten beteiligt gewesen und hat insbesondere nicht zur Begehung solcher gerade in der Bundesrepublik Deutschland aufgerufen (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz v. 20. Juli 2004; BKA v. 1. April 2010; vgl. aber BND v. 13. April 2010, wonach gerade auch Mitglieder der ISYF nach 1984 an Anschlägen beteiligt gewesen und noch im Dezember 2006 militante Aktivisten der ISYF in Indien verhaftet worden seien; vgl. zudem das South Asia Terrorism Portal, Stand 1. März 2010, das von einer unmittelbaren Beteiligung spricht). Die Organisation sah und sieht, was ihre Auslandsaktivitäten betrifft, eine wesentliche Aufgabe und Funktion darin, Gelder zu sammeln, um damit zumindest auch die wirtschaftlichen Grundlagen der Bewegung zur gewaltsamen Löslösung eines unabhängigen Khalistan zu stärken, deren integraler Bestandteil jedenfalls in der Vergangenheit auch die Begehung terroristischer Akte war (vgl. Südasieninstitut v. 8. Juli 2008 und 26. April 2004; Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2008; BND v. 13. April 2010; South Asia Terrorism Portal, Stand 1. März 2010). Dass Gelder möglicherweise auch zur Unterstützung der Familien von „Märtyrern“ verwendet wurden (vgl. hierzu die Äußerungen des Klägers im Asylerstverfahren und hierzu noch im Folgenden) steht dem nicht entgegen, da sich die Organisation nach den verwerteten Erkenntnismitteln keineswegs als karitativ versteht. Daneben ist die Organisation in vielfältiger Weise, insbesondere durch die Abhaltung sog. Märtyrergedenktage ideologisch und informatorisch tätig (vgl. hierzu die vorgenannten Erkenntnismittel). Zwar mag sie allein damit noch nicht den Tatbestand der Unterstützung erfüllen (vgl. hierzu und zu möglichen Bedenken BVerwG, U. v. 15. März 2005 – a.a.O. Rdn. 41). Diese Aktivitäten sind aber geeignet, das Gesamtbild abzurunden. Die AISSY wurde demgegenüber nach allen vorliegenden Erkenntnismitteln bis in die jüngste Vergangenheit als eine Organisation beschrieben und beurteilt, die personell und materiell selbst mit dem Sikh-Terrorismus in Indien, der auch in Pakistan einen sicheren Rückzugsraum gefunden hat und findet, in unmittelbarer Verbindung steht (vgl. Südasieninstitut v. 8. Juli 2008 und 26. April 2004; Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2008; Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, Verfassungsschutzbericht 2008; Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009; UNHCR v. 22. März 2006; Immigration und Refugee Board of Canada v. 16. April 2009; The Mackenzie Institute, 2006; South Asia Terrorism Portal, Stand 1. März 2010).
51 
Der Senat kann in diesem Zusammenhang offen lassen, ob – wie der Beklagte meint – dem Umstand, dass die ISYF in den Anhang Ziffer 2 der aktuell gültigen Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 des Rates v. 22. Dezember 2009 (ABl. L 346, S. 39) aufgenommen wurde, die von ihm für richtig gehaltene Bindungswirkung zukommen kann, oder ob, wie das Verwaltungsgericht mit guten Gründen dargelegt hat, wegen des hier nicht gegebenen sachlichen Anwendungsbereichs der Vorschrift, eine solche auszuscheiden hätte. Bedenken gegen eine Bindungswirkung könnten sich aus rechtstaatlichen Überlegungen und im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG auch deshalb ergeben, weil der Kläger individuell gar nicht in der Lage wäre, den vom Beklagten aufgezeigten Weg einer gerichtlichen Klärung der Aufnahme in den Anhang Ziffer 2 zu beschreiten (vgl. zu den Aspekten eines effektiven, auch unionsrechtlich garantierten effektiven Rechtsschutzes EuGH, Urteil v. 3. September 2008 – C- 402/05 P u.a., Kadi - DVBl 2009, 175-178). Gegen eine derartige Bindungs- oder Tatbestandswirkung (vgl. hierzu Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., 2008, § 43 Rdn. 154 ff.) spricht auch entschieden, dass es keine etwa den §§ 4 und 42 AsylVfG vergleichbare normative Vorgabe gibt, die auch nur ansatzweise in diese Richtung deuten könnte.
52 
Jedenfalls aber kommt der Aufnahme angesichts der vorgenannten vielfältigen Einschätzungen und Äußerungen eine nicht unerhebliche Indizwirkung zu. Dies gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil der genannte unionsrechtliche Rechtsakt seinen Geltungsanspruch u.a. auch aus den Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 12. und 28. September 2001 (Nr. 1368 und 1373) ableitet (vgl. den Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 2001/931/GASP), die den Staaten der Weltgemeinschaft völkerrechtlich bindend aufgibt, dem internationalen Terrorismus keinerlei – auch nur passive - Unterstützung zu leisten. Insbesondere haben hiernach alle Staaten die Verpflichtung, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern (vgl. Ziffer 2 lit. a und c) Resolution Nr. 1373; vgl. zur völkerrechtlichen Verbindlichkeit Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 496 ff.).
53 
Allerdings setzt der Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG voraus, dass der unterstützte Terrorismus überhaupt noch aktuell ist und nicht etwa der Vergangenheit angehört. Dieser einschränkende Aspekt folgt schon aus der Wertung des § 54 Nr. 5 Hs. 2 AufenthG und nicht zuletzt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Vorschrift sanktioniert – anders als möglicherweise Art. 1 F lit. c) GFK bzw. Art. 17 Abs. 1 lit. c) QRL (vgl. hierzu unter II) – nicht etwa in der Vergangenheit liegende Verhaltensweisen, die sich auf terroristische Organisationen und deren Taten bezieht, die nicht mehr existent, überholt und ohne Gegenwartsbezug sind. Aus dem Umstand, dass nach den vom Verwaltungsgericht eingeholten bzw. verwerteten Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes (vgl. insbesondere Stellungnahme vom 14. September 2009) seit etwa 2000 die den militanten Sikh-Organisationen zugerechneten terroristischen Gewalttaten nahezu zum Erliegen gekommen sein sollen und diesbezüglich in dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung auszugsweise vorgelegten Jahresbericht 2009/2010 des Ministry of Home Affairs of India nichts Entsprechendes mehr erwähnt wird (vollständig abzurufen unter http://www.mha.nic.in), kann jedoch gegenwärtig nicht geschlossen werden, im vorliegenden Fall könnte ein solcher Sachverhalt ohne den erforderlichen Gegenwartsbezug gegeben sein. Denn dieser vom Auswärtigen Amt konstatierte Zustand kann vielerlei Ursachen haben und lässt keinen hinreichend verlässlichen Schluss darauf zu, dass das terroristische Gewaltpotential endgültig aus der Welt sein könnte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - maßgebliche Akteure des Terrors nach wie vor existieren. Denn der Umstand, dass gegenwärtig keine Aktivitäten zu beobachten sind, kann namentlich darauf beruhen, dass die finanziellen wie auch die personellen Ressourcen defizitär sind bzw. auch die Sicherheitsvorkehrungen entsprechend effektiv sind. Der BND (v. 13. April 2010) geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass jedenfalls die Strukturen des Sikh-Terrorismus in Indien zumindest weitgehend zerschlagen sind und ihm eine ausreichende Basis in der Bevölkerung fehlt, um gegenwärtig effektiv arbeiten zu können. Zudem ist zu bedenken, dass es auch in der jüngsten Vergangenheit durchaus zu Terrorakten gekommen ist, wie etwa der Anschlag im November 2008 in Mumbai (vgl. Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009), die nicht zuverlässig zugeschrieben werden können.
54 
Von wesentlicher Bedeutung für diese Einschätzung und die vom Senat zu treffende Feststellung eines noch hinreichend aktuellen Gegenwartsbezugs ist auch, dass in jüngster Zeit verschiedentlich darüber berichtet wurde, es gebe aktuelle Restrukturierungsbestrebungen des Sikh Terrorismus und insoweit insbesondere auch der Auslandsbetätigungen der ISYF (vgl. etwa Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009; Immigration and Refugee Board of Canada v. 16. April 2009; South Asia Terrorism Portal Stand 1. März 2010; BND v. 13. April 2010). So wird von verstärkten Kontakten zum pakistanischen Geheimdienst berichtet und von Regruppierungen in Pakistan (vgl. Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009; Immigration and Refugee Board of Canada v. 16. April 2009). Jedenfalls angesichts dieser Entwicklungen wäre es verfehlt und wenig lebensnah, wollte man verlangen, dass es erst wieder zu konkreten neuen terroristischen Akten kommen muss, bevor man von einer relevanten terrorismusbezogenen Unterstützung sprechen kann.
55 
Unter diesen Umständen wäre das durch § 54 Nr. 5 AufenthG vorausgesetzte und vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 15. März 2005 näher beschriebene und, wie oben ausgeführt, keinesfalls zu hoch anzusetzende Gefährdungspotential allerdings dann entfallen, wenn eine glaubwürdige öffentliche und auch praktizierte Distanzierung von jeglichen terroristischen Praktiken von Seiten der ISYF erfolgt wäre. Dafür ist jedoch nichts ersichtlich (vgl. hierzu auch BKA v. 1. April 2010, das ausdrücklich eine erfolgte Distanzierung und entsprechende öffentlich bekannt gewordene Verlautbarungen verneint). Namentlich hat der Kläger auch auf entsprechende Hinweise im Berufungsverfahren keine diesbezüglichen Informationen geliefert, im Gegenteil: Er ist gerade in diesem Zusammenhang bemerkenswert einsilbig und unpräzise geblieben.
56 
Zwar wird von in der Vergangenheit erfolgten Spaltungen der AISSY bzw. der ISYF berichtet (vgl. etwa UNHCR v. 22. März 2006; South Asia Terrorism Portal Stand 1. März 2010; Immigration and Refugee Board of Canada v. 16. April 2009; BND v. 13. April 2010). In diesem Zusammenhang wird aber schon nicht einmal deutlich, dass sich zumindest eine hinreichend abgegrenzte und abgrenzbare Fraktion herausgebildet haben könnte, die überzeugend und glaubwürdig endgültig und ohne „wenn und aber“ dem Terrorismus die Gefolgschaft verweigert hätte und auch weiter verweigern würde. Abgesehen davon bestehen gerade auch nach dem Vorbringen im Berufungsverfahren keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass sich der Kläger – so es denn eine solche Fraktion überhaupt geben sollte – eindeutig und glaubwürdig gerade dieser zugewandt haben könnte und sich mit dieser identifizieren würde (vgl. zu diesem Aspekt im Kontext des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG BVerwG, U. v. 2. Dezember 2009 – 5 C 24.08), sodass von einem Wegfall der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG auszugehen wäre. Auch hier hat der Kläger unübersehbar jede klare Stellungnahme und Einlassung vermieden und hat im Grunde alles offen und im Ungefähren gelassen. In diesem Zusammenhang ist hinsichtlich des Berufungsvorbringens noch darauf hinzuweisen, dass aus den verwerteten Erkenntnismitteln keine Anhaltspunkte abgeleitet werden können, dass nur die Babbar Khalsa dem Terrorismus zugerechnet werden kann, nicht jedoch die ISYF.
57 
Bei der Würdigung der Person des Klägers und seiner politischen Betätigung sowie der persönlichen Einlassungen im Verfahren kann der Senat auch nicht außer Acht lassen, dass er bei seiner Anhörung durch das Bundesamt im Asylerstverfahren bestätigt hatte, an der Verteilung von Geldern an bedürftige Familien, die ihren Ernährer bei gewaltsamen Auseinandersetzungen in Indien verloren hatten, beteiligt gewesen zu sein. Weiter hatte er davon gesprochen, dass er geheime, ihm allerdings unbekannte Nachrichten als Kurier überbracht haben will. Schließlich hatte er die Anwendung von Gewalt bei der Schaffung eines unabhängigen Khalistan ausdrücklich gebilligt.
58 
Die vom Beklagten hilfsweise angestellten Ermessenserwägungen lassen keine rechtserheblichen Defizite erkennen. Wenn der Beklagte davon ausgeht, dass ggf. die gesamte Familie mit dem Kläger ausreisen werde, so ist dieser Ausgangspunkt nicht zu beanstanden. Denn die anderen Familienangehörigen haben ihrerseits kein Aufenthaltsrecht; auch halten sie sich – ohne dass es zu einer rechtserheblichen Verwurzelung in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland gekommen wäre – viel zu kurz im Bundesgebiet auf, als dass ihnen eine Rückkehr nicht mehr zugemutet werden könnte. Was den im Jahre 2007 geborenen Sohn des Klägers betrifft, kann zwar hinsichtlich eines möglichen zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots § 42 AsylVfG nicht eingewandt werden, weil dieser wohl kein Asylverfahren durchgeführt hat. Gleichwohl ist nichts dafür ersichtlich, dass aus Gründen einer Behandlungsbedürftigkeit der Herzkrankheit, über die auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung jedenfalls keine aktuellen Informationen vorliegen, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen könnte. Der Beklagte ist im angegriffenen Bescheid davon ausgegangen, dass eine Behandlung in Indien möglich sein werde, was der Kläger zu keinem Zeitpunkt - weder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren – überhaupt, geschweige denn substantiiert in Zweifel gezogen hat. Insoweit sind die selbstständig tragend angestellten (hilfsweisen) Ermessenserwägungen nicht zu beanstanden.
59 
Gleichwohl hat der Beklagte zusätzlich unterstellt, dass – nach Entfallen der Foltergefahr – es zu einer Trennung der Familie kommen könnte, insoweit dann aber mit Rücksicht auf die überragende Bedeutung des öffentlichen Interesses an einer konsequenten Bekämpfung des internationalen Terrorismus, das, wie dargelegt, insbesondere seine Rechtfertigung in den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland findet, einer Trennung der Familie den Vorzug eingeräumt. Insoweit handelt es sich um eine zwar nicht zwingende, gleichwohl rechtlich mögliche Ermessensentscheidung.
60 
Der Umstand, dass die Ausweisung nicht vollzogen werden kann, solange die Feststellung nach § 60 Abs. 2 AufenthG Bestand hat und kein aufnahmebereiter Drittstaat in Sicht ist, macht die Ausweisung – entgegen der Auffassung des Klägers - nicht ermessensfehlerhaft, insbesondere auch nicht unverhältnismäßig. Denn immerhin wird mit dieser zum einen konsequent jeder Aufenthaltsverfestigung entgegengewirkt, zum anderen werden dadurch die Aufenthaltsbeschränkungen des § 54a AufenthG ausgelöst.
61 
II. Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
62 
Dem Kläger steht auch keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG zu.
63 
Der Senat kann letztlich offen lassen, ob der Bundesgesetzgeber mit der in  § 25 Abs. 3 AufenthG gewählten Regelungsstruktur die Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG v. 29. April 2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie - QRL) ordnungsgemäß und sachgerecht umgesetzt hat. Diese Umsetzung war hier bereits zum 1. Januar 2005 durch das Zuwanderungsgesetz und damit vor dem Verpflichtungsurteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. Mai 2006 erfolgt.
64 
Eine ordnungsgemäße Umsetzung ist allerdings nach Auffassung des Senats nicht erfolgt. Denn die in § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 AufenthG genannten Ausschlussgründe, sind nach den bindenden unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 17 Abs. 1 QRL solche, die bereits zwingend der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach Art. 15 lit. b) QRL entgegenstehen. Darüber hinaus ist das nationale Recht auch deshalb defizitär, weil der unionsrechtlich in Art. 18 QRL ausdrücklich auch für subsidiär Schutzberechtigte vorgesehene, dem Flüchtlingsstatus (vgl. Art. 13 QRL und insoweit ordnungsgemäß umgesetzt in § 3 Abs. 4 AsylVfG) vergleichbare förmliche Schutzstatus nicht eingeräumt wird, an den unmittelbar unionsrechtlich die (zahlreichen) Gewährleistungen der Art. 20 ff. QRL anknüpfen. Dass unionsrechtlich dieser Schutzstatus von essentieller Bedeutung ist, kommt auch darin zum Ausdruck, dass nach Art. 19 Abs. 3 QRL die Mitgliedstaaten andererseits verpflichtet sind, diesen Status unter den dort im Einzelnen bezeichneten Voraussetzungen wieder zu entziehen, um damit deutlich zu machen, dass Unionsrecht derartige Rechte nicht vermitteln kann und sich die Betroffenen nicht mehr auf diese Rechte berufen können. Soweit § 60 Abs. 2 AufenthG daneben und zugleich den völkervertraglichen Abschiebungsschutz nach Art. 3 EMRK zum Ausdruck bringt und absichert, ist dagegen aus unionsrechtlicher Sicht allerdings nichts zu erinnern. Diese Differenzierung zwischen dem nationalen bzw. völkervertraglichen Abschiebungsschutz und dem unionsrechtlichen subsidiären Schutz und daraus fließenden Schutzstatus ist jedoch, wie dargelegt, von zentraler und nicht zu vernachlässigender Bedeutung und hätte vom nationalen Gesetzgeber nachgezeichnet werden müssen.
65 
Der Ausschlussgrund des Art. 17 Abs. 1 QRL hat hiernach schon im Ansatz systematisch und strukturell unionsrechtlich nichts mit der Frage des aufenthaltsrechtlichen Statusnach Einräumung des Schutzstatus zu tun, weshalb dann auch nach Art. 24 Abs. 2 QRL - vorbehaltlich entgegenstehender zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung - ein unbedingter Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht. Aus der Tatsache, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit einer Feststellung nach § 60 Abs. 2 AufenthG zugleich unter Verstoß gegen das Unionsrecht und entgegen Art. 17 Abs. 1 lit. c) QRL das Vorliegen der Voraussetzungen des unionsrechtlichen subsidiären Schutzes nach Art. 15 lit. b) QRL feststellt, folgt jedoch unionsrechtlich kein Anspruch der betreffenden Ausländer auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Sinne von Art. 24 Abs. 2 QRL. Allerdings kann mit Rücksicht auf die Bindungswirkung nach § 42 AsylVfG, auch wenn die Entscheidung unter Verstoß gegen zwingendes Unionsrecht (Art. 17 QRL) ergangen ist und eigentlich hätte, was den unionsrechtlichen subsidiären Schutz betrifft, zu Lasten der Betroffenen ausgehen müssen (vgl. zu den Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 lit. c QRL, der § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. c) AufenthG entspricht, noch die folgenden Ausführungen), nicht davon ausgegangen werden, dass § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. c) AufenthG unmittelbar dem Anspruch auf Erteilung eines Titels nach Art. 24 Abs. 2 QRL entgegen gehalten werden kann; insbesondere können an sich Sachverhalte, die selbst die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 QRL erfüllen, im Ausgangspunkt aus systematischen Gründen nicht unwiderlegbar und gewissermaßen automatisch anspruchsvernichtende zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 2 QRL ausmachen. Gleichwohl bedarf bis zu einer ordnungsgemäßen Umsetzung des Unionsrechts, insbesondere eines ausdrücklichen Verfahrens zur Gewährung eines subsidiären Schutzstatus die Vorbehaltsklausel der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der erweiternden Auslegung dergestalt, dass die Ausschlussgründe jedenfalls dem Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegenstehen. Denn unionsrechtlich folgt aus Art. 17 Abs. 1 QRL, dass, wenn schon der Schutzstatus zwingend zu versagen ist, gewissermaßen erst recht ein Anspruch auf Erteilung eines auf diesen zurückzuführenden Titels ausscheiden muss. Wollte man hier einen unionsrechtlichen Anspruch bejahen, so würde der ohnehin gegebene, auf dem Umsetzungsdefizit beruhende Verstoß gegen das Unionsrecht noch wesentlich verschärft mit der Folge, dass ein dem Unionsrecht noch ferneres Ergebnis erzielt würde, was offenkundig mit Art. 4 Abs. 3 EUV unvereinbar wäre.
66 
Nach alledem kann dann zwar allein der Umstand, dass nach nationalem Recht der Erteilung des Titels § 11 Abs. 1 Satz 2 (i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 2) AufenthG entgegenstünde, den Anspruch nach Art. 24 Abs. 2 QRL nicht ohne weiteres entfallen lassen, sondern nur dann, wenn sich in der Sperrwirkung zugleich zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung manifestieren würden. Dies ist aber der Fall, wenn eine Ausweisung wirksam und materiell zu Recht auf § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt wird. Namentlich der oben beschriebene völkerrechtliche und unionsrechtliche Hintergrund dieser Bestimmung sowie das mit ihr zu bekämpfende Gefährdungspotential verkörpern typischerweise derartige zwingende Gründe, selbst wenn von den jeweils betroffenen Personen keine unmittelbare konkrete oder gar gegenwärtige Gefahr ausgehen sollte.
67 
Unabhängig hiervon liegen nach Überzeugung des Senats auch die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 lit. c QRL bzw. des § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. c) AufenthG vor. Hiernach erfolgt ein Ausschluss vom subsidiären Schutzstatus bzw. wird der Aufenthaltstitel abgelehnt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Betreffende sich Handlungen hat zuschulden kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen. Der Wortlaut beider Bestimmungen stimmt im Wesentlichen mit Art. 1 F lit. c) GFK überein. Beide Bestimmungen weichen allerdings von Art. 12 Abs. 2 lit. c) QRL ab, der die maßgeblichen Ziele der Vereinten Nationen als diejenigen benennt und konkretisiert, die in der Präambel der UN-Charta und deren Art. 1 und 2 enthalten sind. Daraus wird teilweise der Schluss gezogen, das Gemeinschaftsrecht habe eine Entscheidung dahin gehend getroffen bzw. entsprechende in der Literatur und Rechtspraxis vertretene Auffassungen bekräftigt, wonach hier als in Betracht kommende Akteure nur Repräsentanten von Staaten oder jedenfalls staatsähnlicher Organisationen gemeint sein können, weil in der UN-Charta an sich nur die Beziehungen von Staaten untereinander in den Blick genommen werden (so etwa OVG NW, U. v. 27. März 2007 - 8 A 5118105.A - juris; Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 33 Rdn. 97 ff.). Worin dann allerdings bei diesem Ansatz der anwendungsrelevante Unterschied zu § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. a) AufenthG (bzw. Art. 12 Abs. 2 lit. a) bzw. Art. 17 Abs. 1 lit. a) QRL) bestehen soll, erschließt sich dem Senat nicht. Zwar hatte UNHCR (Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Ziff. 163) sicherlich mit guten Gründen darauf hingewiesen, dass die in der Charta genannten Ziele im Grundsatz nur das Verhältnis der Staaten untereinander betreffen, was die Schlussfolgerung nahe legen konnte, hier liege die Vorstellung und Konzeption zugrunde, der in den Blick zu nehmende Personenkreis sei auf solche Personen beschränkt, die aufgrund ihrer Stellung in einem staatlichen Machtapparat einen wesentlichen Beitrag zu einer durch den Staat selbst begangenen Verletzung dieser Grundsätze geleistet haben (vgl. hierzu auch UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, ZAR 2004, 207 Nr. 17; auch bereits Marx, Handbuch zur Asyl- und Flüchtlingsanerkennung, § 63 Stand Dez. 1997, Rdn. 148; vgl. auch BVerwG, U. v. 1. Juli 1975 - 1 C 44.68 - Buchholz 402.24 § 28 AusIG Nr. 9 mit dem zutreffenden Hinweis, dass in erster Linie Handlungen gemeint sind, die dem internationalen Frieden und der Völkerverständigung entgegen laufen). Zieht man aber schon den 22. Erwägungsgrund der Qualifikationsrichtlinie in die Überlegungen mit ein, so kann eine derartige Beschränkung nicht befürwortet werden. Denn dort werden zwar ebenfalls die Präambel sowie die Art. 1 und 2 der UN-Charta angesprochen. Daneben werden aber auch ausdrücklich die Resolutionen der UN erwähnt, wonach „Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen“ stünden und darüber hinaus auch die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu gleichfalls mit den Zielen und Grundsätzen unvereinbar seien. In diesem Zusammenhang ist unübersehbar, dass hier gegenüber den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Erarbeitung der Konvention mittlerweile ein nicht unerheblicher Bedeutungswandel eingetreten ist. Denn spätestens in der Resolution des Sicherheitsrats Nr. 1373 (2001) vom 28. September 2001 bringt dieser unmissverständlich zum Ausdruck, dass Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den in Kapitel 1 der Charta der Vereinten Nationen niedergelegten Zielen und Grundsätzen der Organisation stehen. Nach dieser Resolution, deren Umsetzung die hier in Rede stehenden Bestimmungen dienen und die der 22. Erwägungsgrund im Auge hat (vgl. BTDrucks 14/7386, S. 57), sollen, wie schon oben ausgeführt, die Staaten gegen alles vorgehen bzw. alles unterlassen, was den Terrorismus in irgendeiner Weise unterstützen könnte. Insbesondere sollen sie die Finanzierung terroristischer Handlungen verhüten und bekämpfen (Nr. 1 a), die vorsätzliche Bereitstellung oder Sammlung von Geldern, gleichviel durch welche Mittel und ob mittelbar oder unmittelbar durch ihre Staatsangehörigen oder in ihrem Hoheitsgebiet mit der Absicht oder in Kenntnis dessen, dass die Gelder zur Ausführung terroristischer Handlungen verwendet werden, unter Strafe stellen (Nr. 1 b) und diejenigen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, erleichtern oder begehen, daran hindern, ihr Hoheitsgebiet für diese Zwecke zu nutzen (Nr. 2 der Resolution). Hieraus wird deutlich, dass die ursprünglich für richtig gehaltene Beschränkung des Personenkreises nicht mehr in dieser Weise uneingeschränkt aufrechterhalten werden kann, denn die dort angesprochenen Akteure des Terrors haben regelmäßig nichts mit (zumindest) staatsähnlichen Organisationen zu tun (a.A. Marx, InfAusIR 2005, 218 <227>, der zu stark die Entstehungsgeschichte in den Blick nimmt und dabei übersieht, dass die Vorschrift, indem sie auf die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen abstellt, für einen Bedeutungswandel offen ist und daher nicht gesagt werden kann, die GFK stelle statisch nur auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt ihrer Entstehung ab; wie hier etwa OVG RP, U. v. 6. Dezember 2002 - 10 A 10089/02 - InfAuslR 2003, 254; Hailbronner, Ausländerrecht, § 60 AufenthG Stand Oktober 2008, Rdn. 227; vgl. auch die Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts v. 14. Oktober 2008 - 10 C 48.07 - BVerwGE 132, 79; v. 25. November 2008 - 10 C 46.07 - NVwZ 2009, 592). Der von Marx in diesem Zusammenhang weiter erhobene Einwand, bislang sei keine zufriedenstellende praktikable juristische Definition des Terrorismusbegriffs gefunden worden (vgl. Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 33 Rdn. 114), ist im Ansatz sicherlich nicht vollständig von der Hand zu weisen, ein solcher wird auf absehbare Zeit wohl auch nicht weltweit konsensfähig sein. Andererseits liegt der genannten Sicherheitsratsresolution ein „sicherer" Begriffskern zugrunde, wovon auch das BVerwG im bereits oben angesprochenen Urteil v. 15. März 2005 (1 C 26.03 - a.a.O.) ausgegangen ist.
68 
Für die Anwendung des Ausschlussgrundes ist schon vom Wortlaut der Bestimmung, der auf eine retrospektive Sichtweise abstellt, nicht erforderlich, dass eine konkrete Wiederholungsgefahr festgestellt werden kann. Die zugrunde liegende Bestimmung des Art. 1 F lit. c) GFK (wie generell Art. 1 F GFK) bringt vielmehr vorrangig ein gewichtiges wertendes Element der „Asylunwürdigkeit" zum Ausdruck (vgl. hierzu auch BVerwG, B. v. 14. Oktober 2008 - 10 C 48.07 - BVerwGE 132, 79; v. 25. November 2008 - 10 C 46.07 - NVwZ 2009, 592; Hailbronner, Ausländerrecht, § 60 AufenthG Stand Oktober 2008, Rdn. 211 ff.). Gleichwohl stehen auch diese gemeinschaftsrechtlichen und völkervertraglichen Ausschlussgründe unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. Liegen die entsprechenden Gründe bzw. Taten zum Zeitpunkt der Aktualisierung bzw. des Eintritts der flüchtlingsrechtlich zu betrachtenden Verfolgungsgefahr lange zurück und haben sich die Betroffenen insbesondere mittlerweile glaubwürdig distanziert oder aber wirken sie mittlerweile sogar aktiv an der Bekämpfung des Terrorismus mit, so wäre ein Zurückstellen des Flüchtlingsschutzes nicht mehr gerechtfertigt (so auch im Ausgangspunkt UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, ZAR 2004, 207 ff., Nr. 23 f.; ders., Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Nr. 157; vgl. auch BVerwG, B. v. 14. Oktober 2008 – 10 C 48.07 – a.a.O.). Zu verlangen ist daher – wenn auch keine konkrete Wiederholungsgefahr – so doch ein Minimum an Aktualität. Auch wenn im Falle des Art. 1 F lit. b) GFK - anders als in Art. 33 Nr. 2 GFK - nicht ausdrücklich auf das Vorliegen einer Gefahr abgestellt wird, so ist zwar unübersehbar, dass diese Bestimmung der Abwehr von Gefahren für das Zufluchtland dient. Gleichwohl ist die Zwecksetzung nicht darauf beschränkt, denn es geht auch darum, dem Missbrauch des Flüchtlingsstatus entgegenzuwirken, v.a. aber darum zu verhindern, dass sich die Betreffenden einer berechtigten Strafverfolgung entziehen (vgl. im Einzelnen die Nachweise bei BVerwG, B. v. 14. Oktober 2008 – 10 C 48.07 – a.a.O.; a.A. Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 33 Rdn. 84 ff. m.w.N., wonach sich die beiden Bestimmungen im Wesentlichen nur durch den Ort der Tatbegehung unterschieden, weshalb es nahe liege, von einem komplementären Charakter der Vorschriften auszugehen und auch hier nach den allgemeinen Maßstäben eine konkrete Gefahr zu verlangen; UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Ziff. 151; vgl. auch OVG NW, U. v. 27. März 2007 – 8 A 5118/05.A – juris).
69 
Der Senat kann offen lassen, ob Personen, die lediglich als Mitläufer bzw. unbedeutende Unterstützer des Terrorismus einzustufen sind, taugliche Akteure im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. c) QRL sein können. Der Kläger war jedoch als ehemaliger höher gestellter mehrjähriger Funktionär der Organisation eine Person, die maßgeblich den Weg der Organisation in der Bundesrepublik mitbestimmen und prägen konnte, weshalb sein Handeln unmittelbar geeignet war, die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen nachteilig zu berühren. Auch liegen diese Aktivitäten nicht so lange zurück, als dass sie als obsolet angesehen werden könnten. Schließlich kann von einer glaubwürdigen Distanzierung, wie bereits ausgeführt, keine Rede sein.
70 
Wollte man nicht der Auffassung einer unionsrechtswidrigen Umsetzung folgen, so stünde der Erteilung nicht nur § 25 Abs. 3 Satz 2 3. Variante lit. c) AufenthG entgegen, sondern auch § 11 Abs. 1 Satz 2 (i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 2) AufenthG sowie § 5 Abs. 4 AufenthG.
71 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
72 
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO).
73 
Beschluss vom 21. April 2010
74 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt.
75 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
27 
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Berufung hat Erfolg.
28 
Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen. Denn der angegriffene Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen ist rechtmäßig und verletzt schon daher nicht die Rechte des Klägers (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
29 
I. Ausweisung:
30 
Der Beklagte hat die Ausweisungsverfügung rechtsfehlerfrei auf § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt. Hiernach ist ein Ausländer in der Regel auszuweisen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt hat; dabei gilt für zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen die Einschränkung, dass hierauf eine Ausweisung nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen.
31 
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 15. März 2005 (1 C 26.03 – BVerwGE 123, 114) zu der in der Sache nicht wesentlich unterschiedlichen Vorläufervorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 5 letzte Variante AuslG 1990 (i.V.m. § 47 Abs. 2 Nr. 4 AuslG 1990) folgende Grundsätze aufgestellt, die der Senat seiner Rechtsprechung zugrunde legt.
32 
Zum Unterstützungsbegriff hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt:
33 
„Auch die "bloße Teilnahme" an Veranstaltungen und Demonstrationen der der Klägerin vorgehaltenen Art kann unter bestimmten Voraussetzungen eine durch § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG sanktionierte Vorfeldunterstützung des internationalen Terrorismus darstellen. Als tatbestandserhebliches Unterstützen ist - in Anlehnung an die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum strafrechtlichen Unterstützungsbegriff nach §§ 129, 129 a StGB entwickelten Kriterien - jede Tätigkeit anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirkt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1984 - 3 StR 526/83 (S) - BGHSt 32, 243; ähnlich Jakober in: Jakober/Welte, Aktuelles Ausländerrecht, § 8 AuslG Rn. 620 und Berlit in: GK-StAR § 86 AuslG Rn. 90 bis 92 zum Unterstützungsbegriff in § 86 Abs. 1 Nr. 2 AuslG 1990). Dazu zählt jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 1984 - 3 StR 62/84 - BGHSt 33, 16 unter Hinweis auf BGHSt 29, 99 <101>; 32, 243 <244>). Auf einen beweis- und messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es ebenso wenig an (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB 18/87 - NJW 1988, 1677 unter Hinweis auf BGHSt 29, 99 <101>; 32, 243, <244>) wie - unter Berücksichtigung des präventiven, der Gefahrenabwehr dienenden Zwecks des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG - auf eine subjektive Vorwerfbarkeit (vgl. auch die Begründung zu Art. 11 Nr. 3 des Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386, S. 54: "Dabei muss die von einem Ausländer ausgehende Gefahr entweder gegenwärtig bestehen oder für die Zukunft zu erwarten sein, abgeschlossene Sachverhalte aus der Vergangenheit ohne gegenwärtige oder künftige Relevanz bleiben außer Betracht.").
34 
Allerdings muss auch die eine Unterstützung der Vereinigung, ihre Bestrebungen oder ihre Tätigkeit bezweckende Zielrichtung des Handelns für den Ausländer regelmäßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein (zum Ausnahmefall der Inanspruchnahme als Anscheinsstörer in einer zugespitzten Krisensituation vgl. Urteile vom 11. November 1980 - BVerwG 1 C 23.75 und BVerwG 1 C 46.75 - Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nrn. 75, 76 und Urteil vom 1. Juli 1975 - BVerwG 1 C 35.70 - BVerwGE 49, 36 <42 ff.>). An einem Unterstützen fehlt es hingegen, wenn jemand allein einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Organisation, nicht aber auch die Unterstützung des internationalen Terrorismus befürwortet - und sich hiervon ggf. deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine Teilnahme an erlaubten Veranstaltungen in Wahrnehmung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung nach außen vertritt. Dienen solche Veranstaltungen allerdings erkennbar dazu, nicht nur einzelne Meinungen kundzutun, wie sie auch die Vereinigung vertritt, sondern durch die - auch massenhafte - Teilnahme jedenfalls auch diese Vereinigung selbst vorbehaltlos und unter Inkaufnahme des Anscheins der Billigung ihrer terroristischen Bestrebungen (beispielsweise wegen des angekündigten Auftretens von Funktionären einer verbotenen Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt) zu fördern, dann liegt ein im Hinblick auf den Normzweck potenziell gefährliches Unterstützen im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG vor, der die Freiheit der Meinungsäußerung insoweit verhältnismäßig beschränkt. Eine Unterstützung im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG kann ferner dann in Betracht kommen, wenn - wie der Klägerin vorgehalten und vom Berufungsgericht zunächst unterstellt - durch zahlreiche Beteiligungen an Demonstrationen und Veranstaltungen im Umfeld einer Vereinigung wie der verbotenen PKK bei einer wertenden Gesamtschau zur Überzeugung des Tatsachengerichts feststeht, dass der Ausländer auch als Nichtmitglied in einer inneren Nähe und Verbundenheit zu der Vereinigung selbst steht, die er durch sein Engagement als ständiger (passiver) Teilnehmer zum Ausdruck bringt, und damit deren Stellung in der Gesellschaft (vor allem unter Landsleuten) begünstigend beeinflusst, ihre Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch ihr Rekrutierungsfeld erweitert und dadurch insgesamt zu einer Stärkung ihres latenten Gefahrenpotenzials beiträgt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB 18/87 - a.a.O.). Dabei muss allerdings die terroristische oder den Terrorismus unterstützende Tätigkeit der Vereinigung im In- oder Ausland zum jeweiligen Zeitpunkt feststehen und das Verhalten des Einzelnen auch unter Berücksichtigung etwaiger glaubhafter Distanzierungen von der Vorfeldunterstützung des Terrorismus (oder des Fehlens jeglicher Distanzierung wie bisher bei der Klägerin) gewürdigt werden. Die potenzielle Erhöhung des latenten Gefährdungsrisikos, welches von einer Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, für die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und anderer Staaten sowie die Völkergemeinschaft ausgeht, ist erforderlich, aber auch ausreichend, um ein Verhalten unter den durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz eingefügten, die allgemeine Sicherheitsgefährdungsklausel in § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG bewusst erweiternden Unterstützungstatbestand zu subsumieren (vgl. auch die Begründung zu Art. 11 Nr. 3 des Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386, S. 54).
35 
Erfasst wird neben den Erscheinungsformen der Gewaltanwendung ebenfalls die Mitgliedschaft oder Unterstützung von Vereinigungen, die Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten oder androhen, unabhängig davon, wo die Anschläge verübt werden. Diese Ausdehnung auf über das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hinaus agierenden Tätergruppen ist angesichts der Erscheinungsformen des international organisierten Terrorismus, der immer auch latent eine Bedrohung für die Bundesrepublik Deutschland darstellt, geboten.
36 
Eine darüber hinausgehende konkrete oder persönliche Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit ist dagegen nicht erforderlich (so aber wohl VGH Mannheim, Beschluss vom 18. November 2004 - 13 S 2394/04 - InfAuslR 2005, 31 und Marx, ZAR 2004, 275; ZAR 2002, 127 unter Übernahme der zur alten Fassung des Ausweisungsgrundes nach § 46 Nr. 1 AuslG 1990, § 10 AuslG 1965 entwickelten Abgrenzung). Ebenso wenig ist ein "aktives Tätigwerden" erforderlich, wie es im angefochtenen Berufungsurteil (UA S. 7) unter Bezugnahme auf einen vom Bundesgerichtshof aufgehobenen Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts zur Auslegung des § 129 a Abs. 3 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1987 - 4 StB 18/87 - a.a.O.) vorausgesetzt wird. Die Schwelle für das Eingreifen des neuen Versagungs- und Regelausweisungsgrundes nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 letzte Alternative AuslG ist nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers angesichts der außerordentlichen Gefahren des internationalen Terrorismus deutlich niedriger anzusetzen als die Anforderungen an eine persönliche und konkrete Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland nach der bereits früher geltenden ersten Alternative (vgl. oben 3 a).
37 
Der Beklagte hat hierzu zutreffend darauf hingewiesen, dass die neuen ausländerrechtlichen Regelungen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus im Zusammenhang mit der UN-Resolution 1373 vom 28. September 2001 zu sehen sind, in der die Staaten aufgefordert werden, die Nutzung ihres Staatsgebiets für die Vorbereitung, Durchführung und Finanzierung internationaler terroristischer Akte zu verhindern. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG in der hier anzuwendenden Fassung ist in Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz mit Wirkung vom 1. Januar 2002 eingefügt worden in dem Bestreben, in Übereinstimmung mit der UN-Resolution 1373 (2001) dem internationalen Terrorismus weltweit schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs in BTDrucks 14/7386 , S. 35)
38 
Mit den Anschlägen in den Vereinigten Staaten von Amerika vom 11. September 2001 hat die terroristische Bedrohung weltweit eine neue Dimension erreicht. Vorbereitung und Ausführung der Anschläge waren gekennzeichnet durch ein hohes Ausmaß an Brutalität, Menschenverachtung und Fanatismus. Hinter den Anschlägen steht ein staatenübergreifendes Netz logistischer Verknüpfungen und operativer Strukturen.
39 
Die neue Dimension des Terrorismus und dessen internationale Ausprägung stellen die Sicherheitsbehörden vor neue, schwere Aufgaben. Niemand kann ausschließen, dass nicht auch Deutschland das Ziel solcher terroristischer Attacken wird.
40 
Die gemeinsame Aufgabe aller staatlichen Kräfte muss es sein, dieser Bedrohung mit geeigneten Schutzmaßnahmen entgegen zu treten. Aufgabe der Politik ist es, mögliche Gefahren für die innere Sicherheit und Ordnung gegen Angriffe von innen wie von außen frühzeitig zu erkennen und alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um das Risiko ihres Eintritts zu minimieren.
41 
Die Innen- und Justizminister der EU haben am 20. September 2001 in einer von Deutschland initiierten Sondersitzung des Rates Justiz und Inneres einen umfangreichen Maßnahmenkatalog zur Terrorismusbekämpfung beschlossen. Dieser Katalog sieht unter anderem Maßnahmen bei der Visaerteilung, der Grenzkontrolle sowie Maßnahmen im Inland vor, die sich in weiten Bereichen mit dem nationalen Sicherheitspaket decken. Deutschland hat darüber hinaus eine Reihe von Vorschlägen eingebracht, die zur Konkretisierung der Schlussfolgerungen des Sonderrates für Justiz und Inneres sowie der Resolution des VN-Sicherheitsrates vom 28. September 2001 (Nummer 1373) dienen. Die VN-Resolution fordert unter anderem, durch geeignete Maßnahmen
42 
- die Identifizierung von Terroristen vor der Einreise,
        
- den Schutz von Identitätspapieren und deren missbräuchlicher Verwendung,
        
- einen beschleunigten nationalen und grenzüberschreitenden Informationsaustausch über Terroristen und deren Bewegungen sowie über gefälschte Dokumente und
        
- die Verhinderung des Missbrauchs des Flüchtlingsstatus für terroristische Aktivitäten
43 
sicherzustellen.
44 
Die Verhandlungen zur Umsetzung dieser Vorschläge werden längere Zeit in Anspruch nehmen. Im Hinblick auf die akute Terrorismusgefahr sind daher bereits jetzt entsprechende nationale Maßnahmen erforderlich.
45 
Mit Rücksicht auf diese Zielsetzung ist der Unterstützungsbegriff in § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG auszulegen und anzuwenden. Maßgeblich ist, inwieweit das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nicht nur ganz unwesentlich oder geringfügig beiträgt und deshalb selbst potenziell gefährlich erscheint. Wegen der tatbestandlichen Weite des Unterstützungsbegriffs ist allerdings - wie bereits ausgeführt - bei der Anwendung der Vorschrift darauf zu achten, dass nicht unverhältnismäßig namentlich in das auch Ausländern zustehende Recht auf freie Meinungsäußerung jenseits der zumindest mittelbaren Billigung terroristischer Bestrebungen eingegriffen wird. Die Ausländerbehörden und die Verwaltungsgerichte können erst nach einer umfassenden und konkreten Prüfung der Aktivitäten der Vereinigung und des Verhaltens des Ausländers durch eine wertende Gesamtbetrachtung entscheiden, ob ein Ausländer eine Vereinigung unterstützt, die ihrerseits den internationalen Terrorismus unterstützt. Nur wenn feststeht, dass und zu welchem Zeitpunkt eine Vereinigung - wie hier die PKK und ihre Teil- oder Nachfolgeorganisationen - terroristische Bestrebungen unterstützt oder sich selbst terroristisch betätigt, kommt eine tatbestandsmäßige Unterstützung durch einzelne Personen in Betracht.“
46 
Der Senat kann in diesem Zusammenhang die Frage offen lassen, ob die Herausnahme nur ganz unwesentlicher oder geringfügiger Unterstützungshandlungen sachgerecht ist, oder ob insoweit nicht der Ansatz vorzugswürdig wäre, in diesem Fall eine die Regel durchbrechende Atypik anzunehmen (so etwa Discher, in: GK-AufenthG, § 54 AufenthG Rdn. 515). Denn solche Handlungen sind im vorliegenden Fall nicht zu beurteilen, wie noch darzulegen sein wird. In diesem Zusammenhang ist namentlich mit Rücksicht auf das Vorbringen des Klägers darauf hinzuweisen und zu verdeutlichen, dass die hier maßgebliche Bestimmung des § 54 Nr. 5 AufenthG (anders als die der Nr. 5a) weder vom Tatbestand noch nach Sinn und Zweck, aber auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine vom Betroffenen ausgehende konkrete Gefährdung voraussetzt. Eine solche wird nur vorausgesetzt, wenn eine vergangene Mitgliedschaft des Ausländers oder zurückliegende Unterstützungshandlungen (außerhalb einer Mitgliedschaft) zu beurteilen sind; hierum geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht, da der Kläger nach wie vor aktives ISYF-Mitglied ist. Von diesem Verständnis geht das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 15. März 2005 zu Recht aus. Dem liegt die zutreffende und keineswegs mit größerer zeitlichen Distanz zu den Ereignissen des 11. September 2001 überholte Überlegung zugrunde, dass der internationale Terrorismus ein außerordentliches Gefahrpotential darstellt und die Bestimmung in besonderem Maße der Umsetzung und Durchsetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland dienen soll (vgl. auch Hailbronner, Ausländerrecht, § 54 AufenthG Rdn. 31), weshalb das hier zu beurteilende Instrumentarium bereits weit im Vorfeld des unmittelbar ausgeübten und in die Tat umgesetzten Terrorismus greifen soll und muss.
47 
Zum Terrorismusbegriff führt das Bundesverwaltungsgericht aus (vgl. hierzu auch Discher, in: GK-AufenthG, § 54 AufenthG Rdn. 436 ff. sowie Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 498 ff.):
48 
„Das Terrorismusbekämpfungsgesetz enthält zwar selbst keine Definition, was unter Terrorismus zu verstehen ist, setzt aber einen der Rechtsanwendung fähigen Begriff des Terrorismus voraus (vgl. kritisch etwa Marx, ZAR 2002, 127<128 f.> und ZAR 2004, 275). Auch wenn bisher die Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition des Terrorismus zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen sind (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 8 AuslG Rn. 53; Davy, ZAR 2003, 43 f.; Renner, ZAR 2003, 52 f.), ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts doch in den Grundsätzen geklärt, unter welchen Voraussetzungen die - völkerrechtlich geächtete - Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln anzunehmen ist (vgl. auch Schmahl, ZAR 2004, 217 <219> unter Hinweis auf einen weitgehenden Konsens bei der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999, BGBl II 2003 S. 1923 und auf die Definition terroristischer Straftaten auf Gemeinschaftsebene in dem Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002, ABl 2002 L164, S. 3; vgl. ebenso schon den Gemeinsamen Standpunkt des Rates 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001, ABl 2001 L 344, S. 93). Eine Vereinigung, die selbst - wie die PKK jedenfalls in der Vergangenheit innerhalb und außerhalb der Türkei - ihre politischen Ziele zumindest auch mit terroristischen Mitteln verfolgt hat (vgl. Urteile vom 30. März 1999  - BVerwG 9 C 31.98, 9 C 23.98 und 9 C 22.98 - BVerwGE 109, 1; 109, 12 und 109, 25), gehört zweifellos zu denjenigen Vereinigungen, die § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG im Blick hat. In dem erneuten Berufungsverfahren wird sich der Verwaltungsgerichtshof zur Beurteilung der Terrorismusgefahr durch die PKK im Übrigen auch mit den Beschlüssen des Rates der Europäischen Union über Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus befassen müssen, nach denen die PKK in einer Liste der an terroristischen Handlungen beteiligten Personen, Vereinigungen und Körperschaften aufgeführt ist (vgl. zuletzt Anhang unter 2. Nr. 21 zu dem Gemeinsamen Standpunkt 2005/220/GASP des Rates vom 14. März 2005 zur Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2004/500/GASP, ABl 2005 L 069, S. 59).“
49 
Dieses zugrunde gelegt ist hier von Folgendem auszugehen: Der Kläger war nach den Feststellungen des Senats mehrere Jahre bis Ende 2007 Vorsitzender der ISYF Baden-Württemberg und ist in der Folgezeit weiter einfaches, aber aktives Mitglied und nimmt auch in dieser Stellung an vielfältigen Aktivitäten der Organisation in der Bundesrepublik Deutschland teil. Mitgliedschaft sowie Aktivitäten wurden im Berufungsverfahren vom Kläger ausdrücklich nochmals bestätigt.
50 
Es steht auch für den Senat hinreichend verlässlich fest, dass die ISYF eine Organisation ist, die nach den dargestellten Grundsätzen und dem hiernach nicht zu eng zu verstehenden Unterstützungsbegriff den Terrorismus „unterstützt“. Sie ist als Auslandsorganisation der „All India Sikh Student Federation“ (AISSY) nach den vorliegenden Erkenntnismitteln zwar nicht ausschließlich, aber doch vorwiegend außerhalb Indiens tätig. Die ISYF war möglicherweise nicht selbst unmittelbar an terroristischen Aktivitäten beteiligt gewesen und hat insbesondere nicht zur Begehung solcher gerade in der Bundesrepublik Deutschland aufgerufen (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz v. 20. Juli 2004; BKA v. 1. April 2010; vgl. aber BND v. 13. April 2010, wonach gerade auch Mitglieder der ISYF nach 1984 an Anschlägen beteiligt gewesen und noch im Dezember 2006 militante Aktivisten der ISYF in Indien verhaftet worden seien; vgl. zudem das South Asia Terrorism Portal, Stand 1. März 2010, das von einer unmittelbaren Beteiligung spricht). Die Organisation sah und sieht, was ihre Auslandsaktivitäten betrifft, eine wesentliche Aufgabe und Funktion darin, Gelder zu sammeln, um damit zumindest auch die wirtschaftlichen Grundlagen der Bewegung zur gewaltsamen Löslösung eines unabhängigen Khalistan zu stärken, deren integraler Bestandteil jedenfalls in der Vergangenheit auch die Begehung terroristischer Akte war (vgl. Südasieninstitut v. 8. Juli 2008 und 26. April 2004; Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2008; BND v. 13. April 2010; South Asia Terrorism Portal, Stand 1. März 2010). Dass Gelder möglicherweise auch zur Unterstützung der Familien von „Märtyrern“ verwendet wurden (vgl. hierzu die Äußerungen des Klägers im Asylerstverfahren und hierzu noch im Folgenden) steht dem nicht entgegen, da sich die Organisation nach den verwerteten Erkenntnismitteln keineswegs als karitativ versteht. Daneben ist die Organisation in vielfältiger Weise, insbesondere durch die Abhaltung sog. Märtyrergedenktage ideologisch und informatorisch tätig (vgl. hierzu die vorgenannten Erkenntnismittel). Zwar mag sie allein damit noch nicht den Tatbestand der Unterstützung erfüllen (vgl. hierzu und zu möglichen Bedenken BVerwG, U. v. 15. März 2005 – a.a.O. Rdn. 41). Diese Aktivitäten sind aber geeignet, das Gesamtbild abzurunden. Die AISSY wurde demgegenüber nach allen vorliegenden Erkenntnismitteln bis in die jüngste Vergangenheit als eine Organisation beschrieben und beurteilt, die personell und materiell selbst mit dem Sikh-Terrorismus in Indien, der auch in Pakistan einen sicheren Rückzugsraum gefunden hat und findet, in unmittelbarer Verbindung steht (vgl. Südasieninstitut v. 8. Juli 2008 und 26. April 2004; Bundesamt für Verfassungsschutz, Verfassungsschutzbericht 2008; Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, Verfassungsschutzbericht 2008; Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009; UNHCR v. 22. März 2006; Immigration und Refugee Board of Canada v. 16. April 2009; The Mackenzie Institute, 2006; South Asia Terrorism Portal, Stand 1. März 2010).
51 
Der Senat kann in diesem Zusammenhang offen lassen, ob – wie der Beklagte meint – dem Umstand, dass die ISYF in den Anhang Ziffer 2 der aktuell gültigen Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1285/2009 des Rates v. 22. Dezember 2009 (ABl. L 346, S. 39) aufgenommen wurde, die von ihm für richtig gehaltene Bindungswirkung zukommen kann, oder ob, wie das Verwaltungsgericht mit guten Gründen dargelegt hat, wegen des hier nicht gegebenen sachlichen Anwendungsbereichs der Vorschrift, eine solche auszuscheiden hätte. Bedenken gegen eine Bindungswirkung könnten sich aus rechtstaatlichen Überlegungen und im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG auch deshalb ergeben, weil der Kläger individuell gar nicht in der Lage wäre, den vom Beklagten aufgezeigten Weg einer gerichtlichen Klärung der Aufnahme in den Anhang Ziffer 2 zu beschreiten (vgl. zu den Aspekten eines effektiven, auch unionsrechtlich garantierten effektiven Rechtsschutzes EuGH, Urteil v. 3. September 2008 – C- 402/05 P u.a., Kadi - DVBl 2009, 175-178). Gegen eine derartige Bindungs- oder Tatbestandswirkung (vgl. hierzu Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., 2008, § 43 Rdn. 154 ff.) spricht auch entschieden, dass es keine etwa den §§ 4 und 42 AsylVfG vergleichbare normative Vorgabe gibt, die auch nur ansatzweise in diese Richtung deuten könnte.
52 
Jedenfalls aber kommt der Aufnahme angesichts der vorgenannten vielfältigen Einschätzungen und Äußerungen eine nicht unerhebliche Indizwirkung zu. Dies gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil der genannte unionsrechtliche Rechtsakt seinen Geltungsanspruch u.a. auch aus den Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 12. und 28. September 2001 (Nr. 1368 und 1373) ableitet (vgl. den Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 27. Dezember 2001 2001/931/GASP), die den Staaten der Weltgemeinschaft völkerrechtlich bindend aufgibt, dem internationalen Terrorismus keinerlei – auch nur passive - Unterstützung zu leisten. Insbesondere haben hiernach alle Staaten die Verpflichtung, denjenigen Personen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, jeden sicheren Aufenthaltsort zu verweigern (vgl. Ziffer 2 lit. a und c) Resolution Nr. 1373; vgl. zur völkerrechtlichen Verbindlichkeit Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, S. 496 ff.).
53 
Allerdings setzt der Tatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG voraus, dass der unterstützte Terrorismus überhaupt noch aktuell ist und nicht etwa der Vergangenheit angehört. Dieser einschränkende Aspekt folgt schon aus der Wertung des § 54 Nr. 5 Hs. 2 AufenthG und nicht zuletzt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Vorschrift sanktioniert – anders als möglicherweise Art. 1 F lit. c) GFK bzw. Art. 17 Abs. 1 lit. c) QRL (vgl. hierzu unter II) – nicht etwa in der Vergangenheit liegende Verhaltensweisen, die sich auf terroristische Organisationen und deren Taten bezieht, die nicht mehr existent, überholt und ohne Gegenwartsbezug sind. Aus dem Umstand, dass nach den vom Verwaltungsgericht eingeholten bzw. verwerteten Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes (vgl. insbesondere Stellungnahme vom 14. September 2009) seit etwa 2000 die den militanten Sikh-Organisationen zugerechneten terroristischen Gewalttaten nahezu zum Erliegen gekommen sein sollen und diesbezüglich in dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung auszugsweise vorgelegten Jahresbericht 2009/2010 des Ministry of Home Affairs of India nichts Entsprechendes mehr erwähnt wird (vollständig abzurufen unter http://www.mha.nic.in), kann jedoch gegenwärtig nicht geschlossen werden, im vorliegenden Fall könnte ein solcher Sachverhalt ohne den erforderlichen Gegenwartsbezug gegeben sein. Denn dieser vom Auswärtigen Amt konstatierte Zustand kann vielerlei Ursachen haben und lässt keinen hinreichend verlässlichen Schluss darauf zu, dass das terroristische Gewaltpotential endgültig aus der Welt sein könnte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - maßgebliche Akteure des Terrors nach wie vor existieren. Denn der Umstand, dass gegenwärtig keine Aktivitäten zu beobachten sind, kann namentlich darauf beruhen, dass die finanziellen wie auch die personellen Ressourcen defizitär sind bzw. auch die Sicherheitsvorkehrungen entsprechend effektiv sind. Der BND (v. 13. April 2010) geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass jedenfalls die Strukturen des Sikh-Terrorismus in Indien zumindest weitgehend zerschlagen sind und ihm eine ausreichende Basis in der Bevölkerung fehlt, um gegenwärtig effektiv arbeiten zu können. Zudem ist zu bedenken, dass es auch in der jüngsten Vergangenheit durchaus zu Terrorakten gekommen ist, wie etwa der Anschlag im November 2008 in Mumbai (vgl. Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009), die nicht zuverlässig zugeschrieben werden können.
54 
Von wesentlicher Bedeutung für diese Einschätzung und die vom Senat zu treffende Feststellung eines noch hinreichend aktuellen Gegenwartsbezugs ist auch, dass in jüngster Zeit verschiedentlich darüber berichtet wurde, es gebe aktuelle Restrukturierungsbestrebungen des Sikh Terrorismus und insoweit insbesondere auch der Auslandsbetätigungen der ISYF (vgl. etwa Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009; Immigration and Refugee Board of Canada v. 16. April 2009; South Asia Terrorism Portal Stand 1. März 2010; BND v. 13. April 2010). So wird von verstärkten Kontakten zum pakistanischen Geheimdienst berichtet und von Regruppierungen in Pakistan (vgl. Jamestown Foundation v. 9. Januar 2009; Immigration and Refugee Board of Canada v. 16. April 2009). Jedenfalls angesichts dieser Entwicklungen wäre es verfehlt und wenig lebensnah, wollte man verlangen, dass es erst wieder zu konkreten neuen terroristischen Akten kommen muss, bevor man von einer relevanten terrorismusbezogenen Unterstützung sprechen kann.
55 
Unter diesen Umständen wäre das durch § 54 Nr. 5 AufenthG vorausgesetzte und vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 15. März 2005 näher beschriebene und, wie oben ausgeführt, keinesfalls zu hoch anzusetzende Gefährdungspotential allerdings dann entfallen, wenn eine glaubwürdige öffentliche und auch praktizierte Distanzierung von jeglichen terroristischen Praktiken von Seiten der ISYF erfolgt wäre. Dafür ist jedoch nichts ersichtlich (vgl. hierzu auch BKA v. 1. April 2010, das ausdrücklich eine erfolgte Distanzierung und entsprechende öffentlich bekannt gewordene Verlautbarungen verneint). Namentlich hat der Kläger auch auf entsprechende Hinweise im Berufungsverfahren keine diesbezüglichen Informationen geliefert, im Gegenteil: Er ist gerade in diesem Zusammenhang bemerkenswert einsilbig und unpräzise geblieben.
56 
Zwar wird von in der Vergangenheit erfolgten Spaltungen der AISSY bzw. der ISYF berichtet (vgl. etwa UNHCR v. 22. März 2006; South Asia Terrorism Portal Stand 1. März 2010; Immigration and Refugee Board of Canada v. 16. April 2009; BND v. 13. April 2010). In diesem Zusammenhang wird aber schon nicht einmal deutlich, dass sich zumindest eine hinreichend abgegrenzte und abgrenzbare Fraktion herausgebildet haben könnte, die überzeugend und glaubwürdig endgültig und ohne „wenn und aber“ dem Terrorismus die Gefolgschaft verweigert hätte und auch weiter verweigern würde. Abgesehen davon bestehen gerade auch nach dem Vorbringen im Berufungsverfahren keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass sich der Kläger – so es denn eine solche Fraktion überhaupt geben sollte – eindeutig und glaubwürdig gerade dieser zugewandt haben könnte und sich mit dieser identifizieren würde (vgl. zu diesem Aspekt im Kontext des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG BVerwG, U. v. 2. Dezember 2009 – 5 C 24.08), sodass von einem Wegfall der Voraussetzungen des § 54 Nr. 5 AufenthG auszugehen wäre. Auch hier hat der Kläger unübersehbar jede klare Stellungnahme und Einlassung vermieden und hat im Grunde alles offen und im Ungefähren gelassen. In diesem Zusammenhang ist hinsichtlich des Berufungsvorbringens noch darauf hinzuweisen, dass aus den verwerteten Erkenntnismitteln keine Anhaltspunkte abgeleitet werden können, dass nur die Babbar Khalsa dem Terrorismus zugerechnet werden kann, nicht jedoch die ISYF.
57 
Bei der Würdigung der Person des Klägers und seiner politischen Betätigung sowie der persönlichen Einlassungen im Verfahren kann der Senat auch nicht außer Acht lassen, dass er bei seiner Anhörung durch das Bundesamt im Asylerstverfahren bestätigt hatte, an der Verteilung von Geldern an bedürftige Familien, die ihren Ernährer bei gewaltsamen Auseinandersetzungen in Indien verloren hatten, beteiligt gewesen zu sein. Weiter hatte er davon gesprochen, dass er geheime, ihm allerdings unbekannte Nachrichten als Kurier überbracht haben will. Schließlich hatte er die Anwendung von Gewalt bei der Schaffung eines unabhängigen Khalistan ausdrücklich gebilligt.
58 
Die vom Beklagten hilfsweise angestellten Ermessenserwägungen lassen keine rechtserheblichen Defizite erkennen. Wenn der Beklagte davon ausgeht, dass ggf. die gesamte Familie mit dem Kläger ausreisen werde, so ist dieser Ausgangspunkt nicht zu beanstanden. Denn die anderen Familienangehörigen haben ihrerseits kein Aufenthaltsrecht; auch halten sie sich – ohne dass es zu einer rechtserheblichen Verwurzelung in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland gekommen wäre – viel zu kurz im Bundesgebiet auf, als dass ihnen eine Rückkehr nicht mehr zugemutet werden könnte. Was den im Jahre 2007 geborenen Sohn des Klägers betrifft, kann zwar hinsichtlich eines möglichen zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots § 42 AsylVfG nicht eingewandt werden, weil dieser wohl kein Asylverfahren durchgeführt hat. Gleichwohl ist nichts dafür ersichtlich, dass aus Gründen einer Behandlungsbedürftigkeit der Herzkrankheit, über die auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung jedenfalls keine aktuellen Informationen vorliegen, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen könnte. Der Beklagte ist im angegriffenen Bescheid davon ausgegangen, dass eine Behandlung in Indien möglich sein werde, was der Kläger zu keinem Zeitpunkt - weder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren – überhaupt, geschweige denn substantiiert in Zweifel gezogen hat. Insoweit sind die selbstständig tragend angestellten (hilfsweisen) Ermessenserwägungen nicht zu beanstanden.
59 
Gleichwohl hat der Beklagte zusätzlich unterstellt, dass – nach Entfallen der Foltergefahr – es zu einer Trennung der Familie kommen könnte, insoweit dann aber mit Rücksicht auf die überragende Bedeutung des öffentlichen Interesses an einer konsequenten Bekämpfung des internationalen Terrorismus, das, wie dargelegt, insbesondere seine Rechtfertigung in den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland findet, einer Trennung der Familie den Vorzug eingeräumt. Insoweit handelt es sich um eine zwar nicht zwingende, gleichwohl rechtlich mögliche Ermessensentscheidung.
60 
Der Umstand, dass die Ausweisung nicht vollzogen werden kann, solange die Feststellung nach § 60 Abs. 2 AufenthG Bestand hat und kein aufnahmebereiter Drittstaat in Sicht ist, macht die Ausweisung – entgegen der Auffassung des Klägers - nicht ermessensfehlerhaft, insbesondere auch nicht unverhältnismäßig. Denn immerhin wird mit dieser zum einen konsequent jeder Aufenthaltsverfestigung entgegengewirkt, zum anderen werden dadurch die Aufenthaltsbeschränkungen des § 54a AufenthG ausgelöst.
61 
II. Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
62 
Dem Kläger steht auch keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG zu.
63 
Der Senat kann letztlich offen lassen, ob der Bundesgesetzgeber mit der in  § 25 Abs. 3 AufenthG gewählten Regelungsstruktur die Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG v. 29. April 2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie - QRL) ordnungsgemäß und sachgerecht umgesetzt hat. Diese Umsetzung war hier bereits zum 1. Januar 2005 durch das Zuwanderungsgesetz und damit vor dem Verpflichtungsurteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. Mai 2006 erfolgt.
64 
Eine ordnungsgemäße Umsetzung ist allerdings nach Auffassung des Senats nicht erfolgt. Denn die in § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 AufenthG genannten Ausschlussgründe, sind nach den bindenden unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 17 Abs. 1 QRL solche, die bereits zwingend der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach Art. 15 lit. b) QRL entgegenstehen. Darüber hinaus ist das nationale Recht auch deshalb defizitär, weil der unionsrechtlich in Art. 18 QRL ausdrücklich auch für subsidiär Schutzberechtigte vorgesehene, dem Flüchtlingsstatus (vgl. Art. 13 QRL und insoweit ordnungsgemäß umgesetzt in § 3 Abs. 4 AsylVfG) vergleichbare förmliche Schutzstatus nicht eingeräumt wird, an den unmittelbar unionsrechtlich die (zahlreichen) Gewährleistungen der Art. 20 ff. QRL anknüpfen. Dass unionsrechtlich dieser Schutzstatus von essentieller Bedeutung ist, kommt auch darin zum Ausdruck, dass nach Art. 19 Abs. 3 QRL die Mitgliedstaaten andererseits verpflichtet sind, diesen Status unter den dort im Einzelnen bezeichneten Voraussetzungen wieder zu entziehen, um damit deutlich zu machen, dass Unionsrecht derartige Rechte nicht vermitteln kann und sich die Betroffenen nicht mehr auf diese Rechte berufen können. Soweit § 60 Abs. 2 AufenthG daneben und zugleich den völkervertraglichen Abschiebungsschutz nach Art. 3 EMRK zum Ausdruck bringt und absichert, ist dagegen aus unionsrechtlicher Sicht allerdings nichts zu erinnern. Diese Differenzierung zwischen dem nationalen bzw. völkervertraglichen Abschiebungsschutz und dem unionsrechtlichen subsidiären Schutz und daraus fließenden Schutzstatus ist jedoch, wie dargelegt, von zentraler und nicht zu vernachlässigender Bedeutung und hätte vom nationalen Gesetzgeber nachgezeichnet werden müssen.
65 
Der Ausschlussgrund des Art. 17 Abs. 1 QRL hat hiernach schon im Ansatz systematisch und strukturell unionsrechtlich nichts mit der Frage des aufenthaltsrechtlichen Statusnach Einräumung des Schutzstatus zu tun, weshalb dann auch nach Art. 24 Abs. 2 QRL - vorbehaltlich entgegenstehender zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung - ein unbedingter Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht. Aus der Tatsache, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit einer Feststellung nach § 60 Abs. 2 AufenthG zugleich unter Verstoß gegen das Unionsrecht und entgegen Art. 17 Abs. 1 lit. c) QRL das Vorliegen der Voraussetzungen des unionsrechtlichen subsidiären Schutzes nach Art. 15 lit. b) QRL feststellt, folgt jedoch unionsrechtlich kein Anspruch der betreffenden Ausländer auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Sinne von Art. 24 Abs. 2 QRL. Allerdings kann mit Rücksicht auf die Bindungswirkung nach § 42 AsylVfG, auch wenn die Entscheidung unter Verstoß gegen zwingendes Unionsrecht (Art. 17 QRL) ergangen ist und eigentlich hätte, was den unionsrechtlichen subsidiären Schutz betrifft, zu Lasten der Betroffenen ausgehen müssen (vgl. zu den Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 lit. c QRL, der § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. c) AufenthG entspricht, noch die folgenden Ausführungen), nicht davon ausgegangen werden, dass § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. c) AufenthG unmittelbar dem Anspruch auf Erteilung eines Titels nach Art. 24 Abs. 2 QRL entgegen gehalten werden kann; insbesondere können an sich Sachverhalte, die selbst die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 QRL erfüllen, im Ausgangspunkt aus systematischen Gründen nicht unwiderlegbar und gewissermaßen automatisch anspruchsvernichtende zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 2 QRL ausmachen. Gleichwohl bedarf bis zu einer ordnungsgemäßen Umsetzung des Unionsrechts, insbesondere eines ausdrücklichen Verfahrens zur Gewährung eines subsidiären Schutzstatus die Vorbehaltsklausel der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der erweiternden Auslegung dergestalt, dass die Ausschlussgründe jedenfalls dem Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegenstehen. Denn unionsrechtlich folgt aus Art. 17 Abs. 1 QRL, dass, wenn schon der Schutzstatus zwingend zu versagen ist, gewissermaßen erst recht ein Anspruch auf Erteilung eines auf diesen zurückzuführenden Titels ausscheiden muss. Wollte man hier einen unionsrechtlichen Anspruch bejahen, so würde der ohnehin gegebene, auf dem Umsetzungsdefizit beruhende Verstoß gegen das Unionsrecht noch wesentlich verschärft mit der Folge, dass ein dem Unionsrecht noch ferneres Ergebnis erzielt würde, was offenkundig mit Art. 4 Abs. 3 EUV unvereinbar wäre.
66 
Nach alledem kann dann zwar allein der Umstand, dass nach nationalem Recht der Erteilung des Titels § 11 Abs. 1 Satz 2 (i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 2) AufenthG entgegenstünde, den Anspruch nach Art. 24 Abs. 2 QRL nicht ohne weiteres entfallen lassen, sondern nur dann, wenn sich in der Sperrwirkung zugleich zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung manifestieren würden. Dies ist aber der Fall, wenn eine Ausweisung wirksam und materiell zu Recht auf § 54 Nr. 5 AufenthG gestützt wird. Namentlich der oben beschriebene völkerrechtliche und unionsrechtliche Hintergrund dieser Bestimmung sowie das mit ihr zu bekämpfende Gefährdungspotential verkörpern typischerweise derartige zwingende Gründe, selbst wenn von den jeweils betroffenen Personen keine unmittelbare konkrete oder gar gegenwärtige Gefahr ausgehen sollte.
67 
Unabhängig hiervon liegen nach Überzeugung des Senats auch die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 lit. c QRL bzw. des § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. c) AufenthG vor. Hiernach erfolgt ein Ausschluss vom subsidiären Schutzstatus bzw. wird der Aufenthaltstitel abgelehnt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Betreffende sich Handlungen hat zuschulden kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen. Der Wortlaut beider Bestimmungen stimmt im Wesentlichen mit Art. 1 F lit. c) GFK überein. Beide Bestimmungen weichen allerdings von Art. 12 Abs. 2 lit. c) QRL ab, der die maßgeblichen Ziele der Vereinten Nationen als diejenigen benennt und konkretisiert, die in der Präambel der UN-Charta und deren Art. 1 und 2 enthalten sind. Daraus wird teilweise der Schluss gezogen, das Gemeinschaftsrecht habe eine Entscheidung dahin gehend getroffen bzw. entsprechende in der Literatur und Rechtspraxis vertretene Auffassungen bekräftigt, wonach hier als in Betracht kommende Akteure nur Repräsentanten von Staaten oder jedenfalls staatsähnlicher Organisationen gemeint sein können, weil in der UN-Charta an sich nur die Beziehungen von Staaten untereinander in den Blick genommen werden (so etwa OVG NW, U. v. 27. März 2007 - 8 A 5118105.A - juris; Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 33 Rdn. 97 ff.). Worin dann allerdings bei diesem Ansatz der anwendungsrelevante Unterschied zu § 25 Abs. 3 Satz 2 Variante 3 lit. a) AufenthG (bzw. Art. 12 Abs. 2 lit. a) bzw. Art. 17 Abs. 1 lit. a) QRL) bestehen soll, erschließt sich dem Senat nicht. Zwar hatte UNHCR (Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Ziff. 163) sicherlich mit guten Gründen darauf hingewiesen, dass die in der Charta genannten Ziele im Grundsatz nur das Verhältnis der Staaten untereinander betreffen, was die Schlussfolgerung nahe legen konnte, hier liege die Vorstellung und Konzeption zugrunde, der in den Blick zu nehmende Personenkreis sei auf solche Personen beschränkt, die aufgrund ihrer Stellung in einem staatlichen Machtapparat einen wesentlichen Beitrag zu einer durch den Staat selbst begangenen Verletzung dieser Grundsätze geleistet haben (vgl. hierzu auch UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, ZAR 2004, 207 Nr. 17; auch bereits Marx, Handbuch zur Asyl- und Flüchtlingsanerkennung, § 63 Stand Dez. 1997, Rdn. 148; vgl. auch BVerwG, U. v. 1. Juli 1975 - 1 C 44.68 - Buchholz 402.24 § 28 AusIG Nr. 9 mit dem zutreffenden Hinweis, dass in erster Linie Handlungen gemeint sind, die dem internationalen Frieden und der Völkerverständigung entgegen laufen). Zieht man aber schon den 22. Erwägungsgrund der Qualifikationsrichtlinie in die Überlegungen mit ein, so kann eine derartige Beschränkung nicht befürwortet werden. Denn dort werden zwar ebenfalls die Präambel sowie die Art. 1 und 2 der UN-Charta angesprochen. Daneben werden aber auch ausdrücklich die Resolutionen der UN erwähnt, wonach „Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen“ stünden und darüber hinaus auch die wissentliche Finanzierung und Planung terroristischer Handlungen sowie die Anstiftung dazu gleichfalls mit den Zielen und Grundsätzen unvereinbar seien. In diesem Zusammenhang ist unübersehbar, dass hier gegenüber den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Erarbeitung der Konvention mittlerweile ein nicht unerheblicher Bedeutungswandel eingetreten ist. Denn spätestens in der Resolution des Sicherheitsrats Nr. 1373 (2001) vom 28. September 2001 bringt dieser unmissverständlich zum Ausdruck, dass Handlungen, Methoden und Praktiken des Terrorismus im Widerspruch zu den in Kapitel 1 der Charta der Vereinten Nationen niedergelegten Zielen und Grundsätzen der Organisation stehen. Nach dieser Resolution, deren Umsetzung die hier in Rede stehenden Bestimmungen dienen und die der 22. Erwägungsgrund im Auge hat (vgl. BTDrucks 14/7386, S. 57), sollen, wie schon oben ausgeführt, die Staaten gegen alles vorgehen bzw. alles unterlassen, was den Terrorismus in irgendeiner Weise unterstützen könnte. Insbesondere sollen sie die Finanzierung terroristischer Handlungen verhüten und bekämpfen (Nr. 1 a), die vorsätzliche Bereitstellung oder Sammlung von Geldern, gleichviel durch welche Mittel und ob mittelbar oder unmittelbar durch ihre Staatsangehörigen oder in ihrem Hoheitsgebiet mit der Absicht oder in Kenntnis dessen, dass die Gelder zur Ausführung terroristischer Handlungen verwendet werden, unter Strafe stellen (Nr. 1 b) und diejenigen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, erleichtern oder begehen, daran hindern, ihr Hoheitsgebiet für diese Zwecke zu nutzen (Nr. 2 der Resolution). Hieraus wird deutlich, dass die ursprünglich für richtig gehaltene Beschränkung des Personenkreises nicht mehr in dieser Weise uneingeschränkt aufrechterhalten werden kann, denn die dort angesprochenen Akteure des Terrors haben regelmäßig nichts mit (zumindest) staatsähnlichen Organisationen zu tun (a.A. Marx, InfAusIR 2005, 218 <227>, der zu stark die Entstehungsgeschichte in den Blick nimmt und dabei übersieht, dass die Vorschrift, indem sie auf die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen abstellt, für einen Bedeutungswandel offen ist und daher nicht gesagt werden kann, die GFK stelle statisch nur auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt ihrer Entstehung ab; wie hier etwa OVG RP, U. v. 6. Dezember 2002 - 10 A 10089/02 - InfAuslR 2003, 254; Hailbronner, Ausländerrecht, § 60 AufenthG Stand Oktober 2008, Rdn. 227; vgl. auch die Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts v. 14. Oktober 2008 - 10 C 48.07 - BVerwGE 132, 79; v. 25. November 2008 - 10 C 46.07 - NVwZ 2009, 592). Der von Marx in diesem Zusammenhang weiter erhobene Einwand, bislang sei keine zufriedenstellende praktikable juristische Definition des Terrorismusbegriffs gefunden worden (vgl. Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 33 Rdn. 114), ist im Ansatz sicherlich nicht vollständig von der Hand zu weisen, ein solcher wird auf absehbare Zeit wohl auch nicht weltweit konsensfähig sein. Andererseits liegt der genannten Sicherheitsratsresolution ein „sicherer" Begriffskern zugrunde, wovon auch das BVerwG im bereits oben angesprochenen Urteil v. 15. März 2005 (1 C 26.03 - a.a.O.) ausgegangen ist.
68 
Für die Anwendung des Ausschlussgrundes ist schon vom Wortlaut der Bestimmung, der auf eine retrospektive Sichtweise abstellt, nicht erforderlich, dass eine konkrete Wiederholungsgefahr festgestellt werden kann. Die zugrunde liegende Bestimmung des Art. 1 F lit. c) GFK (wie generell Art. 1 F GFK) bringt vielmehr vorrangig ein gewichtiges wertendes Element der „Asylunwürdigkeit" zum Ausdruck (vgl. hierzu auch BVerwG, B. v. 14. Oktober 2008 - 10 C 48.07 - BVerwGE 132, 79; v. 25. November 2008 - 10 C 46.07 - NVwZ 2009, 592; Hailbronner, Ausländerrecht, § 60 AufenthG Stand Oktober 2008, Rdn. 211 ff.). Gleichwohl stehen auch diese gemeinschaftsrechtlichen und völkervertraglichen Ausschlussgründe unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. Liegen die entsprechenden Gründe bzw. Taten zum Zeitpunkt der Aktualisierung bzw. des Eintritts der flüchtlingsrechtlich zu betrachtenden Verfolgungsgefahr lange zurück und haben sich die Betroffenen insbesondere mittlerweile glaubwürdig distanziert oder aber wirken sie mittlerweile sogar aktiv an der Bekämpfung des Terrorismus mit, so wäre ein Zurückstellen des Flüchtlingsschutzes nicht mehr gerechtfertigt (so auch im Ausgangspunkt UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, ZAR 2004, 207 ff., Nr. 23 f.; ders., Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Nr. 157; vgl. auch BVerwG, B. v. 14. Oktober 2008 – 10 C 48.07 – a.a.O.). Zu verlangen ist daher – wenn auch keine konkrete Wiederholungsgefahr – so doch ein Minimum an Aktualität. Auch wenn im Falle des Art. 1 F lit. b) GFK - anders als in Art. 33 Nr. 2 GFK - nicht ausdrücklich auf das Vorliegen einer Gefahr abgestellt wird, so ist zwar unübersehbar, dass diese Bestimmung der Abwehr von Gefahren für das Zufluchtland dient. Gleichwohl ist die Zwecksetzung nicht darauf beschränkt, denn es geht auch darum, dem Missbrauch des Flüchtlingsstatus entgegenzuwirken, v.a. aber darum zu verhindern, dass sich die Betreffenden einer berechtigten Strafverfolgung entziehen (vgl. im Einzelnen die Nachweise bei BVerwG, B. v. 14. Oktober 2008 – 10 C 48.07 – a.a.O.; a.A. Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, § 33 Rdn. 84 ff. m.w.N., wonach sich die beiden Bestimmungen im Wesentlichen nur durch den Ort der Tatbegehung unterschieden, weshalb es nahe liege, von einem komplementären Charakter der Vorschriften auszugehen und auch hier nach den allgemeinen Maßstäben eine konkrete Gefahr zu verlangen; UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 2003, Ziff. 151; vgl. auch OVG NW, U. v. 27. März 2007 – 8 A 5118/05.A – juris).
69 
Der Senat kann offen lassen, ob Personen, die lediglich als Mitläufer bzw. unbedeutende Unterstützer des Terrorismus einzustufen sind, taugliche Akteure im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. c) QRL sein können. Der Kläger war jedoch als ehemaliger höher gestellter mehrjähriger Funktionär der Organisation eine Person, die maßgeblich den Weg der Organisation in der Bundesrepublik mitbestimmen und prägen konnte, weshalb sein Handeln unmittelbar geeignet war, die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen nachteilig zu berühren. Auch liegen diese Aktivitäten nicht so lange zurück, als dass sie als obsolet angesehen werden könnten. Schließlich kann von einer glaubwürdigen Distanzierung, wie bereits ausgeführt, keine Rede sein.
70 
Wollte man nicht der Auffassung einer unionsrechtswidrigen Umsetzung folgen, so stünde der Erteilung nicht nur § 25 Abs. 3 Satz 2 3. Variante lit. c) AufenthG entgegen, sondern auch § 11 Abs. 1 Satz 2 (i.V.m. § 84 Abs. 2 Satz 2) AufenthG sowie § 5 Abs. 4 AufenthG.
71 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
72 
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO).
73 
Beschluss vom 21. April 2010
74 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 2 und § 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt.
75 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein irakischer Staatsangehöriger, begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

2

Der Kläger reiste im Juli 1997 in das Bundesgebiet ein und wurde vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) im Oktober 1997 als Flüchtling anerkannt (§ 51 Abs. 1 AuslG 1990). Diese Entscheidung wurde im August 2004 nach Änderung der Verhältnisse im Irak bestandskräftig widerrufen.

3

Als Flüchtling erhielt der Kläger von der Beklagten eine Aufenthaltsbefugnis, die mehrfach, zuletzt bis zum 5. Oktober 2005 verlängert wurde. Nachdem bekannt geworden war, dass der Kläger Kontakte zu Mitgliedern der Organisation "Ansar al-Islam" unterhielt, lehnte die Beklagte im Dezember 2005 sowohl eine weitere Verlängerung als auch die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels ab und drohte dem Kläger die Abschiebung in den Irak an. Die hiergegen erhobene Klage nahm der Kläger im Juli 2007 zurück. Im Gegenzug sicherte die Beklagte zu, über einen neuen Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach den Bleiberechtsregelungen zu entscheiden. Dabei gingen die Beteiligten davon aus, dass der Kläger auf der Basis der bekannten Erkenntnisse keinen Ausweisungstatbestand erfüllt. Seitdem wird der Kläger geduldet.

4

Mit Bescheid vom 24. September 2007 lehnte die Beklagte auch diesen neuen Antrag ab. Der Kläger erfülle weder die Voraussetzungen des § 104a AufenthG noch könne ihm nach § 23 AufenthG i.V.m. dem Bleiberechtsbeschluss der Innenministerkonferenz vom November 2006 - IMK-Bleiberechtsbeschluss - eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Nach Auswertung neuer Erkenntnisse lägen bei ihm insbesondere Bezüge zu einer extremistischen und terroristischen Organisation vor.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 8. Juli 2008 verpflichtet, über den Antrag des Klägers erneut zu entscheiden, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der Kläger habe zwar keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG i.V.m. dem IMK-Bleiberechtsbeschluss vom November 2006, er erfülle jedoch die Voraussetzungen des § 104a Abs. 1 AufenthG. Da er keinen Pass besitze, müsse die Beklagte aber noch entscheiden, ob von der Erfüllung der Passpflicht im Ermessenswege abgesehen werde. Kontakte zu Mitgliedern der "Ansar al-Islam" stünden der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen. Dabei könne offenbleiben, ob der Kläger Bezüge zu extremistischen oder terroristischen Organisationen habe und ob die von der Beklagten inzwischen eingeholten Informationen überhaupt noch für eine Versagung nutzbar gemacht werden könnten. Denn nach § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG bedürfe es kumulativ auch einer Unterstützung. Hieran fehle es vorliegend.

6

Die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 29. Juli 2009 zurückgewiesen. Der Kläger habe einen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Altfallregelung des § 104a AufenthG, weil er bis auf die Passpflicht alle Erteilungsvoraussetzungen erfülle. Der zwischen den Beteiligten im Berufungsverfahren nur noch streitige Versagungsgrund des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG stehe der Erteilung nicht entgegen. Diese Vorschrift enthalte zwei in engem Kontext stehende Tatbestandsmerkmale. Nach der reinen Wortbedeutung seien unter "Bezüge" grundsätzlich alle Beziehungen, Zusammenhänge, Verbindungen oder Verknüpfungen zu verstehen. Der Verweis auf extremistische oder terroristische Organisationen mache aber deutlich, dass nicht jede Verbindung zu Personen und Sachverhalten ausreiche, die einen extremistischen oder terroristischen Hintergrund aufwiesen. Andererseits könnten Bezüge auch über Mitglieder und ggf. Unterstützer solcher Organisationen vermittelt werden. Die Schwelle sei erheblich niedriger als beim Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG. Gleichwohl genügten reine Mutmaßungen nicht, sondern es müssten zumindest nachvollziehbare Anhaltspunkte vorliegen. Das Tatbestandsmerkmal der Unterstützung derartiger Organisationen sei für sich genommen in der Rechtsprechung inhaltlich hinreichend geklärt. Danach genüge in Anlehnung an den strafrechtlichen Unterstützungsbegriff jede Tätigkeit, die sich für den Ausländer erkennbar in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Organisationen auswirke. Da sowohl bei einem alternativen als auch bei einem kumulativen Verständnis jeweils eines der beiden Merkmale leerlaufen würde, könne § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG nicht in zwei streng isoliert zu betrachtende Tatbestandsmerkmale unterteilt werden. Der Ausschlussgrund greife immer dann ein, wenn der Ausländer bei einer wertenden Gesamtschau durch sein Verhalten oder Handeln eine innere Nähe und Verbundenheit zu einer extremistischen oder terroristischen Organisation selbst erkennbar zum Ausdruck bringe. Anders als bei § 54 Nr. 5 AufenthG sei eine auf einer entsprechenden Tatsachengrundlage beruhende Gefährlichkeitsprognose nicht erforderlich. In der Vergangenheit liegende Sachverhalte müssten aber in die Gegenwart hineinwirken. Bei Anhaltspunkten für zurückliegende Bezüge bzw. Unterstützungshandlungen müsse der Ausländer daher darlegen, dass er sich glaubhaft distanziert und endgültig von der Organisation abgewandt habe. Beim Kläger lägen keine derartigen Bezüge zur terroristischen Organisation "Ansar al-Islam" vor, auch nicht in Form entsprechender Unterstützungshandlungen. Ein Ermittlungsverfahren wegen Verbrechensverabredung sei eingestellt worden. Soweit das Landeskriminalamt in seinem Bericht vom November 2005 davon ausgehe, dass der Kläger enge persönliche Kontakte zur früheren Führungsebene der "Ansar al-Islam" in Süddeutschland gepflegt habe und er aufgrund seiner Kontakte als Vertreter der Organisation in München gelten könnte, seien die Beteiligten im Juli 2007 übereinstimmend davon ausgegangen, dass auf dieser Grundlage kein Ausweisungstatbestand vorliege und ein Aufenthaltstitel nicht versagt werden könne. Diese Einschätzung sei auch mit Blick auf die Altfallregelung noch zutreffend. Der Kläger habe die in dem Bericht angesprochenen Kontakte nie bestritten, sondern nachvollziehbar und letztlich auch glaubhaft dargelegt, dass diese rein privater bzw. sozialer Natur und zum Teil auch über seine Ehefrau vermittelt gewesen seien. Weder aus dem Bericht des Landeskriminalamts noch aus den vorgelegten Telefonüberwachungsprotokollen ergäben sich Bezüge des Klägers zur "Ansar al-Islam". Es sei zwar unklar geblieben, was er im Telefongespräch vom 25. Dezember 2003 wirklich mit der Bezeichnung "das Ding" gemeint habe. Allerdings habe sich auch nicht aufklären lassen, ob in den Gesprächen, an denen der Kläger nicht selbst beteiligt gewesen sei, tatsächlich von ihm die Rede gewesen sei. Auch wenn der Kläger nicht alle Ungereimtheiten habe ausräumen können, ergebe sich bei einer wertenden Gesamtschau der Protokolle und der Erläuterungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats nicht, dass der Kläger in der Vergangenheit durch sein Verhalten oder Handeln die erforderliche innere Nähe oder Verbundenheit zur "Ansar al-Islam" hinreichend erkennbar zum Ausdruck gebracht habe. Im Übrigen habe die Vertreterin des Landeskriminalamts in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass der Kläger jedenfalls seit Herbst 2005 keine Bezüge oder Verbindungen mehr zu der Organisation gehabt habe.

7

Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 2 mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts habe bei § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG der Begriff "Bezüge" eine eigenständige Bedeutung und könne weder einem Unterstützen gleichgestellt noch hierdurch näher definiert werden. Dies ergebe sich bei einer grammatikalischen, an den Prinzipien der Aussagenlogik orientierten Auslegung der Regelung. Es sei nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber den Schutz der Bevölkerung vor terroristischen Aktivitäten gegenüber dem IMK-Bleiberechtsbeschluss vom November 2006 habe reduzieren wollen. Die Gesetzessystematik spreche ebenfalls für zwei Alternativen. Ansonsten hätte der Ausschlussgrund neben dem zwingenden Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG und dem Regelversagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG praktisch keinen eigenständigen Anwendungsbereich. Im Übrigen widerspräche es Sinn und Zweck der Altfallregelung, Ausländern mit Verbindungen zu extremistischen oder terroristischen Organisationen ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu verschaffen, wenn diese Beziehungen über bloß zufällige, vereinzelte Kontakte hinausgingen und der Ausländer von der Ausrichtung der mit ihm in Kontakt getretenen Person wisse oder zumindest hätte wissen müssen. In diesem Fall könne nicht von einer gelungenen Integration ausgegangen werden.

8

Der Kläger tritt der Revision entgegen. Mit Blick auf die Befristungsregelung in § 104a Abs. 5 Satz 1 AufenthG stellt er klar, dass sein Begehren im vorliegenden Verfahren auf die Erteilung einer auf den 31. Dezember 2009 befristeten Aufenthaltserlaubnis gerichtet ist.

9

Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren beteiligt und unterstützt die Revision.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Beteiligten zu 2 ist zulässig. Insbesondere genügt sie den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO. Sie ist auch begründet. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der gesetzlichen Altfallregelung stehe der Ausschlussgrund des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG nicht entgegen, beruht auf einer Begründung, die mit Bundesrecht nicht vereinbar ist (§ 137 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen kann der Senat nicht selbst abschließend entscheiden, ob der Ausschlussgrund im Fall des Klägers vorliegt. Die Sache ist deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

11

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur (noch) die Frage, ob der Kläger einen Anspruch darauf hat, dass die Beklagte erneut über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entscheidet, da das Verwaltungsgericht der Klage nur insoweit stattgegeben hat und nur hiergegen ein Rechtsmittel eingelegt worden ist. Dabei sind sich die Beteiligten einig, dass als Anspruchsgrundlage allein die mit dem Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I 2007, 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - im August 2007 in § 104a AufenthG aufgenommene Altfallregelung in Betracht kommt.

12

2. Der Rechtsstreit hat sich mit Blick auf § 104a Abs. 5 Satz 1 AufenthG nicht erledigt. Danach darf eine Aufenthaltserlaubnis nach der gesetzlichen Altfallregelung nur mit einer Gültigkeit bis zum 31. Dezember 2009 erteilt werden. Dies schließt kraft Gesetzes die (erstmalige) Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 104a AufenthG für einen nach dem 31. Dezember 2009 liegenden Zeitraum aus. Diesem durch Zeitablauf während des Revisionsverfahrens relevant gewordenen Umstand ist der Kläger zulässigerweise begegnet, indem er klargestellt hat, dass sich sein Begehren auf die Erteilung einer auf den 31. Dezember 2009 befristeten Aufenthaltserlaubnis bezieht. Dies ist nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 3 ZPO nicht als Klageänderung anzusehen und verstößt nicht gegen § 142 VwGO.

13

3. Der Kläger hat auch ein Rechtsschutzbedürfnis für sein auf die Vergangenheit bezogenes Neubescheidungsbegehren. Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein Ausländer die Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich auch für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum nach der Antragstellung beanspruchen, wenn er hieran ein schutzwürdiges Interesse hat. Das ist insbesondere der Fall, wenn die rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die weitere aufenthaltsrechtliche Stellung des Ausländers erheblich sein kann, und gilt unabhängig davon, ob der Aufenthaltstitel für einen späteren Zeitpunkt bereits erteilt worden ist oder nicht (vgl. Urteil vom 9. Juni 2009 - BVerwG 1 C 7.08 - Buchholz 402.242 § 9a AufenthG Nr. 1 m.w.N.).

14

In diesem Sinne hat der Kläger ein schutzwürdiges Interesse an der rückwirkenden Erteilung einer auf den 31. Dezember 2009 befristeten Aufenthaltserlaubnis nach der gesetzlichen Altfallregelung. Denn diese Aufenthaltserlaubnis ist Voraussetzung für eine Verlängerung nach § 104a Abs. 5 Satz 2 AufenthG. Außerdem haben sich die Innenminister und -senatoren der Länder auf der Innenministerkonferenz vom 3./4. Dezember 2009 inzwischen auf der Grundlage von § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auf eine weitergehende Anschlussregelung für die inzwischen ausgelaufenen Aufenthaltserlaubnisse auf Probe nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG geeinigt.

15

4. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der gesetzlichen Altfallregelung nicht entgegenstehe. Dabei hat es die beiden negativen Tatbestandsalternativen dieser Vorschrift aber zu Unrecht miteinander verknüpft und mit seiner Forderung, der Ausschlussgrund des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG greife nur ein, wenn der Ausländer bei einer wertenden Gesamtschau durch sein Verhalten oder Handeln eine innere Nähe und Verbundenheit zu einer extremistischen oder terroristischen Organisation erkennbar zum Ausdruck bringe, im Ergebnis zu hohe Anforderungen an das Vorliegen der ersten Tatbestandsalternative gestellt.

16

Nach § 104a AufenthG soll einem geduldeten Ausländer, der außer den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen auch die in § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG aufgezählten besonderen Voraussetzungen erfüllt, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Mit dieser gesetzlichen Altfallregelung wird dem Bedürfnis der seit Jahren im Bundesgebiet geduldeten und hier integrierten Ausländer nach einer dauerhaften Perspektive in Deutschland Rechnung getragen (vgl. BTDrucks 16/5065 S. 201). Nach § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Altfallregelung aber voraus, dass der Ausländer keine Bezüge zu extremistischen oder terroristischen Organisationen hat und diese auch nicht unterstützt.

17

a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt den beiden negativen Tatbestandsalternativen in § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG jeweils eigenständige Bedeutung zu. Ausgehend vom Wortlaut der Vorschrift setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei einer an den Gesetzen der Logik orientierten grammatikalischen Auslegung voraus, dass der Ausländer weder Bezüge zu einer extremistischen oder terroristischen Organisation hat noch eine solche Organisation unterstützt. Damit genügt für einen Ausschluss, dass der Ausländer eines der beiden Tatbestandsmerkmale (Bezüge oder Unterstützen) erfüllt (vgl. auch Nr. 104a.1.6 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 - AVwV AufenthG - GMBl S. 877). Auch wenn sich die beiden Tatbestandsmerkmale inhaltlich nur bedingt gegeneinander abgrenzen lassen - so dürften insbesondere beim Unterstützen einer extremistischen oder terroristischen Organisation häufig auch Bezüge zu dieser Organisation vorhanden sein -, handelt es sich nicht - wie vom Berufungsgericht angenommen - um einen einheitlichen Ausschlussgrund, der der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nur entgegensteht, wenn der Ausländer durch sein Verhalten oder Handeln erkennbar eine innere Nähe und Verbundenheit zu einer extremistischen oder terroristischen Organisation zum Ausdruck bringt. Eine derartige Einschränkung ergibt sich weder aus der Entstehungsgeschichte der Norm noch findet sie eine Stütze in der Gesetzessystematik und dem Sinn und Zweck der Ausschlussregelung.

18

Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung sind die Ausschlussgründe für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG zum großen Teil eng an die des Bleiberechtsbeschlusses der Innenministerkonferenz - IMK-Bleiberechtsbeschluss - vom 17. November 2006 angelehnt (BTDrucks 16/5065 S. 202). Nach dessen Nr. 6.5 sind von der Bleiberechtsregelung u.a. Personen ausgeschlossen, die Bezüge zu Extremismus oder Terrorismus haben. Aus welchen Gründen bei § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG eine hiervon abweichende Formulierung gewählt worden ist, ist den Materialien nicht zu entnehmen. Der in § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG enthaltene Begriff des Unterstützens findet sich im Aufenthaltsgesetz in Bezug auf terroristische Organisationen allerdings auch an anderer Stelle. So wird ein Ausländer nach § 54 Nr. 5 AufenthG in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. In diesem Fall ist zugleich nach § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu versagen. Hiervon können nur in begründeten Einzelfällen Ausnahmen zugelassen werden (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 2 und 3 AufenthG). Die Formulierung "Bezüge zu terroristischen oder extremistischen Organisationen" knüpft dagegen an die Formulierung im IMK-Bleiberechtsbeschluss vom November 2006 an. Auch dies spricht dafür, dass die Ausschlussregelung zwei im Kern eigenständige Tatbestandsalternativen enthält und damit weiter gefasst ist als die entsprechenden Ausweisungsgründe und die hieran anknüpfenden allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen. Ansonsten wäre die Regelung bei Kontakten zu terroristischen Organisationen auch weitgehend überflüssig, da hier - von engen Ausnahmefällen abgesehen - jedes Unterstützen einen allgemeinen Versagungsgrund darstellt.

19

Für eine derartige Auslegung des Ausschlussgrundes spricht schließlich auch der Sinn und Zweck der Altfallregelung. § 104a AufenthG ermöglicht im Wege einer Stichtagsregelung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen ein Überwinden der gesetzlichen Ausreisepflicht bei Ausländern, die über keinen gültigen Aufenthaltstitel verfügen. Wenngleich der Gesetzgeber mit dieser Altfallregelung im Grundsatz einen möglichst großen Personenkreis der in Deutschland ohne Aussicht auf ein Aufenthaltsrecht lebenden geduldeten Ausländer erfassen und ihnen eine Legalisierung ihres Aufenthalts ermöglichen wollte, knüpft die Vergünstigung an die tatsächliche Integration des Ausländers an. Dies erklärt, warum der Gesetzgeber bei der konkreten Ausgestaltung im Vergleich zu anderen Aufenthaltstiteln teilweise höhere Hürden aufgestellt hat. So soll die Privilegierung ersichtlich nur solchen ausreisepflichtigen Ausländern zukommen, bei denen keine Anhaltspunkte für eine Verbindung zu einer extremistischen oder terroristischen Organisation bestehen. Hat der Ausländer Bezüge zu einer solchen Organisation oder unterstützt er sie gar, fehlt es nach den Vorstellungen des Gesetzgebers an einer hinreichenden tatsächlichen Integration, die ein Überwinden der gesetzlichen Ausreisepflicht rechtfertigt. Angesichts der von extremistischen und terroristischen Organisationen ausgehenden Gefahren, ihrer verdeckten und konspirativen Arbeitsweise und der oft über persönliche Kontakte verschleierten und schleichenden Anwerbung sollen Ausländer aus dem Umfeld derartiger Organisationen von der Privilegierung ausgeschlossen sein. Entsprechend niedrig hat der Gesetzgeber daher die Schwelle für das Eingreifen des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG gelegt, indem hier schon bloße Bezüge zu einer extremistischen oder terroristischen Organisation zu einem Ausschluss führen, ohne dass es darauf ankommt, ob von dem Ausländer tatsächlich eine Gefahr ausgeht.

20

Diese Ausgestaltung des Ausschlussgrundes durch den Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei der Altfallregelung handelt es sich nicht um einen Eingriff in eine bestehende Rechtsposition, sondern um die Gewährung einer Begünstigung. Hier steht dem Gesetzgeber grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Dieser Rahmen wird nicht dadurch überschritten, dass der Gesetzgeber bei der Festlegung der Voraussetzungen, unter denen die bestehende Ausreisepflicht ausnahmsweise überwunden und ein rechtswidriger Aufenthalt legalisiert werden kann, sicherheitspolitischen Erwägungen ein hohes Gewicht einräumt. Die Regelung verstößt auch nicht gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot, da die darin enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe der Prüfung und konkretisierenden Auslegung durch die Fachgerichte unterliegen.

21

b) Enthält § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG zwei eigenständige Tatbestandsalternativen, kann dahinstehen, ob bei der Auslegung des Unterstützungsbegriffs auf die Rechtsprechung des Senats zu § 8 Abs. 1 Nr. 5 letzte Alt. AuslG 1990 (jetzt: § 5 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG) zum Unterstützen einer Vereinigung, die ihrerseits den Terrorismus unterstützt, zurückgegriffen werden kann (vgl. den entsprechenden Hinweis in Nr. 104a.1.6 auf Nr. 54.2.1.2.1 der AVwV AufenthG). Danach wurde vom Senat - in Anlehnung an die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Kriterien zum Unterstützungsbegriff in §§ 129, 129a StGB - als Unterstützungshandlung jede Tätigkeit angesehen, die sich - für den Ausländer erkennbar - in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung auswirkt (Urteil vom 15. März 2005 - BVerwG 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <124>). Ob an dieser Rechtsprechung mit Blick auf die zwischenzeitliche Einschränkung des strafrechtlichen Unterstützungsbegriffs und die dies berücksichtigende Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, StB 3/07 - BGHSt 51, 345) weiterhin festzuhalten ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn vorliegend fehlen auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts Anhaltspunkte für ein aktives Unterstützen der "Ansar al-Islam" durch den Kläger.

22

c) Für einen Ausschluss von der gesetzlichen Altfallregelung genügt nach dem Vorstehenden, dass der Ausländer Bezüge zu einer extremistischen oder terroristischen Organisation hat. Diese Tatbestandsalternative knüpft ersichtlich an die Regelung in Nr. 6.5 des IMK-Bleiberechtsbeschluss vom November 2006 an. Dabei hat der Gesetzgeber allerdings die von den Innenministern der Länder sehr allgemein gefasste Formel, wonach der Ausländer keine Bezüge zu Extremismus und Terrorismus haben darf, durch die Bindung der Bezüge an extremistische oder terroristische Organisationen weiter konkretisiert.

23

Während das Unterstützen an ein Tätigwerden anknüpft, werden über die Bezüge alle - auch strafrechtlich nicht relevante - Verbindungen des Ausländers zu extremistischen oder terroristischen Organisationen erfasst. Derartige Verbindungen können sich auch aus Kontakten zu führenden Mitgliedern einer solchen Organisation ergeben. Hierfür müssen die Kontakte aber eine gewisse Intensität aufweisen. Sie müssen über bloß zufällige oder unvermeidbare Begegnungen hinausgehen und dürfen nicht nur loser Natur sein, d.h. sich grundsätzlich nicht auf einmalige oder gelegentliche bzw. vereinzelte Kontakte beschränken. Außerdem ist erforderlich, dass der Ausländer um die Einbindung der von ihm kontaktierten Personen in eine extremistische oder terroristische Organisation weiß bzw. zumindest wissen müsste und dennoch eine Verbindung herstellt oder aufrechterhält. Liegen diese Voraussetzungen vor, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass über diese Kontakte auch eine Verbindung des Ausländers zu der Organisation besteht, ohne dass er seine innere Nähe oder Verbundenheit mit dieser Organisation erkennbar zum Ausdruck bringen muss. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass eine Verbindung zu der Organisation zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann. Etwaige nicht ausräumbare Ungewissheiten gehen dabei zu Lasten des Ausländers.

24

d) Da § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG erfordert, dass der Ausländer keine Bezüge zu den fraglichen Organisationen "hat" und diese auch nicht "unterstützt", können in der Vergangenheit liegende Sachverhalte eine Versagung nur rechtfertigen, wenn sie in die Gegenwart hineinwirken. Dies setzt allerdings nicht den Nachweis fortbestehender aktueller Bezüge oder Unterstützungshandlungen voraus. Hatte der Ausländer in der Vergangenheit Bezüge zu einer extremistischen oder terroristischen Organisation oder hat er eine solche Organisation unterstützt, steht dies der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Altfallregelung entgegen, solange es an einer glaubhaften Distanzierung des Ausländers von der Organisation und ihren Zielen fehlt.

25

5. Auch wenn das Berufungsurteil demnach in Bezug auf die Auslegung und Anwendung der ersten Tatbestandsalternative des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG auf der Verletzung von Bundesrecht beruht, kann der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht selbst abschließend entscheiden, ob der Kläger hinsichtlich der Erteilung einer auf den 31. Dezember 2009 befristeten Aufenthaltserlaubnis einen Anspruch auf Neubescheidung hat.

26

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich bei der "Ansar al-Islam" um eine terroristische Organisation (UA S. 13). Die vom Kläger nie bestrittenen engen persönlichen Kontakte, die er in der Vergangenheit zu führenden Mitgliedern dieser Organisation in Süddeutschland unterhielt (UA S. 14), weisen sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht die für das Eingreifen der Vermutung notwendige Intensität auf. Ob dem Kläger allerdings schon damals die Einbindung dieser Personen in eine terroristische Organisation bekannt war oder zumindest hätte bekannt sein müssen, ist dem Berufungsurteil indes nicht zu entnehmen. Damit kann nicht abschließend entschieden werden, ob die Vermutung vorliegend eingreift.

27

Auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger bei einem unterstellten Eingreifen der Vermutung diese zumindest widerlegt hat. Denn der Kläger konnte hinsichtlich der abgehörten Telefongespräche nicht alle Ungereimtheiten ausräumen, so ist etwa unklar geblieben, was er im Telefongespräch vom 25. Dezember 2003 wirklich mit der Bezeichnung "das Ding" meinte (UA S. 15), um dessen Übergabe an einen mit Vornamen benannten Dritten es offenbar ging. Derartige nicht ausräumbare Unwägbarkeiten gehen im Rahmen des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Alt. 1 AufenthG zu Lasten des Ausländers.

28

Selbst wenn der Kläger in der Vergangenheit Verbindungen zu einer terroristischen Organisation hatte, erfordert der Ausschlussgrund, dass dieser Sachverhalt in die Gegenwart hineinwirkt. Insoweit fehlen ebenfalls hinreichende tatsächliche Feststellungen für eine abschließende Prüfung und Entscheidung durch den Senat. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Vertreterin des Landeskriminalamts in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zwar davon ausgegangen, dass der Kläger jedenfalls seit Herbst 2005 keine Bezüge oder Verbindungen mehr zu der Organisation hat (UA S. 15). Diese Einschätzung beruht ausweislich der Sitzungsniederschrift aber darauf, dass eine der Kontaktpersonen im Herbst 2005 festgenommen wurde und die meisten Personen der Organisation inzwischen langjährige Haftstrafen verbüßen, ausgewiesen, untergetaucht oder mit Maßnahmen nach § 54a AufenthG belegt worden sind. Unterstellt man, dass der Kläger in der Vergangenheit Bezüge zur Organisation "Ansar al-Islam" hatte - sei es auch nur über eine nicht widerlegte Vermutung -, entfiele der Ausschlussgrund erst nach einer glaubhaften Distanzierung von der Organisation und ihren terroristischen Zielen. Hierfür genügt nicht, dass der Kläger jeden Bezug verbal bestreitet und - möglicherweise nur mangels Gelegenheit oder unter dem Druck des anhängigen Verfahrens - keinen Kontakt mehr zu früheren Verbindungspersonen hat.

29

6. Das Berufungsgericht wird deshalb in einem erneuten Berufungsverfahren nochmals prüfen müssen, ob der Erteilung einer auf den 31. Dezember 2009 befristeten Aufenthaltserlaubnis nach der gesetzlichen Altfallregelung der Ausschlussgrund des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG entgegensteht, weil der Kläger in der Vergangenheit enge Kontakte zur süddeutschen Führungsebene der terroristischen Organisation "Ansar al-Islam" hatte.

30

In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass der Anwendung des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG nicht entgegensteht, dass sich die Beteiligten im Juli 2007 einig waren, dass auf der Grundlage des Berichts des Landeskriminalamts vom November 2005 das Vorliegen eines Ausweisungstatbestands nach § 54 Nr. 5, 5a und Nr. 6 AufenthG nicht belegt und allein aufgrund dieses Tatsachenmaterials ein Aufenthaltstitel daher nicht versagt werden könne. Daraus ergibt sich lediglich, dass die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt davon ausgegangen ist, dass der Erteilung eines Aufenthaltstitels weder ein Regelausweisungsgrund noch ein allgemeiner Versagungsgrund entgegensteht. Ein Bindungswille hinsichtlich der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der gesetzlichen Altfallregelung mit ihren speziellen Ausschlussgründen kann dem nicht entnommen werden, zumal § 104a AufenthG erst zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz am 28. August 2007, in Kraft getreten ist.

31

Das Berufungsgericht wird daher aufzuklären haben, ob dem Kläger die Einbindung seiner Kontaktpersonen in eine terroristische Organisation positiv bekannt war oder zumindest hätten bekannt sein müssen und er dennoch mit ihnen in Kontakt getreten ist oder er diesen fortgeführt hat. Sollte dies der Fall sein, spräche eine Vermutung dafür, dass er damit auch eigene Bezüge zu der Organisation hatte. Es wäre dann zu ermitteln, ob dieser Umstand der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Altfallregelung auch weiterhin entgegensteht. Dabei ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage hier nicht auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (vgl. Urteil vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 276 <279 f.>), sondern mit Blick auf die Befristungsregelung des § 104a Abs. 5 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise auf den 31. Dezember 2009 abzustellen. Das hindert allerdings nicht, aus späteren Umständen Rückschlüsse auf das damalige Vorliegen der Voraussetzungen des Ausschlussgrundes zu ziehen. Sollte das Berufungsgericht feststellen, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt keine Verbindung mehr mit der terroristischen Organisation hatte, wird es zu würdigen haben, worauf dies zurückzuführen ist. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass nach Aktenlage bislang keine Anhaltspunkte für eine glaubhafte Distanzierung vorliegen.

32

Kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass einem Anspruch auf erneute Bescheidung nicht schon der Ausschlussgrund des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG entgegensteht, hat es auch zu entscheiden, ob der Lebensunterhalt des Klägers - ebenfalls bezogen auf den 31. Dezember 2009 - aus eigener Erwerbstätigkeit gesichert war. Denn in diesem Fall würde sich die Verpflichtung zur Neubescheidung nach § 104a Abs. 1 Satz 2 AufenthG auf eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG beziehen. Andernfalls käme nur die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG in Betracht (sog. Aufenthaltserlaubnis auf Probe; § 104a Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Da an diese beiden Aufenthaltstitel unterschiedliche Rechtsfolgen anknüpfen - so finden etwa bei der Aufenthaltserlaubnis auf Probe die §§ 9 und 26 Abs. 4 AufenthG keine Anwendung (§ 104a Abs. 1 Satz 3 Halbs. 3 AufenthG) - hat das Berufungsgericht auch insoweit Spruchreife herbeizuführen.

Tenor

Die Ziffern 2 bis 3 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 22.02.2005 werden aufgehoben.

Die Ziffer 4 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 22.02.2005 wird aufgehoben, soweit hierin Herrn Y die Abschiebung in die Türkei angedroht wird.

Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens des gerichtskostenfreien Verfahrens je zur Hälfte.

Tatbestand

 
Der 1974 geborene Kläger, Herr Y, ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er stammt aus A.
Er reiste nach seinen Angaben am 1., 2. oder 3. September 2002 mit einem Direktflug (Istanbul - Stuttgart) in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und suchte am 12.09.2002 um Asyl nach.
Am 02.12.2002 wurde er vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge persönlich zu seinen Fluchtgründen angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Niederschrift vom gleichen Tag verwiesen.
Mit Bescheid vom 22.02.2005 lehnte das Bundesamt den Asylantrag und den Antrag auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG als offensichtlich unbegründet ab und stellte weiter fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen, und drohte Herrn Y die Abschiebung in die Türkei an. Ein Zustellungsnachweis ist nicht zu den Behördenkaten gelangt.
Herr Y hat am 08.03.2005 Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben, diese in der Klageschrift näher begründet und zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Durch Beschluss vom 18.04.2005 (A 4 K 10513/05) wurde die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.
Herr Y beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes vom 22.02.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen, sowie hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.
Die Beklagte ist der Klage aus den Gründen ihres angefochtenen Bescheids entgegengetreten.
Das Gericht hat Herrn Y. in der mündlichen Verhandlung unter Hinzuziehung eines Dolmetschers ergänzend zu seinen Asylgründen angehört.
10 
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zu den Gerichtsakten eingereichten Schriftsätze verwiesen. Im Übrigen nimmt das Gericht Bezug auf die beigezogenen Behördenakten (des Klägers sowie seines Bruders) und den Inhalt der Gerichtsakten sowie die verwerteten Erkenntnis- und Rechtsprechungsquellen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe

 
11 
Das Gericht konnte trotz des Ausbleibens von Beteiligten zur Sache verhandeln und entscheiden, da in den ordnungsgemäßen Ladungen auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO). Es entscheidet im Einverständnis der Beteiligten durch den Vorsitzenden (vgl. § 87 a Abs. 2 VwGO).
12 
Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.
13 
I. Herr Y hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung einen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG.
14 
1. Nach § 60 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch dann vorliegen, wenn die Bedrohung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der Freiheit allein an das Geschlecht anknüpft. Eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 kann ausgehen von a) dem Staat, b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder c) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den Buchstaben a und b genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.
15 
2. Wer um Asyl oder um Abschiebungsschutz im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG nachsucht, hat seine Gründe für eine politische Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Es gehört zu seinen Obliegenheiten, hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse und Erlebnisse von sich aus unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Begehren lückenlos zu tragen (vgl. etwa BVerfG, B. v. 29.11.1990 - 2 BvR 1095/90 - InfAuslR 1991, 94; BVerwG, U. v. 30.10.1990 9 C 72.89 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 135; v. 30.10.1990 - 9 C 64.89 - Buchholz 310 § 137 Nr. 165). Das Gericht muss die volle Überzeugung von der Wahrheit des von einem Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet (BVerwG, B. v. 21.07.1989 - 9 B 239.89 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 113). An der erforderlichen Glaubhaftmachung fehlt es in der Regel, wenn das Vorbringen im Lauf des Verfahrens in einer ins Gewicht fallenden Weise gesteigert wird, insbesondere wenn Tatsachen, die für das Begehren als maßgeblich betrachtet werden, ohne vernünftige Erklärung erst spät in das Verfahren eingeführt werden, ferner wenn während des Verfahrens unterschiedliche Angaben gemacht werden und das Vorbringen in wesentlichen Punkten nicht überzeugend auflösbare Widersprüche oder sonst Unstimmigkeiten enthält, sowie auch dann, wenn die Darstellung nach der Lebenserfahrung der erforderlichen Plausibilität entbehrt oder im Blick auf vergleichbare bekannte Geschehensabläufe als unglaubhaft erscheint (vgl. zum Ganzen die angeführte Rechtsprechung).
16 
3. Gemessen hieran ist das Gericht auch aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnen Eindrucks von seiner Person und unter Berücksichtigung der Angaben des Bruders in dessen Asylverfahren zu der Überzeugung gelangt, dass Herr Y im Verfahren vor dem Bundesamt wie auch im gerichtlichen Verfahren wahrheitsgemäße Angaben gemacht hat. Hiernach steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass er (zusammen mit seinem Bruder) im November 1995 von der Polizei verhaftet und im Anschluss hieran im Polizeigewahrsam schwersten Misshandlungen und Foltermaßnahmen unterzogen wurde. Dabei ist das Gericht auch zu der Überzeugung gelangt, dass er in diesem Zusammenhang zu Unrecht der Mitgliedschaft und Mitarbeit in der terroristischen Organisation DHKP-C verdächtigt bzw. beschuldigt wurde, weshalb dann die insoweit am 17.11.1998 erfolgte Verurteilung durch das Staatssicherheitsgericht A auf keiner ausreichenden Grundlage beruhte. Zwar ist dem Bundesamt im Ausgangspunkt zuzugeben, dass dieses Urteil nicht von vornherein für das Asylverfahren ohne Bedeutung sein muss, zumal mit ihm auch eine Reihe von Angeklagten freigesprochen wurden. Andererseits vermochte Herr Y das Gericht davon zu überzeugen, dass er die verwerteten Geständnisse unter Folter abgelegt hatte. Angesichts dessen und unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Gerichtsverfahren vor den Staatssicherheitsgerichten zumindest zum damaligen Zeitpunkt keineswegs als rechtsstaatlich unbedenklich beurteilt werden müssen, könnte von der Richtigkeit der dort getroffenen Feststellungen nur ausgegangen werden, wenn das Urteil auch aufgrund anderer überzeugender Beweise und Beweisführungen die Begehung der fraglichen Taten untermauert hätte. Dieses ist, wie die in der mündlichen Verhandlung in Auszügen erfolgte Übersetzung des Urteils ergeben hat, indessen nicht der Fall. Die Ziffer 4.3 des Urteils, die Herrn Y betrifft, beschränkt sich auf nicht nachvollziehbare Behauptungen und lässt jede abwägende Beweiswürdigung vermissen, insbesondere fehlt jede Begründung dazu, weshalb dem Zeugen K die in der Verhandlung - abweichend zu den polizeilichen Vernehmungen - gemachte Aussage nicht geglaubt wurde. Abschließend ist in diesem Zusammenhang noch auf die Erwägung des Bundesamts einzugehen, dass für die Mitgliedschaft von Herrn Y auch spreche, dass er an dem Todesfasten zahlreicher Gefangener teilgenommen hat, das letztlich wegen Haftunfähigkeit zu seiner vorübergehenden Freilassung geführt hatte. Auch wenn davon auszugehen ist, dass das fragliche Todesfasten wesentlich durch die DHKP-C initiiert und gesteuert war (vgl. AA v. 20.09.2001 an VG Würzburg), so ist doch der Rückschluss des Bundesamts nicht ausreichend tragfähig, zumal selbst das Auswärtige Amt betont, dass die Aktionen nur teilweise in der Hand linksextremer Gruppen waren (vgl. Lagebericht v. 20.03.2002, S. 11 f.). Das Gericht hat diesen Gesichtspunkt in der mündlichen Verhandlung nochmals eingehend mit Herrn Y erörtert. Er hat dabei darauf hingewiesen, dass er an dieser Aktion aus existentieller Verzweiflung angesichts der zu Unrecht erfolgten Verurteilung und der erlittenen Foltermaßnahmen teilgenommen habe, ohne dabei abzustreiten, dass er hierbei auch durch das Erleben in der Gruppe mit anderen Inhaftierten bestärkt worden war. Eine wie auch immer geartete Einbindung von Herrn Y in die Ziele der DHKP-C ist in diesem Zusammenhang nicht deutlich geworden.
17 
4. Hat er Y somit schwerste Eingriffe in seine körperlich Integrität und bis zu seiner vorübergehenden Freilassung im Juli 2001 infolge der langjährigen Haft in seine persönliche Freiheit erlitten, so steht für das Gericht fest, dass er im Jahre 2002 vorverfolgt ausgereist ist. Dass er dies nicht unmittelbar nach der Freilassung getan hatte, unterbricht den erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht schon deshalb nicht, weil er aufgrund seines zur Haftentlassung führenden Gesundheitszustands zu einer Ausreise zunächst gar nicht in der Lage war.
18 
5. Der Umstand, dass Herr Y nicht Träger des asylerheblichen Merkmals war, führt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht dazu, dass den in Frage stehenden staatlichen Maßnahmen die Asylerheblichkeit abgesprochen werden könnte (vgl. B.v. 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 - E 80, 315 <340>; B.v. 20.12.1989 - 2 BvR 956/86 - E 81, 142 <151>; B.v. 28.02.1992 - 2 BvR 1608/90 - InfAuslR 1992, 215 <218>; v. 28.01.1993 - 2 BvR 1803/92 - InfAuslR 1993, 142; v. 22.11.1996 - 2 BvR 2 BvR 1753/96 - AuAS 1997, 6).
19 
6. Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass Herr Y Mitglied in der Organisation war und in dieser gearbeitet hatte, so gilt unabhängig von dem Vorgesagten: Zwar wäre unter diesen Umständen eine strafrechtliche Verfolgung und Ahndung im Ausgangspunkt zunächst als asylirrelevant zu beurteilen (vgl. BVerfG, B.v. 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 - E 80, 315 <337>; B.v. 20.12.1989 - 2 BvR 956/86 - E 81, 142 <149 f.>). Eine an sich unerhebliche Verfolgung von Straftaten kann aber nach dieser Rechtsprechung in politische Verfolgung umschlagen, wenn objektive Umstände darauf schließen lassen, dass der Betroffene auch wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt wird, wofür eine erheblich härtere Behandlung und/oder Bestrafung eine wichtiges Indiz sein kann. Namentlich erlittene unmenschliche Behandlung oder Folter können von asylerheblicher Relevanz sein, wenn der hiervon Betroffene als politisch überzeugter Täter getroffen werden soll (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.1989 - 2 BvR 956/86 - E 81, 142 <151 f.>; B.v. 07.07.1993 - 2 BvR 400/93 - juris). In diesem Fall stellt die Anwendung von Folter regelmäßig jedenfalls ein gewichtiges Indiz für die asylerhebliche Zielrichtung der zu beurteilenden staatlichen Maßnahme dar (vgl. BVerfG , B.v. 09.01.1991 - 2 BvR 935/90 - InfAuslR 1992, 59 <62>; v. 03.07.1996 - 2 BvR 1957/94 - InfAuslR 1996, 318 <321>). Die Asylerheblichkeit kann nur dann verneint werden, wenn verlässliche Feststellungen getroffen werden können, dass vergleichbar massive Folterungen auch bei der Ahndung anderer „normaler“ krimineller Taten angewendet werden. Solches ist aber nach den verwerteten Erkenntnismittel nicht im Ansatz erkennbar. Gegen eine verfolgungsbedingte Ausreise kann hier auch nicht eingewandt werden, dass die asylerheblichen Maßnahmen bereits im Jahre 1997 erlitten wurden, die Ausreise jedoch erst im Jahre 2002 erfolgte. Denn Herr Y war bis Juli 2001 wegen der Haft und sodann wegen seines Gesundheitszustands nicht in der Lage auszureisen.
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7. Als vorverfolgt ausgereistem Flüchtling wäre Herrn Y eine Rückkehr nur dann zuzumuten, wenn er im Falle der Rückkehr vor erneuter Verfolgung hinreichend sicher wäre (vgl. BVerfG, B.v. 02.07.1980 - 1 BvR 147/80, E 54, 341 <361 f.>; v. 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 - E 80, 315 <344>), ohne dass allerdings der Maßstab einer an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen wäre (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 18.02.1997 - 9 C 9.96 - E 104, 97). Davon kann gegenwärtig nach den verwerten Erkenntnismitteln nicht ausgegangen werden. Zunächst ist davon auszugehen, dass Herr Y aktuell per Haftbefehl gesucht wird, weil er nur bedingt und vorübergehend wegen seines Gesundheitszustands aus der Strafhaft entlassen wurde und sich der weiteren Strafvollstreckung durch die Flucht entzogen hat. Zudem ergibt sich aus den vorgelegten, durch den Rechtsanwalt in der Türkei übersandten Unterlagen, dass gegen Herrn Y. wegen der Teilnahme an dem „Todesfasten“ ein Ermittlungsverfahren durchgeführt wird. Deshalb hat er zu gewärtigen, unmittelbar bei seiner Einreise durch die Polizei verhaftet zu werden. Zwar trifft die Annahme des Bundesamtes durchaus zu, dass auch schon in der Vergangenheit in den Phasen von Untersuchungs- oder Strafhaft in der Türkei der Betroffene nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit Folter oder Misshandlungen zu rechnen hatte, wobei letztlich offen bleiben kann, ob in der Vergangenheit auch dem hier zugrunde zu legenden Maßstab der hinreichenden Sicherheit genügt wurde. Vorliegend ist aber zu beachten, dass Herr Y. zunächst bei seiner Ankunft in Polizeihaft genommen würde, bei der er sicherlich im Übrigen auch nach den Umständen seines Aufenthalts im Ausland befragt würde, was eine andere Beurteilung notwendig macht. Zwar geht das Gericht aufgrund der verwerteten Erkenntnismittel davon aus, dass mit Rücksicht auf die jüngsten Veränderungen in der Türkei ein „politischer Straftäter“ im Falle der Polizeihaft wohl nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit Folter und Misshandlungen rechnen müsste. Dieses kann jedoch letztlich unentschieden bleiben. Jedenfalls ist nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand, insbesondere auch aufgrund der vielfältigen Berichte der Menschenrechtsorganisationen in der Türkei, auch wenn die von diesen registrierten Folterfälle nicht ausnahmslos verifiziert worden sind (vgl. hierzu AA Lagebericht v. 03.05.2005), davon auszugehen, dass nach wie vor ein nicht gänzlich unbedeutendes Restrisiko verblieben ist, das die Annahme einer hinreichenden Sicherheit nicht rechtfertigt. Das Gericht macht sich insoweit auch die überzeugenden Ausführungen und tatsächlichen Feststellungen des OVG Münster im Urteil vom 19.04.2005 (8 K 273/04.A - S. 49 ff.) sowie des OVG Weimar im Urteil vom 13.01.2005 (3 KO 1047/04 - S. 22 ff.) zu eigen, auf die ausdrücklich Bezug genommen wird.
21 
8. Der Feststellung nach § 60 Abs. 1 AufenthG steht auch nicht § 60 Abs. 8 AufenthG entgegen. Dies folgt hier schon daraus, dass Herr Y nach Überzeugung des Gerichts nicht Mitglied in der DHKP-C war und nicht für diese aktiv geworden war.
22 
9. Aber selbst wenn man dem nicht folgen wollte, ist von Folgendem auszugehen:
23 
a) Bei allen fünf Fallvarianten des Absatzes 8 ist nach Auffassung des Gerichts, auch wenn es nicht in jedem Fall ausdrücklich zur Tatbestandvoraussetzung gemacht wurde, die Einschränkung zu machen, dass von den Betreffenden auch in der Zukunft eine konkrete Gefahr, wie sich in der Begehung der jeweils genannten Taten manifestiert hatte, ausgehen muss, weil nur unter dieser Voraussetzung auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U.v. 30.03.1999 - 9 C 31.98 - E 109, 1) die Asylberechtigung, auf die die Vorschrift ebenfalls anwendbar ist, verfassungsrechtlich unbedenklich „neutralisiert“ werden kann. Denn andernfalls würde es an einem zumindest gleichrangigen zu schützenden Rechtsgut von Verfassungsrang fehlen, das allein eine Zurückdrängung des Asylgrundrechts zu rechtfertigen vermag (so zutreffend auch OVG Koblenz, U.v. 6.12.2002 – 10 A 10089/02 – NVwZ-RR 2003, 596 <599>). Insbesondere wird auch durch eine rechtskräftige Verurteilung im Sinne von Absatz 3 S. 1 2. Alt. das Erfordernis einer konkreten Wiederholungsgefahr in Bezug auf eine entsprechende schwere Straftat nicht ersetzt (vgl. BVerwG, U.v. 16.11.2000 – 9 C 8.00 – E 112, 185 ; VGHBW, B.v. 9.11.2001 – 10 S 1900/01 – InfAuslR 2002, 175). Das Bundesverwaltungsgericht hat sich allerdings in diesem Zusammenhang explizit nur zu § 60 Abs. 8 S. 1 AufenthG bzw. § 51 Abs. 3 S. 1 AuslG 1990 geäußert, nicht jedoch zu Satz 2. Ausgehend von dem argumentativen Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts kann insoweit aber nichts anderes gelten. Ist in den Fallvarianten 2 und 3 des Satzes 2 (vgl. zur Auslegung des Begriffs „schweren nichtpolitischen Verbrechens“ im Kontext des Terrorismus GK-AsylVfG § 2 Rdn. 35; zu den - gewandelten „Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen“ OVG Koblenz, U.v. 6.12.2002 - 10 A 10089/02 - NVwZ-RR 2003, 596 < >) keine Wiederholungsgefahr feststellbar, so kann allerdings nach dem von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Terrorismusvorbehalt gleichwohl das Asylgrundrecht nicht eingreifen (vgl. B.v. 10.7.1989 – 2 BvR 502/86 – E 80, 315 <336 ff.>; B.v. 20.12.1989 – 2 BvR 958/86 – E 81, 142), der nicht von der Feststellung einer Wiederholungsgefahr abhängig ist. Der Beschluss vom 20.12.1989 betrifft gegenüber dem vom 10.7.1989 nur einen Sonderfall, in dem auch ein Politmalus nicht asylbegründend sein kann (vgl. BVerfG , B.v. 26.10.2000 - 2 BvR 1280/99 - InfAuslR 2001, 89).
24 
b) In Bezug auf den flüchtlingsrechtlich abgeleiteten Abschiebungsschutz ist diese Einschränkung allerdings nicht für alle fünf Varianten zwingend durch den Wortlaut der zugrunde liegenden Bestimmung des Art. 1 F GFK (entspricht Absatz 8 S. 2) vorgegeben, sondern nur, soweit hinter Absatz 8 S. 1 die Bestimmung des Art. 33 Abs. 2 GFK steht. Zwar enthält die Bestimmung des Art. 1 F GFK sicherlich ein gewichtiges wertendes Element der „Asylunwürdigkeit“ (vgl. hierzu GK-AsylVfG, vor II-2 Rdn. 25; Hailbronner, Ausländerrecht, § 51 AuslG Rdn. 37). Es wäre jedoch eine verkürzte Sichtweise, wenn man hierbei stehen bleiben wollte. Denn auch diese völkervertraglichen Ausschlussgründe stehen unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, der bei lange zurück liegenden Taten und insbesondere auch einer mittlerweile glaubwürdig erfolgten Distanzierung des oder der Betroffenen ein Zurückstellen des Flüchtlingsschutzes nicht mehr rechtfertigt (so im Ausgangspunkt UNHCR Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, ZAR 2004, 207 ff. Nr. 23 f.). War jemand aber etwa in der Vergangenheit zweifelsfrei in eine terroristische Organisation strukturell eingebunden (vgl. hierzu noch im Folgenden), so wird allerdings eine – widerlegbare – Vermutung für seine weitere Gefährlichkeit sprechen (vgl. auch OVG Koblenz, U.v 6.12.2002 – 10 A 10089/02 - NVwZ-RR 2003, 596 <600>). Es ist danach Sache der Betroffenen hinreichend glaubhaft zu machen, dass eine vollständige Distanzierung von der Organisation, ihren Zielen und Methoden erfolgt ist. Es ist aber nicht gerechtfertigt, bei „besonders verabscheuungswürdigen Verbrechen“ im Falle einer entsprechenden Distanzierung gleichwohl die Ausschlussklausel anzuwenden (so aber UNHCR, Richtlinien, a.a.O., Nr. 24).
25 
c) Generell gilt für die Gefahrprognose: Die Rechtsprechung legt im Recht der Ausweisung bei der Beurteilung einer Wiederholungsgefahr einen gleitenden nach Art und Ausmaß der möglichen Schäden ausgerichteten differenzierenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrunde, wie er auch allgemein im Polizei- und Ordnungsrecht anerkannt ist (vgl. hierzu im Einzelnen zunächst GK-AuslR § 45 Rdn. 389 ff.). Eine derartige Relativierung nach Maßgabe des möglichen (großen) Schadens darf im vorliegenden Kontext jedoch nicht erfolgen. Zum einen folgt dies schon systemimmanent auf der einfach-gesetzlichen Ebene aus der Tatsache, dass die Norm überhaupt nur schwere Straftaten und damit die Verletzung erheblicher und gewichtiger Rechtsgüter erfasst und zum Anlass nimmt, überhaupt in eine Gefahrprognose einzutreten. Bei dieser Ausgangslage kann angesichts des beispielsweise ausdrücklich normierten weiteren Tatbestandsmerkmals einer „Gefahr für die Allgemeinheit“ nicht angenommen werden, dass hier der ordnungsrechtlich anerkannte relativierende Maßstab gemeint sein könnte, da es dann nahe gelegen hätte, etwa zu formulieren, dass „eine erneute Wiederholung aufgrund konkreter Tatsachen nicht ausgeschlossen werden kann“ (vgl. auch die vom BVerwG, B.v. 19.3.1990 – 1 B 27.90 – Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 122, ausdrücklich gebilligten Ausführungen des VGHBW). Zum anderen wäre eine derartige Relativierung ungeeignet, ein hinreichend gewichtiges Rechtsgut von Verfassungsrang zu beschreiben und zu begründen, das geeignet wäre, das Asylgrundrecht zu überwinden.
26 
d) Besondere Schwierigkeiten kann - vornehmlich bei den drei Fallvarianten des Satzes 2 - allerdings im Einzelfall die Beantwortung der Frage bereiten, ob und unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen eine hinreichend klare Zurechnung und persönliche Verantwortung der Betroffenen vorgenommen bzw. festgestellt werden kann. Anders ausgedrückt: Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Mitgliedschaft und Mitarbeit in einer Organisation, der konkrete terroristische Gewalttaten, Kriegsverbrechen etc. zugeschrieben werden können, bereits als eine Tat im Sinne des Absatzes 8 zu betrachten ist. Unproblematisch ist dies bei denjenigen Personen, die Täter oder Teilnehmer (Anstifter und Gehilfe) im strafrechtlichen Sinn bezüglich der jeweiligen Straftat oder Handlung sind, die in Absatz 8 zum konkreten Anknüpfungspunkt genommen wird (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, ZAR 2004, 207 Nr. 18). Problematischer sind hingegen die Fälle, in denen etwa „nur“ ein „Organisationsdelikt“begangen wurde und beispielsweise keine Täterschaft oder Teilnahme an erheblichen, insbesondere terroristischen Gewalttaten selbst festgestellt werden kann. Entsprechende Fragestellungen ergeben sich auch in Fällen von „Regierungskriminalität“. Auch wenn weitgehend Einigkeit besteht, dass die hier zugrunde liegenden Bestimmungen der Art. 1 F GFK und 33 Abs. 2 GFK eng auszulegen sind und zuvörderst die Akteure der Gewalt und des Terrors selbst betreffen, bieten die Vorschriften keinen ausreichenden Anhalt, dass hier generell eine Abschiebung bzw. ein Ausschluss unzulässig wäre (so aber ohne überzeugende Argumente Marx, InfAuslR 2005, 218 <226 f.>). Dessen Sichtweise entspricht bemerkenswerter Weise nicht einmal mehr dem aktuell von UNHCR eingenommenen Standpunkt (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, a.a.O., Nr. 18 ff.). Eher unproblematisch sind dabei nach Auffassung des Gerichts zunächst die Fälle der führenden Köpfe und Funktionäre (auch Regierungsmitglieder im Falle des Satzes 2 1. Fallvariante), die allesamt maßgeblichen Einfluss auf die Ziele und die die Organisation prägenden Aktivitäten genommen haben und nehmen, selbst wenn diesen eine Täterschaft oder Teilnahme an bestimmten Einzelaktionen nicht konkret nachgewiesen werden kann. Es sind dies die Fälle, in denen „sich die von die Organisation ausgehende Gefährdungen in der Person des Ausländers konkretisieren“ (vgl. BVerwG, U.v. 31.05.1994 - 1 C 5.93 - E 96, 86 <91 f.>; U.v. 30.03.1999 - 9 C 31.98 - E 109, 1). Im Übrigen handelt sich dabei typischer Weise im Wesentlichen um den Personenkreis, der nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine aktive Unterstützung terroristischer Aktivitäten vollbringt und damit aus der Asylgewährleistung herausfällt (vgl. B.v. 10.7.1989 – 2 BvR 502/86– E 80, 315 <336 ff.>; B.v. 20.12.1989 – 2 BvR 958/86 – E 81, 142). Bei qualifiziert gewalttätigen terroristischen Gruppierungen beispielsweise, die dann auch regelmäßig in hohem Maße konspirativ und im Untergrund agieren werden, kann es aber nach Maßgabe einer Bewertung aller Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt sein, auch in der „Mitgliedschaft“ und - von Bagatellen abgesehen – kontinuierlichen aktiven Mitarbeit bei struktureller Einbindung in die Organisation ein ausreichendes Zurechnungsmoment zu erkennen, weil hier grundsätzlich alle Elemente der Mitarbeit in ihrer Vielzahl und Vielfalt den Zusammenhalt der Organisation und damit dann auch deren Zielverwirklichung fördern bzw. ihr zugute kommen, was dann letztlich auch ihre spezifische Gefährlichkeit ausmacht (in diesem Sinne nunmehr auch UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, a.a.O., Nr. 19). Die beweiskräftige Feststellung einer hervorgehobenen Funktion oder Funktionärstätigkeit ist hier nicht mehr erforderlich und wäre bei einer realistischen Betrachtungsweise einer so beschriebenen Organisation auch lebensfremd. Gegen dieses Ergebnis kann auch nicht Art. 12 RL 2004/83/EG v. 29.4.2004 (ABl. L 304, 12) eingewandt werden (so aber Marx, a.a.O., 226). Denn nach deren Absatz 3 findet der Ausschluss auch Anwendung auf Personen, die andere zu den Straftaten und Handlungen im Sinne des Absatzes 2 anstiften oder sich „in sonstiger Weise daran beteiligen“. Diese zweite Alternative ist so weit gehalten, dass auch andere als strafrechtlich relevante Beihilfehandlungen zu dem eigentlichen terroristischen Akt erfasst werden.
27 
e) Im Falle von Herrn Y ist nach der eingehenden Erörterung in der mündlichen Verhandlung - auch im Hinblick auf seinen angegriffenen Gesundheitszustand (vgl. Dr. A. vom 01.06.2005) - nicht ersichtlich, dass er in der Bundesrepublik Deutschland irgendwelche Kontakte zu gewaltbereiten terroristischen Gruppierungen hat oder solche für die Zukunft anstrebt, weshalb ein irgendwie geartetes Gefährdungsmoment nicht auszumachen ist. Ihm geht es ersichtlich vielmehr darum, seine gesamte Situation einschließlich des gesundheitlichen Aspekts zu konsolidieren und nach den erlittenen Misshandlungen eine neue Lebensperspektive aufzubauen.
28 
f) Abgesehen davon fehlt es - auch nach dem Urteil des Staatssicherheitsgericht - bei Herrn Y an konkreten Feststellungen zu Aktivitäten, die - neben der bloßen Mitgliedschaft - die Bagatellgrenze überschreiten. Denn im Urteil ist lediglich von einer Mitgliedschaft und Plakatkleben die Rede, ohne dass nähere Einzelheiten über Dauer und ausmaß der Tätigkeiten mitgeteilt würden. Schon aus diesem Grund fiele Herr Y nicht in den Anwendungsbereich der vom Bundesamt geprüften Bestimmungen des Absatzes 8 S. 2 2. und 3. Fallvariante.
29 
10. Liegen demnach die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vor, kann auch die Abschiebungsandrohung keinen Bestand haben, soweit hierin die Abschiebung in die Türkei angedroht wurde (vgl. § 34 AsylVfG i.V.m. § 59 Abs. 3 AufenthG).
30 
II. Herr Y kann jedoch nicht als Asylberechtigter anerkannt werden. Dem steht Art. 16a Abs. 2 GG entgegen. Er hat nicht den erforderlichen Nachweis erbracht, dass er auf dem Luftweg und damit nicht über einen sicheren Drittstaat eingereist ist (vgl. im Einzelnen GK-AsylVfG, § 26a Rdn. 41 ff.). Seine Angaben beim Bundesamt sind insgesamt nicht glaubhaft. Denn insbesondere ist nicht nachvollziehbar, dass er den in den bei der Einreise verwendeten Pass eingetragenen Namen nicht gekannt haben will, hätte dies doch dazu geführt, dass er im Falle eine diesbezüglichen Nachfrage bei der Einreisekontrolle sofort als illegal Einreisender identifiziert worden wäre. Hätte er aber beim Bundesamt oder im gerichtlichen Verfahren den Namen angegeben, so hätte seine Einreise vermittels der Passagierlisten der Fluggesellschaften nachvollzogen werden können.
31 
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 S. 1 und § 83b AsylVfG.

Gründe

 
11 
Das Gericht konnte trotz des Ausbleibens von Beteiligten zur Sache verhandeln und entscheiden, da in den ordnungsgemäßen Ladungen auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO). Es entscheidet im Einverständnis der Beteiligten durch den Vorsitzenden (vgl. § 87 a Abs. 2 VwGO).
12 
Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.
13 
I. Herr Y hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung einen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG.
14 
1. Nach § 60 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch dann vorliegen, wenn die Bedrohung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der Freiheit allein an das Geschlecht anknüpft. Eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 kann ausgehen von a) dem Staat, b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder c) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den Buchstaben a und b genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.
15 
2. Wer um Asyl oder um Abschiebungsschutz im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG nachsucht, hat seine Gründe für eine politische Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Es gehört zu seinen Obliegenheiten, hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse und Erlebnisse von sich aus unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Begehren lückenlos zu tragen (vgl. etwa BVerfG, B. v. 29.11.1990 - 2 BvR 1095/90 - InfAuslR 1991, 94; BVerwG, U. v. 30.10.1990 9 C 72.89 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 135; v. 30.10.1990 - 9 C 64.89 - Buchholz 310 § 137 Nr. 165). Das Gericht muss die volle Überzeugung von der Wahrheit des von einem Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet (BVerwG, B. v. 21.07.1989 - 9 B 239.89 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 113). An der erforderlichen Glaubhaftmachung fehlt es in der Regel, wenn das Vorbringen im Lauf des Verfahrens in einer ins Gewicht fallenden Weise gesteigert wird, insbesondere wenn Tatsachen, die für das Begehren als maßgeblich betrachtet werden, ohne vernünftige Erklärung erst spät in das Verfahren eingeführt werden, ferner wenn während des Verfahrens unterschiedliche Angaben gemacht werden und das Vorbringen in wesentlichen Punkten nicht überzeugend auflösbare Widersprüche oder sonst Unstimmigkeiten enthält, sowie auch dann, wenn die Darstellung nach der Lebenserfahrung der erforderlichen Plausibilität entbehrt oder im Blick auf vergleichbare bekannte Geschehensabläufe als unglaubhaft erscheint (vgl. zum Ganzen die angeführte Rechtsprechung).
16 
3. Gemessen hieran ist das Gericht auch aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnen Eindrucks von seiner Person und unter Berücksichtigung der Angaben des Bruders in dessen Asylverfahren zu der Überzeugung gelangt, dass Herr Y im Verfahren vor dem Bundesamt wie auch im gerichtlichen Verfahren wahrheitsgemäße Angaben gemacht hat. Hiernach steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass er (zusammen mit seinem Bruder) im November 1995 von der Polizei verhaftet und im Anschluss hieran im Polizeigewahrsam schwersten Misshandlungen und Foltermaßnahmen unterzogen wurde. Dabei ist das Gericht auch zu der Überzeugung gelangt, dass er in diesem Zusammenhang zu Unrecht der Mitgliedschaft und Mitarbeit in der terroristischen Organisation DHKP-C verdächtigt bzw. beschuldigt wurde, weshalb dann die insoweit am 17.11.1998 erfolgte Verurteilung durch das Staatssicherheitsgericht A auf keiner ausreichenden Grundlage beruhte. Zwar ist dem Bundesamt im Ausgangspunkt zuzugeben, dass dieses Urteil nicht von vornherein für das Asylverfahren ohne Bedeutung sein muss, zumal mit ihm auch eine Reihe von Angeklagten freigesprochen wurden. Andererseits vermochte Herr Y das Gericht davon zu überzeugen, dass er die verwerteten Geständnisse unter Folter abgelegt hatte. Angesichts dessen und unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Gerichtsverfahren vor den Staatssicherheitsgerichten zumindest zum damaligen Zeitpunkt keineswegs als rechtsstaatlich unbedenklich beurteilt werden müssen, könnte von der Richtigkeit der dort getroffenen Feststellungen nur ausgegangen werden, wenn das Urteil auch aufgrund anderer überzeugender Beweise und Beweisführungen die Begehung der fraglichen Taten untermauert hätte. Dieses ist, wie die in der mündlichen Verhandlung in Auszügen erfolgte Übersetzung des Urteils ergeben hat, indessen nicht der Fall. Die Ziffer 4.3 des Urteils, die Herrn Y betrifft, beschränkt sich auf nicht nachvollziehbare Behauptungen und lässt jede abwägende Beweiswürdigung vermissen, insbesondere fehlt jede Begründung dazu, weshalb dem Zeugen K die in der Verhandlung - abweichend zu den polizeilichen Vernehmungen - gemachte Aussage nicht geglaubt wurde. Abschließend ist in diesem Zusammenhang noch auf die Erwägung des Bundesamts einzugehen, dass für die Mitgliedschaft von Herrn Y auch spreche, dass er an dem Todesfasten zahlreicher Gefangener teilgenommen hat, das letztlich wegen Haftunfähigkeit zu seiner vorübergehenden Freilassung geführt hatte. Auch wenn davon auszugehen ist, dass das fragliche Todesfasten wesentlich durch die DHKP-C initiiert und gesteuert war (vgl. AA v. 20.09.2001 an VG Würzburg), so ist doch der Rückschluss des Bundesamts nicht ausreichend tragfähig, zumal selbst das Auswärtige Amt betont, dass die Aktionen nur teilweise in der Hand linksextremer Gruppen waren (vgl. Lagebericht v. 20.03.2002, S. 11 f.). Das Gericht hat diesen Gesichtspunkt in der mündlichen Verhandlung nochmals eingehend mit Herrn Y erörtert. Er hat dabei darauf hingewiesen, dass er an dieser Aktion aus existentieller Verzweiflung angesichts der zu Unrecht erfolgten Verurteilung und der erlittenen Foltermaßnahmen teilgenommen habe, ohne dabei abzustreiten, dass er hierbei auch durch das Erleben in der Gruppe mit anderen Inhaftierten bestärkt worden war. Eine wie auch immer geartete Einbindung von Herrn Y in die Ziele der DHKP-C ist in diesem Zusammenhang nicht deutlich geworden.
17 
4. Hat er Y somit schwerste Eingriffe in seine körperlich Integrität und bis zu seiner vorübergehenden Freilassung im Juli 2001 infolge der langjährigen Haft in seine persönliche Freiheit erlitten, so steht für das Gericht fest, dass er im Jahre 2002 vorverfolgt ausgereist ist. Dass er dies nicht unmittelbar nach der Freilassung getan hatte, unterbricht den erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht schon deshalb nicht, weil er aufgrund seines zur Haftentlassung führenden Gesundheitszustands zu einer Ausreise zunächst gar nicht in der Lage war.
18 
5. Der Umstand, dass Herr Y nicht Träger des asylerheblichen Merkmals war, führt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht dazu, dass den in Frage stehenden staatlichen Maßnahmen die Asylerheblichkeit abgesprochen werden könnte (vgl. B.v. 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 - E 80, 315 <340>; B.v. 20.12.1989 - 2 BvR 956/86 - E 81, 142 <151>; B.v. 28.02.1992 - 2 BvR 1608/90 - InfAuslR 1992, 215 <218>; v. 28.01.1993 - 2 BvR 1803/92 - InfAuslR 1993, 142; v. 22.11.1996 - 2 BvR 2 BvR 1753/96 - AuAS 1997, 6).
19 
6. Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass Herr Y Mitglied in der Organisation war und in dieser gearbeitet hatte, so gilt unabhängig von dem Vorgesagten: Zwar wäre unter diesen Umständen eine strafrechtliche Verfolgung und Ahndung im Ausgangspunkt zunächst als asylirrelevant zu beurteilen (vgl. BVerfG, B.v. 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 - E 80, 315 <337>; B.v. 20.12.1989 - 2 BvR 956/86 - E 81, 142 <149 f.>). Eine an sich unerhebliche Verfolgung von Straftaten kann aber nach dieser Rechtsprechung in politische Verfolgung umschlagen, wenn objektive Umstände darauf schließen lassen, dass der Betroffene auch wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt wird, wofür eine erheblich härtere Behandlung und/oder Bestrafung eine wichtiges Indiz sein kann. Namentlich erlittene unmenschliche Behandlung oder Folter können von asylerheblicher Relevanz sein, wenn der hiervon Betroffene als politisch überzeugter Täter getroffen werden soll (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.1989 - 2 BvR 956/86 - E 81, 142 <151 f.>; B.v. 07.07.1993 - 2 BvR 400/93 - juris). In diesem Fall stellt die Anwendung von Folter regelmäßig jedenfalls ein gewichtiges Indiz für die asylerhebliche Zielrichtung der zu beurteilenden staatlichen Maßnahme dar (vgl. BVerfG , B.v. 09.01.1991 - 2 BvR 935/90 - InfAuslR 1992, 59 <62>; v. 03.07.1996 - 2 BvR 1957/94 - InfAuslR 1996, 318 <321>). Die Asylerheblichkeit kann nur dann verneint werden, wenn verlässliche Feststellungen getroffen werden können, dass vergleichbar massive Folterungen auch bei der Ahndung anderer „normaler“ krimineller Taten angewendet werden. Solches ist aber nach den verwerteten Erkenntnismittel nicht im Ansatz erkennbar. Gegen eine verfolgungsbedingte Ausreise kann hier auch nicht eingewandt werden, dass die asylerheblichen Maßnahmen bereits im Jahre 1997 erlitten wurden, die Ausreise jedoch erst im Jahre 2002 erfolgte. Denn Herr Y war bis Juli 2001 wegen der Haft und sodann wegen seines Gesundheitszustands nicht in der Lage auszureisen.
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7. Als vorverfolgt ausgereistem Flüchtling wäre Herrn Y eine Rückkehr nur dann zuzumuten, wenn er im Falle der Rückkehr vor erneuter Verfolgung hinreichend sicher wäre (vgl. BVerfG, B.v. 02.07.1980 - 1 BvR 147/80, E 54, 341 <361 f.>; v. 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 - E 80, 315 <344>), ohne dass allerdings der Maßstab einer an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen wäre (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 18.02.1997 - 9 C 9.96 - E 104, 97). Davon kann gegenwärtig nach den verwerten Erkenntnismitteln nicht ausgegangen werden. Zunächst ist davon auszugehen, dass Herr Y aktuell per Haftbefehl gesucht wird, weil er nur bedingt und vorübergehend wegen seines Gesundheitszustands aus der Strafhaft entlassen wurde und sich der weiteren Strafvollstreckung durch die Flucht entzogen hat. Zudem ergibt sich aus den vorgelegten, durch den Rechtsanwalt in der Türkei übersandten Unterlagen, dass gegen Herrn Y. wegen der Teilnahme an dem „Todesfasten“ ein Ermittlungsverfahren durchgeführt wird. Deshalb hat er zu gewärtigen, unmittelbar bei seiner Einreise durch die Polizei verhaftet zu werden. Zwar trifft die Annahme des Bundesamtes durchaus zu, dass auch schon in der Vergangenheit in den Phasen von Untersuchungs- oder Strafhaft in der Türkei der Betroffene nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit Folter oder Misshandlungen zu rechnen hatte, wobei letztlich offen bleiben kann, ob in der Vergangenheit auch dem hier zugrunde zu legenden Maßstab der hinreichenden Sicherheit genügt wurde. Vorliegend ist aber zu beachten, dass Herr Y. zunächst bei seiner Ankunft in Polizeihaft genommen würde, bei der er sicherlich im Übrigen auch nach den Umständen seines Aufenthalts im Ausland befragt würde, was eine andere Beurteilung notwendig macht. Zwar geht das Gericht aufgrund der verwerteten Erkenntnismittel davon aus, dass mit Rücksicht auf die jüngsten Veränderungen in der Türkei ein „politischer Straftäter“ im Falle der Polizeihaft wohl nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit Folter und Misshandlungen rechnen müsste. Dieses kann jedoch letztlich unentschieden bleiben. Jedenfalls ist nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand, insbesondere auch aufgrund der vielfältigen Berichte der Menschenrechtsorganisationen in der Türkei, auch wenn die von diesen registrierten Folterfälle nicht ausnahmslos verifiziert worden sind (vgl. hierzu AA Lagebericht v. 03.05.2005), davon auszugehen, dass nach wie vor ein nicht gänzlich unbedeutendes Restrisiko verblieben ist, das die Annahme einer hinreichenden Sicherheit nicht rechtfertigt. Das Gericht macht sich insoweit auch die überzeugenden Ausführungen und tatsächlichen Feststellungen des OVG Münster im Urteil vom 19.04.2005 (8 K 273/04.A - S. 49 ff.) sowie des OVG Weimar im Urteil vom 13.01.2005 (3 KO 1047/04 - S. 22 ff.) zu eigen, auf die ausdrücklich Bezug genommen wird.
21 
8. Der Feststellung nach § 60 Abs. 1 AufenthG steht auch nicht § 60 Abs. 8 AufenthG entgegen. Dies folgt hier schon daraus, dass Herr Y nach Überzeugung des Gerichts nicht Mitglied in der DHKP-C war und nicht für diese aktiv geworden war.
22 
9. Aber selbst wenn man dem nicht folgen wollte, ist von Folgendem auszugehen:
23 
a) Bei allen fünf Fallvarianten des Absatzes 8 ist nach Auffassung des Gerichts, auch wenn es nicht in jedem Fall ausdrücklich zur Tatbestandvoraussetzung gemacht wurde, die Einschränkung zu machen, dass von den Betreffenden auch in der Zukunft eine konkrete Gefahr, wie sich in der Begehung der jeweils genannten Taten manifestiert hatte, ausgehen muss, weil nur unter dieser Voraussetzung auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U.v. 30.03.1999 - 9 C 31.98 - E 109, 1) die Asylberechtigung, auf die die Vorschrift ebenfalls anwendbar ist, verfassungsrechtlich unbedenklich „neutralisiert“ werden kann. Denn andernfalls würde es an einem zumindest gleichrangigen zu schützenden Rechtsgut von Verfassungsrang fehlen, das allein eine Zurückdrängung des Asylgrundrechts zu rechtfertigen vermag (so zutreffend auch OVG Koblenz, U.v. 6.12.2002 – 10 A 10089/02 – NVwZ-RR 2003, 596 <599>). Insbesondere wird auch durch eine rechtskräftige Verurteilung im Sinne von Absatz 3 S. 1 2. Alt. das Erfordernis einer konkreten Wiederholungsgefahr in Bezug auf eine entsprechende schwere Straftat nicht ersetzt (vgl. BVerwG, U.v. 16.11.2000 – 9 C 8.00 – E 112, 185 ; VGHBW, B.v. 9.11.2001 – 10 S 1900/01 – InfAuslR 2002, 175). Das Bundesverwaltungsgericht hat sich allerdings in diesem Zusammenhang explizit nur zu § 60 Abs. 8 S. 1 AufenthG bzw. § 51 Abs. 3 S. 1 AuslG 1990 geäußert, nicht jedoch zu Satz 2. Ausgehend von dem argumentativen Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts kann insoweit aber nichts anderes gelten. Ist in den Fallvarianten 2 und 3 des Satzes 2 (vgl. zur Auslegung des Begriffs „schweren nichtpolitischen Verbrechens“ im Kontext des Terrorismus GK-AsylVfG § 2 Rdn. 35; zu den - gewandelten „Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen“ OVG Koblenz, U.v. 6.12.2002 - 10 A 10089/02 - NVwZ-RR 2003, 596 < >) keine Wiederholungsgefahr feststellbar, so kann allerdings nach dem von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Terrorismusvorbehalt gleichwohl das Asylgrundrecht nicht eingreifen (vgl. B.v. 10.7.1989 – 2 BvR 502/86 – E 80, 315 <336 ff.>; B.v. 20.12.1989 – 2 BvR 958/86 – E 81, 142), der nicht von der Feststellung einer Wiederholungsgefahr abhängig ist. Der Beschluss vom 20.12.1989 betrifft gegenüber dem vom 10.7.1989 nur einen Sonderfall, in dem auch ein Politmalus nicht asylbegründend sein kann (vgl. BVerfG , B.v. 26.10.2000 - 2 BvR 1280/99 - InfAuslR 2001, 89).
24 
b) In Bezug auf den flüchtlingsrechtlich abgeleiteten Abschiebungsschutz ist diese Einschränkung allerdings nicht für alle fünf Varianten zwingend durch den Wortlaut der zugrunde liegenden Bestimmung des Art. 1 F GFK (entspricht Absatz 8 S. 2) vorgegeben, sondern nur, soweit hinter Absatz 8 S. 1 die Bestimmung des Art. 33 Abs. 2 GFK steht. Zwar enthält die Bestimmung des Art. 1 F GFK sicherlich ein gewichtiges wertendes Element der „Asylunwürdigkeit“ (vgl. hierzu GK-AsylVfG, vor II-2 Rdn. 25; Hailbronner, Ausländerrecht, § 51 AuslG Rdn. 37). Es wäre jedoch eine verkürzte Sichtweise, wenn man hierbei stehen bleiben wollte. Denn auch diese völkervertraglichen Ausschlussgründe stehen unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit, der bei lange zurück liegenden Taten und insbesondere auch einer mittlerweile glaubwürdig erfolgten Distanzierung des oder der Betroffenen ein Zurückstellen des Flüchtlingsschutzes nicht mehr rechtfertigt (so im Ausgangspunkt UNHCR Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, ZAR 2004, 207 ff. Nr. 23 f.). War jemand aber etwa in der Vergangenheit zweifelsfrei in eine terroristische Organisation strukturell eingebunden (vgl. hierzu noch im Folgenden), so wird allerdings eine – widerlegbare – Vermutung für seine weitere Gefährlichkeit sprechen (vgl. auch OVG Koblenz, U.v 6.12.2002 – 10 A 10089/02 - NVwZ-RR 2003, 596 <600>). Es ist danach Sache der Betroffenen hinreichend glaubhaft zu machen, dass eine vollständige Distanzierung von der Organisation, ihren Zielen und Methoden erfolgt ist. Es ist aber nicht gerechtfertigt, bei „besonders verabscheuungswürdigen Verbrechen“ im Falle einer entsprechenden Distanzierung gleichwohl die Ausschlussklausel anzuwenden (so aber UNHCR, Richtlinien, a.a.O., Nr. 24).
25 
c) Generell gilt für die Gefahrprognose: Die Rechtsprechung legt im Recht der Ausweisung bei der Beurteilung einer Wiederholungsgefahr einen gleitenden nach Art und Ausmaß der möglichen Schäden ausgerichteten differenzierenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrunde, wie er auch allgemein im Polizei- und Ordnungsrecht anerkannt ist (vgl. hierzu im Einzelnen zunächst GK-AuslR § 45 Rdn. 389 ff.). Eine derartige Relativierung nach Maßgabe des möglichen (großen) Schadens darf im vorliegenden Kontext jedoch nicht erfolgen. Zum einen folgt dies schon systemimmanent auf der einfach-gesetzlichen Ebene aus der Tatsache, dass die Norm überhaupt nur schwere Straftaten und damit die Verletzung erheblicher und gewichtiger Rechtsgüter erfasst und zum Anlass nimmt, überhaupt in eine Gefahrprognose einzutreten. Bei dieser Ausgangslage kann angesichts des beispielsweise ausdrücklich normierten weiteren Tatbestandsmerkmals einer „Gefahr für die Allgemeinheit“ nicht angenommen werden, dass hier der ordnungsrechtlich anerkannte relativierende Maßstab gemeint sein könnte, da es dann nahe gelegen hätte, etwa zu formulieren, dass „eine erneute Wiederholung aufgrund konkreter Tatsachen nicht ausgeschlossen werden kann“ (vgl. auch die vom BVerwG, B.v. 19.3.1990 – 1 B 27.90 – Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 122, ausdrücklich gebilligten Ausführungen des VGHBW). Zum anderen wäre eine derartige Relativierung ungeeignet, ein hinreichend gewichtiges Rechtsgut von Verfassungsrang zu beschreiben und zu begründen, das geeignet wäre, das Asylgrundrecht zu überwinden.
26 
d) Besondere Schwierigkeiten kann - vornehmlich bei den drei Fallvarianten des Satzes 2 - allerdings im Einzelfall die Beantwortung der Frage bereiten, ob und unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen eine hinreichend klare Zurechnung und persönliche Verantwortung der Betroffenen vorgenommen bzw. festgestellt werden kann. Anders ausgedrückt: Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Mitgliedschaft und Mitarbeit in einer Organisation, der konkrete terroristische Gewalttaten, Kriegsverbrechen etc. zugeschrieben werden können, bereits als eine Tat im Sinne des Absatzes 8 zu betrachten ist. Unproblematisch ist dies bei denjenigen Personen, die Täter oder Teilnehmer (Anstifter und Gehilfe) im strafrechtlichen Sinn bezüglich der jeweiligen Straftat oder Handlung sind, die in Absatz 8 zum konkreten Anknüpfungspunkt genommen wird (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, ZAR 2004, 207 Nr. 18). Problematischer sind hingegen die Fälle, in denen etwa „nur“ ein „Organisationsdelikt“begangen wurde und beispielsweise keine Täterschaft oder Teilnahme an erheblichen, insbesondere terroristischen Gewalttaten selbst festgestellt werden kann. Entsprechende Fragestellungen ergeben sich auch in Fällen von „Regierungskriminalität“. Auch wenn weitgehend Einigkeit besteht, dass die hier zugrunde liegenden Bestimmungen der Art. 1 F GFK und 33 Abs. 2 GFK eng auszulegen sind und zuvörderst die Akteure der Gewalt und des Terrors selbst betreffen, bieten die Vorschriften keinen ausreichenden Anhalt, dass hier generell eine Abschiebung bzw. ein Ausschluss unzulässig wäre (so aber ohne überzeugende Argumente Marx, InfAuslR 2005, 218 <226 f.>). Dessen Sichtweise entspricht bemerkenswerter Weise nicht einmal mehr dem aktuell von UNHCR eingenommenen Standpunkt (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, a.a.O., Nr. 18 ff.). Eher unproblematisch sind dabei nach Auffassung des Gerichts zunächst die Fälle der führenden Köpfe und Funktionäre (auch Regierungsmitglieder im Falle des Satzes 2 1. Fallvariante), die allesamt maßgeblichen Einfluss auf die Ziele und die die Organisation prägenden Aktivitäten genommen haben und nehmen, selbst wenn diesen eine Täterschaft oder Teilnahme an bestimmten Einzelaktionen nicht konkret nachgewiesen werden kann. Es sind dies die Fälle, in denen „sich die von die Organisation ausgehende Gefährdungen in der Person des Ausländers konkretisieren“ (vgl. BVerwG, U.v. 31.05.1994 - 1 C 5.93 - E 96, 86 <91 f.>; U.v. 30.03.1999 - 9 C 31.98 - E 109, 1). Im Übrigen handelt sich dabei typischer Weise im Wesentlichen um den Personenkreis, der nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine aktive Unterstützung terroristischer Aktivitäten vollbringt und damit aus der Asylgewährleistung herausfällt (vgl. B.v. 10.7.1989 – 2 BvR 502/86– E 80, 315 <336 ff.>; B.v. 20.12.1989 – 2 BvR 958/86 – E 81, 142). Bei qualifiziert gewalttätigen terroristischen Gruppierungen beispielsweise, die dann auch regelmäßig in hohem Maße konspirativ und im Untergrund agieren werden, kann es aber nach Maßgabe einer Bewertung aller Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt sein, auch in der „Mitgliedschaft“ und - von Bagatellen abgesehen – kontinuierlichen aktiven Mitarbeit bei struktureller Einbindung in die Organisation ein ausreichendes Zurechnungsmoment zu erkennen, weil hier grundsätzlich alle Elemente der Mitarbeit in ihrer Vielzahl und Vielfalt den Zusammenhalt der Organisation und damit dann auch deren Zielverwirklichung fördern bzw. ihr zugute kommen, was dann letztlich auch ihre spezifische Gefährlichkeit ausmacht (in diesem Sinne nunmehr auch UNHCR, Richtlinien zur Anwendung der Ausschlussklauseln, a.a.O., Nr. 19). Die beweiskräftige Feststellung einer hervorgehobenen Funktion oder Funktionärstätigkeit ist hier nicht mehr erforderlich und wäre bei einer realistischen Betrachtungsweise einer so beschriebenen Organisation auch lebensfremd. Gegen dieses Ergebnis kann auch nicht Art. 12 RL 2004/83/EG v. 29.4.2004 (ABl. L 304, 12) eingewandt werden (so aber Marx, a.a.O., 226). Denn nach deren Absatz 3 findet der Ausschluss auch Anwendung auf Personen, die andere zu den Straftaten und Handlungen im Sinne des Absatzes 2 anstiften oder sich „in sonstiger Weise daran beteiligen“. Diese zweite Alternative ist so weit gehalten, dass auch andere als strafrechtlich relevante Beihilfehandlungen zu dem eigentlichen terroristischen Akt erfasst werden.
27 
e) Im Falle von Herrn Y ist nach der eingehenden Erörterung in der mündlichen Verhandlung - auch im Hinblick auf seinen angegriffenen Gesundheitszustand (vgl. Dr. A. vom 01.06.2005) - nicht ersichtlich, dass er in der Bundesrepublik Deutschland irgendwelche Kontakte zu gewaltbereiten terroristischen Gruppierungen hat oder solche für die Zukunft anstrebt, weshalb ein irgendwie geartetes Gefährdungsmoment nicht auszumachen ist. Ihm geht es ersichtlich vielmehr darum, seine gesamte Situation einschließlich des gesundheitlichen Aspekts zu konsolidieren und nach den erlittenen Misshandlungen eine neue Lebensperspektive aufzubauen.
28 
f) Abgesehen davon fehlt es - auch nach dem Urteil des Staatssicherheitsgericht - bei Herrn Y an konkreten Feststellungen zu Aktivitäten, die - neben der bloßen Mitgliedschaft - die Bagatellgrenze überschreiten. Denn im Urteil ist lediglich von einer Mitgliedschaft und Plakatkleben die Rede, ohne dass nähere Einzelheiten über Dauer und ausmaß der Tätigkeiten mitgeteilt würden. Schon aus diesem Grund fiele Herr Y nicht in den Anwendungsbereich der vom Bundesamt geprüften Bestimmungen des Absatzes 8 S. 2 2. und 3. Fallvariante.
29 
10. Liegen demnach die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vor, kann auch die Abschiebungsandrohung keinen Bestand haben, soweit hierin die Abschiebung in die Türkei angedroht wurde (vgl. § 34 AsylVfG i.V.m. § 59 Abs. 3 AufenthG).
30 
II. Herr Y kann jedoch nicht als Asylberechtigter anerkannt werden. Dem steht Art. 16a Abs. 2 GG entgegen. Er hat nicht den erforderlichen Nachweis erbracht, dass er auf dem Luftweg und damit nicht über einen sicheren Drittstaat eingereist ist (vgl. im Einzelnen GK-AsylVfG, § 26a Rdn. 41 ff.). Seine Angaben beim Bundesamt sind insgesamt nicht glaubhaft. Denn insbesondere ist nicht nachvollziehbar, dass er den in den bei der Einreise verwendeten Pass eingetragenen Namen nicht gekannt haben will, hätte dies doch dazu geführt, dass er im Falle eine diesbezüglichen Nachfrage bei der Einreisekontrolle sofort als illegal Einreisender identifiziert worden wäre. Hätte er aber beim Bundesamt oder im gerichtlichen Verfahren den Namen angegeben, so hätte seine Einreise vermittels der Passagierlisten der Fluggesellschaften nachvollzogen werden können.
31 
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 S. 1 und § 83b AsylVfG.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.

(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 14.09.2007 wird aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG zu erteilen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung und begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Der am … 1973 geborene Kläger ist indischer Staatsangehöriger. Er stellte am 24.07.2001 zusammen mit seiner Ehefrau und zwei Kindern einen Asylantrag. Sein Antrag wurde vom damaligen Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge abgelehnt. Seine Klage beim Verwaltungsgericht ... blieb ohne Erfolg (Urteil vom 15.10.2003 - ... -).
Im Folgeantragsverfahren des Klägers wurde das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch Urteil des Verwaltungsgerichts ... vom 26.05.2006 - ... - verpflichtet festzustellen, dass beim Kläger in Bezug auf Indien ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG vorliegt. In demselben Urteil wurde das Verfahren eingestellt, soweit der Kläger seine Klage bezüglich der Zuerkennung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG zurückgenommen hatte. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass dem Kläger aufgrund seiner exponierten Stellung innerhalb der ISYF (Vorstand der Unterorganisation der ISYF in ...) bei seiner Rückkehr nach Indien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter drohe.
Mit Bescheid vom 19.07.2006 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG hinsichtlich Indiens fest.
Am 04.08.2006 stellte der Kläger bei der unteren Ausländerbehörde einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Das Regierungspräsidium ... stimmte nicht zu.
Mit Schreiben vom 03.07.2007 hörte der Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Ausweisung an. Mit Schreiben vom 19.07.2007 wurde ergänzend darauf hingewiesen, dass sich die Bedenken am weiteren Aufenthalt des Klägers in Deutschland aus seiner Tätigkeit für die International Sikh Youth Federation (ISYF) ergäben, die von der Europäischen Union als terroristische Organisation eingestuft werde.
Mit Schreiben vom 02.08.2007 wies der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hin, dass es eine aktuelle Auskunft des Auswärtigen Amtes gebe, nach der die ISYF seit dem Jahr 2000 nicht mehr terroristisch tätig sei. Mit Schreiben vom 20.08.2007 führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus, von der bloßen Funktionärstätigkeit für die ISYF darauf zu schließen, dass der Kläger sich Handlungen zuschulden kommen lasse, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderliefen, sei bedenklich. Die ISYF werde von den Verfassungsschutzämtern überwacht. Es lägen aber keinerlei konkrete Erkenntnisse über deren Verwicklung in terroristische Aktivitäten vor. Nach den Ermittlungen und Beobachtungen des Auswärtigen Amtes sei die ISYF seit der Jahrtausendwende nicht mehr in terroristische Aktivitäten verwickelt.
Das Regierungspräsidium ... wies den Kläger mit Verfügung vom 14.09.2007 aus der Bundesrepublik Deutschland aus und lehnte seinen Antrag auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 04.08.2006 ab.
Zur Begründung wurde ausgeführt, nach § 54 Nr. 5 AufenthG werde ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigten, dass er einer Vereinigung angehöre oder angehört habe, die den Terrorismus unterstütze, oder er eine derartige Vereinigung unterstütze oder unterstützt habe, wobei die Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden könne, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründeten. Die ISYF sei eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze. Sie habe terroristische Aktivitäten bislang vorwiegend in Indien entwickelt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei davon auszugehen, dass die ISYF an den Vorbereitungen des Anschlags auf den indischen Botschafter in Bukarest im Jahre 1991 beteiligt gewesen sei. Das Auswärtige Amt führe in seinem Lagebericht Indien vom 19.11.2006 aus, dass die terroristische Gewalt im Punjab seit 2000 nahezu vollständig zum Erliegen gekommen sei und sich die dortige Situation normalisiert habe. Die Angehörigen der verschiedenen militanten Gruppen hätten den Punjab verlassen, operierten jedoch aus anderen Bundesstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhielten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland. Deutschland diene hier lebenden Sikh-Extremisten als Ruhe- und Finanzierungsbasis. Die deutsche Sektion der ISYF sammle hauptsächlich Spenden zur Unterstützung der Mutterorganisation in Indien, fördere also den Terrorismus durch Zurverfügungstellung von Geld. Darüber hinaus organisiere sie gemeinsam mit anderen extremistischen Sikh-Gruppen regelmäßig auch überregionale öffentliche Veranstaltungen und Protestdemonstrationen anlässlich indischer Nationalfeiertage. Die ISYF werde von der Europäischen Union als terroristische Organisation angesehen (vgl. Gemeinsamer Standpunkt 2007/448/GASP des Rates vom 28.06.2007). Auch in Indien werde die ISYF als terroristische Organisation in der Anlage zum Unlawful Activities Prevention Act von 1967 eingestuft.
10 
Der Kläger sei Mitglied der ISYF und unterstütze diese. Er sei bereits in Indien für die ISYF tätig gewesen. In ... sei er am 25.04.2005 zum Präsidenten der ISYF gewählt worden. Die Unterstützungshandlungen für die ISYF seien dem Kläger auch zurechenbar. Aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit für die ISYF sowie seiner herausragenden Funktion in dieser Vereinigung seien dem Kläger auch deren terroristische Bestrebungen bekannt. Auch aufgrund seiner Aussagen im Rahmen der Anhörung im Asylverfahren wisse er, dass die ISYF zur Realisierung ihrer Ziele den gewaltsamen Weg befürworte und er legitimiere sogar selbst den Einsatz der Gewalt zur Erreichung eines unabhängigen Khalistan. Es sei nicht erkennbar, dass sich der Kläger von der ISYF oder deren Zielen abgekehrt habe.
11 
Ein besonderer Ausweisungsschutz greife beim Kläger nicht. Ein Ausnahmefall vom Regelfall liege ebenfalls nicht vor. Die Ausweisung sei auch aus generalpräventiven Gründen gerechtfertigt. Eine Atypik folge nicht aus der Lebenssituation des Klägers. Es werde nicht verkannt, dass die Familie des Klägers seit rund sechs Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet lebe und sein in Deutschland geborener Sohn aufgrund eines angeborenen Herzfehlers medizinischer Versorgung bedürfe. Eine nachhaltige wirtschaftliche Integration habe nicht stattgefunden. Seit geraumer Zeit lebe der Kläger von Sozialhilfe. Wegen des bestehenden Abschiebeverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG scheide eine Beendigung seines Aufenthalts derzeit aus. Auch in dem Falle, dass der Kläger Deutschland bei Entfallen einer Foltergefahr verlassen müsse, liege kein Ausnahmefall vor. Eine Trennung von seiner Familie oder eine gemeinsame Rückkehr in das Heimatland wäre aufgrund der von ihm ausgehenden Gefahr nicht unverhältnismäßig. Auch eine gemeinsame Rückkehr mit der Familie stelle keine unverhältnismäßige Härte dar. Das bestehende Abschiebeverbot stelle ebenfalls keinen besonderen Umstand dar, der den Kläger entlaste.
12 
Hilfsweise sei die Ausweisung auch im Ermessenswege und unter Abwägung der in § 55 Abs. 3, § 60 a Abs. 2 AufenthG genannten Kriterien gerechtfertigt (wird ausgeführt). Die Ausweisung stehe auch in Einklang mit Art. 6 GG und Art. 8 EMRK (wird ausgeführt).
13 
Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sei abzulehnen. Zwar seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG erfüllt. Einer Erteilung stehe jedoch der besondere Versagungsgrund des § 25 Abs. 3 Satz 2 c AufenthG entgegen. Danach werde eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigten, dass sich der Ausländer Handlungen zuschulden habe kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Art. 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert seien, zuwiderliefen. Die Unterstützung terroristischer Vereinigungen widerspreche diesen Zielen und Grundsätzen. Durch die Mitgliedschaft in der ISYF und aufgrund seiner exponierten Aktivitäten für diese terroristische Organisation habe er eine Handlung begangen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufe.
14 
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG komme ebenfalls nicht in Betracht. § 25 Abs. 3 AufenthG schließe die Anwendbarkeit dieser Vorschrift aus. Zudem sei die Aufenthaltserlaubnis wegen § 5 Abs. 4 AufenthG zwingend zu versagen. Die Verfügung wurde am 27.09.2007 zugestellt.
15 
Der Kläger hat am 29.10.2007, einem Montag, Klage beim Verwaltungsgericht ... erhoben. Zur Begründung trägt der Prozessbevollmächtigte des Klägers vor, § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchstabe c AufenthG stehe der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nur entgegen, wenn vom Ausländer eine aktuelle Gefährdung ausgehe. Dies ergebe sich aus dem Sinn und Zweck der Norm, die der Bekämpfung des Terrorismus im Vorfeld diene. Dies werde auch aus der Fassung des § 54 Nr. 5 AufenthG deutlich. Entgegen der Auffassung des Beklagten gehe von der Mitgliedschaft des Klägers in der ISYF derzeit keine Gefährdung für die Ziele der Vereinten Nationen aus. Vermutungen, auch wenn sie auf schwerwiegende Anhaltspunkte gestützt würden, reichten für einen Eingriff in die Rechtsgüter von Personen nicht aus. Der Terrorismusvorbehalt sei eng auszulegen. Selbst bei weiter Auslegung des Terrorismusvorbehalts sei eine gegenwärtige Gefahr durch den Kläger in der ISYF nicht feststellbar. Von dieser Organisation gehe ausweislich der jüngsten Lageberichte des Auswärtigen Amtes keine terroristische Gefahr mehr aus. Vielmehr sei sie seit Jahren nur noch politisch tätig, nicht mehr militant.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
den Bescheid des Regierungspräsidiums ... vom 14.09.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
18 
Der Beklagte beantragt,
19 
die Klage abzuweisen.
20 
Zur Begründung verweist der Beklagte zunächst auf die Begründung des angefochtenen Bescheides. Ergänzend führt er aus, der Ausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG sei vor dem Hintergrund der Resolution Nr. 1373/2001 des UN-Sicherheitsrats zur Bekämpfung des Terrorismus zu sehen. In den Blick zu nehmen sei auch der gemeinsame Standpunkt des Rates vom 27.12.2001 (2001/931/GASP), der zur Umsetzung der Resolution des UN-Sicherheitsrats beschlossen worden sei. Der Rat sei zu dem Schluss gelangt, dass die ISYF an Handlungen i.S. des gemeinsamen Standpunktes beteiligt gewesen sei und deshalb die Maßnahmen nach der Verordnung 2580/2001/EG nach dem Beschluss des Rates vom 26.01.2009 (2009/62/EG) weiterhin auf die ISYF angewendet werden solle. Die Liste nach Art. 2 Abs. 3 der Verordnung 2580/2001/EG habe als Teil einer Verordnung nach § 249 Abs. 2 EGV unmittelbar geltende Wirkung mit dem Vorrang vor dem Bundesrecht.
21 
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung einer Auskunft beim Auswärtigen Amt. Auf den Beweisbeschluss der Kammer vom 23.06.2009 und die Antwort des Auswärtigen Amtes vom 14.09.2009 wird verwiesen.
22 
Der Kammer hat die Ausweisungsakte des Regierungspräsidiums ..., die Ausländerakte der Stadt ... (bis Blatt 529) sowie die Gerichtsakte aus dem Verfahren ... vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird darauf sowie auf die Gerichtsakte aus dem Klageverfahren verwiesen.
23 
Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung eingehend zu seinen aktuellen Aktivitäten für die ISYF befragt worden. Fragen wurden teilweise nur auf mehrmaliges Nachfragen ausreichend beantwortet. Als Ergebnis der Befragung des Klägers kann zusammenfassend das Folgende festgehalten werden: Er spiele in der ISYF keine Rolle mehr. Er habe seine Aktivitäten für die ISYF vermindert. Dies sei nach der Geburt seines jüngsten Kindes im Jahr 2007 gewesen, das an einer Herzkrankheit leide. Seit Ende 2007 sei er nicht mehr der Vorsitzende der ISYF in ... Nachfolger in seiner ISYF-Gruppierung in ... sei ... geworden. Daneben gebe es noch eine weitere ISYF-Gruppierung in ... mit ... als Vorsitzendem. Er glaube, dass sein Nachfolger bei einem Treffen im April 2008 bestimmt worden sei. Er gehe noch zu Veranstaltungen und verteile Flyer. Die Veranstaltungen fänden hauptsächlich in ... statt. Mitgliederbeiträge bezahle er nicht, er sei aber noch Mitglied. Er spende Geld für die Herstellung der Flyer. Die Fahrtkosten für die Teilnahme an den Veranstaltungen in ... bezahle er selbst.

Entscheidungsgründe

 
24 
Die - fristgerecht erhobene - Klage ist zulässig und begründet. Die Ausweisung des Klägers ist rechtswidrig (1.). Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG (2.).
1.
25 
Nach § 54 Nr. 5 AufenthG wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat (Halbsatz 1). Auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen (Halbsatz 2).
26 
Diese Voraussetzungen liegen im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht vor. § 54 Nr. 5 AufenthG greift nur ein, wenn eine Unterstützung des Terrorismus im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch vorliegt. Hierzu reicht es nicht aus, dass ein Ausländer einer Organisation angehört, die früher den Terrorismus unterstützt hat. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 54 Nr. 5 Halbsatz 1 AufenthG, der von einer gegenwärtigen Gefahr durch die Stützung des Terrorismus ausgeht („die den Terrorismus unterstützt“). Es folgt auch aus dem Zweck der Ausweisungsvorschriften, die der Gefahrenabwehr in der Zukunft dienen und nicht der bloßen Sanktionierung eines Verhaltens aus der Vergangenheit. Dass die Unterstützung des Terrorismus im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts noch vorliegen muss, folgt auch aus dem Halbsatz 2 des § 54 Nr. 5 AufenthG. Dort wird vorausgesetzt, dass vom Ausländer eine gegenwärtige Gefährlichkeit ausgehen muss, wenn seine Mitgliedschaft oder Unterstützungshandlungen einer den Terrorismus unterstützenden Vereinigung in der Vergangenheit liegen. Die gegenwärtige Gefahr entfällt aber auch dann, wenn die Organisation selbst den Terrorismus nicht mehr unterstützt. Der Nachweis der Unterstützung des Terrorismus ist zwar nicht erforderlich, da es ausreicht, wenn Tatsachen eine solche Schlussfolgerung rechtfertigen. Es müssen aber Tatsachen feststellbar sein, auf die eine solche Schlussfolgerung gestützt werden kann. Der nicht durch Tatsachen belegte Verdacht reicht nicht aus.
27 
Es kann derzeit nicht festgestellt werden, dass die ISYF, deren Mitglied der Kläger noch ist, den Terrorismus (noch) unterstützt. Es kann daher offen bleiben, ob sich der Kläger, der zumindest früher exponierter Funktionär der ISYF in ... war - er wurde im April 2005 zum Vorstand der Unterorganisation der ISYF in ... bestimmt (vgl. Urteil ... ... vom 26.05.2006 - ... -) - in einem Sinne von der ISYF distanziert hat, dass ihm die Unterstützung des Terrorismus durch die ISYF, unterstellt sie würde den Terrorismus noch unterstützen, nicht mehr zugerechnet werden könnte. Käme es darauf an, bestünden auch aufgrund des Verhaltens des Klägers in der mündlichen Verhandlung erhebliche Zweifel daran, ob eine Distanzierung des Klägers von derartigen Zielen der ISYF vorläge. Bei seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung gab der Kläger zu Zweifeln an seiner Bereitschaft Anlass, sein Verhältnis zur ISYF ehrlich darzustellen.
28 
Für die Beurteilung der Frage, ob es sich bei der ISYF gegenwärtig um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, wertet die Kammer die ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel aus. Eine rechtliche Bindung an einzelne Erkenntnismittel besteht nicht.
29 
Dies gilt insbesondere für den gemeinsamen Standpunkt 2008/586/GASP des Rates vom 15.07.2008 (ABl. vom 16.07.2008, L 188/71) zur Aktualisierung des gemeinsamen Standpunktes 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des gemeinsamen Standpunkts 2007/871/GASP. Der gemeinsame Standpunkt 2001/931/GASP des Rates vom 27.12.2001 (vgl. ABl. vom 28.12.2001, L 344/93) enthält einen Anhang mit Personen, Vereinigungen und Körperschaften, auf die der gemeinsame Standpunkt Anwendung findet. Jedenfalls seit der Aktualisierung durch den gemeinsamen Standpunkt 2008/586/GASP gehört auch die International Sikh Youth Federation - ISYF - zu den Gruppen und Organisationen, auf die der genannte gemeinsame Standpunkt Anwendung findet. Die gemeinsamen Standpunkte des Rates beruhen auf Art. 15 EUV. Nach dieser Vorschrift nimmt der Rat gemeinsame Standpunkte an. In den gemeinsamen Standpunkten wird das Konzept der Union für eine bestimmte Frage geografischer oder thematischer Art bestimmt. Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass ihre einzelstaatliche Politik mit dem gemeinsamen Standpunkt in Einklang steht. Aus Art. 15 Satz 3 EUV ist der Schluss zu ziehen, dass eine Bindung der innerstaatlichen Gerichte an Inhalte eines gemeinsamen Standpunktes nicht besteht. Der gemeinsame Standpunkt ist gerichtet an die Mitgliedstaaten, die ihn erst in innerstaatliche Politik umsetzen müssen. Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Bedeutung gemeinsamer Standpunkte liegt, soweit es der Kammer erkennbar ist, nicht vor. In seinem Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - (InfAuslR 2005, 374) hat sich das Bundesverwaltungsgericht zu den gemeinsamen Standpunkten 2005/220/GASP und 2001/931/GASP nur in dem Sinne geäußert, dass der Verwaltungsgerichtshof, an den das Verfahren zurückverwiesen wurde, sich mit den Beschlüssen des Rates der Europäischen Union über Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus befassen müsse. Die Annahme einer rechtlichen Bindungswirkung folgt aus dem Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts an den Verwaltungsgerichtshof nicht. Eine Bindungswirkung an einen gemeinsamen Standpunkt wird auch in der Kommentarliteratur nicht vertreten. Diescher in GK-Aufenthaltsgesetz (Loseblattsammlung, Stand Januar 2007, § 54 Rdnr. 435) spricht unter Hinweis auf das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) nur davon, dass der Anhang zum Standpunkt 2001/931/GASP bei der Beurteilung, ob eine Vereinigung den Terrorismus unterstützt, zu berücksichtigen sei.
30 
Die Kammer geht weiter davon aus, dass auch der Beschluss des Rates vom 26.01.2009 zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung EG Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Beschlusses 2008/583/EG (2009/62/EG, ABl. vom 27.01.2009, L 23/25) für die Beurteilung der Zulässigkeit der Ausweisung des Klägers die Kammer nicht verpflichtet, davon auszugehen, dass es sich bei der ISYF aktuell um eine terroristische Vereinigung handelt. Im Unterschied zum gemeinsamen Standpunkt ist eine EG-Verordnung nach § 249 EGV verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. An dieser Geltung nimmt auch die Liste, die durch den Beschluss des Rates vom 26.01.2009 (2009/62/EG) in Ausübung der Befugnisse aus Art. 2 Abs. 3 der Verordnung 2580/2001/EG aufgestellt wurde, teil. Die Verbindlichkeit der Einordnung der ISYF als terroristische Vereinigung beschränkt sich aber auf die Maßnahmen, die nach der Verordnung 2580/2001/EG zu ergreifen sind. Ausländerrechtliche Maßnahmen wie z.B. die Ausweisung sind in dieser Verordnung nicht geregelt.
31 
Für die hier zu treffende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Ausweisung des Klägers liefern die Aufnahme der ISYF in die Listen zum oben zitierten gemeinsamen Standpunkt und zur oben zitierten Verordnung der EG Hinweise, die neben anderen Erkenntnisquellen zu würdigen sind.
32 
Das Auswärtige Amt macht in seinen Lageberichten zur ISYF folgende Aussagen:
33 
Lageberichte Indien vom 07.09.2004 (Seite 8) und vom 19.10.2005 (Seite 10)
34 
„Die bekanntesten militanten Oppositionsgruppen, von denen manche auch im Ausland vertreten sind, sind die folgenden:
35 
36 
- Im Zusammenhang mit dem Punjab sind vor allem die Babbar Khalsa, die Khalistan Liberation Force, die International Sikh Youth Federation und die Bhindranwale Tiger Force of Khalistan politisch aktiv (nicht mehr terroristisch), die für einen eigenständigen Staat Khalistan eintreten …“.
37 
Lagebericht Indien vom 06.08.2008
38 
„Nachdem der Terrorismus im Punjab, der auf die Unabhängigkeit von Khalistan abzielte, in den 1980er-Jahren niedergeschlagen wurde, ist die terroristische Gewalt im Punjab seit 2000 nahezu vollständig zum Erliegen gekommen. Ein Anschlag auf ein Kino in Neu-Delhi im Mai 2005, der der Terrorgruppe Babbar Khalsa zugeschrieben wird, hat zu keiner weiteren Gewalt geführt. Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen dort einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen. Die Angehörigen der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Bundesstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland“ (Seite 6).
39 
„Am 21. September 2004 hat die neue Regierung das umstrittene Terrorbekämpfungsgesetz Prevention of Terrorism Act [POTA], 2002, per Regierungsverordnung außer Kraft gesetzt … Die materiell-rechtlichen Regelungen von POTA wurden in den Unlawful Activities Prevention Act (UAA), 1967, überführt … Die unter POTA gelisteten 32 terroristischen Organisationen werden weiterhin als terroristische Vereinigungen eingestuft …“ (Seite 10).
40 
„Die bekanntesten militanten Oppositionsgruppen, von denen manche auch im Ausland vertreten sind, sind die folgenden:
41 
42 
- Im Zusammenhang mit dem Punjab sind vor allem die Babbar Khalsa, die Khalistan Commando Force, die International Sikh Youth Federation und die Khalistan Zindabad Force zu nennen, die für einen eigenständigen Staat Khalistan eintreten …“ (Seite 12).
43 
„Das britische Home Office nennt als weitere bedeutende militante Sikh-Organisationen die Khalistan Commando Force (Paramjit Singh Panjwar Fraktion), Khalistan Commando Force (Zaffarwal und Rajasthai Gruppe), Khalistan Liberation Force, Bhindranwale Tiger Force of Khalistan, All India Sikh Student Federation (Manjit und Mehta Chawla), sowie die Sikh Student Federation“ (Seite 25; nach der Anlage 2 zum Lagebericht gehört die ISYF zu den nach dem UAA als terroristische Organisationen verbotenen Organisationen).
44 
Der Lagebericht Indien des Auswärtigen Amtes vom 04.10.2009 trifft zur vorliegend relevanten Problematik im Wesentlichen nur die Aussage, „Der Sikh-Terrorismus im Punjab ist seit Ende der 1990er-Jahre nahezu zum Erliegen gekommen“. Daneben enthält er unter der Überschrift 1.9 „Exilgruppen“ in Bezug auf die Gruppen, die sich mit der Punjab-Problematik befassen, die gleiche Aufzählung, die oben aus dem Lagebericht des Vorjahres bereits zitiert wurde (Lagebericht vom 04.10.2009, Seite 16 f.).
45 
In der von der Kammer eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 14.09.2009 wird das Bild, das sich aus den Lageberichten ergibt, nochmals bestätigt. Dem Auswärtigen Amt liegen keinerlei eigene Erkenntnisse über terroristische Aktivitäten in der ISYF seit dem Jahr 2000 vor.
46 
Der aktuelle Verfassungsschutzbericht 2008 des Bundesministeriums des Innern enthält zu Sikh-Organisationen, zu denen auch die International Sikh Youth Federation gehört, folgende Aussagen:
47 
„Extremistische Organisationen aus dem Spektrum der Religionsgemeinschaft der Sikhs kämpfen seit Jahrzehnten auch mit terroristischen Mitteln dafür, einen unabhängigen Staat „Khalistan“ auf dem Gebiet des nordindischen Bundesstaates Punjab zu errichten. Mit Attentaten gegen Mitglieder der indischen Regierung und terroristischen Anschlägen, die sich bisher überwiegend gegen Einrichtungen und Ziele in Indien richteten, versuchten sie auf ihre politischen Ziele aufmerksam zu machen. Bei diesen Anschlägen ist es immer wieder zu zahlreichen Todesopfern unter der Zivilbevölkerung gekommen.
48 
In Deutschland sind primär die von der EU seit dem 02. Mai 2002 als terroristische Organisationen gelisteten BKI und ISYF mit zusammen ca. 750 Anhängern aktiv. Im Vergleich hierzu ist die KMDI mit ihrer geringen Anhängerschaft und selteneren Aktivität kaum in Erscheinung getreten.
49 
Bisher sind von diesen Organisationen im Bundesgebiet keine terroristischen Aktionen ausgegangen.
50 
Hauptziel dieser Sikh-Gruppierung in Deutschland ist es, die jeweilige Mutterorganisation in Indien propagandistisch und vor allem auch finanziell zu unterstützen. In regelmäßig durchgeführten Versammlungen wird u.a. auch zu Geldspenden aufgerufen. Einen Teil dieser Gelder dürften die Mutterorganisationen in Indien auch zur Finanzierung des bewaffneten Kampfes verwenden. Daneben dienen solche Spendengelder auch zur Unterstützung und materiellen Absicherung von Angehörigen der im bewaffneten Kampf getöteten 'Märtyrer' der Organisation oder zur Finanzierung von Rechtshilfe für inhaftierte Glaubensbrüder“ (Seite 305 und 306).
51 
Der Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2008 enthält folgende Ausführungen:
52 
„5. Sikh-Organisationen
53 
54 
International Sikh Youth Federation (ISYF)… Die Bestrebungen extremistischer Gruppierungen der Sikh, im indischen Bundesstaat Punjab einen eigenen Staat Khalistan (Land der Reinen) zu gründen, führten in den vergangenen 20 Jahren zu unzähligen gewalttätigen Übergriffen von Sikh-Kämpfern und Auseinandersetzungen mit indischen Sicherheitskräften, bei denen eine Vielzahl von Separatisten festgenommen oder getötet wurde. Auch im Jahr 2008 wurden dort wieder Aktivisten der International Sikh Youth Federation (ISYF) und der Babbar Khalsa (BKI) wegen angeblich verübter Bombenanschläge inhaftiert, was aber zur Folge hatte, dass diese Organisationen zumindest im Heimatland vermehrt Zulauf und Sympathisanten erhielten. Terroristische Aktivitäten außerhalb Indiens sind in den letzten Jahren nicht bekannt geworden. Aufgrund ihrer terroristischen Aktivitäten fällt die ISYF in Indien unter den 'Activities Act' vom 22. März 2002 und ist außerdem in Großbritannien durch den 'Terrorism Act 2000' verboten. Da sowohl die Babbar Khalsa (BKI) als auch die ISYF vor Jahren noch außerhalb Indiens am häufigsten im Zusammenhang mit terroristischen Aktionen hervorgetreten sind, wurden beide Gruppierungen von der Europäischen Union in die Liste der terroristischen Organisationen aufgenommen.
55 
… Darüber hinaus nutzten Funktionäre sogenannte Märtyrer-Gedenkveranstaltungen in den Sikh-Tempeln als politische Plattform und zum Aufruf zu Spendensammlungen und Unterstützung der Angehörigen gefallener Kämpfer und der Organisationen in der Heimat“.
56 
Nach dem Home Office Country of Origin Information Report - India vom 12. Mai 2009 gehört die ISYF zu den Organisationen, die im Vereinigten Königreich nach dem „Terrorism Act 2000“ verboten sind (vgl. Seite 133).
57 
Nach Auswertung und Gewichtung dieser Erkenntnismittel kann die Kammer nicht feststellen, dass es sich bei der ISYF um eine Vereinigung handelt, die aktuell den Terrorismus unterstützt oder bei der dies in absehbarer Zeit zu erwarten ist. Das Auswärtige Amt hat seit mindestens 10 Jahren keine Anhaltspunkte dafür, dass die ISYF (noch) terroristisch tätig ist. Der Terrorismus in Punjab, durch den noch Anfang der 90er Jahre zahlreiche Personen ums Leben gekommen sind, ist danach nahezu zum Erliegen gekommen. Dies wurde nochmals auf die Anfrage der Kammer bestätigt. In zwei Lageberichten geht das Auswärtige Amt sogar davon aus, dass die ISYF nur noch politisch tätig sei. Konkrete Hinweise auf terroristische Aktivitäten der ISYF haben die anderen, oben zitierten Erkenntnisquellen nicht bzw. es ist nicht erkennbar, auf welchen konkreten Tatsachen die Einschätzung beruht, die ISYF sei noch terroristisch tätig. Die beiden zitierten Verfassungsschutzberichte erwecken den Eindruck, als gebe es eine kontinuierliche Linie terroristische Aktivitäten der ISYF seit dem Auftreten des Terrorismus zu Beginn der 80er Jahre. Der Verfassungsschutzbericht des Landes Baden-Württemberg spricht von unzähligen gewalttätigen Übergriffen in den vergangen 20 Jahren. Dem Auswärtigen Amt, das die Lage vor Ort beobachtet, sind aber jedenfalls in den letzen 10 Jahren keine solchen Aktivitäten der ISYF bekannt oder sonstiger Vereinigungen im Zusammenhang mit der Khalistan-Frage bekannt geworden. Die Verhaftungen von Aktivisten der ISYF und der BKI in Indien im Jahr 2008, auf die der Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg hinweist, sagen nichts darüber aus, wann es zu den vorgeworfenen Anschlägen gekommen ist. Letztendlich müssen aber Tatsachen die Schlussfolgerung der Unterstützung des Terrorismus rechtfertigen. Solche Tatsachen, die vom Gericht bewertet werden können, liegen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht vor. Die oben zitierten Erkenntnisse, die die Lage anders als das Auswärtige Amt bewerten, versetzen das Gericht nicht durch Nennung von Tatsachen in die Lage, eine eigene Einschätzung der Situation vorzunehmen. Es reicht nicht aus, dass lediglich nicht ausgeschlossen werden kann, dass es wieder zu terroristischen Aktivitäten kommen kann. Hier ist auch der lange Zeitraum zu würdigen, in dem es keine Anhaltspunkte für terroristische Aktivitäten der ISYF gibt. Insofern hat sich die Lage seit dem Ergehen des Urteils vom 15.10.2003 - ... -, in dem die Kammer noch zu einer anderen Einschätzung gelangt ist, geändert.
58 
Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Abs. 5 AufenthG für eine Regelausweisung nicht vor, gibt es mangels Gefährlichkeit des Klägers auch keinen Anlass für die hilfsweise erfolgte Ermessensausweisung des Klägers.
2.
59 
Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG. Danach soll einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG vorliegt. Beim Kläger liegt aufgrund des Urteils ... ... vom 26.05.2006 - ... - ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG vor. Gründe, von der Regel („soll“) des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG abzuweichen, sind nicht erkennbar.
60 
Ein Ausschlussgrund nach § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, insbesondere ein solcher nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchstabe c AufenthG, liegt nicht vor. Nach der zuletzt genannten Vorschrift wird eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer sich Handlungen hat zuschulden kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel oder den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen. Den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen laufen Handlungen zuwider, die geeignet sind, den Terrorismus zu fördern (vgl. Urteil ... ... 15.10.2003 - ...). Solche Handlungen des Klägers lassen sich nicht feststellen. Im Zeitraum, in dem ihm aufgrund einer exponierten Stellung in der ISYF (Präsident der ISYF in ... ab April 2005) den Terrorismus fördernde Handlungen der ISYF hätten zugerechnet werden können (vgl. Urteil ... ... 15.10.2003 - ...), lassen sich aufgrund der obigen Ausführungen nicht feststellen.
61 
Von den Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG ist nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 AufenthG abzusehen.
3.
62 
Das Verfahren hat wegen der Frage der Bedeutung der Anhänge zur Verordnung 2580/2001/EG für das Vorliegen des Regelausweisungsgrundes § 54 Nr. 5 AufenthG und wegen der Frage, ob es sich bei der ISYF um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus fördert, grundsätzliche Bedeutung. Die Berufung ist daher zuzulassen (§ 124a Abs. 1 in Verbindung mit § 124 abs. 2 Nr. 3 VwGO).
63 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Kammer macht von der Möglichkeit des § 167 Abs. 2 VwGO, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, keinen Gebrauch.

Gründe

 
24 
Die - fristgerecht erhobene - Klage ist zulässig und begründet. Die Ausweisung des Klägers ist rechtswidrig (1.). Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG (2.).
1.
25 
Nach § 54 Nr. 5 AufenthG wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat (Halbsatz 1). Auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen (Halbsatz 2).
26 
Diese Voraussetzungen liegen im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht vor. § 54 Nr. 5 AufenthG greift nur ein, wenn eine Unterstützung des Terrorismus im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch vorliegt. Hierzu reicht es nicht aus, dass ein Ausländer einer Organisation angehört, die früher den Terrorismus unterstützt hat. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 54 Nr. 5 Halbsatz 1 AufenthG, der von einer gegenwärtigen Gefahr durch die Stützung des Terrorismus ausgeht („die den Terrorismus unterstützt“). Es folgt auch aus dem Zweck der Ausweisungsvorschriften, die der Gefahrenabwehr in der Zukunft dienen und nicht der bloßen Sanktionierung eines Verhaltens aus der Vergangenheit. Dass die Unterstützung des Terrorismus im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts noch vorliegen muss, folgt auch aus dem Halbsatz 2 des § 54 Nr. 5 AufenthG. Dort wird vorausgesetzt, dass vom Ausländer eine gegenwärtige Gefährlichkeit ausgehen muss, wenn seine Mitgliedschaft oder Unterstützungshandlungen einer den Terrorismus unterstützenden Vereinigung in der Vergangenheit liegen. Die gegenwärtige Gefahr entfällt aber auch dann, wenn die Organisation selbst den Terrorismus nicht mehr unterstützt. Der Nachweis der Unterstützung des Terrorismus ist zwar nicht erforderlich, da es ausreicht, wenn Tatsachen eine solche Schlussfolgerung rechtfertigen. Es müssen aber Tatsachen feststellbar sein, auf die eine solche Schlussfolgerung gestützt werden kann. Der nicht durch Tatsachen belegte Verdacht reicht nicht aus.
27 
Es kann derzeit nicht festgestellt werden, dass die ISYF, deren Mitglied der Kläger noch ist, den Terrorismus (noch) unterstützt. Es kann daher offen bleiben, ob sich der Kläger, der zumindest früher exponierter Funktionär der ISYF in ... war - er wurde im April 2005 zum Vorstand der Unterorganisation der ISYF in ... bestimmt (vgl. Urteil ... ... vom 26.05.2006 - ... -) - in einem Sinne von der ISYF distanziert hat, dass ihm die Unterstützung des Terrorismus durch die ISYF, unterstellt sie würde den Terrorismus noch unterstützen, nicht mehr zugerechnet werden könnte. Käme es darauf an, bestünden auch aufgrund des Verhaltens des Klägers in der mündlichen Verhandlung erhebliche Zweifel daran, ob eine Distanzierung des Klägers von derartigen Zielen der ISYF vorläge. Bei seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung gab der Kläger zu Zweifeln an seiner Bereitschaft Anlass, sein Verhältnis zur ISYF ehrlich darzustellen.
28 
Für die Beurteilung der Frage, ob es sich bei der ISYF gegenwärtig um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus unterstützt, wertet die Kammer die ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel aus. Eine rechtliche Bindung an einzelne Erkenntnismittel besteht nicht.
29 
Dies gilt insbesondere für den gemeinsamen Standpunkt 2008/586/GASP des Rates vom 15.07.2008 (ABl. vom 16.07.2008, L 188/71) zur Aktualisierung des gemeinsamen Standpunktes 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des gemeinsamen Standpunkts 2007/871/GASP. Der gemeinsame Standpunkt 2001/931/GASP des Rates vom 27.12.2001 (vgl. ABl. vom 28.12.2001, L 344/93) enthält einen Anhang mit Personen, Vereinigungen und Körperschaften, auf die der gemeinsame Standpunkt Anwendung findet. Jedenfalls seit der Aktualisierung durch den gemeinsamen Standpunkt 2008/586/GASP gehört auch die International Sikh Youth Federation - ISYF - zu den Gruppen und Organisationen, auf die der genannte gemeinsame Standpunkt Anwendung findet. Die gemeinsamen Standpunkte des Rates beruhen auf Art. 15 EUV. Nach dieser Vorschrift nimmt der Rat gemeinsame Standpunkte an. In den gemeinsamen Standpunkten wird das Konzept der Union für eine bestimmte Frage geografischer oder thematischer Art bestimmt. Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass ihre einzelstaatliche Politik mit dem gemeinsamen Standpunkt in Einklang steht. Aus Art. 15 Satz 3 EUV ist der Schluss zu ziehen, dass eine Bindung der innerstaatlichen Gerichte an Inhalte eines gemeinsamen Standpunktes nicht besteht. Der gemeinsame Standpunkt ist gerichtet an die Mitgliedstaaten, die ihn erst in innerstaatliche Politik umsetzen müssen. Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Bedeutung gemeinsamer Standpunkte liegt, soweit es der Kammer erkennbar ist, nicht vor. In seinem Urteil vom 15.03.2005 - 1 C 26.03 - (InfAuslR 2005, 374) hat sich das Bundesverwaltungsgericht zu den gemeinsamen Standpunkten 2005/220/GASP und 2001/931/GASP nur in dem Sinne geäußert, dass der Verwaltungsgerichtshof, an den das Verfahren zurückverwiesen wurde, sich mit den Beschlüssen des Rates der Europäischen Union über Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus befassen müsse. Die Annahme einer rechtlichen Bindungswirkung folgt aus dem Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts an den Verwaltungsgerichtshof nicht. Eine Bindungswirkung an einen gemeinsamen Standpunkt wird auch in der Kommentarliteratur nicht vertreten. Diescher in GK-Aufenthaltsgesetz (Loseblattsammlung, Stand Januar 2007, § 54 Rdnr. 435) spricht unter Hinweis auf das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) nur davon, dass der Anhang zum Standpunkt 2001/931/GASP bei der Beurteilung, ob eine Vereinigung den Terrorismus unterstützt, zu berücksichtigen sei.
30 
Die Kammer geht weiter davon aus, dass auch der Beschluss des Rates vom 26.01.2009 zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung EG Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Beschlusses 2008/583/EG (2009/62/EG, ABl. vom 27.01.2009, L 23/25) für die Beurteilung der Zulässigkeit der Ausweisung des Klägers die Kammer nicht verpflichtet, davon auszugehen, dass es sich bei der ISYF aktuell um eine terroristische Vereinigung handelt. Im Unterschied zum gemeinsamen Standpunkt ist eine EG-Verordnung nach § 249 EGV verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. An dieser Geltung nimmt auch die Liste, die durch den Beschluss des Rates vom 26.01.2009 (2009/62/EG) in Ausübung der Befugnisse aus Art. 2 Abs. 3 der Verordnung 2580/2001/EG aufgestellt wurde, teil. Die Verbindlichkeit der Einordnung der ISYF als terroristische Vereinigung beschränkt sich aber auf die Maßnahmen, die nach der Verordnung 2580/2001/EG zu ergreifen sind. Ausländerrechtliche Maßnahmen wie z.B. die Ausweisung sind in dieser Verordnung nicht geregelt.
31 
Für die hier zu treffende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Ausweisung des Klägers liefern die Aufnahme der ISYF in die Listen zum oben zitierten gemeinsamen Standpunkt und zur oben zitierten Verordnung der EG Hinweise, die neben anderen Erkenntnisquellen zu würdigen sind.
32 
Das Auswärtige Amt macht in seinen Lageberichten zur ISYF folgende Aussagen:
33 
Lageberichte Indien vom 07.09.2004 (Seite 8) und vom 19.10.2005 (Seite 10)
34 
„Die bekanntesten militanten Oppositionsgruppen, von denen manche auch im Ausland vertreten sind, sind die folgenden:
35 
36 
- Im Zusammenhang mit dem Punjab sind vor allem die Babbar Khalsa, die Khalistan Liberation Force, die International Sikh Youth Federation und die Bhindranwale Tiger Force of Khalistan politisch aktiv (nicht mehr terroristisch), die für einen eigenständigen Staat Khalistan eintreten …“.
37 
Lagebericht Indien vom 06.08.2008
38 
„Nachdem der Terrorismus im Punjab, der auf die Unabhängigkeit von Khalistan abzielte, in den 1980er-Jahren niedergeschlagen wurde, ist die terroristische Gewalt im Punjab seit 2000 nahezu vollständig zum Erliegen gekommen. Ein Anschlag auf ein Kino in Neu-Delhi im Mai 2005, der der Terrorgruppe Babbar Khalsa zugeschrieben wird, hat zu keiner weiteren Gewalt geführt. Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen dort einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen. Die Angehörigen der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Bundesstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland“ (Seite 6).
39 
„Am 21. September 2004 hat die neue Regierung das umstrittene Terrorbekämpfungsgesetz Prevention of Terrorism Act [POTA], 2002, per Regierungsverordnung außer Kraft gesetzt … Die materiell-rechtlichen Regelungen von POTA wurden in den Unlawful Activities Prevention Act (UAA), 1967, überführt … Die unter POTA gelisteten 32 terroristischen Organisationen werden weiterhin als terroristische Vereinigungen eingestuft …“ (Seite 10).
40 
„Die bekanntesten militanten Oppositionsgruppen, von denen manche auch im Ausland vertreten sind, sind die folgenden:
41 
42 
- Im Zusammenhang mit dem Punjab sind vor allem die Babbar Khalsa, die Khalistan Commando Force, die International Sikh Youth Federation und die Khalistan Zindabad Force zu nennen, die für einen eigenständigen Staat Khalistan eintreten …“ (Seite 12).
43 
„Das britische Home Office nennt als weitere bedeutende militante Sikh-Organisationen die Khalistan Commando Force (Paramjit Singh Panjwar Fraktion), Khalistan Commando Force (Zaffarwal und Rajasthai Gruppe), Khalistan Liberation Force, Bhindranwale Tiger Force of Khalistan, All India Sikh Student Federation (Manjit und Mehta Chawla), sowie die Sikh Student Federation“ (Seite 25; nach der Anlage 2 zum Lagebericht gehört die ISYF zu den nach dem UAA als terroristische Organisationen verbotenen Organisationen).
44 
Der Lagebericht Indien des Auswärtigen Amtes vom 04.10.2009 trifft zur vorliegend relevanten Problematik im Wesentlichen nur die Aussage, „Der Sikh-Terrorismus im Punjab ist seit Ende der 1990er-Jahre nahezu zum Erliegen gekommen“. Daneben enthält er unter der Überschrift 1.9 „Exilgruppen“ in Bezug auf die Gruppen, die sich mit der Punjab-Problematik befassen, die gleiche Aufzählung, die oben aus dem Lagebericht des Vorjahres bereits zitiert wurde (Lagebericht vom 04.10.2009, Seite 16 f.).
45 
In der von der Kammer eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 14.09.2009 wird das Bild, das sich aus den Lageberichten ergibt, nochmals bestätigt. Dem Auswärtigen Amt liegen keinerlei eigene Erkenntnisse über terroristische Aktivitäten in der ISYF seit dem Jahr 2000 vor.
46 
Der aktuelle Verfassungsschutzbericht 2008 des Bundesministeriums des Innern enthält zu Sikh-Organisationen, zu denen auch die International Sikh Youth Federation gehört, folgende Aussagen:
47 
„Extremistische Organisationen aus dem Spektrum der Religionsgemeinschaft der Sikhs kämpfen seit Jahrzehnten auch mit terroristischen Mitteln dafür, einen unabhängigen Staat „Khalistan“ auf dem Gebiet des nordindischen Bundesstaates Punjab zu errichten. Mit Attentaten gegen Mitglieder der indischen Regierung und terroristischen Anschlägen, die sich bisher überwiegend gegen Einrichtungen und Ziele in Indien richteten, versuchten sie auf ihre politischen Ziele aufmerksam zu machen. Bei diesen Anschlägen ist es immer wieder zu zahlreichen Todesopfern unter der Zivilbevölkerung gekommen.
48 
In Deutschland sind primär die von der EU seit dem 02. Mai 2002 als terroristische Organisationen gelisteten BKI und ISYF mit zusammen ca. 750 Anhängern aktiv. Im Vergleich hierzu ist die KMDI mit ihrer geringen Anhängerschaft und selteneren Aktivität kaum in Erscheinung getreten.
49 
Bisher sind von diesen Organisationen im Bundesgebiet keine terroristischen Aktionen ausgegangen.
50 
Hauptziel dieser Sikh-Gruppierung in Deutschland ist es, die jeweilige Mutterorganisation in Indien propagandistisch und vor allem auch finanziell zu unterstützen. In regelmäßig durchgeführten Versammlungen wird u.a. auch zu Geldspenden aufgerufen. Einen Teil dieser Gelder dürften die Mutterorganisationen in Indien auch zur Finanzierung des bewaffneten Kampfes verwenden. Daneben dienen solche Spendengelder auch zur Unterstützung und materiellen Absicherung von Angehörigen der im bewaffneten Kampf getöteten 'Märtyrer' der Organisation oder zur Finanzierung von Rechtshilfe für inhaftierte Glaubensbrüder“ (Seite 305 und 306).
51 
Der Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2008 enthält folgende Ausführungen:
52 
„5. Sikh-Organisationen
53 
54 
International Sikh Youth Federation (ISYF)… Die Bestrebungen extremistischer Gruppierungen der Sikh, im indischen Bundesstaat Punjab einen eigenen Staat Khalistan (Land der Reinen) zu gründen, führten in den vergangenen 20 Jahren zu unzähligen gewalttätigen Übergriffen von Sikh-Kämpfern und Auseinandersetzungen mit indischen Sicherheitskräften, bei denen eine Vielzahl von Separatisten festgenommen oder getötet wurde. Auch im Jahr 2008 wurden dort wieder Aktivisten der International Sikh Youth Federation (ISYF) und der Babbar Khalsa (BKI) wegen angeblich verübter Bombenanschläge inhaftiert, was aber zur Folge hatte, dass diese Organisationen zumindest im Heimatland vermehrt Zulauf und Sympathisanten erhielten. Terroristische Aktivitäten außerhalb Indiens sind in den letzten Jahren nicht bekannt geworden. Aufgrund ihrer terroristischen Aktivitäten fällt die ISYF in Indien unter den 'Activities Act' vom 22. März 2002 und ist außerdem in Großbritannien durch den 'Terrorism Act 2000' verboten. Da sowohl die Babbar Khalsa (BKI) als auch die ISYF vor Jahren noch außerhalb Indiens am häufigsten im Zusammenhang mit terroristischen Aktionen hervorgetreten sind, wurden beide Gruppierungen von der Europäischen Union in die Liste der terroristischen Organisationen aufgenommen.
55 
… Darüber hinaus nutzten Funktionäre sogenannte Märtyrer-Gedenkveranstaltungen in den Sikh-Tempeln als politische Plattform und zum Aufruf zu Spendensammlungen und Unterstützung der Angehörigen gefallener Kämpfer und der Organisationen in der Heimat“.
56 
Nach dem Home Office Country of Origin Information Report - India vom 12. Mai 2009 gehört die ISYF zu den Organisationen, die im Vereinigten Königreich nach dem „Terrorism Act 2000“ verboten sind (vgl. Seite 133).
57 
Nach Auswertung und Gewichtung dieser Erkenntnismittel kann die Kammer nicht feststellen, dass es sich bei der ISYF um eine Vereinigung handelt, die aktuell den Terrorismus unterstützt oder bei der dies in absehbarer Zeit zu erwarten ist. Das Auswärtige Amt hat seit mindestens 10 Jahren keine Anhaltspunkte dafür, dass die ISYF (noch) terroristisch tätig ist. Der Terrorismus in Punjab, durch den noch Anfang der 90er Jahre zahlreiche Personen ums Leben gekommen sind, ist danach nahezu zum Erliegen gekommen. Dies wurde nochmals auf die Anfrage der Kammer bestätigt. In zwei Lageberichten geht das Auswärtige Amt sogar davon aus, dass die ISYF nur noch politisch tätig sei. Konkrete Hinweise auf terroristische Aktivitäten der ISYF haben die anderen, oben zitierten Erkenntnisquellen nicht bzw. es ist nicht erkennbar, auf welchen konkreten Tatsachen die Einschätzung beruht, die ISYF sei noch terroristisch tätig. Die beiden zitierten Verfassungsschutzberichte erwecken den Eindruck, als gebe es eine kontinuierliche Linie terroristische Aktivitäten der ISYF seit dem Auftreten des Terrorismus zu Beginn der 80er Jahre. Der Verfassungsschutzbericht des Landes Baden-Württemberg spricht von unzähligen gewalttätigen Übergriffen in den vergangen 20 Jahren. Dem Auswärtigen Amt, das die Lage vor Ort beobachtet, sind aber jedenfalls in den letzen 10 Jahren keine solchen Aktivitäten der ISYF bekannt oder sonstiger Vereinigungen im Zusammenhang mit der Khalistan-Frage bekannt geworden. Die Verhaftungen von Aktivisten der ISYF und der BKI in Indien im Jahr 2008, auf die der Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg hinweist, sagen nichts darüber aus, wann es zu den vorgeworfenen Anschlägen gekommen ist. Letztendlich müssen aber Tatsachen die Schlussfolgerung der Unterstützung des Terrorismus rechtfertigen. Solche Tatsachen, die vom Gericht bewertet werden können, liegen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht vor. Die oben zitierten Erkenntnisse, die die Lage anders als das Auswärtige Amt bewerten, versetzen das Gericht nicht durch Nennung von Tatsachen in die Lage, eine eigene Einschätzung der Situation vorzunehmen. Es reicht nicht aus, dass lediglich nicht ausgeschlossen werden kann, dass es wieder zu terroristischen Aktivitäten kommen kann. Hier ist auch der lange Zeitraum zu würdigen, in dem es keine Anhaltspunkte für terroristische Aktivitäten der ISYF gibt. Insofern hat sich die Lage seit dem Ergehen des Urteils vom 15.10.2003 - ... -, in dem die Kammer noch zu einer anderen Einschätzung gelangt ist, geändert.
58 
Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 54 Abs. 5 AufenthG für eine Regelausweisung nicht vor, gibt es mangels Gefährlichkeit des Klägers auch keinen Anlass für die hilfsweise erfolgte Ermessensausweisung des Klägers.
2.
59 
Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG. Danach soll einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG vorliegt. Beim Kläger liegt aufgrund des Urteils ... ... vom 26.05.2006 - ... - ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG vor. Gründe, von der Regel („soll“) des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG abzuweichen, sind nicht erkennbar.
60 
Ein Ausschlussgrund nach § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, insbesondere ein solcher nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchstabe c AufenthG, liegt nicht vor. Nach der zuletzt genannten Vorschrift wird eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer sich Handlungen hat zuschulden kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel oder den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen. Den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen laufen Handlungen zuwider, die geeignet sind, den Terrorismus zu fördern (vgl. Urteil ... ... 15.10.2003 - ...). Solche Handlungen des Klägers lassen sich nicht feststellen. Im Zeitraum, in dem ihm aufgrund einer exponierten Stellung in der ISYF (Präsident der ISYF in ... ab April 2005) den Terrorismus fördernde Handlungen der ISYF hätten zugerechnet werden können (vgl. Urteil ... ... 15.10.2003 - ...), lassen sich aufgrund der obigen Ausführungen nicht feststellen.
61 
Von den Regelerteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG ist nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 AufenthG abzusehen.
3.
62 
Das Verfahren hat wegen der Frage der Bedeutung der Anhänge zur Verordnung 2580/2001/EG für das Vorliegen des Regelausweisungsgrundes § 54 Nr. 5 AufenthG und wegen der Frage, ob es sich bei der ISYF um eine Vereinigung handelt, die den Terrorismus fördert, grundsätzliche Bedeutung. Die Berufung ist daher zuzulassen (§ 124a Abs. 1 in Verbindung mit § 124 abs. 2 Nr. 3 VwGO).
63 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Kammer macht von der Möglichkeit des § 167 Abs. 2 VwGO, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, keinen Gebrauch.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)