Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 07. Apr. 2015 - 5 K 1953/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die erstattungsfähig sind.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung seitens des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Kiosks auf dem Grundstück J.--------straße 38a in C. .
3Ausweislich des Grundbuchauszugs des Amtsgerichts C. ist der Kläger seit dem 30. April 1998 Miteigentümer des gegenüberliegenden Grundstücks J.--------straße 33-35 (Gemarkung X. , Flur 3, Flurstück 499).
4Das Vorhabengrundstück (Gemarkung X. , Flur 3, Flurstück 523) steht ausweislich des Grundbuchauszugs des Amtsgerichts C. seit dem 15. März 2011 im Eigentum des Beigeladenen und liegt im Geltungsbereich des seit dem 21. März 1998 Rechtsverbindlichkeit beanspruchenden Vorhaben- und Erschließungsplans Nr. 663 „J.--------straße “.
5Das östlich an ein Gewerbegebiet angrenzende Plangebiet umfasst eine Größe von insgesamt ca. 30.000 m². Ausweislich der Begründung ist beabsichtigt, innerhalb des Planbereichs eine Mehrfamilienhausbebauung mit maximal 250 Wohneinheiten zu errichten. Es sollen innerhalb sechs unterschiedlicher Karrees 27 Gebäude errichtet werden. Der in südwestlicher Richtung an die J.--------straße grenzende Teil des Plangebiets, der zudem je einen Teil der Gebäudekomplexe E und F umfasst, ist als Mischgebiet festgesetzt. Nach der Begründung erfolgt die Einstufung als Mischgebiet aufgrund der direkten Nachbarschaft zu einem Gewerbebetrieb auf der gegenüberliegenden Straßenseite der J.--------straße , da die Einhaltung von WA-relevanten Immissionsrichtwerten von dem Unternehmen nicht erwartet werden könne. Bezüglich der erweiterten Nutzungen, die sich durch die Festsetzung des Mischgebiets ergeben, wird „als Regulativ“ das Planzeichen 2 festgesetzt. Demnach sind im Mischgebiet neben Wohnungen 400 qm für Büro-, 400 qm für Gastronomie- und 400 qm für Einzelhandelsnutzungen (unterteilt in mindestens zwei Einheiten) zu errichten. Von den festgesetzten qm-Zahlen darf um 25% abgewichen werden. Bezüglich des übrigen Plangebiets ist das Zeichen „W“ festgesetzt, wonach in diesem Bereich Wohngebäude zulässig sind. Laut Planzeichen 3 sollen in diesem Gebiet die Immissionsrichtwerte eingehalten werden, die für ein Allgemeines Wohngebiet maßgebend sind. Schließlich enthält der Vorhaben- und Erschließungsplan Festsetzungen hinsichtlich der Baugrenzen, die jeweils um die Gebäudekomplexe herum verlaufen.
6Mit Durchführungsvertrag vom 17. September 1997 verpflichtete sich der Vorhabenträger, Herr F. M. , gegenüber der Beklagten, 27 Gebäude zur Schaffung von max. 250 Wohneinheiten sowie von Gewerbeflächen entsprechend den Vorgaben des Vorhaben- und Erschließungsplans Nr. 663 zu errichten. Mit Baulast vom 17. Juni 1998 verpflichtete sich Herr Q. M. , handelnd für die F1. Baubetreuungsgesellschaft mbH, auf dem Grundstück Gemarkung X. Flur 3, Flurstück 490 oder 493 (entsprechen jetzt den Flurstücken 514, 515, 519, 522 und 523) die gemäß Vorhaben- und Erschließungsplan Nr. 663 getroffene Festsetzung gemäß Planzeichen 2 zu erfüllen.
7In der Folge wurde die Bebauung im Plangebiet bis auf die Errichtung eines Teils des Gebäudekomplexes E auf den Flurstücken 519 und 523 entsprechend den Vorgaben des Vorhaben- und Erschließungsplans Nr. 663 umgesetzt. Das bis heute unbebaute Grundstück in den Bereichen der Flurstücke 519 und 523 besteht aus einer Schotterfläche, dessen Nutzung als Abstellfläche für Kraftfahrzeuge seitens des Eigentümers, dem Beigeladenen, geduldet wird.
8Mit Bauantrag vom 11. April 2013 beantragte der Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau von zwei Garagen, 23 Stellplätzen und einem Kiosk auf dem Grundstück J.--------straße 38 a (Gemarkung X. , Flur 3, Flurstück 523). Laut Lageplan vom 10. Juni 2013 soll der Kiosk in der südwestlichen Ecke des Grundstücks errichtet werden und eine Fläche von etwa 52 m² umfassen. Der Eingang zum Kiosk soll straßenseitig in Richtung der Straßenbiegung J.--------straße ausgerichtet sein. Ausweislich der Betriebsbeschreibung vom 11. April 2013 soll der Kiosk als „Verkaufsstelle für Dinge des täglichen Bedarfs, Zeitungen und Zeitschriften, Tabak, Süßigkeiten, Getränke, usw.“ dienen. Die Öffnungszeiten sind an Werktagen von 6.00 Uhr bis 20.00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 7.00 Uhr bis 18.00 Uhr vorgesehen.
9Die Beklagte genehmigte mit Baugenehmigung vom 29. Januar 2014 das beantragte Vorhaben. Zudem erteilte sie unter dem 27. Januar 2014 einen Befreiungsbescheid hinsichtlich der Überschreitung der durch den Vorhaben- und Erschließungsplan Nr. 663 festgesetzten Baugrenzen. Zur Begründung führte sie diesbezüglich aus, zwischen dem Beigeladenen und der Beklagten sei ein städtebaulicher Vertrag geschlossen worden. Somit würden die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Die Befreiung sei städtebaulich vertretbar und auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar.
10Der Kläger hat am 23. April 2014 Klage erhoben.
11Er ist der Ansicht, die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung sei rechtswidrig, da sie ausschließlich zu dem Zweck, eine Forderung für nicht durchgeführte Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen aus dem städtebaulichen Vertrag vom 17. September 1997 zu erhalten, erteilt worden sei. Erst nachdem diese Ausgleichssumme gezahlt und ein neuer städtebaulicher Vertrag geschlossen worden sei, habe die Beklagte die Baugenehmigung und die Befreiung erteilt. Der städtebauliche Vertrag sehe lediglich eine Verpflichtung zum „Bau von Garagen und Stellplätzen“ vor. Grundlage der städtebaulichen Überlegungen seien jedoch weder ein „Geschäftshaus“ noch ein „Kiosk“ gewesen. Dadurch sei ersichtlich, dass die Beklagte selbst nicht mehr von der Realisierung eines Mischgebiets ausgehe. Hinzu komme, dass die Beklagte in der Vergangenheit immer den Standpunkt vertreten habe, dass es für die Errichtung anderer baulicher Anlagen auf dem Vorhabengrundstück eines Planänderungsverfahrens bedürfe und eine Befreiung von dem Vorhaben- und Erschließungsplan Nr. 663 nicht erteilt werden könne. Die Beklagte lehne nunmehr ohne Planänderung die damaligen Vorstellungen ab. Die ursprüngliche Planung habe darauf beruht, als Krücke für und gegenüber dem benachbarten Gewerbegebiet zu dienen. Der Beklagten sei klar, dass eine Realisierung der ausgewiesenen gewerblichen Flächen niemals in Betracht gekommen und auch von Anfang an nicht ernsthaft verfolgt worden sei. Der Vorhaben- und Erschließungsplan bleibe damit heute ohne Funktion. Es handele sich faktisch um ein reines Wohngebiet, in dem die Errichtung des beantragten Kiosks unzulässig sei, da er nicht der Versorgung der Bewohner dieses Gebiets diene. Dass es sich um einen Kiosk zur Versorgung des reinen Wohngebiets handeln solle, sei allenfalls ein Wunsch, der jedoch durch die Realität schnell überholt werde.
12Darüber hinaus seien bei der Erteilung der Baugenehmigung die nachbarlichen Belange an keiner Stelle eingestellt worden. Die Errichtung eines Kiosks ziehe weiteren Fahr- und Parksuchverkehr in das reine Wohngebiet, das bereits mit begrenztem Parkraum zu kämpfen habe. Es handele sich zudem um eine Anliegerstraße sowie eine Spielstraße, bei der bezweifelt werden müsse, ob die Erschließung gesichert sei. Die Lage des Kiosks unmittelbar in der Kurve der Erschließungsstraße nehme den Auto- und Fahrradfahrern die freie Sicht beim Ein- und Ausfahren. Außerdem trage ein zu erwartendes kurzzeitiges Parken ein weiteres erhebliches Gefahrenpotential in sich. Schließlich werde ein Verkauf bis in die Abendstunden hinein zusätzliche Emissionen mit sich bringen. Die Errichtung eines Kiosks sei damit insgesamt rücksichtslos.
13Der Kläger beantragt (schriftsätzlich) – sinngemäß -,
14die zugunsten des Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 29. Januar 2014 sowie den Befreiungsbescheid vom 27. Januar 2014 der Beklagten insoweit aufzuheben, als durch diese die Errichtung eines Kiosks auf dem Grundstück J.--------straße 38a in C. (Gemarkung X. , Flur 3, Flurstück 523) genehmigt wird.
15Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich),
16die Klage abzuweisen.
17Sie ist der Ansicht, die Klage sei unbegründet, da keine nachbarschützenden Vorschriften zum Nachteil des Klägers durch das Bauvorhaben verletzt würden. Insbesondere bleibe die durch die Baugenehmigung legalisierte Nutzung des Kiosks von ihrem Störpotential erheblich hinter dem zurück, was der Vorhaben- und Erschließungsplan für das fragliche Grundstück ermögliche. Eine rücksichtslose Belastung des Klägers sei daher unter keinem Gesichtspunkt denkbar. Zudem sei dem Kläger der Rückgriff auf das Gebot der Rücksichtnahme verwehrt, da die Auswirkungen gewerblicher Nutzungen auf dem Grundstück mit einhergehendem Erschließungsverkehr vollständig durch den Vorhaben- und Erschließungsplan aufgezehrt worden seien.
18Der Beigeladene beantragt (schriftsätzlich),
19die Klage abzuweisen.
20Er ist der Ansicht, es liege kein faktisches reines Wohngebiet vor, da der Standort des geplanten Kiosks von dem Wohnhaus des Klägers weiter entfernt sei als von dem auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindlichen metallverarbeitenden Betrieb.
21Die Berichterstatterin hat am 26. Februar 2015 einen Ortstermin durchgeführt. Wegen des Ergebnisses wird auf das Ortsterminprotokoll sowie das während des Ortstermins angefertigte Lichtbildmaterial verwiesen.
22Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 2. März 2015, vom 4. März 2015 und vom 9. März 2015 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
23Mit Beschluss vom 25. März 2015 hat die Kammer den Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.
24Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte im Übrigen sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
25Entscheidungsgründe:
26Die zuständige Einzelrichterin entscheidet im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
27Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
28Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der Baugenehmigung der Beklagten vom 29. Januar 2014 sowie des Befreiungsbescheides der Beklagten vom 27. Januar 2014 soweit diese die Errichtung eines Kiosks auf dem Grundstück J.--------straße 38 a in C. genehmigen, da diese nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Rechts verstoßen und den Kläger daher nicht in seinen eigenen Rechten verletzen, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
29Die Genehmigung des Kiosks durch die Beklagte verstößt nicht gegen drittschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts.
30Sofern sich der Kläger auf einen Verstoß gegen Verfahrensvorschriften bei dem Zustandekommen der Baugenehmigung sowie hinsichtlich der Hintergründe und der Motivation der Beklagten, das Vorhaben zu genehmigen, beruft, liegt ein Verstoß gegen drittschützende Vorschriften nicht vor, da das Verfahren als solches grundsätzlich keinen Nachbarschutz vermittelt.
31Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich vorliegend nach § 30 Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB), da das Vorhaben im Geltungsbereich des rechtsverbindlichen Vorhaben- und Erschließungsplans Nr. 663 „J.--------straße “ liegt. Das Gericht hat keine durchgreifenden Zweifel an der Wirksamkeit des Vorhaben- und Erschließungsplans. Anhaltspunkte gegen die Wirksamkeit wurden weder vorgetragen, noch sind sie sonst ersichtlich.
32Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Vorhaben- und Erschließungsplan Nr. 663 auch nicht funktionslos geworden. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) kann ein Bebauungsplan außer durch ausdrücklichen Aufhebungsakt des Plangebers in begrenzten Ausnahmefällen auch ohne einen solchen Akt wegen Funktionslosigkeit außer Kraft treten, wenn die Verhältnisse, auf die er sich bezieht, eine Verwirklichung der planerischen Festsetzungen auf unabsehbare Zeit ausschließen und wenn dies so offenkundig ist, dass ein Vertrauen in die Fortgeltung dieser Festsetzungen nicht mehr besteht oder keinen Schutz mehr verdient.
33Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 9. Oktober 2003 – 4 B 85.03 -; OVG NRW, Beschluss vom 10. April 2007 – 10 A 3915/05 -; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. November 2014 – 5 K 4298/13 -; jeweils zitiert nach juris.
34Das Oberverwaltungsgericht betont darüber hinaus, dass bloße Zweifel an der Verwirklichungsfähigkeit des Plans dafür nicht ausreichen. Ein Bebauungsplan tritt wegen nachträglicher Funktionslosigkeit demnach nur dann außer Kraft, wenn offenkundig ist, dass er als Instrument für die Steuerung der städtebaulichen Entwicklung nicht mehr tauglich ist.
35Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Juli 2013 – 10 D 74/11.NE -, bezugnehmend auf BVerwG, Urteile vom 29. April 1977 – 4 C 39.75 – und vom 3. August 1990 – 7 C 41 bis 43.89 -; zitiert nach juris.
36Von einer Funktionslosigkeit kann hier vor dem Hintergrund, dass der Vorhaben- und Erschließungsplan Nr. 663 „J.--------straße “ mit Ausnahme des Vorhabengrundstücks des Beigeladenen vollständig umgesetzt wurde, nicht ausgegangen werden. Allein der Umstand, dass das Vorhabengrundstück entgegen der beabsichtigten Planung bislang unbebaut geblieben ist und das Planzeichen 2 in dem festgesetzten Mischgebiet bislang nicht verwirklicht wurde, vermag nicht dazu führen, dass der Vorhaben- und Erschließungsplan Nr. 663 insgesamt funktionslos geworden ist und keine Geltung mehr beanspruchen kann. Vielmehr ist eine Umsetzung des Planzeichens 2 nach wie vor möglich. Auch führt die Errichtung des Kiosks nicht dazu, dass die mit dem Planzeichen 2 vorgesehenen Nutzungen nunmehr dauerhaft nicht mehr umgesetzt werden können. Von einem offenkundigen Ausschluss der Verwirklichung der planerischen Festsetzungen kann demnach nicht die Rede sein.
37Soweit sich der Kläger gegen die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von den im Vorhaben- und Erschließungsplan Nr. 663 festgesetzten Baugrenzen wendet, kann eine Verletzung drittschützender Rechte nicht festgestellt werden. Denn die Festsetzung von Baugrenzen betrifft das Maß der baulichen Nutzung und ist somit regelmäßig nicht nachbarschützender Natur. Demgemäß sind im Rahmen eines Baunachbarstreits die Fragen danach, ob sich das Vorhaben nach seinem Volumen, der Zahl seiner Geschosse, der Höhe oder der Bebauungstiefe nach in die nähere Umgebung einfügt, ohne Bedeutung.
38Vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 13. Juni 1969 – IV C 234.65 -; VG Gelsenkirchen, Urteile vom 27. August 2012 – 5 K 5326/10 – und vom 26. Februar 2008 – 6 K 1102/06 – sowie Beschluss vom 17. Januar 2014 – 5 L 1469/13 - ; jeweils zitiert nach juris.
39Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 29. Januar 2014 sowie der Befreiungsbescheid vom 27. Januar 2014 verletzen nicht den Gebietsgewährleistungsanspruch des Klägers.
40Der Gebietsgewährleistungsanspruch gibt grundsätzlich nicht nur den Eigentümern von Grundstücken, die in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet liegen, sondern auch den Eigentümern von Grundstücken, die in einem faktischen Baugebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit §§ 2 ff. der Baunutzungsverordnung - BauNVO -) liegen, das Recht, sich gegen ein hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässiges Vorhaben zur Wehr zu setzen. Dieser Grundsatz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses: Weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Nutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen. Im Rahmen des durch eine Baugebietsfestsetzung begründeten nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll jeder Planbetroffene im Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindern können. Entsprechendes gilt innerhalb faktischer Baugebiete nach § 34 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB. Der Gebietsgewährleistungsanspruch greift demnach gegenüber Vorhaben ein, die in dem betreffenden Baugebiet weder planungsrechtlich regelhaft zulässig sind noch nach § 31 Abs. 1 oder Abs. 2 BauGB im Wege einer Ausnahme oder Befreiung zugelassen werden können.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 – und Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 4 B 55.07 -; OVG NRW, Urteile vom 22. Mai 2014 - 8 A 1220/12 –, vom 21. Dezember 2010 – 2 A 1419/09 – und vom 17. Dezember 2008 – 10 A 3000/07 - sowie zuletzt Beschluss vom 29. September 2014 – 2 B 1048/14 -; Urteil der erkennenden Kammer vom 20. Februar 2014 - 5 K 1151/12 -; jeweils zitiert nach juris.
42Ausgehend von diesen Grundsätzen wird durch die Genehmigung eines Kiosks der Gebietsgewährleistungsanspruch des Klägers nicht verletzt, da das Vorhaben nach § 30 Abs. 1 BauGB planungsrechtlich zulässig ist. Das Vorhabengrundstück liegt im Geltungsbereich des Vorhaben- und Erschließungsplans Nr. 663 „J.--------straße “, der für den Bereich des Vorhabengrundstücks die Gebietsart „MI“ festsetzt. Die Genehmigung eines Kiosks in einem Mischgebiet ist planungsrechtlich zulässig.
43Nach § 6 Abs. 1 BauNVO dienen Mischgebiete dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Die zulässigen Nutzungsarten richten sich hier jedoch nicht nach Absatz 2 der Vorschrift, sondern nach dem im Vorhaben- und Erschließungsplan Nr. 663 festgesetzten Planzeichen 2. Demnach werden die grundsätzlich im Mischgebiet zulässigen Nutzungen auf Wohnungen sowie je 400 m² Büronutzung, Gastronomie und Einzelhandelsnutzung eingeschränkt. Der Begriff der im Mischgebiet zulässigen Einzelhandelsnutzung umfasst dabei sowohl Läden und Geschäfte als auch Warenhäuser, Verbrauchermärkte und sonstige großflächige Handelsbetriebe, sofern sie nicht den planungsrechtlichen Einschränkungen nach § 11 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 BauNVO unterliegen oder sonst der Eigenart des Gebiets im Sinne des § 15 Abs. 1 BauNVO widersprechen.
44Vgl. Fickert / Fieseler, Baunutzungsverordnung, Kommentar, 12. Auflage 2014, § 6 Rn. 5.
45Unter dem Begriff „Laden“ werden dabei grundsätzlich Räume verstanden, die nach dem herkömmlichen Sprachverständnis eine Beschränkung der Grundfläche aufweisen und in denen im Allgemeinen ein auf bestimmte Warengattungen beschränktes Warensortiment oder Dienstleistungen angeboten werden.
46Vgl. Fickert / Fieseler, Baunutzungsverordnung, Kommentar, 12. Auflage 2014, § 2 Rn. 10.
47Bei dem hier zu errichtenden Kiosk mit einer Grundfläche von etwa 52 m² und einen auf Zeitungen und Zeitschriften, Tabak, Süßigkeiten und Getränke beschränkten Warensortiment handelt es sich damit ohne weiteres um eine im Mischgebiet planungsrechtlich zulässige gewerbliche Nutzung.
48Letztlich kann die Frage, ob der Vorhaben- und Erschließungsplan Nr. 663 von Anfang an unwirksam war oder nachträglich funktionslos geworden ist, offen bleiben, da die Errichtung eines Kiosks auf dem Vorhabengrundstück selbst für den Fall, dass die nähere Umgebung als faktisches reines Wohngebiet einzustufen ist, bauplanungsrechtlich zulässig wäre. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO können in reinen Wohngebiete ausnahmsweise unter anderem Läden, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, zugelassen werden. Bei dem hier zu errichtenden Kiosk handelt es sich um einen Laden im Sinne dieser Vorschrift, vgl. oben. Er dient auch der Deckung des täglichen Bedarfs der Bewohner des Gebiets. Mit der „Deckung des täglichen Bedarfs“ ist der Grundbedarf an Gütern und Dienstleistungen gemeint, die in mehr oder weniger kurzen, regelmäßigen Abständen immer wieder benötigt werden und deren Erreichbarkeit in zumutbarer Entfernung von der Wohnung gerade wegen des regelmäßigen Aufkommens des Bedarfs als wünschenswert empfunden wird, womit der Begriff „täglich“ nicht wörtlich zu verstehen ist.
49Vgl. König / Roeser / Stock, Baunutzungsverordnung, Kommentar 3. Auflage 2014, § 3 Rn. 37; Fickert / Fieseler, Baunutzungsverordnung, Kommentar, 12. Auflage 2014, § 3 Rn. 18.
50Laut Betriebsbeschreibung vom 11. April 2013 sollen in dem Kiosk unter anderem Zeitungen und Zeitschriften, Tabak, Süßigkeiten und Getränke angeboten werden. Es handelt sich dabei mithin um Güter im oben genannten Sinne. Dass der Kiosk der Deckung des täglichen Bedarfs der Bewohner des Gebiets dient, folgt schließlich bereits aus der Größe des Wohngebiets entlang der J.--------straße und der damit verbundenen beträchtlichen Anzahl der angebundenen Haushalte.
51Das genehmigte Bauvorhaben des Beigeladenen verstößt auch nicht gegen das nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO gewährleistete Gebot der Rücksichtnahme. Danach sind die in §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
52Unabhängig von der Frage, ob die Anwendung des § 15 Abs. 1 BauNVO hier bereits deshalb ausgeschlossen ist, da das Rücksichtnahmegebot bereits von der vorausgegangenen planerischen Abwägung „aufgezehrt“ worden ist,
53Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2014 – 10 B 1323/13 – mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 – 4 C 8/12 -; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. November 2014 – 5 K 4298/13 -; jeweils zitiert nach juris,
54kann eine rücksichtslose Beeinträchtigung des Klägers durch das Vorhaben des Beigeladenen nicht festgestellt werden.
55Das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme soll angesichts der gegenseitigen Verflechtungen der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist, und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist. Die Beachtung des Rücksichtnahmegebots soll gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Die sich daraus ergebenden Anforderungen sind im Einzelfall festzustellen, wobei die konkreten Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind. Dabei kann desto mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung dessen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, desto weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit dem Bauvorhaben verfolgten Interessen sind.
56Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Januar 1983 - 4 C 59.79 -, vom 28. Oktober 1993 - 4 C 5.93 - und vom 23. September 1999 - 4 C 6.98 -; OVG NRW, Beschluss vom 3. September 1999 - 10 B 1283/99 -; jeweils zitiert nach juris; sowie zuletzt VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17. Juli 2014 – 5 K 3060/13 -.
57Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine qualifizierte Störung im Sinne einer Unzumutbarkeit.
58Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschlüsse vom 17. Januar 2014 – 5 L 1469/13 – und vom 23. August 2013 – 6 L 737/13 - sowie Urteil vom 30. Oktober 2014 – 5 K 1588/13 -; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Urteil vom 12. Juli 2012 – 2 B 12.1211 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Januar 2012 – 2 S 50.10 -; jeweils zitiert nach juris.
59Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich die Errichtung eines Kiosks auf dem Grundstück des Beigeladenen gegenüber dem Kläger nicht als unzumutbar. Dies ergibt sich bereits aus der geringen Größe des Kiosks sowie des eingeschränkten Warensortiments, welches im Kiosk angeboten werden soll, bestehend im Wesentlichen aus Zeitungen, Tabak, Süßigkeiten und Getränken, die es von vornherein mit sich bringen, dass Kunden den Kiosk lediglich zum Erwerb einzelner Waren „im Vorbeigehen“ und nicht etwa zu größeren Einkäufen aufsuchen werden. Hinzu kommt, dass der Kiosk straßenseitig zur Straßenbiegung der J.--------straße ausgerichtet ist, so dass die von dem Kiosk ausgehenden Immissionen nur in äußerst geringem Maße überhaupt in den geschützten Ruhebereich des klägerischen Grundstücks eindringen können. Vor dem Hintergrund des Eindrucks, den das Gericht während des Ortstermins von der Örtlichkeit gewonnen hat, werden sich die durch den Kiosk verursachte Lärmimmissionen allenfalls auf die zur J.--------straße ausgerichteten Wohnungen auf dem Grundstück des Klägers, an die teilweise auch ein Balkon angeschlossen ist, auswirken. Zwar verkennt das Gericht nicht, dass mit der Errichtung des Kiosks bezüglich dieser Wohnungen eine Belastung für die Bewohner einhergeht. Die zu erwartenden Immissionen erreichen jedoch nicht ein solches Maß, dass von einer Unzumutbarkeit im oben dargestellten Sinne ausgegangen werden kann. Letztlich sprechen auch die eingeschränkten Öffnungszeiten des Kiosks, vor allem in den Abendstunden, gegen eine unzumutbare Beeinträchtigung des Klägers. Durch die Begrenzung der Öffnungszeiten wochentags bis 20.00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen bis 18.00 Uhr sind Lärmimmissionen zu den besonders geschützten Abend- und Nachtzeiten ausgeschlossen. Sofern der Kläger vorträgt, dies werde nicht der Wirklichkeit entsprechen, obliegt es der Beklagten bei Überschreitungen der Baugenehmigung hiergegen ordnungsbehördlich vorzugehen. Prüfungsmaßstab hinsichtlich der Verletzung drittschützender Rechte ist dagegen lediglich der genehmigte Zustand.
60Soweit der Kläger vorträgt, durch die Errichtung eines Kiosks werde erheblicher Besucherverkehr ausgelöst, kann dem nicht gefolgt werden. Vor dem Hintergrund der geringen Größe Kiosks sowie vor allem des dort angebotenen eingeschränkten Warensortimentes, vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass mit der Umsetzung des Vorhabens ein die Grenze der Unzumutbarkeit überschreitender An- und Abfahrtverkehr zu erwarten ist. Vielmehr geht das Gericht davon aus, dass lediglich zufällige Passanten sowie Bewohner der J.--------straße und des angrenzenden Bereichs der K. -T. -Straße den Kiosk aufsuchen werden.
61Verstöße des Vorhabens gegen drittschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts wurden weder vorgetragen, noch liegen Anhaltspunkte für einen solchen Verstoß vor.
62Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verletzt im angefochtenen Umfang auch keine sonstigen nachbarschützenden Vorschriften des öffentlichen Rechts.
63Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind erstattungsfähig, da er einen Antrag gestellt und sich somit dem allgemeinen Prozessrisiko ausgesetzt hat, §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
64Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 07. Apr. 2015 - 5 K 1953/14
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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 07. Apr. 2015 - 5 K 1953/14 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.
(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und
- 1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder - 2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder - 3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller zu 1. und 2. auf der einen und die Antragsteller zu 3. und 4. auf der anderen Seite je zur Hälfte einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die erstattungsfähig sind.
2. Der Streitwert beträgt 10.000 €.
1
Gründe:
2Der Antrag der Antragsteller,
3die aufschiebende Wirkung ihrer Klage 5 K 5066/13 gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 20. September 2013 zur Errichtung eines 8-Familienhauses mit Tiefgarage auf dem Grundstück M.--------weg 19 in C. -T. (Gemarkung T. , Flur 33, Flurstücke 332, 675) anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Hat eine Klage gegen einen Verwaltungsakt wie hier nach § 212 a des Baugesetzbuchs ‑ BauGB ‑ in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑ keine aufschiebende Wirkung, so kann das Gericht der Hauptsache deren aufschiebende Wirkung gem. § 80 a Abs. 3 und Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen.
6In dem wegen der Eilbedürftigkeit nur summarischen Verfahren hat es dabei nicht unmittelbar die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes zu prüfen, sondern zu untersuchen, ob das Interesse an dessen sofortiger Vollziehung das Interesse des Dritten an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiegt. Gegenstand dieser Abwägung ist das Interesse des Nachbarn an der Aussetzung der Vollziehung auf der einen Seite und das Interesse des begünstigten Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der ihm erteilten Baugenehmigung andererseits. Da sich beide Interessen im Grundsatz gleichwertig gegenüberstehen, orientiert sich die vor-zunehmende Abwägung vornehmlich an den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache.
7Hinsichtlich des gerichtlichen Prüfprogramms ist zunächst darauf hinzuweisen, dass im baurechtlichen Nachbarstreit – und auch im Verfahren des zugehörigen vorläufigen Rechtsschutzes – keine Prüfung der objektiven Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung vorzunehmen, sondern allein zu fragen ist, ob der angefochtene Verwaltungsakt den Rechtsbehelfsführer in seinen ihn schützenden subjektiven Rechten verletzt.
8Vorliegend geht die Interessenabwägung insgesamt zu Lasten der Antragsteller aus. Ihre Klage gegen die Baugenehmigung wird voraussichtlich keinen Erfolg haben. Es liegt kein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Baurechts vor.
9Dabei ist zunächst festzustellen, dass die Baugenehmigung vom 9. April 2013, mit der der Beigeladenen die Errichtung des 8-Familienhauses erlaubt worden war, bestandskräftig ist. Diese Baugenehmigung ist den Antragstellern mit Nachbarbenachrichtigung vom 4. September 2013, zugestellt am 6. bzw. 7. September 2013, bekanntgegeben worden. Hiergegen haben die Antragsteller Klage nicht erhoben. Die Klagefrist ist insoweit abgelaufen. Die Klage vom 13. Oktober 2013, bei Gericht eingegangen am 23. Oktober 2013, richtet sich allein gegen die Baugenehmigung vom 20. September 2013. Die hierin enthaltenen Änderungen gegenüber der ursprünglichen Baugenehmigung vom 9. April 2013 sind so geringfügig, dass sie keine über die bestandskräftige Baugenehmigung hinausgehenden Beeinträchtigungen für die Antragsteller enthält. Die Änderungen betreffen ganz überwiegend Maßnahmen im Inneren des Gebäudes wie die nachträgliche Anordnung von tragenden Wandscheiben und Stützen. Der Kubus des Gebäudes ist in keiner Weise verändert worden, die Fassade lediglich insoweit, als einzelne Fenster geringfügig verändert wurden; namentlich wurden einzelne Fenster im Untergeschoss auf der den Antragstellern zugewandten Nordseite verkleinert, wovon die Antragsteller kaum betroffen sind. Außerdem wurde das Betondach über dem Eingang durch ein Glasdach ausgetauscht, eine für die Antragsteller ebenso völlig unerhebliche Änderung.
10Soweit schließlich eine Abweichung von § 35 Abs. 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen ‑ BauO NRW ‑ genehmigt wurde, sind die Antragsteller dadurch nicht in ihren Rechten beeinträchtigt. Denn die Vorschriften über die Bedachung sind lediglich insoweit nachbarschützend, als sie das Übergreifen von Feuer auf Nachbargrundstücke verhindern sollen.
11Vgl. Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel BauONRW § 74 Rdnr. 71.
12Da zwischen dem Grundstück der Antragsteller und dem Vorhabengrundstück aber die Straße verläuft, handelt es sich nicht um Nachbargrundstücke.
13Aber auch für den Fall, dass man in der Baugenehmigung vom 20. September 2013 eine vollständig neue Baugenehmigung, also ein aliud gegenüber der Baugenehmigung vom 9. April 2013 sehen wollte, hätte der Antrag keinen Erfolg. Denn sie verstößt auch umfassend betrachtet nicht gegen nachbarschützende Rechte.
14Die Kammer hat sich bereits mit dem Vorbescheid für das Vorhabengrundstück befasst und hierzu in den Urteilen vom 16. Dezember 2011 (5 K 1784/10 u.a.) ausgeführt:
15„Der Vorbescheid erweist sich hinsichtlich nachbarschützender Vorschriften auch in materiell-rechtlicher Hinsicht als rechtmäßig. Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des im Streit stehenden Vorhabens nach § 34 Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB) richtet, da das Vorhabengrundstück – unstreitig – innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, jedoch nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegt. Das Bauvorhaben der Beigeladenen fügt sich dabei hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein, da das geplante Gebäude ausschließlich Wohnzwecken dienen soll. Die weiteren Kriterien des § 34 Abs. 1 BauGB und damit vor allem die Frage der Erschließung sowie das Maß der baulichen Nutzung und die überbaubare Grundstückfläche sind demgegenüber regelmäßig – so auch hier – nicht nachbarschützender Natur. So ist es für Nachbarverfahren regelmäßig ohne Bedeutung, ob sich das streitige Vorhaben nach seinem Bauvolumen, der Zahl seiner Geschosse, der Höhe oder der Bebauungstiefe in die nähere Umgebung einfügt.
16St. Rspr., grundlegend Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13. Juni 1969 - IV C 234.65 -, BVerwGE 32, 173; vgl. auch Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen, Urteil vom 26. Februar 2008 - 6 K 1102/06 -, zitiert nach juris (Rdnr. 51), sowie Beschlüsse vom 23. Dezember 2008 - 5 L 1404/08 -, juris (Rdnr. 12), vom 23. April 2010 - 5 L 337/10 -, juris (Rdnr. 11), und vom 2. August 2011 - 5 L 579/11 -, juris (Rdnr. 9).
17Eine Verletzung von Nachbarrechten der Kläger in bauplanungsrechtlicher Hinsicht könnte daher allein aus einer Verletzung des im Merkmal des Sich-Einfügens nach § 34 Abs. 1 BauGB enthaltenen Gebotes der Rücksichtnahme hergeleitet werden. Für einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme reicht es allerdings nicht aus, dass ein Vorhaben sich mitunter nicht in jeder Hinsicht innerhalb des Rahmens hält, der durch die Bebauung in der Umgebung gebildet wird.
18Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 - 4 C 9.77 -, zitiert nach juris.
19Das Gebot der Rücksichtnahme will vielmehr angesichts der gegenseitigen Verflechtung der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist, und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist.
20In diesem Sinne vermittelt es Nachbarschutz, wenn und soweit andernfalls durch die Ausführung oder Benutzung eines Vorhabens in konkrete, schutzwürdige Belange eines Dritten „rücksichtslos“ eingegriffen würde. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist im Einzelfall festzustellen, wobei dessen jeweilige Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind.
21Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 - 4 C 22.75 -, sowie Beschluss vom 11. Januar 1999 - 4 B 128.98 -, jeweils zitiert nach juris.
22Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine qualifizierte Störung im Sinne einer Unzumutbarkeit.
23Ein derartig qualifizierter Verstoß ist hier nicht feststellbar. Dies gilt auch und insbesondere mit Blick auf die dem Vorhaben zuzurechnenden verkehrsbedingten Lärm- und Geruchsbeeinträchtigungen (a) als auch hinsichtlich des mit dem Bauvorhaben verbundenen erhöhten Verkehrsaufkommens in der Stichstraße des M1.---------weges (b). Derartige Beeinträchtigungen erweisen sich für die Kläger jedenfalls nicht als unzumutbare Belastungen.
24a) Von den zu erwartenden Verkehrsimmissionen, die unmittelbar bei der Zu- und Abfahrt zur geplanten Tiefgarage entstehen, werden die Kläger bereits aufgrund der räumlichen Distanz zwischen ihrem Grundstück und dem Vorhabengrundstück nicht mehr spürbar beeinträchtigt sein. Ihr Grundstück liegt mehr als 50 m von der geplanten Tiefgargagenzufahrt entfernt; zwischen dem klägerischen Grundstück und dem Vorhabengrundstück liegen überdies noch die bebauten Grundstücke M2.---------weg Nrn. 21 und 23. Hinzu kommt, dass die mit der Nutzung der Tiefgaragenzufahrt verbundenen Immissionen selbst gegenüber den unmittelbar an das Vorhabengrundstück angrenzenden Nachbarn eine Unzumutbarkeit nicht erkennen lassen (vgl. Urteile der Kammer vom 16. Dezember 2011 in den Parallelverfahren 5 K 1801/10 und 5 K 1807/10).
25Die Kläger werden auch nicht durch die Geräusche und Abgase des durch das Bauvorhaben ausgelösten An- und Abfahrtsverkehrs, der an ihrem Haus über die Stichstraße des M3.--------wegs vorbeiführen wird, unzumutbar belastet. Zwar kann in einem solchen Sinne unter besonderen Umständen auch die Zunahme von Verkehrsgeräuschen aufgrund einer dem Vorhaben zuzurechnenden Verstärkung des Zu- und Abgangsverkehrs in der weiteren Nachbarschaft zu einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot führen.
26Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1988 - 4 C 6. u. 7.85 -, zitiert nach juris (Kundenverkehr zu einem großflächigen Einzelhandelsbetrieb); Urteil vom 27. August 1998 - 4 C 5/98 -, juris (Zu- und Abfahrtsverkehr zu einem „Kurhaus“ mit einer Gesamtbesucherkapazität von 1.231); Beschluss vom 20. Januar 1998 - 4 B 116.88 -, juris (zum Verladen von Ware und Leergut auf der Straße vor einem Getränkemarkt).
27In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist insoweit allerdings geklärt, dass der unter Inanspruchnahme einer öffentlichen Straße abgewickelte Zu- und Abgangsverkehr einer baulichen Anlage, durch deren Nutzung er ausgelöst wird, dieser nur zuzurechnen ist, sofern er vom übrigen Straßenverkehr unterscheidbar ist.
28Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. Juli 1992 - 7 B 103.92 -, und vom 6. Mai 1998 - 7 B 437.97 -, jeweils zitiert nach juris.
29Hier ist schon nicht zu erkennen, warum der durch das Vorhaben ausgelöste Verkehrslärm von dem „normalen“ Straßenverkehrslärm unterscheidbar und daher dem Vorhaben zurechenbar sein sollte. Vielmehr wird auch das Bauvorhaben – wie die übrigen in der Stichstraße gelegenen Grundstücke – ausnahmslos mit Pkw im Rahmen der Wohnnutzung angefahren werden, so dass hinsichtlich Art und Qualität des zusätzlichen Verkehrslärms keine Unterscheidung zu der bisherigen straßenverkehrlichen Nutzung der Stichstraße des M4.--------weges gegeben sein wird. Die Inanspruchnahme der – dem ö f f e n t l i c h e n Straßenverkehr gewidmeten – Stichstraße des M4.--------weges zum Zwecke der verkehrsmäßigen Erschließung steht dem Bauvorhaben gleichermaßen zu, wie allen anderen Anliegern in jener Stichstraße auch.
30Darüber hinaus ist nicht einmal im Ansatz festzustellen, dass bei dem hier in Rede stehenden Bauvorhaben mit insgesamt neun Wohneinheiten ein solche Verstärkung des Zu- und Abgangsverkehrs zu befürchten wäre, dass dadurch die Verkehrsimmissionen in der Stichstraße des M4.--------weges die Zumutbarkeitsschwelle überschreiten könnten. Dies gilt für das Grundstück der Kläger bereits insofern, als dieses aufgrund seiner Lage ohnehin entsprechend vorbelastet ist; denn das klägerische Grundstück liegt nicht ausschließlich im Bereich der Stichstraße, sondern an der Stichstraßeneinmündung und insoweit an dem – fraglos stärker befahrenen – M5.---------weg als solchem. Abgesehen davon können sich die Kläger auch nicht darauf berufen, dass das Vorhabengrundstück bislang nicht bzw. nur mit einem Einfamilienhaus bebaut war und es dementsprechend bislang kaum Zu- und Abgangsverkehr zu eben diesem Grundstück gab. Denn bei dem Vorhabengrundstück mit einer Gesamtfläche von immerhin fast 2.500 m2 musste jederzeit mit einem auch größeren Wohnbauvorhaben gerechnet werden. Dass das Grundstück bislang nicht bzw. nur mit einem Einfamilienhaus bebaut ist, mag für die Kläger insoweit bislang allenfalls ein faktischer Lagevorteil gewesen sein.
31Ob im Übrigen durch die zusätzlichen Verkehrsimmissionen in der Stichstraße des M4.--------weges die Immissionsrichtwerte für ein reines Wohngebiet eingehalten werden, ist für die Beurteilung der Frage der Rücksichtslosigkeit nicht entscheidend. Technisch-rechnerisch ermittelte Immissionswerte sind in diesem Kontext für die Beurteilung der Zumutbarkeit nicht ausschlaggebend.
32b) Auch im Übrigen wird aufgrund des erhöhten Verkehrsaufkommens in der Stichstraße die Grenze der Zumutbarkeit nicht überschritten. Dies gilt sowohl mit Blick auf die von den Klägern erwarteten „Parkplatzprobleme“ als auch hinsichtlich der befürchteten „Verkehrsgefährdungen“.
33Zwar kann sich ein Mangel an Stellplätzen eines Bauvorhabens gegenüber den Eigentümern der vom parkenden Verkehr und vom Parksuchverkehr betroffenen Wohngrundstücke im Einzelfall ausnahmsweise als rücksichtslos erweisen, falls die Verletzung der Pflicht zur Schaffung ausreichenden Parkraums für die Nutzer eines Bauvorhabens geeignet ist, die bestimmungsgemäße Nutzung der benachbarten Grundstücke zu beeinträchtigen. Davon kann vorliegend jedoch keine Rede sein.
34Die in den Bauvorlagen vorgesehene Herstellung von 12 Stellplätzen ist für das Vorhaben der Beigeladenen ausreichend bemessen (vgl. Nr. 51.11 VV BauO NRW sowie Ziffer 1.1 der Richtzahlen für den Stellplatzbedarf). Die Richtzahlen für den Stellplatzbedarf sind Verwaltungsvorschriften und deshalb für das Gericht nicht bindend. Sie sind jedoch als auf gesicherter Erfahrungsgrundlage beruhende Anhaltspunkte bzw. als sachverständig festgestellte Erfahrungswerte – nach wie vor – von Bedeutung.
35Vgl. u. a. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 9. März 2007 - 10 B 2675/06 -, und vom 19. Januar 2009 - 10 B 1687/08 -, jeweils zitiert nach juris.
36Orientiert man sich an den als sachverständig festgestellten Erfahrungswerten der Richtzahlen für den Stellplatzbedarf, so ergibt sich daraus die Notwendigkeit der Errichtung eines Stellplatzes je Wohnung. Das Gericht sieht keinen Anlass, dass für das vorliegende Vorhaben von diesen Erfahrungswerten abzuweichen wäre.
37Entgegen der Auffassung der Kläger ist auch nicht etwa zu befürchten, dass die künftigen Bewohner des Vorhabens statt der Tiefgarage den öffentlichen Verkehrsraum in Anspruch nehmen werden. Zwar mag eine Tiefgarage mittels Aufzugsanlage oder ein sog. „Parklift“ bei öffentlichen Einrichtungen im Einzelfall untauglich sein, um den Stellplatzbedarf zu befriedigen.
38Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.08.1990 - 11 A 2085/88 -, zum Stellplatzbedarf einer Spielhalle, sowie Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 29. September 1999 - 3 S 1163/99 -, zum Stellplatzbedarf für ein Islamisches Zentrum, jeweils zitiert nach juris.
39Dies gilt indes nicht für ein Wohnbauvorhaben mit 12 Tiefgaragenstellplätzen. Insoweit gilt es zu bedenken, dass die – ausnahmslos dem Mehrfamilienhaus zugeordneten – Tiefgaragenstellplätze nur im Rahmen der Wohnnutzung angefahren werden; dies lässt erfahrungsgemäß den Schluss zu, dass es lediglich zu wenigen Fahrzeugbewegungen im Verlaufe eines Tages kommen wird. Anders als bei öffentlichen Einrichtungen mit regem Besucherverkehr ist daher hier mit etwaigen Rückstaus o. ä. nicht zu rechnen, so dass auch nicht zu befürchten ist, dass die Tiefgarage nicht von den Bewohnern in Anspruch genommen werden könnte.
40Hinzu kommt, dass die bisherigen Anlieger in der Stichstraße des M4.--------weges nahezu allesamt über eigene Stellplätze oder Garagen verfügen. Außerdem kann nach Maßgabe der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) nicht nur die Stichstraße, sondern auch der Bereich des M3.--------wegs , der vor der Einmündung in die Stichstraße liegt, ohne weiteres zum Parken genutzt werden.
41Nach alledem führt das Vorhaben der Beigeladenen im Bereich der Stichstraße auch nicht zu einer Verschärfung der Verkehrssituation, mit der zwingend oder typischerweise eine erhöhte (Verkehrs-)Gefährdung einhergehen könnte. Bei der Straße handelt es sich um eine Sackgasse ohne Durchgangsverkehr; für Fußgänger ist an der südlichen Straßenseite ein befestigter Bürgersteig vorhanden. Die Stichstraße ist – ausweislich des Eindrucks, den der Einzelrichter im Rahmen des Ortstermins gewonnen hat – weder besonders eng noch besonders unübersichtlich. Dies gilt auch für den Einmündungsbereich in die Stichstraße wie für den Bereich des Wendehammers. Schließlich ist auch nicht festzustellen, dass die Ein- oder Ausfahrtsvorgänge über die Tiefgaragenzufahrt zu einer besonderen Gefährdung des öffentlichen Verkehrs führen könnten, da sich – soweit anhand des angefochtenen Vorbescheides abgeschätzt werden kann – die Zufahrt ohne Rangiervorgänge oder besondere Fahrmanöver befahren lassen dürfte.“
42Diese Ausführungen gelten hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren angefochtenen Baugenehmigung in gleicher Weise. Die Änderungen, die das der Baugenehmigung zugrunde liegende Vorhaben gegenüber dem mit Vorbescheid genehmigten Vorhaben erfahren hat, sind im Hinblick auf die Verletzung von Nachbarrechten der Kläger unerheblich. Das gilt zum einen in Bezug auf die Änderung des Gebäudekubus‘, die lediglich das Maß der baulichen Nutzung betrifft, das keinen Nachbarschutz begründet. Das betrifft aber insbesondere die Änderungen hinsichtlich der Anlage der Zufahrt zur Tiefgarage, die nunmehr nicht mehr wie ursprünglich geplant über eine Rampe parallel zur Straße erfolgt, sondern über einen Aufzug, der direkt von der Straße angefahren wird. Dadurch wird die Belästigung der Anwohner in erheblichem Umfang reduziert. Auch soweit die Zahl der Stellplätze in der Tiefgarage von 12 auf 15 erhöht wurde, obwohl statt neun nunmehr nur noch acht Wohnungen gebaut werden, kommt dies den Bedenken der Antragsteller hinsichtlich der zu knapp bemessenen Stellplätze entgegen.
43Der Antrag ist deshalb abzulehnen. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO. Es entspricht der Billigkeit nach § 162 Abs. 3 VwGO, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da diese einen Antrag gestellt und sich damit dem Kostenrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
44Die Streitwertfestsetzung berücksichtigt das Interesse der Eigentümer von zwei Grundstücken an der Verhinderung des Vorhabens. Pro Grundstück hat die Kammer 10.000 € zugrunde gelegt, wobei der Wert im Hinblick auf die Vorläufigkeit des Verfahrens halbiert wurde.
(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.
(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und
- 1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder - 2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder - 3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Eventuelle außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
1
Gründe:
2Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
3Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen nicht zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung.
4Das Verwaltungsgericht hat den mit der Beschwerde weiterverfolgten sinngemäßen Antrag des Antragstellers,
5die aufschiebende Wirkung der Klage 11 K 4446/14 gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung vom 3. Juni 2014 zur Errichtung eines Wohnhauses für asylbegehrende Personen auf dem Grundstück T. Weg 5 in T1. , Flur 32, Flurstücke 216, anzuordnen,
6im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, die vorzunehmende Interessenabwägung falle zum Nachteil des Antragstellers aus. Eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften des Bauordnungsrechts sei nicht ersichtlich. Die Baugenehmigung verstoße auch nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts. Der Antragsteller könne sich nicht mit Erfolg auf einen Gebietsgewährleistungsanspruch berufen. Ein solcher bestehe nicht im baurechtlichen Außenbereich. Von einem Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme sei ebenfalls nicht auszugehen.
7Die dagegen von der Beschwerde erhobenen Einwände bleiben ohne Erfolg.
81. Die verwaltungsgerichtliche Einschätzung, dem Antragsteller stehe ein Gebietsgewährleistungsanspruch schon deshalb nicht zu, weil das Vorhabengrundstück im Außenbereich liege und sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach § 35 BauGB richte, wird durch das Beschwerdevorbringen nicht in Frage gestellt.
9Der Anwendungsbereich des § 34 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BauGB gilt (nur) für Vorhaben, die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils verwirklicht werden sollen. Ortsteil in diesem Sinne ist jeder Bebauungskomplex, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Das bloße Aufeinanderfolgen einzelner Bauten in Form eines Siedlungsansatzes - wie er hier allein in Rede steht - reicht dazu nicht aus. Mit diesen Anforderungen soll die Abgrenzung zur (unerwünschten) Splittersiedlung erreicht werden, bei der es sich um eine bloße Anhäufung von Gebäuden handelt. Entscheidend kommt es jeweils auf ein objektives Verständnis der Umstände des konkreten Einzelfalls an. Abzustellen ist auf die tatsächlichen Verhältnisse.
10Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15. September 2011- 9 B 11.11. -, juris Rn. 8, vom 2. April 2007- 4 B 7.07 -, BRS 71 Nr. 81 = juris Rn. 4, vom8. November 1999 - 4 B 85.99 -, BRS 62 Nr. 100 = juris Rn. 8, und vom 15. Juli 1994 - 4 B 109.94 -, BRS 56 Nr. 59 = juris Rn. 6, Urteile vom 3. Dezember 1998 - 4 C 7.98 -, BRS 60 Nr. 81 = juris Rn. 12, vom 17. Februar 1984 - 4 C 56.79 -, BRS 42 Nr. 80 = juris Rn. 7, und vom 6. November 1968 - 4 C 31.66 -, BVerwGE 31, 22 = juris Rn. 20 und 23.
11Das „gewisse Gewicht“ für die Bewertung eines Bebauungszusammenhangs als Ortsteil ist nicht für alle Gemeinden und Siedlungsräume einheitlich, sondern nach den siedlungsstrukturellen Gegebenheiten im Gebiet der jeweiligen Gemeinde zu bestimmen. Die Anforderung einer organischen Siedlungsstruktur schließt nur das ein, was in Entgegensetzung zur unerwünschten Splittersiedlung den inneren Grund für die Rechtsfolge des § 34 BauGB bildet, nämlich die nach der Siedlungsstruktur angemessene Fortentwicklung innerhalb des gegebenen Bereichs. Insbesondere eine bandartige oder einzeilige Bebauung entlang nur einer Straßenseite kann die Annahme einer organischen Siedlungsstruktur ausschließen.
12Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. November 1968 - IV C 31.66 -, BRS 20 Nr. 36 = juris Rn. 20; OVG NRW, Urteil vom 28. Februar 2008 - 10 A 1998/06 -, NVwZ‑RR 2008, 682 = juris Rn. 31f.
13Ausgehend von diesen Grundsätzen stellt die in der Nachbarschaft zum Vorhabengrundstück vorhandene Bebauung, die im amtlichen Lageplan als „T. Siedlung“ gekennzeichnet ist, ersichtlich keinen im Zusammenhang bebauten Ortsteil dar. In Auswertung des vorliegenden Kartenmaterials und der im Internet zugänglichen Luftbilder (vgl. z.B. www.tim-online.nrw.de) weist die benachbarte Bebauung am T. Weg weder für sich genommen noch in der Zusammenschau mit entfernter gelegener Bebauung das für einen Ortsteil erforderliche Gewicht auf, noch ergeben sich Anknüpfungspunkte für eine organische Siedlungsstruktur. Der Beschwerde ist nichts anders zu entnehmen. Sie selbst spricht von "einer Art Splittersiedlung".
14Damit entfällt auch ein Gebietsgewährleistungsanspruch.
15Der Gebietsgewährleistungsanspruch ist darauf gerichtet, dass sich ein Nachbar in einem (faktischen) Baugebiet im Sinne von § 1 Abs. 3 und Abs. 2 BauNVO auch dann gegen die Zulassung einer in dem Baugebiet gebietswidrigen Nutzung wenden können soll, wenn er durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird. Die Festsetzung von Baugebieten durch einen Bebauungsplan hat grundsätzlich nachbarschützende Funktion zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet. Hauptanwendungsfall für diesen Grundsatz, der auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses beruht, sind die Festsetzungen eines Bebauungsplans über die Art der baulichen Nutzung. Weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Nutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen. Im Rahmen des durch eine Baugebietsfestsetzung begründeten nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll jeder Planbetroffene im Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindern können. Entsprechendes gilt innerhalb faktischer Baugebiete nach § 34 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB.
16Vgl. insoweit BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2007 - 4 B 55.07 - , BRS 71 Nr. 68 = juris Rn. 5, Urteile vom 23. August 1996 - 4 C 13.94 -, BVerwGE 101, 364 = BRS 58 Nr. 159 = juris Rn. 48 ff., und vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151 = BRS 55 Nr. 110 = juris Rn. 12; OVG NRW, Urteil vom 21. Dezember 2010 - 2 A 1419/09 -, DVBl. 2011, 570 = juris Rn. 83 ff., Beschluss vom 22. Juni 2010 - 7 B 479/10 -, juris Rn. 7, Urteil vom 17. Dezember 2008 - 10 A 3001/07 -, juris Rn. 35.
17Der auf die Einhaltung der Gebietsart gerichtete Anspruch setzt also Gebiete voraus, die – wie die Baugebiete der Baunutzungsverordnung – durch eine einheitliche bauliche Nutzung gekennzeichnet sind und eine Bindung der Grundstückseigentümer begründen. Dem Außenbereich fehlt indes ein bestimmter Gebietscharakter, dessen Erhaltung gerade das Ziel des Nachbarschutzes in den Baugebieten der Baunutzungsverordnung ist.
18Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 1999 - 4 B 38.99 -, BRS 62 Nr. 189 = juris Rn. 5; OVG NRW, Urteil vom 2. Dezember 2013 - 2 A 2652/11 -, DVBl. 2014, 722 = juris Rn. 63.
19Dies gilt gleichermaßen für Splittersiedlungen, die noch nicht das erforderliche Gewicht bzw. die organische Siedlungsstruktur eines im Zusammenhang bebauten Ortsteil aufweisen, auch wenn in ihnen - wie hier von der Beschwerde für die Siedlung „T. Weg“ geltend gemacht - im Wesentlichen nur Wohnnutzung stattfinden sollte. Denn die entscheidende Prägung erhält die Splittersiedlung durch ihre Lage im Außenbereich; sie kann von daher kein Baugebiet darstellen und unterstellt die Grundeigentümer darüber hinaus auch keinen spezifischen - über die Anforderungen des § 35 BauGB hinausgehenden - Beschränkungen im Hinblick auf die Art der baulichen Nutzung. Der Antragsteller kann sich entsprechend auf eine Verletzung öffentlicher Belange, die einem Außenbereichsvorhaben entgegenstehen nur berufen, wenn hierdurch zugleich zu seinem Nachteil eine Verletzung seines Rechts aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB in Verbindung mit dem Rücksichtnahmegebot vorliegt.
202. Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass die angefochtene Baugenehmigung zu Lasten des Antragstellers gegen das nach dem Vorstehenden zu seinen Gunsten somit allein eingreifende bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstößt.
21Das Verwaltungsgericht hat maßgeblich darauf abgestellt, der Antragsteller habe reale unzumutbare Beeinträchtigungen seines Grundstücks nicht substantiiert geltend gemacht. Die Frage der Erschließung, eines Eingriffs in die Natur und die Befürchtung der Verfestigung einer Splittersiedlung wiesen keinen nachbarschützenden Bezug auf. Gleiches gelte für die von dem Antragsteller geäußerte Befürchtung einer Ausgrenzung der das Wohnhaus bewohnenden Asylbewerber. Angesichts dessen, dass das Vorhaben der Beigeladenen lediglich 6 Schlafräume mit 10 Schlafstellen aufweise und zu dem Grundstück des Antragstellers ein Abstand von rund 75 m bestehen werde und sich dazwischen mehrere andere Wohngrundstücke befänden, seien bei bestimmungsgemäßer Nutzung auch keine sonstigen Beeinträchtigungen zu befürchten.
22Diesen überzeugenden Ausführungen setzt der Antragsteller mit seinem Beschwerdevorbringen nichts Erhebliches entgegen.
23Die von der Beschwerde im Zusammenhang mit der Frage nach einem Gebietsgewährleistungsanspruch erörterte Frage, ob die zur Genehmigung gestellte Unterkunft für Asylbewerber dem „Wohnen“ diene oder eine Anlage für soziale Zwecke im Sinne der Baunutzungsverordnung sei, ist auch im vorliegenden Zusammenhang unerheblich. Für die Frage, ob die Baugenehmigung gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt, kommt es nicht auf die typisierende rechtliche Einordnung der streitgegenständlichen Asylbewerberunterkunft an. Entscheidend sind vielmehr die Einwirkungen, die von dem Vorhaben konkret auf das Grundstück des Antragstellers ausgehen.
24Unerheblich ist auch, ob das Grundstück des Antragstellers eine Wertminderung erfahren wird. Die im Rahmen der Prüfung des Rücksichtnahmegebots geforderte Interessenabwägung hat sich am Kriterium der Unzumutbarkeit auszurichten. Entscheidend ist dabei, ob die zugelassene Nutzung zu einer - unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessen - unzumutbaren Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeiten des anderen Grundstücks führt. Da sich jede - auch eine legale - Nachbarbebauung auf den Wert der umliegenden Grundstücke auswirken kann, kommt einer Wertminderung allenfalls eine Indizwirkung für die Interessenabwägung zu. Ein Abwehranspruch kann jedoch nur gegeben sein, wenn die Wertminderung die Folge einer dem Betroffenen unzumutbaren Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeiten des Grundstücks ist.
25Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. August 1996 - 4 C 13.94 ‑, BVerwGE 101, 364 = juris Rn. 73, m.w.N; OVG NRW Beschluss vom 2. Juni 1998 - 10 B 946/98 -, juris Rn. 17.
26Dafür besteht hier indes kein Anhalt. Soweit die Beschwerde sozialen Sprengstoff insbesondere auch aufgrund der unterschiedlichen Herkunft der Asylbewerber begründet sieht, ist der erforderliche Grundstücksbezug weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend herausgestellt hat, sind von einer baulichen Anlage ausgehende Störungen und Belästigungen nur insoweit auf ihre Nachbarverträglichkeit zu prüfen, als sie typischerweise bei der bestimmungsgemäßen Nutzung auftreten und von bodenrechtlicher Relevanz sind. Anderweitige (befürchtete) Belästigungen sind nicht Gegenstand baurechtlicher Betrachtung. Insbesondere ist das Baurecht im Allgemeinen nicht in der Lage, soziale Konflikte zu lösen, die wegen der Unterbringung von Asylbewerbern besorgt werden. Befürchteten Belästigungen kann nicht mit Mitteln des Baurechts, sondern nur im jeweiligen Einzelfall mit denen des Polizei- und Ordnungsrechts oder des zivilen Nachbarrechts begegnet werden.
27Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. April 2014 - 7 D 100/12.NE -, BauR 2014, 1113 = juris Rn. 73; Beschluss vom 27. August 1992 - 10 B 3439/92 -, NVwZ 1993, 297 = juris Rn. 7 ff.
28Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
29Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
30Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Tenor
1. Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten zur Nutzungsänderung der bestehenden Fertigungshalle in eine Lagerhalle mit Büros und Sozialräumen auf dem Grundstück T. Straße 95 in C. vom 15. Februar 2012 wird aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladene je zur Hälfte mit Ausnahme der außergerichtlichen der Beklagten und der Beigeladenen, die diese jeweils selbst tragen.
3. Der Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung seitens des Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Nutzungsänderung der bestehenden Fertigungshalle auf dem Grundstück T. Str. 95 in C. -X. (Gemarkung X. , Flur 21, Flurstücke 241, 249, 250, 273, 276) in einen Speditionsbetrieb.
3Der Kläger ist Eigentümer des seit den 40-er Jahren des 20. Jahrhunderts mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks T. Str. 87. Dieses sowie das angrenzende Vorhabengrundstück der Beigeladenen liegen inmitten des Dreiecks, das von der A 40 (Ruhrschnellweg) im Süden, der T. Straße im Nordwesten und der I.---------straße im Osten begrenzt wird. An der T. Straße steht in diesem Bereich beidseitig Wohnbebauung auf, ebenso an der westlichen Seite der I.---------straße . Die Wohnbebauung an der T. Straße wird durchbrochen von dem Gelände der Firma O. Baumaschinen, T. Str. 80, dem Gebäude der Firma G. , T. Str. 109 und dem Vorhabengrundstück.
4Auf dem Grundstück der Fa. G. , einem Großhandel für Raumausstatterbedarf, war vermutlich seit den 50-er Jahren des 20. Jahrhunderts eine Lagerhalle von 1.085 m² Größe und ein 2-geschossiges Bürogebäude der Spedition T1. genehmigt. Im Jahre 1961 wurde darüber hinaus eine Baugenehmigung für eine Lkw-Unterstellhalle (301 m²) mit einer Betriebszeitbeschränkung von 7 bis 20 Uhr genehmigt. Des Weiteren genehmigte die Beklagte im Jahre 1964 den Anbau einer Kfz-Werkstatt mit Garage an die Lagerhalle. Den Umbau der Lagerhalle mit einer Änderung der Laderampen genehmigte die Beklagte im Jahre 1987 für die Spedition S. . Zuletzt wurde für dieses Grundstück am 11. Februar 2010 die Nutzungsänderung der bestehenden Produktionshalle in eine Kommissionierungs- und Lagerhalle für Raumausstattung mit täglich ca. 10-20 Lkw genehmigt; Betriebszeit 7-16 Uhr. Außerdem ein Taxibetrieb im Erdgeschoss mit Kfz-Werkstatt für Wartungs- und kleinere Karosseriearbeiten für 16 Taxen, beschränkt auf den Beginn und das Ende der Schichtwerkzeit jeweils ½ Std. (7-7:30 und 18:30-19 Uhr).
5Das Grundstück der Fa. O. Baumaschinen wurde seit dem Jahr 1981 mit Genehmigung der Beklagten von einer Boschwerkstatt genutzt. Im Jahre 1999 genehmigte die Beklagte die beantragte Nutzungsänderung in einen Handel, Reparatur und Vermietung von und mit Baumaschinen. In der Betriebsbeschreibung wurden als Geräusche die von Pkw, Lkw und Gabelstapler angegeben.
6Auf dem Grundstück der Beigeladenen stand bereits in den 70-er Jahren des 20. Jahrhunderts eine Lagerhalle für den Vertrieb von Bodenbelägen in einer Größe von 5.150 m² auf, zu der 75 Stellplätze gehörten. Im Jahre 1984 wurde eine Hallenerweiterung für diesen Betrieb genehmigt. Mit der genehmigten Hallenerweiterung wurde die Betriebstätigkeit auch auf die Zu- und Auslieferung von keramischen Wand- und Bodenbelägen erstreckt. Im Jahre 1990 genehmigte die Beklagte auf diesem Grundstück die Nutzungsänderung in eine Produktionshalle für Metallbau: Markisen, Gitter und Tore der Eisenwarenfabrik M. und F. . Hiermit war ein Lkw-Aufkommen von 8 bis 10 Fahrzeugen im Sommer, im Winter weniger, verbunden. Vier Jahre später wurde die Erweiterung der Halle verbunden mit 114 Stellplätzen baurechtlich genehmigt, 1997 auch noch der Einbau einer Registratur in die Werkhalle. Vorübergehend wurde das Grundstück offenbar von verschiedenen Speditionsbetrieben genutzt, ohne dass hierfür seitens der Beklagten eine Nutzungsänderung genehmigt worden wäre. Auch entsprechende Anträge wurden nicht gestellt.
7Die Fahrbahn der T. Straße ist in diesem Abschnitt, der von der Kreuzung I.---------straße bis zur Brücke unter der A 40 verläuft, 7,50 m breit. Die Brücke weist nur eine Durchfahrthöhe von 3,20 m auf; deshalb befindet sich an der Kreuzung I.---------straße /T. Straße in Richtung Brücke das Verkehrszeichen 265 der der Straßenverkehrsordnung, das auf das Verbot der Durchfahrt für Fahrzeuge, deren Höhe 3,20 m überschreitet, nach 70 m hinweist.
8Seit Anfang des Jahres 2011 nutzte die Fa. L. , an die die Beigeladene ihr Grundstück vermietet hat, Grundstück und Halle für einen Speditionsbetrieb, ohne zuvor eine Baugenehmigung für die Nutzungsänderung beantragt zu haben. Schon kurz nach Betriebsaufnahme kam es zu zahlreichen Nachbarbeschwerden, auch des Klägers, wegen massiver Lärmbeeinträchtigung der Nachbarschaft durch ca. 45-55 Lkw, die das Grundstück der Beigeladenen täglich anführen. Dabei wurde auch vorgebracht, dass zahlreiche Lkw-Fahrer auch nachts anführen und bei verschlossenen Betriebstoren in der Straße parkten und diese verunreinigten.
9Auf Anregung der Beklagten beantragte die Beigeladene am 7. Juni 2011 die Genehmigung einer Nutzungsänderung der bestehenden Fertigungshalle in eine Lagerhalle mit Büros und Sozialräumen (6.275 m² Lagerfläche, 1.215,45 m² Bürofläche) sowie 15 Stellplätzen. In der Betriebsbeschreibung wurde der Betrieb als Kraftwagen-Spedition bezeichnet mit einem Langzeit- und Zwischenlager von Waren. Täglich sollten 350 Paletten ein- und 350 ausgeliefert werden. Zum Einsatz kämen 3 Elektrogabelstapler, 4 Elektrische Ameisen und 4 mechanische Ameisen. Die Betriebszeit war von 6:30 bis 21:30 Uhr vorgesehen. Täglich war ein Lkw-Verkehr von max. 30 Lkw über 7,5 t, max. 5 Lkw bis 7,5 t und max. 3 Lkw bis 3,8 t veranschlagt.
10Die Beigeladene legte eine Geräuschimmissionsprognose des Ing-Büros I1. vom 7. Juni 2011 sowie eine Ergänzende Stellungnahme des Lärmgutachters vom 6. Dezember 2011 vor.
11Während des Antragsverfahrens häuften sich die Nachbarbeschwerden über parkende Lkw, die nachts die Straßen verstopften, über Lärm aus den Lkw, über die Vermüllung der Straße und Randstreifen durch Abfälle und Fäkalien der wartenden Lkw-Fahrer, aber auch über den Nachtbetrieb bei der Beigeladenen. Einige Beschwerdeführer wiesen darauf hin, dass einige Lkw-Fahrer, die wegen der nächtlichen Ruhestörungen zur Rede gestellt worden seien, die Häuser von Anwohnern mit Eiern und sonstigen Gegenständen beworfen hätten.
12Mit Schreiben vom 23. Dezember 2011 teilte die Beklagte der Beigeladenen mit, dass beabsichtigt sei, die Baugenehmigung zu versagen, weil das Gebot der Rücksichtnahme verletzt sei. Zwar sei kein Nachtbetrieb beantragt. Internationale Fremdzulieferer beführen die Zufahrtsstraße aber auch nachts, so dass unter Einbeziehung des anlagenbezogenen Verkehrs der zulässige Nachtrichtwert von 45 dB(A) am Messpunkt T. Str. 90 um 19 dB(A) überschritten werde.
13Daraufhin teilte die Fa. L. mit Schreiben vom 29. Dezember 2011 „in Ergänzung ihres Schreibens vom 08.12.2011“ mit, dass sie im Zuge der weiteren Optimierung ihrer betrieblichen Ablauforganisation folgende Maßnahmen umsetzen werde:
14„Das Anliefern und Abholen von Ware in C. X. ist nur nach Vorlage einer schriftlichen Genehmigung möglich. Diese Genehmigung wird ausschließlich von Mitarbeitern in unserem Hauptbetrieb in der J.--------straße 38 in C. -M1. in der Zeit von 6.00 bis 19.00 Uhr ausgestellt und ausgehändigt....“
15Nach dieser Ergänzung erteilte die Beklagte der Beigeladenen am 15. Februar 2012 die beantragte Baugenehmigung u. a. mit der Auflage Nr. 1, wonach während der Nachtzeit (22 bis 6 Uhr) kein Lkw-Verkehr auf dem Betriebsgelände sowie im Bereich angrenzender Zufahrtsbereiche stattfinden dürfe. Das Schreiben der Fa. L. vom 29. Dezember 2011 war Anlage zur Baugenehmigung.
16Der Kläger, der hiervon am 18. Februar 2012 unterrichtet wurde, hat am 1. März 2012 Klage erhoben. Zur Begründung macht er geltend, dass die Baugenehmigung rechtswidrig sei.
17Die Umgebungsbebauung komme einem allgemeinen Wohngebiet nahe. Soweit mittel- bis großflächige Gewerbegrundstücke vorhanden seien, würden diese nicht mehr genutzt.
18Selbst bei der Annahme eines Mischgebiets wäre eine Spedition nicht zulässig.
19Die genehmigten Lkw-Bewegungen von maximal 38 Lkw innerhalb der Betriebszeiten von 6:30 bis 21:30 Uhr würden nicht eingehalten. Auch außerhalb der Betriebszeiten führen mehrfach wöchentlich Lkw das Betriebsgelände an. Wenn die Fahrer dann feststellten, dass das Betriebsgelände geschlossen sei, parkten sie ganz überwiegend in der Nähe der Einfahrt und übernachteten dort.
20Der Kläger überreicht eine Dokumentation der Lkw-Anfahrten in der Zeit von 23. Februar bis Ende Mai 2012: Nahezu täglich seien mehr Lkw angefahren als genehmigt; fast die gleiche Zahl sei auch wieder zurückgefahren, da Lkw den Tunnel unter der A 40 nicht befahren könnten. Deshalb sei auch das Schallschutzgutachten falsch, das davon ausgehe, dass sich Pkw und Lkw, die das Gelände der Beigeladenen anführen, in beide Richtungen der T. Straße verteilten.
21Auch die Zahl der im Gutachten angenommenen maximal 40 Rangiervorgänge auf dem Betriebsgrundstück müsse erhöht werden; hierbei sei nicht berücksichtigt, dass Lkw regelmäßig auch schon auf der Straße rangieren müssten, weil die Zufahrt durch andere Fahrzeuge blockiert sei. Aufgrund der Enge der Straße und der Grundstückszufahrt seien die Rangiervorgänge sehr schwierig.
22Die Zahl der mit 40/Tag angesetzten Startvorgänge sei zu niedrig. Denn viele Lkw müssten zunächst auf dem Grundstück warten, bis eine Entladerampe frei sei.
23Schließlich wichen die in der Prognose angenommenen Ladevorgänge von der Betriebsbeschreibung ab: Der Gutachter gehe von 280 Paletten/Tag, somit von 560 Ladebetriebsvorgängen aus, die Beigeladene selbst lt. Betriebsbeschreibung von 2 x 350 Paletten.
24Zwar folge aus den Überschreitungen einer Genehmigung nicht ohne Weiteres die Rechtswidrigkeit der Genehmigung; hier habe sich die Beklagte aber offenbar mit Berechnungsergebnissen zufrieden gegeben, deren Praxisrelevanz nicht belegt und überprüft worden sei.
25Das Konzept der Fa. L. vom 29. Dezember 2011 sei offenbar ungeeignet; auch sei in Abrede zu stellen, dass es tatsächlich umgesetzt werde und überhaupt umgesetzt werden sollte. Denn die vorgelegte Dokumentation habe eindeutig ergeben, dass der Nachtverkehr durch Lkw tatsächlich eher zugenommen habe.
26Am 6. Juni 2013 seien von Anwohnern Zähllisten erstellt worden. Danach hätten insgesamt 41 Fahrzeuge das Betriebsgrundstück angefahren, lediglich 5 von diesen Fahrzeugen seien zuvor in der J.--------straße gesichtet worden.
27Außerdem hätten Anwohner im Zeitraum vom 22. Januar bis 22. Februar 2013 zahlreiche Verstöße dokumentiert, teilweise fotografisch.
28Zwischen dem 23. Mai und dem 28. Juni 2013 sei die höchstzulässige Zahl von 38 Lkw-Anfahrten teilweise erheblich überschritten worden (45, 53, 57, 50, 44 Lkw).
29Eine straßenverkehrsrechtliche Lösung etwa im Sinne eines Parkverbots und eines nächtlichen Durchfahrtverbots sei nach der Rechtsprechung des OVG NRW nicht angezeigt.
30Die Rücksichtslosigkeit ergebe sich daraus, dass der Kläger gegenüber der Vornutzung durch eine erheblich gesteigerte Zahl von Lkw-Vorbeifahrten beeinträchtigt werde, wobei es sich überwiegend um Sattelzüge handele. Da die Grundstückszufahrt rechtwinkelig auf die ca. 6 m breite Straße stoße, sei eine unzumutbare Situation durch rangierende und sich gegenseitig blockierende Lkw gegeben.
31Die Erschütterungen, die durch die Lkw auf dem Grundstück des Klägers ausgelöst würden, seien nicht hinreichend berücksichtigt; der Straßenbelag werde spürbar verschlechtert, die Erschütterungen hierdurch noch stärker. Lediglich für die Geräuschimmissionen sei insoweit ein Zuschlag von 1 dB(A) angesetzt worden. Der Wert des Gebäudes des Klägers werde zunehmend gemindert.
32Die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung ergebe sich auch daraus, dass sie unbestimmt sei. Die Unbestimmtheit beruhe darauf, dass die Steuerung des Lkw-Verkehrs ausschließlich dem Mieter der Beigeladenen überlassen werde; von Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung habe die Beklagte abgesehen. Das Konzept der Fa. L. werde nicht zuverlässig umgesetzt. Der nächtliche Wachdienst sei zeitweise eingestellt und erst auf Druck der Anwohner wieder aufgenommen worden. Manche Lkw-Fahrer hätten sich dahingehend geäußert, dass sie bis zum Morgen in der T. Straße pausieren müssten, um die Lenkzeiten nicht zu überschreiten.
33Schließlich würden Verstöße gegen den vorbeugenden baulichen Brandschutz gerügt. Die in der Genehmigung enthaltene Feuerwehrumfahrt entspreche nicht den örtlichen Gegebenheiten, sie sei im hinteren Teil immer wieder über einen längeren Zeitraum verstellt, so dass Einsatzfahrzeuge behindert würden. Ferner sei nicht erkennbar, dass verschiedene in dem Brandschutzkonzept als erforderlich angesehene Maßnahmen umgesetzt worden seien.
34Was die Vorbelastung angehe, so sei die bisherige Belästigung der Anwohner mit dem heutigen Lkw-Verkehr nicht vergleichbar. Das gelte auch für die 115 Stellplätze, bei denen es sich offensichtlich um Pkw-Stellplätze für die Mitarbeiter des damaligen nicht störenden Produktionsbetriebs handelte. Der Lkw-Verkehr zu dem Grundstück der Fa. G. (Nr. 109) sei nicht besonders aufgefallen. Sie betreibe auch kein Speditionsunternehmen, sondern seit etwa 2005 einen Schaumstoffhandel sowie ein Innenausstattungsstudio. Bei einer repräsentativen Auszählung des Lkw-Verkehrs zu diesem Betrieb habe der Kläger für die Dauer von fünf Tagen sieben Lkw bis 7,5 t und einen Lkw über 7,5 t gezählt.
35Der Kläger beantragt,
36die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten zur Nutzungsänderung der bestehenden Fertigungshalle in eine Lagerhalle mit Büros und Sozialräumen auf dem Grundstück T. Str. 95 in C. vom 15. Februar 2012 aufzuheben.
37Die Beklagte beantragt,
38die Klage abzuweisen.
39Sie ist der Auffassung, dass die planungsrechtlichen Vorgaben eingehalten seien.
40Auf einen Gebietsgewährleistungsanspruch könne sich der Kläger nicht berufen. Die nähere Umgebung des angefochtenen Bauvorhabens lasse sich nicht einem Baugebiet der BauNVO zuordnen. Die nähere Umgebung sei zwar überwiegend durch Wohnnutzung geprägt. Inmitten dieser Nutzung und unmittelbar daran angrenzend fänden sich aber mehrere durchaus umfängliche gewerbliche Nutzungen, so die Firmen „Baumaschinen O. , T. Str. 80“ und die „Gebr. G. GmbH, T. Str. 109“. In dem Betrieb Haus Nr. 80 würden Baumaschinen veräußert, vermietet und dort abgestellt, die Nutzung von Nr. 109 diene der Lagerhaltung von Baustoffen und sei planungsrechtlich als selbständiges Lager anzusehen, das nicht mischgebietsverträglich sei.
41Für das Antragsgrundstück sei bis zur Aufnahme der Nutzung durch die Fa. L. eine produzierende Nutzung (Herstellung von Sonnenschutz- und Rollgitteranlagen mit 115 Stellplätzen) seit 1990 bauaufsichtlich genehmigt gewesen. Auch ein solcher metallverarbeitender Betrieb sei nicht mischgebietsverträglich, da der Nutzung angesichts der zahlreichen genehmigten Stellplätze und des damit einhergehenden Zu- und Abgangsverkehrs planungsrechtlich ein wesentliches Störpotential zuzuordnen sei. Ihr komme aufgrund ihrer langen Dauer und des erheblichen Umfangs auch nach ihrer Aufgabe nachprägende Wirkung zu.
42Eine genehmigte gewerbliche Nutzung könne bis zurück in das Jahr 1973 belegt werden, jeweils verbunden mit einem erheblichen Stellplatzvolumen und entsprechendem Zu- und Abgangsverkehr.
43Auch liege kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme vor. Der Kläger könne nicht die Einhaltung der Immissionsrichtwerte für Wohngebiete fordern. Rechtliche Vorbelastungen könnten dazu führen, dass die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme vermindert werde. Bei einem Nebeneinander von Wohnnutzung und gewerbegebietstypischer Nutzung gälten anerkanntermaßen als Mittelwert die Immissionsrichtwerte für Mischgebiete.
44Diese Grenzwerte würden nach der vorgelegten Geräuschimmissionsprognose im Tageszeitraum an sämtlichen Messpunkten erheblich unterschritten. Da der Sachverständige bei seiner Analyse eine erheblich größere Zahl an Verkehrsbewegungen im Lkw-Bereich zugrunde gelegt habe (40 anfahrende Lkw statt der genehmigten 30 Fahrzeuge), lägen die Ergebnisse auf der sicheren Seite. Wenn der Kläger rüge, dass ein erheblich höherer Zu- und Abgangsverkehr realistisch sei, so sei auf die Genehmigungslage zu verweisen, nach der lediglich 38 Lkw-Anfahrten legalisiert seien. Eine quantitativ höhere Nutzung möge unmittelbar nach der Betriebsaufnahme zu verzeichnen gewesen sein; es sei aber nicht richtig, dass es permanent zu einer Überschreitung der genehmigten Zahl anfahrender Lkw komme. Aufgrund einer örtlichen Überprüfung durch die Beklagte und einer Auswertung der Geschäftsunterlagen zur Zu- und Abfahrt habe sich kein Verstoß gegen den genehmigten Umfang des Lieferverkehrs ergeben.
45Wenn der Kläger vortrage, dass die Zahl von 40 Lkw zu gering bemessen sei, da die Lkw immer wieder wegen ausgelasteter Entladerampen nicht sofort entladen werden könnten, sei dies zurückzuweisen. Die genehmigten 38 Lkw-Zufahrten ergäben, bezogen auf 15 Betriebsstunden, eine durchschnittliche Belegung der südlichen Laderampe von 3 Lkw je Stunde. Bei einer Länge der Rampe von 75,41 Metern und einer maximal zulässigen Länge von Nutzfahrzeugzügen von 18,75 Metern könne über die Rampe parallel eine Be-/Entladetätigkeit für vier Lkw abgewickelt werden. Im Übrigen habe der Gutachter für zusätzliche Startvorgänge einen Taktzuschlag von 17 dB(A) vorgenommen.
46Auch der Vorhalt, der schlechte Straßenbelag sei nicht hinreichend berücksichtigt worden, treffe nicht zu. Dafür bestehe schon keine Notwendigkeit, weil ein erheblich beschädigter und sich zunehmend verschlechternder Straßenbelag nicht zu erkennen sei. Im Bereich des Betriebsgeländes habe der Gutachter sogar zu Gunsten der Nachbarn einen Zuschlag von 1 dB(A) vorgenommen, weil er eine Bodenbeschaffenheit aus Betonsteinen mit Fugen > 3 mm zugrunde gelegt habe. Tatsächlich sei als Fahrbahnbelag dort größtenteils Asphalt anzutreffen.
47Die Rüge, dass der Gutachter die besondere Einbahnstraßensituation dieses Bereichs der T. Straße nicht berücksichtigt habe, habe der Gutachter selbst als im Ergebnis unerheblich dargestellt.
48Der Einwand, dass der Gutachter ein im Vergleich zur Genehmigungslage niedrigeres Ladevolumen zugrunde lege (560 statt 700 Paletten), treffe zwar zu. Dies wirke sich aber lediglich auf Immissionen aus, die durch den eigentlichen Ladebetrieb durch Elektrostapler bzw. Elektro- und Hubwagen hervorgerufen würden. Da aber die Grenzwerte um mehr als 5 dB(A) unterschritten würden, sei es ausgeschlossen, dass die Ladetätigkeit für zusätzliche 140 Paletten zu einer Überschreitung der Grenzwerte führe.
49Auch dem Vorhalt der „maßgeschneiderten Baugenehmigung“ sei zu widersprechen. Gegen eine unter diesem Gesichtspunkt fehlerhafte Baugenehmigung spreche schon, dass das angefochtene Bauvorhaben sich planungsrechtlich innerhalb des vorgegebenen Rahmens der näheren Umgebung halte.
50Die Erklärung der Fa. L. vom 29. Dezember 2011, die Gegenstand der Baugenehmigung geworden sei, diene auch der bauplanerischen Konfliktbewältigung. Es sei nicht ersichtlich, warum die genehmigte Betriebsweise (Zulieferung über den Standort C. -M1. ) nicht tauglich sein sollte, etwaige planungsrechtliche Spannungen zu beherrschen. Hier möge es in der Zeit nach der Betriebsaufnahme zu wiederholten Verstößen gegen die genehmigte Betriebszeit gekommen sein. Dies habe inzwischen abgestellt werden können. Im Nachtzeitraum führe kein genehmigungswidriger Anlieferverkehr in die Straße ein und verweile in Ermangelung einer Einfahrtmöglichkeit in das Betriebsgelände im Straßenraum. Ein Vertreter der Beklagten habe sich zwischen dem 22. Juni und 27. Juli 2012 an sechs Terminen unangemeldet in der Zeit von 5:45 bis 6:40 Uhr zu der Örtlichkeit begeben und sich einen eigenen Eindruck verschafft. An keinem der Termine habe ein im Straßenraum abgestellter Lkw festgestellt werden können. Auch habe es keine Anfahrt des Betriebsgeländes vor der genehmigten Betriebszeit gegeben.
51Bei Kontrollen durch den Einsatz eines Sicherheitsdienstes habe sich auch ergeben, dass nicht lediglich die Fa. L. im Nachtzeitraum angefahren werden sollte.
52Die Beigeladene beantragt,
53die Klage abzuweisen.
54Sie weist darauf hin, dass das Grundstück direkt an der A 40 liege; traditionell sei die Umgebung geprägt durch ein Miteinander von Industrie- und Wohnbebauung. Im Jahre 1967 sei das Gelände durch eine Eisenwarenfabrik genutzt worden, zu einem späteren Zeitpunkt durch die Spedition N. . Nach dem Eigentumserwerb durch die Beigeladene sei das Grundstück zunächst an ein Unternehmen vermietet worden, das Markisen produzierte; dieser Geschäftsbetrieb habe schon in erheblichem Umfang Lkw-Verkehr erfordert. Ab 2010 sei an verschiedene Speditionen untervermietet worden. Unmittelbar angrenzend in östlicher Richtung befinde sich ein Großhandel für Raumausstatterbedarf und ein Servicelager. In westlicher Richtung liege die Fa. O. Baumaschinen. Auch diese Betriebe erforderten erheblichen Lkw-Verkehr und würden auch von Schwerlastverkehr angefahren.
55Die Gewerbeflächen in der Umgebung nähmen einen höheren Flächenanteil auf als die Wohnbebauung. Hinzu trete, dass die Wohnbebauung erst an das Gewerbe herangerückt sei. Die Gebäude der Beigeladenen seien schon in den 60-er Jahren errichtet worden, die benachbarte Wohnbebauung erst 1970.
56Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche keinem der in der BauNVO bezeichneten Gebiete. Die Annahme eines allgemeinen Wohngebiets liege angesichts der Gewerbe- und Industrienutzung fern. Die Umgebungsbebauung sei als Gemengelage aus Wohnnutzung und gewerblich-industrieller Nutzung anzusehen. Das Grundstück der Beigeladenen sei auch in der Vergangenheit seit Jahrzehnten aufgrund seiner gewerblichen bzw. industriellen Nutzung von Lkw, auch schweren Lkw angefahren worden. Der jetzige Nutzer, die Spedition L. , habe organisatorische Maßnahmen getroffen, die dazu führten, dass die Beeinträchtigung der Nachbarschaft jedenfalls nicht höher sei als in der Vergangenheit. Es gebe die Auflage, dass während der Nachtzeit (22 bis 6 Uhr) kein Lkw-Verkehr auf dem Betriebsgelände sowie den angrenzenden Zufahrtbereichen stattfinden dürfe.
57Soweit es vor Erteilung der Baugenehmigung am 15. Februar 2012 zu Störungen während der Nachtzeit gekommen sei, könnten der Beigeladenen keine Verstöße vorgehalten werden. Die Auflagen gälten erst seit Genehmigungserteilung. Die Beigeladene habe die Mieterin angeschrieben mit der Aufforderung, unbedingt alle Auflagen einzuhalten.
58Die Aufstellung des Klägers zu den Betriebszeiten und Fahrzeugzahlen sei unrichtig. Die Aufstellung betreffe nicht den Verkehr zum Grundstück der Beigeladenen. Auch die Mieterin der Beigeladenen habe eine Aufstellung über die Lkw-Bewegungen in der Zeit vom 1. Februar bis 31. Juli 2012 erstellt. Danach sei die zulässige Anzahl von Lkw an keinem Tag überschritten worden.
59Zu Beginn der Mietzeit der Fa. L. habe es durchaus Probleme gegeben. Die betrieblichen Abläufe seien aber optimiert worden. Die Mieterin stelle sicher, dass ein Anfahren des Grundstücks nur noch zulässig sei, wenn zuvor eine schriftliche Genehmigung im Hauptbetrieb der Mieterin in BO-M1. eingeholt werde. Die Genehmigung werde nur in der Zeit von 6 bis 19 Uhr ausgestellt. Diese Regelung werde strikt eingehalten. Nur Lkw-Fahrer mit Genehmigung würden an der T. Straße abgefertigt, falls sie keine Genehmigung vorweisen könnten, würden sie nach M1. zurückgeschickt. Seit Juni sei zudem ein Sicherheitsdienst beauftragt. Ein Mitarbeiter des Wachdienstes werde nachts an der Zufahrt zur T. Straße postiert. Wenn ein Lkw komme, der zur Fa. L. wolle, werde dieser zurückgeschickt. Ein Einsatzbericht aus der 26. Kalenderwoche zeige, dass am 28. Juni um 3:15 Uhr ein Lkw gestoppt worden sei, der zur Nachbarfirma wollte. Andere Lkw hätten die Baustelle der DB angesteuert.
60Zu Verstößen gegen die Nachtruhe komme es nicht, weil die Arbeit dort vor 6 Uhr nicht aufgenommen werde. Das Betriebsgelände werde erst um 6:15 Uhr von dem Mitarbeiter I2. aufgeschlossen.
61Der Sicherheitsdienst sei von 21:30 bis 6:00 Uhr an der Zufahrt zur T. Straße postiert. Er habe festgestellt, dass Lkw, die in der Nachtzeit eintrafen, häufig nicht die Fa. L. erreichen wollten, sondern andere Firmen oder es habe sich um Durchgangsverkehr gehandelt. Fast alle Lkw, die die Fa. L. ansteuern wollten, hätten weggeschickt werden können.
62Lediglich am 6. August 2012 habe sich ein Lkw-Fahrer geweigert und sei um 23:30 Uhr vor das Betriebsgelände gefahren.
63Die Fa. L. achte auch darauf, dass es nicht vorkomme, dass Lkw längere Zeit auf dem Betriebsgelände warten müssten. Es sei Ziel eines jeden Logistikunternehmens, eine möglichst optimale Materialflusssteuerung zu erreichen.
64Zu den behaupteten Mängeln des Schallschutzgutachtens legt die Beigeladene eine ergänzende Stellungnahme des Gutachters vor.
65Die vermeintlichen Verstöße gegen Brandschutzauflagen seien ins Blaue hinein behauptet. Tatsächlich seien alle Auflagen eingehalten.
66Am 6. November 2013 hat der Berichterstatter einen Ortstermin durchgeführt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Ortsterminsprotokoll Bezug genommen.
67Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte einschließlich der Verfahren 5 K 1453/12 und 5 L 1255/12 sowie der von der Beklagten in beiden Verfahren vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
68Entscheidungsgründe:
69Die zulässige Anfechtungsklage hat Erfolg.
70Die angefochtene Baugenehmigung der Beklagten zur nachträglichen Legalisierung des Betriebs einer Spedition auf dem Grundstück der Beigeladenen ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑).
71Das Vorhaben liegt innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile, ein Bebauungsplan besteht nicht, die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit beurteilt sich deshalb nach § 34 des Baugesetzbuchs ‑ BauGB ‑.
72Der Kläger kann sich allerdings nicht auf einen Gebietsgewährleistungsanspruch berufen. Der Gebietsgewährleistungsanspruch gibt nicht nur den Eigentümern von Grundstücken, die in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet liegen, sondern auch den Eigentümern von Grundstücken, die in einem faktischen Baugebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit §§ 2 ff. der Baunutzungsverordnung ‑ BauNVO ‑) liegen, das Recht, sich gegen ein hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässiges Vorhaben zur Wehr zu setzen. § 34 Abs. 2 BauGB besitzt grundsätzlich nachbarschützende Qualität. Der Nachbar hat auf die Bewahrung der Gebietsart einen Schutzanspruch, der über das Rücksichtnahmegebot hinausgeht. Der Abwehranspruch des Nachbarn wird grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit einer Gebietsart unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil hierdurch das nachbarliche Austauschverhältnis gestört und eine Verfremdung des Gebietes eingeleitet wird. Der Nachbarschutz aus der Festsetzung eines Baugebiets - und vergleichsweise jener nach § 34 Abs. 2 BauGB - geht weiter als der Schutz aus dem Rücksichtnahmegebot in § 15 BauNVO bzw. § 34 BauGB. Letzteres setzt voraus, dass der Nachbar in unzumutbarer Weise konkret in schutzwürdigen Interessen betroffen wird. Einen Anspruch auf die Bewahrung einer Gebietsart hat der Nachbar jedoch unabhängig davon, ob das baugebietswidrige Vorhaben im jeweiligen Einzelfall zu einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung des Nachbarn führt.
73Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen ‑ OVG NRW ‑, Urteil vom 24. Januar 2008 ‑ 7 A 270/07 ‑, juris unter Hinweis auf Bundesverwaltungsgericht ‑ BVerwG ‑, Urteil vom 16. September 1993 ‑ 4 C 28.91 -, BRS 55 Nr. 110,sowie Beschlüsse vom 11. April 1996 - 4 B 51.96 -, BRS 58 Nr. 82, und vom 2. Februar 2000 - 4 B 87.99 -, BauR 2000, 1019.
74Die hier maßgebliche Umgebungsbebauung entspricht indessen keinem der in §§ 2 ff BauNVO aufgeführten Baugebiete. Namentlich vermag die Kammer nicht der Auffassung des Klägers zu folgen, nach der sein Wohnhaus in einem allgemeinen Wohngebiet liege.
75Die maßgebliche nähere Umgebung entspricht hier dem Dreieck A 40, T. Straße und I.---------straße , wobei zumindest hinsichtlich der T. Straße die Bebauung beidseits der Straße einzubeziehen ist. Die weiter nördlich an der I.---------straße angrenzende gewerbliche Nutzung hat keine prägende Wirkung mehr auf den hier interessierenden Bereich, ebenso wenig die gewerbliche Nutzung weiter östlich an der T. Straße jenseits der I.---------straße sowie das ehemalige B. -Gelände, das zur C1. Straße hin erschlossen ist.
76Die Annahme eines allgemeinen Wohngebiets für den so eingegrenzten Bereich scheidet aus, da mit den Gewerbebetrieben jedenfalls auf dem Grundstück der Beigeladenen, Nr. 95, und Nr. 109 zwei wohngebietsunverträgliche störende Gewerbebetriebe anzutreffen sind. Für das Antragsgrundstück, Nr. 95, war zuletzt eine Eisenwarenfabrik mit Produktionshalle für Metallbau (Markisen, Gitter, Tore) mit 114 Stellplätzen genehmigt. Auch wenn längst nicht alle Stellplätze tatsächlich genutzt worden sind, handelt es sich bei metallverarbeitenden Betrieben, bei denen wie hier regelmäßig lärmintensive Arbeiten (hier: Sägen, Bohrmaschinen, Drehmaschinen, Pressen) vorgenommen werden, nicht um nicht störende Gewerbebetriebe.
77Vgl. Ernst-Zinkahn-Bielenberg-Krautzberger, BauNVO, Stand: 1. August 2013, § 4 Rdnr. 74.
78Auch der auf dem Grundstück Nr. 109 genehmigte Betrieb ist ein den Charakter eines allgemeinen Wohngebiets störender Betrieb und wäre in einem solchen planungsrechtlich unzulässig. Zunächst waren hier eine Spedition bzw. Lagerhalle genehmigt: Diese stellen von vornherein keine nicht störenden Gewerbebetriebe dar.
79Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Februar 1982 ‑ 7 A 363/81 ‑; Gelzer-Bracher-Reidt, Bauplanungsrecht, 7. Auflage, Rdnr. 1385.
80Zuletzt war der Betrieb der G. GmbH, Kommissionierungs- und Lagerhalle für Raumausstattung sowie die Kfz-Werkstatt genehmigt. Hinsichtlich der Kommissionierungs- und Lagerhalle fehlt im Hinblick auf den genehmigten Fahrzeugverkehr (täglich 10-20 Fahrzeuge für die Warenan- und –abholung) die Gebietsverträglichkeit für ein allgemeines Wohngebiet.
81Die nähere Umgebung erfüllt auch nicht die Voraussetzungen eines Gewerbegebiets nach § 8 BauNVO, da in einem Gewerbegebiet Wohnungen nur für einen bestimmten Benutzerkreis zulässig sind (Aufsicht, Betriebsleiter etc., vgl. § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO). In dem hier zu beurteilenden Baugebiet ist jedoch eine intensive allgemeine Wohnnutzung anzutreffen.
82Schließlich kommt auch die Annahme eines Mischgebiets nach § 6 BauNVO nicht in Betracht. Diese Gebietsart ist dadurch gekennzeichnet, dass die zwei Hauptnutzungsarten Wohnen und nicht wesentlich störendes Gewerbe ohne abstufenden Zusatz nebeneinandergestellt worden sind. § 6 Abs. 1 BauNVO bringt dadurch die städtebauliche Gestaltungsabsicht des Verordnungsgebers zum Ausdruck, dass diese beiden Nutzungsarten in den durch Bebauungsplan festgesetzten Mischgebieten nicht nur in ihrer Qualität, sondern auch in ihrer jeweiligen Quantität "gemischt" sein sollen. In dieser sowohl qualitativ als auch quantitativ zu verstehenden Durchmischung von Wohnen und nicht wesentlich störendem Gewerbe liegt die normativ bestimmte besondere Funktion des Mischgebiets, mit der dieses sich von den anderen Baugebietstypen der Baunutzungsverordnung unterscheidet; sie bestimmt damit zugleich dessen Eigenart.
83Vgl. BVerwG, Urteil vom 04.05.1988 ‑ 4 C 34/86 ‑, juris-Dokument m.w.N.
84Hier kann bereits nicht festgestellt werden, dass eine solche qualitative und quantitative Durchmischung mit einer Gleichwertigkeit und Gleichgewichtigkeit von Wohnen und das Wohnen nicht wesentlich störendem Gewerbe besteht. Denn die Nutzungsart Wohnen überwiegt in dem hier maßgeblichem Gebiet ganz eindeutig die gewerblichen Nutzungen. Gewerbliche Nutzungen sind nur auf drei Grundstücken anzutreffen, T. Str. 80, 95 und 109, auf allen anderen Grundstücken befindet sich Wohnbebauung.
85Darüber hinaus steht der Annahme eines Mischgebiets entgegen, dass jedenfalls mit der für das Antragsgrundstück bisher genehmigten Metallverarbeitung eine Nutzung anzutreffen ist, die für ein Mischgebiet auch nicht ausnahmsweise zulässig ist.
86Vgl. VGH Ba-Wü, Urteil vom 28. März 2001 ‑ 8 S 2120/00 ‑, juris-Dokument; Ernst-Zinkahn-Bielenberg-Krautzberger, a.a.O., § 6 Rdnr. 33.
87Da die Einordnung in ein anderes Baugebiet der BauNVO nicht in Betracht kommt, handelt es sich vorliegend um eine Gemengelage. In einer Gemengelage scheidet indessen ein Gebietsgewährleistungsanspruch von vorherein aus.
88Nachbarrechte des Klägers sind aber deshalb verletzt, weil die Baugenehmigung gegen das in § 34 Abs. 1 BauGB zum Ausdruck kommende Gebot der Rücksichtnahme verstößt. Das Gebot der Rücksichtnahme will angesichts der gegenseitigen Verflechtung der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist, und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist. In diesem Sinne vermittelt es Nachbarschutz, wenn und soweit andernfalls durch die Ausführung oder Benutzung eines Vorhabens in schutzwürdige Belange eines Dritten „rücksichtslos“ eingegriffen würde. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist im Einzelfall festzustellen, wobei dessen konkrete Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind. Dabei kann desto mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung dessen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, desto weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit dem Bauvorhaben verfolgten Interessen sind.
89Vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Februar 1977 ‑ 4 C 22.75 ‑, BVerwGE 52, 122 = BRS 32 Nr. 155 und 27. August 1998 ‑ 4 C 5.98 ‑, UPR 1999, 68 = NuR 2000, 87, Beschluss vom 11. Januar 1999 ‑ 4 B 128.98 ‑, DVBl 1999, 786 = NVwZ 1999, 879 = DÖV 1999, 558 und zum Rücksichtnahmegebot aus § 35 Abs. 3 BauGB: BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1993 ‑ 4 C 5.93 ‑, NVwZ 1994, 686 = UPR 1994, 148 = BauR 1994, 354.
90In Anwendung dieser Grundsätze und unter Berücksichtigung der vom Berichterstatter im Ortstermin festgestellten und der Kammer vermittelten örtlichen Verhältnisse sowie der in Verwaltungsvorgängen und Gerichtsakte enthaltenen Fotos stellt sich das Vorhaben der Beigeladenen auf Grund der konkreten Umstände des vorliegenden Falles gegenüber dem Kläger als rücksichtslos dar.
91Die Baugenehmigung ist dem Kläger gegenüber rücksichtslos, weil die von der Genehmigung ermöglichte unzumutbare Verkehrs- und Erschließungssituation auf der T. Straße ihn in seiner eigenen Grundstücksposition betrifft. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann ausnahmsweise auch dann zu bejahen sein, wenn sich die Erschließungssituation eines Grundstücks durch eine vorhabenbedingte Überlastung einer das Grundstück des Betroffenen erschließenden Straße erheblich verschlechtert und die entstehende Gesamtbelastung infolgedessen bei Abwägung aller Belange unzumutbar ist.
92Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Mai 2013 ‑ 2 A 3009/11 ‑, juris-Dokument.
93Eine derartige Ausnahmesituation kann hier entstehen, ohne dass die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung dem regulativ hinreichend entgegenwirkt. Die Baugenehmigung hat deshalb das Potential, jederzeit unzumutbare Verkehrs- und Erschließungsverhältnisse auf der T. Straße zu verursachen. Sie lässt es im „worst case“ zu, dass bis zu 30 Lkw über 7,5 t und weiter 8 kleinere Lkw das Vorhabengrundstück am Tag, ggf. auch zur gleichen Zeit anfahren, auch um 6:30 Uhr oder 21:30 Uhr. In diesem Fall kann es auf der T. Straße, die, wie die Ortbesichtigung ergeben hat, mit ihrer Breite von 7,50 m und einseitiger Parkmöglichkeit für diesen Verkehr in keiner Weise ausgelegt ist, jederzeit zu unzumutbaren Verkehrs- und Erschließungsverhältnissen kommen. Die Straße ist, wenn sie, was in der Regel der Fall ist, einseitig beparkt wird, nicht breit genug, dass zwei Lkw aneinander vorbeifahren können. Treffen mehrere Lkw gleichzeitig in der Nähe des Vorhabengrundstücks ein, ist die T. Straße durch sich stauende Lkw gleichsam verstopft. Hierdurch werden Verhältnisse herbeigeführt, die Straße und Anlieger offenkundig überfordern. Dies verdeutlichen insbesondere die Fotos Bl. 61-131 der Beiakte 11 zu 5 K 1453/12. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die T. Straße in diesem Abschnitt, sieht man von den drei Gewerbebetrieben und dem durch sie verursachten Verkehr ab, eher den Eindruck einer ruhigen Anliegerstraße vermittelt.
94Überdies können gefährliche Verkehrssituationen entstehen, wenn einander ausweichende bzw. aneinander vorbeirangierende Lkw Teile des Bürgersteigs oder des Parkstreifens in Anspruch nehmen.
95Vgl. OVG NRW, a.a.O.
96Verstärkt wird die unzumutbare Situation für die Anlieger auch noch dadurch, dass jedenfalls die Lkw über 7,5 t, die wie die zahlreich anfahrenden Sattelschlepper in aller Regel höher als 3,20 m sind, auf dem Rückweg von der Fa. L. erneut am Haus des Klägers vorbei müssen, da ihnen die Weiterfahrt in die andere Richtung aufgrund der Brücke unter der A 40 aufgrund ihrer Höhe verwehrt ist.
97Mag auch nicht zwingend von einem täglichen kritischen Zusammentreffen mehrerer Lkw zu einer bestimmten Tageszeit auszugehen sein, so ist es doch möglich, dass die höchste Lkw-Frequenz in den frühen Morgenstunden oder auch abends auftritt. Eine gleichmäßige Verteilung des Lkw-Aufkommens über den Tag ist jedenfalls in der Baugenehmigung nicht festgeschrieben. Sie ergibt sich auch nicht aus der zusätzlichen Erklärung der Fa. L. zum Betriebsablauf vom 29. Dezember 2011 (Bl. 333 Beiakte 5 zu 5 K 1453/12), die Gegenstand der Baugenehmigung ist. Aus dieser Erklärung ergibt sich lediglich, dass die Mieterin des Grundstücks nach Möglichkeit verhindern will, dass Lkw zur Nachtzeit das Betriebsgelände anfahren. Wenn nach der Zusatzerklärung vom 29. Dezember 2011 das Anliefern und Abholen von Ware in C. -X. nur nach Vorlage einer schriftlichen Genehmigung möglich sein soll, die ausschließlich von den Mitarbeitern im Hauptbetrieb in C. -M1. in der Zeit von 6 bis 19 Uhr ausgestellt und ausgehändigt werde, so wird damit gleichwohl nicht verhindert, dass zur Nachtzeit Lkw unmittelbar den Betrieb an der T. Straße anfahren, weil ihren Fahrern die Regelung bezüglich der Genehmigung u. U. unbekannt ist, so wie es in der Vergangenheit häufiger vorgekommen ist. Auch wird durch die Zusatzerklärung nicht verhindert, dass Lkw-Fahrer sich die Genehmigung in M1. am Vortag abholen und am nächsten Tag unkontrolliert das Betriebsgelände in der T. Straße anfahren. Die Absicht der Fa. L. , nachts Aufsichtskräfte in der T. Straße abzustellen, die ein nächtliches Anfahren des Betriebsgeländes durch Lkw verhindern sollen, ist eine Maßnahme, die nicht Gegenstand der Baugenehmigung und damit unverbindlich ist. Die Baugenehmigung muss aber die durch sie hervorgerufenen Konflikte selbst regeln und abschließend bewältigen und darf nicht darauf setzen, dass diese durch ‑ freiwillige ‑ Maßnahmen des Bauherrn gelöst werden.
98Gegen die „worst case“-Betrachtung kann nicht eingewendet werden, dass es unrealistisch sei, dass alle genehmigten Lkw-Fahrzeuge gleichzeitig die Fa. L. anführen. Diese Extremvorstellung mag zwar tatsächlich unrealistisch sein. Aber eine unzumutbare Situation für die Nachbarschaft kann schon weit vor dem „worst case“ dann entstehen, wenn zahlreiche Lkw mehr oder weniger gleichzeitig das Firmengrundstück anfahren wollen. Jede dieser Fallgestaltungen ist von der angefochtenen Baugenehmigung legalisiert.
99Die von der Baugenehmigung ermöglichten unzumutbaren Verkehrs- und Erschließungsverhältnisse können direkt vor dem klägerischen Grundstück auftreten, das unmittelbar an der Erschließungsstraße liegt.
100Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung gegen die Heranziehung des Urteils des OVG NRW vom 15. Mai 2013 einwendet, dass anders als in dem vom OVG NRW zu entscheidenden Fall vorliegend das Lärmschutzgutachten ergeben habe, dass die zulässigen Immissionsrichtwerte in keinem Fall überschritten seien, so kann dem nicht gefolgt werden. Für die Entscheidung des OVG NRW war die Einhaltung oder Nichteinhaltung von Immissionsrichtwerten an keiner Stelle entscheidungserheblich. Im Übrigen greift das Gebot der Rücksichtnahme weiter als die schalltechnischen Regelwerke. Die Grenzwerte in der 18. BImschV und der TA-Lärm können nicht starr und schematisch angewandt werden, vielmehr sind die besonderen tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls zu berücksichtigen.
101Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. Januar 1983 a.a.O. unter Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 6. August 1982 ‑ 7 B 67.82 ‑, DÖV 1982, 906.
102Vorliegend ist entscheidend, dass der Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nicht in erster Linie in der Lärmbelastung, sondern in der nicht hinnehmbaren Verschlechterung der Erschließungssituation des Grundstücks des Klägers durch die vorhabenbedingte Überlastung der dieses Grundstück erschließenden Straße zu sehen ist.
103Wenn die Beigeladene einwendet, dass die Wohnbebauung erst an das Gewerbe herangerückt sei, die Gebäude der Beigeladenen seien schon in den 60-er Jahren errichtet worden, die benachbarte Wohnbebauung erst 1970, so trifft dies nicht zu. Jedenfalls das Wohnhaus des Klägers war im Jahre 1941 bereits vorhanden. Im Übrigen waren die bisherigen Gewerbebetriebe nicht annähernd so störend wie der genehmigte Speditionsbetrieb.
104Die Zumutbarkeitsschwelle ist auch nicht durch die Vorbelastung des Grundstücks des Klägers entscheidungserheblich zu dessen Nachteil herabgesetzt. Zum einen würden die nunmehr durch die angefochtene Baugenehmigung zugelassenen Lkw-Verkehre auf der T. Straße nicht schon dadurch hinnehmbar, dass der Lkw-Verkehr auf dieser Straße schon beim Betrieb der Fa. M. /F. seit dem Jahr 1994 - oder noch länger ‑ sowie der Fa. G. GmbH unzumutbar gewesen wäre. Der Kläger muss eine Vorbelastung der T. Straße mit Lkw- Verkehr nur bis zu einem gewissen Grad akzeptieren; untragbare Verkehrs- und Erschließungszustände muss er nicht lediglich deshalb weiter tolerieren, weil sie jetzt nach einer genehmigten Nutzungsänderung des Vorhabengrundstücks fortgesetzt werden:
105vgl. OVG NRW vom 15. Mai 2013, a.a.O.
106Zum anderen gibt es aber auch keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass der Betrieb der Fa. M. /F. einen ähnlichen Lkw-Verkehr mit sich gebracht hat wie der Speditionsbetrieb des Beigeladenen. Zwar waren nach den vorliegenden Genehmigungsunterlagen auch die Fa. M. /F. sowie ihre Vorgänger mit der Produktion und dem Umschlag von Waren befasst. In den seinerzeit genehmigten Bauvorlagen ist aber nur von Lkw-Verkehr von 8 bis 10 Fahrzeugen im Sommer, im Winter weniger, die Rede. Die Belästigung durch Mitarbeiterfahrzeuge, für die 114 Stellplätze vorgesehen waren, ist nicht annähernd mit der Belästigung durch 30 Lkw über 7,5 t vergleichbar. Dies spricht dafür, das der Speditionsbetrieb der Beigeladenen von seinem Lkw-Aufkommen her von wesentlich anderer Qualität ist. So ist der Warenumschlag der Hauptzweck des Betriebs der Beigeladenen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die vorübergehend auf dem Grundstück der Beigeladenen ansässigen Speditionsbetriebe zu keiner Zeit bauaufsichtlich genehmigt waren.Auch seitens des Grundstücks der Fa. G. (Nr. 109) sind keine annähernd so hohen Belästigungen ausgegangen, wie nunmehr vom Grundstück der Beigeladenen. Der Kläger gibt insoweit an, dass er ‑ repräsentativ ‑ in fünf Tagen 7 Lkw bis 7,5 t und 1 Lkw über 7,5 t gezählt habe. Ob dies richtig ist oder ob die Verkehrsbelastung im Hinblick auf die zuletzt genehmigten täglich ca. 10-20 Fahrzeuge die Verkehrsbelastung deutlich höher lag, mag hier letztlich offen bleiben. Ein entscheidendes Indiz für eine vormals geringere Lkw-Frequenz ist nämlich, dass keine Informationen vorliegen, dass sich die Nachbarschaft bereits in der Vergangenheit gegen die Betriebe auf den Grundstücken der Beigeladenen und der Fa. G. gewehrt hätte. Wären diese Betriebe ähnlich verkehrs- und lärmintensiv wie der Betrieb des Beigeladenen gewesen, hätte dies jedoch nahegelegen.Massiver Widerstand der Nachbarschaft rührte sich erst, als Ende der 80-er Jahre die seinerzeit auf dem Grundstück T. Straße Nr. 109 ansässige Spedition die Erweiterung ihrer Lagerhallen plante. Der entsprechende Bauantrag wurde dann aber zurückgenommen.Schließlich führt auch die Vorbelastung durch die in der Nähe verlaufende Autobahn A 40 nicht zu einem anderen Ergebnis und zwar schon deshalb, weil die Geräuschbelastung durch die A 40 durch die in den letzten Jahren errichtete Lärmschutzwand erheblich entschärft ist.
107Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.
(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.
(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.
(1) Mischgebiete dienen dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören.
(2) Zulässig sind
- 1.
Wohngebäude, - 2.
Geschäfts- und Bürogebäude, - 3.
Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes, - 4.
sonstige Gewerbebetriebe, - 5.
Anlagen für Verwaltungen sowie für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke, - 6.
Gartenbaubetriebe, - 7.
Tankstellen, - 8.
Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Absatz 3 Nummer 2 in den Teilen des Gebiets, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind.
(3) Ausnahmsweise können Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Absatz 3 Nummer 2 außerhalb der in Absatz 2 Nummer 8 bezeichneten Teile des Gebiets zugelassen werden.
(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.
(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.
(1) Reine Wohngebiete dienen dem Wohnen.
(2) Zulässig sind
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
- 1.
Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, sowie kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes, - 2.
sonstige Anlagen für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke.
(4) Zu den nach Absatz 2 sowie den §§ 2, 4 bis 7 zulässigen Wohngebäuden gehören auch solche, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen.
(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.
(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer Baugenehmigung für einen bordellartigen Betrieb in .... Hilfsweise begehrt die Klägerin die Feststellung, dass ihr bei bzw. in einem näher bezeichneten Zeitraum vor dem Inkrafttreten der während des Berufungsverfahrens erlassenen Veränderungssperre ein Anspruch auf Neubescheidung ihres Bauantrags zustand.
- 2
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Auf dem Vorhabengrundstück wurde in den 1960er Jahren ein siebengeschossiges Gebäude errichtet, das als Hauptfiliale einer Handelskette für Foto- und Radiogeräte genutzt wurde. Im Bebauungsplan aus dem Jahre 1993 war das Grundstück als Kerngebiet festgesetzt, Wohnungen oberhalb des ersten Vollgeschosses waren allgemein zulässig. Angestoßen durch Pläne, auf dem Grundstück ein neues Büro- und Geschäftsgebäude zu errichten, beschloss das zuständige Bezirksamt des Beklagten im Jahre 1995 die Aufstellung eines Änderungs-Bebauungsplans, der im Jahre 2006 für rechtsverbindlich erklärt wurde. Er weist das Grundstück ebenfalls als Kerngebiet aus, lässt aber einen geänderten Baukörper mit bis zu acht Vollgeschossen zu. Nach den textlichen Festsetzungen des Änderungs-Bebauungsplans sind im Kerngebiet Spielhallen unzulässig, in der ersten Ebene unter der Geländeoberfläche sind nur Einzelhandelsbetriebe und Tiefgaragen zulässig, Wohnungen sind oberhalb des sechsten Vollgeschosses allgemein zulässig.
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Bereits vor Inkrafttreten des Änderungs-Bebauungsplans - im Jahre 2005 - meldete die Foto- und Radio-Handelskette Insolvenz an; in das Erdgeschoss und das erste Obergeschoss des bestehenden Gebäudes zog ein Erotikkaufhaus mit angeschlossenem Kino ein. In der Umgebung des Vorhabengrundstücks findet Straßenprostitution statt.
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Im Mai 2007 beantragte die Klägerin eine Baugenehmigung für die Änderung der Nutzung des zweiten bis fünften Obergeschosses des bestehenden Gebäudes in ein "Laufhaus/Zimmervermietung/bordellartiger Betrieb". Nach den Eingabeplänen sind 48 Zimmer vorgesehen, die an Prostituierte vermietet werden, die in den Öffnungszeiten (11 bis 6 Uhr) jeweils vor den Zimmern auf ihre Kunden warten. Das Bezirksamt lehnte den Bauantrag ab. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg.
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Das Verwaltungsgericht hat die Versagungsgegenklage der Klägerin abgewiesen, weil das Vorhaben im Kerngebiet gegen das in § 15 Abs. 1 BauNVO verankerte Rücksichtnahmegebot verstoße. Es führe zu einem sog. Trading-Down-Effekt des gesamten Gebiets mit der Folge einer Verdrängung bereits ansässiger Betriebe und der Wohnbevölkerung. Mit dem Laufhaus komme aufgrund seiner Größe Prostitution in einem Umfang hinzu, der angesichts der bereits vorhandenen Belastung des Baugebiets nicht mehr tragbar sei.
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Während des Berufungszulassungsverfahrens - im Mai 2011 - beschloss das zuständige Bezirksamt des Beklagten die Aufstellung des Bebauungsplans 7-50B, mit dem das Vorhabengrundstück sowie weitere, daran angrenzende Grundstücke nunmehr als Mischgebiet ausgewiesen werden sollten. Im September 2011 erließ das Bezirksamt eine Veränderungssperre für den Geltungsbereich des Bebauungsplan-Entwurfs, die am 1. Oktober 2011 in Kraft trat.
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Trotz der Veränderungssperre hielt die Klägerin an der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Berufung fest. Sie stellte sich auf den Standpunkt, dass die Zeit der rechtswidrigen Verzögerung und Versagung der Baugenehmigung entsprechend § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB auf die Geltungsdauer der Veränderungssperre anzurechnen sei mit der Folge, dass die Veränderungssperre ihr gegenüber jedenfalls seit Januar 2012 hinfällig geworden sei. Die Klägerin beantragte, den Beklagten zu verpflichten, ihr die beantragte Nutzungsänderung zu genehmigen, hilfsweise, unter anderem festzustellen, dass der Beklagte bei bzw. in der Zeit vom 13. Februar 2008 bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre verpflichtet war, über ihren Bauantrag erneut zu entscheiden.
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Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung im Hauptantrag abgewiesen, in den Hilfsanträgen hat es ihr stattgegeben. Im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung könne die Klägerin weder die Erteilung der beantragten Baugenehmigung noch eine erneute Entscheidung darüber beanspruchen, denn die Veränderungssperre stehe der beabsichtigten Nutzungsänderung entgegen. Sie sei auch nicht in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 2 BauGB gegenüber der Klägerin unwirksam geworden, weil dies voraussetze, dass die - hier nicht gegebenen - Voraussetzungen für eine förmliche Zurückstellung und der Erlass einer Veränderungssperre vorliegen. Erfolg hätten dagegen die Hilfsanträge der Klägerin. Der Beklagte sei bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre verpflichtet gewesen, die Sache hinsichtlich der noch fehlenden Prüfung des Brandschutznachweises spruchreif zu machen und auf dieser Grundlage über die Erteilung der Baugenehmigung zu entscheiden. Das in einem Kerngebiet allgemein zulässige und mit dessen Gebietscharakter vereinbare Vorhaben sei nicht nach § 15 BauNVO unzulässig. Ein Rückgriff auf § 15 BauNVO sei dem Beklagten verwehrt, soweit die Unzulässigkeit damit begründet werde, es komme durch das Zusammentreffen des geplanten Laufhauses mit dem bereits vorhandenen Erotikkaufhaus und -kino sowie der Straßenprostitution zu einer der planerischen Konzeption widersprechenden Strukturveränderung in Richtung auf einen "Rotlichtbezirk". Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift sei nur eröffnet, wenn der Bebauungsplan bestimmte Konflikte in rechtmäßiger Weise habe offen lassen dürfen. Betroffenheiten, die der Plangeber in den Blick habe nehmen müssen, weil sie zum notwendigen Abwägungsprogramm gehören, und die sich als eine typische planbedingte Folge darstellen, könnten demgegenüber nicht mehr Gegenstand einer Nach- bzw. Feinsteuerung durch die Anwendung des § 15 BauNVO sein, denn sie seien durch die getroffene Abwägungsentscheidung gleichsam aufgezehrt. Die durch die störende Häufung des Prostitutions- und Sexgewerbes möglichen Nutzungskonflikte hätten vorliegend auf der Hand gelegen und zum Gegenstand der planerischen Abwägung gemacht werden müssen.
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Beide Beteiligte haben von dem - hinsichtlich der Entscheidung über den Hauptantrag vom Oberverwaltungsgericht und hinsichtlich der Entscheidung über die Hilfsanträge vom Senat zugelassenen - Rechtsmittel der Revision Gebrauch gemacht.
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Am 21. Dezember 2012 wurde die Verordnung über die Festsetzung des Bebauungsplans 7-50B verkündet. Als Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung ist der Tag nach der Verkündung bestimmt.
Entscheidungsgründe
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Die zulässigen Revisionen der Klägerin und des Beklagten sind jeweils teilweise begründet. Dem Berufungsurteil ist teils aufgrund einer während des Revisionsverfahrens eingetretenen Rechtsänderung die Grundlage entzogen, teils steht es mit Bundesrecht nicht im Einklang. Da der Senat in der Sache nicht selbst entscheiden kann, ist das Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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1. Die Revision der Klägerin ist teilweise begründet, weil mit der Verkündung der Verordnung über die Festsetzung des Bebauungsplans 7-50B eine Rechtsänderung eingetreten ist, die zu berücksichtigen der Senat einerseits verpflichtet ist, auf deren Grundlage er andererseits aber nicht in der Lage ist, über den von der Klägerin geltend gemachten Verpflichtungsanspruch selbst abschließend zu entscheiden.
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Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage im Hauptantrag mit der Begründung abgewiesen, dass die während des Berufungszulassungsverfahrens erlassene Veränderungssperre der begehrten Nutzungsänderung entgegenstehe. Dieser Begründung ist die Grundlage dadurch entzogen, dass der Beklagte den durch die Veränderungssperre gesicherten Bebauungsplan 7-50B während des Revisionsverfahrens in Kraft gesetzt hat. Mit der das Planungsverfahren abschließenden Verkündung der Verordnung über die Festsetzung dieses Bebauungsplans (GVBl Berlin 2012 S. 526) ist die Veränderungssperre gemäß § 17 Abs. 5 BauGB außer Kraft getreten; auf die Wirksamkeit des mit der Verkündung in Kraft gesetzten Bebauungsplans kommt es insoweit nicht an (Beschluss vom 28. Februar 1990 - BVerwG 4 B 174.89 - Buchholz 406.11 § 17 BauGB Nr. 3
). Eine gegenüber der Klägerin wirksame Veränderungssperre lag folglich im Zeitpunkt der Revisionsentscheidung nicht mehr vor. Diese Rechtsänderung ist vom Revisionsgericht zu beachten, weil sie auch die Vorinstanz berücksichtigen müsste, wenn sie jetzt entschiede (vgl. Urteil vom 29. Januar 2009 - BVerwG 4 C 16.07 - BVerwGE 133, 98 m.w.N.).
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Ob der Klägerin nach Bekanntmachung des Bebauungsplans 7-50B ein Anspruch auf Genehmigung der beantragten Nutzungsänderung zusteht (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), kann der Senat nicht selbst abschließend entscheiden. In dem nunmehr festgesetzten Mischgebiet ist das Vorhaben der Klägerin gemäß § 30 Abs. 1 BauGB bauplanungsrechtlich unzulässig, weil ein bordellartiger Betrieb - unabhängig davon, ob er als sonstiger Gewerbebetrieb im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO oder als Vergnügungsstätte im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO einzuordnen ist - mit der im Mischgebiet ebenfalls zulässigen Wohnnutzung unverträglich ist (allgemeine Meinung, vgl. z.B. Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. 2008, Anm. 2.1 zu § 6 m.w.N. zur obergerichtlichen Rechtsprechung) und er deshalb den Festsetzungen des Bebauungsplans widerspricht. Voraussetzung dieser Unzulässigkeits-Rechtsfolge ist allerdings, dass die Mischgebietsausweisung wirksam ist. Die Beurteilung der Rechtswirksamkeit eines Bebauungsplans ist grundsätzlich Aufgabe der Tatsachengerichte und dem Revisionsgericht vorliegend verwehrt. Der Senat kann die Rechtswirksamkeit der Mischgebietsausweisung auch nicht im Sinne einer alternativen Prüfung offen lassen. Wäre die Mischgebietsausweisung rechtswidrig und unwirksam, beurteilte sich die Zulässigkeit der beantragten Nutzungsänderung nach den Festsetzungen des Vorgänger-Bebauungsplans aus dem Jahre 2006. Ob dieser Bebauungsplan seinerseits rechtswirksam ist, kann der Senat wiederum nicht abschließend beurteilen. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass dieser Bebauungsplan wegen eines Verstoßes gegen das Konfliktbewältigungsgebot rechtswidrig, aber "im Hinblick auf die Planerhaltungsvorschriften der §§ 214, 215 BauGB als wirksam zugrunde zu legen" sei. Andere mögliche Rechtsfehler des Bebauungsplans hat es indes nicht geprüft. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass auch der Änderungs-Bebauungsplan aus dem Jahre 2006 wegen anderer Rechtsverstöße unwirksam ist mit der Folge, dass die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach dem Bebauungsplan aus dem Jahre 1993 zu beurteilen wäre. Auch über dessen Rechtswirksamkeit könnte der Senat - infolge Fehlens entsprechender Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts - nicht abschließend befinden. Als Zulässigkeitsmaßstab für die beantragte Nutzungsänderung käme deshalb letztlich auch § 34 Abs. 1 oder 2 BauGB in Betracht. Die Anwendbarkeit des Rücksichtnahmegebots hat das Oberverwaltungsgericht zwar für den Änderungs-Bebauungsplan 2006, nicht aber für den Bebauungsplan 1993 oder für § 34 BauGB ausgeschlossen. Selbst unter Zugrundelegung der - wie sogleich zu zeigen sein wird: unzutreffenden - Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass § 15 Abs. 1 BauNVO aufgrund einer rechtswidrig unterbliebenen Konfliktbewältigung im Änderungs-Bebauungsplan 2006 "aufgezehrt" worden sei, könnte deshalb die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des klägerischen Vorhabens von den Maßstäben des Rücksichtnahmegebots abhängen. Tatsächliche Feststellungen hierzu hat das Oberverwaltungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - nicht getroffen. Auf die vom Verwaltungsgericht festgestellten Tatsachen kann der Senat nicht zurückgreifen, weil das Oberverwaltungsgericht nicht zu erkennen gegeben hat, dass es sich diese Feststellungen zu Eigen gemacht hätte (vgl. hierzu z.B. Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 144 Rn. 18). Der Senat muss deshalb offen lassen, ob das klägerische Vorhaben auch im Falle der Unwirksamkeit der Mischgebietsausweisung unzulässig ist. Die hierfür erforderlichen Feststellungen wird das Oberverwaltungsgericht nachzuholen haben.
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2. Die Revision des Beklagten ist ebenfalls teilweise begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit das Oberverwaltungsgericht auf die Hilfsanträge der Klägerin hin festgestellt hat, dass der Beklagte bei bzw. in einem näher bezeichneten Zeitraum vor Inkrafttreten der Veränderungssperre zur Bescheidung verpflichtet war. Revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden ist zwar die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die durch eine störende Häufung des Prostitutions- und Sexgewerbes möglichen Nutzungskonflikte hätten bereits auf der Planungsebene bewältigt werden müssen. Bundesrechtswidrig ist jedoch die hieraus gezogene Schlussfolgerung des Oberverwaltungsgerichts, dass dem Beklagten wegen der fehlerhaft unterbliebenen planerischen Konfliktbewältigung ein Rückgriff auf § 15 Abs. 1 BauNVO verwehrt sei.
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a) Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die durch eine störende Häufung des Prostitutions- und Sexgewerbes möglichen Nutzungskonflikte hätten vorliegend auf der Hand gelegen und bereits auf der Planungsebene bewältigt werden müssen, beruht nicht auf einer Verkennung von Bundesrecht.
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Das im Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB wurzelnde Gebot der Konfliktbewältigung verlangt, dass jeder Bebauungsplan grundsätzlich die von ihm selbst geschaffenen oder ihm sonst zurechenbaren Konflikte zu lösen hat, indem die von der Planung berührten Belange zu einem gerechten Ausgleich gebracht werden. Die Planung darf nicht dazu führen, dass Konflikte, die durch sie hervorgerufen werden, zu Lasten Betroffener letztlich ungelöst bleiben (Beschluss vom 14. Juli 1994 - BVerwG 4 NB 25.94 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 75 S. 11 m.w.N.). Dies schließt eine Verlagerung von Problemlösungen aus dem Bauleitplanverfahren auf nachfolgendes Verwaltungshandeln indes nicht aus. Festsetzungen eines Bebauungsplans können auch Ausdruck einer "planerischen Zurückhaltung" sein (Urteil vom 5. August 1983 - BVerwG 4 C 96.79 - BVerwGE 67, 334 <338> m.w.N.). Davon ist grundsätzlich auch im Hinblick auf Interessenkonflikte, die auf der Grundlage der Festsetzungen des Bebauungsplans im Einzelfall auftreten können, auszugehen. Dabei kommt dem in § 15 Abs. 1 BauNVO enthaltenen Rücksichtnahmegebot eine besondere Bedeutung zu. Es ergänzt die Festsetzungen des Bebauungsplans und bewirkt im Ergebnis, dass ein Bebauungsplan nicht schon deshalb als unwirksam angesehen werden muss, weil er selbst noch keine Lösung für bestimmte Konfliktsituationen enthält (Beschluss vom 6. März 1989 - BVerwG 4 NB 8.89 - Buchholz 406.11 § 30 BBauG/BauGB Nr. 27 S. 2). Die Gemeinde kann sich im Rahmen ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung grundsätzlich deshalb auch mit der Festsetzung eines Baugebiets begnügen (Urteil vom 11. März 1988 - BVerwG 4 C 56.84 - Buchholz 406.11 § 9 BBauG Nr. 30 S. 4 ff.). Die Grenzen zulässiger Konfliktverlagerung auf die Ebene des Planvollzugs sind allerdings überschritten, wenn bereits im Planungsstadium absehbar ist, dass sich der offen gelassene Interessenkonflikt in einem nachfolgenden Verfahren nicht sachgerecht wird lösen lassen (Urteil vom 11. März 1988 a.a.O. und Beschluss vom 14. Juli 1994 a.a.O.). Im Übrigen richtet sich das erforderliche Maß der Konkretisierung der planerischen Festsetzungen danach, was nach den Umständen des Einzelfalls für die städtebauliche Ordnung erforderlich ist und dem Gebot gerechter Abwägung der konkret berührten privaten Interessen und öffentlichen Belange entspricht (Urteil vom 11. März 1988 a.a.O.). Je intensiver der Widerspruch zwischen plangemäßer Nutzung und Umgebungsnutzung wird, desto höhere Anforderungen sind auch an die Konfliktbewältigung im Rahmen der Bauleitplanung und damit an den Detaillierungsgrad der jeweiligen Festsetzungen zu stellen.
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Von diesen rechtlichen Maßstäben hat sich das Oberverwaltungsgericht leiten lassen. Es hat festgestellt, dass der Bebauungsplan Wohnnutzung und kerngebietstypische Nutzungen in mehrfacher Hinsicht unmittelbar nebeneinander zulasse. Zudem seien dem Plangeber die bereits seit Jahrzehnten in wechselndem Ausmaß betriebene Straßenprostitution mit entsprechenden Belastungen für die Wohnnutzung sowie die im Jahre 2006 hinzukommende Nutzung des Vorhabengrundstücks durch das Erotikkaufhaus und -kino bekannt gewesen. Hinzu komme, dass das die Planung anstoßende ursprüngliche Vorhaben eines Büro- und Geschäftshauses über Jahre hinweg nicht mehr verfolgt worden sei, und auch andere Pläne nicht weiterverfolgt worden seien. Unter Würdigung dieser Umstände ist das Oberverwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass eine mögliche Strukturveränderung des Plangebiets zu einem "Rotlichtbezirk" bereits bei der Festsetzung des Änderungs-Bebauungsplans im Jahre 2006 auf der Hand gelegen habe und dass die sich hieraus ergebenden Nutzungskonflikte deshalb zur Vermeidung eines Abwägungsfehlers bereits im Rahmen der Planung hätten bewältigt werden müssen. Ein bundesrechtswidriges Rechtsverständnis liegt dieser Tatsachenwürdigung nicht zugrunde. Es ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beklagte die konkreten Umstände anders würdigt.
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b) Mit Bundesrecht nicht im Einklang steht demgegenüber die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass der Anwendungsbereich des § 15 Abs. 1 BauNVO nur eröffnet sei, wenn der Bebauungsplan bestimmte Konflikte im Hinblick auf das Gebot der Konfliktbewältigung in rechtmäßiger Weise offen lassen durfte, während Konflikte, die zum notwendigen Abwägungsprogramm gehören, auch dann nicht über § 15 Abs. 1 BauNVO gelöst werden dürften, wenn sie auf der Planungsebene tatsächlich unbewältigt geblieben sind.
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Eine Konfliktbewältigung auf der Grundlage des Rücksichtnahmegebots setzt nach ständiger Rechtsprechung des Senats voraus, dass der Bebauungsplan für sie noch offen ist (z.B. Beschluss vom 6. März 1989 a.a.O.). Daran fehlt es, wenn der in Frage stehende Nutzungskonflikt bereits auf der Ebene des Bebauungsplans abgewogen worden ist; in diesem Fall ist das Rücksichtnahmegebot bereits in der den Festsetzungen des Bebauungsplans zugrunde liegenden Abwägung aufgegangen, es ist von der planerischen Abwägung gleichsam "aufgezehrt" (Beschluss vom 27. Dezember 1984 - BVerwG 4 B 278.84 - Buchholz 406.11 § 30 BBauG Nr. 21 S. 2 f.). Eine Konfliktbewältigung auf der Grundlage des Rücksichtnahmegebots ist ferner dann ausgeschlossen, wenn planerische Festsetzungen - ungeachtet einer bereits auf der Ebene der Bauleitplanung beabsichtigten Konfliktbewältigung - so weit konkretisiert sind, dass ein Ausgleich der durch die Planung aufgeworfenen Nutzungskonflikte im Baugenehmigungsverfahren auf eine Korrektur der planerischen Festsetzungen hinausliefe; je konkreter eine planerische Festsetzung, umso geringer ist der Spielraum für die Anwendung des § 15 Abs. 1 BauNVO (Beschluss vom 6. März 1989 a.a.O. - Parkhaus -). In beiden Fällen hängen die für die Anwendung des § 15 Abs. 1 BauNVO verbleibenden Spielräume mithin davon ab, inwieweit die Gemeinde bereits eine positive planerische Entscheidung getroffen hat. Nur für den Fall einer tatsächlich getroffenen planerischen Entscheidung bedarf die Gemeinde des Schutzes vor einer unzulässigen Korrektur ihrer Entscheidung auf der Vollzugsebene. In allen anderen Fällen ist der Bebauungsplan für eine Konfliktbewältigung im Baugenehmigungsverfahren auf der Grundlage des Rücksichtnahmegebots dagegen noch offen.
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Löst der Bebauungsplan - wie vorliegend vom Oberverwaltungsgericht angenommen - von ihm aufgeworfene Konflikte nicht, obwohl ein Konfliktlösungstransfer unzulässig ist, so führt dies zur Fehlerhaftigkeit der Abwägungsentscheidung nach § 1 Abs. 7 BauGB. Ein solcher Abwägungsfehler wird - vorbehaltlich der Vorschriften über die Planerhaltung gemäß §§ 214, 215 BauGB - grundsätzlich zur (Voll- oder Teil-)Unwirksamkeit des Bebauungsplans führen. Ein unwirksamer Bebauungsplan kann aber in Bezug auf das Rücksichtnahmegebot keine Sperrwirkung erzeugen. Es kommt dann darauf an, ob infolge der Unwirksamkeit des Bebauungsplans ein gegebenenfalls früherer Bebauungsplan wieder Geltung beansprucht, ob dieser seinerseits wirksam ist und ob er nunmehr in Bezug auf das Gebot der Rücksichtnahme in der konkreten Situation Sperrwirkung entfaltet. Ist letzteres nicht der Fall oder liegt überhaupt kein wirksamer Bebauungsplan vor, gibt es mithin keine planerische Entscheidung der Gemeinde, die des Schutzes vor einer unzulässigen Korrektur auf der Vollzugsebene bedarf, ist das Rücksichtnahmegebot, nach Maßgabe der vom Senat entwickelten Grundsätze (z.B. Urteil vom 29. November 2012 - BVerwG 4 C 8.11 - BVerwGE 145, 145 Rn. 16), anwendbar.
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Nichts anderes kann gelten, wenn ein abwägungsfehlerhafter Bebauungsplan - wie hier vom Oberverwaltungsgericht, allerdings ohne jegliche Begründung, angenommen - im Hinblick auf die Planerhaltungsvorschriften der §§ 214, 215 BauGB wirksam bleibt. Auch im Falle der Unbeachtlichkeit des Abwägungsfehlers hat eine planerische Konfliktbewältigung, durch die das Rücksichtnahmegebot "aufgezehrt" worden sein könnte, nicht stattgefunden. Auch in diesem Fall existiert keine planerische Entscheidung über die Bewältigung des Konflikts, die des Schutzes vor einer unzulässigen Korrektur auf der Vollzugsebene bedürfte. Die unterbliebene planerische Konfliktlösung wird durch die Planerhaltungsvorschriften auch nicht etwa fingiert. Ein mangels planerischer Konfliktbewältigung zwar rechtsfehlerhafter, aber in seiner Geltung erhaltener Bebauungsplan ist deshalb für eine Konfliktbewältigung auf der Vollzugsebene grundsätzlich ebenfalls noch offen. Die vom Oberverwaltungsgericht vertretene gegenteilige Auffassung liefe zudem auf einen Wertungswiderspruch hinaus: Ist ein Bebauungsplan in beachtlicher Weise abwägungsfehlerhaft und deshalb unwirksam, ist das Rücksichtnahmegebot - wie dargelegt - grundsätzlich anwendbar mit der Folge, dass der Nutzungskonflikt im Baugenehmigungsverfahren bewältigt werden kann. Ist der Abwägungsfehler demgegenüber aufgrund der Planerhaltungsvorschriften unbeachtlich, bliebe der Nutzungskonflikt unter Zugrundelegung der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts gänzlich unbewältigt. Das im Rücksichtnahmegebot aufgefangene nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis kann indes nicht von dem aus Sicht des betroffenen Nachbarn gleichsam zufälligen Umstand der Planerhaltung abhängen.
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Einer Konfliktbewältigung im Baugenehmigungsverfahren steht vorliegend auch der Konkretisierungsgrad der planerischen Festsetzungen nicht entgegen, denn der Plangeber hat hinsichtlich der streitgegenständlichen Nutzung - bordellartiger Betrieb - keine Festsetzungen getroffen, sondern es schlicht bei dem Nutzungskatalog des § 7 BauNVO belassen. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dem Beklagten sei vorliegend ein Rückgriff auf § 15 Abs. 1 BauNVO verwehrt, ist deshalb unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mit Bundesrecht vereinbar.
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c) Auch insoweit kann der Senat nicht in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 VwGO). Dies gilt bereits deshalb, weil die Erfolgsaussichten der Hilfsanträge vom Erfolg des Hauptantrags abhängen, über die das Oberverwaltungsgericht erneut zu entscheiden hat. Im Übrigen fehlen - wie dargelegt - auch hinreichende tatrichterliche Feststellungen, die eine abschließende Prüfung des Rücksichtnahmegebots erlauben.
Tenor
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks Im E. 62 in W. . Das Grundstück ist an seiner südöstlichen Grenze mit einem Wohnhaus bebaut. Die Antragstellerin und der Antragsteller, ihr Sohn, bewohnen je eine Wohnung in dem Haus. Eine Einliegerwohnung ist vermietet. Die Wohnzimmer und vorgelagerte Terrassen liegen an der Ostseite des Hauses. Auf dem Grundstück ist nordwestlich des Wohnhauses ein großes, verpachtetes Gewächshaus errichtet.
4Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks In der L. 5. Das Grundstück ist mit einem Wohnhaus bebaut. Die Antragstellerin hat ein Nießbrauchsrecht an dem Haus.
5Der Beigeladene ist Inhaber einer landwirtschaftlichen Hofstelle auf dem Grundstück Im E. 78 in W. . Er errichtete in der Nähe seiner Hofstelle eine Windenergieanlage mit einer Nabenhöhe von 65 m, einem Rotordurchmesser von gut 40 m und einer Nennleistung von 500 kW. Die Windenergieanlage ist in einer Entfernung von rund 225 m nordöstlich des Wohnhauses der Antragstellerin und rund 310 m südöstlich des Hauses In der L. 5 errichtet.
6Der Beigeladene legte ein schalltechnisches Gutachten vor. Es beruht auf Messungen beim Betrieb der bereits errichteten Anlage. Die Messungen sind unter anderem am Wohnhaus Im E. 62 der Antragstellerin vorgenommen worden. Die schalltechnische Untersuchung kommt bei einer Leistung der Anlage von 400 kW zu einem Beurteilungspegel von 45 db (A) bezogen auf das Wohnhaus Im E. 62.
7Das Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen gab eine Stellungnahme zur Einwirkung von Schlagschatten unter anderem auf das Wohnhaus Im E. 62 ab. Das Landesumweltamt errechnete insoweit eine maximal mögliche jährliche Beschattungsdauer von etwas mehr als 33 Stunden innerhalb des Zeitraumes zwischen dem 22. Mai und dem 20. Juli. Die maximal mögliche Beschattungsdauer je Tag beträgt nach dieser Berechnung 41 Minuten. Sie liegt in den frühen Morgenstunden. Unter Berücksichtigung erfahrungsgemäß auftretender Bewölkung kommt das Landesumweltamt zu einer effektiven jährlichen Beschattungsdauer von über 13 Stunden.
8Der Antragsgegner erteilte dem Beigeladenen unter dem 2. November 1998 eine nachträgliche Baugenehmigung für die bereits errichtete Windenergieanlage. Die Baugenehmigung ist mit Auflagen versehen. Unter anderem hat der Beigeladene parallel zur östlichen Grenze des Grundstücks der Antragstellerin auf dem Nachbargrundstück in einem Abstand von 4 m zum Grundstück der Antragstellerin als Sichtschutz eine Reihe serbischer Fichten mit einer Höhe von etwa 4,50 m und eine Reihe Koreatannen mit einer Höhe von 2,50 m bis 3,00 m anzupflanzen. Die Anpflanzung muß auf Dauer eine Höhe von mindestens 9,14 m über Grund erreichen. Um die Einwirkung von Schlagschatten unter anderem auf die Häuser Im E. 62 und In der L. 5 zu verhindern, ist der Rotor der Windenergieanlage zu den Zeiten automatisch geregelt stillzulegen, zu denen solche Einwirkungen auf die Häuser und die zu ihnen gehörenden intensiv genutzten Außenbereiche (Terrassen, Sitzecken)zu erwarten sind. Um Immissionsrichtwerte von nachts 45 db (A) zu gewährleisten, ist die Windenergieanlage nachts so zu betreiben, daß die Nennleistung maximal 400 kW beträgt und die Rotordrehzahl 35 Umdrehungen in der Minute nicht überschreitet.
9Die Antragstellerin legte am 5. November 1998, der Antragsteller legte mit Schriftsatz vom 24. Februar 1999 Widerspruch gegen die Baugenehmigung ein.
10Die Anträge der Antragsteller,
11die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners vom 2. November 1998 anzuordnen,
12hat das Verwaltungsgericht durch den angefochtenen Beschluß abgelehnt.
13Mit ihren vom Senat zugelassenen Beschwerden verfolgen die Antragsteller ihre Begehren erster Instanz weiter.
14Der Berichterstatter hat die Örtlichkeit in Augenschein genommen.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte (3 Bände), der Verfahrensakte 10 L 3205/97 - VG Gelsenkirchen - sowie der Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners (2 Ordner und 8 Hefte).
16II.
17Die Beschwerden sind unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Anträge der Antragsteller zu Recht abgelehnt. Die Anträge sind unbegründet. Das Interesse des Beigeladenen daran, die ihm erteilte Baugenehmigung sofort ausnutzen zu dürfen, überwiegt das Interesse der Antragsteller, das Vorhaben des Beigeladenen bis zum Abschluß des Hauptsacheverfahrens vorerst zu verhindern.
18Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand des Senats verstößt die streitige Baugenehmigung nicht offensichtlich gegen solche öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die dem Schutze der Antragsteller als Nachbarn zu dienen bestimmt sind. Danach spricht derzeit mehr dafür, daß die Widersprüche der Antragsteller gegen die streitige Baugenehmigung erfolglos bleiben werden. Ihnen ist deshalb der weitere Betrieb der Anlage vorerst zuzumuten.
19Die erteilte Baugenehmigung verstößt nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften des Bauordnungsrechts mit nachbarschützendem Charakter. Namentlich wahrt die genehmigte Anlage die gemäß § 6 Abs. 10 BauO NW erforderliche Abstandfläche in Richtung auf die Grundstücke der Antragsteller.
20Bauplanungsrechtlich richtet sich das Vorhaben des Beigeladenen nach § 35 Abs. 1 BauGB. Das Vorhaben des Beigeladenen soll außerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans und außerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils verwirklicht werden. An den Straßen Im E. und In der L. sind lediglich verstreut einzelne (Wohn- )Gebäude vorhanden. Diese Streubebauung bildet allenfalls eine Splittersiedlung. Die Baulichkeiten lassen nach ihrer Zahl und Anordnung keine organische Siedlungsstruktur erkennen und haben nicht das nötige Gewicht, um bereits als Ortsteil im Sinne des § 34 BauGB angesehen werden zu können.
21Wird das Vorhaben des Beigeladenen danach im Außenbereich verwirklicht, verletzte die angefochtene Baugenehmigung Nachbarrechte der Antragsteller, wenn sie gegen § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB und das darin enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstieße. Nach dieser Vorschrift beeinträchtigt ein Vorhaben im Außenbereich öffentliche Belange insbesondere dann, wenn das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann.
22Zu solchen schädlichen Umwelteinwirkungen können insbesondere Lärmimmissionen gehören, die von der Windenergieanlage auf benachbarte Wohnhäuser einwirken. Der Betrieb der genehmigten Anlage wird indes auf den Grundstücken der Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht zu unzumutbaren Lärmbelästigungen führen.
23Auch die Grundstücke der Antragsteller liegen im Außenbereich, nämlich innerhalb der beschriebenen Streubebauung. Die Antragsteller können zwar damit rechnen, daß in der Umgebung ihrer Grundstücke keine Nutzung zugelassen wird, die ihre Wohnnutzung unzumutbar beeinträchtigt. Die Schwelle zur Unzumutbarkeit ist aber noch nicht dann überschritten, wenn die Richtwerte nicht eingehalten werden, die nach den einschlägigen technischen Regelwerten für reine Wohngebiete gelten. Können Geräusche - wie diejenigen einer Windenergieanlage - nach den Richtwerten der VDI-Richtlinie 2058 oder nach der TA-Lärm beurteilt werden, so sind Geräusche mit einem Beurteilungspegel von 55 db (A) tagsüber und 40 db (A) nachts für ein Wohnhaus zuzumuten, das in einem reinen Wohngebiet, jedoch in Randlage zum Außenbereich liegt. Der Schutzmaßstab ist noch weiter herabzusetzen, wenn das Wohnhaus - wie hier diejenigen der Antragsteller - im Außenbereich liegt. Wer im Außenbereich wohnt, hat keinen Anspruch darauf, daß seine Umgebung von weiterer Bebauung freibleibt. Wie sich aus § 35 Abs. 1 BauGB ergibt, muß er unter Umständen mit belastenden Anlagen rechnen. Wer im Außenbereich wohnt, kann deshalb allenfalls die Einhaltung der Grenzwerte verlangen, die nach den einschlägigen technischen Regelwerken für Mischgebiete erarbeitet sind, also Beurteilungspegel von 60 db (A) tagsüber sowie 45 db (A) nachts,
24OVG NRW, Beschluß vom 9. September 1998 - 7 B 1591/98 -.
25Die Einhaltung dieser Werte ist für die Wohnhäuser der Antragsteller in der Baugenehmigung festgeschrieben. Die Werte können voraussichtlich eingehalten werden. Hierzu liegt die schalltechnische Untersuchung vor. Sie beruht nicht auf einer Prognose, sondern auf Messungen aus dem Betrieb der Anlage. Danach wird ein Beurteilungspegel von 45 db (A) an den Wohnhäusern der Antragsteller jedenfalls dann eingehalten, wenn die Nennleistung der Windenergieanlage bei maximal 400 kW liegt und die Rotordrehzahl 35 Umdrehungen in der Minute nicht überschreitet. Der Antragsgegner hat dem Beigeladenen in der Baugenehmigung zur Auflage gemacht,während der Nachtzeit diese Kennzahlen für den Betrieb der Anlage einzuhalten.
26Die Antragsteller greifen die schalltechnische Untersuchung deshalb an, weil der Sachverständige von dem gemessenen Wirkpegel einen Abzug von 3 db (A) für Meßunsicherheiten vorgenommen hat. Dieser Abzug dürfte indes nicht zu beanstanden sein. Der Sachverständige hat für seine schalltechnische Untersuchung noch die TA-Lärm (1968) zugrundegelegt. Sie sah in Nr. 2.422.5 Satz 1 Buchst. c einen Abzug von 3 db (A) für Meßunsicherheit vor. Dieser Abschlag trug dem Umstand Rechnung, daß in die Berechnungen Meßwerte einfließen, die wegen geräte- und umweltbedingter Toleranzen Wahrscheinlichkeitsgrößen sind, mit der Folge, daß auch das Berechnungsergebnis selbst eine gewisse Unsicherheit aufweist. Diese mit 3 db (A) bewertete Toleranz war untrennbar Bestandteil des Meß- und Berechnungsverfahrens nach der TA- Lärm. Wurden schädliche Umwelteinwirkungen nach Maßgabe der TA-Lärm ermittelt, durfte der Bewertungsmaßstab dieses Regelwerks nicht dadurch verschoben werden, daß der vorgeschriebene Meßunsicherheitsabschlag unberücksichtigt blieb,
27BVerwG, Beschluß vom 22. Oktober 1996 - 7 B 132.96 -, NVwZ-RR 1997, 279.
28Mit Blick auf die bevorstehende Einführung der TA-Lärm 1998 zum 1. November 1998 hat der Sachverständige sich auch zu der Frage geäußert, ob sich aus der TA-Lärm 1998 für das Ergebnis bedeutsame Änderungen ergeben. Er hat diese Frage verneint. Der Senat hat keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine abweichende Einschätzung. Die TA-Lärm 1998 sieht in ihrer Nr. 6.9 einen Abschlag um 3 db (A) vor, wenn bei der Überwachung einer Anlage die Geräuschimmissionen durch Messung ermittelt werden. Mit diesem Abzug dürfte der frühere Abschlag für Meßunsicherheiten fortgeschrieben sein. Der Abschlag dürfte somit auch heute noch untrennbarer Bestandteil des in der TA-Lärm vorgeschriebenen Meß- und Berechnungsverfahrens sein und deshalb weiterhin vorzunehmen sein,
29vgl. Kutscheidt, Die Neufassung der TA-Lärm, NVwZ 1999, 577, 583.
30Die Wohnnutzung der Grundstücke der Antragsteller könnte ferner durch Lichteffekte nachteilig betroffen werden, welche die Windkraftanlage verursacht. Steht die Sonne hinter dem Rotor, können bewegte Schatten über die Grundstücke laufen. Sie verursachen dadurch dort, je nach Umlaufgeschwindigkeit des Rotors, einen verschieden schnellen Wechsel von Schatten und Licht. Dadurch können sie das Wohnen erheblich stören. Durch die Fenster sind diese Effekte auch in allen Wohnräumen wahrnehmbar, die der Windkraftanlage zugewandt sind, und zwar derart, daß diese Schatten durch den ganzen Raum wandern und von Wänden, Fenstern und anderen Flächen widergespiegelt werden. Indes hat der Antragsgegner eine Auflage in die Baugenehmigung aufgenommen, die nicht ungeeignet erscheint, derartige belastende Auswirkungen der genehmigten Anlage auf die Wohngrundstücke der Antragsteller zu unterbinden. Nach dieser Auflage ist die Anlage automatisch geregelt stillzulegen, wenn Schlagschatten auf die Wohnhäuser unter anderem der Antragsteller und die von ihnen intensiv genutzten Außenbereiche einwirken würden. Die Auflage gibt selbst nicht die Daten vor, die in die automatische Schattenabschaltung einzugeben sind. Sie sind vielmehr erst in Umsetzung der Baugenehmigung und der Auflage zu ihr vom Landesumweltamt errechnet und dem Staatlichen Umweltamt Herten übermittelt worden. Der Senat geht derzeit - auch nach der Erörterung dieser Frage im Ortstermin - davon aus, daß die automatische Abschaltung entsprechend der vom Landesumweltamt ermittelten Zeiten so programmiert ist, daß die Ostseite des Wohnhauses, die der Anlage zugewandt ist, vor einer Einwirkung von Schlagschatten wirksam geschützt ist. Im übrigen gibt die Auflage zu der Baugenehmigung - zulässigerweise - insoweit nur das Ziel und das dafür einzusetzende Mittel vor. Die Abschaltautomatik ist in Umsetzung der Auflage so zu programmieren, daß mit ihr das vorgegebene Ziel erreicht wird. Erweisen sich Nachbesserungen als erforderlich, weil die eingegebenen Zeiten die Zeiten einer Einwirkung von Schlagschatten nicht oder nicht vollständig erfassen, ist der Beigeladene verpflichtet, zur Erfüllung der Auflage die eingegebenen Zeiten entsprechend zu ändern. Die Antragsteller haben hierauf einen durchsetzbaren Anspruch, weil die Auflage zu der Baugenehmigung auch ihrem Schutz zu dienen bestimmt ist.
31Aus diesem Grund geht der Senat derzeit davon aus, daß die genannte Auflage zu der Baugenehmigung auch geeignet ist, die Antragsteller vor der von ihnen beklagten Einwirkung von Lichteffekten auf die vorderen, der Anlage abgewandten Räume des Hauses zu schützen. Wie die Antragsteller vorgetragen und im Ortstermin durch Vorführung einer Videoaufzeichnung nachvollziehbar dargelegt haben, spiegelt das Gewächshaus im nordwestlichen Winkel ihres Grundstücks in seinen Seitenwänden den drehenden Rotor der Anlage einerseits wider und wirft andererseits dieses Spiegelbild auf das Wohnhaus der Antragsteller zurück, wo es sich in Form sich ständig bewegender Lichteffekte in den Glasflächen der Eingangstür, den Fenstern der Küche und den glatten Oberflächen der Küchenmöbel niederschlägt. Dieser Effekt tritt dann ein, wenn die Sonne hinter der Windenergieanlage steht, also Schlagschatten auf dem Gewächshaus erzeugt. Zwischen den Beteiligten blieb im Ortstermin streitig, ob die für die automatische Abschaltung vorgegebenen Zeiten auch die Zeiten erfaßt, in denen der beschriebene Effekt auftritt. Die nachgereichten Unterlagen sprechen dafür, daß die bisher für die automatische Abschaltung vorgegebenen Zeiten nur die Zeiten erfassen, zu denen der rückwärtige Bereich des Wohnhauses selbst von Schlagschatten erfaßt wird. Das Wohnhaus und das Gewächshaus stehen versetzt zueinander.
32Wie das Verwaltungsgericht legt auch der Senat die Auflage zu der Baugenehmigung so aus, daß mit ihr dem Beigeladenen aufgegeben ist, die Anlage automatisch geregelt auch zu solchen Zeiten stillzulegen, zu denen Schlagschatten auf die Wohnbereiche nicht nur unmittelbar, sondern auch durch Spiegelung mittelbar einwirken.
33Das Vorhaben des Beigeladenen könnte darüberhinaus durch die Eigenart der Anlage als solcher rücksichtslos auf die Wohnnutzung der nahegelegenen Grundstücke einwirken. Selbst wenn in Bodennähe nahezu Windstille herrscht, drehen die Rotorflügel leicht. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß eine derartige stete Bewegung im oder am Rande des Blickfeldes schon nach kurzer Zeit, erst recht auf Dauer, unerträglich werden kann. Ein sich drehendes Moment zieht den Blick des Menschen nahezu zwanghaft auf sich. Dies kann Irritationen hervorrufen. Eine Konzentration auf andere Tätigkeiten kann wegen der steten, kaum vermeidbaren Ablenkung erschwert werden. Die Anlage kann sich dabei in den Fenstern des Hauses oder an den Inneneinrichtungen der Wohnungen spiegeln, soweit diese reflektierende Oberflächen haben.
34Solche Wirkungen einer Windenergieanlage können auch dann eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens gegenüber benachbarter Wohnbebauung begründen, wenn - wie hier - die Abstände nach § 6 Abs. 10 BauO NW zu den benachbarten Grundstücken eingehalten sind. § 6 BauO NW regelt seinen Sachbereich zwar abschließend. Er legt insoweit fest, welches Maß an Rücksichtnahme der Bauherr seinem Nachbarn schuldet und was diesem zugemutet werden kann. Ein Gebäude kann einem benachbarten Grundstück Licht, Sonne und Luft nehmen, ferner einen Einblick in das Nachbargrundstück ermöglichen. Diese Belange werden regelmäßig durch das bauordnungsrechtliche Abstandflächenrecht aufgefangen. Windenergieanlagen sind keine Gebäude. Von ihnen können aber gebäudegleiche Wirkungen ausgehen, mit der Folge, daß gemäß § 6 Abs. 10 BauO NW auf sie die für Gebäude geltenden Vorschriften über Abstandflächen anzuwenden sind. Die einem Gebäude gleiche Wirkung folgt insbesondere aus dem Rotor und seiner Drehbewegung. Diese vergrößern die Windenergieanlage in ihren optischen Dimensionen deutlich und bestimmen sie. Allein der Rotorkreis hat gebäudegleiche Abmessungen, die angesichts der sich über ihren gesamten Bereich bewegenden Rotorflügel insgesamt, nicht aber nur in dem jeweils von den Flügeln überdeckten Teilen in Erscheinung tritt. Hinzu kommt die Rotorbewegung, denn diese verstärkt die belastende Wirkung der Anlage auf die Nachbarschaft,
35vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. August 1997 - 7 A 629/95 -.
36Wird danach die bedrängende Wirkung, welche eine Windenergieanlage auf die Nachbarschaft ausübt, auch vom Schutzbereich des § 6 BauO NW erfaßt, so nimmt diese Vorschrift insoweit dennoch keine abschließende Bewertung vor. Die optisch bedrängende Wirkung, die von einer Windenergieanlage wegen der Drehbewegung als solcher ausgeht, ist in ihrer rechtlichen Bewertung vergleichbar der erdrückenden Wirkung, die von einem Gebäude wegen seiner Masse auf die unmittelbare Umgebung ausgeübt werden kann. Die erdrückende Wirkung eines Baukörpers kann selbst dann als planungsrechtlich rücksichtslos beurteilt werden, wenn der Baukörper die Abstandfläche nach dem Bauordnungsrecht einhält. Unter diesem Gesichtspunkt enthält das Abstandflächenrecht keine abschließende Regelung. Ähnlich ist zu urteilen für die optisch bedrängende Wirkung, die von dem sich drehenden Rotor einer Windenergieanlage ausgeht.
37Allerdings ist diese Wirkung einer Windenergieanlage nicht stets rücksichtslos, wenn sie auf angrenzenden Wohngrundstücken wahrgenommen wird. Wohnhäuser sind gegen sie nicht unterschiedslos geschützt. Der Schutz richtet sich vielmehr auch insoweit nach der planungsrechtlichen Lage des Wohnhauses. Liegt das Wohngrundstück in einem reinen oder allgemeinen Wohngebiet, das durch Bebauungsplan festgesetzt ist, genießt es erhöhten Schutz gegen Einwirkungen durch eine gebietsfremde Windenergieanlage, die durch ihre Eigenart als solche den Wohnfrieden stört. Anders verhält es sich hingegen bei einem Wohnhaus im Außenbereich. Im Außenbereich sind Windenergieanlagen gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB privilegiert zulässig. Sie sind nicht gebietsfremd. Wer im Außenbereich wohnt, muß mit den auch optisch bedrängenden Wirkungen einer solchen Anlage rechnen.
38Der geminderte Schutzanspruch wirkt sich insbesondere auch insoweit aus, als dem Betroffenen eher Maßnahmen zumutbar sind, durch die er den Wirkungen der Windenergieanlage ausweicht oder sich selbst vor ihnen schützt. Ihm ist eher zuzumuten, Gewohnheiten zu ändern und der veränderten Nachbarschaft anzupassen, während dies einem Betroffenen schwerlich angesonnen werden könnte, der sich gegen die Auswirkungen einer gebietsfremden Anlage wehrt.
39Von diesem Ansatz ist zu Recht auch das Verwaltungsgericht ausgegangen. Von ihm ausgehend wirkt die streitige Anlage nicht unzumutbar auf die Wohnnutzung des Hauses Im E. 62 ein. Der Rotor mit seinen Blättern ist nicht von jeder Stelle des Wohnhauses aus zu erblicken. Eine nahezu überall sichtbare, unerträgliche stete Bewegung der Rotorblätter, der man sich nicht entziehen könnte, ist nicht festzustellen. Diese Bewertung des Sachverhalts teilt der Senat aufgrund der Ortsbesichtigung zweiter Instanz. Eine Nutzung der Terrasse ist beispielsweise möglich, ohne daß die Windenergieanlage in den Blick gerät. In bestimmten Bereichen wird sie durch die Bäume an der Grundstücksgrenze verdeckt. Ähnliches gilt für das Wohnzimmer. Von Sitzplätzen nahe dem Fenster kann die Anlage gesehen werden, von anderen Plätzen aus hingegen nicht. Spiegelungen der Anlage waren ohne weiteres in der Glasplatte des Tisches zu erkennen, ohne daß indes im übrigen der Eindruck entstand, einem Phänomen ausgesetzt zu sein, dem man sich nicht entziehen könnte. Daß die Antragstellerin beispielsweise das Fernsehgerät an anderer Stelle als bisher aufgestellt hat, um eine Spiegelung der Windenergieanlage in dem Fernsehgerät auszuschließen, gehört zu den Maßnahmen, die nach dem rechtlichen Ausgangspunkt zumutbar sind.
40Die Antragsteller sind der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht entgegengetreten, für das Wohnhaus In der L. 5 seien unzumutbare Einwirkungen der Windenergieanlage nicht festzustellen. Der Senat sieht deshalb insoweit keinen Anlaß zu weiteren Ausführungen.
41Soweit in diesem Verfahren nicht abschließend geklärt werden kann, ob die streitige Baugenehmigung mit den nachbarschützenden Bestimmungen des Bauplanungsrechts vereinbar ist, hält der Senat nach alledem den Betrieb der Anlage für die Antragsteller bis zum Abschluß des Hauptsacheverfahrens für zumutbar.
42Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 4 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
43Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
44
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 31. Mai 2013 verpflichtet, dem Kläger einen Bauvorbescheid für die Errichtung einer Kfz-Ausstellungsfläche auf dem Grundstück T. 170 (Flurstück 110) zu erteilen.Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung seitens des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger, der eine Kfz-Werkstatt in der F.------straße 35 in Essen betreibt, begehrt die Erteilung eines planungsrechtlichen Vorbescheides für eine Nutzungsänderung auf dem Grundstück in der T. in F1. , Gemarkung L. , Flur 1, Flurstück 110, dessen Eigentümer er ist, in eine Ausstellungsfläche für Kraftfahrzeuge.
3Die Straße T. verläuft von südöstlicher in nordwestliche Richtung und bildet mit der von südwestlich in nordöstliche Richtung verlaufenden H. Straße in etwa ein X. Etwa parallel in nordöstlicher Richtung zur Straße T. verläuft die Straße C. . Die von der T. etwas südlicher abzweigende Straße gehört ebenfalls zur Straße C. und stößt auf diese im rechten Winkel. Die Straße T. ist auf Höhe des Vorhabengrundstücks dreispurig, wovon zwei Spuren in nordwestliche Richtung und eine Spur in südöstliche Richtung verlaufen. Durch die T. führt in beide Richtungen eine Buslinie. Es befindet sich auf jeder Straßenseite etwa in Höhe des Grundstücks T. 164 eine Bushaltestelle. Die Fahrgastunterstände sind jeweils mit Werbeanlagen ausgestattet. Die H. Straße ist auf der Höhe, in der sie die Straße T. kreuzt, vierspurig. In der Mitte der H. Straße verlaufen Straßenbahnschienen.
4Die Grundstücke in dem Dreieck T. / C. sind mit Wohnhäusern bebaut. Das Vorhabengrundstück ist derzeit unbebaut. Das Grundstück des Beigeladenen, C. 14, grenzt im rückwärtigen Bereich unmittelbar an das Vorhabengrundstück des Klägers. Der Beigeladene nutzt einen Teil des auf seinem Grundstück errichteten Wohnhauses augenscheinlich als Büro. Baurechtlich genehmigt ist hier eine Arztpraxis. Auf dem Grundstück C. 33 befinden sich eine Grundschule sowie ein Teil einer Förderschule. Ausweislich der Homepage der jeweiligen Schulen lernen an der Grundschule rund 300 Kinder in zwölf Klassen und an der Förderschule rund 110 Schüler in sieben Klassen. Die Zufahrt zu den Schulen erfolgt aufgrund der Einbahnstraßenregelung ausschließlich über die Straße C. aus nordwestlicher Richtung von der H. Straße kommend. Der Abfahrtsverkehr von der Schule erfolgt über die Straße C. sowohl in nordwestliche als auch in südwestliche Richtung.
5Mit Bauantrag vom 11. Januar 2013 beantragte der Kläger die Erteilung eines Vorbescheides hinsichtlich der Herstellung einer Ausstellungsfläche für Kraftfahrzeuge auf dem Grundstück T. , Flurstück 110. Ausweislich des Bauantrags sowie der im weiteren Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nachgereichten Unterlagen, insbesondere der Bauzeichnung vom 29. April 2013, umfasst die herzurichtende Ausstellungsfläche 265 m² des insgesamt 469 m² großen Grundstücks. Das hintere Drittel des Grundstücks bleibt ungenutzt und wird durch eine Mauer abgegrenzt. Das Grundstück wird zur Straßenseite hin mit einem grünen Zaun umschlossen. An dem Zaun wird ein Schild mit den Öffnungszeiten sowie einer Telefonnummer und dem Hinweis an Interessenten, sich bei dem Kfz-Service I. in der F.------straße 35 zu melden, angebracht. An die Grundstücksgrenze zum Grundstück T. 170, das ebenfalls im Eigentum des Klägers steht, soll ein Tor errichtet werden, durch das die Anlieferung der Fahrzeuge erfolgen solle. Es werden nicht mehr als drei Fahrzeuge pro Woche angeliefert. Die Anlieferung erfolgt weder mittels Sattelschlepper noch durch einen Kfz-Anhänger, sondern die Fahrzeuge werden mit roten Kennzeichen von der Werkstatt in der F.------straße direkt auf die Ausstellungsfläche gefahren. Die an die jeweiligen Nachbargrundstücke grenzenden Grundstücksseiten werden zudem durch einen Pflanzstreifen begrünt. Auf der Ausstellungsfläche werden maximal 20 Kraftfahrzeuge bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen ausgestellt. Besichtigungen dürfen montags bis freitags von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr und samstags vom 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr stattfinden. An den Fahrzeugen werden Schilder mit den jeweiligen Fahrzeugdaten und dem Kaufpreis angebracht. Ein Verkaufsbüro wird auf dem Grundstück, abweichend von der Bauzeichnung vom 29. April 2013, nicht errichtet werden. Sämtliche geschäftliche Abwicklungen sollen in der Kfz-Werkstatt des Klägers in der F.------straße erfolgen, für die eine entsprechende Genehmigung noch beantragt wird. Auf der Ausstellungsfläche werden schließlich keine Reparaturen, tägliche Umrangiervorgänge oder Vorführung von Motorleistungen erfolgen.
6Die Beklagte lehnte den Bauantrag des Klägers mit Bescheid vom 31. Mai 2013 ab. Zur Begründung führte sie aus, die nähere Umgebung entspreche einem allgemeinen Wohngebiet im Sinne der Baunutzungsverordnung. Der geplante Autohandel gehöre jedoch nicht zu den gemäß § 4 BauNVO in allgemeinen Wohngebieten allgemein zulässigen Nutzungen. Im Hinblick auf die vorhandene Wohnbebauung sowie die Vorbildwirkung für ähnliche Vorhaben im Bereich des Antragsgrundstückes und die damit zu erwartende negative städtebauliche Entwicklung, insbesondere für den Bereich südlich des Antragsgrundstückes mit überwiegender Wohnbebauung und dem Außenbereich als naturnahen Freiraum, sei eine ausnahmsweise Zulassung des Autohandels auf Basis des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb nicht möglich. Darüber hinaus sei das Grundstück aufgrund der beanspruchten Fläche von mindestens 330 m², bezogen auf die Grundstücksgröße von 469 m², übernutzt und füge sich daher nicht gemäß § 34 BauGB in die Umgebungsbebauung ein. Das Vorhaben sei daher insgesamt planungsrechtlich unzulässig.
7Der Kläger hat am 1. Juli 2013 Klage erhoben.
8Er ist der Ansicht, die nähere Umgebung sei als Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO einzustufen, so dass die Kfz-Ausstellungsfläche als sonstiger Gewerbebetrieb, der das Wohnen nicht stört, zulässig sei. Die zahlreichen Nutzungen auf der T. sowie der H. Straße im Umkreis von bis zu 100 m seien zur Beurteilung der maßgeblichen näheren Umgebung heranzuziehen. Durch die Verkehrsinsel vor dem Antragsgrundstück sowie durch die H. Straße erfolge keine Trennung, da insbesondere die Bebauung auf der H. Straße, namentlich mehrere Geschäfte und weitere gewerblichen Nutzungen, vom Antragsgrundstück aus betrachtet in Luftlinie von etwa 10 m komplett einsehbar sei. Selbst wenn die nähere Umgebung nur auf das Dreieck C. 6-24 sowie T. 164-170 zu begrenzen sei, liege kein reines Wohngebiet, sondern ein allgemeines Wohngebiet vor, in dem die Ausstellungsfläche als sonstiger Gewerbebetrieb ausnahmsweise zulässig sei. Die gepflegte Ausstellungsfläche mit mäßigem Publikumsverkehr zu festgelegten Öffnungszeiten störe das Wohnen nicht wesentlich. Eine Belästigung durch das Rangieren oder Anliefern der Fahrzeuge sei ausgeschlossen. Das Grundstück solle lediglich als Stellplatz genutzt werden. Lärmimmissionen oder sonstige Immissionen seien durch diesen Betrieb nicht zu erwarten. Kaufinteressenten könnten das Grundstück auch nicht außerhalb der Betriebszeiten aufsuchen, da es dann verschlossen sei. In der näheren Umgebung seien dem Wohnen wesentlich abträglichere Gewerbebetriebe genehmigt worden. Vor dem auf dem Grundstück C. 14 ansässigen Betrieb des Beigeladenen, der auch optisch als Gewerbebetrieb hervorsteche, würden mit Firmenaufschrift versehen Einsatzwagen parken und starten. Auch die Zahnarztpraxis in dem Gebäude T. 170 habe starken Publikumsverkehr mit an- und abfahrenden Pkw der Patienten.
9Der Kläger beantragt,
10den Bescheid der Beklagten vom 31. Mai 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den beantragten planungsrechtlichen Bauvorbescheid zur Nutzungsänderung des Grundstücks T. 170 (Flurstück 110), zu erteilen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung trägt sie in Abweichung zu den Gründen des angefochtenen Bescheides vor, die vorhandenen Nutzungen in der unmittelbaren Umgebung des Antragsgrundstückes entsprächen denen eines reinen Wohngebietes. Neben einer Arztpraxis im Gebäude T. 170 und einer Büronutzung im Kellergeschoss des Gebäudes C. 14, für die ebenfalls eine Arztpraxis baurechtlich genehmigt sei, befände sich in diesem Bereich ausschließlich Wohnnutzung. Der geplante Autohandel stelle eine gewerbliche Anlage dar, die im reinen Wohngebiet planungsrechtlich unzulässig sei. Die Einbeziehung der Bebauung entlang der H. Straße in die nähere Umgebung scheide hier aus, da die dazwischen liegende Straßen- und Grünfläche aufgrund ihrer Breite eine trennende Wirkung entfalte. Auch die Berücksichtigung noch weiter entfernt liegender Flächen in einem Umkreis von 1000 m sei nicht sachgerecht, da keine Sicht- oder funktionale Verbindung zum Antragsgrundstück bestehe. Die auf der Straße T. vorhandenen Bushaltestellen und andere Verkehrseinrichtungen seien für die planungsrechtliche Gebietseinstufung unerheblich und könnten auch in reinen Wohngebieten liegen. Bei den an den Wartehäuschen angebrachten Werbeanlagen handele es sich um untergeordnete Werbeanlagen, die über eine Abweichung gemäß § 73 Abs. 1 BauO NRW auch in einem reinen Wohngebiet zulässig seien. Gegen die illegale Nutzung der Räumlichkeiten im Gebäude C. 14 für das Büro einer Bautenschutzfirma beabsichtige die Beklagte ordnungsbehördlich vorzugehen. Ferner würden die Schulen auf dem Grundstück C. 33 nicht zur maßgeblichen Umgebung des Vorhabens gehören. Jedenfalls würden die Schulen einen Fremdkörper darstellen, der keine prägende Wirkung entfalten könne. Sie stünden, abgesehen von der Bauweise, in allen übrigen Einfügungskriterien des § 34 BauGB im krassen Widerspruch zur sonstigen Bebauung in diesem Bereich. Dass der Kläger beabsichtige, den Pkw-Verkauf auf der F.------straße 35 stattfinden zu lassen, sei angesichts der Entfernung der beiden Grundstücke völlig lebensfremd. Zudem sei auf dem Grundstück F.------straße 35 der Verkauf von Pkw baurechtlich nicht genehmigt. Schließlich würden auch von einem reinen Ausstellungsplatz ähnliche Auswirkungen wie von einem Verkaufsplatz ausgehen. Auch ein reiner Ausstellungsplatz werde von potentiellen Kunden zu allen Tages- und Abendzeiten angefahren und besucht. Der Umstand, dass mögliche Geschäftsabschlüsse am Hauptsitz der Firma in einem anderen Stadtteil getätigt würden, führe daher nicht zwangsläufig zu einer Entlastung der Umgebung von Störungen, die sich aus der geplanten Nutzung ergeben.
14Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
15Er trägt vor, er nutze seine Wohnadresse C. 14 lediglich als Postadresse für sein Unternehmen. Das Büro des Unternehmens befinde sich jedoch seit jeher in der L1. -N. -Straße 121 in F1. , wo sich auch der Firmensitz der Firma M. befände. Auf dem Grundstück C. 14 finde keinerlei gewerbliche Nutzung statt. Es würden auch keine Einsatzwagen der Firma vor dem Grundstück parken und starten. Er ist ferner der Ansicht, die Umgebungsbebauung entspreche einem reinen Wohngebiet. Die Geschäfte an der H. Straße, sowie die Grundschule auf dem Grundstück C. 33 würden nicht mehr zur näheren Umgebung des Vorhabens gehören, da sie das Grundstück des Klägers aufgrund der gegebenen Verkehrsführung und des rückwärtig angeordneten Pausenhofs nicht beeinflussen würden. Selbst wenn man von einem allgemeinen Wohngebiet ausgehe, wäre das Vorhaben des Klägers auch nicht ausnahmsweise zulässig. Das Vorhaben stelle keinen nicht störenden Gewerbebetrieb im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO dar. Durch eine Kfz-Ausstellungsfläche komme es zu einem nicht unerheblichen zusätzlichen Verkehrsaufkommen. Insbesondere durch das Probefahren komme es zu erheblichen zusätzlichen Lärm durch Motorengeräusche und Türen zuschlagen. Es sei darüber hinaus realitätsfern, anzunehmen, dass wegen des fehlenden Verkaufsraums keine Verkaufsgespräche auf dem Gelände abgehalten würden. Das Vorhaben würde sich auch optisch nicht unterordnen, so wie es die Zweckbestimmung eines allgemeinen Wohngebiets verlange. Schließlich sei die Nutzung den Nachbarn nicht zumutbar, da es vor allem im belästigungsempfindlichen rückwärtigen Gartenbereich zu Kundenverkehr komme. Eine vergleichbare Nutzung gebe es bislang nicht im rückwärtigen Gartenbereich. Schließlich werde auch der öffentliche Straßenraum für die Bewohner des Baugebiets durch die Kunden des Klägers unzumutbar in Anspruch genommen, da der Kläger die notwendigen Kundenparkplätze nicht berücksichtigt habe. Die Einrichtung einer Kfz-Ausstellungsfläche würde die ordnungswidrige Nutzung des Bürgersteiges und damit die Behinderung der Passanten noch verstärken. Die Nutzung könne auch nicht ausnahmsweise genehmigt werden, da eine Ermessensreduzierung auf Null nicht gegeben sei. Schließlich sei bereits heute der Abzweig L. verkehrstechnisch überlastet, weshalb es dort häufig zu Unfällen komme. Das geplante Vorhaben würde die Situation vor Ort noch verschärfen und sich auch aus diesem Grund städtebaulich negativ auswirken.
16Die Berichterstatterin hat am 18. Februar 2014 einen Ortstermin durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Ortsterminprotokoll nebst Fotomaterial verwiesen.
17Im weiteren Verlauf des gerichtlichen Verfahrens hat der Kläger eine Zaunanlage auf dem Vorhabengrundstück entlang der vorderen Grundstücksgrenze errichtet, für die ihm die Beklagte unter dem 21. Mai 2014 eine nachträgliche Baugenehmigung erteilt hat.
18Unter dem 10. Juli 2014 hat die Beklagte ein Anhörungsschreiben an den Beigeladenen hinsichtlich der beabsichtigten Nutzungsuntersagung einer gewerblichen Büronutzung auf dem Grundstück C. 14 gerichtet.
19Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs verwiesen.
20Entscheidungsgründe:
21Die Klage ist zulässig und begründet.
22Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 31. Mai 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung des begehrten Vorbescheides, da dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen, §§ 71 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 in Verbindung mit 75 Abs. 1 Satz 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW).
23Das Vorhaben des Klägers ist planungsrechtlich zulässig.
24Die Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich vorliegend nach § 34 des Baugesetzbuches (BauGB), da ein Bebauungsplan für diesen Bereich nicht existiert und das Grundstück des Klägers innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegt. Nach Absatz 2 der Vorschrift beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Baunutzungsverordnung (BauNVO) allgemein zulässig wäre, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der BauNVO entspricht.
25Hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Art der Nutzung, der grundsätzlich nachbarschützende Wirkung zukommt, kann ein Verstoß nicht festgestellt werden. Das Vorhaben fügt sich nach den in § 34 Abs. 1 BauGB genannten Kriterien in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung und der Auswertung der beigezogenen Pläne entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem allgemeinen Wohngebiet im Sinne des § 4 BauNVO.
26Die für die Beurteilung des Gebietscharakters maßgebliche nähere Umgebung eines Grundstücks wird dadurch ermittelt, dass in zwei Richtungen, nämlich in Richtung vom Vorhaben auf die Umgebung und in Richtung von der Umgebung auf das Vorhaben geprüft wird, wie weit die jeweiligen Auswirkungen reichen. Zu berücksichtigen ist die Umgebung einmal insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und zweitens insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. Bei der Ermittlung der näheren Umgebung ist die Betrachtung auf das Wesentliche zurückzuführen und sind Fremdkörper und Ausnahmen außer Acht zu lassen, solange beispielsweise die erkennbaren "Grundzüge der Planung" durch sie nicht berührt werden. Bei der für die Prüfung erforderlichen Bestandsaufnahme ist grundsätzlich alles tatsächlich Vorhandene in den Blick zu nehmen. Die Grenzen der näheren Umgebung sind nicht schematisch, sondern nach der jeweiligen städtebaulichen Situation zu bestimmen. Es darf aber nicht nur diejenige Bebauung als erheblich angesehen werden, die gerade in der unmittelbaren Nachbarschaft des Baugrundstücks überwiegt, sondern es muss auch die Bebauung der weiteren Umgebung des Grundstücks insoweit berücksichtigt werden, als auch sie noch "prägend" auf dasselbe einwirkt. Wie weit die wechselseitige Prägung - und damit die "nähere Umgebung" - reicht, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls. Hierbei kann eine Straße sowohl trennende als auch verbindende Wirkung haben. Welche Wirkung sie jeweils entfaltet, kann stets nur das Ergebnis einer Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts sein.
27Vgl. bereits Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 26. Mai 1978 – IV C 9.77 -; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 2. Dezember 2013 – 2 A 1510/12 -, mit weiteren Nachweisen; zitiert nach juris.
28Die Grenze kann dort gezogen werden, wo zwei jeweils einheitlich geprägte Bebauungskomplexe mit voneinander verschiedenen Bau- und Nutzungsstrukturen aneinanderstoßen. Der Grenzverlauf der näheren Umgebung kann durch eine künstliche oder natürliche Trennlinie, wie zum Beispiel eine Straße, markiert sein; dies ist allerdings nicht zwingend erforderlich.
29Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. August 2003 – 4 B 74.03 -; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16. September 2013 – 8 A 10558/13; VG Würzburg, Urteil vom 13. Mai 2014 – W 4 K 13.932 -; jeweils zitiert nach juris.
30Ausgehend von diesen Grundsätzen wird nach dem Eindruck der Berichterstatterin im Ortstermin, den sie der Kammer vermittelt hat, sowie dem vorliegenden Karten- und Bildmaterial die nähere Umgebung hier auf das Dreieck T. Nr. 164-172 und C. Nr. 6-24 beschränkt, wobei die Bebauung auf dem Grundstück C. 33 ebenfalls in die nähere Umgebung einzubeziehen ist.
31Entgegen der Ansicht des Klägers ist in die nähere Umgebung nicht die Bebauung auf der H. Straße einzubeziehen. Denn die H. Straße entfaltet gegenüber der dort vorhandenen Bebauung und Nutzung trennende Wirkung im oben dargestellten Sinne. Die H. Straße ist in diesem Bereich vierspurig, zudem verlaufen in der Mitte Straßenbahnschienen. Hinzu kommt der Verlauf der in diesem Bereich dreispurigen Straße T. . Zwar besteht eine Sichtbeziehung zwischen dem Vorhabengrundstück und der Bebauung auf der gegenüberliegenden Seite der H. Straße. Allein das Vorliegen einer Sichtbeziehung genügt jedoch nicht für die Annahme, die Nutzung präge die Umgebung des Vorhabengrundstücks. Darüber hinaus führt auch die auffällig unterschiedliche Bebauungs- und Nutzungsstruktur zu dem Schluss, dass die H. Straße trennende Wirkung entfaltet. Handelt es sich bei der Bebauung auf der T. überwiegend um Einfamilienhäuser, zeichnet sich die Bebauung auf der H. Straße durch gewerbliche Nutzung im Erdgeschoss und Wohnnutzung in den Obergeschossen aus.
32Entgegen der Ansicht der Beklagten und des Beigeladenen ist die Bebauung auf dem Grundstück C. 33 jedoch für die Umgebung des Vorhabengrundstücks prägend, so dass auch dieser Bereich bei der Beurteilung der näheren Umgebung berücksichtigt werden muss. Denn der gesamte Zu- und Abfahrtsverkehr zu der Grundschule sowie der Förderschule auf dem Grundstück C. 33, die insgesamt ausweislich der Mitteilung auf der jeweiligen homepage der Schulen 410 Schüler umfassen, führt über die Straße C. . Aufgrund der Einbahnstraßenregelung erfolgt der gesamte Zufahrtsverkehr über die von der H. Straße in südöstliche Richtung abzweigende Straße C. . Der Abfahrtsverkehr erfolgt sowohl über die Straße C. zurück zur H. Straße oder über die Straße C. in südwestliche Richtung auf die Straße T. stoßend. Da schließlich auch der Schulbus in beide Richtungen der T. auf Höhe des Vorhabengrundstücks fährt, sind die Auswirkungen der Schulen für die Umgebung prägend.
33Der Beklagten ist auch nicht darin zu folgen, dass es sich bei der Schule um einen so genannten Fremdkörper, der bei der Beurteilung des Gebietstyps nicht zu berücksichtigen ist, handelt. Fremdkörper bzw. Ausreißer in diesem Sinn sind solche Anlagen, die nach ihrer Qualität völlig aus dem Rahmen der sonst in der näheren Umgebung anzutreffenden Bebauung herausfallen, was namentlich dann anzunehmen ist, wenn eine singuläre Anlage in einem auffälligen – auch äußerlich erkennbaren – Kontrast zur übrigen Bebauung steht. Dabei ist für die Annahme eines Fremdkörpers als aus der beurteilungserheblichen Umgebungsbebauung auszuscheidenden Bestandteils des faktisch Vorhandenen Zurückhaltung geboten.
34Vgl. OVG des Saarlandes, Urteil vom 27. Mai 2014 – 2 A 2/14; Bayerischer VGH, Urteil vom 16. März 2004 – 2 B 01.1195 -; mit weiteren Nachweisen; zitiert nach juris.
35Eine solche Singularität kann hier nicht bereits deshalb angenommen werden, weil es sich um die einzige nicht der Wohnnutzung dienende Bebauung in der maßgeblichen Umgebung handeln würde. Bereits der Baukörper als solcher und damit das Erscheinungsbild der Schulen fällt trotz der Größe des Objektes nicht aus dem Rahmen der sonstigen anzutreffenden Bebauung.
36Vgl. zu diesem Kriterium VG Gelsenkirchen, Urteil vom 7. Juni 2010 – 6 K 3008/08 -, zitiert nach juris.
37Hinzu kommt, dass bereits aufgrund des Umstands, dass der gesamte Zu- und Abfahrtsverkehr durch die Straße C. verläuft und damit erhebliche bodenrechtliche Spannungen ausgelöst werden, die Schulen nicht als Fremdkörper aus der Umgebung hinweg gedacht werden könnten, ohne dass dies den Umgebungscharakter ändern würde. Es handelt sich bei der Schule gerade nicht um eine nur zufällig in dem Gebiet entstandene Nutzung, die das Wohngebiet in nur unwesentlicher Weise beeinflusst. Gegen die Annahme eines singulären Fremdkörpers spricht schließlich auch, dass nicht nur eine Grundschule, sondern auch eine Förderschule und damit zwei Schulen auf dem Grundstück ansässig sind.
38Die so verstandene und hier maßgebliche „nähere Umgebung“ entspricht entgegen der von der Beklagten - erst im Klageverfahren – geäußerten Ansicht nicht der eines reinen Wohngebiets nach § 3 BauNVO, sondern der eines allgemeinen Wohngebietes nach § 4 BauNVO.
39Nach § 3 Abs. 1 BauNVO dienen reine Wohngebiete dem Wohnen. Nach Absatz 3 der Vorschrift können unter anderem ausnahmsweise dem Bedürfnis der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kulturelle Zwecke zugelassen werden. Allgemeine Wohngebiete dienen dagegen nach § 4 Abs. 1 BauNVO vorwiegend dem Wohnen. Nach Absatz 2 Nr. 2 der Vorschrift sind Anlagen für - unter anderem - kulturelle Zwecke zulässig.
40Es bedarf insofern keiner näheren Prüfung der Werbeanlagen an den Fahrgastunterständen und der Nutzung des Grundstücks C. 14. Denn die auf dem Grundstück C. 33 ansässige L2. schule , bei der es sich um eine Gemeinschaftsgrundschule handelt, sowie der Standort der D. -N1. -Förderschule, sind aufgrund ihrer Größe und vor allem der damit verbundenen An- und Abfahrtbewegungen in einem reinen Wohngebiet nicht mehr zulässig.
41Schulen sind im bauplanungsrechtlichen Sinne grundsätzlich unabhängig von dem Träger der Einrichtung als Anlagen für kulturelle Zwecke im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO zu verstehen.
42Vgl. König / Roeser / Stock, BauNVO, 3. Auflage 2014, § 4 Rn. 49.
43Nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO sind in reinen Wohngebieten Anlagen für kulturelle Zwecke ausnahmsweise nur insofern zulässig, als sie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen. Dagegen ist die Einschränkung der Bedarfsdeckung in allgemeinen Wohngebieten nach § 4 BauNVO nicht vorgesehen. Die auf dem Grundstück C. 33 ansässigen Schulen erfüllen bereits aufgrund ihrer Größe von insgesamt etwa 410 Schülern, wovon 300 Schüler die Grundschule und 110 Schüler die Förderschule besuchen, eine Funktion, welche nicht nur den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dient. Vor allem eine Förderschule ist grundsätzlich nicht nur auf den Bedarf der Bewohner in der näheren Umgebung, sondern auf den Bedarf über den Stadtteil hinaus ausgerichtet. Werden jedoch andere Stadtteile von der kulturellen Einrichtung mitversorgt, ist eine solche Einrichtung mit dem Charakter eines reinen Wohngebiets nicht mehr zu vereinbaren.
44Vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 10. November 2009 – 1 LC 236/05; VG München, Beschluss vom 22. April 2013 – M 8 SN 12.5578; zitiert nach juris.
45Unter diesem Gesichtspunkt ist auch unabhängig von dem Vorhandensein der Förderschule selbst die hier ansässige Gemeinschaftsgrundschule für sich betrachtet in einem reinen Wohngebiet nicht mehr zulässig. Dass die auf dem Grundstück C. 33 ansässige Grundschule den Versorgungscharakter des § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO nicht mehr wahrt, ergibt sich vor allem aus dem Verzeichnis der Schulbezirke der Grundschulen der Stadt F1. , das als Anlage zur Verordnung über die Bildung der Schulbezirke der Grundschulen der Stadt F1. vom 29. September 2006 aufgenommen wurde. Nach deren § 1 werden für alle Grundschulen der Stadt F1. räumlich abgegrenzte Gebiete als Schulbezirke gebildet. Die in diesem Verzeichnis der L2. schule zugewiesenen Straßen liegen in Bereichen, die allein räumlich betrachtet weit über die hier maßgebliche Umgebung hinausgehen.
46Verordnung sowie Verzeichnis der Schulbezirke abrufbar unter: www.essen.de/rathaus/aemter/ordner_15/satzungen/Satzungen_Schulen.de.html
47Nach alledem entspricht die nähere Umgebung des Vorhabengrundstücks einem allgemeinen Wohngebiet, so dass die Zulässigkeit des klägerischen Vorhabens allein am Maßstab des § 4 BauNVO zu beurteilen ist.
48Die von dem Kläger beabsichtigte Errichtung einer Kfz-Ausstellungsfläche auf dem Grundstück in der T. ist ausnahmsweise als nicht störender Gewerbebetrieb nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO bauplanungsrechtlich zulässig.
49Ausnahmen nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO sind nicht zulässig, wenn ein sonstiger Gewerbebetrieb den Gebietscharakter des allgemeinen Wohngebiets gefährdet und damit gebietsunverträglich ist. Das ist dann der Fall, wenn das Vorhaben ‑ bezogen auf den Gebietscharakter des allgemeinen Wohngebiets ‑ aufgrund seiner typischen Nutzungsweise störend wirkt. Das Erfordernis der Gebietsverträglichkeit bestimmt nicht nur die regelhafte Zulässigkeit, sondern erst recht den vom Verordnungsgeber vorgesehenen Ausnahmebereich. Zwischen der jeweiligen spezifischen Zweckbestimmung des Baugebietstypus und dem jeweils zugeordneten Ausnahmekatalog besteht ein gewollter funktionaler Zusammenhang. Das bedeutet: Die normierte allgemeine Zweckbestimmung ist auch für Auslegung und Anwendung der tatbestandlich normierten Ausnahmen bestimmend. Das allgemeine Wohngebiet dient vorwiegend dem Wohnen. Es soll nach Möglichkeit ein ungestörtes Wohnen gewährleistet sein. Das prägt seinen Gebietscharakter. Anders als im reinen Wohngebiet sind aber unter den in § 4 Abs. 2 BauNVO genannten Voraussetzungen auch andere Nutzungsarten regelmäßig zulässig. Die Gebietsunverträglichkeit beurteilt sich für § 4 BauNVO in erster Linie nach dem Kriterium der gebietsunüblichen Störung.
50Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2002 ‑ 4 C 1.02 ‑, zitiert nach juris.
51Es sollen Immissionsbelastungen vermieden werden, die nicht in ein allgemeines Wohngebiet passen. Bei der Beurteilung des Störgrades ist auf die typische Betriebsform und die sich daraus erfahrungsgemäß ergebenden Auswirkungen abzustellen.
52Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18. Januar 1995 ‑ 3 S 3153/94 ‑, zitiert nach juris.
53In Anwendung dieser Grundsätze, sind von dem hier streitgegenständlichen Vorhaben nicht solche Immissionen zu erwarten, die in einem allgemeinen Wohngebiet nicht mehr hinzunehmen sind. Es handelt sich bei dem Vorhaben um eine reine Ausstellungsfläche für Kfz. Der Verkauf der Fahrzeuge und die jeweilige Abwicklung sollen ausweislich des Bauantrags und der weiteren Klarstellung des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht auf dem Vorhabengrundstück selbst, sondern auf dem Grundstück der Kfz-Werkstatt des Klägers stattfinden. Die Beklagte dringt auch nicht mit dem Argument durch, die Behauptung, auf dem Vorhabengrundstück fänden keine geschäftlichen Abwicklungen statt, sei lebensfremd. Denn für den Fall, dass über den Regelungsgehalt eines Vorbescheids bzw. einer sich daran anschließenden Baugenehmigung hinaus gleichwohl der Verkauf auf dem Vorhabengrundstück stattfindet, obliegt es der Beklagten, hiergegen ordnungsbehördlich einzuschreiten.
54Für die Annahme, dass das Vorhaben sich ausnahmsweise als nicht störender Gewerbebetrieb in ein allgemeines Wohngebiet einfügt, spricht auch, dass die Fahrzeuge nicht mittels Sattelschlepper oder Anhänger auf das Grundstück an- und abgeliefert werden sollen, sondern mit einem roten Kennzeichen von dem Grundstück des Klägers in der F.------straße aus überführt werden. Es kommt damit nur zu einzelnen Fahrzeugbewegungen und nicht zum gleichzeitigen und damit besonders immissionsträchtigen regelmäßigen Austausch aller Fahrzeuge.
55Zudem ist die Größe der Ausstellungsfläche, nach der Konkretisierung der Voranfrage durch den Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung, so bemessen, dass maximal 20 Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 3,5 Tonnen gleichzeitig ausgestellt werden können. Die reine Abstellfläche ist damit hinsichtlich ihrer Störwirkungen mit der Stellplatzanlage eines Mehrfamilien-Wohnhauses vergleichbar.
56Vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 29. Juli 2013 – 1 LA 49/13 -; zitiert nach juris.
57Auch die Öffnungszeiten lassen keine gebietsunverträglichen Immissionen erwarten. So können Interessenten das Grundstück wochentags von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr und samstags von 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr betreten. Diese Zeiten entsprechen in etwa auch den Zeiten, in denen die durch An- und Abfahrtverkehr der Schulen im C. 33 hervorgerufenen Immissionen in das Wohngebiet drängen. Von einer wesentlichen Steigerung der Lärmimmissionen durch den zu erwartenden Kundenverkehr ist daher nicht auszugehen.
58Schließlich spricht für die Annahme eines nicht störenden Gewerbebetriebes im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO auch der Umstand, dass der Bereich, in dem die Kfz-Ausstellungsfläche errichtet werden soll, ohnehin stark durch Kraftfahrzeugverkehr vorbelastet ist. Entlang des Grundstücks führt in beide Richtungen die Buslinie von und nach L. . Die Straße unmittelbar vor dem Grundstück ist dreispurig, durch eine schmale Verkehrsinsel davon getrennt ist die an dieser Stelle vierspurige H. Straße. Die Belastungen durch den An- und Abfahrtverkehr zum klägerischen Vorhaben werden demnach kaum von der Lärmkulisse von der H. Straße sowie der T. zu unterscheiden sein, so dass sie für das allgemeine Wohngebiet nicht als störend oder unzumutbar erfasst werden.
59Vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 29. Juli 2013 – 1 LA 49/13 -; zitiert nach juris.
60Entgegen der Ansicht des Beigeladenen ist auch keine Verschärfung der verkehrlich bereits angespannten Situation in der T. zu erwarten. Das Verkehrsaufkommen in der T. spricht bereits dafür, dass es sich in dieser Umgebung ohnehin um keinen beruhigten und lärmimmissionsfreien Raum handelt. Der Befürchtung, Interessenten könnten ihre Fahrzeuge in unzulässiger Weise auf den Bürgersteigen parken und damit den Verkehr behindern, kann durch ordnungsbehördlichen Maßnahmen begegnet werden, führt aber nicht zur planungsrechtlichen Unzulässigkeit des Vorhabens.
61Die Errichtung der Kfz-Ausstellungsfläche auf dem Grundstück des Klägers verstößt schließlich auch nicht gegen das in § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO enthaltene nachbarschützende Rücksichtnahmegebot. Das Gebot der Rücksichtnahme soll angesichts der gegenseitigen Verflechtung der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn zumutbar ist. Die Beachtung des Rücksichtnahmegebots soll gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, aneinander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Die sich daraus ergebenden Anforderungen sind im Einzelfall festzustellen, wobei die konkreten Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind. Dabei kann desto mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellen dessen sind, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, desto weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit dem Bauvorhaben verfolgten Interessen sind.
62Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Januar 1983 – 4 C 59.79 ‑, vom 28. Oktober 1993 – 4 C 5.93 ‑ und vom 23. September 1999 ‑ 4 C 6.98 ‑, jeweils zitiert nach juris.
63In Anwendung dieser Grundsätze ergibt die rechtliche Würdigung in einer Gesamtschau der maßgeblichen Umstände nicht, dass der Beigeladene durch die Kfz-Ausstellungsfläche auf dem Grundstück des Klägers im dargestellten Sinne rücksichtslos beeinträchtigt wird. Wie bereits dargelegt, ist das Vorhaben des Klägers hinsichtlich seiner Störwirkungen mit der Stellplatzanlage eines Mehrfamilien-Wohnhauses vergleichbar. Aufgrund der geringen Größe der Ausstellungsfläche sowie die Begrenzung aus maximal 20 ausgestellte Fahrzeuge sind häufige Fahrzeugbewegungen nicht zu erwarten, zumal nur maximal drei Fahrzeuge pro Woche angeliefert werden. Eine andere Bewertung folgt auch nicht daraus, dass das Grundstück des Beigeladenen im besonders geschützten rückwärtigen Gartenbereich an das Vorhabengrundstück grenzt. Denn aufgrund der zu errichtenden Mauer wird ersichtlich, dass der hintere Grundstücksteil ungenutzt bleiben soll und damit selbst die ohnehin nicht intensiv störenden Lärmimmissionen von dem Grundstück des Beigeladenen abgehalten werden. Zudem soll entlang der gesamten Grundstücksgrenze ein Pflanzstreifen errichtet werden, der zusätzlich Störungen von den Nachbargrundstücken abhält.
64Die von Seiten des Beigeladenen aufgeworfenen bauordnungsrechtlichen Fragen, insbesondere zu der Anzahl der notwendigen Stellplätze, deren Zufahrtsmöglichkeit und Anordnung nach § 51 Abs. 7 BauO NRW, sind nicht Gegenstand des hier beantragten bauplanungsrechtlichen Vorbescheides, sondern werden im Rahmen eines etwaigen Verfahrens auf Erteilung einer Baugenehmigung zur Prüfung stehen. Hieraus folgende Beeinträchtigungen zu Lasten des Beigeladenen, die auch im Verfahren auf Erteilung eines planungsrechtlichen Vorbescheides im Rahmen des Rücksichtnahmegebots zu berücksichtigen sind, sind jedenfalls schon unter dem Gesichtspunkt nicht erkennbar, dass die Zufahrt zum Grundstück des Beigeladenen über die Straße C. erfolgt und er damit durch die Stellplatzsituation auf der T. in keinster Weise beeinträchtigt wird.
65Die Erteilung einer Ausnahme nach § 4 Abs. 3 BauNVO steht grundsätzlich im Ermessen der Beklagten. Allerdings ist hier von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen, da das Vorhaben ein nicht störender Gewerbebetrieb im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ist und ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht festzustellen ist. Die Beklagte kann daher im Rahmen ihres Ermessens auf keine sachgerechten Kriterien abstellen, die zur Unzulässigkeit des Vorhabens führen. Die von dem Beigeladenen aufgeworfene Frage der Vereinbarkeit des Vorhabens mit Bauordnungsrecht führt zu keiner anderen Ermessensentscheidung. Denn die Berücksichtigung entgegenstehenden Bauordnungsrechts im Rahmen des behördlichen Ermessens, kann im Verfahren zur Erteilung eines Vorbescheides nur dann zu dessen Ablehnung führen, wenn sich die landesrechtlichen Hindernisse „schlechthin nicht ausräumen lassen“.
66Vgl. Gädtke / Temme / Heintz / Czepuck, BauO NRW, 11. Auflage 2008, § 71 Rn. 8a mit Verweis auf BVerwG, Urteile vom 23. Mai 1975 – IV C 28.72 – und vom 24. Oktober 1980 – 4 C 3.78 -.
67Dafür, dass die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an die Stellplatzpflicht im Baugenehmigungsverfahren offensichtlich nicht erfüllt werden könnte, ist nichts ersichtlich und liegen auch sonst keine Anhaltspunkte vor. Da die Sache spruchreif im Sinne des § 113 Abs. 5 VwGO ist, darf das Gericht die Beklagte verpflichten, den beantragten Vorbescheid zu erteilen.
68Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da er keinen Antrag gestellt hat und sich damit keinem Prozessrisiko ausgesetzt hat, §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3. VwGO.
69Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller zu 1. und 2. auf der einen und die Antragsteller zu 3. und 4. auf der anderen Seite je zur Hälfte einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die erstattungsfähig sind.
2. Der Streitwert beträgt 10.000 €.
1
Gründe:
2Der Antrag der Antragsteller,
3die aufschiebende Wirkung ihrer Klage 5 K 5066/13 gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 20. September 2013 zur Errichtung eines 8-Familienhauses mit Tiefgarage auf dem Grundstück M.--------weg 19 in C. -T. (Gemarkung T. , Flur 33, Flurstücke 332, 675) anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Hat eine Klage gegen einen Verwaltungsakt wie hier nach § 212 a des Baugesetzbuchs ‑ BauGB ‑ in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑ keine aufschiebende Wirkung, so kann das Gericht der Hauptsache deren aufschiebende Wirkung gem. § 80 a Abs. 3 und Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen.
6In dem wegen der Eilbedürftigkeit nur summarischen Verfahren hat es dabei nicht unmittelbar die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes zu prüfen, sondern zu untersuchen, ob das Interesse an dessen sofortiger Vollziehung das Interesse des Dritten an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiegt. Gegenstand dieser Abwägung ist das Interesse des Nachbarn an der Aussetzung der Vollziehung auf der einen Seite und das Interesse des begünstigten Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der ihm erteilten Baugenehmigung andererseits. Da sich beide Interessen im Grundsatz gleichwertig gegenüberstehen, orientiert sich die vor-zunehmende Abwägung vornehmlich an den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache.
7Hinsichtlich des gerichtlichen Prüfprogramms ist zunächst darauf hinzuweisen, dass im baurechtlichen Nachbarstreit – und auch im Verfahren des zugehörigen vorläufigen Rechtsschutzes – keine Prüfung der objektiven Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung vorzunehmen, sondern allein zu fragen ist, ob der angefochtene Verwaltungsakt den Rechtsbehelfsführer in seinen ihn schützenden subjektiven Rechten verletzt.
8Vorliegend geht die Interessenabwägung insgesamt zu Lasten der Antragsteller aus. Ihre Klage gegen die Baugenehmigung wird voraussichtlich keinen Erfolg haben. Es liegt kein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Baurechts vor.
9Dabei ist zunächst festzustellen, dass die Baugenehmigung vom 9. April 2013, mit der der Beigeladenen die Errichtung des 8-Familienhauses erlaubt worden war, bestandskräftig ist. Diese Baugenehmigung ist den Antragstellern mit Nachbarbenachrichtigung vom 4. September 2013, zugestellt am 6. bzw. 7. September 2013, bekanntgegeben worden. Hiergegen haben die Antragsteller Klage nicht erhoben. Die Klagefrist ist insoweit abgelaufen. Die Klage vom 13. Oktober 2013, bei Gericht eingegangen am 23. Oktober 2013, richtet sich allein gegen die Baugenehmigung vom 20. September 2013. Die hierin enthaltenen Änderungen gegenüber der ursprünglichen Baugenehmigung vom 9. April 2013 sind so geringfügig, dass sie keine über die bestandskräftige Baugenehmigung hinausgehenden Beeinträchtigungen für die Antragsteller enthält. Die Änderungen betreffen ganz überwiegend Maßnahmen im Inneren des Gebäudes wie die nachträgliche Anordnung von tragenden Wandscheiben und Stützen. Der Kubus des Gebäudes ist in keiner Weise verändert worden, die Fassade lediglich insoweit, als einzelne Fenster geringfügig verändert wurden; namentlich wurden einzelne Fenster im Untergeschoss auf der den Antragstellern zugewandten Nordseite verkleinert, wovon die Antragsteller kaum betroffen sind. Außerdem wurde das Betondach über dem Eingang durch ein Glasdach ausgetauscht, eine für die Antragsteller ebenso völlig unerhebliche Änderung.
10Soweit schließlich eine Abweichung von § 35 Abs. 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen ‑ BauO NRW ‑ genehmigt wurde, sind die Antragsteller dadurch nicht in ihren Rechten beeinträchtigt. Denn die Vorschriften über die Bedachung sind lediglich insoweit nachbarschützend, als sie das Übergreifen von Feuer auf Nachbargrundstücke verhindern sollen.
11Vgl. Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel BauONRW § 74 Rdnr. 71.
12Da zwischen dem Grundstück der Antragsteller und dem Vorhabengrundstück aber die Straße verläuft, handelt es sich nicht um Nachbargrundstücke.
13Aber auch für den Fall, dass man in der Baugenehmigung vom 20. September 2013 eine vollständig neue Baugenehmigung, also ein aliud gegenüber der Baugenehmigung vom 9. April 2013 sehen wollte, hätte der Antrag keinen Erfolg. Denn sie verstößt auch umfassend betrachtet nicht gegen nachbarschützende Rechte.
14Die Kammer hat sich bereits mit dem Vorbescheid für das Vorhabengrundstück befasst und hierzu in den Urteilen vom 16. Dezember 2011 (5 K 1784/10 u.a.) ausgeführt:
15„Der Vorbescheid erweist sich hinsichtlich nachbarschützender Vorschriften auch in materiell-rechtlicher Hinsicht als rechtmäßig. Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des im Streit stehenden Vorhabens nach § 34 Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB) richtet, da das Vorhabengrundstück – unstreitig – innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, jedoch nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegt. Das Bauvorhaben der Beigeladenen fügt sich dabei hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein, da das geplante Gebäude ausschließlich Wohnzwecken dienen soll. Die weiteren Kriterien des § 34 Abs. 1 BauGB und damit vor allem die Frage der Erschließung sowie das Maß der baulichen Nutzung und die überbaubare Grundstückfläche sind demgegenüber regelmäßig – so auch hier – nicht nachbarschützender Natur. So ist es für Nachbarverfahren regelmäßig ohne Bedeutung, ob sich das streitige Vorhaben nach seinem Bauvolumen, der Zahl seiner Geschosse, der Höhe oder der Bebauungstiefe in die nähere Umgebung einfügt.
16St. Rspr., grundlegend Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13. Juni 1969 - IV C 234.65 -, BVerwGE 32, 173; vgl. auch Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen, Urteil vom 26. Februar 2008 - 6 K 1102/06 -, zitiert nach juris (Rdnr. 51), sowie Beschlüsse vom 23. Dezember 2008 - 5 L 1404/08 -, juris (Rdnr. 12), vom 23. April 2010 - 5 L 337/10 -, juris (Rdnr. 11), und vom 2. August 2011 - 5 L 579/11 -, juris (Rdnr. 9).
17Eine Verletzung von Nachbarrechten der Kläger in bauplanungsrechtlicher Hinsicht könnte daher allein aus einer Verletzung des im Merkmal des Sich-Einfügens nach § 34 Abs. 1 BauGB enthaltenen Gebotes der Rücksichtnahme hergeleitet werden. Für einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme reicht es allerdings nicht aus, dass ein Vorhaben sich mitunter nicht in jeder Hinsicht innerhalb des Rahmens hält, der durch die Bebauung in der Umgebung gebildet wird.
18Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 - 4 C 9.77 -, zitiert nach juris.
19Das Gebot der Rücksichtnahme will vielmehr angesichts der gegenseitigen Verflechtung der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist, und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist.
20In diesem Sinne vermittelt es Nachbarschutz, wenn und soweit andernfalls durch die Ausführung oder Benutzung eines Vorhabens in konkrete, schutzwürdige Belange eines Dritten „rücksichtslos“ eingegriffen würde. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist im Einzelfall festzustellen, wobei dessen jeweilige Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind.
21Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 - 4 C 22.75 -, sowie Beschluss vom 11. Januar 1999 - 4 B 128.98 -, jeweils zitiert nach juris.
22Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine qualifizierte Störung im Sinne einer Unzumutbarkeit.
23Ein derartig qualifizierter Verstoß ist hier nicht feststellbar. Dies gilt auch und insbesondere mit Blick auf die dem Vorhaben zuzurechnenden verkehrsbedingten Lärm- und Geruchsbeeinträchtigungen (a) als auch hinsichtlich des mit dem Bauvorhaben verbundenen erhöhten Verkehrsaufkommens in der Stichstraße des M1.---------weges (b). Derartige Beeinträchtigungen erweisen sich für die Kläger jedenfalls nicht als unzumutbare Belastungen.
24a) Von den zu erwartenden Verkehrsimmissionen, die unmittelbar bei der Zu- und Abfahrt zur geplanten Tiefgarage entstehen, werden die Kläger bereits aufgrund der räumlichen Distanz zwischen ihrem Grundstück und dem Vorhabengrundstück nicht mehr spürbar beeinträchtigt sein. Ihr Grundstück liegt mehr als 50 m von der geplanten Tiefgargagenzufahrt entfernt; zwischen dem klägerischen Grundstück und dem Vorhabengrundstück liegen überdies noch die bebauten Grundstücke M2.---------weg Nrn. 21 und 23. Hinzu kommt, dass die mit der Nutzung der Tiefgaragenzufahrt verbundenen Immissionen selbst gegenüber den unmittelbar an das Vorhabengrundstück angrenzenden Nachbarn eine Unzumutbarkeit nicht erkennen lassen (vgl. Urteile der Kammer vom 16. Dezember 2011 in den Parallelverfahren 5 K 1801/10 und 5 K 1807/10).
25Die Kläger werden auch nicht durch die Geräusche und Abgase des durch das Bauvorhaben ausgelösten An- und Abfahrtsverkehrs, der an ihrem Haus über die Stichstraße des M3.--------wegs vorbeiführen wird, unzumutbar belastet. Zwar kann in einem solchen Sinne unter besonderen Umständen auch die Zunahme von Verkehrsgeräuschen aufgrund einer dem Vorhaben zuzurechnenden Verstärkung des Zu- und Abgangsverkehrs in der weiteren Nachbarschaft zu einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot führen.
26Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1988 - 4 C 6. u. 7.85 -, zitiert nach juris (Kundenverkehr zu einem großflächigen Einzelhandelsbetrieb); Urteil vom 27. August 1998 - 4 C 5/98 -, juris (Zu- und Abfahrtsverkehr zu einem „Kurhaus“ mit einer Gesamtbesucherkapazität von 1.231); Beschluss vom 20. Januar 1998 - 4 B 116.88 -, juris (zum Verladen von Ware und Leergut auf der Straße vor einem Getränkemarkt).
27In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist insoweit allerdings geklärt, dass der unter Inanspruchnahme einer öffentlichen Straße abgewickelte Zu- und Abgangsverkehr einer baulichen Anlage, durch deren Nutzung er ausgelöst wird, dieser nur zuzurechnen ist, sofern er vom übrigen Straßenverkehr unterscheidbar ist.
28Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. Juli 1992 - 7 B 103.92 -, und vom 6. Mai 1998 - 7 B 437.97 -, jeweils zitiert nach juris.
29Hier ist schon nicht zu erkennen, warum der durch das Vorhaben ausgelöste Verkehrslärm von dem „normalen“ Straßenverkehrslärm unterscheidbar und daher dem Vorhaben zurechenbar sein sollte. Vielmehr wird auch das Bauvorhaben – wie die übrigen in der Stichstraße gelegenen Grundstücke – ausnahmslos mit Pkw im Rahmen der Wohnnutzung angefahren werden, so dass hinsichtlich Art und Qualität des zusätzlichen Verkehrslärms keine Unterscheidung zu der bisherigen straßenverkehrlichen Nutzung der Stichstraße des M4.--------weges gegeben sein wird. Die Inanspruchnahme der – dem ö f f e n t l i c h e n Straßenverkehr gewidmeten – Stichstraße des M4.--------weges zum Zwecke der verkehrsmäßigen Erschließung steht dem Bauvorhaben gleichermaßen zu, wie allen anderen Anliegern in jener Stichstraße auch.
30Darüber hinaus ist nicht einmal im Ansatz festzustellen, dass bei dem hier in Rede stehenden Bauvorhaben mit insgesamt neun Wohneinheiten ein solche Verstärkung des Zu- und Abgangsverkehrs zu befürchten wäre, dass dadurch die Verkehrsimmissionen in der Stichstraße des M4.--------weges die Zumutbarkeitsschwelle überschreiten könnten. Dies gilt für das Grundstück der Kläger bereits insofern, als dieses aufgrund seiner Lage ohnehin entsprechend vorbelastet ist; denn das klägerische Grundstück liegt nicht ausschließlich im Bereich der Stichstraße, sondern an der Stichstraßeneinmündung und insoweit an dem – fraglos stärker befahrenen – M5.---------weg als solchem. Abgesehen davon können sich die Kläger auch nicht darauf berufen, dass das Vorhabengrundstück bislang nicht bzw. nur mit einem Einfamilienhaus bebaut war und es dementsprechend bislang kaum Zu- und Abgangsverkehr zu eben diesem Grundstück gab. Denn bei dem Vorhabengrundstück mit einer Gesamtfläche von immerhin fast 2.500 m2 musste jederzeit mit einem auch größeren Wohnbauvorhaben gerechnet werden. Dass das Grundstück bislang nicht bzw. nur mit einem Einfamilienhaus bebaut ist, mag für die Kläger insoweit bislang allenfalls ein faktischer Lagevorteil gewesen sein.
31Ob im Übrigen durch die zusätzlichen Verkehrsimmissionen in der Stichstraße des M4.--------weges die Immissionsrichtwerte für ein reines Wohngebiet eingehalten werden, ist für die Beurteilung der Frage der Rücksichtslosigkeit nicht entscheidend. Technisch-rechnerisch ermittelte Immissionswerte sind in diesem Kontext für die Beurteilung der Zumutbarkeit nicht ausschlaggebend.
32b) Auch im Übrigen wird aufgrund des erhöhten Verkehrsaufkommens in der Stichstraße die Grenze der Zumutbarkeit nicht überschritten. Dies gilt sowohl mit Blick auf die von den Klägern erwarteten „Parkplatzprobleme“ als auch hinsichtlich der befürchteten „Verkehrsgefährdungen“.
33Zwar kann sich ein Mangel an Stellplätzen eines Bauvorhabens gegenüber den Eigentümern der vom parkenden Verkehr und vom Parksuchverkehr betroffenen Wohngrundstücke im Einzelfall ausnahmsweise als rücksichtslos erweisen, falls die Verletzung der Pflicht zur Schaffung ausreichenden Parkraums für die Nutzer eines Bauvorhabens geeignet ist, die bestimmungsgemäße Nutzung der benachbarten Grundstücke zu beeinträchtigen. Davon kann vorliegend jedoch keine Rede sein.
34Die in den Bauvorlagen vorgesehene Herstellung von 12 Stellplätzen ist für das Vorhaben der Beigeladenen ausreichend bemessen (vgl. Nr. 51.11 VV BauO NRW sowie Ziffer 1.1 der Richtzahlen für den Stellplatzbedarf). Die Richtzahlen für den Stellplatzbedarf sind Verwaltungsvorschriften und deshalb für das Gericht nicht bindend. Sie sind jedoch als auf gesicherter Erfahrungsgrundlage beruhende Anhaltspunkte bzw. als sachverständig festgestellte Erfahrungswerte – nach wie vor – von Bedeutung.
35Vgl. u. a. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 9. März 2007 - 10 B 2675/06 -, und vom 19. Januar 2009 - 10 B 1687/08 -, jeweils zitiert nach juris.
36Orientiert man sich an den als sachverständig festgestellten Erfahrungswerten der Richtzahlen für den Stellplatzbedarf, so ergibt sich daraus die Notwendigkeit der Errichtung eines Stellplatzes je Wohnung. Das Gericht sieht keinen Anlass, dass für das vorliegende Vorhaben von diesen Erfahrungswerten abzuweichen wäre.
37Entgegen der Auffassung der Kläger ist auch nicht etwa zu befürchten, dass die künftigen Bewohner des Vorhabens statt der Tiefgarage den öffentlichen Verkehrsraum in Anspruch nehmen werden. Zwar mag eine Tiefgarage mittels Aufzugsanlage oder ein sog. „Parklift“ bei öffentlichen Einrichtungen im Einzelfall untauglich sein, um den Stellplatzbedarf zu befriedigen.
38Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.08.1990 - 11 A 2085/88 -, zum Stellplatzbedarf einer Spielhalle, sowie Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 29. September 1999 - 3 S 1163/99 -, zum Stellplatzbedarf für ein Islamisches Zentrum, jeweils zitiert nach juris.
39Dies gilt indes nicht für ein Wohnbauvorhaben mit 12 Tiefgaragenstellplätzen. Insoweit gilt es zu bedenken, dass die – ausnahmslos dem Mehrfamilienhaus zugeordneten – Tiefgaragenstellplätze nur im Rahmen der Wohnnutzung angefahren werden; dies lässt erfahrungsgemäß den Schluss zu, dass es lediglich zu wenigen Fahrzeugbewegungen im Verlaufe eines Tages kommen wird. Anders als bei öffentlichen Einrichtungen mit regem Besucherverkehr ist daher hier mit etwaigen Rückstaus o. ä. nicht zu rechnen, so dass auch nicht zu befürchten ist, dass die Tiefgarage nicht von den Bewohnern in Anspruch genommen werden könnte.
40Hinzu kommt, dass die bisherigen Anlieger in der Stichstraße des M4.--------weges nahezu allesamt über eigene Stellplätze oder Garagen verfügen. Außerdem kann nach Maßgabe der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) nicht nur die Stichstraße, sondern auch der Bereich des M3.--------wegs , der vor der Einmündung in die Stichstraße liegt, ohne weiteres zum Parken genutzt werden.
41Nach alledem führt das Vorhaben der Beigeladenen im Bereich der Stichstraße auch nicht zu einer Verschärfung der Verkehrssituation, mit der zwingend oder typischerweise eine erhöhte (Verkehrs-)Gefährdung einhergehen könnte. Bei der Straße handelt es sich um eine Sackgasse ohne Durchgangsverkehr; für Fußgänger ist an der südlichen Straßenseite ein befestigter Bürgersteig vorhanden. Die Stichstraße ist – ausweislich des Eindrucks, den der Einzelrichter im Rahmen des Ortstermins gewonnen hat – weder besonders eng noch besonders unübersichtlich. Dies gilt auch für den Einmündungsbereich in die Stichstraße wie für den Bereich des Wendehammers. Schließlich ist auch nicht festzustellen, dass die Ein- oder Ausfahrtsvorgänge über die Tiefgaragenzufahrt zu einer besonderen Gefährdung des öffentlichen Verkehrs führen könnten, da sich – soweit anhand des angefochtenen Vorbescheides abgeschätzt werden kann – die Zufahrt ohne Rangiervorgänge oder besondere Fahrmanöver befahren lassen dürfte.“
42Diese Ausführungen gelten hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren angefochtenen Baugenehmigung in gleicher Weise. Die Änderungen, die das der Baugenehmigung zugrunde liegende Vorhaben gegenüber dem mit Vorbescheid genehmigten Vorhaben erfahren hat, sind im Hinblick auf die Verletzung von Nachbarrechten der Kläger unerheblich. Das gilt zum einen in Bezug auf die Änderung des Gebäudekubus‘, die lediglich das Maß der baulichen Nutzung betrifft, das keinen Nachbarschutz begründet. Das betrifft aber insbesondere die Änderungen hinsichtlich der Anlage der Zufahrt zur Tiefgarage, die nunmehr nicht mehr wie ursprünglich geplant über eine Rampe parallel zur Straße erfolgt, sondern über einen Aufzug, der direkt von der Straße angefahren wird. Dadurch wird die Belästigung der Anwohner in erheblichem Umfang reduziert. Auch soweit die Zahl der Stellplätze in der Tiefgarage von 12 auf 15 erhöht wurde, obwohl statt neun nunmehr nur noch acht Wohnungen gebaut werden, kommt dies den Bedenken der Antragsteller hinsichtlich der zu knapp bemessenen Stellplätze entgegen.
43Der Antrag ist deshalb abzulehnen. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO. Es entspricht der Billigkeit nach § 162 Abs. 3 VwGO, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da diese einen Antrag gestellt und sich damit dem Kostenrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
44Die Streitwertfestsetzung berücksichtigt das Interesse der Eigentümer von zwei Grundstücken an der Verhinderung des Vorhabens. Pro Grundstück hat die Kammer 10.000 € zugrunde gelegt, wobei der Wert im Hinblick auf die Vorläufigkeit des Verfahrens halbiert wurde.
Tenor
1 Die aufschiebende Wirkung der Klage 6 K 2117/13 gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 8. April 2013 in der Gestalt der Nachtragsbaugenehmigung vom 11. Juni 2013 zur Errichtung eines rückwärtigen Anbaus an das bestehende Wohnhaus F.---straße 61 in H. wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.
2 Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.
1
G r ü n d e:
2Der Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung seiner Klage 6 K 2117/13 gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 8. April 2013 in der Gestalt der Nachtragsbaugenehmigung vom 11. Juni 2013 zur Errichtung eines rückwärtigen Anbaus an das bestehende Wohnhaus F.---straße 61 in H. anzuordnen,
4ist zulässig und begründet.
5Hat eine Klage gegen den einen Dritten begünstigenden Verwaltungsakt – wie hier nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Verbindung mit § 212 a Baugesetzbuch (BauGB) – keine aufschiebende Wirkung, so kann das Gericht der Hauptsache ihre aufschiebende Wirkung gem. § 80 a Abs. 3 und Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen. In dem wegen der Eilbedürftigkeit nur summarischen Verfahren hat es dabei nicht unmittelbar die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts zu prüfen, sondern zu untersuchen, ob das Interesse an dessen sofortiger Vollziehung das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiegt. Gegenstand dieser Abwägung sind das Interesse des Nachbarn an der Aussetzung der Vollziehung auf der einen Seite und das Interesse des begünstigten Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der ihm erteilten Baugenehmigung andererseits. Da sich beide Interessen im Grundsatz gleichwertig gegenüberstehen, orientiert sich die vorzunehmende Abwägung vornehmlich an den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache.
6Vorliegend geht die Interessenabwägung insgesamt zu Gunsten des Antragstellers aus. Seine Klage gegen die Baugenehmigung wird voraussichtlich Erfolg haben. Es liegt ein aller Voraussicht nach zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Baugenehmigung führender Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts vor. Das genehmigte Vorhaben der Beigeladenen verstößt gegen das in § 34 Abs. 1 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme.
7Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des im Streit stehenden Vorhabens richtet sich nach § 34 BauGB, da das Grundstück der Beigeladenen - unstreitig - innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, jedoch nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegt.
8Das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme soll angesichts der gegenseitigen Verflechtungen der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist, und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist. Die Beachtung des Rücksichtnahmegebots soll gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Die sich daraus ergebenden Anforderungen sind im Einzelfall festzustellen, wobei die konkreten Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind. Dabei kann desto mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung dessen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, desto weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit dem Bauvorhaben verfolgten Interessen sind.
9Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 21. Januar 1983 - 4 C 59.79 -, BauR 1983, 449, vom 28. Oktober 1993 - 4 C 5.93 -, DVBl. 1994, 697, und vom 23. September 1999 - 4 C 6.98 -, DVBl. 2000, 192; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 3. September 1999 - 10 B 1283/99 -, NVwZ 1999, 1360.
10Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine qualifizierte Störung im Sinne einer Unzumutbarkeit. Ein qualifizierter Verstoß ist hier mit dem Verlust des Doppelhauscharakters festzustellen.
11Die - ausweislich des vorliegenden Karten- und Bildmaterials - überwiegend durch Einzel- und Doppelhäuser in offener Bauweise geprägte Umgebung des Baugrundstücks und damit auch und gerade die auf den Grundstücken des Antragstellers und der Beigeladenen bereits vorhandene offene Bauweise in Form eines Doppelhauses hat nach gefestigter verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung drittschützenden Charakter.
12Grundlegend BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 -, juris.
13Für die nachbarschützende Wirkung ist dabei ohne Belang, ob sich die planungsrechtliche Grundlage für die Doppelhausbebauung aus den Festsetzungen eines Bebauungsplanes oder - wie hier - aus der Planersatzvorschrift des § 34 BauGB ergibt. Sofern durch ein Vorhaben im nicht beplanten Innenbereich das durch eine Doppelhausbebauung begründete nachbarschaftliche Austauschverhältnis einseitig aufgehoben oder aus dem Gleichgewicht gebracht wird, liegt darin ein Verstoß gegen das in § 34 Abs. 1 BauGB im Begriff des "Einfügens" verankerte Gebot der Rücksichtnahme in Bezug auf die Bauweise.
14OVG NRW, Urteil vom 19. April 2012 - 10 A 1035/10 -, juris.
15Die sich damit auch im unbeplanten Bereich hinsichtlich der Bauweise stellenden Anforderungen gelten nicht nur für den Neubau von Doppelhaushälften, sondern ebenso für Erweiterungs- oder Umbauvorhaben von bereits errichteten Doppelhaushälften.
16Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Juli 2007 - 10 B 1090/07 -, juris.
17Dementsprechend muss sich der Bauherr bei Erweiterungs- oder Umbauvorhaben an einer bereits errichteten Doppelhaushälfte an der bestehenden Grenzstellung der anderen Gebäudehälfte orientieren; die insoweit einmal vorhandenen baulichen Gegebenheiten können daher - auch und gerade für Um- und Ausbaumaßnahmen - als maßstabsbildende "Vorbelastung" wirken.
18Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 -, juris.
19Das hier genehmigte Vorhaben ist daher nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 BauGB hinsichtlich der Bauweise nur zulässig, wenn das geänderte Gebäude der Beigeladenen insgesamt zusammen mit dem benachbarten Wohnhaus des Antragstellers (weiterhin) ein Doppelhaus in offener Bauweise im bauplanungsrechtlichen Sinne bildet; denn aufgrund der bereits existenten grenzständigen Giebelwand des bisherigen Hauses, die erhalten bleiben soll, kann das Gebäude der Beigeladenen in der hier prägenden maßgeblichen offenen Bauweise (weiterhin) nur als Doppelhaushälfte zulässig sein. Verliert eine Gebäudehälfte infolge eines Um- oder Ausbaus seinen Doppelhauscharakter, ist der Um- oder Ausbau bauplanungsrechtlich insoweit nicht zulässig.
20Die Annahme eines Doppelhauses in offener Bauweise im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO setzt voraus, dass die Gebäudehälften an einer Seite grenzständig zusammengebaut sind und im Übrigen den seitlichen Grenzabstand einhalten.
21Bielenberg, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Loseblatt-Kommentar (Stand: Januar 2013), Bd. 5, § 22 BauNVO RdNr. 26.
22In Konkretisierung dieser Vorgaben des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO verlangt das Bundesverwaltungsgericht zum einen, dass die Gebäudehälften, um ein Doppelhaus zu bilden, nicht irgendwie zusammengebaut sein dürfen, sondern durch das Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit ("Gesamtkörper") zusammengefügt werden müssen. Kein Doppelhaus bilden daher zwei Gebäude, die sich zwar an der gemeinsamen Grundstücksgrenze noch berühren, aber als zwei selbständige - praktisch allseitig freistehende - Baukörper erscheinen ("quantitatives Element").
23BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 -, juris.
24Damit allein ist der bauplanungsrechtliche Begriff des Doppelhauses aber noch nicht erfüllt. Die bauplanungsrechtliche Festsetzung als Doppelhaus verlangt nämlich ferner, dass die beiden „Haushälften“ in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinander gebaut werden. Insoweit enthält das Erfordernis einer baulichen Einheit nicht nur ein quantitatives, sondern auch ein “qualitatives Element“.
25BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 -, juris.
26Aufeinander abgestimmt sind die Hälften eines Doppelhauses, wenn sie sich in ihrer Grenzbebauung noch als "gleichgewichtig" und "im richtigen Verhältnis zueinander" und daher als harmonisches Ganzes darstellen, ohne disproportional, als zufällig an der Grundstücksgrenze zusammengefügte Einzelhäuser ohne hinreichende räumliche Verbindung zu erscheinen. Denn kennzeichnend für die offene Bauweise ist der seitliche Grenzabstand der Gebäude; die Hälften des Doppelhauses müssen folglich gemeinsam als ein Gebäude in Erscheinung treten. Dementsprechend muss ein Haus, soll es Teil eines Doppelhauses sein, ein Mindestmaß an Übereinstimmung mit dem zugehörigen Nachbarhaus aufweisen, indem es zumindest einen Teil der ihm Proportionen und Gestalt gebenden baulichen Elemente aufgreift. Anderenfalls wäre der die Hausform kennzeichnende Begriff der baulichen Einheit sinnentleert. Allgemeingültige Kriterien lassen sich jedoch insoweit mit Blick auf die von § 22 Abs. 2 BauNVO verfolgten städtebaulichen Ziele der Steuerung der Bebauungsdichte sowie der Gestaltung des Orts- oder Stadtbildes-, die keine einheitliche Gestaltung erfordern, nicht aufstellen. Regelmäßig geben Höhe, Breite und Tiefe, sowie die Zahl der Geschosse und die Dachform einem Haus seine maßgebliche Gestalt. Diese Kriterien können daher im Einzelfall Anhaltspunkte für die Beurteilung des wechselseitigen Abgestimmtseins geben. Auch Übereinstimmungen oder Abweichungen in der Kubatur der Häuser infolge hervortretender Bauteile, wie Dachterrassen, Gauben oder Anbauten können mitentscheidend für die Beantwortung der Frage sein, ob noch von einer baulichen Einheit und damit von einem Doppelhaus oder einer Hausgruppe die Rede sein kann. Insoweit erfährt ein geplantes Haus durch die bereits vorhandene Grenzbebauung eine das Baugeschehen beeinflussende Vorprägung. Umgekehrt trägt der Erstbauende das Risiko, dass die spätere Nachbarbebauung den planerisch eröffneten Freiraum stärker ausschöpft als er selbst. Er kann nicht erwarten, dass die später errichtete Doppelhaushälfte die überbaubare Grundstücksfläche nur in demselben Umfang ausnutzt wie er es getan hat.
27OVG NRW Urteile vom 19. April 2012 – 10 A 1035/10-, juris, vom 28. Febraur 2012 -7 A 2444/09-, juris, und vom 16. August 2011 – 10 A 1224/09-, juris.
28Nach diesen Grundsätzen wird der Rahmen der wechselseitigen Grenzbebauung durch den genehmigten Um- und Anbau überschritten. Das Wohnhaus des Beigeladenen vermittelt nach der Umsetzung der Baugenehmigung den Eindruck eines einseitigen Grenzanbaus. Der streitgegenständliche Anbau tritt nach dem Umbau mit 5,25 m über mehr als die Hälfte der Tiefe beider Doppelhaushälften vor die bislang gemeinsame rückwärtige Außenwand und dies auf einer Breite von 9,38 m bei einer Gesamtbreite der Doppelhaushälfte der Beigeladenen von „nur“ 11,45 m. Hinzu kommt, obwohl es sich nur um einen eingeschossigen Anbau handelt, seine Gesamthöhe von 3,55 m oberhalb des Terrassenniveaus des Antragstellers. Damit erscheint der Anbau im Vergleich zum Nachbargebäude als massives einseitig in den Gartenbereich vorspringendes Bauteil. Dieser Eindruck wird noch erheblich dadurch verstärkt, das auch die Wohnfläche im Obergeschoss durch eine auf den Anbau aufgesetzte Dachterrasse, wenn auch mit einem Abstand von ca. 4,33 m zur gemeinsamen Grundstücksgrenze, erweitert wird. Das Geländer der Dachterrasse ist nochmal 75 cm höher als der Anbau und erstreckt sich fast über die Hälfte der Grundfläche desselben. Auch die ganz erhebliche Abgrabung auf einer Breite von 7,28 m und einer Tiefe von ca. 1,90 m im Bereich des Kellergeschosses, zur Belichtung und Belüftung sowie Schaffung eines zweiten Rettungsweges der im Kellergeschoss neu zu schaffenden Aufenthaltsräume, verstärkt den Eindruck der Massivität des Anbaus. Darüber hinaus verfügt das Gebäude der Beigeladenen gartenseitig über eine Gaube mit vier Fenstern, die eine Breite von mehr als der Hälfte der darunterliegenden Gebäudewand aufweist. Damit ordnet sich das Wohnhaus der Beigeladenen insgesamt in seinem Dimensionen nicht mehr dem Gesamtbaukörper unter, sondern dominiert die rückwärtige Gebäudefront mit der Folge, dass von einem wechselseitigen Abgestimmtsein des Wohnhauses des Beigeladenen mit dem Wohnhaus des Antragstellers nicht mehr ausgegangen werden kann. Angesichts der vorbeschriebenen grundlegenden Veränderung, die der vor die rückwärtige Außenwand tretende Anbau, der die Grundfläche des bisher Vorhandenen um etwas weniger als die Hälfte erweitert, für den Gesamtbaukörper mit sich bringt, genügt auch die Einheitlichkeit der straßenseitigen Gebäudefront nicht, um Gegenteiliges annehmen zu können. Während das Doppelhaus zuvor nahezu gleichgewichtige und harmonisch abgestimmte Haushälften aufwies, ist durch den genehmigten Anbau an die südliche Haushälfte ein disproportionales Ungleichgewicht entstanden.
29Ob die Verschlechterung der Belichtungs- und Besonnungssituation auf dem Grundstück des Antragstellers durch die Erweiterung des Nachbarwohnhauses bereits für sich genommen zu einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot führt, kann daher offen bleiben.
30Ob das streitgegenständliche Vorhaben darüber hinaus auch gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts verstößt, wie der Antragsteller meint, kann die Kammer ebenfalls offen lassen. Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass der Antragsteller nicht mit Erfolg geltend machen kann, die Baugenehmigung verstoße wegen einer möglichen Standsicherheitsgefahr für den gemeinsamen Giebel gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts. Nach § 15 Abs. 1 BauO NRW muss jede bauliche Anlage im Ganzen und in ihren Teilen sowie für sich allein standsicher sein. Die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes des Nachbargrundstücks dürfen nicht gefährdet werden. Drittschützende Wirkung ist nur Satz 2 der Vorschrift beizumessen, der anders als Satz 1 auch dem Interesse des Nachbarn an dem Erhalt von Sachwerten und der Vermeidung von Personenschäden dient.
31OVG NRW Beschlüsse vom 28. Januar 2005 -10 B 2827/04-, juris und vom 9. Juli 2003 - 7 B 949/03 -, BRS 66 Nr. 138.
32Dass die von dem Antragsteller angesprochene Gefahr eines Absinkens des gemeinsamen Giebels durch Schaffung weiterer Wohnräume besteht, deren Fundament unterhalb der bisher vorhandenen Kellersohle zur Ausführung kommen soll, erscheint angesichts der von der Architektin im Ortstermin geschilderten Sicherungsmaßnahmen durch Schaffung einer Stahlstütze im kritischen Bereich wenig naheliegend, dies kann jedoch dahingestellt bleiben.
33Denn der Antragsteller kann sich auf eine mögliche Verletzung von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW im vorliegenden Verfahren nicht berufen. Insoweit treffen die im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 68 BauO NRW erteilten Baugenehmigungen nämlich keine Regelung. Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 4 BauO NRW prüft die Bauaufsichtsbehörde im vereinfachten Genehmigungsverfahren –wie hier- nur die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den in den Nrn. 1 bis 4 aufgeführten Vorschriften. § 15 BauO NRW zählt nicht hierzu.
34Offen lassen kann die Kammer auch die Frage, ob die angefochtene Baugenehmigung, die die Herstellung der nördlichen Stützmauer bis ca. 11 cm oberhalb des natürlichen Geländes und in einem Abstand von 80 cm zur gemeinsamen Grundstücksgrenze gestattet, wegen eines Verstoßes gegen § 6 BauO NRW rechtswidrig ist. Die Frage ist in Abhängigkeit davon zu beantworten, ob diese Stützmauer als Bauteil des Gebäudes und damit nach § 6 Abs. 1 BauO NRW oder als eigenständige bauliche Anlage nach § 6 Abs. 10 BauO NRW zu beurteilen ist. Das dürfte davon abhängen, ob es sich bei dieser Stützwand um einen bautechnisch und funktional untrennbaren Gebäudeteil des Wohnhausanbaus handelt.
35Vgl. zu dieser Abgrenzung OVG NRW, Urteil vom 19. Juli 2010 -7 A 3199/08-, juris, und Beschluss vom 19. Januar 1999 – 10 B 1/99-, juris.
36Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es entsprach dabei nicht der Billigkeit nach § 162 Abs. 3 VwGO, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da diese keinen Antrag gestellt, sich damit nicht dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
37Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und orientiert sich an dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage im Rahmen des bei sog. Nachbarstreitigkeiten regelmäßig in Ansatz zu bringenden Rahmens von 1.500,- EUR bis 15.000,- EUR und unter Berücksichtigung des vorläufigen Charakters dieses Verfahrens.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist Eigentümer des Hauses K.-----str . 13 in F. . Das 3-geschossige Wohnhaus mit Satteldach steht in geschlossener Bauweise zusammen mit vier benachbarten Häusern in der K1.------straße zwischen den Einmündungen D.------straße und T.-----straße auf. Die östlich angrenzenden Häuser K.-----str . 11 und T1. . 2 sind ebenfalls 3-geschossig mit Satteldach, die östlich angrenzenden Häuser K.-----str . 15 und D1. . 41 dagegen 4-geschossig mit Satteldach, wobei das Haus Nr. 15 ein zum Haus des Klägers abgewalmtes Dach aufweist. Der Durchführungsplan Nr. 112 „I. “ sieht für das Haus Nr. 15 sowie die westlich angrenzenden Häuser 4 Vollgeschosse und für Nr. 13 sowie die östlich angrenzenden Häuser 3 Vollgeschosse vor. Das Haus des Klägers verfügt über eine Gebäudetiefe von 11 m. An seiner Rückseite sind im 1. und 2. Obergeschoss etwa 8 m breite und 1,30 m tiefe Balkone angebracht, die bis in eine Entfernung von 1,70 m an die Grundstücksgrenze zum Nachbarhaus Nr. 15 heranreichen.
3Das benachbarte Haus Nr. 15 des Beigeladenen weist mit seinem hinteren Erker ebenfalls eine Gebäudetiefe von ca. 11 m auf, rechts und links des Erkers springt die Gebäuderückwand allerdings um etwa 1,40 m zurück, zum Haus des Klägers auf einer Breite von 4,335 m.
4Mit Bauantrag vom 19. Juni 2012, geändert durch Schreiben vom 13. August 2012 und nochmals geändert im Oktober 2012, stellte der Beigeladene einen Bauantrag für den Umbau des Hauses Nr. 15: Im 1.-3. Obergeschoss sollten drei Balkone (Altane) angebaut werden, außerdem war für das Dachgeschoss der Einbau einer Loggia vorgesehen. Des Weiteren sollte das Dach umgebaut werden: An die Stelle der Abwalmung sollte das Satteldach bis zur Grundstücksgrenze zum Grundstück des Klägers durchgebaut werden, wobei die Brandwand bis 30 cm über das Dach ausgeführt werden sollte; außerdem sollten zur Straßen- und zur Gartenseite jeweils eine Dachgaube eingebaut werden. Die Balkone sollten dabei in die Nische zwischen dem Erker an der Rückseite des Hauses Nr. 15 und dem Haus des Klägers errichtet werden und eine Tiefe von 3 m erhalten. Zur Seite des Klägers waren jeweils Sichtschutzwände von 2 m Höhe vorgesehen. Durch den Ausbau des Dachgeschosses würde dieses zu einem weiteren (5.) Vollgeschoss. Deshalb beantragte der Kläger insoweit die Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans.
5Der Eigentümer des südlich gelegenen Flurstücks 234, auf das Teile der Abstandfläche fallen, die durch die geplanten Balkone ausgelöst würden, erklärte sich am 14. September 2012 mit der Planung einverstanden.
6Der Kläger dagegen widersprach der Planung mit Schreiben vom 10. September 2012. Es liege ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme vor. Es sollten Balkone errichtet werden, die mit einer Größe von jeweils ca. 12,5 m² die übliche Balkongröße in der Umgebung erheblich überschritten. Es sei eine Verschattung sowie ein Helligkeitsverlust durch die Balkone und Sichtschutze zu befürchten. Außerdem komme es zu Einsichtsmöglichkeiten von Balkonen in die Fenster des klägerischen Hauses. Die Balkone am Haus des Klägers seien 1,70 m von der Grundstücksgrenze entfernt, so dass es keine Einsichtsmöglichkeiten in die umgekehrte Richtung gebe. Es werde angeregt, die Balkone so zu begrenzen, dass sie in die vorhandene Außenwandnische von 1,50 m x 4,16 m eingepasst würden. Darüber hinaus wünsche der Kläger, am Baugenehmigungsverfahren beteiligt zu werden.
7Die Beklagte teilte dem Kläger mit, dass die zulässige Bebauungstiefe von 14 m eingehalten werde, an der Grundstücksgrenze seien Sichtschutzwände in Höhe von 2 m vorgesehen. Deshalb seien nachbarliche Belange nicht berührt. Grenzständig errichtete Balkone lösten in der geschlossenen Bebauung keine Abstandflächen aus.
8Der Kläger hielt auch nach Einsichtnahme in die Genehmigungsvorgänge an seinem Widerspruch fest. Der Sichtschutz sei in den Plänen mit 1,30 m breit so eingezeichnet worden, als sei er auf weniger als der Hälfte der Anlagentiefe der Balkone vorgesehen. Tatsächlich betrage die Versatztiefe der Häuser Nr. 13 und 15 1,50 m. Der 3 m tiefe Balkon krage deshalb mindestens 1,50 m vor, unter Berücksichtigung von Eckpfosten und Wärmedämmung wahrscheinlich sogar um 1,90 m. Die Sichtschutzbreite sei deshalb zu klein. In dem gesamten Straßenkarree gebe es keinen vergleichbaren Balkon, der an die Grundstücksgrenze heranreicht und nur 50 cm von dem benachbarten Wohnzimmerfenster entfernt ist. Außerdem werde gerügt, dass das Dach des Hauses Nr. 15 komplett umgestaltet werden solle. An die Stelle des vorhandenen Walmdaches solle ein Satteldach treten, infolgedessen die Giebelwand an der Grundstücksgrenze aufgestockt werde, die das Haus des Klägers erdrücke. Auch füge sich die Änderung der Dachform nicht in die Umgebung ein. Der Kläger wandte sich auch gegen die beabsichtigte Erteilung einer Abweichung im Hinblick darauf, dass die hintere Abstandfläche der Balkone aufgrund des leicht schrägen Grenzverlaufs der Grundstücksgrenze zwischen den Grundstücken von Kläger und Beigeladenem geringfügig auf dem Grundstück des Klägers zu liegen komme.
9Mit Bescheid vom 13. Februar 2013 ließ die Beklagte eine Abweichung von § 6 BauO NRW im Hinblick auf die Nichteinhaltung der hinteren Abstandfläche zum Grundstück des Klägers durch den Balkonanbau zu. Die Baugenehmigung erteilte die Beklagte mit Bauschein vom 14. Februar 2013. Der Kläger wurde mit Schreiben vom 20. Februar 2013 von der Baugenehmigung unterrichtet.
10Er hat gegen die Baugenehmigung am 15. März 2013 Klage erhoben. Er trägt zur Begründung vor, dass das um ein Geschoss niedrigere Haus des Klägers durch die geplante Änderung des geschosshöheren Gebäudes des Beigeladenen erdrückt werde, insbesondere auch durch die Änderung der Dachkonstruktion. Für die Balkonanlage liege keine Wohngebietsverträglichkeit vor, sie füge sich nicht in die Umgebung des Wohnquartiers ein. Sie widerspreche der gebietstypischen Nutzung und verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Zu Unrecht habe die Beklagte eine Lösung mit einem nach § 6 Abs. 7 BauO NRW privilegierten Balkon überhaupt nicht in Erwägung gezogen.
11Darüber hinaus liege ein Abstandflächenverstoß vor.
12Es werde gerügt, dass dem Kläger keine detaillierten Unterlagen zu der Ausführung der Balkonanlage im Einzelnen zur Verfügung gestellt worden seien.
13Die Balkone ragten 1,90 m über die rückseitige Außenwand des Klägerhauses hinaus. Denn die Balkone würden vor die noch aufzubringende Außendämmung von mindestens 20 cm aufgebracht.
14Durch die Sichtblenden könnten Einsichtnahmen nicht hinreichend verhindert werden, da um sie ohne Weiteres herumgeblickt werden könnte; allein die Möglichkeit sei ausreichend.
15Der Kläger weist außerdem darauf hin, dass die Wärmedämmung an seinem Hause 10 cm auf das Grundstück des Beigeladenen übergreife. Wenn die Altane in die Nische gestellt würden, befänden sie sich deshalb nicht vollständig grenzständig zum Grundstück des Klägers.
16Nachdem der Kläger im Juli 2013 Kenntnis von der Erteilung einer Abweichung erlangt hatte, hat er auch gegen den Bescheid vom 13. Februar 2013 Klage erhoben (5 K 3453/13).
17Der Kläger beantragt,
18die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 14. Februar 2013 und den Bescheid über die Erteilung einer Abweichung vom 13. Februar 2013 aufzuheben.
19Die Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Sie ist der Auffassung, das Bauvorhaben des Beigeladenen verstoße nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Baurechts. Es entspreche den Festsetzungen des Durchführungsplanes Nr. 112 „I. “. Auch auf der Grundlage des § 34 BauGB sei das Vorhaben zulässig. Es füge sich nach der überbaubaren Grundstücksfläche ein; in der näheren Umgebung seien Bebauungstiefen von 9,5 bis 14,5 m anzutreffen, so dass das Vorhaben mit einer Tiefe von 12,7 m im Rahmen liege. Was die Änderung der Dachform angehe, so werde durch die Auflösung des Walmdaches ein zufriedenstellender Übergang zum Nachbargebäude geschaffen. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme sei nicht erkennbar. Von Balkonen, die 1,60 m über die Rückwand des Klägers hinausgehen, könne eine erdrückende Wirkung nicht ausgehen. Eine Wärmedämmung sei nicht Gegenstand der Baugenehmigung; wenn eine solche doch noch aufgebracht werden sollte, dann würde dies nicht zu einem weiteren Herauskragen der Balkonanlage führen, da das Gerüst der Balkonanlage in diesem Fall in die Wärmedämmung integriert werden müsste. Einsichtsmöglichkeiten seien durch die Sichtschutzelemente ausgeschlossen. Eine unzumutbare Beeinträchtigung durch Verschattung sei im Hinblick auf die Ausrichtung beider Gebäude nach Süden nicht zu erwarten. Ein Anspruch des Klägers auf Beibehaltung der Dachform bestehe nicht.
22Die Erteilung einer Abweichung sei berechtigt, weil der Beigeladene durch den leicht schrägen Grenzverlauf benachteiligt sei. Im Hinblick auf diese atypische Grundstückssituation würde jede neue Bebauung an der Grundstücksgrenze unweigerlich zu einem Verstoß gegen § 6 BauO NRW führen. Es handele sich nur um einen geringfügigen Verstoß, da lediglich eine bis zu 7 cm breite und 3,82 m lange Abstandfläche auf dem Grundstück des Klägers liege.
23Im November 2013 ließ der Beigeladene den Balkon-/Altananbau anbringen. Der Kläger behauptet, der über die Fassade des Hauses Nr. 13 um 1,50 m vorkragende Teil des Altans befinde sich nicht unmittelbar an der Grundstücksgrenze. Die Wärmedämmung auf der Giebelwand des Hauses des Klägers sei 10 cm stark; sie beginne erst über der Tordurchfahrtshöhe, etwa 2,5 m über dem Erdniveau. Von dieser Dämmung seien die Balkonbodenplatten 5 cm entfernt angebracht, so dass die Balkonanlage insgesamt in einem Abstand von 15 cm von der Grundstücksgrenze entfernt sei.
24Demgegenüber weist die Beklagte darauf hin, dass die Balkonanlage entsprechend der Baugenehmigung in einer Tiefe von 3,00 m ausgeführt worden sei. Da das mit einer Wärmedämmung versehene Gebäude des Klägers die Grundstücksgrenze überbaue, sei die Breite der Anlage von 4,335 m auf 4,02 m reduziert worden. Da aufgrund der Konstruktion der Balkonanlage die Brüstungselemente vor die Bodenplatten gesetzt worden seien und das Brüstungselement selbst bis an die Außenwand der klägerischen Gebäudes herangeführt sei, sei die Anlage als grenzständig zu betrachten. Allerdings sei der Sichtschutz abweichend von der Baugenehmigung nur in einer Höhe von 1,80 m errichtet worden; der Beigeladene sei deshalb aufgefordert worden, den Sichtschutz in einer Höhe von 2,00 m herzustellen.
25Der Beigeladene hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Er stellt keinen Antrag.
26Das Gericht hat mit Beschluss vom 30. Oktober 2014 das Verfahren 5 K 3453/13 mit dem vorliegenden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
27Entscheidungsgründe:
28Die Klage ist zulässig aber unbegründet.
29Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der von der Beklagten erteilten Baugenehmigung vom 14. Februar 2013 und des Bescheides über die Erteilung einer Abweichung, da diese nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Rechts verstoßen und den Kläger daher nicht in seinen eigenen Rechten verletzen, § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑.
30Hinsichtlich des gerichtlichen Prüfprogramms ist zunächst darauf hinzuweisen, dass im baurechtlichen Nachbarstreit keine Prüfung der objektiven Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung vorzunehmen, sondern allein zu fragen ist, ob der angefochtene Verwaltungsakt den Rechtsbehelfsführer (subjektiv) in seinen Rechten verletzt.
31Die angefochtene Baugenehmigung verstößt nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts.
32Zwar besteht ein Verstoß gegen den Durchführungsplan Nr. 112 „I. “ hinsichtlich der Geschosszahl: Der Plan sieht eine 4-geschossige Bebauung vor, während durch das genehmigte Vorhaben das Haus des Beigeladenen 5-geschossig wird. Indes ist die Geschossigkeit wie das Maß der baulichen Nutzung insgesamt nicht nachbarschützender Natur. Ansonsten enthält der Plan keine entgegenstehenden Festsetzungen.
33Soweit in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten erwähnt wird, dass der Durchführungsplan Nr. 112 von einem Gericht ‑ in Teilen ‑ für unwirksam erklärt worden sei, braucht die Kammer dieser Frage nicht weiter nachzugehen. Denn selbst wenn sich der Plan als unwirksam herausstellen sollte, könnte eine Verletzung planungsrechtlicher Vorschriften nicht festgestellt werden. In diesem Falle wäre das Vorhaben anhand der Regelung des § 34 Abs. 1 des Baugesetzbuchs ‑ BauGB ‑ zu beurteilen, da die Grundstücke von Kläger und Beigeladenem innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegen, für den ein Bebauungsplan nicht existiert. Nach § 34 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.
34Das Vorhaben fügt sich hinsichtlich der Art der Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Auch der Anbau von mehreren Balkonen dient einzig der Wohnnutzung und damit einer Nutzung, die in der näheren Umgebung des Vorhabens vorherrschend ist.
35Soweit sich der Kläger darauf beruft, das Vorhaben füge sich in den Ausmaßen der Balkonanlage nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein, handelt es sich dabei um ein Kriterium, welches das Maß der baulichen Nutzung betrifft und damit um ein solches, das regelmäßig nicht nachbarschützender Natur ist; das Gleiche gilt für die geänderte Dachgestaltung. Demgemäß sind im Rahmen eines Baunachbarstreits die Fragen danach, ob sich das Vorhaben nach seinem Volumen, der Zahl seiner Geschosse, der Höhe oder der Bebauungstiefe nach in die nähere Umgebung einfügt, ohne Bedeutung.
36Vgl. grundlegend Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13. Juni 1969 – IV C 234.65 -; VG Gelsenkirchen, Urteile vom 27. August 2012 – 5 K 5326/10 – und vom 26. Februar 2008 – 6 K 1102/06 – sowie Beschluss vom 17. Januar 2014 – 5 L 1469/13 - ; jeweils zitiert nach juris.
37Das genehmigte Bauvorhaben des Beigeladenen verstößt auch nicht gegen das in § 34 Abs. 1 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme.
38Das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme soll angesichts der gegenseitigen Verflechtungen der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist, und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist. Die Beachtung des Rücksichtnahmegebots soll gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Die sich daraus ergebenden Anforderungen sind im Einzelfall festzustellen, wobei die konkreten Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind. Dabei kann desto mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung dessen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, desto weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit dem Bauvorhaben verfolgten Interessen sind.
39Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Januar 1983 - 4 C 59.79 -, vom 28. Oktober 1993 - 4 C 5.93 - und vom 23. September 1999 - 4 C 6.98 -; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 3. September 1999 - 10 B 1283/99 -; jeweils zitiert nach juris; sowie zuletzt VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17. Juli 2014 – 5 K 3060/13 -.
40Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine qualifizierte Störung im Sinne einer Unzumutbarkeit.
41Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschlüsse vom 17. Januar 2014 – 5 L 1469/13 – und vom 23. August 2013 – 6 L 737/13 - sowie Urteil vom 2. Januar 2014 – 5 K 1658/13 -; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Urteil vom 12. Juli 2012 – 2 B 12.1211 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Januar 2012 – 2 S 50.10 -; jeweils zitiert nach juris.
42Hiervon ausgehend vermag die Kammer eine unzumutbare Beeinträchtigung des Grundstücks des Klägers nicht zu erkennen. Zunächst kann eine erdrückende Wirkung nicht festgestellt werden. Eine erdrückende Wirkung wird angenommen, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem es diesem förmlich "die Luft nimmt", wenn für den Nachbarn das Gefühl des "Eingemauertseins" entsteht oder wenn die Größe des "erdrückenden" Gebäudes auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalls - und gegebenenfalls trotz Wahrung der erforderlichen Abstandflächen - derartig übermächtig ist, dass das "erdrückte" Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem "herrschenden" Gebäude dominierte Fläche ohne eigene Charakteristik wahrgenommen wird.
43Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. Juli 2013 ‑ 7 B 477/13 ‑, juris-Dokument.
44Davon kann vorliegend nicht annähernd die Rede sein. Auch von der jetzt geplanten Giebelwand geht keine erdrückende Wirkung aus, zumal sie aus dem Hause des Klägers heraus gar nicht wahrnehmbar ist.
45Auch die befürchtete Einschränkung des Lichteinfalls und Verschattung des Gebäudes des Klägers sowie der Aussichtsmöglichkeiten erreicht nicht das Ausmaß einer unzumutbaren Beeinträchtigung. Die Situation wird für die Bewohner des Hauses des Klägers durch den Balkon-/Altananbau sicherlich nicht besser, sie verschlechtert sich. Dies führt jedoch nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung. Dagegen spricht bereits der Umstand, dass es sich um eine westliche Bebauung handelt, so dass das Kriterium der eingeschränkten Belichtung von vornherein nur in den späten Nachmittags- und Abendstunden greifen kann, bis dahin jedoch eine Beeinträchtigung gänzlich ausgeschlossen ist.
46Zudem muss in einem bebauten innerstädtischen Wohngebiet - und nicht nur in Innenstadtlagen - immer damit gerechnet werden, dass Nachbargrundstücke innerhalb des durch das Bauplanungs- und das Bauordnungsrecht vorgegebenen Rahmens baulich ausgenutzt werden und es durch eine Bebauung zu einer Verschattung des eigenen Grundstücks beziehungsweise von Wohnräumen kommt.
47Vgl. OVG NRW, Urteile vom 26. Juni 2014 – 7 A 2057/12 – und vom 9. Juni 2011 – 7 A 1494/09 – sowie Beschlüsse vom 16. Januar 2014 – 7 A 1776/13 – und vom 9. Februar 2009 – 10 B 1713/08 -; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 14. Juni 2012 – 5 K 2317/10 -; jeweils zitiert nach juris.
48Insofern trägt der Eigentümer des Grundstücks im unbeplanten Innenbereich typischerweise das Risiko, dass eine spätere Nachbarbebauung den baurechtlich eröffneten Freiraum stärker ausschöpft als er selbst. Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes ‑ GG ‑ garantiert jedem Eigentümer eines Grundstücks das Recht, dieses baulich im Rahmen der Gesetze so zu nutzen, wie es den eigenen Vorstellungen entspricht. Dieses Recht kann auch der Kläger für sich beanspruchen. Hält sich die Bebauung innerhalb des durch die Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Baurechts vorgegebenen Rahmens, stehen die schutzwürdigen Interessen des Bauherrn und die Belange des Nachbarn und der Allgemeinheit in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander.
49Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 29. November 2013 – 5 L 1032/13 – mit Verweis auf OVG NRW, Beschluss vom 5. November 2013 – 10 A 2686/12 -.
50Einsichtsmöglichkeiten von den vorkragenden Balkonen sind durch die Sichtblenden weitgehend ausgeschlossen. Soweit die Sichtblenden zunächst nur in 1,80 m Höhe ausgeführt wurden, entsprach dies nicht der Baugenehmigung, die nur Verfahrensgegenstand ist, und soll offensichtlich nachgebessert werden.
51Das genehmigte Vorhaben verstößt auch nicht gegen nachbarschützende Regelungen des Bauordnungsrechts. Zunächst ist der Kläger nicht bereits wegen Verstoßes der Baugenehmigung gegen das Bestimmtheitsgebot des § 37 des Verwaltungsverfahrensgesetzes Nordrhein-Westfalen ‑ VwVfG ‑ in seinen Rechten verletzt. Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot ist nicht festzustellen. Namentlich sind Breite und Tiefe der Balkonanlage hinreichend genau bemaßt; sie ist 3 m tief, die Nische von 4,335 m ausfüllend. Die Bedenken des Klägers hinsichtlich der Sichtschutzwände sind nicht nachvollziehbar. Aus den Grundriss- sowie den Schnittzeichnungen ist deutlich erkennbar, dass die Sichtschutzwände an dem gesamten vorkragenden Teil der Balkone anzubringen sind.
52Die Regelungen des § 6 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen ‑ BauO NRW ‑ sind jedenfalls unter Berücksichtigung der erteilten Abweichung eingehalten. Die Einhaltung seitlicher Abstandflächen ist vorliegend nicht erforderlich. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a BauO NRW ist innerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche eine Abstandfläche nicht erforderlich gegenüber Grundstücksgrenzen, gegenüber denen nach planungsrechtlichen Vorschriften ohne Grenzabstand gebaut werden muss. Hier besteht geschlossene Bauweise, in der nach § 22 Abs. 3 der Baunutzungsverordnung ‑ BauNVO ‑ Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet werden. Der Verzicht auf den seitlichen Grenzabstand erstreckt sich auch auf Anbauten und Balkone. Daher sind vorliegend grenzständige Balkone grundsätzlich zulässig. Eine Einschränkung ergibt sich allerdings aus der Formulierung in § 6 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a) BauO NRW, wonach Abstandflächen lediglich innerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche nicht erforderlich sind. Die maßgebliche nähere Umgebung für die Bestimmung der überbaubaren Grundstücksfläche wird dadurch ermittelt, dass in zwei Richtungen, nämlich in Richtung vom Vorhaben auf die Umgebung und in Richtung von der Umgebung auf das Vorhaben geprüft wird, wie weit die jeweiligen Auswirkungen reichen. Zu berücksichtigen ist die Umgebung einmal insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und zweitens insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst.
53Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 - 4 C 9.77 -, BRS 33 Nr. 36.
54Die nähere Umgebung ist für jedes der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB genannten Merkmale gesondert zu ermitteln, weil diese jeweils eine Prägung mit ganz unterschiedlicher Reichweite und Gewichtung entfalten können; bezüglich des hier in Rede stehenden Merkmals der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, mit dem die konkrete Größe der Grundfläche der baulichen Anlage und ihre räumliche Lage innerhalb der vorhandenen Bebauung gemeint ist, wird die nähere Umgebung im Regelfall enger als z.B. bei dem Merkmal der Art der baulichen Nutzung zu bemessen sein. Denn die von den überbauten Grundflächen ausgehende Prägung bleibt in ihrer Reichweite im Allgemeinen hinter den von der Art der baulichen Nutzung ausgehenden Wirkungen zurück. Maßgeblich ist, wie weit die wechselseitigen Auswirkungen im Verhältnis von Vorhaben und Umgebung im Einzelfall reichen. Bei der Bestimmung des Rahmens der näheren Umgebung ist zunächst die vorhandene Bebauung in den Blick zu nehmen. Sodann muss die Betrachtung anschließend auf das Wesentliche zurückgeführt werden, d.h. es muss alles außer Acht gelassen werden, was die vorhandene Bebauung nicht prägt oder in ihr als Fremdkörper erscheint. Baulichkeiten, die als Fremdkörper erscheinen, sind aber nur dann außer Betracht zu lassen, wenn sie wegen ihrer Andersartigkeit bzw. Einzigartigkeit den Charakter der Umgebung nicht zu beeinflussen vermögen, was dann schließlich bei wertender Betrachtung der Gegebenheiten des Einzelfalls zu ermitteln ist.
55Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19.07.2010 ‑ 7 A 44/09 ‑, juris-Dokument.
56Hiervon ausgehend erfasst die maßgebliche nähere Umgebung neben den benachbarten Häusern an der K1.------straße auch die Häuser an der T.-----straße jedenfalls bis Haus-Nr. 10/12 sowie der D2.-----straße bis Haus-Nr. 49, denn die Bebauung dieser Grundstücke ist geeignet, prägende Wirkung auf das streitgegenständliche Grundstück auszuüben; denn jedenfalls insoweit sind wechselseitige Sichtbeziehungen gegeben. Dann aber wird die überbaubare Grundstücksfläche jedenfalls auch durch das Haus T1. . 12 geprägt, das über eine Bebauungstiefe von 14 m verfügt. Ob das Grundstücks D1. . 49 mit seiner Bebauungstiefe von 17,50 m insoweit auch noch zu berücksichtigen ist oder wegen des hier abknickenden Straßenverlaufs nicht, mag hier offen bleiben. Denn mit der Bebauungstiefe von 14 m beim Haus T1. . 12 ist jedenfalls ein Vorbild für die hier angestrebte Bebauungstiefe von 12,67 m gegeben.
57Soweit die genehmigte Balkon-/Altananlage auch nach hinten Abstandflächen auslöst, gilt für sie der Verzicht auf deren Einhaltung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW nicht. Die hintere Abstandfläche der Balkone liegt in einem Umfang von 0,13 m² auf dem Grundstück des Klägers und verstößt deshalb grundsätzlich gegen Rechte des Klägers. Diesen Rechtsverstoß hat die Beklagte jedoch in rechtlich nicht zu beanstandender Weise durch die Erteilung der Abweichung nach § 73 BauO NRW geheilt. Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW kann die Genehmigungsbehörde Abweichungen von bauaufsichtlichen Anforderungen dieses Gesetzes zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderungen und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Die Regelungen des § 73 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BauO NRW setzen einen Sachverhalt voraus, der von dem der gesetzlichen Regelung der Abstandflächen zugrunde liegenden Normalfall - dichte innerstädtische Bebauung bei ungünstigen Grundstückszuschnitten - in so deutlichem Maß abweicht, dass die strikte Anwendung des Gesetzes zu Ergebnissen führt, die der Zielrichtung der Norm nicht entsprechen. Dabei muss es sich um eine grundstücksbezogene Atypik handeln. § 73 BauO NRW ist kein Instrument zur Legalisierung gewöhnlicher Rechtsverletzungen.
58Vgl. OVG NRW Beschluss vom 19. Juli 2013 ‑ 2 A 2056/12 ‑, juris-Dokument unter Hinweis auf die st. Rspr. der Bausenate des OVG NRW.
59Eine solche Atypik ist im vorliegenden Fall aufgrund des leicht schrägen Verlaufs der gemeinsamen Grundstücksgrenze anzunehmen. Würde die Grundstücksgrenze, wie es in vergleichbaren Situationen der Normalfall ist, in einem rechten Winkel zur Straße bzw. zur vorderen und hinteren Grundstücksgrenze verlaufen, würde ein rückwärtiger Anbau keine hinteren Abstandflächen auf das benachbarte Grundstück auslösen; lediglich aufgrund des leicht abgeschrägten Grenzverlaufs ist dies überhaupt der Fall. Da die Inanspruchnahme des Grundstücks des Klägers mit 0,13 m² außerordentlich gering ist und damit nachbarliche Interessen des Klägers nur unwesentlich stärker betroffen sind, als bei einer Bebauung, die nach § 6 BauO NRW zulässig wäre (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW), erscheint der Abstandflächenverstoß auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen hinnehmbar. Die Abweichung ist daher zu Recht erteilt worden.
60Weitere Verstöße der Baugenehmigung gegen nachbarschützende Regelungen sind nicht erkennbar. Namentlich sind die genehmigten Dachgauben mindestens 1,25 m von der Gebäudetrennwand entfernt (vgl. § 35 Abs. 6 BauO NRW)
61Soweit der Kläger rügt, dass die tatsächliche Bebauung nicht der Baugenehmigung entspricht, kann dies im Verfahren gegen die Baugenehmigung nicht geltend gemacht werden, denn nur diese ist Verfahrensgegenstand.
62Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da er keinen Antrag gestellt und sich somit dem Prozessrisiko nicht ausgesetzt hat, §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
63Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.