Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 12. Okt. 2016 - 17 K 4024/15
Tenor
Die Bescheide vom 12.01.2009 und der Widerspruchsbescheid vom 02.09.2010 werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
- 1
Der Kläger wendet sich gegen seine Inanspruchnahme für die Kosten der Abschiebung einer Ausländerin.
- 2
Der Kläger war bis zur Insolvenz der A-GmbH zusammen mit Herrn B deren Geschäftsführer. Beide hielten jeweils 50% der Gesellschaftsanteile der GmbH.
- 3
Die A-GmbH war im Reinigungsgewerbe tätig. Das Geschäftsmodell bestand darin, für Hotel- und Gaststättenbetriebe Reinigungsarbeiten zu übernehmen, so dass diese hierfür kein eigenes Personal vorhalten mussten.
- 4
Gemeinsam mit Herrn B baute der Kläger die A-GmbH zu einem der führenden Reinigungs-Dienstleistern in Hamburg mit beachtlichen jährlichen Umsätzen auf. Zu den Kunden der A-GmbH, die ab dem Jahr 2001 Umsatzerlöse in Höhe von 14 Mio. DM und mehr erreichte, gehörten zahlreiche namhafte Hamburger Hotels. Gegenüber dem Finanzamt Hamburg-Hansa wurde für das Jahr 2005 eine Arbeitnehmerzahl von 673 gemeldet.
- 5
Nachdem die Staatsanwaltschaft Hamburg wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung im Jahr 2006 einen Arrestbeschluss gegen die A-GmbH in Höhe von ca. EUR 900.000 erwirkte, wurde am 05.04.2006 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen eröffnet.
- 6
Bereits zuvor, nämlich am 15.02.2006, wurde die ghanaische Staatsangehörige C im Hotel F aufgegriffen, wo sie für die A-GmbH als Reinigungskraft arbeitete, obwohl sie weder eine Aufenthalts- noch eine Arbeitserlaubnis besaß.
- 7
Am 12.07.2006 wurde Frau C aus der Abschiebehaft nach Ghana abgeschoben.
- 8
Ein gegen den Kläger eingeleitetes strafrechtliches Verfahren wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt wurde im Hinblick auf das gegen den Kläger eingeleitete Verfahren wegen Steuerhinterziehung eingestellt, in dem der Kläger im Jahr 2013 wegen Steuerhinterziehung in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt wurde.
- 9
Mit Bescheid vom 12.01.2009 forderte die Beklagte den Kläger auf, die ihr im Zusammenhang mit der Abschiebung der Frau C entstandenen Kosten in Höhe von EUR 10.561,26 zu erstatten, die sich im Wesentlichen aus den Kosten der Abschiebehaft und den Flugkosten für Frau C ergaben. Frau C sei durch den Kläger beschäftigt worden, obwohl eine erforderliche Arbeitserlaubnis nicht vorhanden gewesen sei. Der Kläger habe daher nach § 66 Abs. 4 AufenthG die Abschiebungskosten zu tragen.
- 10
Mit weiterem Bescheid vom 12.01.2009 forderte die Beklagte den Kläger auf, ihr einen weiteren Betrag in Höhe von EUR 11.197,32 zu erstatten. Frau C sei in Begleitung von Beamten der Bundespolizei nach Ghana abgeschoben worden. Die Grenzschutzdirektion Koblenz habe hierfür Kosten in Höhe von EUR 11.197,32 in Rechnung gestellt, bestehend aus Flugkosten in Höhe von EUR 5.641,92, Reisekosten in Höhe von EUR 512,04 und Personalkosten in Höhe von EUR 5.043,36. Gemäß § 66 Abs. 4 AufenthG habe der Kläger auch diese Kosten zu tragen.
- 11
Mit Schreiben vom 16.02.2009 legte der Kläger Widerspruch gegen die Bescheide vom 12.01.2009 ein. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass Frau C bei der A-GmbH gearbeitet habe und er damit nicht ihr Arbeitgeber gewesen sei.
- 12
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2010, dem Kläger zugestellt am 08.09.2010, wies die Beklagte den vom Kläger eingelegten Widerspruch zurück. Frau C habe bei der A-GmbH eine Erwerbstätigkeit aufgenommen, ohne im Besitz einer Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis zu sein. Der Kläger habe als verantwortlicher Arbeitgeber für deren Abschiebungskosten aufzukommen. Die Beschäftigung der Frau C sei ohne Zweifel dem Kläger zuzurechnen. Dieser sei Geschäftsführer der A-GmbH gewesen. Als einer der Verantwortlichen des Betriebs müsse sich der Kläger die unerlaubte Beschäftigung der Frau C zurechnen lassen, auch wenn er die Einstellung nicht selbst vorgenommen und diese Aufgabe an eine andere Person delegiert haben sollte. Er hätte als Verantwortlicher des Betriebs dafür Sorge tragen müssen, dass nur solche Personen beschäftigt werden, die über die erforderlichen Papiere und Erlaubnisse verfügten. Es sei zudem davon auszugehen, dass der Kläger nicht nur Kenntnis davon gehabt habe, dass Ausländer ohne Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis in der Firma A-GmbH beschäftigt worden seien, sondern er auch aktiv dazu beigetragen habe, dass solche Beschäftigungen vorgenommen würden. In der Firma A-GmbH seien am 15.02.2006 im Rahmen einer behördlichen Durchsuchungsaktion von 464 angetroffenen Arbeitnehmern 91 Arbeitnehmer illegal in Deutschland aufhältige Ausländer und 34 Arbeitnehmer Ausländer ohne Arbeitserlaubnis gewesen.
- 13
Am 07.10.2010 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Er sei mit der Einstellung der Beschäftigten bei der A-GmbH nicht befasst gewesen; diese Tätigkeit sei ausschließlich in den Zuständigkeitsbereich von Herrn B gefallen. Er sei selbstverständlich davon ausgegangen, dass die Personaleinstellung unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben erfolgt sei. Ihm sei zu keinem Zeitpunkt bekannt gewesen, dass Personal eingestellt worden sei, das nicht im Besitz von Aufenthalts- und Arbeitserlaubnissen gewesen sei. Zuständig für die Personaleinstellung und die Überprüfung der erforderlichen Unterlagen seien die Mitarbeiter D und E gewesen. In Abstimmung mit Herrn B hätten diese die Personaleinstellung unter strikter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben vorgenommen. Er habe lediglich vor Ort die Aufträge der Hotels eingeholt und in Abstimmung mit den in den Hotels eingesetzten Objektleitern die erforderlichen Arbeitsleistungen bestimmt. Es habe sich erst im Zuge der polizeilichen Ermittlungen herausgestellt, dass in der Firma A-GmbH eine Vielzahl von afrikanischen Arbeitnehmern unter Täuschung über ihre Identität und das Vorliegen von Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen arbeiteten. Bei den zuständigen Mitarbeitern D oder E hätten sich afrikanische Staatsbürger vorgestellt, die im Besitz von Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen gewesen seien. Diese Personen seien eingestellt worden. Tatsächlich seien dann vor Ort in den jeweiligen Hotels jedoch andere Personen erschienen. Die in den Hotels tätigen Objektleiter hätten diese Täuschung nicht aufklären können, obwohl sie im Besitz von schwarz-weiß-Kopien der vorgelegten Pässe einschließlich der Aufenthaltsgenehmigungen gewesen seien. Die Firma A-GmbH sei mithin Opfer von Täuschungen geworden. Sie habe stets mit der größtmöglichen Sorgfalt versucht, sich gegen diese Täuschungen zur Wehr zu setzen. Herr D hatte seitens der Geschäftsführung die strikte Anweisung, mit großer Sorgfalt darauf zu achten, dass nur Mitarbeiter eingestellt werden, die über korrekte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse verfügten.
- 14
Der Kläger beantragt,
- 15
die Bescheide vom 12.01.2009 und den Widerspruchsbescheid vom 02.09.2010 aufzuheben.
- 16
Die Beklagte beantragt,
- 17
die Klage abzuweisen.
- 18
Zur Begründung verweist sie auf die angefochtene Entscheidung und führt ergänzend aus: Der Kläger sei sowohl Geschäftsführer als auch Gesellschafter der A-GmbH gewesen und könne daher als Arbeitgeber in Anspruch genommen werden. Mit dem Argument, er habe mit den Personaleinstellungen nichts zu tun gehabt, könne er nicht gehört werden, da er als Gesellschafter das Tun der anderen Gesellschafter gegen sich gelten lassen müsse.
- 19
Das Gericht hat die Sachakten der Beklagten beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird ergänzend auf diese und die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2016 verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
- 20
Die zulässige Klage ist begründet. Die Bescheide vom 12.01.2009 in der Gestalt, die sie durch den Widerspruchsbescheid vom 02.09.2010 gefunden haben, sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
1.
- 21
Die Beklagte hat den Kläger zu Unrecht als Arbeitgeber für die Abschiebungskosten der Frau C in Anspruch genommen.
- 22
Rechtsgrundlage für die Bescheide ist § 66 Abs. 4 Satz 1 AufenthG in der Fassung vom 25.02.2008 (BGBl. I S. 162) (gültig bis zum 25.11.2011; im Folgenden: a.F.). Denn die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestimmt sich nach der im Zeitpunkt ihres Erlasses maßgeblichen Rechtslage, hier also der Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vom 02.09.2010 (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.10.2012, 10 C 6.12, juris, Rn. 12).
- 23
Nach § 66 Abs. 4 S. 1 AufenthG a.F. haftet für die Kosten der Abschiebung oder Zurückschiebung, wer den Ausländer als Arbeitnehmer beschäftigt hat, wenn diesem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften des AufenthG nicht erlaubt war. § 66 Abs. 4 S. 1 AufenthG begründet damit die Haftung des Arbeitgebers für die Kosten der Abschiebung eines Ausländers, der bei ihm ohne die erforderliche Arbeitserlaubnis arbeitet. Zwar erwähnt die Vorschrift den Begriff „Arbeitgeber“ nicht ausdrücklich. Es steht jedoch außer Frage, dass die Vorschrift mit der Umschreibung „wer den Ausländer als Arbeitnehmer beschäftigt“ ausschließlich auf den Arbeitgeber Bezug nimmt. Dies dürfte bei verständiger Auslegung bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift selbst folgen, ergibt sich aber jedenfalls aus den Gesetzesmaterialien. Die Vorschrift wurde ursprünglich als § 24 Abs. 6a des Ausländergesetzes vom 28.04.1965 (BGBl. I S. 353) eingefügt. Nach dieser Vorschrift haftete für die Abschiebungskosten, wer einen nichtdeutschen Arbeitnehmer, der nach § 12 Abs. 1 Satz 1 den Geltungsbereich dieses Gesetzes unverzüglich zu verlassen hatte, beschäftigte. In der Gesetzesbegründung wird ausgeführt, dass die Vorschrift künftig Arbeitgeber mit den Abschiebungskosten belastet, die einen nichtdeutschen Arbeitnehmer ohne die erforderliche Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis beschäftigen (BT-Drs. VI/2303, VI/3505). Dass nach § 66 Abs. 4 S. 1 AufenthG a.F. lediglich der Arbeitgeber für die Abschiebungskosten haften sollte, wird auch bestätigt durch den Umstand, dass der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 66 Abs. 4 AufenthG durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22.11.2011 (BGBl. I S. 2258), die ausdrücklich auf den Arbeitgeber abstellt („wer als Arbeitgeber den Ausländer als Arbeitnehmer beschäftigt hat…“), davon ausging, dass die Vorschrift inhaltlich unverändert geblieben ist (vgl. BT-Drucks. 17/5470, S. 25).
- 24
Vorliegend war nicht der Kläger der Arbeitgeber der Frau C. Arbeitgeber der Frau C war die A-GmbH.
- 25
Es steht für das erkennende Gericht außer Frage, dass Arbeitgeber der Frau C allein die A-GmbH war. Arbeitgeber ist nach herkömmlicher zivil- bzw. arbeitsrechtlicher Definition derjenige, der die Dienstleistungen vom Arbeitnehmer kraft Arbeitsvertrag fordern kann und damit die wirtschaftliche und organisatorische Dispositionsbefugnis über die Arbeitsleistung und den Nutzen aus ihr hat (BAG, Urt. v. 27.09.2012, 2 AZR 838/11, juris, Rn. 16). Frau C hat ihre Arbeit erkennbar im organisatorischen Rahmen der A-GmbH, die im streitgegenständlichen Zeitraum Millionenumsätze erwirtschaftete und über 600 Arbeitnehmer beschäftigte, ausgeübt. Der Respekt vor der Eigenständigkeit dieser GmbH als juristischer Person, die als solche rechtsfähig ist (vgl. § 13 Abs. 1 GmbHG) und gleichwertig mit den natürlichen Personen am Rechtsverkehr teilnimmt (vgl. BVerfG, Urt. v. 25.10.1966, 2 BvR 506/63, juris, Rn. 45) gebietet es, ausschließlich diese und nicht zugleich auch deren Gesellschafter-Geschäftsführer als Arbeitgeber anzusehen. Denn über die Rechtsfigur der juristischen Person darf nicht leichtfertig und schrankenlos hinweggegangen werden (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.2005, B 12 RA 1/04 R, juris, Rn. 20; BGH, Urt. v. 13.11.1973, VI ZR 53/72, juris, Rn. 10; vgl. auch OVG Schleswig, Urt. v. 09.03.1995, 4 L 90/94, juris, Rn. 41: Entsorgungspflichtiger Abfallbesitzer i.S.v. § 3 AbfG ist lediglich die GmbH, nicht jedoch ihr Geschäftsführer-Gesellschafter). Auf die Frage, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag zwischen der A-GmbH und Frau C abgeschlossen wurde und ob dieser bzw. das Arbeitsverhältnis auch wirksam zustande gekommen ist oder nicht, kommt es nicht an (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 03.11.1987, 1 C 37.84, juris, Rn. 15; siehe auch allgemein zum sog. faktischen Arbeitsverhältnis bei rechtlich unwirksamen Arbeitsverhältnissen Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Aufl. 2016, § 611 BGB Rn. 145 ff.).
- 26
Zwar mag der mit der Arbeitgeberhaftung (auch) verfolgte Zweck, illegalen Beschäftigungen vorzubeugen (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.11.1987, 1 C 37.84, juris, Rn. 16: „[Die Kostenpflicht] soll der unerlaubten Beschäftigung ausreisepflichtiger Arbeitnehmer vorbeugen; das Kostenrisiko wirkt abschreckend und kann damit zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer beitragen. …“), möglicherweise besser erreicht werden, wenn auch diejenigen Personen als Arbeitgeber gelten, die den Arbeitgeber - z.B. als Geschäftsführer - vertreten oder die - z.B. als Gesellschafter - einen bestimmenden Einfluss auf den Arbeitgeber haben oder mittelbar von der Arbeitsleistung, die der Ausländer gegenüber dem Arbeitgeber erbringt, profitieren. Hätte der Gesetzgeber die Haftung indes auch auf diese Personen erstrecken wollen, so wäre angesichts der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit von Eingriffsnormen (vgl. hierzu allgemein BVerfG, Beschl. v. 17.07.2003, 2 BvL 1/99 u.a., juris, Rn. 171 ff.) zu erwarten gewesen, dass er dies ausdrücklich regelt. Zumindest aber wäre zu erwarten gewesen, dass er in den Gesetzesmaterialien hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt, dass auch diese Personen als Arbeitgeber gelten. Hierfür finden sich in den Gesetzesmaterialien indes keine Anhaltspunkte. Dann ist aber anzunehmen, dass der Gesetzgeber den Arbeitgeberbegriff nicht abweichend vom dargestellten herkömmlichen zivil- und arbeitsrechtlichen Verständnis verstanden hat (Gedanke der Einheit der Rechtsordnung).
- 27
Im Übrigen entfaltet die Arbeitgeberhaftung auch für die genannten Personen einen Abschreckungseffekt aufgrund der drohenden mittelbaren wirtschaftlichen Nachteile (z.B. als Gesellschafter) oder arbeitsrechtlichen Konsequenzen (z.B. als Geschäftsführer). Auch darf nicht übersehen werden, dass diese Personen gemäß § 66 Abs. 4 S. 2 AufenthG a.F. (§ 66 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 AufenthG n.F.) für die Abschiebungskosten haften, wenn sie sich nach § 96 AufenthG strafbar machen, wobei die Beschäftigung von Ausländern, die keine Arbeitserlaubnis besitzen, als Tathandlung nach § 96 AufenthG (ggf. i.V.m. § 14 StGB) in Betracht kommt (hierzu allgemein Mosbacher, in: GK-AufenthG (Stand: Juli 2008), § 96 Rn. 12 ff.).
- 28
Soweit von einigen Gerichten die Auffassung vertreten wird, dass auch (faktische) Geschäftsführer einer GmbH Arbeitgeber im Sinne von § 66 Abs. 4 S. 1 AufenthG a.F. sind bzw. sein können (so VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 11.06.1985, 11 S 760/82, DÖV 1986, 160 [zu § 24a Abs. 6a AuslG 1965]); ohne nähere Begründung: VG Frankfurt, Gerichtsbescheid v. 23.06.2010, 7 K 614/10.F, juris, Rn. 17; VG Augsburg, Urt. v. 02.08.2001, Au 6 K 01.68, juris, Rn. 27), vermag das Gericht dem aus den dargelegten Gründen nicht zu folgen. Die vom VGH Baden-Württemberg für seine gegenteilige Auffassung ins Feld geführten Argumente vermögen das erkennende Gericht nicht zu überzeugen. Der VGH Baden-Württemberg stellt wesentlich darauf ab, dass der dortige Kläger als Geschäftsführer der GmbH die abgeschobenen Ausländer eingestellt, ihnen die Arbeitsstelle zugewiesen und sie entlohnt habe und damit erkennbar nach außen das objektive Bild des Arbeitgebers („Chef“) abgegeben habe. Für vergleichbare tatsächliche Handlungen des hiesigen Klägers als Anknüpfungspunkt für seine Inanspruchnahme gibt der vorliegende Fall indes nichts her. Im Übrigen mag der Kläger im Falle des VGH Baden-Württemberg durch seine Handlungen zwar in der „Laiensphäre“ das Bild des Arbeitgebers abgegeben haben; in rechtlicher Hinsicht nahm er durch diese Handlungen jedoch nur Arbeitgeberfunktionen wahr, ohne selbst zum Arbeitgeber zu werden (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 22.06.2016, L 8 R 1013/15, juris, Rn. 83). Soweit der VGH Baden-Württemberg ergänzend darauf abstellt, dass der Kläger sich die Vorteile zurechnen lassen müsse, die durch den Einsatz der Ausländer eingetreten seien, da seine Tätigkeit aufgrund der Tatsache, dass er auch Gesellschafter der GmbH mit einer beherrschenden Kapitalbeteiligung von 75% gewesen sei, einer selbstständigen Erwerbstätigkeit gleichzustellen sei, vermag auch diese Begründung das erkennende Gericht nicht zu überzeugen. Denn die - insbesondere im Sozial- und Steuerrecht relevante - Frage, ob ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit (als Arbeitnehmer) oder einer selbstständigen Erwerbstätigkeit (als Unternehmer) nachgeht (vgl. hierzu beispielhaft BSG, Urt. 24.11.2005, B 12 RA 1/04 R, juris, Rn. 13; BFH, Urt. v. 10.03.2005, V R 29/03, juris, Rn. 12 ff.; siehe auch BVerwG, Urt. v. 29.11.1984, 3 C 7/84, juris, Rn. 15 ff.), hat für die Frage, ob er Arbeitgeber ist oder nicht, keine Bedeutung.
- 29
Die Verneinung der Arbeitgebereigenschaft des Klägers steht auch nicht im Widerspruch zu der Entscheidung des BVerwG vom 13.11.1979 (BVerwG, Urt. v. 13.11.1979, 1 C 31/78, juris). In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall zur Arbeitnehmer-Überlassung war nicht der Verleiher als eigentlicher Arbeitgeber der Leiharbeitnehmer, sondern der Entleiher hinsichtlich der Abschiebungskosten in Anspruch genommen worden. Die Haftung des Entleihers bejahte das Bundesverwaltungsgericht, weil nach den anzuwendenden Vorschriften aus dem Arbeitnehmerüberlassungsrecht die Verträge zwischen dem Verleiher und den Leiharbeitnehmern unwirksam waren und deshalb ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und den Leiharbeitsnehmern als zustande gekommen galt (BVerwG, Urt. v. 13.11.1979, 1 C 31/78, juris, Rn. 27). Die Arbeitgebereigenschaft des Entleihers wurde durch die anzuwendenden Regelungen des Arbeitnehmerüberlassungsrechts mithin fingiert. Die Frage, ob der Entleiher auch bei Vorliegen eines wirksamen Arbeitnehmerüberlassungsverhältnisses für die Abschiebungskosten gehaftet hätte, hat das BVerwG ausdrücklich offen gelassen (BVerwG, aaO).
- 30
Schließlich rechtfertigt auch die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20.05.2015 zur Inanspruchnahme des Geschäftsführers einer GmbH hinsichtlich der Durchführung einer bodenschutzrechtlichen Untersuchung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG kein anderes Ergebnis. Zwar hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in dieser Entscheidung festgestellt, dass neben der GmbH selbst auch Leitungspersonen der GmbH als Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung ordnungspflichtig sein können, wenn sie die zu der schädlichen Bodenveränderung führenden Umstände in dem betreffenden Unternehmen zentral und umfassend gesteuert haben (OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 20.05.2015, 16 A 1686/09, juris, Rn. 120 ff.; Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BVerwG, Beschl. v. 22.02.2016,7 B 36/15, juris). Dieser Entscheidung liegt indes die in der Rechtsprechung entwickelte Definition des Verursacherbegriffs zugrunde, die im Wesentlichen darauf abstellt, wer bei wertender Betrachtung die Gefahr bzw. den Schaden (mit-)herbeigeführt hat (vgl. hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 20.05.2015, 16 A 1868/09, juris, Rn. 120 ff.; BVerwG, Beschl. v. 12.04.2006, 7 B 30/06, juris, Rn. 4). Auf die vorliegende Konstellation, in der es um den strikt rechtlich geprägten Begriff des „Arbeitgebers“ geht, kann diese Rechtsprechung daher nicht übertragen werden. Vorliegend ist - wie dargelegt - nicht der Kläger, sondern die A-GmbH Arbeitgeber der Frau C gewesen, und zwar auch dann, wenn man insoweit eine „wertende Betrachtung“ für erforderlich halten würde. Denn aufgrund der rechtlichen Selbstständigkeit der A-GmbH ist die unselbstständige Erwerbstätigkeit der Frau C dieser und nicht dem Kläger zuzurechnen.
- 31
In Anbetracht der fehlenden Arbeitgebereigenschaft des Klägers ist den Fragen, ob den Kläger ein Verschulden trifft (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.10.2012, 10 C 6/12, juris, Rn. 18) und ob die die Abschiebungskosten auslösenden Amtshandlungen rechtmäßig gewesen sind (vgl. hierzu ebenfalls BVerwG, Urt. v. 16.10.2012, 10 C 6/12, juris, Rn. 18), nicht mehr nachzugehen.
2.
- 32
Angesichts der seitens der Beklagten vorgenommenen eindeutigen Inanspruchnahme des Klägers als Arbeitgeber nach § 66 Abs. 4 S. 1 AufenthG a.F. kommt auch seine Inanspruchnahme gemäß § 66 Abs. 4 S. 2 AufenthG a.F., wonach derjenige in gleicher Weise wie der Arbeitgeber haftet, der eine nach § 96 AufenthG strafbare Handlung begeht, nicht in Betracht. Dabei braucht das Gericht nicht der Frage nachzugehen, ob der Kläger sich tatsächlich gemäß § 96 AufenthG wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt in Form der Beschäftigung von Ausländern ohne erforderliche Aufenthaltserlaubnis (vgl. hierzu allgemein Mosbacher, in: GK-AufenthG (Stand: Juli 2008), § 96 Rn. 12 ff.) strafbar gemacht hat. Denn bei der Auswahl zwischen mehreren für die Abschiebungskosten haftenden Personen hat die Beklagte ein Auswahlermessen (vgl. OVG Sachsen, Urt. v. 30.01.2014, 3 A 247/13, juris, Rn. 22; Bauer, in: Dienelt/Bergmann, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 67 AufenthG, Rn. 10). Da die Beklagte eine Haftung nach § 66 Abs. 4 S. 2 AufenthG a.F. ersichtlich nicht in Betracht gezogen hat, hat sie unter diesem Gesichtspunkt ein (Auswahl-)Ermessen nicht ausgeübt. Dies wäre indes schon deshalb notwendig gewesen, weil eine Strafbarkeit der für die Einstellung von Reinigungskräften verantwortlichen Mitarbeiter D und E der A-GmbH nach § 96 AufenthG zumindest ebenso wahrscheinlich sein dürfte wie eine Strafbarkeit des Klägers. Auch eine Strafbarkeit von Mitarbeitern des F-Hotels nach § 96 AufenthG, bei der Frau C für die A-GmbH arbeitete, dürfte sich nicht von vornherein ausschließen lassen. Eine Aufrechterhaltung der angefochtenen Bescheide auf der Grundlage von § 66 Abs. 4 S. 2 AufenthG a.F. (vgl. allgemein zum Austausch der Rechtsgrundlage VG Freiburg, Urt. v. 25.06.2003, 1 K 1901/99, Rn. 16 m.w.N.) kommt vor diesem Hintergrund nicht in Betracht (vgl. auch VG Ansbach, Beschl. v. 19.01.2004, AN 9 S 03.02166, juris, Rn. 46 [keine Umdeutung einer Inanspruchnahme als Handlungsstörer in eine Inanspruchnahme als Zustandsstörer]; siehe auch VG Frankfurt/Oder, Urt. v. 05.09.2012, 6 K 945/09, juris, Rn. 28).
II.
- 33
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 167 Abs. 1 und 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 12. Okt. 2016 - 17 K 4024/15
Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 12. Okt. 2016 - 17 K 4024/15
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 12. Okt. 2016 - 17 K 4024/15 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
(1) Kosten, die durch die Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung entstehen, hat der Ausländer zu tragen.
(2) Neben dem Ausländer haftet für die in Absatz 1 bezeichneten Kosten, wer sich gegenüber der Ausländerbehörde oder der Auslandsvertretung verpflichtet hat, für die Ausreisekosten des Ausländers aufzukommen.
(3) In den Fällen des § 64 Abs. 1 und 2 haftet der Beförderungsunternehmer neben dem Ausländer für die Kosten der Rückbeförderung des Ausländers und für die Kosten, die von der Ankunft des Ausländers an der Grenzübergangsstelle bis zum Vollzug der Entscheidung über die Einreise entstehen. Ein Beförderungsunternehmer, der schuldhaft einer Verfügung nach § 63 Abs. 2 zuwiderhandelt, haftet neben dem Ausländer für sonstige Kosten, die in den Fällen des § 64 Abs. 1 durch die Zurückweisung und in den Fällen des § 64 Abs. 2 durch die Abschiebung entstehen.
(4) Für die Kosten der Abschiebung oder Zurückschiebung haftet:
- 1.
wer als Arbeitgeber den Ausländer als Arbeitnehmer beschäftigt hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war; - 2.
ein Unternehmer, für den ein Arbeitgeber als unmittelbarer Auftragnehmer Leistungen erbracht hat, wenn ihm bekannt war oder er bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen müssen, dass der Arbeitgeber für die Erbringung der Leistung den Ausländer als Arbeitnehmer eingesetzt hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war; - 3.
wer als Generalunternehmer oder zwischengeschalteter Unternehmer ohne unmittelbare vertragliche Beziehungen zu dem Arbeitgeber Kenntnis von der Beschäftigung des Ausländers hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war; - 4.
wer eine nach § 96 strafbare Handlung begeht; - 5.
der Ausländer, soweit die Kosten von den anderen Kostenschuldnern nicht beigetrieben werden können.
(4a) Die Haftung nach Absatz 4 Nummer 1 entfällt, wenn der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen nach § 4a Absatz 5 sowie seiner Meldepflicht nach § 28a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit den §§ 6, 7 und 13 der Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung oder nach § 18 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes nachgekommen ist, es sei denn, er hatte Kenntnis davon, dass der Aufenthaltstitel oder die Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung oder die Aussetzung der Abschiebung des Ausländers gefälscht war.
(5) Von dem Kostenschuldner kann eine Sicherheitsleistung verlangt werden. Die Anordnung einer Sicherheitsleistung des Ausländers oder des Kostenschuldners nach Absatz 4 Satz 1 und 2 kann von der Behörde, die sie erlassen hat, ohne vorherige Vollstreckungsanordnung und Fristsetzung vollstreckt werden, wenn andernfalls die Erhebung gefährdet wäre. Zur Sicherung der Ausreisekosten können Rückflugscheine und sonstige Fahrausweise beschlagnahmt werden, die im Besitz eines Ausländers sind, der zurückgewiesen, zurückgeschoben, ausgewiesen oder abgeschoben werden soll oder dem Einreise und Aufenthalt nur wegen der Stellung eines Asylantrages gestattet wird.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Kosten, die durch die Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung entstehen, hat der Ausländer zu tragen.
(2) Neben dem Ausländer haftet für die in Absatz 1 bezeichneten Kosten, wer sich gegenüber der Ausländerbehörde oder der Auslandsvertretung verpflichtet hat, für die Ausreisekosten des Ausländers aufzukommen.
(3) In den Fällen des § 64 Abs. 1 und 2 haftet der Beförderungsunternehmer neben dem Ausländer für die Kosten der Rückbeförderung des Ausländers und für die Kosten, die von der Ankunft des Ausländers an der Grenzübergangsstelle bis zum Vollzug der Entscheidung über die Einreise entstehen. Ein Beförderungsunternehmer, der schuldhaft einer Verfügung nach § 63 Abs. 2 zuwiderhandelt, haftet neben dem Ausländer für sonstige Kosten, die in den Fällen des § 64 Abs. 1 durch die Zurückweisung und in den Fällen des § 64 Abs. 2 durch die Abschiebung entstehen.
(4) Für die Kosten der Abschiebung oder Zurückschiebung haftet:
- 1.
wer als Arbeitgeber den Ausländer als Arbeitnehmer beschäftigt hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war; - 2.
ein Unternehmer, für den ein Arbeitgeber als unmittelbarer Auftragnehmer Leistungen erbracht hat, wenn ihm bekannt war oder er bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen müssen, dass der Arbeitgeber für die Erbringung der Leistung den Ausländer als Arbeitnehmer eingesetzt hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war; - 3.
wer als Generalunternehmer oder zwischengeschalteter Unternehmer ohne unmittelbare vertragliche Beziehungen zu dem Arbeitgeber Kenntnis von der Beschäftigung des Ausländers hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war; - 4.
wer eine nach § 96 strafbare Handlung begeht; - 5.
der Ausländer, soweit die Kosten von den anderen Kostenschuldnern nicht beigetrieben werden können.
(4a) Die Haftung nach Absatz 4 Nummer 1 entfällt, wenn der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen nach § 4a Absatz 5 sowie seiner Meldepflicht nach § 28a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit den §§ 6, 7 und 13 der Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung oder nach § 18 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes nachgekommen ist, es sei denn, er hatte Kenntnis davon, dass der Aufenthaltstitel oder die Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung oder die Aussetzung der Abschiebung des Ausländers gefälscht war.
(5) Von dem Kostenschuldner kann eine Sicherheitsleistung verlangt werden. Die Anordnung einer Sicherheitsleistung des Ausländers oder des Kostenschuldners nach Absatz 4 Satz 1 und 2 kann von der Behörde, die sie erlassen hat, ohne vorherige Vollstreckungsanordnung und Fristsetzung vollstreckt werden, wenn andernfalls die Erhebung gefährdet wäre. Zur Sicherung der Ausreisekosten können Rückflugscheine und sonstige Fahrausweise beschlagnahmt werden, die im Besitz eines Ausländers sind, der zurückgewiesen, zurückgeschoben, ausgewiesen oder abgeschoben werden soll oder dem Einreise und Aufenthalt nur wegen der Stellung eines Asylantrages gestattet wird.
Tenor
-
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 15. April 2011 - 6 Sa 3/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien des Revisionsverfahrens - der Kläger und die Beklagte zu 2) - streiten im Wesentlichen darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis bestand und durch Kündigung vom 30. April 2010 beendet worden ist.
- 2
-
Die Beklagte zu 2) ist die Verwalterin des gemeinschaftlichen Eigentums der ursprünglich als Beklagte zu 1) mitverklagten Wohnungseigentümergemeinschaft T (im Folgenden: Beklagte zu 1)). Der Rechtsstreit gegen die Beklagte zu 1) ist aufgrund rechtskräftiger - klageabweisender - Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erledigt.
-
Vertreten durch eine Vorgängerin der Beklagten zu 2) schloss die Beklagte zu 1) mit dem Kläger im September 1993 einen Arbeitsvertrag als Hausmeister. Dort heißt es auszugsweise:
-
„ARBEITSVERTRAG
zwischen
der Wohnungseigentümergemeinschaft …, vertreten durch …, als Verwalterin,
- im folgenden Dienstberechtigte genannt
und
…
- im folgenden Hausmeister genannt,
wird folgender Arbeitsvertrag abgeschlossen:
§ 1 Vertragsdauer
Das Arbeitsverhältnis beginnt am 01.09.1993. Es kann von beiden Vertragsparteien mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden. …
§ 2 Aufgaben des Hausmeisters
1.
Der Hausmeister hat das gemeinschaftliche Eigentum der Dienstberechtigten zu betreuen, …
…
§ 7 Weisungsbefugnis
1.
Weisungsberechtigt gegenüber dem Hausmeister ist die Verwalterin.
Die Weisungsbefugnis wird nach allgemeiner Zielsetzung der Aufgaben des Arbeitsvertrages und auf der Grundlage von Anweisungen der Verwalterin an den leitenden Hausmeister delegiert. Eigentümer und von der Dienstberechtigten gewählte Ausschüsse sind nicht weisungsberechtigt.
2.
Die Verwalterin ist berechtigt, den in § 2 dieses Vertrages festgelegten Aufgabenbereich zu ändern.
§ 8 Ergänzende Vorschriften
Für das Verhältnis zwischen der Dienstberechtigten und dem Hausmeister gelten ergänzend die Vorschriften der §§ 611 bis 630 BGB, sofern nicht etwas anderes vereinbart ist.“
- 4
-
Die Beklagte zu 2) kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger namens und im Auftrag der Beklagten zu 1) durch Schreiben vom 30. April 2010 zum 31. Oktober 2010.
- 5
-
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, entgegen der äußeren Vertragsform sei nicht die Beklagte zu 1), sondern die Beklagte zu 2) seine Arbeitgeberin gewesen. Nur diese sei berechtigt gewesen, die Arbeitsleistung zu verlangen. Sämtliche Weisungsbefugnisse seien bei ihr angesiedelt gewesen. Damit sei ihr die Ausübung der Arbeitgeberfunktion vollständig übertragen worden. Seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit habe der Beklagten zu 2) dazu gedient, eigene, durch den Verwaltervertrag begründete Pflichten gegenüber der Beklagten zu 1) zu erfüllen. Die Abspaltung des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts dürfe zur Vermeidung eines Rechtsmissbrauchs nicht ohne Auswirkung auf die kündigungsschutzrechtliche Stellung bleiben. Sonst könnten Großunternehmen ohne Aufgabe der Arbeitgeberstellung eine Vielzahl kleiner, aus dem Anwendungsbereich des § 23 KSchG herausfallender Unternehmen gründen und sich - aufgrund rein formaler Anstellung der Arbeitnehmer bei den Kleinunternehmen - der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes entziehen.
-
Der Kläger hat - soweit im Revisionsverfahren von Bedeutung - beantragt
-
1.
festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 2) durch die schriftliche Kündigung vom 30. April 2010 nicht aufgelöst worden ist;
2.
festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 2) auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31. Oktober 2010 hinaus fortbesteht;
3.
die Beklagte zu 2) zu verurteilen, ihm ein endgültiges Zeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten und Leistung erstreckt.
- 7
-
Die Beklagte zu 2) hat die Ansicht vertreten, zwischen ihr und dem Kläger habe kein Arbeitsverhältnis bestanden. Aus dem Arbeitsvertrag ergebe sich ein Arbeitsverhältnis allein mit der Beklagten zu 1). Diese sei berechtigt gewesen, die Arbeitsleistung vom Kläger zu fordern. Ausgeschlossen gewesen sei lediglich eine Weisungsberechtigung einzelner Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft und eine Ausübung des Weisungsrechts durch deren Ausschüsse.
-
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger die gegen die Beklagte zu 2) gerichteten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
- 9
-
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Klage zu Recht abgewiesen.
- 10
-
A. Die Klage ist zulässig.
- 11
-
I. Die Feststellungsanträge zu 1) und 2) sind als einheitliches Begehren zu verstehen gerichtet auf die Feststellung, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) ein Arbeitsverhältnis besteht, welches durch die von der Beklagten zu 2) namens und im Auftrag der Beklagten zu 1) ausgesprochene Kündigung nicht aufgelöst worden ist.
- 12
-
II. Mit dieser Maßgabe ist das Feststellungsbegehren des Klägers zulässig. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben. Die Beklagte zu 2) bestreitet, dass zwischen ihr und dem Kläger ein Arbeitsverhältnis bestanden habe.
- 13
-
B. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Beklagte zu 2) ist weder für das Feststellungsbegehren noch für den Antrag auf Erteilung eines Zeugnisses passivlegitimiert. Zwischen ihr und dem Kläger bestand kein Arbeitsverhältnis.
- 14
-
I. Ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) ist nicht durch vertragliche Vereinbarung begründet worden.
- 15
-
1. Ein Arbeitsverhältnis ist die durch Arbeitsvertrag begründete zweiseitige Pflicht zum Austausch von Arbeit gegen Entgelt zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber (vgl. Schaub/Linck 14. Aufl. § 29 Rn. 8; MünchKomm-BGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 611 Rn. 158).
- 16
-
a) Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (vgl. BAG 15. Februar 2012 - 10 AZR 301/10 - Rn. 13, EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 21; 14. März 2007 - 5 AZR 499/06 - Rn. 13 mwN, AP BGB § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 10 ). Arbeitgeber ist der andere Teil des Arbeitsverhältnisses, also derjenige, der die Dienstleistungen vom Arbeitnehmer kraft des Arbeitsvertrags fordern kann (vgl. BAG 9. September 1982 - 2 AZR 253/80 - zu II 2 der Gründe, BAGE 40, 145) und damit die wirtschaftliche und organisatorische Dispositionsbefugnis über die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers und den Nutzen aus ihr hat (vgl. BAG 19. März 1992 - 2 AZR 396/91 - zu II 2 a cc der Gründe; 9. September 1982 - 2 AZR 253/80 - zu II 2 a der Gründe, aaO; Konzen ZfA 1982, 295, 296 f.). Insoweit kommt es auf den im Einzelfall erkennbaren Parteiwillen an (vgl. BAG 21. Januar 1999 - 2 AZR 648/97 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 90, 353; 6. Februar 1975 - 2 AZR 6/74 - zu II 1 d der Gründe).
- 17
-
b) Das Unionsrecht gebietet kein abweichendes Verständnis. Zwar ist für den durch die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. EG L 82 vom 22. März 2001 S. 16) gewährten Schutz nicht unter allen Umständen eine vertragliche Beziehung der Arbeitnehmer zum Veräußerer erforderlich (vgl. EuGH 21. Oktober 2010 - C-242/09 - [Albron Catering] Rn. 24, AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 7 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2001/23 Nr. 5). Auch ein sog. nichtvertraglicher Arbeitgeber, an den die Arbeitnehmer ständig überstellt sind, kann als „Veräußerer“ im Sinne der Richtlinie 2001/23/EG anzusehen sein (vgl. EuGH 21. Oktober 2010 - C-242/09 - [Albron Catering] Rn. 26, aaO). Vom Begriff des Veräußerers im Sinne der Betriebsübergangsrichtlinie zu unterscheiden ist aber der des Arbeitgebers, mit dem ein Arbeitsverhältnis begründet wurde. Ob ein solches besteht, ist nach nationalem Recht zu beurteilen (vgl. - unter Hinweis auf deren Art. 2 Ziff. 2 - auch für den Anwendungsbereich der RL 2001/23/EG EuGH 21. Oktober 2010 - C-242/09 - [Albron Catering] Rn. 23, aaO).
- 18
-
2. Unter Anwendung dieser Grundsätze ist zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) bzw. deren Vorgängerin kein Arbeitsverhältnis begründet worden. Arbeitgeberinnen waren nach den vertraglichen Vereinbarungen und dem erkennbaren Parteiwillen nicht diese, sondern die Beklagte zu 1).
- 19
-
a) Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 1. September 1993 wurde zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) - vertreten durch die Vorgängerin der Beklagten zu 2) als Verwalterin - geschlossen. Die Beklagte zu 1) wird darin ausdrücklich als „Dienstberechtigte“ bezeichnet. Zwischen dieser und dem Kläger bestand nach § 8 das durch den Vertrag begründete Rechtsverhältnis. Die Verwalterin hat diesen „für die Dienstberechtigte“ unterzeichnet.
- 20
-
b) Der Verwalterin war die Ausübung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Arbeitgeberbefugnisse nicht aus eigenem Recht, sondern abgeleitet aus der Rechtsposition der Beklagten zu 1) eingeräumt worden.
- 21
-
aa) Soweit die Verwalterin nach § 7 Ziff. 1 und 2 des Arbeitsvertrags vom 1. September 1993 gegenüber dem Kläger weisungsbefugt und berechtigt war, den in § 2 des Vertrags festgelegten Aufgabenbereich des Klägers zu ändern, standen ihr diese Befugnisse nach der nicht zu beanstandenden Auslegung des Landesarbeitsgerichts lediglich als Vertreterin der Beklagten zu 1) zu.
- 22
-
(1) Es kann dahinstehen, ob es sich bei den Regelungen im Arbeitsvertrag um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, deren Auslegung durch das Landesarbeitsgericht im Revisionsverfahren einer umfassenden Überprüfung unterliegt (vgl. BAG 20. Mai 2008 - 9 AZR 271/07 - Rn. 18, AP BGB § 305 Nr. 13; 9. September 2010 - 2 AZR 446/09 - Rn. 18 ff.), oder ob atypische Willenserklärungen vorliegen, deren Auslegung revisionsrechtlich nur daraufhin überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt, gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat (vgl. BAG 13. November 2007 - 3 AZR 636/06 - Rn. 22, AP BetrAVG § 1 Nr. 50; zum Ganzen: BAG 26. März 2009 - 2 AZR 633/07 - Rn. 25, BAGE 130, 166). Die Auslegung durch das Landesarbeitsgericht hält auch einer uneingeschränkten Überprüfung stand.
- 23
-
(2) Zwar ist der Wortlaut der Bestimmungen in § 7 des Arbeitsvertrags im Hinblick darauf, aus welchem Recht die Verwalterin gegenüber dem Kläger weisungsberechtigt sein sollte, nicht eindeutig. Aus der Systematik des Vertrags ergibt sich aber, dass diese das Direktionsrecht stellvertretend für die Wohnungseigentümergemeinschaft ausüben sollte. So ist die Verwalterin sowohl zu Beginn als auch in der Unterschriftenzeile des Vertragstextes als Vertreterin der Beklagten zu 1) bezeichnet. Nach § 7 Ziff. 1 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrags konnte die Weisungsbefugnis zudem auf den leitenden Hausmeister weiter delegiert werden. Dies macht deutlich, dass der Vertrag nur die Weisungsberechtigung der Verwalterin regelt, nicht aber vorsieht, dass diese oder ggf. der bevollmächtigte leitende Hausmeister die damit verbundenen Befugnisse kraft eigenen Rechts wahrnehmen sollten. Auch der Zweck des Arbeitsvertrags, wie er sowohl für die Parteien als auch für einen durchschnittlichen Vertragspartner der Beklagten zu 1) erkennbar war, spricht gegen eine Weisungsbefugnis der Verwalterin oder des leitenden Hausmeisters aus eigenem Recht. Der Arbeitsvertrag diente gem. seinem § 2 Nr. 1 der Betreuung des Gemeinschaftseigentums der Beklagten zu 1) durch den Kläger. Dazu bediente sich die Beklagte zu 1) sowohl bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses als auch bei seiner Durchführung der jeweiligen Verwalterin als ihrer Vertreterin. Der bestellte Verwalter ist das ausführende Organ einer Wohnungseigentümergemeinschaft (Bärmann/Merle WEG 11. Aufl. § 20 Rn. 11). Ihm obliegt gem. § 20 Abs. 1 WEG die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nach Maßgabe der §§ 26 bis 28 des Gesetzes. Er kann zwar im Außenverhältnis sowohl im eigenen Namen als auch im Namen der Wohnungseigentümergemeinschaft Verträge abschließen (MünchKomm-BGB/Engelhardt 5. Aufl. § 27 WEG Rn. 36; Bärmann/Merle WEG 11. Aufl. § 27 Rn. 12). Im Streitfall schloss die frühere Verwalterin des gemeinschaftlichen Eigentums der Beklagten zu 1) den Arbeitsvertrag mit dem Kläger aber ausdrücklich im Namen und damit als Vertreterin der Beklagten zu 1); ihre Vertretungsmacht als solche steht zwischen den Parteien außer Streit.
- 24
-
bb) Weisungsbefugnisse der Beklagten zu 1) gegenüber dem Kläger waren im Arbeitsvertrag nicht etwa ausgeschlossen. Die Beklagte zu 1) ließ sich vielmehr durch die bestellte Verwalterin vertreten. Nach § 7 Ziff. 1 Abs. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags waren zwar die einzelnen „Eigentümer“ und die „von der Wohnungseigentümergemeinschaft gewählten Ausschüsse“ nicht weisungsberechtigt. Dieser Ausschluss betraf aber nicht sie - die Beklagte zu 1) - selbst als Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.
- 25
-
cc) Berechtigt, den Arbeitsvertrag zu kündigen, waren gem. § 1 Satz 2 des Vertrags nur die Vertragsparteien, also der Kläger und die Beklagte zu 1). Dementsprechend erklärte die Beklagte zu 2) die Kündigung vom 30. April 2010 ausdrücklich namens und im Auftrag der Beklagten zu 1).
- 26
-
dd) Die Beklagte zu 1) war als Inhaberin des gemeinschaftlichen Eigentums selbst Nutznießerin des Anspruchs auf die Arbeitsleistung des Klägers. Weder ergibt sich aus dem Wohnungseigentumsgesetz noch sind sonst Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte zu 2) als Verwalterin des gemeinschaftlichen Eigentums der Beklagten zu 1) die Hausmeisteraufgaben mit eigenen Mitarbeitern hätte durchführen lassen müssen. Soweit sich der Kläger auf den von der Beklagten zu 1) vorgelegten Verwaltervertrag mit der Vorgängerin der Beklagten zu 2) berufen hat, bestimmte dieser in Ziff. 4.3 Satz 2 unter dem Titel „Hausmeister und sonstige Hilfskräfte“ lediglich für das Innenverhältnis zwischen der Beklagten zu 1) und der Verwalterin, dass „Weisungsberechtigung und volle Verantwortlichkeit“ beim Verwalter liegen sollten. Vertragspartner beim Abschluss der Arbeitsverträge sollte hingegen gem. Ziff. 4.3 Satz 1 des Vertrags die Beklagte zu 1) sein. Die Verwalterin handelte im Übrigen auch entsprechend Ziff. 5.1 des Verwaltervertrags nach außen im Namen und für Rechnung der Wohnungseigentümergemeinschaft.
- 27
-
ee) Die Vertragsgestaltung führt entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu einer rechtsmissbräuchlichen Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes. Die Beklagte zu 2) muss sich deshalb nicht aus diesem Grund als Arbeitgeberin behandeln lassen. Der Arbeitsvertrag wurde nicht nur formal mit der Beklagten zu 1) geschlossen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft blieb vielmehr Inhaberin der Arbeitgeberrechte, die die Verwalterin lediglich in ihrem Namen auszuüben hatte, und war wirtschaftliche Nutznießerin der Arbeitsleistung des Klägers. Die Zwischenschaltung einer Verwalterin zur Ausübung der Arbeitgeberrechte in ihrer Vertretung verfolgte erkennbar den Zweck, die Handlungsfähigkeit der Beklagten zu 1) als Arbeitgeberin sicherzustellen bzw. zu erleichtern. Der Ausschluss der einzelnen Eigentümer und der Ausschüsse von der Wahrnehmung der Weisungsbefugnisse diente der Vermeidung von Interessenkonflikten. Kommen auf Arbeitgeberseite theoretisch mehrere Personen als Vertragspartner in Betracht, erfordern auch nicht etwa eine verfassungskonforme Auslegung von §§ 1, 23 Abs. 1 KSchG oder allgemeine Rechtsgrundsätze, das Arbeitsverhältnis als mit demjenigen begründet anzusehen, der die größere Anzahl von Arbeitnehmern beschäftigt.
- 28
-
II. Ein Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten zu 2) und dem Kläger ist nicht gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG zustande gekommen. Es liegt kein Fall der Arbeitnehmerüberlassung iSv. § 1 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 AÜG vor. Der Kläger ist der Beklagten zu 2) nicht von der Beklagten zu 1) zur Abforderung seiner Arbeitsleistung im eigenen Namen überlassen worden. Die Beklagte zu 2) übte lediglich namens und im Auftrag der Beklagten zu 1) die Arbeitgeberrechte für diese aus.
-
III. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO der Kläger zu tragen.
-
Berger
Rinck
Rachor
Gans
Pitsch
(1) Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung als solche hat selbständig ihre Rechte und Pflichten; sie kann Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden.
(2) Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gläubigern derselben nur das Gesellschaftsvermögen.
(3) Die Gesellschaft gilt als Handelsgesellschaft im Sinne des Handelsgesetzbuchs.
(1) Kosten, die durch die Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung entstehen, hat der Ausländer zu tragen.
(2) Neben dem Ausländer haftet für die in Absatz 1 bezeichneten Kosten, wer sich gegenüber der Ausländerbehörde oder der Auslandsvertretung verpflichtet hat, für die Ausreisekosten des Ausländers aufzukommen.
(3) In den Fällen des § 64 Abs. 1 und 2 haftet der Beförderungsunternehmer neben dem Ausländer für die Kosten der Rückbeförderung des Ausländers und für die Kosten, die von der Ankunft des Ausländers an der Grenzübergangsstelle bis zum Vollzug der Entscheidung über die Einreise entstehen. Ein Beförderungsunternehmer, der schuldhaft einer Verfügung nach § 63 Abs. 2 zuwiderhandelt, haftet neben dem Ausländer für sonstige Kosten, die in den Fällen des § 64 Abs. 1 durch die Zurückweisung und in den Fällen des § 64 Abs. 2 durch die Abschiebung entstehen.
(4) Für die Kosten der Abschiebung oder Zurückschiebung haftet:
- 1.
wer als Arbeitgeber den Ausländer als Arbeitnehmer beschäftigt hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war; - 2.
ein Unternehmer, für den ein Arbeitgeber als unmittelbarer Auftragnehmer Leistungen erbracht hat, wenn ihm bekannt war oder er bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen müssen, dass der Arbeitgeber für die Erbringung der Leistung den Ausländer als Arbeitnehmer eingesetzt hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war; - 3.
wer als Generalunternehmer oder zwischengeschalteter Unternehmer ohne unmittelbare vertragliche Beziehungen zu dem Arbeitgeber Kenntnis von der Beschäftigung des Ausländers hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war; - 4.
wer eine nach § 96 strafbare Handlung begeht; - 5.
der Ausländer, soweit die Kosten von den anderen Kostenschuldnern nicht beigetrieben werden können.
(4a) Die Haftung nach Absatz 4 Nummer 1 entfällt, wenn der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen nach § 4a Absatz 5 sowie seiner Meldepflicht nach § 28a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit den §§ 6, 7 und 13 der Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung oder nach § 18 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes nachgekommen ist, es sei denn, er hatte Kenntnis davon, dass der Aufenthaltstitel oder die Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung oder die Aussetzung der Abschiebung des Ausländers gefälscht war.
(5) Von dem Kostenschuldner kann eine Sicherheitsleistung verlangt werden. Die Anordnung einer Sicherheitsleistung des Ausländers oder des Kostenschuldners nach Absatz 4 Satz 1 und 2 kann von der Behörde, die sie erlassen hat, ohne vorherige Vollstreckungsanordnung und Fristsetzung vollstreckt werden, wenn andernfalls die Erhebung gefährdet wäre. Zur Sicherung der Ausreisekosten können Rückflugscheine und sonstige Fahrausweise beschlagnahmt werden, die im Besitz eines Ausländers sind, der zurückgewiesen, zurückgeschoben, ausgewiesen oder abgeschoben werden soll oder dem Einreise und Aufenthalt nur wegen der Stellung eines Asylantrages gestattet wird.
(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung
- 1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und - a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder - b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
- 2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.
(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1
- 1.
gewerbsmäßig handelt, - 2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt, - 3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, - 4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder - 5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn
- 1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und - 2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.
(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.
(1) Handelt jemand
- 1.
als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs, - 2.
als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft oder - 3.
als gesetzlicher Vertreter eines anderen,
(2) Ist jemand von dem Inhaber eines Betriebs oder einem sonst dazu Befugten
- 1.
beauftragt, den Betrieb ganz oder zum Teil zu leiten, oder - 2.
ausdrücklich beauftragt, in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Inhaber des Betriebs obliegen,
(3) Die Absätze 1 und 2 sind auch dann anzuwenden, wenn die Rechtshandlung, welche die Vertretungsbefugnis oder das Auftragsverhältnis begründen sollte, unwirksam ist.
(1) Kosten, die durch die Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung entstehen, hat der Ausländer zu tragen.
(2) Neben dem Ausländer haftet für die in Absatz 1 bezeichneten Kosten, wer sich gegenüber der Ausländerbehörde oder der Auslandsvertretung verpflichtet hat, für die Ausreisekosten des Ausländers aufzukommen.
(3) In den Fällen des § 64 Abs. 1 und 2 haftet der Beförderungsunternehmer neben dem Ausländer für die Kosten der Rückbeförderung des Ausländers und für die Kosten, die von der Ankunft des Ausländers an der Grenzübergangsstelle bis zum Vollzug der Entscheidung über die Einreise entstehen. Ein Beförderungsunternehmer, der schuldhaft einer Verfügung nach § 63 Abs. 2 zuwiderhandelt, haftet neben dem Ausländer für sonstige Kosten, die in den Fällen des § 64 Abs. 1 durch die Zurückweisung und in den Fällen des § 64 Abs. 2 durch die Abschiebung entstehen.
(4) Für die Kosten der Abschiebung oder Zurückschiebung haftet:
- 1.
wer als Arbeitgeber den Ausländer als Arbeitnehmer beschäftigt hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war; - 2.
ein Unternehmer, für den ein Arbeitgeber als unmittelbarer Auftragnehmer Leistungen erbracht hat, wenn ihm bekannt war oder er bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen müssen, dass der Arbeitgeber für die Erbringung der Leistung den Ausländer als Arbeitnehmer eingesetzt hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war; - 3.
wer als Generalunternehmer oder zwischengeschalteter Unternehmer ohne unmittelbare vertragliche Beziehungen zu dem Arbeitgeber Kenntnis von der Beschäftigung des Ausländers hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war; - 4.
wer eine nach § 96 strafbare Handlung begeht; - 5.
der Ausländer, soweit die Kosten von den anderen Kostenschuldnern nicht beigetrieben werden können.
(4a) Die Haftung nach Absatz 4 Nummer 1 entfällt, wenn der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen nach § 4a Absatz 5 sowie seiner Meldepflicht nach § 28a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit den §§ 6, 7 und 13 der Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung oder nach § 18 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes nachgekommen ist, es sei denn, er hatte Kenntnis davon, dass der Aufenthaltstitel oder die Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung oder die Aussetzung der Abschiebung des Ausländers gefälscht war.
(5) Von dem Kostenschuldner kann eine Sicherheitsleistung verlangt werden. Die Anordnung einer Sicherheitsleistung des Ausländers oder des Kostenschuldners nach Absatz 4 Satz 1 und 2 kann von der Behörde, die sie erlassen hat, ohne vorherige Vollstreckungsanordnung und Fristsetzung vollstreckt werden, wenn andernfalls die Erhebung gefährdet wäre. Zur Sicherung der Ausreisekosten können Rückflugscheine und sonstige Fahrausweise beschlagnahmt werden, die im Besitz eines Ausländers sind, der zurückgewiesen, zurückgeschoben, ausgewiesen oder abgeschoben werden soll oder dem Einreise und Aufenthalt nur wegen der Stellung eines Asylantrages gestattet wird.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 3.11.2015 geändert und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens (§ 7a Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch [SGB IV]) über die Versicherungspflicht des Klägers als Gesellschafter-Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung in dem Zeitraum ab dem 25.6.2014.
3Die Beigeladene zu 1) wurde als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) mit notariellem Gesellschaftsvertrag vom 19.2.1979 (GesV a.F.) gegründet und am 3.5.1979 in das Handelsregister des Amtsgerichts (AG) Krefeld (HRB 1826) eingetragen. Gegenstand der Gesellschaft ist der Fahrzeugbau, Bremsendienst, Instandsetzung von Nutzfahrzeugen, Handel mit Zubehör und Ersatzteilen (§ 2 Abs. 1 GesV a.F.). Das Stammkapital der Beigeladenen zu 1) in Höhe von zunächst 50.000,00 DM trugen ursprünglich der Onkel des Klägers, Herr G-K P, sowie der Vater des Klägers, Herr I-K (gen. I) P jeweils zur Hälfte (§ 3 Abs. 1 GesV a.F.). § 7 des Gesellschaftsvertrages in seiner ursprünglichen Fassung hatte folgenden Wortlaut:
4Gesellschafterbeschlüsse
51. Gesellschafterbeschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit nicht die Satzung oder das Gesetz zwingend eine Mehrheit vorschreibt.
62. Je einhundert Deutsche Mark eines Geschäftsanteils gewähren eine Stimme.
7Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Gesellschaftsvertrages der Beigeladenen zu 1) vom 19.12.1979 (GesV a.F.) Bezug genommen.
8Nach zwischenzeitlich erfolgen Erhöhungen des Stammkapitals der Beigeladenen zu 1) auf einen Betrag von 250.000,00 Euro wurden die Beteiligungsverhältnisse dahingehend geändert, dass auf den Kläger und dessen Bruder, Herrn U P, jeweils eine Stammeinlage von 82.500,00 Euro sowie auf Herrn I-K P eine Stammeinlage von 85.000,00 Euro entfiel (Geschäftsanteilsübertragungsverträge vom 11.7.2007 [UR.-Nr. 657/2007] des Notars Dr. G, L sowie vom 11.12.2007 [UR.-Nr. 1188/2007] des Notars Dr. G, L).
9Mit weiterem notariellem Geschäftsanteilsübertragungsvertrag vom 28.6.2011 (UR.-Nr. 620/2011 des Notars Dr. G, L) übertrug der Vater des Klägers nach entsprechender Teilung einen Stammkapitalanteil in Höhe von jeweils 40.000,00 Euro auf den Kläger sowie dessen Bruder. Den verbliebenen Stammkapitalanteil in Höhe von 5.000,00 Euro hält Herr I-K P weiterhin.
10Mit am 8.1.2014 in das Handelsregister eingetragenem Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beigeladenen zu 1) vom 30.12.2013 wurden der am 00.00.1975 geborene und nach eigener Bekundung über eine Ausbildung zum Dipl.-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau verfügende Kläger sowie der Dipl.-Kaufmann (MBA) Herr U P zu alleinvertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreiten Geschäftsführern der Beigeladenen zu 1) bestellt. Mit Wirkung zum 31.12.2013 wurde Herr I-K P als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) abberufen.
11Unter dem 31.12.2013 schlossen der Kläger sowie die Beigeladene zu 1) einen als solchen bezeichneten "Geschäftsführer-Anstellungsvertrag", auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird.
12Mit bei der Beklagten am 29.1.2014 eingegangenem Schreiben beantragte der Kläger die Klärung seines sozialversicherungsrechtlichen Status betreffend die Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) mit dem Ziel der Feststellung, dass eine versicherungspflichtige Beschäftigung nicht vorliege. Auf die Erklärungen des Klägers in dem Formularantrag wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
13Nachdem die Beklagte den Kläger und die Beigeladene zu 1) zur beabsichtigten Feststellung des Vorliegens eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses sowie von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und nach dem Recht der Arbeitsförderung angehört hatte (Schreiben v. 9.4.2014), wurde der Gesellschaftsvertrag der Beigeladenen zu 1) mit am 6.6.2014 notariell beurkundetem Beschluss geändert. Nach der am 25.6.2014 in das Handelsregister eingetragenen Änderung wurde in § 7 des Gesellschaftsvertrages folgender Absatz 2 eingefügt:
142. Folgende Beschlüsse bedürfen einer Mehrheit von mehr als 51 % der abgegebenen Stimmen
15- Berufung und Abberufung der Geschäftsführer sowie
16- Abschluss, Änderung und Kündigung von Anstellungsverträgen, sofern die betreffenden Personen Gesellschafter sind.
17Unter dem 27.5.2014 wurde der zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) geschlossene Anstellungsvertrag vom 31.12.2013 wie folgt neu gefasst:
18§ 1 Beginn des Vertragsverhältnisses
19Die Parteien haben ihre vertraglichen Beziehungen zwar im Vertrag vom 31.12.2013 schriftlich niedergelegt. Jedoch entspricht dieser nicht den tatsächlich getroffenen Vereinbarungen und Absprachen und wird nunmehr durch diesen Vertrag ersetzt. Dieser Vertrag gibt daher die Verhältnisse wieder, die bereits ab dem 01.01.2014 gegolten haben.
20§ 2 Tätigkeit
212.1. Der Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft allein und ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.
222.2. Der Geschäftsführer leitet die Geschäfte der GmbH selbstständig und nach eigenem Ermessen.
232.3. Der Geschäftsführer ist an Weisungen der Gesellschafter nicht gebunden, es sei denn zwingende gesetzliche Regelungen stehen der Weisungsfreiheit entgegen.
24§ 3 Arbeitszeit
25Der Arbeitseinsatz erfolgt nach eigenem Ermessen von Herrn P und nach Bedarf der Firma.
26§ 4 Bezüge
274.1. Herr P erhält Bezüge in Höhe von 7.900,00 EUR monatlich. Dieser Betrag wird nach Auftragslage und Leistungsfähigkeit in der Firma angepasst.
284.2. Zusätzlich erhält Herr P eine jährliche Sonderzahlung in Form einer Tantieme in Höhe von 12 % des handelsrechtlichen Jahresüberschusses nach Verrechnung mit Verlustvorträgen und vor Abzug der Gewinntantieme und der ertragsabhängigen Steuer. Die Bemessungsgrundlage ist nicht um die Beträge, die nach Gesetz oder Satzung aus dem Jahresüberschuss in laufenden Rücklagen einzustellen ist, zu kürzen. Steuerliche Sonderabschreibungen, welche den Gewinn unmittelbar beeinflussen, werden hinzugerechnet.
29Die Tantieme ist einen Monat nach Feststellung des Jahresüberschusses durch die Gesellschafterversammlung fällig. Nachträgliche Änderungen des Jahresabschlusses sind nicht zu berücksichtigen.
304.3. Die GmbH stellt Herrn P für die Dauer dieses Vertrages einen Dienstwagen der Marke Mercedes, Typ E Klasse oder einen vergleichbaren PKW zur Verfügung und übernimmt alle damit zusammenhängenden Kosten. Die private Nutzung hat Herr P selbst zu versteuern.
314.4. Die GmbH schließt zum Zwecke der Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung auf das Leben des Geschäftsführers eine Lebensversicherung ab, wonach monatlich zusätzlich zu den in diesem Vertrag genannten Bezügen der gesetzlich festgelegte Höchstbetrag in Euro auf einen entsprechenden Direktversicherungsvertrag einbezahlt wird.
32Die Versicherungssumme wird mit Vollendung des 65. Lebensjahres, dem Eintritt der Berufsunfähigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI oder dem Tod des Geschäftsführers zur Zahlung fällig. Bezugsberechtigt sind im Erlebensfall der Geschäftsführer, im Todesfall die von ihm bestimmten Personen oder bei Fehlen einer solchen Bestimmung seine Erben.
33Scheidet Herr P vor Vollendung seines 65. Lebensjahres als Geschäftsführer der GmbH aus, ohne dass eine Berufsunfähigkeit eingetreten ist, wird die GmbH die Versicherung mit allen Rechten und Pflichten auf Herrn P übertrage, falls dieser zum Zeitpunkt seines Ausscheidens eine Dienstzeit von mindestens 10 Jahren bei der GmbH erfüllt hat.
34§ 5 Urlaub
35Herr P kann Dauer und Lage seines Urlaubs frei bestimmen, solange die Belange der Gesellschaft nicht beeinträchtigt werden.
36§ 6 Vertragsbeendigung
37Der Vertrag kann nur aus wichtigem Grund beendet werden. Im Zweifel gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen für Anstellungsverhältnisse.
38§ 7 Sonstige Vertragsbedingungen
397.1. Änderungen und Ergänzungen des Vertrages sowie Nebenabreden bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Mündliche Abreden haben in keinem Fall Wirksamkeit.
407.2. Sind einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam, so wird hierdurch die Wirksamkeit des übrigen Vertrages nicht berührt. An ihrer Stelle treten die Regelungen, die im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten des Vertragswillens der Parteien am nächsten kommen.
417.3. Mit dieser Vereinbarung werden alle vorherigen Vereinbarungen aufgehoben. Es gelten von nun an nur die Regelungen auf der vorliegenden Vereinbarung.
42Mit - an den Kläger und die Beigeladene zu 1) adressierten - Bescheiden vom 30.5.2014 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit des Klägers als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 1.1.2014 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und in diesem Versicherungsflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ab dem 1.1.2014 bestehe. In der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung bestehe keine Versicherungspflicht.
43Für die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses spreche - so die Beklagte im Wesentlichen zur Begründung - die fehlende Rechtsmacht des Klägers, kraft seines Anteils am Stammkapital der Gesellschaft einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Beigeladenen zu 1) zu nehmen. An deren Stammkapital sei er mit einem Anteil von 49% beteiligt. Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung der Beigeladenen zu 1) würden hingegen mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst, wobei sich das Stimmrecht nach der Höhe des jeweiligen Geschäftsanteils richte. Zugunsten einer abhängigen Beschäftigung sprächen überdies die Zahlung einer regelmäßigen monatlichen Festvergütung sowie der Abschluss eines die Mitarbeit des Klägers in der Gesellschaft regelnden gesonderten Anstellungsvertrages.
44Im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung aller abgrenzungsrelevanter Umstände komme den für eine selbständige Tätigkeit streitenden Indizien, namentlich der Befreiung des Klägers vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB sowie der ihm eingeräumten Alleinvertretungsberechtigung, darüber hinaus aber auch der Gewinnbeteiligung in Gestalt einer Tantieme kein überwiegendes Gewicht zu.
45Die Versicherungspflicht beginne am 1.1.2014. Ein späterer Eintritt der Versicherungspflicht in Anwendung des § 7a Abs. 6 SGB IV komme nicht in Betracht, da der Kläger einem späteren Beginn der Versicherungspflicht nicht zugestimmt habe und eine ausreichende Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge nicht nachgewiesen sei. Wegen der weiteren Begründung wird auf den Inhalt der Bescheide vom 30.5.2014 Bezug genommen.
46Gegen die an sie adressierten Bescheide erhoben der Kläger und die Beigeladene zu 1) am 10.6.2014 unter Verweis auf die am 6.6.2014 notariell beurkundete Änderung des Gesellschaftsvertrages schriftlich Widerspruch. Aufgrund der Neufassung des § 7 des Gesellschaftsvertrages verfüge der Kläger über eine Sperrminorität für sämtliche Beschlüsse, die sein Tätigkeitsverhältnis als Geschäftsführer beträfen. Seither unterfalle nicht nur die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern dem Erfordernis einer einstimmigen Beschlussfassung; vielmehr könne der Kläger auch einen maßgeblichen Einfluss auf sein Anstellungsverhältnis ausüben und seine Abberufung als Geschäftsführer verhindern. Infolge eines Irrtums seitens der Gesellschafter sei lediglich versäumt worden, die Sperrminorität in der ursprünglichen Fassung des Gesellschaftsvertrages aufzunehmen. Es sei jedoch bereits seit der Bestellung des Klägers als Geschäftsführer gewollt gewesen, dass dieser in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer nicht den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterliege. Nachdem anlässlich des Statusfeststellungsverfahrens die "fehlerhafte Entscheidung" offenbar geworden sei, sei der Gesellschaftsvertrag zugunsten eines qualifizierten Mehrheitserfordernisses geändert worden.
47Nicht zuletzt unterstreiche die Änderung des Gesellschaftsvertrages das Vertrauensverhältnis zwischen den Gesellschaftern, welches seit der Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer bestanden habe und seither praktiziert werde. Da dieses Vertrauen nicht erst seit der Beschlussfassung über die Änderung des Gesellschaftsvertrages bestanden habe, könne seit Beginn des Anstellungsverhältnisses ein maßgeblicher Einfluss des Klägers auf die Geschicke der Beigeladenen zu 1) angenommen werden. Die Rückwirkung einer gesellschaftsvertraglich verankerten Sperrminorität auf den Beginn des Anstellungsverhältnisses habe sogar die Beklagte in einem vergleichbaren Sachverhalt angenommen.
48In der Abwägung aller abgrenzungsrelevanten Umstände gewichte die Beklagte den Abschluss eines "Dienstvertrages" zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) unangemessen. Dieser Umstand folge lediglich dem Erfordernis, dass die Tätigkeit eines Geschäftsführers stets in einem Vertrag geregelt werden müsse, da andernfalls nicht klar sei, welche Aufgabe die Tätigkeit umfasse. Ungeachtet dessen betone der am 27.5.2014 neu gefasste Anstellungsvertrag die Gestaltungsfreiheit des Klägers hinsichtlich seiner Tätigkeit sowie seine Weisungsungebundenheit.
49Schließlich werde innerhalb der Gesellschaft aus Gründen familiärer Rücksichtnahme faktisch auf die Erteilung von Weisungen verzichtet. Zur weiteren Begründung seines Widerspruchs hat der Kläger auf die Bereitstellung eines Darlehens verwiesen, welches er der Beigeladenen zu 1) in Höhe von 150.000,00 Euro zur Verfügung gestellt habe. Auf den Inhalt des Darlehensrahmenvertrages vom 1.6.2011 wird Bezug genommen. Nicht zuletzt sprächen für eine selbständige Tätigkeit des Klägers seine alleinige Branchenkenntnis, die ihm erteilte Kontovollmacht über die Geschäftskonten der Gesellschaft sowie die ihm erteilte Unterschriftsberechtigung.
50Mit - an den Kläger und die Beigeladene zu 1) - adressierten Widerspruchsbescheiden vom 26.9.2014 wies die Beklagte die Widersprüche als unbegründet zurück. Unter Vertiefung der Ausführungen im Ausgangsbescheid führte sie ergänzend aus, die am 6.6.2014 beurkundete Änderung des Gesellschaftsvertrages beinhalte keine umfassende Sperrminorität und ermögliche dem Kläger lediglich partiell, die eigene Abberufung zu verhindern.
51Mit der am 7.10.2014 zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er hat zur Begründung sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Die Auffassung der Beklagten erweise sich - ungeachtet aller weiteren, für eine selbständige Tätigkeit sprechenden Indizien - allein deshalb als unrichtig, weil er kraft der am 6.6.2014 beurkundeten Änderung des Gesellschaftsvertrages über eine Sperrminorität im Hinblick auf sein eigenes Tätigkeitsverhältnis als Geschäftsführer verfüge. Aufgrund dieser Regelung unterfalle nicht lediglich die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern einem besonderem Mehrheitserfordernis; vielmehr könne er auch einen maßgeblichen Einfluss auf sein Anstellungsverhältnis ausüben und die eigene Abberufung als Geschäftsführer stets verhindern. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Verweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil v. 24.9.1992, 7 RAr 12/92) reiche eine das eigene Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers betreffende Sperrminorität aus. Im Rahmen einer solchen Sperrminorität könne der Geschäftsführer jegliche an ihn adressierte Weisungen hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort seiner Tätigkeit durch die Gesellschafterversammlung verhindern. Der Rechtsprechung könne entgegen der Annahme der Beklagten das Erfordernis einer weiterreichenden "allumfassenden" Sperrminorität nicht entnommen werden.
52Der Kläger hat beantragt,
53den Bescheid der Beklagten vom 30.5.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.9.2014 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen als Gesellschafter-Geschäftsführer seit dem 1.1.2014 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde und damit nicht der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
54Die Beklagte hat beantragt,
55die Klage abzuweisen.
56Sie hat zur Begründung auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides Bezug genommen.
57Das SG hat nach Beiziehung eines Auszugs aus dem Handelsregister im Rahmen eines am 8.9.2015 durchgeführten Termins zur Erörterung des Sachverhalts den Gesellschafter der Beigeladenen zu 1), Herrn I-K P, zeugenschaftlich vernommen. Wegen des Ergebnisses wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 8.9.2015 verwiesen.
58Mit Urteil vom 3.11.2015 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 30.5.2014 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.9.2014 teilweise aufgehoben und festgestellt, dass die Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 25.6.2014 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung nicht bestehe. Die weitergehende Klage hat das SG abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
59Gegen das ihr am 10.11.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 25.11.2015 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, die angefochtene Entscheidung widerspreche der aktuellen Rechtsprechung des BSG, wonach für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status die einem Geschäftsführer zukommende abstrakte Rechtsmacht maßgeblich sei. Die frühere "Kopf und Seele"-Rechtsprechung habe das BSG mit Urteilen vom 29.7.2015 (B 12 KR 23/13 R und B 12 R 1/15 R) aufgegeben. Mit Urteil vom 19.8.2015 (B 12 KR 9/14 R) habe das BSG zudem bestätigt, dass aus einer Darlehensgewährung kein unternehmerisches Risiko hergeleitet werden könne und familiäre Rücksichtnahmen - auch wegen der erforderlichen Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände - statusrechtlich irrelevant seien.
60Soweit sie - die Beklagte - in der Vergangenheit in Einzelfällen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung bereits vor Eintragung einer Satzungsänderung im Handelsregister eine Rechtsmachtverschiebung angenommen habe, sei hierfür die Zeitnähe der Änderung im Zusammenspiel mit anderen Besonderheiten des Einzelfalles maßgeblich gewesen. Selbst wenn - retrospektiv betrachtet - insoweit zweifelhafte Entscheidungen getroffen worden seien, könne sich der Kläger auf eine Gleichbehandlung im Unrecht nicht berufen.
61Die Beklagte beantragt,
62das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 3.11.2015 zu ändern und die Klage abzuweisen.
63Der Kläger beantragt,
64die Berufung zurückzuweisen.
65Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die von der Beklagten zur Begründung ihrer Rechtsauffassung herangezogenen Entscheidungen seien nicht geeignet, ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis des Klägers zu begründen. Ungeachtet der von der Beklagten in den Mittelpunkt gerückten Frage seiner Rechtsmacht seien Beschlüsse ohne seine Zustimmung nicht möglich. Die Beklagte führe zwar zutreffend aus, dass eine familiäre Rücksichtnahme, die nicht auf vertraglich vereinbarter Rechtsmacht beruhe, eine sozialversicherungsrechtliche Weisungsgebundenheit nicht aufhebe. Auf diesen Aspekt komme es allerdings vorliegend aufgrund der ihm eingeräumten Sperrminorität nicht an. An deren Relevanz ändere sich auch nicht deshalb etwas, weil sie einen sachlich begrenzten Anwendungsbereich habe.
66Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.
67Mit Bescheid vom 21.4.2016 hat die Beklagte den streitbefangenen Bescheid zugunsten der Feststellung geändert, dass in der von dem Kläger ausgeübten Beschäftigung als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Beigeladenen zu 1) Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht. Die Feststellung des Nichtbestehens einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung hat sie unangetastet gelassen.
68Der Senat hat die monatlichen Verdienstbescheinigungen des Klägers seit dem 1.1.2014, Jahresabschlüsse der Beigeladenen zu 1) betreffend die Kalenderjahre 2013 bis 2015 sowie eine Prüfungsmitteilung der Deutschen Rentenversicherung Rheinland vom 23.8.2011 betreffend eine für den Zeitraum vom 1.1.2007 bis zum 31.12.2010 durchgeführte Betriebsprüfung (§ 28p Abs. 1 SGB IV) beigezogen. Auf deren Inhalt wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
69In dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22.6.2016 sind Vertreter der Beigeladenen zu 2) und 3) trotz ordnungsgemäßer Terminsmitteilung nicht erschienen.
70Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten. Diese ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
71Entscheidungsgründe:
72Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen zu 2) und 3) in der Sache verhandeln und entscheiden können, da er in den ordnungsgemäßen Terminsmitteilungen auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.
73Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 30.5.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.9.2014 in seiner Fassung, die er durch den gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kraft Gesetzes zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Bescheid der Beklagten vom 21.4.2016 erlangt hat, soweit mit diesem eine Versicherungspflicht des Klägers in dem Zeitraum ab dem 25.6.2014 festgestellt worden ist. Der von diesem Verwaltungsakt erfasste Regelungszeitraum vom 1.1.2014 bis zum 24.6.2014 ist nicht Gegenstand des Verfahrens, da Rechtsmittelberechtigte eine (Anschluss-)Berufung gegen das insoweit abweisende Urteil des SG nicht erhoben haben.
74I. Die am 25.11.2015 bei dem erkennenden Gericht schriftlich eingelegte Berufung der Beklagten gegen das ihr am 10.11.2015 zugestellte Urteil des SG Düsseldorf ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 143, 144 SGG ohne gerichtliche Zulassung statthaft sowie form- und fristgerecht (§§ 151 Abs. 1, Abs. 3, 64 Abs. 1, Abs. 2, § 63 SGG) eingelegt worden.
75II. Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das SG hat den Bescheid der Beklagten vom 30.5.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.9.2014 zu Unrecht teilweise aufgehoben und zu Unrecht festgestellt, dass der Kläger seit dem 25.6.2014 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt. Diese Feststellung beschwert den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG. Die Beklagte ist für den Zeitraum ab dem 25.6.2014 in formell (hierzu 1.) und materiell (hierzu 2.) rechtmäßiger Weise zur Feststellung der Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung gelangt.
761. Gemäß § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Über den Antrag entscheidet abweichend von § 28h Abs. 2 SGB IV die Beklagte (§ 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV).
77An der Feststellung der Versicherungspflicht im Rahmen des Statusfeststellungsverfahrens war die Beklagte nicht aus formellen Gründen gehindert. Es ist nicht erkennbar, dass ein anderer Versicherungsträger im Zeitpunkt der Beantragung der Statusfeststellung, dem 29.1.2014, bereits ein Verfahren auf Feststellung einer Versicherungspflicht des Klägers in der - hier zu beurteilenden - Auftragsbeziehung als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) eingeleitet hatte.
78Die mit Prüfungsmitteilung (§ 7 Abs. 4 Beitragsverfahrensverordnung) vom 23.8.2011 abgeschlossene Betriebsprüfung (§ 28p Abs. 1 SGB IV) der Deutschen Rentenversicherung Rheinland bezog sich auf den Prüfungszeitraum vom 1.1.2007 bis zum 31.12.2010 und war schon deshalb nicht auf die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers in dessen ab dem 1.1.2014 aufgenommenen Auftragsbeziehung zur Beigeladenen zu 1) gerichtet.
792. Die Feststellung der Versicherungspflicht des Klägers ab dem 25.6.2014 ist auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Zutreffend hat die Beklagte ein zur Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung führendes Beschäftigungsverhältnis des Klägers angenommen [hierzu a)]. Tatbestände, die in diesen Zweigen der Sozialversicherung eine Versicherungsfreiheit des Klägers begründen, sind nicht gegeben [hierzu b)].
80a) Personen die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung der Versicherungspflicht (§ 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI], § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]).
81aa) Der Kläger ist bei der Beigeladenen zu 1) beschäftigt.
82Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Beschäftigung in diesem Sinne ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zu einer "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil v. 30.10.2013, B 12 KR 17/11 R, juris; Urteil v. 30.4.2013, B 12 KR 19/11 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 21; Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 17; Urteil v. 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15; BSG, Urteil v. 11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, USK 2009-25; BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).
83Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. selbständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil v. 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R; Urteil v. 29.7.2015, B 12 KR 23/13 R; Urteil v. 19.8.2015, B 12 KR 9/14 R; jeweils juris).
84Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist (BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O., juris; Senat, Urteil v. 29.6.2011, L 8 (16) R 55/08; Senat, Urteil v. 24.9.2014, L 8 R 1104/13; Senat, Urteil v. 30.4.2014, L 8 R 376/12; jeweils juris).
85Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob ein Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht (BSG, Urteil v. 4.7.2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 8 m.w.N.). Der Geschäftsführer einer GmbH ist weder wegen seiner Organstellung noch deshalb von einer abhängigen Beschäftigung ausgeschlossen, weil er gegenüber Arbeitnehmern der GmbH Arbeitgeberfunktionen ausübt. Denn auch wer Arbeitgeberfunktionen ausübt, kann seinerseits bei einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein. Maßgebend ist vor allem die Bindung des Geschäftsführers an das willensbildende Organ, in der Regel die Gesamtheit der Gesellschafter (BSG, Urteil v. 6.3.2003, B 11 AL 25/02 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 1 m.w.N.). Insoweit ist von besonderer Bedeutung, ob ein Geschäftsführer gleichzeitig Gesellschafter ist und aufgrund seiner Gesellschafterstellung maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der GmbH hat und damit Beschlüsse und Einzelweisungen an sich jederzeit verhindern kann (BSG, Urteil v. 8.8.1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4; BSG, Urt. v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R, juris, Rdnr. 23). Ist dies der Fall, ist ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu verneinen, weil der Geschäftsführer mit Hilfe seiner Gesellschafterrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann (BSG, Urteil v. 6.2.1992, 7 RAr 134/90, SozR 3-4100 § 104 Nr. 8). Ausnahmsweise kann von Bedeutung sein, ob der Einfluss des Geschäftsführers auf die Willensbildung der GmbH aufgrund besonderer Einzelfallumstände unabhängig von seiner Gesellschafterstellung so erheblich ist, dass ihm gegenüber nicht genehme Beschlüsse und jede Weisung ausgeschlossen sind und er die Geschäfte nach eigenem Gutdünken führen, d.h. frei schalten und walten kann. In solchen Fällen kann eine persönliche Abhängigkeit auch bei Diensten höherer Art zu verneinen sein, wenn die Gesellschafter tatsächlich keinerlei Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen und sich der Geschäftsführer nur in der von ihm selbst gegebenen Ordnung des Betriebes einfügt (BSG, Urteil v. 14.12.1999, B 2 U 48/98 R, USK 9975; BSG, Urteil v. 11.2.1993, 7 RAr 48/92, USK 9347; vgl. insgesamt: Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11, juris).
86(1) Der für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung des Klägers im Ausgangspunkt zugrunde zu legende Geschäftsführervertrag in seiner für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung vom 27.5.2014 (GFV n.F.) trägt arbeitsvertragliche Züge. Dieses zeigen beispielhaft der Anspruch auf Zahlung einer regelmäßigen Vergütung in Höhe von 7.900,00 Euro monatlich (§ 4.1 GFV n.F.), die den Angaben des Klägers in dem Statusfeststellungsantrag zufolge als Betriebsausgabe verbucht wird.
87Der Umstand, dass anstellungsvertraglich nach Maßgabe der in § 4.2 GFV n.F. enthaltenen Regelungen ein Anspruch auf Gewährung einer Tantieme geregelt wird, entkräftet in der gebotenen Gesamtschau die arbeitsvertragliche Typik nicht. Auch wenn Regelungen über die Gewährung einer Tantieme nicht standardisiert in Arbeitsverträgen enthalten sind, finden entsprechende Vereinbarungen als personalwirtschaftliches Steuerungsinstrument leistungsorientierter Vergütung gleichwohl in vielen Anstellungsverträgen, insbesondere bei solchen leitender Arbeitnehmer, Eingang und sind daher arbeitsvertraglichen Vereinbarungen keineswegs fremd. Entsprechendes gilt für die anstellungsvertraglich vorgesehene Lockerung der Weisungsdichte hinsichtlich der Arbeitszeit des Klägers (§ 3 GFV n.F.) und der in § 5 GFV n.F. eingeräumten Befugnis des Klägers, Dauer und Lage des Urlaubs frei zu bestimmen, solange die Belange der Gesellschaft nicht beeinträchtigt werden. Eher kennzeichnend für die arbeitsvertraglicher Natur sind überdies die in § 4.3. GFV n.F. gewährleistete Bereitstellung eines Dienstwagens sowie die in § 4.4. GFV n.F. enthaltene Verpflichtung der Beigeladenen zu 1), zugunsten des Klägers versicherungsvertraglich zum Zwecke der Alters-, Berufungsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung auf das Leben des Geschäftsführers eine Direktversicherung abzuschließen. Die in § 4.1 Satz 2 GFV n.F. enthaltene Regelung, wonach die monatlichen Bezüge des Klägers je nach Auftragslage und Leistungsfähigkeit angepasst werden, mag nicht ohne Weiteres arbeitsvertragstypisch sein, ist aber zumindest für unzweifelhaft beschäftigte Fremdgeschäftsführer nicht unüblich. Die Geschäftsführerbezüge einer GmbH müssen der Höhe nach angemessen sein und eine Herabsetzung bei einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft ermöglichen (vgl. nur Kort, AG 2016, 209, 213). Hierbei kann der Senat offen lassen, ob sich eine Verpflichtung des Geschäftsführers einer GmbH, im Falle einer Krise der Gesellschaft einer Herabsetzung seiner Bezüge zuzustimmen, aus einer entsprechenden Anwendung des § 87 Abs. 2 Aktiengesetz (AktG) ergibt (so noch Bundesgerichtshof [BGH], Urteil v. 15.6.1992, II ZR 88/91, juris; Oberlandesgericht [OLG] Köln, Beschluss v. 6.7.2007, 18 U 131/07, juris; Paefgen, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl. 2014, § 35 GmbHG, Rdnr. 370; verneinend nunmehr BGH, Urteil v. 27.10.2015, II ZR 296/14, juris mit kritischer Anmerkung Kort, AG 2016, 209, 213) oder aus seiner organschaftlichen Treuepflicht, wobei § 87 Abs. 2 AktG lediglich seinem wesentlichen Rechtsgedanken nach zur Konkretisierung herangezogen wird (Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 35 Rdnr. 183, 187; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl. 2015, § 6 Rdnr. 93; Lunk/Stolz, NZA 2010, 121, 123f.). Überdies ist bei der Würdigung des § 4.1 Satz 2 GFV n.F. auch zu berücksichtigen, dass Vereinbarungen zur Reduzierung von Entgeltansprüchen auch bei unstreitig beschäftigten Arbeitnehmern mit dem Ziel der Konsolidierung der wirtschaftlichen Verfassung eines Unternehmens in der arbeitsrechtlichen Praxis durchaus anzutreffen sind. So sind als betriebswirtschaftliche Handlungsoption zur Sicherung der Liquidität eines Unternehmens und als Instrument zur Beschäftigungssicherung beispielsweise betriebliche Vereinbarungen zur Reduzierung von Entgeltansprüchen anerkannt. Die in § 2.2. GFV n.F. enthaltene Regelung, wonach der Kläger die Geschäfte selbständig und nach freiem Ermessen leitet, ist zwar nicht typisch für einen Arbeitsvertrag. Allerdings nimmt auch der abhängig beschäftigte Fremdgeschäftsführer Arbeitgeberfunktionen war. Zudem ist die Einräumung weitgehender Handlungsfreiräume auch bei Arbeitnehmern, die Dienste höherer Art verrichten, nicht ungewöhnlich. Entsprechendes gilt für die in § 2.3. GFV n.F. enthaltene Regelung, wonach der Kläger an Weisungen der Gesellschafter nicht gebunden ist, es sei denn, zwingende gesetzliche Regelungen stehen der Weisungsfreiheit entgegen. Diese Regelung vermittelt indessen bei näherer Würdigung die von dem Kläger angenommene Weisungsfreiheit gegenüber der Beigeladenen zu 1) nicht [hierzu nachfolgend (3) (c)]. (2) Auf dieser vertraglichen Grundlage ist der Kläger in einem für ihn fremden Betrieb, nämlich dem der Beigeladenen zu 1) tatsächlich tätig geworden. Alleinige Unternehmensträgerin war die als juristische Person des Privatrechts mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestaltete GmbH selbst. Diese ist von den als Gesellschaftern dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen unabhängig (vgl. hierzu nur BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr. 7, Rdnr. 21 m.w.N.) und von den verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen getrennt zu betrachten (vgl. BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 17 Rdnr. 18). Der Kläger hat seine Tätigkeit unter Nutzung der von der Beigeladenen zu 1) bereitgestellten Räumlichkeiten und deren Infrastruktur ausgeübt. Seine Eingliederung in den Betrieb der Beigeladenen zu 1) wird überdies nicht nur durch § 2.1 und § 2.2 GFV n.F. anstellungsvertraglich verschriftlicht, wonach der Kläger die GmbH vertritt und deren Geschäfte führt, sondern auch dadurch offenbar, dass die Unternehmensführung nach eigenem Vortrag des Klägers in funktioneller Arbeitsteilung zwischen ihm und seinem Bruder erfolgt und die in diesem Rahmen praktizierte Ressortaufteilung erkennbar dem Umstand Rechnung trägt, dass der Kläger über eine Ausbildung zum Dipl.-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau verfügt und sein Bruder seine Qualifikationen als Dipl.-Kaufmann (MBA) einbringt.
88(3) Der Kläger hat seine Tätigkeit als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) auch im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV nach Weisungen ausgeübt. Er besitzt keine im Gesellschaftsrecht wurzelnde Rechtsmacht (zu diesem Erfordernis etwa BSG, Urteil v. 29.7.2015, B 12 KR 23/13 R; zur Bedeutung der gesellschaftsrechtlichen Rechtsmacht vgl. BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 17, Rdnr. 32), die ihn in die Lage versetzt hätte, eine Einflussnahme auf seine Tätigkeit, insbesondere durch ihm unter Umständen unangenehme Weisungen jederzeit zu verhindern.
89(a) Der Kläger unterlag nach §§ 37 Abs. 1, 46 des Gesetzes über die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbHG) dem Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung der Beigeladenen zu 1). Nach § 47 Abs. 1 GmbHG erfolgen die von den Gesellschaftern in den Angelegenheiten der Gesellschaft zu treffenden Bestimmungen durch Beschlussfassung nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen.
90Dieser gesetzlichen Konzeption entsprechend werden nach § 7 Abs. 1 GesV n.F. Beschlüsse innerhalb der Gesellschafterversammlung der Beigeladenen zu 1) mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Nach § 7 Abs. 3 GesV n.F. entfällt auf je einen Euro Geschäftsanteil eine Stimme. Aufgrund seines Anteils am Stammkapital der Beigeladenen zu 1) von lediglich 49% steht dem Kläger daher nicht die Rechtsmacht zu, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung jederzeit wirksam abzuwehren.
91(b) Der Kläger verfügt auch nicht über eine umfassende gesellschaftsvertraglich vereinbarte Sperrminorität, um alle ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschaft zu verhindern, was die Annahme einer abhängigen Beschäftigung ausschließen würde (Segebrecht, in: jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 7 Abs. 1 Rdnr. 103).
92(aa) Nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG reicht eine lediglich partiell wirkende Sperrminorität, etwa bzgl. der Unternehmenspolitik und der Auflösung der Gesellschaft, nicht aus, um eine sozialversicherungsrechtlich relevante Weisungsgebundenheit auszuschließen (BSG, Urteil v. 24.9.1992, 7 RAr 12/92, SozR 3-4100 § 168 Nr. 8, S. 16). Notwendig ist vielmehr eine umfassende Sperrminorität, die dem Geschäftsführer ermöglicht, nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner konkreten Tätigkeit abzuwehren (etwa BSG, Urteil v. 19.8.2015, B 12 KR 9/14 R unter Hinweis auf BSGE 38, 53, 57 f. = SozR 4600 § 56 Nr. 1, S. 5; BSGE 42, 1, 3 = SozR 2200 § 723 Nr. 1, S. 3 m.w.N.; BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 17, Rdnr. 25 m.w.N.; BSG, SozR 4-2400 § 7 Nr. 21, Rdnr. 16).
93Nach diesen Maßstäben vermittelt die in § 7 Abs. 2 GesV n.F. enthaltene Regelung, wonach Beschlüsse über die Berufung und Abberufung der Geschäftsführer sowie über Abschlüsse, Änderung und Kündigung von Anstellungsverträgen, sofern die betreffenden Personen Gesellschafter sind, dem Kläger nicht in diesem Sinne eine Rechtsmacht, sich gegenüber Weisungen der Gesellschafter in Bezug auf Zeit, Dauer, Umfang und Ort seiner Tätigkeit wirksam zur Wehr zu setzen. Der Anwendungsbereich des qualifizierten Mehrheitserfordernisses ist ausdrücklich auf die von § 7 Abs. 2 GesV n.F. erfassten Beschlussfassungen beschränkt und vermittelt dem Kläger mithin keine Rechtsmacht, etwaige übrige Weisungen der Gesellschafterversammlung der Beigeladenen zu 1) hinsichtlich seiner konkreten Geschäftsführertätigkeit wirksam abzuwehren. So ist die Gesellschafterversammlung der Beigeladenen zu 1) trotz Einfügung des § 7 Abs. 2 GesV n.F. insbesondere weiterhin in der Lage, Weisungen unterhalb der Schwelle einer Berufung und Abberufung der Geschäftsführer sowie des Abschlusses, der Änderung und der Kündigung von Anstellungsverträgen zu treffen, ohne dass der Kläger diese unter Berufung auf § 7 Abs. 2 GesV n.F. wirksam abwehren könnte.
94(bb) Ohnehin ist der Anwendungsbereich des qualifizierten Mehrheitserfordernisses des § 7 Abs. 2 GesV n.F. weniger weitreichend, als von dem Kläger angenommen. Soweit er geltend macht, er könne sich kraft der Neufassung des Gesellschaftsvertrages wirksam gegen eine Abberufung als Geschäftsführer sowie eine Kündigung des Anstellungsvertrages zur Wehr setzen, weist der Senat darauf hin, dass er jedenfalls bei einer Abberufung aus wichtigem Grund einem Stimmverbot gemäß § 47 Abs. 4 GmbHG analog unterliegt (BGH, Urteil v. 27.4.2009, II ZR 167/07, BB 2009, 1249 Ls., NJW 2009, 2300; BGH, Urteil v. 27.10.1986, II ZR 74/85, NJW 1987, 1889; BGH, Urteil v. 14.2.2000, II ZR 218/98, BB 2000, 844, NZG 2000, 546; OLG Düsseldorf, Urteil v. 24.2.2000, 6 U 77/99, NZG 2000, 1135; OLG Stuttgart, Urteil v. 13.5.2013, 14 U 12/13, NZG 2013, 1146, 1147). Insoweit ist in Rechtsprechung und Literatur lediglich umstritten, welche Anforderungen im Einzelnen an den Stimmrechtsausschluss zu stellen sind, namentlich ob der Ausschluss von der Beschlussfassung bereits bei einem substantiierten Vorwurf eines wichtigen Grundes zu bejahen ist (so OLG Brandenburg, Urteil v. 17.1.1996, 7 U 106/95, GmbHR 1996, 539, 542; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 38 Rdnr. 17; Schmidt, in Scholz [Hrsg.], GmbHG, 11. Aufl. 2014, § 46 Rdnr. 76 ["ernst zu nehmender (substantiierter) Vorwurf eines wichtigen Grundes]) oder das Stimmrecht erst ausgeschlossen ist, wenn der wichtige Grund objektiv vorlag (so OLG Karlsruhe, Urteil v. 4.5.1999, 8 U 153/97, NZG 2000, 264, 265; OLG Naumburg, Urteil v. 25.1.1996, 2 U 31/95, GmbHR 1996, 934, 936; OLG Düsseldorf, Urteil v. 23.2.2012, I 6 U 135/10), wovon der BGH jedenfalls für die Konstellation einer paritätischen Beteiligung der Gesellschafter ausgeht (BGH, Urteil v. 20.12.1982, II ZR 110/82, BGHZ 86, 177, 181 f., GmbHR 1983, 149; umfassend zum Streitstand Ensenbach, GmbHR 2016, 8, 11). Ein derartiger wichtiger Grund wird regelmäßig dann vorliegen, wenn ein Geschäftsführer sich weigert, Weisungen der Gesellschafterversammlung auszuführen.
95(cc) Da die Regelung des § 7 Abs. 2 GesV n.F. eine statusrechtlich maßgebliche Rechtsmachtverschiebung zugunsten des Klägers aus diesen Gründen bereits im Ansatz nicht vermittelt, kommt es auf die von dem Kläger aufgeworfene - im Hinblick auf § 54 Abs. 3 GmbHG indessen zu verneinende - (Folge-)Frage einer Rückwirkung der Satzungsänderung im vorliegenden Fall nicht an.
96(c) Erst Recht hat § 2.3 AnstV n.F. eine sozialversicherungsrechtlich maßgebliche Verschiebung der Rechtsmacht des Klägers nicht bewirkt. Hiernach ist der Geschäftsführer an Weisungen der Gesellschafter nicht gebunden, es sei denn, zwingende gesetzliche Regelungen stehen der Weisungsfreiheit entgegen.
97Aus dieser anstellungsvertraglichen Vereinbarung kann der Kläger schon deshalb keine sozialversicherungsrechtlich relevante Rechtsmachtverschiebung zu seinen Gunsten ableiten, da es an der erforderlichen gesellschaftsrechtlichen Verankerung mangelt. Darüber hinaus sind der schuldrechtlich vereinbarten Weisungsfreiheit schon ihrem Wortlaut nach Grenzen gesetzt. So besteht eine Weisungsfreiheit nur solange zwingende gesetzliche Regelungen dem nicht entgegenstehen. Nach den insoweit zwingenden gesetzlichen Regelungen des Gesellschaftsrechts kann aber die Kontrolle über einen Geschäftsführer nicht dadurch beseitigt werden, dass er jeder von den Gesellschaftern beeinflussbaren Aufsicht entzogen wird. Vielmehr ist die Verantwortlichkeit eines Geschäftsführers gegenüber den Gesellschaftern aufgrund des Verbots der Selbstentmündigung der Gesellschafter bzw. Grundsatz der Verbandssouveränität in ihrem Kern nicht abdingbar (Senat, Urteil v. 4.3.2015, L 8 R 931/13 unter Hinweis auf Schmidt, a.a.O., § 46 Rdnr. 113; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 45 Rdnr. 11; Mollenkopf in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 2011, § 45 Rdnr. 9; Zöllner in: Baumbach/Hueck, a.a.O., § 46 Rdnr. 7; BSG, Urteil v. 22.8.1973, 12 RK 24/72, BB 1973, 1310 für Personengesellschaften aus diesem Grund jedenfalls gegen eine stillschweigende Abbedingung der Gesellschafterbefugnis BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 R 14/10 R, USK 2012-182).
98(4) Besondere Umstände des Einzelfalles, die ausnahmsweise eine faktische Weisungsfreiheit des Klägers begründen könnten, sind nach den Feststellungen des Senats nicht gegeben.
99(a) Eine für den sozialversicherungsrechtlichen Status relevante faktische Weisungsfreiheit ergibt sich nicht aus einer familiären Verbundenheit innerhalb des Gesellschafterkreises der Beigeladenen zu 1). Die von den für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung und das Recht der Unfallversicherung zuständigen Senaten des BSG entwickelte "Kopf und Seele"-Rechtsprechung ist für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7 Abs. 1 SGB IV nicht heranzuziehen. Eine Abhängigkeit der Statuszuordnung vom rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten ist mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht in Einklang zu bringen (BSG, Urteil v. 29.7.2015, B 12 KR 23/13 R und B 12 R 1/15 R; jeweils juris unter Verweis auf BSGE 111, 257 = SozR 4-2400 § 7 Nr. 17, Rdnr. 32).
100Wegen der dem Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV schon aus diesem Grund immanenten "ex-ante"-Betrachtung spielt es auch keine Rolle, dass der Vater des Klägers im Rahmen seiner zeugenschaftlichen Vernehmung vor dem Sozialgericht (retrospektiv) bekundet hat, er habe seinen Stammkapitalanteil nie nutzen müssen.
101(b) Ebenso wenig ist die behauptete besondere Fachkompetenz und Branchenkenntnis des Klägers geeignet, eine sozialversicherungsrechtlich relevante Weisungsfreiheit zu begründen. Dieser Aspekt stellt schon keinen besonderen Umstand des Einzelfalles dar. Es liegt vielmehr in der Natur der Sache, dass jeder Geschäftsführer für seinen Geschäftsbereich ein besonderes Fachwissen und spezielle Kenntnisse und Erfahrungen einbringt, die ihn befähigen, in seinem Zuständigkeitsbereich für die Gesellschaft erfolgreich tätig zu sein (Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11, juris). In solchen Fällen ist ein stark abgeschwächtes Weisungsrecht für die ausgeübte Tätigkeit ebenso wie z.B. bei der Wahrnehmung von Tätigkeiten für leitende Angestellte, die in einem Betrieb höhere Dienste leisten, geradezu charakteristisch. Dennoch werden auch Tätigkeiten für leitende Angestellte im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes. Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 1 Satz 4 SGB VI sowie § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (BSG, Urteil v. 30.4.2013, B 12 KR 19/11 R, a.a.O.; Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, a.a.O.; jeweils m.w.N.). Allein weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem gemilderten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht schon zu einem Selbständigen (vgl. BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R; Senat, Urteil v. 17.10.2012, a.a.O.).
102(5) Für eine selbständige Tätigkeit des Klägers sprechende Gesichtspunkte sind nicht in einem die Gesamtabwägung maßgeblich bestimmenden Umfang gegeben.
103(a) Der Kläger konnte seine Tätigkeit nicht unternehmertypisch im Wesentlichen frei bestimmen. Die - auch anstellungsvertraglich vorgesehene - weitgehende Lockerung der Weisungspraxis ist bei Arbeitnehmern, die - wie der zum Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) bestellte Kläger - Dienste höherer Art ausüben, nicht ungewöhnlich.
104(b) Der Kläger verfügte über keine eigene Betriebsstätte.
105(c) Ein wesentliches unternehmerisches Risiko bestand für den Kläger im Rahmen der zu beurteilenden Auftragsbeziehung zur Beigeladenen zu 1) gleichfalls nicht.
106Maßgebendes Kriterium für ein unternehmerisches Risiko ist nach den von dem BSG entwickelten Grundsätzen (vgl. etwa BSG, SozR 3-2400 § 7 Nr. 13 S. 36 m.w.N.; BSG, Urteil v. 25.1.2011, B 12 KR 17/00 R, SozR 2001, 329, 331; BSG, Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, juris, Rdnr. 27; BSG, Urteil v. 28.9.2011, B 12 R 17/09 R, USK 2011-125, juris Rdnr. 25 f.), der sich der Senat in seiner ständigen Rechtsprechung bereits angeschlossen hat (vgl. nur Senat, Urteil v. 22.4.2015, L 8 R 680/12), ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlusts eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft (vgl. schon BSG SozR 2200 § 1227 Nr. 17 S. 37; BSG SozR -3-2400 § 7 Nr. 13 S. 36 m.w.N.; BSG Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, juris Rdnr. 27; BSG, Urteil v. 28.9.2011, B 12 R 17/09 R, USK 2011-125, juris Rdnr. 25 f.) oder größere Verdienstmöglichkeiten gegenüberstehen (vgl. BSG SozR 2400 § 2 Nr. 19, S. 30; BSG, Urteil v. 25.1.2001, B 12 KR 17/00 R, SozVers. 2001, 329, 332; zuletzt BSG, Urteil v. 31.3.2015, B 12 KR 17/13 R, juris, Rdnr. 27).
107(aa) Seine Arbeitskraft hat der Kläger nicht mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt. Er konnte vielmehr die anstellungsvertraglich vereinbarte Festvergütung in Höhe von 7.900,00 Euro beanspruchen, die ausweislich der beigezogenen Verdienstnachweise bis zum 31.3.2016 auch regelmäßig zur Auszahlung gebracht wurde. Für die Kalendermonate April und Mai 2016 hat der Kläger in gleichbleibender Höhe eine Festvergütung in Höhe von 8.090,00 Euro erhalten.
108(bb) Die Ausübung der Tätigkeit als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) hat auch einen nennenswerten eigenen, mit einem etwaigen Verlustrisiko verbundenen Kapitaleinsatz des Klägers nicht erfordert. Er konnte nach § 4.3 GFV n.F. die Gestellung eines gesellschaftseigenen Pkw der Marke Mercedes (Typ E-Klasse) oder einen vergleichbaren Pkw beanspruchen, wobei die Beigeladene zu 1) alle mit der Bereitstellung zusammenhängenden Kosten zu tragen hat. Der Kläger hatte lediglich die private Nutzung zu versteuern.
109(cc) Ein unternehmerisches Risiko in einem von der höchstrichterlichen Rechtsprechung interpretierten Sinne folgt schließlich nicht aus dem mit dem Darlehensrahmenvertrag vom 1.6.2011 der Beigeladenen zu 1) gewährten Darlehen. Der Kläger übernahm damit nur ein Haftungs- oder Ausfallrisiko, wie es mit jeder Darlehensgewährung verbunden ist. In Bezug auf die mit Wirkung zum 1.1.2014 übernommene Tätigkeit als Geschäftsführer ergaben sich aus der im Jahr 2011 erfolgten Darlehensgewährung auch keine verstärkten Einflussmöglichkeiten des Klägers auf die Beigeladene zu 1) (vgl. hierzu BSG, Urteil v. 29.7.2015, B 12 KR 23/13 R m.w.N.), da die Tilgung des Darlehens nach Ziffer 2 des Darlehensrahmenvertrages nach der Geschäftslage begann.
110(dd) Die anstellungsvertraglich vereinbarte Gewährung einer Tantieme begründet gleichfalls kein unternehmerisches Risiko in einem von der höchstrichterlichen Rechtsprechung interpretierten Sinne. Zwar kommt der Zahlung von Tantiemen für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit insoweit Bedeutung zu, als sie Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen ist (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, m.w.N., juris, Senat, Urteil v. 17.10.2012, a.a.O., juris). Vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer Tantieme an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist, kommt ihr indessen jedenfalls dann keine Indizwirkung von wesentlichem Gewicht für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit zu, wenn sie in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung - wie hier nach Maßgabe des § 4.1. GFV n.F. - deutlich hinter dem vereinbarten Festgehalt zurückbleibt.
111(d) Die dem Kläger eingeräumte Alleinvertretungsbefugnis und die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB sind bei einer kleineren GmbH wie der Beigeladenen zu 1) nicht untypisch und deuten deshalb nicht zwingend auf eine selbständige Tätigkeit hin (vgl. BSG, Urteil v. 6.3.2003, B 11 AL 25/02 R; BSG, Urteil v. 4.7.2007, B 11a AL 5/06 R, a.a.O.; Senat, Urteil v. 17.10.2012, a.a.O.; Senat, Urteil v. 18.6.2014, L 8 R 5/13, juris).
112(e) In der gebotenen Gesamtabwägung aller für und gegen die Annahme einer abhängigen Beschäftigung sprechenden Merkmale überwiegen im Gesamtbild die für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses des Klägers sprechenden Indizien erheblich. bb) Die Beschäftigung des Klägers erfolgt auch gegen Entgelt (§ 14 SGB IV). b) Tatbestände, die eine Versicherungsfreiheit des am 00.00.1975 geborenen Klägers in den allein streitigen Zweigen der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung begründen, sind nicht ersichtlich. Die Kostenscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
113Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um je zwei weitere Abschriften.
114Dr. Freudenberg Schneider Köster
115Beglaubigt
116Roth Regierungsbeschäftigte
(1) Jeder, der auf den Boden einwirkt, hat sich so zu verhalten, daß schädliche Bodenveränderungen nicht hervorgerufen werden.
(2) Der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück sind verpflichtet, Maßnahmen zur Abwehr der von ihrem Grundstück drohenden schädlichen Bodenveränderungen zu ergreifen.
(3) Der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück sind verpflichtet, den Boden und Altlasten sowie durch schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten verursachte Verunreinigungen von Gewässern so zu sanieren, daß dauerhaft keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen. Hierzu kommen bei Belastungen durch Schadstoffe neben Dekontaminations- auch Sicherungsmaßnahmen in Betracht, die eine Ausbreitung der Schadstoffe langfristig verhindern. Soweit dies nicht möglich oder unzumutbar ist, sind sonstige Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen durchzuführen. Zur Sanierung ist auch verpflichtet, wer aus handelsrechtlichem oder gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund für eine juristische Person einzustehen hat, der ein Grundstück, das mit einer schädlichen Bodenveränderung oder einer Altlast belastet ist, gehört, und wer das Eigentum an einem solchen Grundstück aufgibt.
(4) Bei der Erfüllung der boden- und altlastenbezogenen Pflichten nach den Absätzen 1 bis 3 ist die planungsrechtlich zulässige Nutzung des Grundstücks und das sich daraus ergebende Schutzbedürfnis zu beachten, soweit dies mit dem Schutz der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 2 genannten Bodenfunktionen zu vereinbaren ist. Fehlen planungsrechtliche Festsetzungen, bestimmt die Prägung des Gebiets unter Berücksichtigung der absehbaren Entwicklung das Schutzbedürfnis. Die bei der Sanierung von Gewässern zu erfüllenden Anforderungen bestimmen sich nach dem Wasserrecht.
(5) Sind schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten nach dem 1. März 1999 eingetreten, sind Schadstoffe zu beseitigen, soweit dies im Hinblick auf die Vorbelastung des Bodens verhältnismäßig ist. Dies gilt für denjenigen nicht, der zum Zeitpunkt der Verursachung auf Grund der Erfüllung der für ihn geltenden gesetzlichen Anforderungen darauf vertraut hat, daß solche Beeinträchtigungen nicht entstehen werden, und sein Vertrauen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles schutzwürdig ist.
(6) Der frühere Eigentümer eines Grundstücks ist zur Sanierung verpflichtet, wenn er sein Eigentum nach dem 1. März 1999 übertragen hat und die schädliche Bodenveränderung oder Altlast hierbei kannte oder kennen mußte. Dies gilt für denjenigen nicht, der beim Erwerb des Grundstücks darauf vertraut hat, daß schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten nicht vorhanden sind, und sein Vertrauen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles schutzwürdig ist.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2009 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Der Kläger wendet sich gegen bodenschutzrechtliche Ordnungsverfügungen des Beklagten. Er war Geschäftsführer der H. -V. Verwaltungs-GmbH mit Sitz in C. und der U. W. Verwaltungs GmbH mit Sitz in C1. . Die
3H. -V. Verwaltungs-GmbH war alleinige Geschäftsführerin der H. -V. GmbH & Co. KG (im Folgenden: H. -V. ), die U. W. Verwaltungs GmbH alleinige Geschäftsführerin der U. W. GmbH & Co. KG (im Folgenden: U. W. ). Gegenstand der Ordnungsverfügungen ist die Sanierung PFT-belasteter Flächen im Hochsauerlandkreis.
4PFT (perfluorierte Tenside) sind synthetisch hergestellte Substanzen, die in der Natur nicht vorkommen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie gleichzeitig wasserabweisend (hydrophob), fettabweisend (lipophob) und schmutzabweisend wirken. Aufgrund dieser besonderen Eigenschaften werden sie in vielen Industriebereichen eingesetzt. Verwendung finden (oder fanden) PFT etwa bei der galvanischen Oberflächenbeschichtung und in der Fotoindustrie sowie bei der Herstellung von Antihaftbeschichtungen in Töpfen und Pfannen, von wasserabweisender Kleidung und von speziellen Feuerlöschschäumen. Zu den PFT gehören unter anderem die Verbindungen PFOS (Perfluoroctansulfonat) und PFOA (Perfluoroctansäure). Aufgrund ihrer hohen Stabilität werden die chemischen Verbindungen der PFT durch die in der Umwelt üblichen Abbauprozesse praktisch nicht zerstört. Dementsprechend lassen sie sich auch dem Abwasser durch die in Kläranlagen gängigen Abbauverfahren, die im Wesentlichen auf dem Einsatz von Mikroorganismen beruhen, nicht entziehen. Mittlerweile sind sie weltweit in der Umwelt nachweisbar. PFT sind für Menschen und Tiere toxisch und stehen im Verdacht, in hohen Dosen fortpflanzungsgefährdend und krebserregend zu sein. Im Körper reichern sie sich im Blut und im Organgewebe an und werden nur langsam ausgeschieden.
5PFT waren bis 2006 nicht Gegenstand der behördlichen Umweltüberwachung. Im Frühjahr 2006 stieß das Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit (IHÖG) der Universität Bonn im Rahmen einer Studie auf auffällig erhöhte PFT-Konzentrationen in der Ruhr und nachfolgend auch in der Möhne, die neben anderen Zuflüssen den gleichnamigen Stausee speist und bei Arnsberg-Neheim in die Ruhr mündet. Nach den Angaben in einer ersten Veröffentlichung ermittelte das IHÖG an der Mündung der Möhne in die Ruhr eine PFT-Belastung von 767 ng/l und in dem einige Kilometer flussaufwärts gelegenen Stausee eine Belastung von 822 ng/l. Bei der etwa 10 km nordwestlich von Brilon gelegenen Ansiedlung Heidberg betrug die PFT-Fracht des Flusses 4385 ng/l, während bei Brilon selbst lediglich 17 ng/l gemessen wurden. In diesem Abschnitt münden die Bäche Steinbecke und Bermecke in die Möhne; die Bermecke wird weiter oberhalb unter anderem von dem Bach Kloßsiepen gespeist. Die Steinbecke und das Kloßsiepen entspringen nordwestlich des Ortsteils Scharfenberg der Stadt Brilon und durchziehen ein land- und fortwirtschaftlich genutztes Gelände. Eine weitere erhebliche PFT-Belastung stellte das IHÖG darüber hinaus in der Elpe fest, die nordostwärts von Bestwig in die Ruhr mündet; dort betrug der gemessene PFT-Gehalt 4268 ng/l.
6Bei der Ermittlung der Emissionsquelle konzentrierten sich die zuständigen Fachbehörden zunächst auf Gewerbebetriebe und die Begutachtung von Altdeponien und Altlastenstandorten im Raum Scharfenberg. Nachdem die Beprobung von Abwässern insoweit jedoch negativ verlaufen war, wurde anschließend über das Flächenverzeichnis für die Aufbringung von Klärschlämmen oder Bioabfällen recherchiert. Anhand der topographischen Gegebenheiten konnte dabei ein Zusammenhang zwischen einer von der U. W. mit Bioabfall belieferten und nachfolgend mit dem Material beaufschlagten ehemaligen Weihnachtsbaumkultur in C2. -T. und den Verunreinigungen der Gewässer Steinbecke und Bermecke hergestellt werden. Bei der fraglichen Fläche handelt es sich um die Parzellen Gemarkung T. Flur 3 Flurstücke 21, 22, 24, 25, 46, 67, 70, 175 und 176, die verschiedenen Eigentümern gehören und (jedenfalls) seit 1998/99 an das Unternehmen Baumschule B. H1. und Sohn verpachtet waren. Die genannten Flurstücke bilden ein im Wesentlichen zusammenhängendes Gelände, das von einem von Südwesten nach Nordosten verlaufenden Weg in eine sog. Nordhälfte und eine sog. Südhälfte geteilt wird. Südostwärts dieses Wegs erstrecken sich die Parzellen 67 und 70, während die übrigen Flurstücke nördlich des Wegs liegen. Dort, zwischen den Flurstücken 22 und 24, befindet sich noch das Flurstück 23, das nicht von dem Baumschulbetrieb gepachtet war. Der Weg, der die in Rede stehenden Flächen teilt, verläuft ohne nennenswerte Neigungen auf einer Höhe von etwa 450 m über NN; von hier aus fällt das Gelände nach Nordwesten in Richtung Steinbecke und nach Südosten in Richtung L. ab.
7Die H. -V. betrieb in C. (Kreis Paderborn) auf einem vormals militärisch genutzten Gelände ein Bodenmischwerk, dessen Errichtung bzw. Änderung das Staatliche Umweltamt C3. mit Bescheid vom 15. April 1998 auf der Grundlage des Bundes-Immissionsschutzgesetzes genehmigt hatte. Die ursprüngliche Genehmigung umfasste verschiedene, nach Abfallschlüsseln aufgelistete Einsatzstoffe, darunter unter anderem Klärschlämme aus der Behandlung von kommunalem Abwasser (Abfallschlüssel 19 08 05 gemäß Abfallverzeichnis-Verordnung ‑ AVV ‑). Später ergingen weitere Genehmigungen des Staatlichen Umweltamts C3. bzw. des Staatlichen Amts für V. und Arbeitsschutz Ostwestfalen-Lippe (im Folgenden: StAfUA OWL), die unter anderem eine Erweiterung des Abfallannahmekatalogs zum Gegenstand hatten. Insoweit genehmigte das Staatliche Umweltamt C3. unter dem 19. April 2000 die Annahme von Schlämmen aus der betriebseigenen Abwasserbehandlung aus Betrieben der Lebensmittelindustrie mit der Abfallschlüsselnummer 02 03 05.
8Seit Frühjahr 2002 bestanden geschäftliche Kontakte zwischen der H. -V. und der belgischen Aktiengesellschaft P. P1. Industrial Solutions NV in N. (im Folgenden: P. ). Die P. war im Bereich der Vermittlung und dem Handel von Abfällen tätig. In der Folge wurden in dem Zeitraum vom 6. November 2002 bis zum 8. Juni 2006 mehrere 10.000 t Abfall an die H. -V. geliefert. Diese Lieferungen waren im Rahmen von insgesamt fünf Notifizierungsverfahren genehmigt worden, an denen auf deutscher Seite die Bezirksregierung E. bzw. das StAfUA OWL beteiligt war. Ausweislich der eingereichten Notifizierungsunterlagen sollte es sich bei den Abfällen um Schlämme aus betriebseigener Abwasserbehandlung handeln, wobei zur Bezeichnung der Herkunft der Schlämme der Abfallschlüssel 02 03 05 verwendet wurde. Mit diesem Abfallschlüssel werden Schlämme aus der betriebseigenen Abwasserbehandlung bezeichnet, die bei der Zubereitung und Verarbeitung von Obst, Gemüse, Getreide, Speiseölen, Kakao, Kaffee, Tee und Tabak, der Konservenherstellung, der Herstellung von Hefe- und Hefeextrakten sowie der Zubereitung und Fermentierung von Melasse anfallen. In der Verfahrensbeschreibung der H. -V. war als Verwendungszweck der Abfälle die Herstellung organischer Bodenverbesserer gemäß dem Düngemittelgesetz oder der Einsatz als Mutterbodenersatzstoff im Landschaftsbau genannt.
9Mit dem in C. gemischten Material belieferten die H. -V. und die U. W. unter anderem unter der Bezeichnung "U. G. " seit 2002 Landwirte in verschiedenen Kreisen, darunter im Kreis Soest und im Hochsauerlandkreis, die dieses auf ihren Feldern ausbrachten und dafür sog. Einarbeitungsprämien erhielten. Nach Maßgabe der entsprechenden Lieferscheine gab die U. W. am 13. Mai 2004 486,30 t und am 10. und 11. Januar 2006 220,37 t des Produkts U. G. an den Baumschulbetrieb H1. ab. Dieses Material wurde nachfolgend unter anderem auf die oben näher bezeichnete, insgesamt 10,5628 ha große Fläche in C2. -T. aufgebracht.
10Im Zuge der weiteren Sachverhaltsaufklärung beauftrage die Bezirksregierung B1. mit Schreiben vom 18. Juli 2006 die Institut für Umweltanalyse Projekt-GmbH (im Folgenden: IFUA Projekt-GmbH) mit Bodenuntersuchungen im Rahmen eines Pilotverfahrens. Ausweislich des Zwischenberichts vom November 2006 wurden dabei zunächst von sieben Flächen im Kreis Soest und im Hochsauerlandkreis Bodenproben genommen. Auswahlkriterien waren vor allem die Ergebnisse eines vorangegangenen Screenings verschiedener Ausbringungsflächen, wobei sowohl hoch als auch weniger stark mit PFT belastete Flächen einbezogen wurden. Die vorgenommenen Pilotuntersuchungen führten auf allen sieben Flächen zu einem PFT-Nachweis. Mit Abstand am stärksten belastet war danach das Areal in C2. -T. . Im Oberboden wurde ein Gesamtgehalt von 6.310 µg/kg TS (Summe PFOA und PFOS) und in einer Materialprobe (Oberflächensammelprobe) von 9.250 µg/kg TS gemessen. Die noch im Boden vorhandene Gesamtmenge PFT schätzte die IFUA Projekt-GmbH auf 391 kg. Dem lag die Beprobung einer 1 ha großen, zentral gelegenen Teilfläche des nördlichen Geländeteils zugrunde. Dabei wurden in zwei Beprobungstiefen jeweils 20 Einzelproben gezogen und zu einer Mischprobe vereinigt. Die darin gemessene PFT-Konzentration rechnete die IFUA Projekt-GmbH sodann auf die Gesamtfläche hoch.
11Im Anschluss an die vorbezeichneten Pilotuntersuchungen wurden in den Folgejahren ergänzende Bodenuntersuchungen auf einer Vielzahl weiterer mit U. G. beaufschlagter Flächen durchgeführt, in deren Rahmen auf einem Maisacker in der Nähe der Ortschaft S. (Kreis Soest) eine Spitzenbelastung im Oberboden von bis zu 35.000 µg/kg TS und eine mittlere Belastung von etwa 9.000 µg/kg TS (überwiegend PFOS) gemessen wurde. Zur Sanierung dieser 2,4 ha großen Fläche ließ der Kreis Soest bis zu einer Tiefe von einem Meter insgesamt gut 32 t Erdreich ausheben und auf einer Deponie entsorgen. Die Kosten der Maßnahme beliefen sich auf 2,35 Mio. Euro. Nachdem der Kreis Soest den dortigen Pächter zunächst durch Ordnungsverfügung vom 20. Mai 2008 uneingeschränkt zur Sanierung herangezogen hatte, schlossen die dortigen Beteiligten am 14./16. Juni 2008 einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, in dem der betroffene Pächter sich zur Wiederverfüllung der ausgekofferten Ackerbereiche verpflichtete. Ausweislich des Vertrags beliefen sich die vorkalkulierten Kosten für die gesamte Sanierungsmaßnahme auf 2.699.113 Euro, von denen 350.681 Euro auf die Wiederverfüllung entfielen. Mit den PFT-Bodenbelastungen in C2. -T. und in S. annähernd vergleichbare Kontaminationen wurden in keinem anderen Fall gefunden.
12Parallel zu den Bodenuntersuchungen erfolgten umfangreiche Untersuchungen der Oberflächengewässer. Bereits im Juni 2006 hatte das Staatliche Umweltamt M. Wasserproben aus der Ruhr und ihren Nebenflüssen durch das Landesumweltamt untersuchen lassen. Dabei hatte das Amt im Bereich des Wasserwerks "Möhnebogen", das zahlreiche Haushalte der Stadt B1. namentlich in den Ortsteilen O. und I. mit Trinkwasser versorgt, im sog. Rohwasser einen PFOA-Gehalt von 570 ng/l, am Ausgang des Wasserwerks einen Gehalt von 560 ng/l sowie in der Möhne selbst einen Gehalt von 570 ng/l festgestellt. Diese Erkenntnisse veranlassten die Stadtwerke B1. , das Wasserwerk mit Aktivkohlefiltern auszustatten, wodurch die PFT-Last des Trinkwassers gesenkt werden konnte. Zur Klärung der Frage, welche Auswirkungen die PFT-Fracht im Trinkwasser bereits ausgelöst hatte, fand im Herbst 2006 eine "Querschnittstudie zur Untersuchung der inneren Belastung von Mutter-Kind-Paaren und Männern" der Abteilung für Hygiene, Sozial- und Umweltmedizin der Ruhr-Universität C4. statt, bei der sich herausstellte, dass die Belastung der Probanden insbesondere mit PFOA um ein Vielfaches höher war als der sog. Vergleichswert. Folgeuntersuchungen zeigten einen Rückgang der PFOA-Belastung, der zwischen 23 und 40 % im ersten Jahr sowie zwischen 15 und 24 % im Folgejahr lag.
13Eine von der beim Umweltbundesamt angesiedelten Trinkwasserkommission des Bundesministeriums für Gesundheit am 21. Juni 2006 erstellte vorläufige Bewertung von PFT im Trinkwasser kam zu der Einschätzung, dass derzeit zumindest ein sekundär gentoxisches Wirkungspotential von PFOA und ein daraus abzuleitendes karzinogenes Potential von PFOA und/oder PFOS für den Menschen in vorerst nicht quantifizierbarer Höhe nicht sicher auszuschließen sei. Ausgehend davon empfahl die Trinkwasserkommission unter anderem als Höchstwerte für die Summen aus PFOA und PFOS im Trinkwasser einen lebenslang duldbaren Vorsorgewert (GOW) von ≤ 0,1 µg/l und einen lebenslang gesundheitlich duldbaren Leitwert für alle Bevölkerungsgruppen ≤ 0,3 µg/l.
14Am 22. September 2006 fand eine Besprechung zwischen Bediensteten des Beklagten und dem Kläger statt mit dem Ziel, die Sanierung der PFT-belasteten Fläche in C2. -T. im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags zwischen der U. W. und dem Beklagten zu regeln. Unter dem 25. September 2006 fertigte ein Bediensteter des Beklagten einen Vermerk, in dem unter anderem Überlegungen zur Störerauswahl und zu den seinerzeit diskutierten unterschiedlichen Sanierungsverfahren festgehalten sind.
15Nachdem es zu dem beabsichtigten Vertragsschluss nicht gekommen war, gab der Beklagte der U. W. mit Verfügung vom 26. September 2006 auf, umgehend die Sanierung der oben genannten Flurstücke in C2. -T. zu veranlassen und eine weitere Belastung der Gewässer, des Grundwassers und der Trinkwasserversorgung zu unterbinden bzw. zu minimieren. Zu diesem Zweck bezeichnete der Beklagte zahlreiche Einzelmaßnahmen sowie Fristen, die zu beachten seien. Gegen diese Entscheidung erhob die U. W. Widerspruch, dem der Beklagte mit Bescheid vom 13. Oktober 2006 teilweise abhalf, indem er Fristen neu regelte. Auch gegen diesen Bescheid legte die U. W. Widerspruch ein, den die Bezirksregierung B1. mit Bescheid vom 30. Januar 2007 zurückwies. Klage wurde nicht erhoben; ein zuvor eingeleitetes Eilrechtsschutzverfahren war in beiden Rechtszügen im Wesentlichen erfolglos (VG Arnsberg, Beschluss vom 6. Oktober 2006 ‑ 14 L 943/06 ‑; OVG NRW, Beschluss vom 3. November 2006 ‑ 20 B 2273/06 ‑).
16Nach Erlass der Verfügung vom 26. September 2006 stellte die U. W. einen Antrag auf Einleitung des Insolvenzverfahrens, woraufhin das Amtsgericht Mühlhausen mit Beschluss vom 19. Dezember 2006 die vorläufige Insolvenzverwaltung anordnete. Vor diesem Hintergrund untersuchte der Beklagte ausweislich eines Aktenvermerks vom 16. November 2006 die Möglichkeit der Inanspruchnahme weiterer Störer. Dort heißt es, angesichts des noch ungewissen Ausgangs des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei kein kompletter Störerwechsel geboten, jedoch die parallele Heranziehung weiterer Störer. In Ausübung pflichtgemäßen Ermessens erscheine es angezeigt, neben der U. W. die H. -V. , die das PFT-belastete Material gemischt und in Verkehr gebracht habe, den Kläger persönlich, der als Geschäftsführer die Geschicke beider Firmen geleitet und damit letztlich auch das Inverkehrbringen des Materials gelenkt habe, sowie die Pflanzen-H1. GmbH als Pächterin der betroffenen Flächen in Anspruch zu nehmen. Zur finanziellen Leistungsfähigkeit dieser Störer lägen keine abschließenden Erkenntnisse vor. Gleichwohl dürfe zum gegenwärtigen Zeitpunkt davon ausgegangen werden, dass diese gegeben sei, jedenfalls fehle es an entgegenstehenden Informationen. Dies gelte auch für den Kläger. Im Hinblick auf die diversen zur "Firmengruppe X. " gehörenden und als GmbH geführte Unternehmen seien möglicherweise Finanzmittel in Form von Gesellschaftereinlagen vorhanden. Daneben dürfte auch ein Einkommen aus den verschiedenen Geschäftsführertätigkeiten erzielt werden. Die ebenfalls denkbare Inanspruchnahme der Flächeneigentümer gestalte sich aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hingegen als problematisch, zumal der Verkehrswert der Grundstücke deutlich unter den Sanierungskosten liege. Unter Effektivitätsgesichtspunkten erscheine die Inanspruchnahme mehrerer Eigentümer für eine Maßnahme zudem eher hinderlich. Ferner seien die Flächen gänzlich verpachtet gewesen, sodass die Eigentümer auf die Ausbringung des fraglichen Bioabfalls keinen Einfluss gehabt hätten.
17Unter dem 17. November 2006 erließ der Beklagte eine an den Kläger gerichtete Ordnungsverfügung, mit der er diesem aufgab, umgehend die Sanierung der Grundstücke in C2. -T. zu veranlassen und eine weitere Belastung der Gewässer, des Grundwassers und der Trinkwasserversorgung zu unterbinden bzw. zu minimieren (Nr. 1). Er ordnete an, die Sanierung habe unter gutachterlicher Begleitung eines nach § 18 BBodSchG zugelassenen Büros zu erfolgen (Nr. 2). Die erforderlichen Anlagen seien unverzüglich zu errichten und in Betrieb zu nehmen, wobei sich die Sanierung in drei Arbeitsbereiche gliedere, nämlich Maßnahmen auf der Nordfläche, Maßnahmen auf der Südfläche sowie Bau und Betrieb einer Wasserbehandlungsanlage (Nr. 3). Mit den die Nordfläche betreffenden Arbeiten sei spätestens am 4. Dezember 2006 zu beginnen. Die dafür erforderliche Detailplanung werde derzeit erstellt und ihm ‑ dem Kläger ‑ kurzfristig zur Verfügung gestellt (Nr. 3.1). Auch die Detailplanungen für die Südfläche und die Wasserbehandlungsanlage würden kurzfristig zur Verfügung gestellt. Mit den Bau- und Installationsarbeiten für die Wasserbehandlungsanlage sei spätestens binnen sieben Tagen nach Bekanntgabe des konkretisierenden Bescheids, der die zugehörigen Planungsunterlagen enthalte, zu beginnen. Für die die Südfläche betreffenden Bau- und Installationsarbeiten gelte insoweit eine Frist von 14 Tagen nach Bekanntgabe des entsprechenden konkretisierenden Bescheids (Nr. 3.2). Weitere Einzelheiten seien jeweils mit ihm ‑ dem Beklagten ‑ und dem zu beauftragenden Gutachter abzustimmen. Als Sanierungszielwert für das unbehandelte Sickerwasser werde ein Wert von 0,1 µg/l PFT gesamt festgesetzt. Der Nachweis über eine erfolgreiche Sanierung sei erbracht, wenn die Belastung des unbehandelten Sickerwassers mindestens drei Monate lang unterhalb dieses Werts bleibe. Die Wirksamkeit der Anlage sei durch ein entsprechendes Anlagen- und Gewässermonitoring nachzuweisen. Einzelheiten seien mit ihm ‑ dem Beklagten ‑ und dem Gutachter abzustimmen (Nr. 4). Für den Fall, dass der Kläger den Anordnungen nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachkomme, werde das Zwangsmittel der Ersatzvornahme angedroht (Nr. 5). Schließlich versah der Beklagte seine Entscheidung mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung (Nr. 6). Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Rechtsgrundlage des Bescheids seien §§ 10, 4 BBodSchG. Durch das Aufbringen PFT-haltiger Materialien sei eine schädliche Bodenveränderung im Sinne von § 2 Abs. 3 BBodSchG eingetreten. Die Bodenbelastung verursache nachweislich eine Gewässerverunreinigung, indem das Sickerwasser über die Steinbecke, die Bermecke und die Möhne in den Möhnesee fließe, der als Trinkwasserspeicher genutzt werde. Da die U. W. zwischenzeitlich einen Insolvenzantrag gestellt habe und ihre tatsächliche Leistungsfähigkeit somit fraglich sei, sei es aus Gründen der Effektivität der Gefahrenabwehr angezeigt, parallel auch den weiteren Handlungsstörern die Durchführung der Sanierung aufzuerlegen. Neben der H. -V. sei der Kläger als Geschäftsführer der Firmen, die die Bodenverunreinigung verursacht hätten, selbst ordnungspflichtig. Als handelnder Geschäftsführer sei er mit den aufgebrachten Stoffen vertraut und damit in der Lage, die bestehende Gefahr ebenso effektiv zu beseitigen wie die beiden von ihm vertretenen und ebenfalls als Handlungsstörer in Anspruch genommenen Firmen. Die getroffenen Anordnungen seien ermessengerecht und insbesondere verhältnismäßig. Ein Bodenaustausch erscheine zurzeit als zu aufwändig und wegen der Mobilität der Stoffe auch kaum sinnvoll. Eine Sanierung allein mittels Bakterieneinsatzes sei nach derzeitigem Erkenntnisstand ungeeignet. Über tatsächlich geeignete Verfahren lägen noch keine Informationen vor. Eine weitere Verzögerung zum Zweck der Durchführung entsprechender Versuchsreihen sei insbesondere im Hinblick auf die PFT-Belastungen in Möhne und Ruhr nicht tolerierbar.
18Nachdem die IFUA Projekt-GmbH eine Detailplanung für die nördliche Teilfläche des belasteten Geländes erstellt hatte, konkretisierte der Beklagte seine Verfügung vom 17. November 2006 mit Verfügung vom 21. November 2006, mit der er dem Kläger aufgab, die Sanierung der Nordfläche nach Maßgabe der Planung des Ingenieurbüros auszuführen.
19Gegen beide Entscheidungen legte der Kläger Widerspruch ein, zu dessen Begründung er insbesondere die Störerauswahl beanstandete. Gleichzeitig machte er ein Eilrechtsschutzverfahren anhängig, das in beiden Rechtszügen erfolglos war (VG Arnsberg, Beschluss vom 19. Dezember 2006 ‑ 14 L 1104/06 ‑; OVG NRW, Beschluss vom 26. März 2007 ‑ 20 B 61/07 ‑). Mit zwei Bescheiden vom 18. April 2008 und vom 21. April 2008 wies die Bezirksregierung B1. die Widersprüche des Klägers als unbegründet zurück.
20Ebenfalls unter dem 17. November 2006 ‑ wiederum konkretisiert durch Bescheid vom 21. November 2006 ‑ verfügte der Beklagte gegenüber der H. -V. inhaltsgleiche Sanierungsanordnungen. Ein dagegen gerichteter Eilantrag wurde in zweiter Instanz abgelehnt (OVG NRW, Beschluss vom 21. März 2007 ‑ 20 B 99/07 ‑). Durch Beschluss vom 19. Februar 2007 bestellte das Amtsgericht Paderborn einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Am 25. Juli 2008 wurde über das Vermögen der H. -V. das Insolvenzverfahren eröffnet.
21Nachdem der Beklagte zunächst fälschlich die Pflanzen-H. GmbH als Pächterin der mit PFT belasteten Flächen in T. angesehen und dementsprechend mit Bescheid vom 23. November 2006 als zusätzliche Sanierungspflichtige herangezogen hatte, verpflichtete er mit Ordnungsverfügung vom 6. Februar 2007 auch die Baumschule B. H1. und Sohn bzw. deren Inhaber zur weiteren Sanierung. Diese Ordnungsverfügung wurde erstinstanzlich aufgehoben (VG Arnsberg, Urteil vom 22. Juni 2009 ‑ 14 K 2826/08). Über den Antrag auf Zulassung der Berufung des Beklagten ist noch nicht entschieden.
22Mitte 2006 im Nachgang zu den festgestellten PFT-Verunreinigungen aufgenommene staatsanwaltliche Ermittlungen führten Anfang 2010 zur Anklageerhebung unter anderen gegen den Kläger, den Betriebsleiter der H. -V. in
23C. , N1. B2. , sowie mehrere Verantwortliche der belgischen P. . Am 11. April 2013 stellte das Landgericht Paderborn das Strafverfahren (2 KLs 4/10) nach 15monatiger Verhandlung gegen Zahlung von Geldauflagen (insgesamt 440.000 Euro, davon 100.000 Euro auf den Kläger entfallend) ein.
24Der Kläger hat am 14. Mai 2008 Klage erhoben und zu deren Begründung im Kern vorgetragen:
25Es fehle bereits an seiner persönlichen Verantwortlichkeit für mögliche Bodenverunreinigungen. Er sei zwar Geschäftsführer beider Firmen gewesen, habe eine Umweltgefährdung jedoch nicht durch eigenes Handeln herbeigeführt. Im Übrigen seien die von der U. W. in T. aufgebrachten Materialien für die festgestellten PFT-Verunreinigungen nicht (allein) ursächlich. Die im Boden gemessenen PFT-Gehalte ließen sich durch die entsprechenden Lieferungen nicht erklären. Es fehle an Feststellungen dazu, dass das Gelände mit Material versehen worden sei, dessen PFT-Konzentration die tatsächlich festgestellte Belastung des Bodens habe herbeiführen können. Gleiches Material aus gleichen Chargen sei auch auf andere Flächen gelangt, ohne dass dort Belastungen festgestellt worden seien. Untersuchungen des Betriebsgeländes der H. -V. hätten nur eine geringfügige PFT-Belastung ergeben. Verschiedene Messungen hätten zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt, weil noch keine validierte Messmethode existiert habe. In T. sei zudem nur ein Hektar beprobt worden, um die dabei gefundenen Ergebnisse auf zehn Hektar hochzurechnen. Wären weitere Flächen beprobt worden, wäre man zudem auch dort fündig geworden. Soweit die PFT-Werte in Ruhr und Möhne deutlich höher seien als in anderen Flüssen, sei dies nicht allein auf das Areal in T. zurückzuführen. Ein ehemaliger Abteilungsleiter im Umweltministerium schließe dies vollständig aus. Das PFT-Vorkommen in der Ruhr gehe vielmehr zu einem beträchtlichen Prozentsatz (etwa 50 %) auf die vom Ruhrverband betriebenen Kläranlagen zurück. Diese seien nicht darauf ausgelegt, PFT oder andere biologisch nicht abbaubare Stoffe aus den Abwässern zu entfernen. PFT befinde sich jedoch in den Abwässern aus Haushalten sowie in Industrie- und Gewerbeabwässern. Im Weiteren habe der Beklagte zu Unrecht eine Gefahr angenommen. Die Trinkwasserverordnung sehe für PFT keine spezifischen Grenzwerte vor. PFOA sei jedoch nach Wasserrecht voll bewertet. Nach den Verwaltungsvorschriften für wassergefährdende Stoffe werde PFOA in die Wassergefährdungsklasse (WGK) 2 eingestuft. Vor diesem Hintergrund stelle sich die Bewertung von PFT durch die Trinkwasserkommission als fehlerhaft dar. Bedenken beständen auch gegen die Unbefangenheit der Mitglieder der Kommission. Prof. Dr. F. sei bereits für den Beklagten gutachterlich unterstützend tätig geworden. Prof. Dr. F1. unterliege als Direktor des Instituts, das die Belastung der Ruhr und der Möhne entdeckt habe, einem Interessenkonflikt. Im Ergebnis sei ein relevantes Risiko bis heute nicht festgestellt worden. Namentlich könne von keiner Krebsgefahr ausgegangen werden, weil in diesem Fall der fragliche Stoff in die WGK 3 einzustufen wäre. Die getroffenen Maßnahmen seien zudem unverhältnismäßig. Die vorgegebene Sanierung sei zur Zweckerreichung nicht geeignet. Die fragliche Fläche trage nur in geringem Maße zu der Verschmutzung der Ruhr bei. Die Steinbecke liefere lediglich 7 % der Wassermenge, die schließlich im Möhnesee lande. Die isolierte Sanierung der Ackerfläche ohne umfassendes Sanierungskonzept sei deshalb sinnlos. Der Einbau des Filters sei nutzlos und in seiner Wirkung höchst minimal. Während der Bauarbeiten sei das bis dahin im Boden gebundene PFT mobilisiert worden. Weil zum damaligen Zeitpunkt keine Filteranlage vorhanden gewesen sei, sei die mobilisierte Fracht ohne jede Klärung in das Gewässer abgegeben worden. Allein dass die PFT-Werte nach der Sanierung geringer seien als während der Sanierungsarbeiten, belege daher nicht die Wirksamkeit der Filterung. Die Maßnahme sei auch nicht erforderlich. Der festgesetzte Sanierungszielwert sei weder in der Bundesbodenschutzverordnung noch in der Trinkwasserverordnung vorgesehen. Der Ablauf müsse letztlich keine Trinkwasserqualität haben. Zum Schutz des Wasserwerks Möhnebogen habe es der Anlage nicht bedurft, weil dort ohnehin eine Aktivkohlefilteranlage eingebaut worden sei, die weiterhin in Funktion sei. Als gleich geeignetes, aber kostengünstigeres Mittel hätte die Sanierung im Wege der Evapotranspiration zur Verfügung gestanden. Darüber hinaus sei Maßnahme unangemessen. Die Störerauswahl sei fehlerhaft, weil er ‑ der Kläger ‑ als Privatperson gar nicht in der Lage sei, auch nur ansatzweise so effektiv zu handeln wie ein Unternehmen. Es fehlten ihm sowohl die finanziellen als auch die sachlichen Mittel. Schließlich werde rein vorsorglich die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gerügt, weil außer der Fläche bei S. keine weiteren Sanierungsmaßnahmen ‑ etwa im Bereich der Elpe ‑ erfolgt seien.
26Der Kläger hat beantragt,
27die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 17. November 2006 in der Gestalt der konkretisierenden Verfügung vom 21. November 2006 und die Widerspruchsbescheide der Bezirksregierung B1. vom 18. April 2008 und vom 21. April 2008 aufzuheben.
28Der Beklagte hat beantragt,
29die Klage abzuweisen.
30Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen. Es unterliege keinem vernünftigen Zweifel, dass die in Rede stehende PFT-Belastung durch die H. -V. und die U. W. verursacht worden sei. Auf die Fläche in T. sei noch 2006 das mit U. G. bezeichnete Material aufgebracht worden. Dabei habe es sich nicht um Bioabfall gehandelt, sondern um ein Gemisch unterschiedlichster Herkunftsarten, das von beiden Firmen unter anderem aus Belgien bezogen worden sei. Die Aufbringung habe eine schädliche Bodenveränderung hervorgerufen. Dem Wasserwerk Möhnebogen seien PFT-Frachten zugeleitet worden, die nach Lage der Dinge in ihrer Masse eindeutig aus der sog. Punkteinleitung in T. stammten. Fehle es bezüglich eines Stoffes, der typischerweise schädlich oder gefährlich sei, an einem Grenzwert, dürfe dieser abgesehen von extremen Kleinstmengen überhaupt nicht in ein Medium eingetragen werden, in welchem sich die Gefährlichkeit oder Schädlichkeit des Stoffes verwirklichen könne. Dies treffe auf PFT zu, die nach allen derzeit vorliegenden Erkenntnissen grundsätzlich geeignet seien, die menschliche Gesundheit zu schädigen. Für die schädliche Bodenveränderung sei der Kläger infolge seiner Geschäftsführertätigkeit in den Unternehmen persönlich verantwortlich. Auf der Rechtsfolgenseite habe der Beklagte sein Ermessen zutreffend ausgeübt. Die gewählte Sanierungsmaßnahme sei sowohl geeignet als auch erforderlich sowie angemessen. Der festgesetzte Sanierungszielwert lasse sich auf entsprechende wissenschaftliche Veröffentlichungen stützen. Ob auch an anderen Orten dringender Sanierungsbedarf bestanden habe, könne dahinstehen. Jedenfalls sei im November 2006 der Zusammenhang zwischen der PFT-Belastung in T. und der problematischen Trinkwasseraufbereitung im Wasserwerk Möhnebogen in jeder Hinsicht geklärt gewesen. Die dort installierten Filter seien schließlich nur eine Sekundärmaßnahme, die zwar das Trinkwasser reinigen, nicht aber die schädliche Bodenveränderung als solche beseitigen könne. Um diese auf längere Sicht beheben zu können, bedürfe es weiterhin der vom Beklagten angeordneten Maßnahmen.
31Nach Zulassung der Berufung gegen das Urteil hat der Kläger zu deren Begründung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen zunächst Folgendes vorgetragen:
32Die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur Verursachung der PFT-Belastungen in T. könnten keinen Bestand haben. Es sei bereits zweifelhaft, ob die in Rede stehenden Flächen in dem angenommenen Maße kontaminiert seien. Die vom Beklagten übernommene Schätzung beruhe auf der Auswertung von Stichproben, die angesichts der sehr heterogenen Belastungssituation auf dem Gesamtareal nicht hinreichend aussagekräftig seien. Im Übrigen fehle es an belastbaren Nachweisen, dass die festgestellte Belastung mit PFT auf das Aufbringen des Bodenverbesserers U. G. zurückzuführen sei. Eine Verunreinigung von U. G. durch PFT sei nicht belegt. Tatsächlich habe es sich um Bioabfall gehandelt, der im Wesentlichen aus Schlämmen von Betrieben der biologischen Lebensmittel- und Genussmittelherstellung und zu einem geringen Teil aus Gesteinsmehl bestanden habe. Die zur Herstellung verwendeten Eingangsstoffe seien im Auftrag der H. -V. von der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt in Kiel, Institut für Tiergesundheit und Lebensmittelqualität (im Folgenden: LUFA-ITL), fortlaufend auf Schad- und Fremdstoffe analytisch untersucht worden. Dass die von der P. zwischen 2002 und 2006 auf der Grundlage bestehender Umweltverträge bezogenen Materialien Schlämme auch aus industriellen Herkunftsbereichen enthalten hätten oder es sonst zu einer Vermischung mit industriellen Abfällen gekommen sei, werde bestritten. Hierfür fehle es zumal mit Blick auf die zwischenzeitliche Einstellung des Strafverfahrens an stichhaltigen Beweisen. Diese ergäben sich insbesondere ‑ hierzu führt der Kläger jeweils im Einzelnen näher aus ‑ weder aus der Bezeichnung der bezogenen Schlämme noch aus den Angaben des belgischen Umweltinspektors E1. während des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, auf die sich das Verwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung maßgeblich gestützt habe. Soweit bei den behördlichen Untersuchungen des Betriebsgeländes der H. -V. in C. in Abwassertanks PFT-belastete Restschlammmengen gefunden worden seien, erlaube dies keine Rückschlüsse auf die Ursache der T. Bodenverunreinigung. Zum einen habe auf den fraglichen Lagerplatten, in deren Abwassertanks PFT festgestellt worden sei, lediglich kommunaler Klärschlamm gelagert. Zum anderen seien die gemessenen PFT-Gehalte viel zu niedrig, um die Belastung in T. damit begründen zu können. Hinzu komme, dass man PFT ebenfalls auf solchen Flächen nachgewiesen habe, die zu keinem Zeitpunkt mit U. G. beaufschlagt worden seien. Eine Charge der Januar 2006 erfolgten U. G. -Lieferung sei zudem auf andere Grundstücke des Baumschulbetriebs H1. in C2. -S1. aufgebracht worden. Diese hätten danach jedoch nur eine geringe PFT-Belastung aufgewiesen, die im Rahmen dessen gelegen habe, was bei landwirtschaftlich genutzten Böden üblich sei. Vor diesem Hintergrund müsse davon ausgegangen werden, dass die festgestellten PFT-Verunreinigungen des Areals in T. maßgeblich auf anderen Ursachen beruhten, etwa der langfristigen Verwendung von Dünge- und Spritzmitteln oder dem Aufbringen von Klärschlämmen. Düngemittel könnten ebenso wie spezifische Spritzmittel ‑ die Fläche sei bekanntermaßen längere Zeit für die Kultur von Weihnachtsbäumen genutzt worden ‑ PFT-haltige Einsatzstoffe enthalten; auch Klärschlämme aus kommunalen Kläranlagen seien teilweise erheblich mit PFT belastet.
33Ausgehend davon, dass den in T. ausgebrachten Mengen U. G. keine Schlämme aus industriellen Herkunftsbereichen beigemischt gewesen seien, unterfielen beide Lieferungen 2004 und 2006 ausschließlich den Vorschriften der Bioabfallverordnung und des Düngemittelrechts. Das Bundes-Bodenschutzgesetz gelte insoweit nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 4 BBodSchG nur subsidiär, was zusätzlich dadurch belegt werde, dass die Düngemittelverordnung in ihrer aktuellen Fassung nunmehr einen Grenzwert für PFT festlege. Das Bodenschutzrecht finde daher erst dann Anwendung, wenn Bioabfallabfall oder Dünger unter Missachtung der speziellen fachgesetzlichen Vorgaben aufgebracht werde. Dies sei indes nicht der Fall gewesen. Weil weder in der Bioabfallverordnung noch im Düngemittelrecht oder im Kreislaufwirtschafts(- und Abfall)gesetz den §§ 4 und 10 BBodSchG entsprechende Vorschriften enthalten seien, fehle es den angefochtenen Ordnungsverfügungen vor diesem Hintergrund an einer Ermächtigungsgrundlage.
34Unterstelle man, dass die U. G. -Lieferungen vom Mai 2004 und Januar 2006 mit PFT belastet gewesen seien, treffe ihn ‑ den Kläger ‑ dafür jedenfalls keine persönliche Handlungsverantwortlichkeit. Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung sei, wer die letzte, die Gefahrengrenze überschreitende Ursache gesetzt habe. Das gelte für ihn nicht. Im Jahr 2006 habe er als Geschäftsführer insgesamt sieben Unternehmen zu leiten gehabt, die jeweils arbeitsteilig organisiert gewesen seien. In das Tagesgeschäft sei er schon aus Zeitgründen in keinem Fall eingebunden gewesen. Angenommen, die P. habe sich vertragswidrig verhalten und gegen die geltenden Umweltverträge verstoßen, wäre ihm dies als Geschäftsführer der Firmen H. -V. und U. W. nur dann zuzurechnen, wenn er daran mit eigenen Handlungsbeiträgen (Tun oder Unterlassen) beteiligt gewesen wäre. Weder er noch seine Mitarbeiter hätten jedoch von einer eventuellen Mitlieferung industrieller Schlämme gewusst. Im Übrigen habe er 2002 lediglich den Geschäftskontakt mit der P. angebahnt. Für die Abwicklung der Verträge der H. -V. mit der P. habe der Betriebsleiter N1. B2. die betriebliche Verantwortung getragen. Ebenso seien die Herstellung von U. G. einschließlich der Beschaffung der Einsatzstoffe und des Bezugs der Schlammmaterialien, der Vertrieb und die Auslieferung allein Aufgabe des Betriebsleiters gewesen. Er ‑ der Kläger ‑ selbst habe darauf keinen Einfluss genommen. Von einer zentralen und umfassenden Steuerung der fraglichen, für die streitgegenständliche schädliche Bodenveränderung angeblich ursächlichen Vorgänge könne daher keine Rede sein. Bei ihm seien vielmehr nur Organisations-, Aufsichts- und Kontrollpflichten verblieben. Die habe er indes nicht verletzt. Er habe Herrn B2. regelmäßig überwacht, ohne dass sich dabei Beanstandungen ergeben hätten. Eine Verunreinigung angelieferter Schlämme sei nicht zu erkennen und auch durch entsprechende, von ihm beauftragte Analysen der LUFA-ITL nicht festzustellen gewesen, da eine Untersuchung auf PFT bis 2006 nicht stattgefunden habe. Die Idee, Schlämme und Bioabfälle für die Produktion von Bodenhilfsstoffen und Bodenverbessern zu nutzen, gehe schließlich nicht auf ihn, sondern auf seine älteren Brüder zurück, die dies schon ab 1990 praktiziert hätten.
35Die angefochtenen Ordnungsverfügungen litten unter Ermessensfehlern. Dies betreffe zunächst die Störerauswahl. Der Beklagte habe nicht nur ihn, sondern zuvor auch schon die Firmen H. -V. und U. W. als Verursacher für die Sanierung der Grundstücke in T. herangezogen. Daneben habe er den Inhaber der Baumschule H1. als Zustandsstörer in Anspruch genommen. Die gleichzeitige Heranziehung mehrerer Störer sei zwar grundsätzlich nicht zu beanstanden, stelle sich hier aber als Übermaßregelung dar, weil nicht erkennbar sei, welcher Störer welche der festgelegten Sanierungsmaßnahmen zu erfüllen habe. Überdies habe der Beklagte nicht geprüft, ob er ‑ der Kläger ‑ überhaupt finanziell leistungsfähig sei. Für eine ermessensgerechte Auswahl zwischen mehreren Störern sei die Frage der Leistungsfähigkeit von wesentlicher Bedeutung. Da er infolge der Liquidation der H. -V. und der U. W. und des dadurch bedingten Verlusts seiner Anstellung als Geschäftsführer kein laufendes Einkommen mehr habe erzielen können und er auch über kein Geld- und Sachvermögen mehr verfüge, habe auf der Hand gelegen, dass ihm die finanziellen Mittel für die verlangte Sanierung fehlten. Zudem habe er im Rahmen des vom Beklagten betriebenen Zwangsvollstreckungsverfahrens eine eidesstattliche Versicherung abgegeben.
36Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen bedürfe es unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten jedenfalls der Festsetzung einer Obergrenze der Kostenlast. In Anlehnung an die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grundsätze zur Begrenzung der Zustandsstörerhaftung müsse auch für die Verursacherhaftung gelten, dass eine Inanspruchnahme dann unzumutbar sei, wenn sie dem Betroffenen ‑ wie hier ‑ die Grundlage zur weiteren Lebensführung entziehe. Im Übrigen erscheine es sachgerecht, die Kostenlast des Verursachers auf das Vermögen zu begrenzen, das in einem funktionellen Zusammenhang mit der die schädliche Bodenveränderung verursachenden Tätigkeit stehe, hier also das Firmenvermögen und die Einkünfte aus der Geschäftsführertätigkeit.
37Es verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, dass er ‑ der Kläger ‑ anders behandelt werde als der im Kreis Soest zur Sanierung eines weiteren Belastungsschwerpunkts herangezogene Pächter I1. . In dem Verfahren VG Arnsberg 14 K 2826/08 habe das Verwaltungsgericht die an die Pächterin der T.
38Flächen, die Firma Baumschule B. H1. und Sohn, gerichtete Ordnungsverfügung mit der Begründung aufgehoben, es bestehe kein sachlicher Grund, beide Pächter in unterschiedlichem Maße in Anspruch zu nehmen. Für ihn könne im Ergebnis nichts anderes gelten. Der Pächter I1. müsse aufgrund des mit dem Kreis Soest geschlossenen Sanierungsvertrags aber nur für etwa 13 % der Sanierungskosten aufkommen.
39Schließlich sei die vom Beklagten angeordnete Sanierungsmaßnahme unverhältnismäßig. Da ihm ‑ dem Kläger ‑ mit den angefochtenen Ordnungsverfügungen über einen längeren Zeitraum fortdauernde Handlungspflichten im Sinne eines Dauerverwaltungsakts auferlegt worden seien, komme es maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an. Das berücksichtigend erweise sich die verlangte Sanierung als sinnlos und damit als ungeeignet, weil sie bis heute ohne messbaren Erfolg geblieben sei. Die aktuell von dem fraglichen Gelände ausgehende PFT-Belastung der Bäche Steinbecke und Bermecke unterscheide sich nicht von der vor Beginn der Maßnahme. Lediglich während der Installation der Drainageleitungen seien offenbar bedingt durch die damit verbundenen Erdbewegungen vorübergehend stark erhöhte PFT-Werte gemessen worden. Darüber hinaus sei die Risikobewertung von PFT nach wie vor nicht abgeschlossen. Gerade vor diesem Hintergrund sei es nicht verhältnismäßig, eine einzelne Fläche, deren Relevanz für die PFT-Belastung der Möhnetalsperre ohnehin fraglich sei, mit einem extrem hohen tatsächlichen und finanziellen Aufwand zu sanieren, statt bei der Trinkwassergewinnung selbst anzusetzen. Dort könne durch den Einsatz von Aktivkohlefiltern, wie er ja auch tatsächlich erfolge, bei wesentlich geringerem finanziellem Aufwand ein letztlich vergleichbares Resultat erzielt werden. Insoweit fehle es auch an jeder Rechtfertigung, an das von der Fläche in T. austretende Sickerwasser mit der Festschreibung eines Sanierungszielwerts von 0,1 µg/l PFT bereits die Anforderungen zu stellen, die hinsichtlich der PFT-Belastung von Trinkwasser gelten würden. Dessen ungeachtet sei ein Sanierungszielwert von 0,1 µg/l PFT auch für sich genommen nicht tragfähig. Die Sanierungszielwertfestsetzung beruhe auf der vorläufigen Bewertung von PFT im Trinkwasser durch die Trinkwasserkommission beim Umweltbundesamt. Die Trinkwasserkommission habe seinerzeit einen lebenslang duldbaren Vorsorgewert (GOW) von maximal 0,1 µg/l für die Summen aus PFOA und PFOS empfohlen. Die dem zugrunde liegenden Annahmen entsprächen jedoch nicht dem mehr aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand.
40Im Laufe des Berufungsverfahrens hat sich der Beklagte zur Überprüfung der Sanierungszielwertfestsetzung entschlossen und zu diesem Zweck die IFUA Projekt-GmbH mit der gutachtlichen Ableitung eines einzelfallbezogenen Sanierungszielwerts beauftragt. Nach Vorlage des Gutachtens vom Dezember 2014, wegen dessen Inhalts auf die Beiakte Heft 71 (dort Anlage 2) Bezug genommen wird, hat der Beklagte den Kläger zu einer Änderung der Ordnungsverfügung vom 17. November 2006 angehört. Es sei beabsichtigt, die unter Nr. 4 getroffene Anordnung mit Wirkung für die Zukunft zu widerrufen. Anstelle des bisherigen Sanierungszielwerts solle ein neuer vorläufiger Sanierungszielwert für das unbehandelte Sickerwasser von 0,1 µg/l für PFOS und von 0,5 µg/l für die Summe aus PFOS und PFOA festgesetzt werden. Zur Begründung hat der Beklagte dabei im Wesentlichen ausgeführt, die Neufestlegung stütze sich auf das IFUA-Gutachten vom Dezember 2014, in dem auf der Grundlage des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands und unter Skizzierung maßgeblicher Nutzungsszenarien einzelfallbezogen Zielwerte für die Sanierung der PFT-belasteten Fläche in C2. -T. abgeleitet würden. Bei der Betrachtung der für die Sanierung maßgebenden Wirkungspfade bilde der Wirkungspfad Oberflächengewässer - Fisch - Mensch (Fischverzehr) aufgrund der persistenten Eigenschaften der PFT sowie deren Anreicherung in der aquatischen Nahrungskette die sensibelsten Wirkungen für die menschliche Gesundheit ab. Als Hauptbelastungsparameter seien die Leitsubstanzen PFOS und PFOA anzusehen; als Maßstab für Oberflächengewässer dienten unter anderem die Umweltqualitätsnormen. Mit der Richtlinie 2013/39/EU sei PFOS in die EU-weite Liste der prioritären Stoffe nach der Richtlinie 2008/105/EG aufgenommen worden. Ziel der Umweltqualitätsnormen sei es, einen guten chemischen Zustand der Oberflächengewässer in Bezug auf die genannten Stoffe zu erreichen und eine Verschlechterung des chemischen Zustands der Oberflächengewässer in Bezug auf diese Stoffe zu verhindern. Speziell für PFOS gelte eine Umweltqualitätsnorm von 0,00065 µg/l (Jahresdurchschnitt), deren Umsetzung bis 2027 vorgegeben sei. Diese Vorgabe werde jedoch auch bei Betreiben der Reinigungsanlage in den betroffenen Gewässern Steinbecke und Möhne deutlich überschritten. Vorrangiges Ziel müsse es daher sein, eine Verschlechterung des chemischen Zustands beider Gewässer aufgrund der Sickerwassereinträge zu verhindern. Das werde mit einem Sanierungszielwert von 0,1 µg/l für PFOS erreicht, der für Steinbecke und Möhne keine Verschlechterung des Ist-Zustands aufgrund der Sickerwassereinträge erwarten lasse. Entsprechendes gelte für einen Sanierungszielwert von 0,5 µg/l für die Summe aus PFOS und PFOA. Die Festsetzung dieser Sanierungszielwerte sei daher erforderlich und angemessen, um das Wohl der Allgemeinheit in hinreichendem Maße zu schützen. Bei Zulassung höherer Werte seien sowohl die Schutzgüter aquatischer Lebensraum als auch Trinkwasser und menschliche Gesundheit gefährdet. Die Vertretbarkeit des wirtschaftlichen Sanierungsaufwands müsse sich an der Bedeutung des jeweiligen Schutzguts orientieren. Wichtige Schutzgüter wie die menschliche Gesundheit oder die aquatische Lebensgemeinschaft rechtfertigten deshalb einen höheren finanziellen Aufwand.
41Hierzu hat der Kläger wie folgt Stellung genommen: Das Erreichen der in Aussicht genommenen Sanierungszielwerte sei objektiv wie subjektiv unmöglich, was bereits zur Nichtigkeit führe. Das der Änderungsanhörung zugrunde liegende IUFA-Gutachten gehe selbst davon aus, dass der Wert der Summe von PFOS und PFOA bis zum Jahr 2027 nicht unter 20 µg/l sinke und auch der Jahresmittelwert von PFOA nicht auf den Wert von 0,1 µg/l falle. Werde die Anlage über diesen Zeitpunkt hinaus weiterbetrieben, würden die angestrebten Werte jedenfalls nicht innerhalb seiner ‑ des Klägers ‑ statistischen Lebenszeit erreicht. Das Gutachten beruhe zudem auf falschen Voraussetzungen. Dies betreffe zum einen die ‑ wie bereits früher dargelegt ‑ fehlerhafte Annahme eines ursprünglichen PFT-Inventars von 390 kg. Zum anderen werde nicht der aktuelle Kenntnisstand zur Toxikologie und Ökotoxikologie der PFT-Leitsubstanzen berücksichtigt. So werde in einer Abhandlung der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2009 für PFOA ein PNECaquatisch von 570 µg/l als zulässiger Grenzwert beschrieben. Dieser Wert (PNEC = Predicted No Effect Concentration) finde im Gutachten keine Erwähnung. Eine akute Toxizität von PFOS und PFOA sei im Übrigen nicht nachgewiesen, sondern werde lediglich als gering vermutet. Ob und gegebenenfalls in welcher Intensität eine Kanzerogenität bestehe, sei offen. Alle in dem Gutachten angeführten Grenzwerte seien daher als Vorsorgewerte zu verstehen. Als Sanierungszielwerte seien Vorsorgewerte jedoch unbrauchbar. Es könne nicht darum gehen, einen Zustand herzustellen, der bestände, wenn auf der fraglichen Fläche niemals PFT aufgetragen worden wäre, sondern es müsse (lediglich) ein Zustand herbeigeführt werden, der unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die möglichen Gefahren absenke, ohne sie völlig auszuschließen. Wenn in dem Gutachten für die im Wasser lebenden Tiere eine Konzentration von 0,0430 µg/l PFOS als Grenzwert angegeben werde, fehle es an einer Beurteilung des Jagdgebiets der in diesem Zusammenhang angeführten Vogelarten. Ferner werde übersehen, dass die dort genannten Vogelarten nicht vom Schutzgut Mensch verzehrt würden. Insoweit erfolge auch eine Verschiebung der beabsichtigten Schutzgüter, für die jedoch kein Ermessen ausgeübt worden sei. Während bislang der Trinkwasserschutz im Zentrum des Verwaltungshandelns gestanden habe, spiele jetzt der Wirkungspfad "Oberflächenwasser - Ökosystem" eine maßgebliche Rolle. Ferner arbeite das Gutachten zum Teil mit Messwerten, die wie die Umweltqualitätsnorm für Oberflächengewässer von 0,00065 µg/l PFOS gar nicht messbar seien. Die Tabelle 4 auf Seite 26 des Gutachtens enthalte in Bezug auf den Messwert "WH1" einen Fehler. Dabei handele es sich um einen Kontrollpunkt, der die Bezeichnung "Möhne oberhalb Bermecke" trage und mithin eine Messstelle bezeichne, bevor die Bermecke in die Möhne einleite. Die dortigen Werte für PFOS und PFOA lägen jedoch bereits seit Jahren unterhalb der Nachweisgrenze. Bei Durchsicht der Tabelle 4 falle überdies auf, dass die Möhne offenbar durch die Bermecke belastet werde. Insofern sei der Frage nachzugehen, ob die Belastung von der Kläranlage C2. -T. ausgehe und gegebenenfalls ob für diese Kläranlage vom Beklagten ein ähnlicher Sanierungsansatz wie bei ihm, dem Kläger, gewählt werde. Die Abbildung 6 auf Seite 30 des Gutachtens zeige, dass die Kläranlage C2. -T. die Möhne über die Bermecke im Mittel mit 0,028 µg/l PFOS belaste. Dieser Wert verbessere sich selbst bei Erreichen der angepeilten Sanierungszielwerte nicht. Davon abgesehen sei eine isolierte Betrachtung der Sanierungszielwerte, wie der Beklagte sie vornehme, nicht ausreichend. Nach den vorliegenden Erkenntnissen komme es bezogen auf PFOS alle 10,6 Jahre zu einer Halbierung, sodass bei einem Zielwert von 0,1 µg/l von einer Gesamtsanierungsdauer von etwa 100 Jahren ausgegangen werden müsse. Folge sei eine Vervielfachung der ursprünglich angenommenen Kosten, zumal während dieses Zeitraums mit einem zwei- bis dreimaligen Austausch der kompletten Anlage zu rechnen sei. Die enorme Kostensteigerung finde in den Erwägungen des Beklagten keine Berücksichtigung, was schon für sich genommen zu einem Ermessensausfall führe. Hinzutrete, dass die angesichts dieser Sachlage zwingende Prüfung eventuell kostengünstigerer Alternativlösungen (etwa Flächenversiegelung, Bodenaustausch) unterbleibe. Die Werte für PFOA wiederum halbierten sich alle 2,3 bis 4 Jahre. Demensprechend werde die PFOA-Konzentration "bereits" 2075 unterhalb der Nachweisgrenze liegen, sodass die Festsetzung eines Summenwerts aus PFOS und PFOA von 0,5 µg/l letztlich keine Relevanz habe. Faktisch bleibe es daher bei der Sanierungszielwertfestsetzung des Bescheids vom 17. November 2006. Schließlich beständen Bedenken hinsichtlich der Unbefangenheit der IFUA Projekt-GmbH.
42Als Reaktion auf die Äußerungen des Klägers hat der Beklagte eine weitere Stellungnahme der IFUA Projekt-GmbH vom April 2015 eingeholt, wegen deren Inhalts auf die Beiakte Heft 59 (dort Anlage 2) verwiesen wird. Sodann hat er mit Bescheid vom 12. Mai 2015 den Sanierungszielwert entsprechend dem Gutachten aus Dezember 2014 geändert. Die Änderung folge den gutachtlichen Äußerungen der IFUA Projekt-GmbH, die Bestandteil des Bescheids seien. Die nun festgesetzten Sanierungszielwerte seien verhältnismäßig. Die Sanierungsanlage habe eine extrem wirksame Verbesserung für die belasteten Gewässer gebracht. Allerdings würden im unbehandelten Rohwasser auch heute noch PFT-Konzentrationen von bis zu 130 µg/l gemessen, deren im Prinzip dauerhafte Einbringung in die fraglichen Gewässer nur durch den weiteren Betrieb der Sanierungsanlage verhindert werden könne. Aus heutiger Sicht entsprächen die nunmehr gewählten Sanierungszielwerte dem Gebot der Gefahrenabwehr. Schutzziele seien die menschliche Gesundheit (Trinkwasser und Konsum von Fisch aus belasteten Gewässern) sowie die Ökotoxikologie (insbesondere Schutz vor Anreicherung in der Nahrungskette) und der Status Quo der betroffenen Gewässer (Verschlechterungsgebot). Zwar ermöglichten die neuen Sanierungszielwerte nicht die Einhaltung der Umweltqualitätsnorm nach der Richtlinie 2013/39/EU in Steinbecke und Möhne, jedoch könne damit einer weiteren Verschlechterung des Ist-Zustands im Sinne der Vorgaben der Richtlinie entgegengetreten werden. Ebenso könnten das langfristige Mindestqualitätsziel von ≤ 0,1 µg/l PFT (nur für die Möhne) und der Vorschlag der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) zur Umweltqualitätsnorm hinsichtlich der Anreicherung von PFOS in der Nahrungskette eingehalten werden. Die jetzt festgesetzten Werte seien daher zum Schutz der genannten Ziele geeignet. Sie seien in ihrer Höhe auch erforderlich. Die gutachtliche Stellungnahme der IFUA Projekt-GmbH aus Dezember 2014 lege ausführlich dar, dass bereits geringfügig höhere Werte zu wesentlichen Nachteilen für die in den Blick zu nehmenden Schutzgüter führten. Darüber hinaus seien sie auch angemessen. PFT reicherten sich in den Körpern von Menschen und Tieren langfristig an. Beim Menschen zeigten sich Effekte auf die Leber sowie den Lipidstoffwechsel, im Tierversuch seien Kanzerogenität und Reproduktionstoxizität festgestellt worden. Zudem bauten sich PFT in der Natur nicht ab und neigten dazu, in der Nahrungskette zu akkumulieren. Einmal in die V. eingebracht, seien daher sehr langfristig negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit zu erwarten. Ausgehend davon sei es aus Gründen der Gefahrenabwehr geboten, die vorhandene Sanierungsmöglichkeit durch den Weiterbetrieb der Reinigungsanlage so lange zu gewährleisten, wie es die jetzt festgesetzten Zielwerte erforderten. Dabei werde nicht verkannt, dass die angeordneten Sanierungsmaßnahmen langfristig mit hohen finanziellen Belastungen einhergingen. Diese würden aber maßgeblich durch die vom Kläger zu vertretende Aufbringung des vermeintlichen Bodenverbessers und dessen sowohl sanierungstechnisch als auch umweltschutztechnisch problematische Eigenschaften verursacht. Andere Stoffgruppen erforderten mitunter ebenfalls langjährige Sanierungen. Auch aus heutiger Sicht seien im Übrigen keine anderen Sanierungs- oder Sicherungsmethoden ersichtlich, mit denen sich bei geringeren Kosten eine gleichermaßen effektive Wirkung erzielen ließe. Ein Austausch des belasteten Bodens hätte nach ursprünglichen Schätzungen ca. 15 bis 20 Mio. Euro gekostet, ohne im Hinblick auf die Tiefenverlagerung der Schadstoffe und die geologische Situation vor Ort eine vollständige Sanierung sicherzustellen. Eine Versiegelung der Fläche hätte angesichts ihrer Größe hohe Aufwendungen verursacht und umfangreiche Maßnahmen erfordert, um einen seitlichen Wassereintritt auszuschließen. Eine Sanierung allein mittels Bakterieneinsatzes oder ähnlicher Methoden komme bei den in Rede stehenden Stoffen nach wie vor nicht in Betracht. Schließlich liege auch keine objektive Unmöglichkeit vor. Die geänderten Sanierungszielwerte könnten technisch erreicht werden. Dass dies voraussichtlich nicht bis zum Jahr 2027 geschehen werde, sei unerheblich. Die Richtlinie 2013/39/EU begrenze die Sanierungsziele in zeitlicher Hinsicht nicht. Auch ein Fall zu Nichtigkeit führender subjektiver Unmöglichkeit sei nicht gegeben, da die Sanierungspflicht nicht höchstpersönlich sei.
43Zu dem Änderungsbescheid hat der Kläger nachfolgend in zwei Schriftsätzen vom 18. Mai 2015 und vom 19. Mai 2015 Stellung genommen, mit denen er insbesondere sein Vorbringen zur Belastung der Bermecke mit PFOS über die Kläranlage C2. -T. vertieft.
44Der Kläger beantragt,
45das angegriffene Urteil zu ändern und die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 17. November 2006 in der Gestalt der konkretisierenden Verfügung vom 21. November 2006 sowie die Widerspruchsbescheide der Bezirksregierung B1. vom 18. April 2008 und vom 21. April 2008 sowie die Änderungsverfügung des Beklagten vom 12. Mai 2015 aufzuheben.
46Der Beklagte beantragt,
47die Berufung zurückzuweisen.
48Zur Begründung verteidigt er das erstinstanzliche Urteil. Vertiefend und ergänzend trägt er vor: Die angefochtenen Bescheide seien zutreffend auf §§ 10, 4 BBodSchG gestützt. Sowohl die Bioabfallverordnung als auch das Düngemittelrecht regelten lediglich, welche Stoffe unter welchen Einschränkungen auf den Boden aufgebracht werden dürften. Sie regelten indes nicht, wie eine schädliche Bodenverunreinigung zu beseitigen sei. Darüber hinaus handele es sich bei dem belasteten Erdreich auch nicht um Abfall im Sinne des Kreislaufwirtschafts(- und Abfall)gesetzes oder um einen Stoff im Sinne des Düngemittelrechts oder der Bioabfallverordnung, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt nicht von einer vorrangigen Anwendbarkeit anderer Gesetze auszugehen sei.
49Nach den durchgeführten Untersuchungen stehe fest, dass die streitgegenständliche Fläche in T. erheblich mit PFT belastet gewesen sei. Entgegen der Berufungsbegründung sei nicht nur eine Teilfläche beprobt worden. Vielmehr seien im Rahmen vertiefender Untersuchungen insgesamt 27 Rammkernsondierungen niedergebracht worden, die rasterförmig über die gesamte Fläche verteilt gewesen seien. Letzte Zweifel am PFT-Gehalt des fraglichen Areals würden im Übrigen durch die Messergebnisse der vergangenen Jahre ausgeräumt.
50Die Kritik des Klägers an der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts und insbesondere an der Aussagekraft der Feststellungen des belgischen Beamten E1. werde nicht geteilt. Davon abgesehen unterliege es keinem Zweifel, dass auf dem Betriebsgelände der H. -V. in C. mit PFT-haltigen Stoffen umgegangen worden sei. Ausweislich einer Verfügung der Staatsanwaltschaft Paderborn vom 16. Januar 2007 sei das Betriebsgelände auch über die Abwassertanks hinaus großflächig mit PFT belastet gewesen.
51Die Ausführungen des Klägers zu anderen möglichen Kontaminationsursachen seien rein spekulativ. Alternative Eintragsquellen seien weder vom Kläger substantiiert geltend gemacht worden noch sonst erkennbar. Insoweit komme es letztlich auch nicht darauf an, woher die H. -V. das von ihr verarbeitete Material bezogen habe. Entscheidend sei vielmehr, dass kein vernünftiger Zweifel daran bestehen könne, dass die von ihr in T. aufgebrachten Materialien PFT-haltig gewesen seien.
52Der Kläger sei auch persönlich handlungsverantwortlich. Selbst ein an sich legales Verhalten schließe eine Inanspruchnahme als Verhaltensstörer nicht aus. Maßgeblich sei in Ergänzung des Unmittelbarkeitserfordernisses, in wessen Risiko- und Pflichtensphäre die Verantwortung für einen gefährlichen Zustand bei wertender Betrachtung falle. Dies sei hier der Kläger. Nach Lage der Dinge habe allein er und nicht der Betriebsleiter B2. die Geschicke der beiden Firmen H. -V. und U. W. gelenkt. Er könne sich daher nicht mit Erfolg darauf berufen, angeblich nichts Verbotenes getan zu haben. Seine behauptete Ahnungslosigkeit sei zudem unglaubhaft.
53Die Sanierungszielwertfestlegung sei nicht zu beanstanden. Der ursprüngliche Sanierungszielwert habe dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand im Jahr 2006 entsprochen. Zum damaligen Zeitpunkt habe es zu PFT so gut wie keine gesicherten Erkenntnisse gegeben, sodass ein möglichst geringer Sanierungszielwert festgelegt worden sei. Nachdem in den letzten Jahren weitere Erkenntnisse erlangt und neuere Anforderungen an den Schutz der menschlichen Gesundheit im Zusammenhang mit PFT formuliert worden seien, werde dem durch den Änderungsbescheid vom 12. Mai 2015 und die damit erfolgte Bestimmung einzelfallbezogener Sanierungszielwerte für PFOS einerseits und die Summe aus PFOS und PFOA andererseits Rechnung getragen.
54Im Bereich des Hochsauerlandkreises seien alle bekanntermaßen mit PFT verunreinigten Flächen systematisch untersucht worden. Eine Sanierung anderer als der hier streitigen Grundstücke sei im Anschluss daran nicht erfolgt, da in keinem Fall vergleichbare Belastungen festgestellt worden seien. Neben der Fläche in T. sei nur auf einer weiteren Fläche in C2. ("BH064") ein signifikant erhöhter PFT-Wert ermittelt worden. Allerdings habe auch die Belastung dieses Geländes nur rund ein Drittel der Belastung in T. betragen.
55Auch die Störerauswahl sei ermessensfehlerfrei. Eine Übermaßregelung liege nicht vor. Da Einzelheiten der den verschiedenen Verantwortlichen aufgegebenen Sanierung über die zu beauftragenden Ingenieurbüros jeweils mit ihm ‑ dem Beklagten ‑ hätten abgestimmt werden müssen, sei eine Koordination der Maßnahmen jederzeit gewährleistet gewesen. Angesichts des Umfangs und der finanziellen Auswirkungen der Sanierungsarbeiten habe er ein Zusammenwirken aller Verantwortlichen als vernünftiger und effektiver angesehen als die Heranziehung eines einzelnen. Unter dem Gesichtspunkt finanzieller Leistungsfähigkeit habe kein Anlass bestanden, andere Störer vorrangig heranzuziehen. Der Kläger sei Geschäftsführer und Gesellschafter mehrerer Firmen gewesen. Dass er für diese Tätigkeiten nach Mitteilung der Firmen kein Gehalt erhalten habe, sei für ihn ‑ den Beklagten ‑ nicht zu erkennen gewesen. Der Kläger habe zudem über Grundbesitz verfügt, den er unmittelbar nach Bekanntwerden der PFT-Funde an seine Lebensgefährtin und seinen Bruder übertragen habe. Für die Firmen H. -V. und U. W. habe überdies ein erhöhtes Insolvenzrisiko bestanden, das sich nachfolgend auch zeitnah realisiert habe. Der Pächter der Flächen in T. , Herr H1. , sei ebenfalls herangezogen worden, sodass eine Ungleichbehandlung schon deswegen nicht vorliege. Gegen die stattgebenden Urteile des Verwaltungsgerichts seien jeweils Anträge auf Zulassung der Berufung gestellt worden. Eine Gleichbehandlung mit dem Pächter der betroffenen Grundstücksflächen im Kreis Soest, Herrn I1. , komme schon im Ausgangspunkt nicht in Betracht, da dieser anders als der Kläger seine Ordnungspflicht anerkannt und so erst den Weg zu einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung mit dem Kreis Soest geebnet habe.
56Schließlich seien die angefochtenen Ordnungsverfügungen auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Für eine Haftungsbeschränkung in Anlehnung an die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur Zustandsstörerhaftung des Grundstückseigentümers sei kein Raum, da der Kläger als Handlungsstörer für eigenes, steuerbares Verhalten einzustehen habe.
57Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 20. Mai 2015 Beweis erhoben durch die Vernehmung von Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
58Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der dazu beigezogenen Vorgänge und Unterlagen Bezug genommen.
59Entscheidungsgründe
60Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Sanierungsverfügungen des Beklagten vom 17. November 2006 und vom 21. November 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide der Bezirksregierung B1. vom 18. April 2008 und vom 21. April 2008 sowie der Änderungsverfügung des Beklagten vom 12. Mai 2015 sind rechtmäßig (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
61I. Die streitigen Sanierungsanordnungen haben ihre Rechtsgrundlage in § 10 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 4 BBodSchG.
621. Für die rechtliche Überprüfung der Sanierungsanordnungen ist im Grundsatz auf den Zeitpunkt des Erlasses der Widerspruchsbescheide abzustellen. Nach ständiger Rechtsprechung richtet sich der maßgebliche Zeitpunkt der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts nicht nach dem Prozessrecht, sondern nach dem jeweiligen materiellen Recht. Danach ergibt sich für die Anfechtungsklage im Allgemeinen, dass die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich ist, es sei denn, das materielle Recht regelt etwas Abweichendes.
63Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2011 ‑ 8 C 11.10 ‑, juris, Rn. 17 (= ZfWG 2013, 150).
64Das ist hier nicht der Fall. Das Bundes-Bodenschutzgesetz enthält keine Vorschriften, die dahin auszulegen wären, dass es für die rechtliche Beurteilung der auf sie gestützten Maßnahmen auf einen späteren Zeitpunkt als den der letzten Behördenentscheidung ankommen soll.
65So ausdrücklich Thür. OVG, Urteil vom 26. März 2012 ‑ 3 KO 843/07 ‑, juris, Rn. 46 (= DVBl 2013, 1055); für die Maßgeblichkeit der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung auch Bay. VGH, Beschluss vom 17. Februar 2005 ‑ 22 ZB 04.3472 ‑, juris, Rn. 13 (= NVwZ-RR 2005, 466); OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 8. November 2007 ‑ 11 B 14.05 ‑, juris, Rn. 47 (= UPR 2008, 154); VGH Bad.-Württ., Urteil vom 8. März 2013 ‑ 10 S 1190/09 ‑, juris, Rn. 47 (= NVwZ 2013, 1000).
66Es handelt sich vorliegend auch nicht um Dauerverwaltungsakte, bei deren Beurteilung die Gerichte die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung jedenfalls dann zu berücksichtigen haben, wenn das materielle Recht nicht die Maßgeblichkeit eines anderen Zeitpunkts bestimmt.
67Vgl. auch dazu BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2011, a. a. O., Rn. 17.
68Allerdings ist unabhängig davon, dass die angefochtenen Sanierungsanordnungen im eigentlichen Sinne nicht auf Dauer angelegte Rechtsverhältnisse zur Entstehung bringen und so wirken, als wenn sie immer zu jedem Zeitpunkt neu erlassen werden würden,
69zu den Merkmalen eines Dauerverwaltungsakts vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 113 Rn. 43,
70nicht zu verkennen, dass die Herbeiführung der vorgegebenen Sanierungszielwerte für das unbehandelte Sickerwasser rein tatsächlich einen jahrzehntelangen Betrieb der Wasserbehandlungsanlage erfordert. Das zugrunde gelegt weist die Sanierungsverpflichtung bis zu ihrem endgültigen Vollzug zumindest eine (begrenzte) Dauerwirkung auf. Dies rechtfertigt es nach der Auffassung des Senats, die streitigen Ordnungsverfügungen losgelöst von ihrer rechtlichen Qualifikation insoweit einem Dauerverwaltungsakt gleichzusetzen.
71Vgl. in diesem Zusammenhang Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014,§ 35 Rn. 225.
72Daraus wiederum folgt, dass die erlassende Behörde während der "Laufzeit" der Verwaltungsakte verpflichtet bleibt, diese "unter Kontrolle" zu halten, und namentlich etwa neueren Erkenntnissen zur Schadens- bzw. Gefahrenbeurteilung ‑ wie hier mit der Änderung des ursprünglichen Sanierungszielwerts (dazu unten) ‑ fortlaufend Rechnung tragen muss.
73Vgl. dazu Kopp/Schenke, a. a. O., Rn. 45.
742. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG kann die zuständige Behörde die Maßnahmen treffen, die zur Erfüllung der sich unter anderem aus § 4 BBodSchG ergebenden Pflichten notwendig sind; nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG hat unter anderem der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung den Boden so zu sanieren, dass dauerhaft keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen.
75a) Die danach maßgeblichen tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten des Beklagten gegenüber dem Kläger waren und sind erfüllt.
76aa) Nach der Überzeugung des Senats steht fest, dass auf der fraglichen Fläche in C2. -T. eine schädliche Bodenveränderung vorliegt, für deren Sanierung der Kläger als (ein) Verursacher verantwortlich ist.
77Es begegnet keinem vernünftigen Zweifel, dass das zu sanierende Gelände ganz erheblich mit PFT belastet war und auch heute noch ist. Soweit zwischen den Beteiligten Streit über die ungefähre Gesamtmenge des im Zeitpunkt des Erlasses der Sanierungsverfügung im Boden befindlichen PFT besteht, kommt es darauf im Ergebnis nicht an. Die Bezirksregierung B1. hatte die IFUA Projekt-GmbH mit einer "Pilotuntersuchung zu Vorkommen und Auswirkungen von perfluorierten Tensiden (PFT) in Abfällen, die der BioAbfV unterliegen", beauftragt. In seinem Zwischenbericht vom November 2006 (Beiakte Heft 4) gelangte das Institut zu dem Ergebnis, die noch im Boden vorhandene Gesamtmenge PFT betrage geschätzt 391 kg (siehe S. 19 f., 28). Dem lag die Beprobung einer 1 ha großen, zentral gelegenen Teilfläche zugrunde. Dabei wurden in zwei Beprobungstiefen (0,0-0,3 m und 0,3-0,6 m; die Beprobung des Tiefenabschnitts 0,6-1,0 m war wegen eines Bohrkernverlusts nicht möglich) jeweils 20 Einzelproben gezogen und zu einer Mischprobe vereinigt. Die darin gemessene PFT-Konzentration hat das Institut sodann auf die Gesamtfläche hochgerechnet (siehe Anlage 1 sowie Anhang S. 5). Dieser Hochrechnung ist der Kläger mit dem Einwand entgegengetreten, ein derartiges Vorgehen sei angesichts einer sehr heterogenen Flächenbelastung unzulässig. Dem hat der Beklagte wiederholt widersprochen und sich dabei auf den von ihm bei der IFUA Projekt-GmbH beauftragten Bericht "Vertiefende Boden- und Wasseruntersuchungen" vom März 2007 (Beiakte Heft 22) bezogen, der ausschließlich die Sanierungsfläche betrifft. Nach insoweit zutreffender Darstellung des Beklagten ergibt sich aus dem Bericht, dass auf der Nord- und Südfläche ‑ rasterförmig verteilt ‑ insgesamt 27 Rammkernbohrungen niedergebracht wurden, aus denen die IFUA Projekt-GmbH 60 Einzelproben entnommen hat, von denen wiederum 45 zur Herstellung von acht Mischproben (je zwei für jede der vier Teilflächen) herangezogen worden sind. Nicht dokumentiert ist in dem Bericht allerdings, zu welchen Feststellungen das Labor des Landesumweltamts in Düsseldorf, dem die Proben zur weiteren Untersuchung auf PFT am 7. November 2006 übergeben wurden, gelangt ist (siehe S. 7 ff., insb. S. 10 ff. sowie Anlage 3: Lageplan Entnahmeflächen Boden). Die vom Beklagten in Bezug genommene Aussage des Berichts, die durchgeführten Untersuchungen des Oberbodens zeigten, dass in allen vier beprobten Teilflächen vergleichbar hohe Belastungen mit PFT vorlägen (siehe S. 25), bezieht sich demgemäß auch nicht auf die Analyse der acht Mischproben, sondern auf weitere Oberbodenuntersuchungen auf der Südfläche (3 Teilflächen zuzüglich des schon im Zuge der Pilotuntersuchung beprobten Areals auf der Nordfläche; siehe Tabelle S. 24). Betrachtet man die Ergebnisse der weiteren Oberbodenuntersuchungen, zeigt sich, dass die Südfläche ebenfalls stark belastet ist, die Werte insgesamt jedoch etwas niedriger ausfallen, als dies bei der Nordfläche der Fall war. So wurden auf der Nordfläche im Oberboden PFT-Gesamtgehalte (Summe PFOS und PFOA) von 1.910 und 6.310 µg/kg TS gemessen, während auf der Südfläche Werte zwischen 274 und 4.140 µg/kg TS ermittelt wurden. Vor diesem Hintergrund mag fraglich sein, wie genau die Schätzung der IFUA Projekt-GmbH von 391 kg das tatsächliche ursprüngliche PFT-Depot wiedergibt. Dies ist letztlich aber nicht entscheidungserheblich, da jedenfalls nicht bezweifelt werden kann, dass die Gesamtfläche in besonderem Maße kontaminiert war und ist. Die außerordentlich hohe Belastung der Grundstücke in C2. -T. wird nach der Überzeugung des Senats bereits durch die im Rahmen der vorgenannten Pilotuntersuchungen erfolgten Messungen zweifelsfrei belegt. C2. -T. wies danach die mit weitem Abstand höchsten PFT-Gehalte aus (siehe Abschlussbericht der IFUA Projekt-GmbH vom September 2007 [Beiakte Heft 11, S. 4459 ff.], Tabelle 3 und 8); noch höhere Belastungen wurden später lediglich auf der vom Kläger in anderem Zusammenhang angeführten Ackerfläche in S. im Kreis Soest festgestellt. Das ganz erhebliche Ausmaß der PFT-Belastung wird im Übrigen zusätzlich durch den Umstand bestätigt, dass das aus der Fläche austretende, noch unbehandelte Sickerwasser trotz inzwischen jahrelanger Sanierung nach wie vor sehr hohe PFT-Konzentrationen aufweist. Nach Angaben des Beklagten im Erörterungstermin vor dem Senat lagen diese gemessen ab Oktober 2012 in Abhängigkeit von der jeweiligen Witterung zwischen 60 und 120 µg/l; Entsprechendes hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 20. Mai 2015 nochmals bestätigt (siehe insoweit auch das vom Beklagten im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten der IFUA Projekt-GmbH "Einzelfallbezogene Sanierungszielwerte für die PFT-Sanierung in C2. -T. " vom Dezember 2014 [Beiakte Heft 71], Tabelle 4).
78Darüber hinaus ist gesichert, dass die PFT-Gehalte im Boden der Grundstücke in T. ganz wesentlich zu einer Belastung der Gewässer in dem fraglichen Bereich geführt haben. Die Ergebnisse der umfangreich durchgeführten Gewässeruntersuchungen lassen in der Gesamtschau keinen vernünftigen Zweifel daran zu, dass zwischen den Konzentrationen an PFT im Boden der Sanierungsfläche und in den Gewässern nahe und unterhalb dieses Areals ein ursächlicher Zusammenhang besteht:
79Hauptvorfluter des Geländes in T. (Nordteil) ist der Möhnezufluss Steinbecke, der seinen Ursprung unmittelbar am Nordwestrand der Fläche hat; zusätzlich entwässert das Gelände (Südteil) in den Bach L. , der in die Bermecke fließt, die ihrerseits wieder in die Möhne mündet. Von allen untersuchten Oberflächengewässern wies die Steinbecke die bei Weitem höchsten Konzentrationen an PFOA und PFOS aus. Hier wurden im Winter 2006/2007 Spitzenwerte von bis zu 150 µg/l PFOA und 11 µg/l PFOS gemessen (siehe den mit Verfügung des Senats vom 30. September 2014 in das Verfahren eingeführten Fachbericht 34 "Verbreitung von PFT in der V. " des Landesamts für Natur, V. und Verbraucherschutz NRW [im Folgenden: LANUV-Fachbericht 34], Seite 36 f.; vgl. auch die Darstellung der Untersuchungsergebnisse des Gewässermonitorings Möhne im Zwischenbericht der IFUA Projekt-GmbH vom November 2006, der in Tabelle 10 für Mitte 2006 PFT-Konzentrationen [Summe PFOA und PFOS] zwischen 13 und 51,4 µg/l ausweist). Nach Beginn der Sanierung sind diese Werte stark gesunken. So wurden bereits kurz nach Inbetriebnahme der mobilen Abwasserbehandlungsanlage Ende Januar 2007 nur noch Konzentrationen von 0,6 bis 3 µg/l (Summe PFOA und PFOS) ermittelt, die seit Inbetriebnahme der stationären Anlage Juli 2007 noch weiter zurückgegangen sind (siehe dazu im Einzelnen LANUV-Fachbericht 34, S. 42 f., insb. Abbildung 17, zugleich mit Erläuterung der Ursachen einzelner Spitzenbelastungen: Starkregenereignisse oder Zusammenhang mit betriebsbedingten Maßnahmen an der Sanierungsanlage). Im Ergebnis Entsprechendes ist, wenngleich bei deutlich geringerer Ausgangsbelastung, für die Bäche L. und Bermecke feststellbar (LANUV-Fachbericht 34, S. 43 f.). Auch in der Möhne selbst zeigte sich nach Beginn der Sanierung eine deutliche Konzentrationsabnahme. Wurden vor Sanierungsbeginn in der Möhne am Wasserwerk Möhnebogen (Messstelle WH3) zunächst PFT-Belastungen (Summe PFOA und PFOS) mit Spitzenwerten zwischen 0,6 und 1,0 µg/l nachgewiesen, sind diese im Jahr 2008 zunächst auf Werte unter 0,3 μg/l zurückgegangen; seit April 2009 liegen die Konzentrationen an PFOA und PFOS dort in der Regel unterhalb der Bestimmungsgrenze. Am Pegel Völlinghausen (Messstelle WS4) lagen die PFT-Konzentrationen der Möhne im Jahr 2006 im Messzeitraum Juni bis Dezember im Mittel bei 0,417 μg/l PFOA und 0,029 μg/l PFOS. Im Jahr 2007 lag der Mittelwert für PFOA bei 0,181 μg/l und für PFOS bei 0,016 μg/l. Im Jahr 2010 (Stand Anfang Dezember 2010) betrugen die Mittelwerte nur noch 0,041 μg/l für PFOA und 0,011 μg/l für PFOS. Schließlich hatte der starke Rückgang der PFT-Konzentrationen in der Möhne auch eine drastische Minderung der PFT-Konzentrationsbereiche in der Möhnetalsperre zur Folge, wobei insbesondere die Abnahme von PFOA deutlich nachweisbar war (siehe zum Vorstehenden jeweils LANUV-Fachbericht 34, S. 40 bis 42, dort insb. Abbildungen 14 bis 16).
80Angesichts dieser Sachlage ist kein anderer Schluss möglich, als dass die Bodenbelastungen der Fläche in C2. -T. maßgeblich zu der Gesamtbelastung der durch PFT-Verunreinigungen betroffenen Gewässer in ihrem Einflussbereich beigetragen haben. Gewerbebetriebe als mögliche Einleiter PFT-belasteter Abwässer scheiden aus, worauf bereits das Verwaltungsgericht (Urteilsabdruck S. 21) zutreffend abgestellt hat. Soweit im Einzugsbereich der Möhne unstreitig weitere grundstücksbezogene PFT-Quellen vorliegen oder vorlagen, darunter die "Hochbelastungsfläche" in S. , die über den Vorfluter Küttelbecke zur Möhne entwässert, wird allein dadurch der offensichtliche Zusammenhang zwischen der Sanierung in T. und der vorstehend beschriebenen Entwicklung der PFT-Konzentrationen in der Möhne nicht in Frage gestellt. Das gilt im Hinblick auf das Areal in S. schon deshalb, weil die Küttelbecke erst 2007 ansteigende PFT-Werte aufwies (siehe LANUV-Fachbericht 34, S. 32) und die Sanierung der Fläche im Übrigen erst im Laufe des Jahres 2008 erfolgte, also zu einem Zeitpunkt als die PFT-Belastung von Möhne und Möhnetalsperre bereits signifikant rückläufig war.
81Die erhebliche PFT-Belastung des Bodens der Sanierungsfläche in T. stellt eine schädliche Bodenveränderung im Sinne des § 2 Abs. 3 BBodSchG dar.
82Schädliche Bodenveränderungen sind danach Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen. Die natürlichen Funktionen des Bodens umfassen neben anderen die Funktion als Bestandteil des Naturhaushalts, insbesondere mit seinen Wasser- und Nährstoffkreisläufen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b BBodSchG). Bezogen auf den Wasserkreislauf besitzt der Boden unter anderem die Fähigkeit, Niederschlagswasser aufzunehmen und es als Sickerwasser nach der Bodenpassage an das Grundwasser und/oder die Oberflächengewässer abzugeben; er schützt zugleich das Grundwasser und die Oberflächengewässer vor Schadstoffeinträgen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c BBodSchG). Diese Funktion ist beeinträchtigt, wenn in den Boden Stoffe eingetragen worden sind, die in den Wasserkreislauf gelangen und geeignet sind, dort Gefahren oder erhebliche Nachteile zu bewirken. Die Eignung besteht, wenn im Hinblick auf den Wasserhaushalt nachteilige Auswirkungen einer gewissen Mindestintensität hinreichend wahrscheinlich sind. Der erforderliche Grad an Wahrscheinlichkeit bestimmt sich nach Art und Ausmaß des drohenden Schadens einerseits und des hohen Schutzes, den die Gewässer genießen, andererseits. Ein hinreichender Grad an Wahrscheinlichkeit ist insbesondere bei Substanzen im Boden gegeben, die mit durchsickerndem Niederschlagswasser in das Grundwasser oder die Oberflächengewässer transportiert werden und nach Art sowie Konzentration eine nachteilige Veränderung der Gewässereigenschaften hervorrufen (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 WHG). Eine zum behördlichen Tätigwerden ermächtigende Beeinträchtigung der Wassergüte liegt insofern nicht erst dann vor, wenn feststeht, dass die bewirkten Veränderungen allgemein und/oder im Besonderen hinsichtlich der Trinkwasserversorgung den Ge- oder Verbrauchswert des Wassers aufheben oder wesentlich herabsetzen. Vielmehr reicht angesichts der zentralen Bedeutung der Erhaltung und des Schutzes der naturgegebenen Wasservorkommen, vor allem der als Ausgangsstoff für die Trinkwasserversorgung nutzbaren und genutzten Wasservorkommen, selbst ein nur geringer Grad an Wahrscheinlichkeit der nachteiligen Beeinflussung der Nutzbarkeit des Wassers zu diesen Zwecken aus. Nichts anderes gilt im Hinblick auf den Schutz der ökologischen Funktionen der Gewässer (vgl. § 1 WHG). Es ist gerade Sinn und Zweck des Schutzes des Bodens, soweit er für den Wasserhaushalt relevant ist, die Gewässer vor Stoffen zu bewahren, die sich nach den Maßstäben des Wasserrechts und den Vorgaben des Trinkwasserschutzes potenziell nachteilig auf den Ge- oder Verbrauchswert der Gewässer auswirken.
83Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. November 2006 ‑ 20 B 2273/06 ‑, juris, Rn. 6 (= AUR 2007, 204); allgemein dazu, dass die Wahrscheinlichkeit einer Funktionsstörung in Abhängigkeit von den betroffenen Rechtsgütern zu bestimmen ist: Frenz, BBodSchG, 2000, § 2 Rn. 58; Sanden, in: Sanden/Schoeneck, BBodSchG, 1998, § 2 Rn. 43.
84Letzteres ist mit Blick auf den Austrag von PFT aus den fraglichen Flächen der Fall. Zwar ist eine abschließende Risikobewertung zu PFT und den zu dieser Gruppe von chemischen Verbindungen gehörenden Einzelsubstanzen, darunter vor allem PFOS und PFOA, nach wie vor nicht möglich, weil insbesondere Langzeitfolgen der Aufnahme von PFT für die menschliche Gesundheit bislang nicht ausreichend erforscht sind. Jedoch kann kein Zweifel daran bestehen, dass PFT bzw. bestimmte Einzelsubstanzen dieser Gruppe nach dem derzeitigen Stand wissenschaftlicher Erkenntnis als Stoffe mit einem erheblichen gesundheitlichen Risikopotential einzustufen sind. Hier kann zunächst auf die vom Verwaltungsgericht ausgewerteten Stellungnahmen (Urteilsabdruck S. 23 bis 26) verwiesen werden. Die dort festgehaltenen Erkenntnisse werden namentlich sowohl durch die vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegte Stellungnahme 004/2009 des Bundesinstituts für Risikobewertung vom 11. September 2008 als auch durch das ebenfalls vom Kläger (in englischer Sprache) zu den Akten gereichte Wissenschaftliche Gutachten des Gremiums für Kontaminanten in der Lebensmittelkette der European Food Safety Authority, The EFSA Journal 2008, 1-131 (jeweils Beiakte Heft 25), bestätigt. Danach ergibt zusammengefasst folgendes Bild:
85Als aus humantoxikologischer Sicht kritische Eigenschaften werden für PFOS wie für PFOA die lange Persistenz im menschlichen Organismus, die Toxizität nach subchronischer oder chronischer Aufnahme im Tierversuch sowie die Kanzerogenität und die Reproduktionstoxizität im Tierversuch beschrieben. PFOS und PFOA werden im Tierversuch nach oraler Aufnahme gut und schnell resorbiert. Beide Substanzen sind schlecht fettlöslich, gut wasserlöslich und binden an Serumproteine. Sie neigen deshalb dazu, in Blut und Leber zu akkumulieren. Bei Ratten wurde nachgewiesen, dass PFOA in die Muttermilch und über die Placenta in den Embryo übergeht. Auch in Humanmilch wurden PFOA und PFOS gefunden. Weder PFOS noch PFOA werden metabolisiert, sodass sie nach Aufnahme in den Körper im Wesentlichen nur durch Ausscheidung wieder unschädlich gemacht werden können. Die Ausscheidung verläuft insgesamt nur langsam, was für ihre toxikologische Bewertung als besonders kritisch angesehen wird. Die Halbwertszeiten für die Elimination perfluorierter Verbindungen sind substanz- und speziesabhängig, wobei PFOS allgemein langsamer ausgeschieden wird als PFOA. Sowohl PFOS als auch PFOA besitzen nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen eine Eliminationshalbwertszeit von mehreren Jahren. PFOS und PFOA zeigen im Tiermodell jeweils eine moderate akute Toxizität. In subakuten und chronischen Studien wurden bei längerfristiger Exposition meist Lebervergrößerungen und sonstige Leberschäden beobachtet. Daneben werden auch entwicklungstoxische Wirkungen berichtet. Bei Ratten führen PFOS und PFOA vorrangig zu einer Verminderung der Körpergewichtszunahme nach der Geburt sowie zu einer deutlichen Verringerung der Lebendgeburten und der Lebensfähigkeit der Nachkommen in den ersten Tagen nach der Geburt. PFOS förderte in einer chronischen Studie die Entstehung von Lebertumoren; auch bei PFOA zeigte sich eine erhöhte Tumorinzidenz hauptsächlich in der Leber. Die im menschlichen Blut gemessenen Konzentrationen liegen allerdings um mehrere Größenordnungen unter den im Tierversuch wirksamen Werten. Um verlässliche Aussagen zu einer möglichen Tumorentstehung durch PFOS und/oder PFOA beim Menschen machen zu können, reicht die gegebene (Human-)Datenlage nicht aus. Durch die wesentlich längere Verweildauer perfluorierter Tenside im menschlichen Organismus im Vergleich zum Tier wird die Risikobewertung erheblich erschwert. Die Aussagekraft vorhandener epidemiologischer Studien ist aufgrund methodischer Unwägbarkeiten begrenzt.
86Chemikalienrechtlich ist PFOS ein persistenter organischer Schadstoff (POP = Persistent P1. Pollutant). Herstellung, Verwendung und Inverkehrbringen von PFOS sind unionsweit durch die Verordnung 850/2004/EG, geändert durch die Verordnung 757/2010/EU, verboten oder unterliegen strengen Beschränkungen. Damit hat die Europäische Union internationale Vereinbarungen der Stockholmer Konvention umgesetzt, in deren Anhang B PFOS seit 2010 enthalten ist. PFOA befindet sich seit Juni 2013 als besonders besorgniserregender Stoff auf der Kandidatenliste nach Art. 59 der REACh-Verordnung 1907/2006/EG.
87Nimmt man all dies in den Blick, ist nach der Überzeugung des Senats davon auszugehen, dass PFT-Belastungen in Wasservorkommen, wie sie hier betroffen sind, jenseits einer weit entfernt liegenden Unbedenklichkeitsschwelle (dazu noch unten) ein erhebliches Risiko für die menschliche Gesundheit bedeuten. PFT werden primär über das Trinkwasser, sekundär aber auch über andere kontaminierte Lebensmittel aufgenommen. Dabei ist insbesondere der Konsum von Fischen von großer Bedeutung, die in ihrem Lebensraum dem PFT dauerhaft ausgesetzt sind. Vor allem PFOS weist ein hohes Bioakkumulationspotenzial auf und reichert sich in der aquatischen Nahrungskette an (vgl. LANUV-Fachbericht 34, S. 78 zur Blutuntersuchung von Anglern am Möhnesee, die deutlich erhöhte PFOS-Konzentrationen im Blutplasma aufwiesen). Das zugrunde gelegt steht mit dem ungehinderten Hineingelangen von PFT in die Gewässer unterhalb der nach der angefochtenen Ordnungsverfügung zu sanierenden Fläche eine gravierende Einschränkung ihres Gebrauchswerts für den Menschen (Trinkwassernutzung, Fischverzehr) in Rede. Gewässer mit einem dementsprechenden Risikopotential sind erheblich nachteilig verändert; Boden, der hierzu beiträgt, ist in seinen Funktionen erheblich beeinträchtigt.
88Vgl. in diesem Zusammenhang bereits OVG NRW, Beschluss vom 3. November 2006, a. a. O., Rn. 7.
89Anderes folgt nicht daraus, dass im Bereich des Wasserrechts bislang für PFOA, PFOS und andere PFT keine spezifischen Grenzwerte festgelegt sind. Namentlich das Fehlen eines Trinkwassergrenzwerts lässt sich nicht als Beleg gegen die Schädlichkeit der Bodenveränderung anführen, weil es nicht Ausdruck angenommener Unbedenklichkeit von PFT ist, sondern vielmehr der unvollständigen Datenlage geschuldet sein dürfte, die eine abschließende verbindlich Bewertung noch nicht erlaubt.
90Schließlich spricht gegen die Annahme einer schädlichen Bodenveränderung nicht, dass in der Düngemittelverordnung für PFT (Summe PFOA und PFOS) zwischenzeitlich ein Grenzwert von 100 µg/kg TS eingeführt wurde, eine Belastung landwirtschaftlich genutzter Böden mit PFT also in gewissem Umfang hingenommen wird. Dieser Grenzwert ist so bemessen, dass selbst bei Ausschöpfung der zulässigen Höchstausbringungsmengen eine Überschreitung des von der Trinkwasserkommission beim Umweltbundesamt empfohlenen Trinkwasserleitwerts im Sickerwasser mit ausreichender Sicherheit (Sicherheitsfaktor ≥ 10) vermieden werden kann. Hier müssen die aufgebrachten Materialien aber im Ergebnis ungleich höher mit PFT belastet gewesen sein, wie das vorgefundene Schadensbild (siehe oben) zwingend belegt.
91bb) Der Kläger ist als (Mit-)Verursacher der schädlichen Bodenveränderung verantwortlich im Sinne des Bundes-Bodenschutzgesetzes.
92Verursacher ist jede natürliche oder juristische Person, die an einer Bodenkontamination zumindest als Teilverantwortlicher mitgewirkt hat. Die Mitwirkung kann gleichermaßen in einem Handeln, Dulden oder Unterlassen bestehen. Allerdings reicht eine bloße Kausalität im naturwissenschaftlichen Sinne für eine Verhaltenshaftung nicht aus. Vielmehr bedarf es insbesondere bei mehreren möglichen Verursachern und unterschiedlichen Verursachungsbeiträgen einer wertenden Zurechnung der vorgefundenen Kontamination. Nach der Theorie der unmittelbaren Verursachung ist derjenige Störer, der bei wertender Betrachtung und unter Einbeziehung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls durch seinen Beitrag die Gefahrenschwelle überschritten und dadurch die unmittelbare Ursache für den Eintritt der Gefahr gesetzt hat. Dabei kommt es entscheidend auf das Vorliegen eines hinreichend engen Wirkungs- und Ursachenzusammenhangs zwischen dem Überschreiten der Gefahrengrenze und dem Verhalten einer Person an, der es gerechtfertigt erscheinen lässt, die Pflichtigkeit dieser Person zu bejahen.
93Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2008 ‑ 7 B 12.08 ‑, juris, Rn. 3 (= NVwZ 2008, 684); OVG NRW, Beschluss vom 26. März 2007 ‑ 20 B 61/07 ‑, juris, Rn. 17 (= NWVBl. 2007, 400), in dem den Kläger betreffenden Eilrechtsschutzverfahren; Schoeneck, in: Sanden/Schoeneck, a. a. O., § 4 Rn. 31; Versteyl, in: Versteyl/Sondermann, BBodSchG, 2. Aufl. 2005, § 4 Rn. 42 f.
94Eine Inanspruchnahme als Verursacher setzt zunächst den Nachweis voraus, dass der pflichtige Handlungsstörer überhaupt einen Verursachungsbeitrag gesetzt hat. Die Verantwortlichkeit dem Grund nach muss feststehen. Insofern kann eine Verhaltensverantwortlichkeit nicht auf die bloße Möglichkeit eines bestimmten Geschehensablaufs gestützt werden. § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG begründet keine konturenlosen Gefährdungshaftung für jegliche Folgen gewerblicher oder sonstiger Tätigkeit allein wegen eines objektiv gefahrenträchtigen Verhaltens.
95Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 3. September 2002 ‑ 10 S 957/02 ‑, juris, Rn. 22 (= NVwZ-RR 2003, 103), m. w. N.; OVG S.-H., Beschluss vom 14. Juli 1995 ‑ 2 M 7/95 ‑, juris, Rn. 3 (= UPR 1996, 194).
96Auch und gerade im Bodenschutzrecht kann allerdings der Nachweis eines Verursacherbeitrags nicht immer unmittelbar ‑ etwa unter Rückgriff auf naturwissenschaftlich-technische Methoden ‑ geführt werden. Zum Ausschluss spekulativer Erwägungen und bloßer Mutmaßungen müssen deshalb jedenfalls objektive Faktoren als tragfähige Indizien vorhanden sein, die in ihrer Gesamtheit den Schluss rechtfertigen, dass zwischen dem Verhalten einer Person und der eingetretenen Gefahrenlage ein gesicherter Ursachenzusammenhang besteht.
97Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Januar 2014 ‑ 16 A 242/10 ‑, juris, Rn. 7 m. w. N.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 3. September 2002, a. a. O.
98Auch im Bodenschutzrecht gilt das Regelbeweismaß nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Ein Beweis ist erbracht, wenn er die volle Überzeugung des Richters von der Wahrheit einer Behauptung begründet und nicht lediglich von deren Wahrscheinlichkeit. Jedoch darf das Gericht keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine absolute Gewissheit verlangen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind.
99Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. April 1985 ‑ 9 C 109.84 ‑, juris, Rn. 16 (= BVerwGE 71, 180); Kopp/Schenke, a. a. O., § 108 Rn. 5.
100Danach greifen in einem ersten Schritt folgende Überlegungen:
101Die schädliche Bodenveränderung ist nach der Überzeugung des Senats darauf zurückzuführen, dass die U. W. auf den zu sanierenden Flächen in T. einen von der H. -V. durch Vermischen mehrerer Ausgangsstoffe hergestellten sog. Bodenverbesserer ("U. G. ") aufgebracht hat, der mit PFT hoch belastet war.
102Das Gelände in T. wurde nachweislich sowohl 2004 als auch 2006 mit dem als U. G. bezeichneten, im Bodenmischwerk der H. -V. gemischten Material beaufschlagt. Die U. W. lieferte am 13. Mai 2004 486,30 t und am 10. und 11. Januar 2006 220,37 t des Produkts an den Baumschulbetrieb H1. . Dieses Material wurde nachfolgend auf die fraglichen Grundstücke ausgebracht, wobei die Lieferung vom 10./11. Januar 2006 auch noch für eine weitere Fläche der Baumschule bestimmt war. Beide Lieferungen werden durch entsprechende Lieferscheine belegt. Begründete Anhaltspunkte dafür, dass die Lieferscheine nicht den tatsächlichen Vorgängen entsprechen, liegen nicht vor. Allein dass der Lieferschein vom 10. Januar 2006 lediglich die Unterschrift des abgebenden Unternehmens trägt, rechtfertigt keine vernünftigen Zweifel an der Lieferung oder dem Ausbringen des dort bezeichneten Gemischs. Hinzu kommen weitere Erkenntnisse, die diese Annahme bestätigen. Das hat bereits das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Urteil (Urteilsabdruck S. 19) überzeugend dargestellt.
103Diese Feststellungen werden vom Kläger als solche auch nicht in Frage gestellt. Allerdings bestreitet der Kläger, dass der gelieferte "Bodenverbesserer" mit PFT verunreinigt war. Daran ist nach Lage der Dinge aber vernünftigerweise nicht zu zweifeln.
104Am 3. Juni 2006 wurde auf der beaufschlagten Fläche in T. im Rahmen eines ersten Screenings eine Oberflächensammelprobe entnommen. Das aufgebrachte Material war zum Probenahmezeitpunkt zwar bereits in den Boden eingearbeitet, jedoch konnten noch deutlich sichtbare, dem Boden anhaftende Materialreste eingesammelt werden. Diese wurden nachfolgend durch das Institut für Hygiene und öffentliche Gesundheit der Universität Bonn untersucht. Dabei ergab die Analyse einen PFT-Gehalt von mehreren Hundert µg/kg TS (siehe Band 1 der Ermittlungsakte 6 Js 1/07 der Staatsanwaltschaft C3. , Bl. 3 f. und 19 [Beiakte Heft 58]). Auch wenn die Untersuchung offenbar nicht nach analytischen Standards erfolgte, ist damit eine nicht unerhebliche PFT-Belastung des beprobten Materials belegt.
105Entsprechendes folgt aus der Auswertung einer weiteren Oberflächensammelprobe, die die IFUA Projekt-GmbH anlässlich der von ihr vorgenommenen Pilotuntersuchungen am 8. August 2006 auf dem Gelände in T. gewonnen hat. In dieser Probe wurde sogar eine PFT-Konzentration von 9.250 µg/kg TS gemessen (siehe Zwischenbericht vom November 2006, S. 7, 9 und 19 sowie Anlage 8 S. 1).
106Weder in dem einen noch in dem anderen Fall besteht Grund zu der Annahme, es könnte sich bei den untersuchten Oberflächenproben nicht um Materialreste der U. G. -Lieferung vom Januar 2006 handeln. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass die fragliche Fläche zu einem späteren Zeitraum nochmals mit anderen Substanzen beaufschlagt worden wäre. Auch der Kläger hat hierzu nichts vorgetragen.
107Darüber hinaus kann als gesichert angesehen werden, dass auch andere Chargen des von der U. W. unter dem Handelsnamen U. G. vertriebenen Produkts teils erheblich mit PFT kontaminiert waren. Zwar sind die von der H. -V. in dem hier maßgeblichen Zeitraum aus verschiedenen Quellen (namentlich aus Belgien und den Niederlanden) bezogenen und nachfolgend unter anderem zu U. G. verarbeiteten Schlämme und Abfallgemische unstreitig nicht auf PFT hin untersucht worden. Jedoch konnten bei einer staatsanwaltschaftlichen Durchsuchungsmaßnahme am 5. Oktober 2006 in einem Kellerraum der Mischanlage der U. W. in C1. insgesamt 225 beschriftete Briefumschläge mit Rückstellproben sichergestellt werden. Fünf dieser allerdings nicht exakt zu datierenden Proben, auf deren Briefumschlägen "U. G. " notiert war, wiesen deutlich erhöhte PFT-Werte zwischen 6.300 und 13.000 µg/kg auf (siehe Anklageschrift vom 1. Februar 2010, S. 75 f.).
108Fest steht zudem, dass im Bodenmischwerk der H. -V. in C. in der Vergangenheit PFT-belastete Abfälle gelagert wurden. In C. ist das von den befestigten Lagerflächen ablaufende Niederschlagswasser in unter den Lagerboxen liegenden Tanks gesammelt worden, um damit die in den Boxen lagernden Abfälle befeuchten zu können. Das StAfUA OWL hat die in den Tanks über eine lange Zeit abgesetzte Schlammphase als Mischprobe aus mehreren Tanks beprobt und auf PFT untersuchen lassen. Dabei zeigte sich eine hohe PFT-Belastung von 247.300 µg/kg TS (siehe Schreiben des StAfUA OWL vom 28. September 2006 u. a. an die Staatsanwaltschaft Paderborn u. a., S. 7 f. sowie Anlage 14 [Beiakte Heft 58 Bl. 2481 f., 2484]). Auch wenn sich daraus keine Rückschlüsse auf bestimmte Materialien, den genauen Zeitpunkt ihrer Lagerung oder ihre Herkunft ziehen lassen, kann angesichts der Erkenntnisse des StAfUA OWL zumindest als gesichert gelten, dass auf dem Betriebsgelände in C. über einen längeren Zeitraum PFT-haltige Stoffe vorhanden waren und somit dort zwangsläufig auch weiterverarbeitet wurden. Tragfähige Hinweise, dass diese Stoffe bei der Produktion von U. G. keine Rolle gespielt haben, sind nicht ersichtlich und ergeben sich namentlich nicht daraus, dass der Kläger ohne näheren Nachweis behauptet, auf den fraglichen Lagerplatten habe lediglich kommunaler Klärschlamm gelagert.
109Für eine generelle Verunreinigung von U. G. mit PFT und damit im Ergebnis auch für eine Ursächlichkeit von U. G. für die hier streitgegenständlichen Kontaminationen spricht ferner der Umstand, dass im Zuge systematischer Bodenuntersuchungen PFT-Belastungen auf einer Vielzahl von Flächen innerhalb und außerhalb des Hochsauerlandkreises nachgewiesen wurden, auf denen zuvor das fragliche Material aufgebracht worden war (vgl. dazu LANUV-Fachbericht 34, S. 30 ff., insb. Tabelle 8; siehe auch Anklageschrift vom 1. Februar 2010, S. 12 ff.). Selbst wenn man auch andere potentielle Ursachen wie etwa das Aufbringen kommunaler Klärschlämme in den Blick nimmt, drängt sich für den Senat vor diesem Hintergrund die Annahme eines Zusammenhangs auf. Dass die festgestellten PFT-Konzentrationen stark differieren und nicht alle nachweislich mit U. G. beaufschlagten Flächen von Verunreinigungen betroffen sind, steht dem nicht entgegen. Dies lässt sich zwanglos damit erklären, dass es sich bei U. G. um jahrelang vertriebene Gemische handelt, für deren Herstellung Abfallstoffe verschiedener Herkunft verwendet wurden, die jeweils ganz unterschiedlich oder zeitweilig auch gar nicht belastet gewesen sein können.
110Letzteres zugrunde gelegt kann das auf dem Areal in T. vorgefundene Schadensbild entgegen der Auffassung des Klägers auch schlüssig mit den beiden nachgewiesenen Beaufschlagungen mit U. G. in Einklang gebracht werden. Zwar erscheint fraglich, in welchem Umfang die festgestellten gravierenden Bodenverunreinigungen auf die letzte Flächenbeaufschlagung vom Januar 2006 zurückzuführen sind. Die Berufung weist in diesem Zusammenhang im Ausgangspunkt zu Recht darauf hin, dass 50 t der damaligen Lieferung auf einer anderen, gut 3 ha großen Fläche des Baumschulbetriebs Gockeln in C2. -S1. aufgebracht wurden. Dieses Grundstück wurde im Juni 2008 beprobt. Die Analyse der gezogenen Proben ergab eine PFOS-Konzentration von 90 µg/kg (Probennummer 468258) und 110 µg/kg (Probennummer 468259); die PFOA-Konzentration lag jeweils unterhalb der Nachweisgrenze von 10 µg/kg. Wenn auch die Schadstoffkonzentrationen 2006 noch deutlich größer gewesen und das (weitgehende) Fehlen von PFOA auf die im Vergleich zu PFOS wesentlich bessere Wasserlöslichkeit dieser Substanz zurückzuführen sein dürfte, legen diese Ergebnisse die Annahme nahe, dass das Anfang 2006 aufgebrachte Material nicht derart mit PFT belastet war, dass sich allein damit das Ausmaß der Bodenverunreinigung plausibel erklären ließe. In dieselbe Richtung deuten zudem Angaben des Instituts für Hygiene und öffentliche Gesundheit der Universität Bonn (Dr. G1. ) im Rahmen einer Besprechung mit Verantwortlichen des Hochsauerlandkreises am 8. Juni 2006, wonach mit Blick auf die PFT-Belastung der Möhnetalsperre von einem länger andauernden Ereignis auszugehen sei. Anders als die Berufung meint, ergibt sich daraus aber kein überzeugendes Argument gegen die Ursächlichkeit von U. G. für die Kontamination in T. . Denn wie eingangs dargestellt wurde die Fläche bereits im Jahr 2004 mit fast 500 t des Gemischs beschickt. Insoweit kann und muss davon ausgegangen werden, dass schon diese Lieferung ganz erheblich mit PFT belastet war. Für den Senat greift dabei letztlich der entscheidende Gedanke, dass anderweitige tatsächliche Ursachen für die in T. vorgefundenen Bodenverunreinigungen nicht ernsthaft in Betracht kommen. Ausgehend von den auf einer Auswertung der entsprechenden Klärschlammlieferscheine beruhenden Feststellungen des Beklagten, an deren Richtigkeit zu zweifeln für den Senat kein begründeter Anlass besteht, sind auf der hier maßgeblichen Fläche seit Inkrafttreten der Klärschlammverordnung am 1. Juli 1992 keine Klärschlämme aufgebracht worden. Mit PFT belastete Klärschlämme insbesondere aus den Anlagen des Ruhrverbands scheiden daher nach allem, was erkennbar ist, als mögliche Schadensquelle aus. Ist das aber der Fall, verbleibt vernünftigerweise nur der Auftrag von U. G. als Erklärung. Es ist nämlich weder vom Kläger substantiiert vorgetragen worden noch sonst erkennbar, aufgrund welcher sonstigen Umstände es zu der Kontamination des Bodens hätte kommen können. Die diesbezüglichen Überlegungen zur Verwendung spezieller, vermeintlich PFT-haltiger Dünge- und/oder Spritzmittel für Weihnachtsbaumkulturen gehen über bloße Spekulationen nicht hinaus und entbehren sämtlich eines nachvollziehbaren Tatsachenkerns. Der Senat hat insbesondere keinerlei Erkenntnisse darüber, dass in der Vergangenheit bei der Produktion bestimmter Dünge- bzw. Spritzmittel regulär PFT-haltige Inhaltsstoffe zum Einsatz gelangt sind. Solche trägt auch der Kläger nicht vor.
111Kann bereits nach alledem mit der nötigen Überzeugungsgewissheit darauf geschlossen werden, dass die von der U. W. auf der Fläche in T. aufgebrachten U. G. -Lieferungen mit PFT verunreinigt waren und in der Folge zu der dort ermittelten schädlichen Bodenveränderung geführt haben, ist schließlich nicht entscheidungserheblich, woher im Einzelnen die H. -V. die für die betreffenden Chargen verwendeten Ausgangsmaterialien bezogen hat. Auf die Erwägungen des Verwaltungsgerichts, wonach die PFT-Kontamination des in T. aufgebrachten Abfallgemischs gerade aus den Schlämmen herrührt, die der H. -V. von der belgischen P. vermittelt wurden, kommt es daher im Ergebnis nicht an, sodass die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung schon deshalb nicht durchgreifen.
112Der Kläger ist für die durch die Beaufschlagung mit U. G. herbeigeführte schädliche Bodenverunreinigung in T. im Weiteren auch persönlich verhaltensverantwortlich. Dem steht zunächst seine Stellung als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH bei den beiden Firmen U. W. und H. -V. nicht entgegen.
113Für das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht ist anerkannt, dass Leitungspersonen juristischer Personen des Privatrechts oder diesen aufgrund ihrer Struktur gleichgestellter Personengesellschaften persönlich als Verursacher einer Gefahr ordnungspflichtig sein können. Der für eine juristische Person oder ‑ wie hier ‑ eine Personengesellschaft maßgeblich Handelnde ist mithin nicht schon allein wegen dieser Stellung von jeder eigenen Verantwortlichkeit frei.
114Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. September 1987 ‑ 20 B 1490/87 ‑ und vom 15. Juli 1993 ‑ 20 B 4505/92 ‑; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, S. 294; Schlabach/Simon, Die Rechtsnachfolge beim Verhaltensstörer, NVwZ 1992, 143, 146.
115Anknüpfungspunkt für einen Zugriff auf ihn ist, dass er (auch) in seiner Person die Voraussetzungen der Verhaltensverantwortlichkeit erfüllt. Ist das der Fall, scheitert die persönliche Inanspruchnahme des Betreffenden nicht daran, dass sein Handeln auch der juristischen Person oder Personengesellschaft zugerechnet werden kann mit der Folge, dass diese ordnungsrechtlich für sein Handeln einzustehen hat. Eine derartige Zurechnung ist nicht ausschließlich in dem Sinne, dass sie den Handelnden von seiner eigenen Verantwortlichkeit befreit.
116Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. September 1993 ‑ 11 A 694/90 ‑, juris, Rn. 38 ff. (= OVGE 43, 152); VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 20. Oktober 1992 ‑ 10 S 2707/91 ‑, juris, Rn. 7 (= NVwZ 1993, 1014), und vom 25. März 2003 ‑ 1 S 190/03 ‑, juris, Rn. 58 (= NJW 2003, 2550).
117Diese Grundsätze gelten auch im Rahmen des § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG.
118Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. März 2007, a. a. O. Rn. 14 ff., sowie Urteil vom 21. November 2012 ‑ 16 A 85/09 ‑, juris, Rn. 37 (= W+B 2013, 102).
119Die Vorschrift knüpft an den überkommenen polizeirechtlichen Begriff des Verursachers an und greift die diesbezüglich entwickelten Kriterien auf.
120Vgl. BT-Drucks. 13/6701, S. 34; Frenz, a. a. O., § 4 Abs. 3 Rn. 4 f.; Versteyl, a. a. O., § 4 Rn. 39.
121Dagegen lässt sich § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG nicht entnehmen, dass ein an sich die persönliche Verhaltensverantwortlichkeit des Handelnden auslösendes Handeln dann, wenn hierfür die Einstandspflicht einer juristischen Person und/oder einer Personengesellschaft begründet ist, nur für die Letztgenannte relevant ist. Eine Übertragung von die persönliche Haftung einschränkenden zivilrechtlichen Grundsätzen auf das dem Bodenschutz dienende Ordnungsrecht war weder beabsichtigt und noch entspricht sie dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Insbesondere besagt die gegenständlich begrenzte Ausweitung der Verantwortlichkeit nach § 4 Abs. 3 Satz 4 BBodSchG nicht, dass bei der Beurteilung der Eigenschaft als Verursacher im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG handelsrechtliche oder gesellschaftsrechtliche Einstandspflichten eine nach ordnungsrechtlichen Maßstäben bestehende persönliche Verantwortlichkeit hindern. Auch daraus, dass § 4 Abs. 3 BBodSchG keine ausdrückliche Regelung hinsichtlich der Einstandspflicht für einen Verrichtungsgehilfen (vgl. § 17 Abs. 3 OBG) enthält, folgt nichts anderes, da nicht das Einstehenmüssen für eine fremde Verantwortlichkeit in Rede steht, sondern das Entfallen der eigenen Verantwortlichkeit wegen fremder Einstandspflicht.
122Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. März 2007, a. a. O., Rn. 16.
123Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Kläger Verursacher der schädlichen Bodenveränderung, weil er als Geschäftsführer der jeweiligen Komplementär-GmbH die wesentlichen Verursachungsbeiträge innerhalb der Unternehmen H. -V. und U. W. selbst gesetzt hat, indem er persönlich den Betrieb beider Firmen und damit im Ergebnis die für die Aufbringung des PFT-haltigen Materials auf den betroffenen Flächen maßgeblichen Vorgänge bestimmt hat. Hiervon ist aufgrund vorläufiger Einschätzung schon der 20. Senat in dem Eilbeschwerdebeschluss vom 26. März 2007 ‑ 20 B 61/07 ‑ ausgegangen (Beschlussabdruck S. 5 ff. = juris, Rn. 17 ff.). Den dortigen Erwägungen tritt der erkennende Senat vollumfänglich bei. Das Vorbringen des Klägers im Klage- und Berufungsverfahren sowie die hier gewonnenen Erkenntnisse rechtfertigen keine andere Beurteilung. Das gilt namentlich auch mit Blick auf das Ergebnis der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vom 20. Mai 2015.
124Soweit der Kläger geltend macht, er sei in dem streitgegenständlichen Zeitraum nicht nur für die H. -V. und die U. W. tätig gewesen, sondern habe als Geschäftsführer von insgesamt sieben Firmen fungiert, deren Betrieb er jeweils in kaufmännischer Hinsicht zu leiten gehabt habe (vgl. insbesondere Schriftsatz vom 20. Dezember 2013, S. 4 ff.), stellt dies die Annahme seiner Verhaltensverantwortlichkeit bereits im Ansatz nicht in Frage. Der Kläger übersieht, dass es hierfür nicht entscheidend darauf ankommt, in welchem Umfang er selbst in das Tagesgeschäft der verschiedenen Unternehmen und mithin auch der H. -V. und der U. W. eingebunden war. Dementsprechend ist es unerheblich, wenn einzelne Arbeitsschritte von der Annahme des Ausgangsmaterials über dessen Weiterverarbeitung bis hin zum Vertrieb und dem Aufbringen des Endprodukts ‑ wie vom Kläger vorgetragen ‑ von einzelnen, dafür jeweils zuständigen Mitarbeitern erledigt wurden. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Kläger derjenige war, der innerhalb von H. -V. und U. W. die betrieblichen Vorgänge beim Umgang mit den Ausgangsstoffen und dem hieraus zusammengemischten Material sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht zentral und umfassend gesteuert und auf diese Weise die Geschäfte beider Unternehmen im eigentlichen Wortsinne geführt und miteinander auf den risikoträchtigen Erfolg hin verknüpft hat. Daran aber ist nicht zu zweifeln. Hierfür spricht bereits seine Stellung in den Unternehmen. Der Kläger war jeweils alleiniger Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. In beiden Firmen waren zudem nur wenige Mitarbeiter beschäftigt (nach den unwidersprochenen Angaben des Beklagten bei seiner Ablehnung des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs [Schreiben vom 24. November 2006]: U. W. : 4; H. -V. : 12-23; jeweils einschließlich Geschäftsführer). Angesichts dieser Ausgangslage ist es bei lebensnaher Betrachtung schon nicht ernsthaft vorstellbar, dass ein anderer als der Geschäftsführer dazu berufen gewesen sein könnte, den gemeinsamen Geschäftszweck der Unternehmen zu realisieren und die dazu erforderlichen betrieblichen Abläufe durch generelle Anordnungen und sonstige Vorgaben zu lenken. Dafür ist auch ansonsten nichts erkennbar. Der Kläger hat im Gegenteil selbst eingeräumt, es sei seine Aufgabe gewesen, "Strukturen zu schaffen", also ein wirtschaftlich erfolgreiches Agieren der Firmen durch Herstellung der dafür notwendigen Voraussetzungen zu ermöglichen. Das wiederum wird im Ergebnis auch durch die Beweisaufnahme belegt.
125Die Zeugen Q. -K. X. und I2. X. , die älteren Brüder des Klägers, haben übereinstimmend angegeben, dass die wirtschaftliche Verwertung von Klärschlämmen und Biokompostabfällen zwar bereits Teil des Geschäfts der Brüder X. GbR gewesen sei, nachfolgend aber auf die H. -V. übertragen und dort unter der Geschäftsführung des Klägers "intensiviert" bzw. "vergrößert" worden sei. Was die konkrete Rolle des Klägers im operativen Bereich angeht, waren die Aussagen der Zeugen zwar ausgesprochen vage und demgemäß weitestgehend unergiebig. Gleichwohl haben beide Zeugen, die neben dem Kläger jeweils Kommanditisten der H. -V. und der U. W. waren, bei verständiger Würdigung ihrer Ausführungen letztlich keinen Zweifel daran gelassen, dass die eigentliche Leitungsverantwortung dem Kläger oblag. So hat der Zeuge I2. X. erklärt, der Kläger sei als Geschäftsführer auch für die Strategien beider Firmen verantwortlich gewesen. Der Zeuge Q. -K. X. hat ausgesagt, er habe sich um die Ausrichtung der Geschäfte in den Unternehmen nicht gekümmert und seinen Bruder als Geschäftsführer seine Arbeit machen lassen. Insoweit hält der Senat die Aussagen der beiden Zeugen X. ohne Weiteres für glaubhaft. Die Beweisaufnahme hat keinerlei Anhaltspunkte dafür hervortreten lassen, dass die Zeugen ein Interesse daran haben könnten, den Kläger, was seine Funktion in den Firmen H. -V. und U. W. angeht, zu Unrecht zu "belasten". Ihr Aussageverhalten war vielmehr genau umgekehrt von dem offensichtlichen Bemühen getragen, dem Kläger unter Bezugnahme auf weitreichende Erinnerungslücken und Informationsdefizite nicht durch Angaben zu den Einzelheiten seiner Tätigkeiten in beiden Unternehmen zu schaden.
126Dass der Kläger die Geschicke von H. -V. und U. W. im eigentlichen Sinne gelenkt und geleitet hat, wird ferner auch durch die Aussage der Zeugin T. unter Mitberücksichtigung ihrer Bekundungen im Rahmen ihrer Vernehmung durch das Landeskriminalamt Düsseldorf am 5. Oktober 2006 bestätigt. Die Zeugin hat in der mündlichen Verhandlung am 20. Mai 2015 angegeben, in ihrer Funktion als Buchhalterin habe sie sich zunächst über das Geschäftsmodell der Firmen gewundert, soweit das darin bestanden habe, für den Bezug später weiter verarbeiteter Materialien Geld zu erhalten. Bei allen sich ihr in diesem Zusammenhang stellenden Fragen habe sie sich immer ausschließlich an den Kläger und nicht etwa an ihren damaligen Lebensgefährten, den Zeugen Q. -K. X. , oder an eine andere Person gewandt. Ansonsten hat die Zeugin allerdings erklärt, zu den Details der Tätigkeit des Klägers heute nichts mehr sagen zu können. Ihr ist deshalb die Aussage vorgehalten worden, die sie seinerzeit nach dem Inhalt des bei der Vernehmung durch das Landeskriminalamt vom 5. Oktober 2006 gefertigten Vernehmungsprotokolls in Bezug auf die Rolle des Klägers bei der H. -V. und der der U. W. gemacht hat. Danach hatte sie bei der Vernehmung angegeben, die ursprüngliche Idee, ins Klärschlammgeschäft einzusteigen, sei zwar von Q. -K. und I2. X. gekommen. Später habe jedoch der Kläger die Idee gehabt, das Klärschlammgeschäft im großen Stil zu betreiben. Da die Brüder X. GbR das sichere Standbein gewesen sei, habe man den Kläger mit seinen neuen Ideen daran nicht beteiligen wollen. Diese hätte vielmehr über die GmbH & Co. KG abgewickelt werden sollen, um die ursprüngliche Firma nicht wirtschaftlich zu gefährden. Weil der Kläger der Ideengeber gewesen sei, sei er auch Geschäftsführer geworden. Mit der Gründung der H. -V. sei das Klärschlammgeschäft komplett an diese übergegangen. Wie das Klärschlammgeschäft durch die H. -V. ausgeweitet worden sei, könne sie nicht sagen. Sie wisse nur, dass es immer mehr und mehr geworden und die Fäden dabei vom Kläger gezogen worden seien. Sie habe nur vom Kläger die buchhalterischen Belege der Kunden und von S. N. die Auflistung der Gutschriften für die Landwirte bekommen. Anhand der Belege der Spediteure habe sie sehen können, dass das Geschäft quasi von Gründung der H. -V. an deutschlandweit und auch nach Belgien und in die Niederlande ausgeweitet worden sei. Soweit es die U. W. betreffe, sei der Kläger der eingetragene und auch der faktische Geschäftsführer gewesen, von ihm sei alles unterschrieben worden. Auch aus den Gesprächen mit den Brüdern (d. h. den Zeugen Q. -K. und I2. X. ) habe sie gewusst, dass der Kläger die Geschäfte für die U. W. geführt habe. Auf den Vorhalt ihrer Aussage vom Oktober 2006 hat die Zeugin den Inhalt des Protokolls an sich nicht in Frage gestellt, sondern sich lediglich darauf zurückgezogen, dass sie sich nicht mehr erinnern könne. Damit ist die Zeugin von ihren damaligen Angaben inhaltlich nicht abgerückt. Es ist auch nichts dafür erkennbar, dass sie bei ihrer Vernehmung durch das Landeskriminalamt (bewusst) falsche Angaben gemacht haben könnte. Weder ihrer Aussage vor dem Senat noch der Vernehmungsniederschrift lassen sich Hinweise auf eine Belastungstendenz der Zeugin entnehmen. Gründe für eine solche Annahme ergeben sich auch nicht aus der Gestaltung der Vernehmung. Insofern hat die Zeugin gegenüber dem Senat zwar bekundet, sie sei nach ihrer seinerzeitigen Aussage "fix und fertig" gewesen. Dies lässt für sich genommen aber nicht den Schluss zu, sie könne unzulässig unter Druck gesetzt oder in anderer Weise rechtswidrigen Vernehmungsmethoden ausgesetzt worden sein, sondern bezieht sich offenbar in erster Linie auf die lange Dauer ihrer Einvernahme (14.40 bis 19.00 Uhr). Der Senat ist vor diesem Hintergrund davon überzeugt, dass die Zeugin im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung ihre seinerzeitigen Wahrnehmungen zu der tragenden Funktion und Rolle des Klägers in den Firmen H. -V. und U. W. wahrheitsgemäß wiedergegeben hat. Anzunehmen, dass diese nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprachen, besteht kein Anlass. Die Zeugin verfügte aufgrund ihrer Tätigkeit als Buchhalterin beider Firmen bis 2003 und als damaliges Mitglied der Familie X. ungeachtet ihres "Dienstorts" über entsprechende Erkenntnismöglichkeiten insbesondere hinsichtlich der Anfangsjahre der Geschäftstätigkeit der H. -V. und der U. W. . Soweit sie angegeben hat, ab etwa 2000 von allen drei Brüdern "dumm gehalten" worden zu sein, und sie sich im Mai 2004 von dem Zeugen Q. -K. X. getrennt habe, ist nichts dafür ersichtlich, dass sich die hier interessierenden Verhältnisse danach entscheidend geändert haben. Schließlich fehlt es auch an jeglichem Hinweis darauf, dass die Angaben der Zeugin gegenüber dem Landeskriminalamt fehlerhaft protokolliert worden sein könnten.
127Anhaltspunkte, dass anstelle oder neben dem Kläger eine dritte Person die Geschäfte der H. -V. und/oder der U. W. geführt haben könnte, sind auch im Berufungsverfahren nicht hervorgetreten. Der Hinweis des Klägers auf die Bestellung von Betriebsleitern und die Delegation von Aufgaben auf diese geht fehl, weil die Funktion eines Betriebsleiters sich wesentlich von der eines Geschäftsführers in dem oben genannten Sinne unterscheidet. Dass etwa der Betriebsleiter der H. -V. , N1. B2. , zugleich Aufgaben der Geschäftsführung wahrgenommen hat und damit beauftragt war, die den wirtschaftlichen Zielsetzungen entsprechenden Betriebsabläufe umfassend und letztverantwortlich zu steuern, hat der Kläger selbst nicht vorgetragen (vgl. Schriftsätze vom 20. Dezember 2013, S. 9 f., und vom 18. Mai 2015, S. 8). Hierfür lässt sich auch weder den Zeugenaussagen noch dem sonstigen Akteninhalt Substantielles entnehmen. Der Beklagte weist ferner zu Recht darauf hin, dass die Tätigkeit der verschiedenen Betriebsleiter offenbar auf ihr jeweiliges Unternehmen beschränkt war, während allein der Kläger in beiden Firmen eine maßgebliche Funktion innehatte und damit in der Lage war, Produktion und Vertrieb der zu Dünger weiterverarbeiteten Abfallgemische zentral miteinander zu verknüpfen. Im Übrigen ist auch nichts dafür vorgetragen oder losgelöst davon erkennbar, dass einzelne Beschäftigte außerhalb des ihnen vom Kläger zugewiesenen Aufgabenbereichs gehandelt haben, nicht von dessen Weisungen abhängig waren und/oder diese Weisungen nicht befolgt haben.
128Vor diesem Hintergrund bestand für den Senat keine Veranlassung, den vorsorglich geladenen, aber krankheitsbedingt nicht erschienenen Zeugen B2. erneut zu laden und zu vernehmen. Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag war bereits als unsubstantiiert abzulehnen, weil es ihm an der gebotenen konkreten Beweisbehauptung mangelte. Der Kläger hat weder mit der Formulierung des Beweisantrags noch mit seinem sonstigen Vorbringen eine hinreichend bestimmte Beweistatsache aufgezeigt, die der Zeuge hätte bekunden sollen (§ 98 VwGO i. V. m. § 373 ZPO).
129Unerheblich ist, ob der Kläger von dem Vorhandensein der PFT in den Ausgangsstoffen und/oder in den ausgebrachten Gemischen wusste oder zumindest hätte wissen können. Subjektive Komponenten sind für die im Rahmen wertender Betrachtung erfolgende Begründung der Verursacherverantwortlichkeit grundsätzlich irrelevant. Namentlich kommt es im Recht der Gefahrenabwehr auf ein Verschulden der handelnden Personen nicht an.
130Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. März 2007, a. a. O., Rn. 19; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 26. November 2008 ‑ 8 A 10933/08 ‑, juris, Rn. 27 (= NVwZ-RR 2009, 280); Frenz, a. a. O., § 4 Abs. 3 Rn. 28, unter anderem unter Hinweis darauf, dass § 4 Abs. 5 Satz 2 BBodSchG davon ausgeht, dass es auch einen "gutgläubigen" Verursacher gibt; Schoeneck, a. a. O., § 4 Rn. 31.
131Verantwortungsbereiche sind vielmehr objektiv zuzurechnen. Dabei ist in Ergänzung des Unmittelbarkeitserfordernisses ein anerkannter Gesichtspunkt, in wessen Risiko- und Pflichtensphäre die Verantwortung für einen gefährlichen Zustand fällt.
132Vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 26. November 2008, a. a. O.; Schoeneck, a. a. O.
133Hier war sowohl mit der Produktion als auch mit dem Vertrieb und dem Ausbringen von U. G. von vornherein ein erhebliches (latentes) Risiko verbunden. Dieses Risiko ist den Firmen H. -V. und U. W. und mithin nach den obigen Erwägungen auch dem Kläger zuzurechnen. Unabhängig von der Frage ihrer konkreten Herkunft handelte es sich bei den bei der Herstellung verwendeten Ausgangsmaterialien um Schlämme aus der Abwasserreinigung und sonstige Abfallstoffe. Die landbauliche Verwertung solcher Materialien ohne vorherige spezifische Behandlung ist, zumal wenn diese ‑ wie vorliegend wohl überwiegend der Fall ‑ aus dem Ausland bezogen werden, bereits aus sich heraus mit einem nicht unerheblichen Risikopotential behaftet. Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass die Anlieferung und Aufbringung ‑ wie auch in T. ‑ für den Abnehmer typischerweise kostenfrei erfolgte oder jener sogar Geld dafür erhalten hat. Dieser Umstand kann zwanglos illustrieren, dass es im Ergebnis gerade nicht um die Lieferung eines biologisch wertvollen Stoffs ging, sondern um die Verwertung entsorgungsbedüftigen Abfalls, mag dieser Entsorgungsweg auch weit verbreitet sein.
134In diesem Sinne bereits OVG NRW, Beschluss vom 21. März 2007 ‑ 20 B 99/07 ‑.
135Schließlich kann sich der Kläger nicht auf eine seine Sanierungsverantwortlichkeit ausschließende Legalisierungswirkung der der H. -V. unter dem 15. April 1998 erteilten und später mehrfach erweiterten Betriebsgenehmigung berufen. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat (Urteilsabdruck S. 27), war die H. -V. aufgrund der bestehenden Genehmigungen nicht befugt, in ihrem Werk in C. Schlämme aus der Nichtnahrungsmittelindustrie zu lagern und zu mischen. Stoffe dieser Herkunft müssen in den auf der Fläche in T. aufgebrachten U. G. -Lieferungen nach Lage der Dinge jedoch in erheblichem Umfang enthalten gewesen sein, da anderenfalls die im Hinblick auf die festgestellten und gemäß den obigen Erwägungen nur auf den Einsatz von U. G. zurückzuführenden Verunreinigungen notwendigen hohen PFT-Gehalte nicht zu erklären wären. Dass Schlämme oder sonstige Abfälle aus Betrieben der Lebensmittelindustrie, die als wesentliche Einsatzstoffe für die Produktion von U. G. verwendet worden sein sollen, PFT-belastet gewesen sein könnten, ist nach allen vorliegenden Erkenntnissen auszuschließen und wird auch vom Kläger nicht geltend gemacht.
136b) Aus dem gleichen Grund gehen letztlich auch die Ausführungen der Berufung zur Nichtanwendbarkeit von § 10 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG auf den vorliegenden Sachverhalt ins Leere. Nach seinem § 3 Abs. 1 findet das Bundes-Bodenschutzgesetz auf schädliche Bodenveränderungen nur dann (subsidiär) Anwendung, wenn die dort aufgeführten Fachgesetze Einwirkungen auf den Boden nicht regeln. Die Erwägungen zur Vorrangigkeit der Bioabfallverordnung ‑ BioAbfV ‑ bzw. der Klärschlammverordnung ‑ AbfKlärV ‑ (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BBodSchG) und des Düngemittelrechts (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 BBodSchG) beruhen auf der ‑ unzutreffenden ‑ Prämisse, dass der "Bodenverbesserer" U. G. keine Schlämme aus sonstigen industriellen Herkunftsbereichen enthielt. Ist dies jedoch der Fall, unterliegt das ausgebrachte Material nicht den vorgenannten Bestimmungen. Die Bioabfallverordnung gilt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 für unbehandelte und behandelte Bioabfälle und Gemische, die zur Verwertung als Düngemittel auf landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzte Böden aufgebracht oder zum Zweck der Aufbringung abgegeben werden. Gemäß § 2 Nr. 1 BioAbfV sind Bioabfälle Abfälle tierischer oder pflanzlicher Herkunft zur Verwertung, die durch Mikroorganismen, bodenbürtige Lebewesen oder Enzyme abgebaut werden können. Dies trifft auf PFT-haltige Materialien nicht zu. Im Übrigen greift die Bioabfallverordnung nicht, soweit die Klärschlammverordnung Anwendung findet (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 BioAbfV). Die Klärschlammverordnung hat zu beachten, wer Klärschlamm auf landwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzte Böden aufbringt oder aufbringen will (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 AbfKlärV). Nach § 2 Abs. 2 AbfKlärV ist Klärschlamm der bei der Behandlung von Abwasser in Abwasserbehandlungsanlagen einschließlich zugehöriger Anlagen zur weitergehenden Abwasserreinigung anfallende Schlamm, auch entwässert oder getrocknet oder in sonstiger Form behandelt; als Klärschlamm gelten auch Klärschlammkomposte und Klärschlammgemische; Klärschlammgemische sind Mischungen aus Klärschlamm mit anderen geeigneten Stoffen nach Anlage 2 Tabellen 11 und 12 der Düngemittelverordnung in der jeweils geltenden Fassung. § 4 Abs. 1 AbfKlärV verbietet das Aufbringen von Schlamm aus anderen Abwasserbehandlungsanlagen als zur Behandlung von Haushaltsabwässern, kommunalen Abwässern oder Abwässern mit ähnlich geringer Schadstoffbelastung auf landwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzte Böden. Klärschlämme aus der Behandlung von sonstigem industriellem Abwasser gehören hierzu nicht. Da die Klärschlammverordnung (abgesehen von Ordnungswidrigkeitenbestimmungen) die Folgen eines objektiv verbotswidrigen Aufbringens von Klärschlämmen nicht regelt, gelangen die Regelungen des Bundes-Bodenschutzgesetzes zur Anwendung. Entsprechende Überlegungen gelten für das Düngemittelrecht. Soweit hier von Interesse, durften Ausgangsstoffe für die Herstellung von Düngemitteln und Bodenhilfsstoffen nach der bis Dezember 2008 geltenden Düngemittelverordnung 2003 nur Schlämme, Flotate und Fugate aus der Nahrungsmittelindustrie sowie Klärschlämme aus der Behandlung von Abwässern in kommunalen Kläranlagen sein (Anlage 2, Tabelle 11 Buchst. c, Nr. 45 und 46). Wie mit den Folgen des Aufbringens eines "Düngemittels" zu verfahren ist, das diesen Anforderungen nicht entspricht, regelt das Düngemittelrecht wiederum nicht.
137c) Lagen und liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten gegenüber dem Kläger damit vor, stellt sich dessen Inanspruchnahme weiterhin auch als ermessensfehlerfrei und insbesondere verhältnismäßig dar.
138aa) Die Frage der Verhältnismäßigkeit betrifft zunächst das festgelegte Sanierungsziel und die zu dessen Erreichung konkret verfügten Sanierungsmaßnahmen.
139Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG besteht unter anderem die Verpflichtung, den Boden so zu sanieren, dass dauerhaft keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen. Hierzu kommen nach Satz 2 der Vorschrift bei Belastungen durch Schadstoffe neben Dekontaminations- auch Sicherungsmaßnahmen in Betracht, die eine Ausbreitung der Schadstoffe langfristig verhindern. Soweit dies nicht möglich oder unzumutbar ist, sind sonstige Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen durchzuführen (Satz 3 der Vorschrift). Sind schädliche Bodenveränderungen nach dem 1. Januar 1999 eingetreten, sind Schadstoffe gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 BBodSchG aus dem Boden zu beseitigen, soweit dies im Hinblick auf die Vorbelastung des Bodens verhältnismäßig ist.
140Die hier streitigen Maßnahmen entsprechen Im Ergebnis einer Dekontamination der belasteten Fläche im Sinne einer Beseitigung bzw. (weitgehenden) Verminderung der Schadstoffe (§ 2 Abs. 7 Nr. 1 BBodSchG). Der Umfang der Sanierung ist am Sanierungsziel, an der aktuellen und zukünftigen Nutzung des zu sanierenden Areals (vgl. § 4 Abs. 4 BBodSchG) sowie allgemein am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auszurichten. Je größer die akute Gefahr für den Menschen ist, umso stärker rechtfertigen sich auch extrem aufwändige Sanierungs- bzw. Sicherungsmaßnahmen.
141Vgl. Versteyl, a. a. O., § 4 Rn. 86.
142Ergreift die Behörde Maßnahmen, um die sich aus § 4 Abs. 3 BBodSchG ergebende Pflicht zu konkretisieren, ergibt sich die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zudem unmittelbar aus § 10 Abs. 1 Satz 4 BBodSchG.
143Das vorausgeschickt erweisen sich die angeordneten Sanierungs- bzw. Sicherungsmaßnahmen nach Art und Umfang als geeignet. Soweit der Kläger die Effektivität der vom Beklagten gewählten Vorgehensweise, die im Kern darauf beruht, das von der kontaminierten Fläche oberflächennah abfließende Niederschlagswasser samt der darin gelösten PFT mittels Fangdränage zu sammeln und sodann durch Aktivkohlefilterung zu reinigen, in Abrede stellt, ist dem nicht zu folgen. Die Wirksamkeit der installierten Wasserbehandlungsanlage wird ‑ wie bereits oben ausgeführt ‑ durch die laufend durchgeführten Gewässeruntersuchungen, die einen signifikanten Rückgang der PFT-Belastungen der betroffenen Gewässer zeigen, nachdrücklich belegt. Zudem werden im Ablauf der Reinigungsanlage seit Jahren unkritische Werte gemessen, während die PFT-Belastung im Zulauf nach wie vor hoch ist. Dies zeigt die kontinuierliche Entfernung von PFT aus dem Sickerwasser und damit letztlich aus dem kontaminierten Boden selbst. Gegen die Geeignetheit der Sanierungsvorgaben spricht entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht, dass sich derzeit nicht verlässlich abschätzen lässt, wann die Sanierungszielwerte erreicht sein werden (vgl. dazu die Ausführungen des Herrn Dr. C. von der IFUA Projekt-GmbH in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat). Allein der Umstand, dass die Sanierung zur Zielwerterreichung allemal noch über Jahrzehnte fortgesetzt werden muss, bedeutet nicht, dass von dem Kläger in objektiver Hinsicht etwas tatsächlich und/oder rechtlich Unmögliches verlangt würde. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann insoweit auf die zutreffenden Erwägungen in dem Änderungsbescheid des Beklagten vom 12. Mai 2015 (dort S. 5) verwiesen werden, denen der Senat folgt. Anders als der Kläger meint, liegt auch keine zur Nichtigkeit der Sanierungsanordnung führende subjektive Unmöglichkeit vor, weil das Sanierungsendziel möglicherweise nicht innerhalb der Lebenszeit des Klägers erreicht werden wird. Die Nichtigkeitsregelung des § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW betrifft nur die tatsächliche objektive Unmöglichkeit. Das bloße Unvermögen des Betroffenen, die ihm durch Verwaltungsakt auferlegte Verpflichtung zu erfüllen, hat allenfalls nach Abs. 1 der Vorschrift ausnahmsweise dann Nichtigkeit zur Folge, wenn es sich um eine höchstpersönliche Pflicht handelt. Das ist bei einer Pflicht zur Gefahrenabwehr, die ‑ wie hier ‑ eine vertretbare Handlung beinhaltet, aber nicht der Fall.
144Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 ‑ 7 C 3.05 ‑, juris, Rn. 26 ff. (= BVerwGE 125, 325).
145Die dem Kläger aufgegebenen Maßnahmen sind darüber hinaus erforderlich. Dabei unterliegt zunächst die Erforderlichkeit der (weiteren) Reinigung des aus der Fläche austretenden Sickerwassers keinen durchgreifenden Bedenken. Solche ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass seitens der Wasserversorger an der Ruhr ebenfalls Maßnahmen ergriffen worden sind, um die PFT-Konzentrationen im Trinkwasser zu minimieren, und namentlich in dem am stärksten betroffenen Wasserwerk Möhnebogen bereits im Juli 2006 eine Aktivkohlefilteranlage in Betrieb gegangen ist. Während diese Maßnahmen erst bei der Trinkwassergewinnung selbst greifen, setzt die Bodensanierung deutlich früher an und zielt darauf, die PFT-Einträge bereits an der Quelle zu reduzieren, um so die Verunreinigung von Wasser, das (mittelbar) der Trinkwassergewinnung dient, von Anfang an zu vermeiden. Wie oben dargelegt, besteht mit Blick auf die Ergebnisse der Gewässeruntersuchungen kein vernünftiger Zweifel daran, dass wesentliche Teile der PFT-Belastungen der Möhne und damit auch des Trinkwassers aus dem Wasserwerk Möhnebogen, das überwiegend aus dem Möhnewasser gewonnen wird, auf die Bodenverunreinigungen in T. zurückzuführen sind. Ein derartiger Belastungsschwerpunkt ist regelmäßig ungeachtet nachgelagerter Sicherungsmaßnahmen zu sanieren. Nur durch die Sanierung einer erkannten punktuellen Schadstoffquelle lässt sich einer sonst drohenden Ausbreitung der Schadstoffe mit der Folge unter anderem zunehmend steigender Hintergrundbelastungen und einer dem Schutz der V. abträglichen Verlagerung oder Erstreckung der Schadstoffe auf andere Umweltmedien wirkungsvoll begegnen. Insofern entspricht es den Wertungen des Bodenschutzrechts, bei einem wasserlöslichen Schadstoff einem sukzessiven Schadstoffaustrag in die Gewässer effektiv entgegenzuwirken, und zwar auch dann, wenn sich als Folge des Zutritts großer Wassermengen letztlich "Verdünnungen" auf eher unkritischere Konzentrationen ergeben sollten. Nicht anders als etwa bei Deponien oder sonstigen Anlagen, in denen wassergefährdende Stoffe vorhanden sind oder mit solchen Stoffen umgegangen wird, gilt es prinzipiell und in erster Linie, die Schadstoffe an ihrem Entstehungs- oder Auffindungsort zurückzuhalten und dort Maßnahmen zur Gewährleistung eines insgesamt gefahrlosen Zustands der Umwelt zu ergreifen.
146Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. November 2006, a. a. O., Rn. 9.
147Hinzu kommt, dass nach den vom Beklagten zwischenzeitlich in das Verfahren eingeführten Erkenntnissen zusätzlich zum Trinkwasserschutz der menschliche Fischverzehr angesichts der Eigenschaft von PFOS, sich in der aquatischen Nahrungskette anzureichern, als besonders sensibles und damit primär schützenswertes Schutzgut anzusehen ist (dazu näher unten). Zu dessen Schutz kann der parallele Betrieb von Filteranlagen durch die Wasserversorger naturgemäß ohnehin nichts beitragen.
148Die vom Kläger mit der Zulassungsbegründung für vorzugswürdig gehaltene Sanierung im Wege der Evapotranspiration stellt kein gleichermaßen geeignetes Mittel dar. Nach den ‑ unwidersprochen gebliebenen ‑ Angaben des Beklagten lagen 2006 noch keine (gesicherten) Erkenntnisse dazu vor, ob und gegebenenfalls welche Pflanzen für ein solches Verfahren bei einer PFT-Verunreinigung überhaupt eingesetzt werden könnten. Für den Beklagten bestand auch keine begründete Veranlassung, anlässlich der Änderung der Sanierungszielwerte die Evapotranspiration erneut als eventuell kostengünstigere Sanierungsalternative in den Blick zu nehmen. In dem Änderungsbescheid vom 12. Mai 2015 ist hierzu, ohne dass der Kläger dem nachfolgend entgegengetreten wäre, ausgeführt, eine Sanierung allein mittels Bakterieneinsatzes oder ähnlicher Methoden sei bei den in Rede stehenden Stoffen nach wie vor nicht möglich. Schließlich würde ungeachtet der Frage ihrer grundsätzlichen Eignung die Evapotranspiration nach dem eigenen Vorbringen des Klägers (vgl. Schriftsatz vom 3. Juni 2009, S. 18) allenfalls mittelfristig zu einer Verringerung der fraglichen PFT-Emissionen beitragen können. Demgegenüber zielt die vom Beklagten gewählte Dränage-Lösung darauf ab, ein weiteres Abfließen von mit PFT belastetem Sickerwasser in die betroffenen Gewässer unmittelbar und umfassend zu unterbinden. Dies stellt sich angesichts des bereits oben beschriebenen Gefährdungspotentials einer fortgesetzten Auswaschung von PFT als legitimes Ziel dar, zu dessen Erreichung die Evapotranspiration nicht geeignet ist.
149Nicht zu beanstanden sind ferner die weiteren Annahmen des Beklagten in dem Änderungsbescheid vom 12. Mai 2015 dazu, dass auch aus heutiger Sicht keine ebenso effektiven, aber kostengünstigeren Sanierungs- oder Sicherungsmaßnahmen zur Verfügung stehen. Nach den Schätzungen des Beklagten hätte ein vollständiger Bodenaustausch einschließlich Deponierung oder Verbrennung des ausgekofferten Materials ursprünglich Kosten in Höhe von 15 bis 20 Mio. Euro verursacht. Heute dürften angesichts einer weiteren Tiefenverlagerung der Schadstoffe noch wesentlich höhere Aufwendungen zu veranschlagen sein, sollte ein Abtrag des belasteten Bodens vor diesem Hintergrund überhaupt noch als geeignete Sanierungsmaßnahme in Betracht kommen. Dass es hingegen ‑ wie der Kläger meint ‑ ausreichend (gewesen) sein könnte, zu geringeren Kosten lediglich einige "Hotspots" zu sanieren, erscheint letztlich spekulativ und kann nicht allein mit einer heterogenen Flächenbelastung begründet werden. Der Betrag von 15 bis 20 Mio. Euro übersteigt die bislang angefallenen Sanierungskosten in Höhe von etwa 2,1 Mio. Euro um ein Vielfaches und dürfte selbst unter Zugrundelegung einer weiteren Sanierungsdauer von gut 100 Jahren auch zukünftig bei voraussichtlichen jährlichen Zusatzkosten von 60.000 bis 80.000 Euro nicht erreicht werden (zu den bisherigen und zukünftigen Kosten der Sanierung siehe die Angaben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 20. Mai 2015). Was eine Versiegelung oder Abdeckung der Fläche betrifft, geht der Beklagte nachvollziehbar davon aus, dass schon hinsichtlich der Flächengröße von gut 10 ha und der Notwendigkeit, einen seitlichen Wassereintritt zu verhindern, ganz erhebliche Auswendungen nötig würden. Zudem müsste eine Abdeckung unbefristet aufrechterhalten und kontrolliert werden, womit auf Dauer nicht unerhebliche weitere Kosten anfielen. Dass eine Abdeckung der betroffenen Fläche bei dieser Ausgangslage klar günstiger wäre, lässt sich nicht annehmen. Davon abgesehen widerspräche eine bloße Versiegelung auch dem Dekontaminationsgebot des § 4 Abs. 5 BBodSchG (dazu sogleich).
150Weiterhin sind auch die vom Beklagten mit der Verfügung vom 12. Mai 2015 geänderten Sanierungszielwerte von 0,1 μg/l PFOS und 0,5 μg/l PFOS + PFOA erforderlich. Ziel der Sanierung muss es sein, dass aus der schädlichen Bodenveränderung dauerhaft keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen. Die Sanierung ist daher nicht zwangsläufig auf die weitestmögliche Wiederherstellung des Ursprungszustands, sondern (lediglich) auf die endgültige Beseitigung der Gefahr an der Quelle und im kontaminierten Boden gerichtet (vgl. § 2 Abs. 7 Nr. 1 BBodSchG, wonach Dekontaminationsmaßnahmen auch die Verminderung der Schadstoffe bezwecken können).
151Vgl. Sondermann/Hejma, in: Versteyl/Sondermann, BBodSchG, a. a. O. § 2 Rn. 80.
152Allerdings gilt nach § 4 Abs. 5 Satz 1 BBodSchG das Dekontaminationsgebot aus § 2 Abs. 7 Nr. 1 BBodSchG für "Neulasten", die erstmals nach dem 1. März 1999 eingetreten sind, in der verschärften Form der (vollständigen) Beseitigung. Dem liegt die Absicht zugrunde, "Neulasten" nicht irgendwann doch noch zu Altlasten werden zu lassen, wenn Sanierungsziele später im Lichte neuerer Erkenntnisse über die Auswirkungen bestimmter Schadstoffe gegebenenfalls neu definiert werden müssen. Gleichwohl sind auch hier Übermaßverbot und Verhältnismäßigkeit im Einzelfall zu berücksichtigen.
153Vgl. Versteyl, a. a. O., § 4 Rn. 120 f.
154Eine Beseitigung von Schadstoffen über das hinaus, was absehbar zur dauerhaften Unterschreitung der Gefahrengrenze erforderlich ist, kann daher auch insoweit nicht verlangt werden.
155Nach der Rechtsprechung setzt die verbindliche Vorgabe von Sanierungszielwerten eine einzelfallbezogene Abwägung nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit voraus.
156Vgl. Nds. OVG, Urteil vom 19. April 2007 ‑ 7 LC 67/05 ‑, juris, Rn. 70 (= NVwZ-RR 2007, 666); VGH Bad.-Württ., Urteil vom 8. März 2013 ‑ 10 S 1190/09 ‑, a. a. O., Rn. 53; Versteyl, a. a. O., § 8 Rn. 15 f.
157Gemessen an diesen Maßstäben ist gegen die nunmehr festgesetzten Sanierungszielwerte rechtlich nichts zu erinnern. Sie beruhen auf einer hinreichend einzelfallbezogenen Ableitung. Dabei hat sich der Beklagte in nicht zu beanstandender Weise im Ausgangspunkt an den Vorgaben der Richtlinie 2013/39/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. August 2013 zur Änderung der Richtlinien 2000/60/EG (Wasserrahmenrichtlinie - WRRL) und 2008/105/EG (Umweltqualitätsnorm-Richtlinie - UQN-RL) in Bezug auf prioritäre Stoffe im Bereich der Wasserpolitik orientiert. Die Wasserrahmenrichtlinie zielt unter anderem auf die Erreichung eines guten chemischen Zustands der Oberflächengewässer sowie die Vermeidung einer weiteren Verschlechterung (Art. 4 Abs. 1 WRRL). Zur Definition dieses guten chemischen Zustands wurde im Jahre 2001 in den Anhang X der Wasserrahmenrichtlinie eine Liste mit 33 prioritären und prioritär gefährlichen Stoffen aufgenommen, die für die aquatische Umwelt bzw. durch die aquatische Umwelt für den Menschen ein erhebliches Risiko begründen. Mit der Richtlinie 2008/105/EG wurden europaweit gültige Qualitätsziele, sog. Umweltqualitätsnormen, für diese 33 Schadstoffe aufgestellt. Um einen guten chemischen Zustand zu erreichen, dürfen die Oberflächenwasserkörper die unionsweit festgelegten Umweltqualitätsnormen nicht überschreiten (Art. 2 Nr. 24 WRRL). Die Mitgliedstaaten müssen die prioritären Stoffe in Oberflächenwasserkörpern überwachen und Überschreitungen der Umweltqualitätsnormen melden. Außerdem sollen für diese Stoffe gemäß Art. 16 WRRL spezifische Maßnahmen zur schrittweisen Verringerung (prioritäre Stoffe) bzw. Einstellung (prioritär gefährliche Stoffe, sog. "phasing-out") von Einleitungen, Emissionen und Verlusten verabschiedet werden. Die Richtlinie 2013/39/EU hat die Liste der prioritären Stoffe (Anhang X WRRL) um zwölf neue Stoffe erweitert, da diese ein erhebliches Risiko für bzw. durch die aquatische Umwelt auf Unionsebene darstellen (Erwägungsgrund Nr. 14). Für diese Stoffe wurden unter anderem EU-weit gültige Umweltqualitätsnormen für Oberflächengewässer festgelegt, die ab Dezember 2018 gelten. Bis zu diesem Zeitpunkt müssen die Mitgliedstaaten für diese Stoffe zusätzliche Überwachungsprogramme und vorläufige Maßnahmenprogramme erstellt und an die Kommission übermittelt haben. Bis 2027 sollen sich die Oberflächengewässer bezüglich dieser Stoffe dann in einem guten chemischen Zustand befinden und keine Verschlechterung des chemischen Zustands eingetreten sein (vgl. Erwägungsgründe Nr. 9 ff., Art. 3 Richtlinie 2008/105/EG n. F.). Zu den neu aufgenommenen Stoffen gehört PFOS, das als prioritär gefährlicher Stoff (Art. 2 Nr. 29 WRRL) eingestuft wird und für das eine Umweltqualitätsnorm von 0,00065 μg/l als Jahresdurchschnitt (JD-UQN) für Binnenoberflächengewässer gilt (Anhang I und II Richtlinie 2013/39/EU).
158Dass die JD-UQN von 0,00065 μg/l PFOS als zulässige Höchstkonzentration für Oberflächengewässer auf der Basis "menschlicher Fischverzehr" festgelegt wurde, stellt vorliegend ihre Eignung als Ausgangspunkt für die Ableitung neuer einzelfallbezogener Sanierungszielwerte nicht in Frage. Auch wenn es dem Beklagten ursprünglich (vorrangig) um den Trinkwasserschutz ging, bleibt unverändertes Ziel seines Tätigwerdens der Schutz der menschlichen Gesundheit. Wie in dem bereits oben näher bezeichneten Gutachten der IFUA Projekt-GmbH vom Dezember 2014 nachvollziehbar dargelegt ist, bildet neueren Erkenntnissen zufolge nämlich nicht die Trinkwassernutzung, sondern der Wirkungspfad Oberflächengewässer - Fisch - Mensch (Fischverzehr) aufgrund der persistenten Eigenschaften insbesondere von PFOS sowie dessen Fähigkeit zur Anreicherung in der aquatischen Nahrungskette die sensibelsten Wirkungen für die menschliche Gesundheit in den Oberflächengewässern ab. Dem konnte und durfte der Beklagte sich nicht verschließen. Der Beklagte hat im Weiteren ‑ den eingehenden Feststellungen der IFUA Projekt-GmbH hierzu folgend ‑ zutreffend erkannt, dass die vorrangig betroffenen Gewässer Steinbecke und Möhne bereits ohne den Einfluss des mittels der Fangdränage ausgefangenen Sickerwassers der PFT-belasteten Fläche eine Vorbelastung an PFOS aufweisen, die ganz erheblich über der JD-UQN von 0,00065 μg/l liegt (Steinbecke: 0,043 μg/l PFOS; Möhne: 0,034 μg/l PFOS; jeweils Mittelwert aus 2011 bis 2013 [Gutachten vom Dezember 2014, S. 27 ff., 31]). Die Sanierungszielwertvorgabe für PFOS ist dementsprechend nicht im Sinne eines bloßen Vorsorgewerts darauf ausgerichtet, die JD-UQN einzuhalten. Vielmehr soll mit ihr einer konkreten Verschlechterung des Gewässerzustands im Sinne der Richtlinie 2013/39/EU entgegengewirkt werden, die jedenfalls in der Steinbecke schon bei Festlegung eines geringfügig höheren Sanierungszielwerts eintreten würde (vgl. Gutachten vom Dezember 2014, S. 32, 37). Das ist angesichts der so möglichen Vermeidung einer weiteren Beeinträchtigung eines besonders empfindlichen Schutzguts nicht zu beanstanden. Wegen der ‑ oben beschriebenen ‑ erheblichen Risiken und potentiell gravierenden nachteiligen Wirkungen von PFT und namentlich PFOS auf die menschliche Gesundheit konnte der Beklagte ermessensfehlerfrei von einem besonders hohen öffentlichen Interesse daran ausgehen, den Eintrag dieser Stoffe in die menschliche Nahrungskette weitgehend zu begrenzen. Anderes folgt insoweit auch nicht daraus, dass die Vorgaben der Richtlinie 2013/39/EU, was die Einhaltung der ‑ mit den bislang verfügbaren Analyseverfahren ohnehin noch nicht sicher nachweisbaren ‑ JD-UQN in Bezug auf PFOS betrifft, derzeit noch nicht gelten. Angesichts der sehr langfristigen Wirkungen des Sickerwasseraustritts aus den belasteten Flächen in C2. -T. erscheint es sachgerecht, sich bereits heute ‑ etwa vergleichbar der Genehmigung einer Abwassereinleitung ‑ namentlich mit Blick auf das Minimierungsgebot des Eintrags prioritärer Stoffe in Oberflächengewässer an den zukünftig geltenden Maßstäben zu orientieren.
159Was die zusätzliche Ableitung eines Summenwerts für PFOS und PFOA von 0,5 μg/l angeht, erübrigen sich dazu weitere Ausführungen. Diesem Wert kommt letztlich keine eigenständige Bedeutung (mehr) zu, wie vom Kläger bereits selbst zutreffend erkannt und vom Ersteller des Gutachtens, Herrn Dr. C. , in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt worden ist. Die Belastung des Sickerwassers mit PFOS und PFOA ist derzeit noch etwa gleich hoch; zukünftig wird der PFOA-Wert im Zulauf der Reinigungsanlage indes dauerhaft unter den PFOS-Wert sinken (siehe dazu auch Gutachten vom Dezember 2014, Abbildung 8). Dies hat zwangsläufig zur Folge, dass in dem Zeitpunkt, in dem der Sanierungszielwert für PFOS erreicht ist, auch der Sanierungszielwert für die Summe aus PFOS und PFOA eingehalten wird. Angesichts dessen muss auch dem Einwand des Klägers nicht näher nachgegangen werden, für die Bewertung von Oberflächengewässern werde ein sehr viel höherer PNECaquatisch für PFOA von 570 μg/l angesetzt (für PFOS ist ein deutlich strengerer vorläufiger PNECaquatisch von 0,05 μg/l vorgesehen [vgl. dazu ergänzende Stellungnahme der IFUA Projekt-GmbH vom April 2015, S. 3 ff. unter Bezugnahme auf vom Bayerischen Landesamt für Umwelt durchgeführte Untersuchungen]). Lediglich ergänzend sei daher darauf hingewiesen, dass dieser Wert primär der Bewertung von Oberflächengewässern im Hinblick auf den Schutz der aquatischen Lebensgemeinschaft dient und insofern die Konzentration eines Stoffs bezeichnet, bei der nach derzeitigem Erkenntnisstand keine nachteiligen Effekte auf Gewässerorganismen auftreten. Mit dieser Zielrichtung sind die PNEC-Werte hier nicht aussagekräftig. Denn dem Beklagten geht es nicht (vorrangig) um das Schutzgut "aquatische Lebensgemeinschaft", sondern um die Gefährdung der menschlichen Nahrungskette durch belastetes Trinkwasser und insbesondere den Konsum von Fisch aus belasteten Gewässern, wobei letzterer Gesichtspunkt ‑ wie eingangs ausgeführt ‑ die sensibelsten Wirkungen für die menschliche Gesundheit abbildet. Aus diesem Grunde kann im Weiteren auch dahingestellt bleiben, welche Sanierungszielwerte ‑ der ursprünglichen Intention des Beklagten entsprechend ‑ allein in Hinsicht auf den Trinkwasserschutz gerechtfertigt wären; die diesbezüglichen Erwägungen der Berufung bedürfen deshalb keiner näheren Betrachtung (mehr).
160Der Senat teilt ferner nicht die übrige Kritik des Klägers an dem für den Beklagten bei der Sanierungszielwertfestsetzung maßgeblichen Gutachten der IFUA Projekt-GmbH vom Dezember 2014. Soweit diese die Abschätzung des ursprünglichen PFT-Inventars der belasteten Fläche sowie die Bewertung der humantoxikologischen Wirkungen von PFOS und PFOA betrifft, kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Sonstige Ansatzpunkte für die Zugrundelegung einer unzureichenden bzw. fehlerhaften Datenbasis oder methodische Mängel im Übrigen sind nicht erkennbar (zu dem vom Kläger als ‑ vermeintlich ‑ fehlerhaft gerügten Messwert für die Messstelle "WH1" siehe die überzeugende und zutreffende Klarstellung in dem Schreiben des Beklagten an den Kläger vom 23. April 2015). Es besteht zudem ‑ anders als der Kläger meint ‑ kein tragfähiger Grund, an der Unbefangenheit namentlich des Gutachters Dr. C. zu zweifeln. Allein der Umstand, dass die IFUA Projekt-GmbH im vorliegenden Zusammenhang bereits wiederholt für den Beklagten gutachtlich tätig geworden ist und auch an der Erstellung des LANUV-Fachberichts 34 mitgewirkt hat, gibt keinen Anlass, Objektivität und Neutralität der dortigen Mitarbeiter in Frage zu stellen. Auch die ergänzenden Ausführungen des Herrn Dr. C. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat für eine mögliche Befangenheit nichts ergeben.
161Die Erforderlichkeit eines Sanierungszielwerts von 0,1 μg/l PFOS wird zuletzt auch nicht dadurch erfolgreich in Zweifel gezogen, dass die Kläranlage C2. -T. (derzeit) Wasser in die Bermecke einleitet, dessen PFOS-Belastung seit Jahren höher liegt und aktuell Anfang Januar 2015 0,24 μg/l betrug (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 19. Mai 2015). Die Vertreter des Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung am 20. Mai 2015 aus Sicht des Senats überzeugend dargelegt, dass die Belastung nur von der Sanierungsfläche selbst herrühren kann, da es im Einzugsbereich der Kläranlage sowohl an PFT-emittierenden Industrieanlagen als auch an anderen Flächen fehlt, auf denen PFT nachgewiesen werden konnte. Danach ist als allein verbleibende Erklärung davon auszugehen, dass die auf der Südhälfte des Sanierungsareals herrschenden ‑ im Vergleich zur Nordhälfte ungünstigeren ‑ geologischen Verhältnisse es nicht erlauben, das belastete Sickerwasser mittels der dort installierten Dränage vollständig einzufangen, sodass ein kleiner Teil (nach den Schätzungen des Beklagten etwa 5 %) ungefiltert in die Bermecke abfließt. Von dort muss es sodann über nach wie vor ‑ wenn auch möglicherweise nur noch in geringem Umfang ‑ bestehende Undichtigkeiten in die Kanalisation und nachfolgend in die Kläranlage C2. -T. gelangen, die dem Abwasser das PFOS (und ebenso das PFOA) mangels dazu geeigneter Vorrichtungen nicht entziehen kann. Existiert aber ein solcher Ursachenzusammenhang, steht die Sinnhaftigkeit des festgesetzten Sanierungszielwerts nicht in Frage, weil sich mit dem PFOS-Gehalt des eingefangenen Sickerwassers, auf das sich der Sanierungszielwert bezieht, auch der (bereits heute sehr viel geringere) PFOS-Gehalt des restlichen Sickerwassers reduzieren wird. Auf Dauer erscheint deshalb eine das Sanierungsendziel von 0,1 μg/l PFOS übersteigende Kontamination der Bermecke über die Kläranlage C2. -T. als ausgeschlossen.
162Schließlich erweist sich die Sanierungszielwertfestsetzung entgegen der Ansicht des Klägers auch als verhältnismäßig im engeren Sinne. Der Beklagte hat die individuelle Zumutbarkeit der Sanierung bis zum Erreichen der festgelegten Zielwerte ausweislich der Begründung der Änderungsverfügung vom 12. Mai 2015 (nochmals) geprüft und hinreichend abgewogen. Dabei hat er die langfristigen und hohen, wenngleich im Endergebnis auch nicht verlässlich abzuschätzenden finanziellen Belastungen für den Kläger ausdrücklich anerkannt. Dass er diese für nicht durchschlagend erachtet hat, ist unter Ermessensgesichtspunkten im Hinblick auf das anzustrebende hohe Schutzniveau für die menschliche Gesundheit nicht zu beanstanden.
163Der Senat folgt insoweit auch nicht der Auffassung der Berufung, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit hätte es jedenfalls von vornherein der Festsetzung einer Obergrenze der Kostenlast bedurft. Der Kläger beruft sich in diesem Zusammenhang auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Februar 2000 (‑ 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 ‑, juris = BVerfGE 102, 1), zur Begrenzung der Haftung des Grundstückseigentümers für die Sanierung einer Altlast. In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht Kriterien festgelegt, wann und in welcher Höhe der Grundstückseigentümer zu den Sanierungskosten herangezogen werden darf. Danach ist die Belastung des Eigentümers mit den Kosten der Sanierungsmaßnahme nicht gerechtfertigt, soweit sie ihm nicht zumutbar ist. Als Anhaltspunkt zur Bestimmung der Grenze dessen, was einem Eigentümer an Belastungen zugemutet werden kann, dient der Verkehrswert des Grundstücks nach Durchführung der Sanierungsmaßnahme. Bei Überschreiten dieses Werts entfällt in der Regel das Interesse des Grundstückseigentümers an dem künftigen privatnützigen Gebrauch des Grundstücks. Die so gebildete Grenze kann unter bestimmten Voraussetzungen sowohl nach unten als nach oben zu verschieben sein. Die finanzielle Zumutbarkeit ist aber in jedem Fall nicht mehr gewahrt, wenn der Eigentümer für die Sanierung mit Vermögen einstehen muss, dass in keinem rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem sanierungsbedürftigen Grundstück steht. Ist die Kostenbelastung von Verfassungs wegen begrenzt, ist darüber grundsätzlich bereits im Rahmen der Sanierungsanordnung zu entscheiden. Kann im Einzelfall über die Kostentragung zu diesem Zeitpunkt noch nicht entschieden werden, weil der Verwaltung die Gründe der Unzumutbarkeit noch nicht oder nicht vollständig bekannt sind, ist die Sanierungsverfügung mit dem Vorbehalt einer gesonderten Entscheidung über die Kostentragung zu verbinden (vgl. im Einzelnen juris, Rn. 54 ff.).
164Ob und gegebenenfalls inwiefern diese Rechtsprechung auf die Verursacherhaftung zu übertragen ist, ist bislang ‑ soweit ersichtlich ‑ nicht entschieden. In der Literatur werden verschiedene Auffassungen vertreten. Zum Teil wird eine Begrenzung der Kostenlast des Verursachers abgelehnt. Zwar erscheine auch die Verhaltenshaftung zuweilen unbillig, da sie nicht von Verschulden, Erkennbarkeit oder Vermeidbarkeit der Gefahr abhänge. Der "gutgläubige" Verursacher stehe der Gefahr jedoch näher als die Allgemeinheit der Steuerzahler. Die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Haftungsrestriktionen seien aus der Eigentumsgarantie abgeleitet und daher auf den Verursacher nicht anwendbar, dessen Verantwortlichkeit auf einem Verhalten beruhe, das nicht durch Art. 14 GG geschützt werde.
165So Steenbuck, Die Sanierungs- und Kostenverantwortlichkeit nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz, 2004, S. 198, 204; in diesem Sinne auch Schäling, Grenzen der Sanierungsverantwortlichkeit nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz, 2008, S. 180 f.; ebenso Schoeneck, a. a. O., § 24 Rn. 15 m. w. N., allerdings zu einem Zeitpunkt vor Ergehen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.
166Nach anderer Auffassung soll zwar grundsätzlich keine Begrenzung der Kostenlast auf den Verkehrswert des fraglichen Grundstücks nach der Sanierung oder auf das in einem funktionalen Zusammenhang stehende Vermögen erforderlich sein. Es erscheine aber angemessen, zumindest die vom Bundesverfassungsgericht für die Zustandsverantwortlichkeit festgelegten absoluten Obergrenzen auch bei der Verursacherhaftung gelten zu lassen. Eine Inanspruchnahme soll daher unzumutbar sein, wenn dem Einzelnen die Grundlage zur weiteren Lebensführung oder einem Unternehmen die Möglichkeit zur Fortführung des wirtschaftlichen Engagements entzogen wird.
167Vgl. Ginzky, Sanierungsverantwortlichkeit nach dem BBodSchG - Rechtsprechungsübersicht, DVBl 2003, 169, 174 f.; siehe dazu auch Frenz, a. a. O., § 4 Abs. 3 Rn. 10 unter Bezugnahme auf die Berufsfreiheit herangezogener Unternehmer aus Art. 12 Abs. 1 GG; zurückhaltend Versteyl, a. a. O., § 4 Rn. 132, 137: Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts gelten für den Verhaltensstörer nicht, Beschränkungen allenfalls im Einzelfall im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung.
168Die Frage bedarf hier aus der Sicht des Senats keiner weiteren Vertiefung und abschließenden Entscheidung. Wie bereits oben dargelegt, gingen mit der Produktion sowie dem Vertrieb und dem Ausbringen von U. G. von vornherein erhebliche (latente) Risiken einher, die sich der Kläger zurechnen lassen muss. Der eingetretene Schaden fällt damit eindeutig in die Risikosphäre des Klägers. Zumindest in einem solchen Fall kann unabhängig davon, ob dem Betroffenen das Gefährdungspotential seines Handelns bekannt war oder nicht, für eine bereits mit der Sanierungsanordnung zu treffende Begrenzung der Kostenpflicht des sachnäheren Verursachers zu Lasten der Allgemeinheit kein Raum sein. Das schließt es im Übrigen nicht aus, dass der Beklagte im Rahmen der Entscheidung, in welchem Umfang der Kläger mittels Leistungsbescheids tatsächlich zu den Kosten der Ersatzvornahme herangezogen wird, etwaigen (nachgewiesenen) unzumutbaren Härten unter Verhältnismäßigkeitserwägungen in geeigneter Weise (etwa durch Kostenstundungen oder Ratenzahlungen) Rechnung zu tragen hat.
169bb) Schließlich ist die Inanspruchnahme des Klägers auch ansonsten frei von Ermessensfehlern.
170Dass der Beklagte sich nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG zu einem Einschreiten entschlossen hat, ist unbedenklich. Wie oben dargelegt, hat die Flächenverunreinigung in T. (vor Beginn der Aktivkohlefilterung) maßgeblich zu der Belastung der Bäche Steinbecke und Bermecke sowie nachfolgend der Möhne beigetragen. Der Beklagte konnte und kann daher mit Recht davon ausgehen, mit der Reinigung des dort austretenden Sickerwassers einen ‑ inzwischen nachdrücklich belegten ‑ zentralen Effekt im Hinblick auf die Reduzierung der PFT-Belastung in den betroffenen Gewässern zu bewirken. Dass auch an anderer Stelle ‑ wenngleich in zumeist deutlich geringerem Ausmaߠ‑ Flächen mit PFT kontaminiert waren und sind, steht angesichts dessen einem Handeln hier nicht entgegen.
171Auch die Ausübung des Auswahlermessens des Beklagten ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Beklagte war sich des Umstands bewusst, dass die Maßnahme gegen mehrere Personen gerichtet werden konnte. Dies lässt der Bescheid vom 17. November 2006 erkennen. So heißt es auf Seite 4, weitere Handlungsstörer (neben der bereits in Anspruch genommenen U. W. ) seien die H. -V. sowie der Kläger. Auch ergibt sich aus den dortigen Ausführungen, warum über die U. W. hinaus auch die weiteren Handlungsstörer herangezogen werden sollen (Insolvenzantrag der U. W. und dadurch bedingte Fraglichkeit ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit). Allerdings sind die Darlegungen des Beklagten unvollständig, da weitere potenziell Pflichtige existierten. Dies weist jedoch nicht auf einen (partiellen) Ermessensausfall hin. Der Beklagte hat die im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme des Klägers maßgeblichen Ermessenserwägungen in einem Aktenvermerk vom 16. November 2006 verschriftlicht. Dem ist zu entnehmen, dass auch die Sanierungspflicht der Flächeneigentümer und des Pächters gesehen worden ist, wenngleich der Beklagte damals ‑ unzutreffend ‑ noch die Pflanzen-H. GmbH für die Pächterin gehalten hat.
172Soweit der Beklagte danach von der Heranziehung der Eigentümer abgesehen hat, begegnet dies keinen rechtlich durchgreifenden Bedenken. § 4 Abs. 3 BBodSchG enthält keine Rang- oder Reihenfolge, in der die dort genannten Sanierungspflichtigen heranzuziehen sind. Ebenso wenig existiert eine generelle Regel, wonach der Verhaltens- grundsätzlich vor dem Zustandsstörer zu verpflichten wäre.
173Vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Februar 2000, a. a. O., Rn. 53 (= BVerfGE 102, 1).
174Die Störerauswahl hat sich vielmehr gemäß § 40 VwVfG NRW an dem Zweck der Ermessensermächtigung und an den vor allem durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gezogenen Grenzen des Ermessens auszurichten. § 10 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 4 Abs. 3 BBodSchG verfolgt mit der schnellen und effektiven Störungsbeseitigung und der Freihaltung der öffentlichen Hand von finanziellen Lasten insbesondere zwei Ziele. Entscheidend ist somit, dass im Einzelfall ein Privater die Sanierung vornimmt, der effektiv die aufgetretenen Schädigungen und Gefahren bannen kann.
175Vgl. Frenz, a. a. O., § 4 Abs. 3 Rn. 122 f.
176Daran gemessen ist die Nichtheranziehung der Eigentümer ermessensfehlerfrei. Der Beklagte hat neben der "Opferposition" der Eigentümer darauf abgestellt, dass deren Haftung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Regelfall auf den Verkehrswert des Grundstücks nach der Sanierung begrenzt sei, der hier aber deutlich unter den Sanierungskosten liege, und die Inanspruchnahme mehrerer Eigentümer für eine Maßnahme mit Blick auf eine schnelle Störungsbeseitigung zudem eher hinderlich sei. Diese sowohl an der Effektivität der Gefahrenabwehr als auch am finanziellen Interesse der Allgemeinheit orientierten Erwägungen erscheinen für sich genommen nachvollziehbar und sachgerecht.
177Unbedenklich ist entgegen der vom Kläger im Berufungszulassungsverfahren geäußerten Rechtsauffassung weiterhin, dass der Beklagte eine Inanspruchnahme der belgischen P. augenscheinlich nicht erwogen hat. Unabhängig davon, ob die P. überhaupt als Zweckveranlasser und damit als Handlungsstörer angesehen werden konnte, hätte die grenzüberschreitende Heranziehung eines EU-ausländischen Unternehmens unter Effektivitätsgesichtspunkten derart ferngelegen, dass diese nicht in den Blick genommen werden musste.
178Anders als der Kläger meint, besteht ein Ermessensfehler ferner nicht darin, dass der Beklagte mehrere Störer nebeneinander heranziehen wollte und sodann auch herangezogen hat. Dass die zuständige Behörde dann, wenn mehrere Personen für die Beseitigung einer Gefahr oder Störung verantwortlich sind, nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen einen von ihnen oder mehrere nebeneinander in Anspruch nehmen kann, ist allgemein anerkannt,
179vgl. Schl.-H. OVG, Urteil vom 16. August 1995 ‑ 2 L 4/94 ‑, juris, Rn. 45 (= ZfW 1996, 537), m. w. N. aus dem Schrifttum; Hess. VGH, Beschluss vom 19. November 1998 ‑ 7 TZ 3325/98 ‑, juris, Rn. 9 (= NuR 1999, 340),
180und wird im Grundsatz auch vom Kläger nicht in Abrede gestellt. Allerdings meint der Kläger, die Heranziehung mehrerer Störer sei hier als Übermaßregelung anzusehen. Dem ist indes nicht zu folgen. Da die zunächst in Anspruch genommene U. W. zwischenzeitlich einen Insolvenzantrag gestellt hatte und eine effektive Gefahrenabwehr durch diese daher fraglich geworden war, drängte sich die parallele Inanspruchnahme weiterer Störer geradezu auf, um so die Aussichten auf eine Sanierung (auf Kosten der Ordnungspflichtigen) insgesamt deutlich zu verbessern. Angesichts der ganz erheblichen finanziellen Auswirkungen der angeordneten Sanierungsmaßnahmen war es auch nicht erkennbar sachwidrig, den Kläger neben dem Pächter und der H. -V. zur Beseitigung der schädlichen Bodenveränderung zu verpflichten, zumal zumindest bei Letzterer nach den Erfahrungen mit der U. W. ebenfalls ein nicht unerhebliches Insolvenzrisiko in Rechnung zu stellen war, das sich später auch realisiert hat. Unerheblich ist, dass der Beklagte zunächst fälschlich die Pflanzen-H. GmbH als Pächterin angesehen und dementsprechend mit Ordnungsverfügung vom 23. November 2006 zur Sanierung verpflichtet hatte. Insoweit fehlt jeder begründete Anhaltspunkt dafür, dass er von der (zusätzlichen) Inanspruchnahme auch des Klägers abgesehen hätte, wäre ihm damals schon bewusst gewesen, dass Pächterin in Wahrheit die Baumschule B. H1. und Sohn war, die schließlich mit Bescheid vom 6. Februar 2007 ebenfalls zur weiteren Sanierung verpflichtet worden ist. Für den Beklagten war es vielmehr offensichtlich entscheidend, neben der U. W. sämtliche weiteren von ihm (auch) als Handlungsstörer betrachteten Personen in die Pflicht zu nehmen.
181Sonstige Gründe (tatsächlicher oder rechtlicher Art), warum es nicht möglich gewesen sein sollte, die ‑ bereits begonnenen ‑ Sanierungsmaßnahmen auch dem Kläger aufzugeben, sind nicht ersichtlich. Das Verwaltungsgericht hat in dem den Kläger betreffenden Eilbeschluss vom 19. Dezember 2006 (14 L 1104/06) zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger nach Erstellung der Detailplanung für die Nordfläche und deren Bekanntgabe durch die konkretisierende Ordnungsverfügung vom 21. November 2006 die vom Beklagten schon in Angriff genommenen Sanierungsmaßnahmen gleichsam hätte übernehmen können, um so seinen Verpflichtungen aus der Ordnungsverfügung vom 17. November 2006 nachzukommen. Koordinationsschwierigkeiten waren dabei, soweit es den Kläger und die beiden Firmen U. W. und H. -V. betrifft, bereits deshalb nicht zu befürchten, weil der Kläger hier zugleich als Geschäftsführer fungierte. Im Übrigen waren die weiteren Einzelheiten der Sanierung nach dem Inhalt der jeweiligen Ordnungsverfügungen zwischen der unteren Bodenschutzbehörde und dem zu beauftragenden Gutachter abzustimmen (siehe dort jeweils Nr. 3 a. E.), sodass auch auf diesem Wege eine ausreichende Koordination der einzelnen Maßnahmen gewährleistet gewesen wäre.
182Die Störerauswahl zu Lasten des Klägers leidet auch nicht mit Blick auf die Annahmen des Beklagten zu dessen grundsätzlicher finanzieller Leistungsfähigkeit an einem Ermessensfehler. Die hierzu in dem Vermerk vom 16. November 2006 niedergelegten Erwägungen halten zunächst einer rechtlichen Überprüfung stand. Der Beklagte ist davon ausgegangen, die parallele Inanspruchnahme des Klägers neben weiteren Störern liege ‑ zumal angesichts der Höhe der zu erwartenden Kosten ‑ im Interesse einer schnellen und effektiven Durchführung der Sanierungsmaßnahme. Die dazu angestellten Überlegungen sind nachvollziehbar. Der Umstand, dass der Kläger ‑ unstreitig ‑ Gesellschafter einer Vielzahl von Firmen und in einigen von diesen zudem als Geschäftsführer tätig war, sprach dafür, dass er in der Lage sein würde, zu den geforderten Sanierungsmaßnahmen zumindest einen substantiellen finanziellen Beitrag zu leisten. Zum damaligen Zeitpunkt hatte lediglich die U. W. einen Insolvenzantrag gestellt. Dass der Kläger aus der Geschäftsführung anderer Firmen ‑ nach seinen Angaben ‑ kein (nennenswertes) Einkommen erzielte, war für den Beklagten nicht erkennbar. Insofern ist im Ergebnis auch unschädlich, dass der Kläger vor Erlass der Sanierungsverfügung jedenfalls zu der Möglichkeit einer persönlichen Inanspruchnahme nicht angehört worden ist, da er auch im nachfolgenden Widerspruchsverfahren nicht (substantiiert) auf eine Mittellosigkeit bereits bei Erlass der angefochtenen Verfügung hingewiesen hat. So wird in der Begründung des Widerspruchs vom 22. November 2006 lediglich ausgeführt, eine Umsetzung der Ordnungsverfügung hätte zu Folge, dass das persönliche Vermögen des Klägers völlig unabhängig von der Frage, ob ein Verschulden vorliege, herangezogen würde. Erst auf den Leistungsbescheid vom 19. April 2007 hin hat der Kläger durch Schreiben vom 6. Juni 2007 ohne nähere Begründung mitteilen lassen, er könne und werde den geforderten Betrag nicht zahlen.
183Insoweit musste der Beklagte die Frage einer prinzipiellen finanziellen Leistungsfähigkeit des Klägers schließlich auch im Rahmen der Änderungsverfügung vom 12. Mai 2015 nicht grundlegend neu bewerten. Zwar hatte der Kläger im Zulassungsverfahren Einkommensbescheide für die Jahre 2005 und 2006 vorgelegt, die für diesen Zeitraum kein steuerpflichtiges Einkommen ausweisen. Daraus ist jedoch nicht zu schließen, dass er auch heute noch über kein nennenswertes Einkommen verfügt, mit dem er zu der angeordneten Sanierung bzw. deren Kosten zumindest beitragen kann. Dafür spricht auch sonst nichts. Der Kläger hat keinerlei belastbare Angaben dazu gemacht, wie er aktuell seinen Lebensunterhalt bestreitet. Dass er nach wie vor gleichsam mittellos ist, kann vor diesem Hintergrund nicht unterstellt werden, zumal er trotz der nicht unerheblichen Verfahrenskosten weder erst- noch zweitinstanzlich einen Prozesskostenhilfeantrag gestellt hat.
184Entgegen der Auffassung der Berufung verstößt die (haftungsmäßig unbegrenzte) Inanspruchnahme des Klägers letztlich nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Was die Pächterin der zu sanierenden Flächen in T. angeht, folgt dies schon daraus, dass der Beklagte die Baumschule B. H1. und Sohn mit Bescheid vom 6. Februar 2007 ebenfalls ohne eine Begrenzung ihrer Haftung zur weiteren Sanierung herangezogen hat. Allein dass das Verwaltungsgericht diesen Bescheid nachfolgend mit (noch nicht rechtskräftigem) Urteil vom 22. Juni 2009 aufgehoben hat (siehe 16 A 1920/09), ist insoweit unerheblich. Was den Fall des Pächters I1. im Kreis Soest angeht, erscheint es im Ausgangspunkt fraglich, ob und inwiefern beim Tätigwerden verschiedener Ordnungsbehörden, die jeweils Ermessen auszuüben haben, überhaupt eine Gleichbehandlung an sich vergleichbarer Fälle verlangt werden kann. Dass eine Vorschrift die Setzung der Rechtsfolge dem pflichtgemäßen Ermessen des Rechtsanwenders überlässt, bringt es zwangsläufig mit sich, dass verschiedene Rechtsanwender je nach den Umständen des Falles auch bei im Wesentlichen gleichen Sachverhalten zu unterschiedlichen Rechtsfolgen gelangen können. Jedenfalls aber fehlt es hier an der Vergleichbarkeit. Der Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass auch der Pächter I1. zunächst durch Ordnungsverfügung der Landrätin des Kreises Soest vom 20. Mai 2008 uneingeschränkt zur Sanierung der dort betroffenen Fläche verpflichtet worden ist. Der Weg zum Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrags vom 14./16. Juni 2008, der Herrn I1. im Ergebnis mit lediglich etwa 13 % der Sanierungskosten belastet, ist nachfolgend erst dadurch geebnet worden, dass dieser seine grundsätzliche Ordnungspflicht anerkannt hat (vgl. die Präambel des Sanierungsvertrags). Das ist hier nicht der Fall, da der Kläger seine Verantwortung nach wie vor bestreitet.
185II. Der Bescheid des Beklagten vom 21. November 2006 ist auch ansonsten rechtmäßig. Die Androhung des Zwangsmittels der Ersatzvornahme beruht auf den § 55 Abs. 1, § 57 Abs. 1 Nr. 1, § 58, § 59 und § 63 VwVG NRW.
186Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO.
187Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Gründe
-
I
- 1
-
Der Beklagte verpflichtete den Kläger mit einer in erster Linie auf §§ 4 und 10 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz - BBodSchG) vom 17. März 1998 (BGBl. I S. 502), zuletzt geändert durch Art. 101 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) gestützten Verfügung zur Sanierung von Grundstücken in B. Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht wies nach Durchführung einer Beweisaufnahme die Berufung des Klägers zurück. Zur Überzeugung des Gerichts stehe fest, dass auf der fraglichen Fläche in B. eine schädliche Bodenveränderung vorliege, für deren Sanierung der Kläger als ein Verursacher verantwortlich sei. Das zu sanierende Gelände sei ganz erheblich mit perfluorierten Tensiden (PFT) belastet. Diese Belastung, welche eine schädliche Bodenveränderung im Sinne des § 2 Abs. 3 BBodSchG darstelle, sei ursächlich dafür, dass nahe gelegene Gewässer hohe Konzentrationen an PFT aufwiesen. Der Kläger sei als Verursacher der schädlichen Bodenveränderung verantwortlich im Sinne des Bundes-Bodenschutzgesetzes. Die Inanspruchnahme des Klägers sei ermessensfehlerfrei erfolgt und verstoße auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
- 2
-
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
-
II
- 3
-
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
- 4
-
1. Die Rechtssache hat nicht die ihr vom Kläger beigemessene grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
- 5
-
a) Die Frage nach "der persönlichen Verhaltensverantwortlichkeit eines Geschäftsführers einer GmbH im Bodenschutzrecht gemäß § 4 Abs. 2 BBodSchG allein aus seiner organschaftlichen Stellung im Unternehmen" würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Entgegen der Auffassung der Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht die Pflichtigkeit des Klägers als Verhaltensverantwortlicher für die schädliche Bodenveränderung nicht allein auf seine organschaftliche Stellung in einer GmbH gestützt.
- 6
-
Das Oberverwaltungsgericht hat zur Frage der Verhaltensverantwortlichkeit des Klägers unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des beschließenden Senats (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Februar 2008 - 7 B 12.08 - Buchholz 451.222 § 4 BBodSchG Nr. 6 Rn. 3) ausgeführt, dass es entscheidend auf das Vorliegen eines hinreichend engen Wirkungs- und Ursachenzusammenhangs zwischen dem Überschreiten der Gefahrengrenze und dem Verhalten einer Person ankomme, der es gerechtfertigt erscheinen lasse, die Pflichtigkeit dieser Person zu bejahen. So verhalte es sich hier. Der Kläger habe in den Unternehmen, in denen er Geschäftsführer gewesen sei, die betrieblichen Vorgänge beim Umgang mit den Ausgangsstoffen und dem hieraus zusammengemischten Material sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht zentral und umfassend gesteuert und auf diesem Wege die Geschäfte beider Unternehmen im eigentlichen Wortsinne geführt und miteinander auf den risikoträchtigen Erfolg hin verknüpft. Dieses Ergebnis leitet das Oberverwaltungsgericht aber nicht allein aus der gesellschaftsrechtlichen Position des Klägers als Geschäftsführer ab, sondern maßgeblich aus der tatsächlichen Funktion des Klägers in den beiden Unternehmen. Der Kläger habe - so das Oberverwaltungsgericht - selbst eingeräumt, es sei seine Aufgabe gewesen, Strukturen zu schaffen, also ein wirtschaftlich erfolgreiches Agieren der Firmen durch Herstellung der dafür notwendigen Voraussetzungen zu ermöglichen. Er habe - wie die Beweisaufnahme belegt habe - die eigentliche Leitungsverantwortung, auch im Hinblick auf die Strategie beider Firmen innegehabt; die Fäden seien vom Kläger gezogen worden. Die rechtliche Stellung des Klägers als Geschäftsführer war daher nicht der allein entscheidende Gesichtspunkt, sondern nur ein Umstand in einer Reihe von Begründungselementen, in der aus Sicht des Oberverwaltungsgerichts die tatsächliche Funktion des Klägers in den beiden Unternehmen von maßgeblicher Bedeutung war.
- 7
-
b) Mit der Frage:
-
"Unterfällt kontaminiertes Erdreich unabhängig von der Mobilisierung dem Abfallbegriff der Richtlinie 75/442/EWG oder unterfällt durch Schadstoffe kontaminiertes Erdreich im Falle seiner Immobilisierung dem Bundes-Bodenschutzgesetz?",
-
wird kein grundsätzlicher Klärungsbedarf aufgezeigt, da sie außer Kraft getretenes Recht zum Gegenstand hat. Entsprechend dem Zweck der Grundsatzrevision, eine für die Zukunft richtungsweisende Klärung des geltenden Rechts herbeizuführen, rechtfertigen Rechtsfragen zu ausgelaufenem und auslaufendem Recht regelmäßig - und so auch hier - nicht die Zulassung einer Grundsatzrevision (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Oktober 2009 - 1 B 3.09 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 18 Rn. 4).
- 8
-
Die von der Beschwerde angesprochene Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle (ABl. L 194 S. 47) wurde durch Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2006/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2006 über Abfälle (ABl. L 114 S. 9) aufgehoben; die zuletzt genannte Richtlinie trat nach Art. 41 der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (ABl. L 312 S. 3) ihrerseits außer Kraft.
- 9
-
Die Beschwerde legt Gründe für eine Ausnahme von der Regel, dass Fragen des ausgelaufenen Rechts die Revisionszulassung nicht rechtfertigen, nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dar. Eine Sache bleibt zwar grundsätzlich klärungsbedürftig, wenn sich bei der gesetzlichen Bestimmung, die der außer Kraft getretenen Vorschrift nachgefolgt ist, die streitigen Fragen in gleicher Weise stellen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - 6 B 35.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 S. 12 f.). Dies muss jedoch offensichtlich sein, weil es nicht Aufgabe des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens ist, in diesem Zusammenhang mehr oder weniger komplexe Fragen des jetzt geltenden Rechts zu klären und die frühere mit der geltenden Rechtslage zu vergleichen (BVerwG, Beschluss vom 5. Juni 2013 - 5 B 7.13 - juris Rn. 7). Daran fehlt es hier.
- 10
-
Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass der von ihr für entscheidungserheblich gehaltene "Abfallbegriff der Richtlinie 75/442/EWG" noch rechtsgrundsätzlicher Klärung bedürfte. Dies müsste mit Blick auf das derzeit einschlägige Unionsrecht dargelegt werden. Dabei wäre namentlich zu berücksichtigen gewesen, dass nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der nunmehr geltenden Richtlinie 2008/98/EG Böden (in situ), einschließlich nicht ausgehobener kontaminierter Böden vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen sind; nach deren zehntem Erwägungsgrund sollte ein wirksames und in sich schlüssiges System der Abfallbehandlung vorbehaltlich bestimmter Ausnahmen auf alle beweglichen Sachen Anwendung finden, deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss.
- 11
-
Die Beschwerde entnimmt dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 7. September 2004 - C-1/03, Van de Walle u.a. - überdies eine Aussage, die der Gerichtshof dort nicht getroffen hat. Nach der erwähnten Entscheidung (Rn. 52) ist Erdreich, das infolge eines unbeabsichtigten Ausbringens von Kraftstoffen kontaminiert ist, als Abfall im Sinne der Richtlinie 75/442/EWG einzustufen. Daraus hat der Gerichtshof entgegen der Auffassung der Beschwerde jedoch nicht die Schlussfolgerung gezogen, dass die Einstufung des Erdreichs als Abfall es den Mitgliedstaaten verwehre, dem Verantwortlichen andere als abfallrechtliche Maßnahmen aufzuerlegen. Im Gegenteil hat der Gerichtshof (Rn. 53) darauf hingewiesen, dass die Einstufung des in Rede stehenden Erdreichs als Abfall nicht von der Durchführung anderer Maßnahmen abhänge, die möglicherweise dem Eigentümer des Abfalls oblägen.
- 12
-
Die Beschwerde legt vor diesem Hintergrund nicht dar, dass eine etwaige Einstufung des auf den Sanierungsflächen befindlichen Erdreichs als Abfall aus Gründen des Unionsrechts der Anwendbarkeit der vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen Ermächtigungsgrundlage des Bundes-Bodenschutzgesetzes entgegenstünde.
- 13
-
Soweit die Beschwerde meint, die Erwägung des Oberverwaltungsgerichts, eine Verwertung bestimmter Materialien ohne vorherige spezifische Behandlung sei zumal bei deren Bezug aus dem Ausland mit einem nicht unerheblichen Risikopotential behaftet, dürfte im Hinblick auf die unionsrechtliche Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit problematisch sein, führt dieser Hinweis ebenfalls nicht auf einen grundsätzlichen Klärungsbedarf.
- 14
-
c) Die Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit der Frage,
-
"ob die vom Bundesverfassungsgericht für den Zustandsstörer entwickelten Haftungsrestriktionen zu einer Haftungsbegrenzung eines Verhaltensstörers führen",
-
ist nicht hinreichend dargelegt. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht abschließend entschieden, ob und gegebenenfalls wie die Grenzen, die Art. 14 Abs. 1 GG der Zustandshaftung des Eigentümers für die Grundstückssanierung des Eigentümers zieht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Februar 2000 - 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 [ECLI:DE:BVerfG:2000:rs20000216.1bvr024291] - BVerfGE 102, 1 <19 ff.>), auch im Hinblick auf die Verursacherhaftung zu berücksichtigen sein könnten. Das Oberverwaltungsgericht hat die Inanspruchnahme des Klägers als Verhaltensverantwortlicher damit begründet, dass mit der Produktion sowie dem Vertrieb und dem Ausbringen des kontaminierten Materials von vornherein erhebliche latente Risiken einhergegangen seien, die sich der Kläger zurechnen lassen müsse. Der eingetretene Schaden falle damit eindeutig in die Risikosphäre des Klägers. In einem solchen Fall könne unabhängig davon, ob dem Betroffenen das Gefährdungspotential seines Handelns bekannt sei oder nicht, für eine bereits mit der Sanierungsanordnung zu treffende Begrenzung der Kostenpflicht des sachnäheren Verursachers zu Lasten der Allgemeinheit kein Raum sein. Dies schließe es nicht aus, dass der Beklagte im Rahmen der Entscheidung, in welchem Umfang der Kläger mittels Leistungsbescheids tatsächlich zu den Kosten der Ersatzvornahme herangezogen werde, etwaigen nachgewiesenen unzumutbaren Härten unter Verhältnismäßigkeitserwägungen in geeigneter Weise, etwa durch Kostenstundungen oder Ratenzahlungen, Rechnung zu tragen habe.
- 15
-
Mit dieser, die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts tragenden Erwägung setzt sich die Beschwerde nicht hinreichend auseinander. Sie unterstellt dem Oberverwaltungsgericht vielmehr, es habe die Verhaltensverantwortlichkeit des Klägers allein aus dessen Stellung als Geschäftsführer abgeleitet, was aber - wie bereits dargelegt - nicht zutrifft. Die vom Bundesverfassungsgericht zur Haftung des Zustandsstörers, der sich durch Einwirkungen jenseits seiner Verantwortungssphäre und mangels eines eigenen aktiven Verursachungsbeitrags in einer Opferrolle befindet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Februar 2000 - 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 - BVerfGE 102, 1 <21>), entwickelten Maßstäbe können nicht ohne nähere Begründung auf einen Verhaltensstörer übertragen werden, in dessen Risikosphäre der später eingetretene Schaden liegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 2014 - 7 C 22.12 [ECLI:DE:BVerwG:2014:181214U7C22.12.0] - BVerwGE 151, 156 Rn. 45 zur bergrechtlichen Verhaltensverantwortlichkeit). Eine derartige Begründung, die an die vom Oberverwaltungsgericht getroffene Zuordnung der Risikosphären zum Kläger einerseits und zur Allgemeinheit andererseits anknüpft, lässt die Beschwerde indessen vermissen. Sie beanstandet der Sache nach lediglich eine fehlerhafte Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf den vorliegenden Sachverhalt; dies führt nicht auf eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
- 16
-
2. Die von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensfehler liegen nicht vor.
- 17
-
a) Das Oberverwaltungsgericht hat nicht dadurch gegen § 97 VwGO verstoßen, dass es die Aussage der Zeugin S. im Rahmen einer Vernehmung durch das Landeskriminalamt D. herangezogen hat, an der die Beteiligten nicht teilgenommen haben.
- 18
-
Frau S. wurde gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 VwGO in der mündlichen Verhandlung und in Anwesenheit der Beteiligten (§ 97 Satz 1 VwGO) als Zeugin vernommen. §§ 96 und 97 VwGO regeln nur die Beweisaufnahme durch das Verwaltungsgericht, enthalten aber keine Vorgaben für eine vorangegangene Zeugenvernehmung in einem Strafverfahren. Dass das Oberverwaltungsgericht der Zeugin S. das Protokoll dieser Zeugenaussage vorgehalten hat, stellt keinen Verfahrensfehler dar. Ebenso war das Oberverwaltungsgericht nicht verpflichtet, die Zeugin darauf hinzuweisen, dass sie das Protokoll der Zeugenaussage nicht unterschrieben habe.
- 19
-
b) Die Beschwerde ist der Auffassung, das Oberverwaltungsgericht habe dadurch gegen Denkgesetze verstoßen, dass es aus der Aussage der Zeugin S. abgeleitet habe, "der Geschäftsführer sei für alles umfassend verantwortlich". Ein Verfahrensfehler ist damit schon deswegen nicht dargetan, weil das Oberverwaltungsgericht eine derartige Folgerung nicht gezogen hat. Das Oberverwaltungsgericht hat die Verhaltensverantwortlichkeit des Klägers aus seiner tatsächlichen Leitungsfunktion in den beiden Unternehmen, deren Geschäftsführer er war, hergeleitet.
- 20
-
c) Zu Unrecht rügt der Kläger, das Oberverwaltungsgericht habe seine Feststellungen zu den PFT-Belastungen im Bodenmischwerk der G. unter Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) getroffen.
- 21
-
Mit diesem Vorbringen wird der Sache nach indessen lediglich eine aus Sicht der Beschwerde fehlerhafte Würdigung des dem Oberverwaltungsgericht vorliegenden Tatsachenmaterials beanstandet, nicht jedoch ein Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO bezeichnet. Ein - angeblicher - Fehler in der Sachverhaltswürdigung ist revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. November 1995 - 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 S. 18 f., vom 3. Dezember 2008 - 4 BN 26.08 - juris Rn. 6 und vom 21. September 2011 - 5 B 11.11 - juris Rn. 9). Ausnahmefälle kommen bei einer sogenannten Aktenwidrigkeit oder bei einer gegen die Denk- oder Naturgesetze verstoßenden oder sonst von Willkür geprägten Sachverhaltswürdigung in Betracht.
- 22
-
Eine solche ist hier nicht dargelegt. Die Beschwerde macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe eine tausendfach zu hohe Konzentration von PFT angenommen, und verweist auf eine von ihr im Beschwerdeverfahren vorgelegte "Probenübersicht". Dies führt weder auf eine Aktenwidrigkeit der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts noch auf eine anderweitig willkürliche Sachverhaltswürdigung. Eine auf diese Gesichtspunkte gestützte Verfahrensrüge setzt nämlich einen "zweifelsfreien", also ohne weitere Beweiserhebung offensichtlichen Widerspruch zwischen den Feststellungen des Tatsachengerichts und dem Akteninhalt voraus, den die Beschwerde nicht aufzeigt. Das Oberverwaltungsgericht hat den von ihm wiedergegebenen Wert der PFT-Belastung in den Tanks des Bodenmischwerks von 247 300 µg/kg einem Schreiben des Staatlichen Amtes für Umwelt und Arbeitsschutz OWL vom 28. September 2006 entnommen. Eine willkürliche Sachverhaltswürdigung liegt daher nicht vor.
- 23
-
d) Die Beschwerde macht weiter geltend, das Oberverwaltungsgericht habe unter Verstoß gegen § 86 Abs. 3 VwGO nicht darauf hingewiesen, dass es den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Vernehmung des Zeugen A. als Ausforschungsantrag ansehe. Eine Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht ist diesem Vorbringen nicht zu entnehmen. Die Ablehnung des Beweisantrags ist ausweislich der Sitzungsniederschrift, gegen deren Richtigkeit der Kläger einen Gegenbeweis nicht angetreten hat (§ 98 VwGO i.V.m. § 415 ZPO), in der mündlichen Verhandlung begründet worden (§ 86 Abs. 2 VwGO). Aus der gegebenen Begründung erschließt sich die maßgebliche Rechtsauffassung des Gerichts. Hierauf hätte der - anwaltlich vertretene - Kläger durch Stellung eines geänderten und damit zulässigen Beweisantrags reagieren können (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1961 - 4 C 308.60 - BVerwGE 12, 268 <269>; Beschlüsse vom 23. Februar 2005 - 1 B 102.04 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 60 S. 18 und vom 20. Dezember 2011 - 7 B 43.11 - Buchholz 445.4 § 58 WHG Nr. 1 Rn. 26).
- 24
-
e) Das Vorbringen der Beschwerde führt schließlich nicht auf einen Verstoß des Oberverwaltungsgerichts gegen § 86 Abs. 1 VwGO im Hinblick auf die unterbliebene Vernehmung des Herrn A. als Zeuge. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfordert die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht unter anderem die substantiierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiellrechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können; weiterhin muss entweder dargetan werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 -Buchholz 310 § 133
VwGO Nr. 26 S. 14 f. und vom 8. Januar 2015 - 7 B 25.13 - juris Rn. 19). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Ohne Erfolg rügt der Kläger, dass die mit dem Fehlen einer - entscheidungserheblichen - konkreten Beweisbehauptung begründete Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags im Prozessrecht keine Stütze finde, noch zeigt er auf, dass sich die Zeugenvernehmung aus anderen Gründen hatte aufdrängen müssen. Die Beschwerde wiederholt lediglich ihre Auffassung, dass nicht der Kläger, sondern Herr A. als Betriebsleiter eines der Unternehmen, deren Geschäftsführer der Kläger war, zentral und umfassend geleitet habe. Das Oberverwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, der Kläger selbst habe nicht vorgetragen, dass Herr A. damit beauftragt gewesen sei, die den wirtschaftlichen Zielsetzungen entsprechenden Betriebsabläufe umfassend und letztverantwortlich zu steuern (UA S. 54); hierfür lasse sich auch weder den Zeugenaussagen noch dem sonstigen Akteninhalt Substantielles entnehmen. Die Funktion eines Betriebsleiters unterscheide sich wesentlich von der eines Geschäftsführers wie des Klägers. Die Beschwerde zeigt nicht mit Substanz auf, wie diese Feststellungen durch die angestrebte Beweisaufnahme hätte entkräftet werden können und dass sich aus der Vernehmung des Herrn A. voraussichtlich ergeben hätte, nicht der Kläger, sondern Herr A. habe die - aus der materiellrechtlichen Sicht des Oberverwaltungsgerichts maßgebliche - tatsächliche unternehmerische Leitungsverantwortung inne gehabt. Hierfür reicht der bloße Verweis auf die Bestellung des Herrn A. zum Betriebsleiter nicht aus.
- 25
-
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 1 GKG.
Tatbestand
- 1
-
Der Kläger wendet sich gegen seine Inanspruchnahme für die Kosten der Abschiebung eines bei ihm unerlaubt beschäftigten Ausländers.
- 2
-
Der Kläger betrieb von Dezember 1988 bis April 2007 eine Gaststätte in Berlin. In dieser beschäftigte er am 23. und 24. März 2003 den jordanischen Staatsangehörigen W. als Kellner, obwohl dieser nicht im Besitz einer gültigen Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis war. Herr W. hatte dem Kläger nach dessen Angabe einen deutschen Führerschein, einen Sozialversicherungsnachweis, eine Anmeldebescheinigung, eine Gesundheitskarte sowie die Kopie einer unbefristeten Arbeitserlaubnis vom 19. Juni 1996 vorgelegt. Am 24. März 2003 wurde Herr W. im Rahmen einer polizeilichen Kontrolle der Gaststätte des Klägers wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Ausländergesetz vorläufig festgenommen. Er befand sich im Besitz von 2 520 €, die beschlagnahmt und an seinen Strafverteidiger herausgegeben wurden.
- 3
-
Bereits im November 1999 war die von Herrn W. beantragte Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis abgelehnt worden. Der Aufforderung zum Verlassen des Bundesgebiets kam er nicht nach. Eine für Mai 2000 geplante Abschiebung scheiterte, weil er untergetaucht war.
- 4
-
Herr W. befand sich vom 25. März 2003 bis 14. April 2003 in Untersuchungshaft. Am 14. April 2003 verurteilte ihn das Amtsgericht S. wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Er wurde am gleichen Tag aus der Untersuchungshaft entlassen und in Abschiebungshaft genommen. Dort verblieb er für 205 Tage gemäß den Beschlüssen des Amtsgerichts S. vom 14. April 2003, 15. April 2003, 14. Juli 2003, 6. Oktober 2003 sowie 3. November 2003. Die am 13. Oktober 2003 vorgesehene unbegleitete Abschiebung scheiterte, da Herr W. sich nach dem Einstieg in das Flugzeug weigerte, mitzufliegen. Am 5. November 2003 wurde er in Begleitung von zwei Beamten der Bundespolizei auf dem Luftweg nach Jordanien abgeschoben.
- 5
-
Mit Bescheid vom 7. Februar 2006 nahm der Beklagte den Kläger hinsichtlich der Kosten der Abschiebung in Höhe von 17 013,09 € in Anspruch. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies er zurück. Die Kosten wurden wie folgt beziffert:
-
- Beförderungs-/Reisekosten 797,19 € - Unterbringung im Polizeigewahrsam 11 346,75 € - Verpflegung im Polizeigewahrsam 1 346,85 € - Begleitperson nach Frankfurt/Main 186,00 € - Kosten für Passbeschaffung 88,00 € - Flugkosten für Polizeivollzugsbeamte von Frankfurt nach Amman 2 326,54 € - Reisekosten für Polizeivollzugsbeamte 23,04 € - Personalkosten für Polizeivollzugsbeamte 898,72 € ---------------------- 17 013,09 €
- 6
-
Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht den Bescheid aufgehoben, soweit die behördliche Forderung den Betrag von 11 520 € übersteigt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei dem Grunde nach gemäß § 66 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zur Erstattung der Kosten der Abschiebung verpflichtet. Die Kostenforderung sei aber nicht in voller Höhe gerechtfertigt. So seien die Kosten der Abschiebungshaft um 3 529,44 € zu reduzieren, da der Beklagte das Abschiebungsverfahren nicht mit der gebotenen Eile betrieben und sich die Haftdauer des Herrn W. hierdurch um geschätzte 57 Tage verlängert habe. Damit seien nur Kosten in Höhe von 13 037,65 € grundsätzlich erstattungsfähig. Deren Geltendmachung verstoße aber gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, soweit die Kosten eine Höhe von 11 520 € (160 € monatlich x 12 Monate x 6 Jahre) überstiegen. Vom Kläger könne lediglich erwartet werden, dass er den aus einer geringfügigen Beschäftigung auf der Grundlage von monatlich 400 € zu erwartenden, um eine Pauschale bzw. einen Freibetrag nach dem SGB II verminderten Betrag von monatlich 160 € gemäß einer an die Insolvenzordnung angelehnten Wertung sechs Jahre lang zur Tilgung der Kostenschuld einsetze.
- 7
-
Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts teilweise geändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Zugleich hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zuvor hatte der Beklagte den angefochtenen Bescheid im Umfang von 62 € zurückgenommen. Insoweit haben der Kläger und der Beklagte den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
- 8
-
Das Oberverwaltungsgericht hat sein Urteil im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Kläger erfülle die Tatbestandsvoraussetzungen des § 66 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Er habe W. als Arbeitnehmer beschäftigt, obwohl diesem die Erwerbstätigkeit nicht erlaubt gewesen sei. Das Fehlen einer gültigen Arbeitserlaubnis habe er erkennen können. Weder die Beantragung noch die Anordnung der Abschiebungshaft seien offensichtlich rechtswidrig gewesen. Dieser Maßstab sei bei der Prüfung der Frage anzulegen, ob eine unrichtige Sachbehandlung vorgelegen habe. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzungen sei nach § 14 Abs. 2 VwKostG von der Erhebung von Kosten abzusehen, die durch die unrichtige Sachbehandlung entstanden seien. Die Erstattungsforderung des Beklagten in Höhe von 16 951,09 € (17 013,09 € minus 62 €) sei - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - auch nicht aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zu reduzieren.
- 9
-
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision. Er ist der Auffassung, die Beantragung und Verhängung der Abschiebungshaft gegen Herrn W. sei offensichtlich rechtswidrig gewesen. Das Amtsgericht habe Herrn W. weder im Zusammenhang mit der erstmaligen Anordnung der Abschiebungshaft im April 2003 noch bei deren Verlängerung in der Folgezeit darüber belehrt, dass er gemäß Art. 36 Abs. 1 Buchst. b des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 die unverzügliche Unterrichtung der konsularischen Vertretung seines Heimatstaates verlangen könne. Das stelle einen grundlegenden Verfahrensmangel dar. Im Übrigen hätten die Haftanträge des Beklagten nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen entsprochen. Auch die jeweiligen die Haft anordnenden und verlängernden Beschlüsse des Amtsgerichts litten unter offensichtlichen Mängeln. Unabhängig davon hält der Kläger die Begleitung des Herrn W. durch drei Polizeibeamte von Berlin nach Frankfurt und durch zwei Polizeibeamte auf dem Flug von Frankfurt nach Jordanien am 5. November 2003 für nicht erforderlich und damit nicht erstattungsfähig. Auch sei die Erstattung von Flugkosten für die Beamten in der Business-Klasse nicht angemessen. Des Weiteren habe das im März 2003 beschlagnahmte Bargeld des Herrn W. zur Deckung der Abschiebungskosten verwendet werden müssen. Schließlich treffe den Kläger kein Verschulden bei der Beschäftigung des Herrn W., da er nicht habe erkennen können, dass dessen Arbeitserlaubnis gefälscht gewesen sei. Aber selbst bei einem etwaigen Verschulden des Klägers sei die Höhe der Kostenforderung im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des Klägers unverhältnismäßig.
- 10
-
Der Beklagte ist der Revision entgegengetreten. Die Beigeladene begründet die Angemessenheit der geltend gemachten Flugkosten für ihre beiden Herrn W. beim Flug nach Jordanien begleitenden Beamten in der Business-Klasse unter Bezugnahme auf § 2 Abs. 2 der Auslandsreisekostenverordnung.
Entscheidungsgründe
- 11
-
Die Revision ist begründet, soweit sie sich gegen eine Heranziehung des Klägers zu den Kosten der Abschiebungshaft in Höhe von 12 693,60 € wendet. Insoweit beruht die angefochtene Entscheidung auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Kläger haftet gemäß § 66 Abs. 4 i.V.m. § 67 Abs. 1 AufenthG nicht für die Kosten der wegen Verstoßes gegen Art. 36 Abs. 1 Buchst. b des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen (WÜK) vom 24. April 1963 (BGBl 1969 II S. 1587) rechtswidrigen Abschiebungshaft (1.). Die Revision bleibt hingegen ohne Erfolg, soweit sie eine Haftung des Klägers für die übrigen Kosten der Abschiebung in Höhe von 4 257,49 € verneint (2.).
- 12
-
Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Leistungsbescheids bestimmt sich - anders als bei aufenthaltsbeendenden Verwaltungsakten - nach der im Zeitpunkt seines Erlasses maßgeblichen Rechtslage. Der Bescheid hat seine abschließende Fassung durch den Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2006 erhalten. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 14. Juni 2005 - BVerwG 1 C 15.04 - (BVerwGE 124, 1 <9>) die Frage offengelassen, ob für die Kostenerhebung auf die Rechtslage im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung (hier: Juli 2006) oder auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Entstehung der Kostenschuld (hier: 2003) abzustellen ist. Der 10. Senat entscheidet die Frage nun dahin, dass grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung abzustellen ist. Nur für Kostentatbestände, die nach Vornahme der Amtshandlung eingeführt worden sind, ist der Zeitpunkt der Vornahme der jeweiligen Amtshandlung maßgeblich (vgl. auch die Übergangsregelung in § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG für die Erhebung von Gerichtskosten). Auf neu eingeführte Kostentatbestände ist der angefochtene Leistungsbescheid nicht gestützt, sodass hier - mit dem Berufungsgericht - auf die letzte behördliche Entscheidung vom Juli 2006 abzustellen ist. Maßgeblich ist daher das Aufenthaltsgesetz vom 30. Juli 2004 (BGBl I S. 1950), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Juni 2005 (BGBl I S. 1818). Die im Rahmen der Prüfung des Leistungsbescheids zu beurteilende Rechtmäßigkeit der am 5. November 2003 durchgeführten Abschiebung und der ihr seit März 2003 vorausgegangenen Amtshandlungen bestimmt sich nach der zum Zeitpunkt der Durchführung der Amtshandlungen jeweils geltenden Rechtslage (vgl. Urteil vom 4. Oktober 2012 - BVerwG 1 C 13.11 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen - Rn. 29), hier also nach dem Ausländergesetz vom 9. Juli 1990 (BGBl I S. 1354), zuletzt geändert durch Gesetz vom 9. Januar 2002 (BGBl I S. 361, 3142) und nach dem Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen (FEVG) vom 29. Juni 1956 (BGBl I S. 599), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. April 2001 (BGBl I S. 751).
- 13
-
1. Das Berufungsgericht hat den Kläger unter Verletzung von Bundesrecht als verpflichtet angesehen, die Kosten der Abschiebungshaft des von ihm unerlaubt beschäftigten Ausländers W. zu tragen (§ 137 Abs. 1 VwGO).
- 14
-
a) Allerdings ist das Berufungsgericht zu Recht von der Zuständigkeit des Beklagten zur Geltendmachung sämtlicher Kosten ausgegangen, die im Zusammenhang mit der Abschiebung des Herrn W. entstanden sind.
- 15
-
§ 67 Abs. 3 Satz 1 AufenthG i.V.m. § 67 Abs. 1 AufenthG bestimmt, wer für die Erhebung der durch die Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung eines Ausländers entstandenen Kosten zuständig ist. Demnach werden die in § 67 Abs. 1 und 2 AufenthG genannten Kosten von der nach § 71 AufenthG zuständigen Behörde durch Leistungsbescheid in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten erhoben. Gemäß § 71 Abs. 1 AufenthG sind die Ausländerbehörden für aufenthalts- und passrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen und damit auch für Abschiebungen zuständig. Betreibt eine Ausländerbehörde - wie hier - die Abschiebung eines Ausländers, so ist sie nach § 71 Abs. 1 AufenthG die für diese Maßnahme insgesamt zuständige Behörde, auch wenn sie zur Durchführung der Abschiebung die Polizei eines Landes oder die Bundespolizei heranzieht (vgl. Urteil vom 14. Juni 2005 - BVerwG 1 C 11.04 - BVerwGE 123, 382 <384 ff.>).
- 16
-
b) Das Berufungsgericht ist ebenfalls zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger dem Grunde nach die Kosten der Abschiebung des W. gemäß § 66 Abs. 4 Satz 1 AufenthG in der Fassung vom 30. Juli 2004 (BGBl I S. 1950) zu erstatten hat. Danach haftet für die Kosten der Abschiebung, wer den Ausländer als Arbeitnehmer beschäftigt hat, wenn diesem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war.
- 17
-
Das Berufungsgericht hat sich verfahrensfehlerfrei die Überzeugungsgewissheit davon verschafft, dass der Kläger Herrn W. als Arbeitnehmer beschäftigt hat. Es hat festgestellt, dass Herr W. am 23. und 24. März 2003 im Rahmen einer "Probezeit" als Kellner für den Kläger gearbeitet hat, für seine Arbeitsleistung verköstigt wurde und nach dem 24. März 2003 einen Stundenlohn von 5 € erhalten sollte. Es hat weiter festgestellt, dass Herrn W. die Ausübung der Erwerbstätigkeit nicht erlaubt war, weil er keine gültige Arbeitserlaubnis besaß. § 66 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erfasst nach zutreffender Auffassung des Berufungsgerichts auch Erwerbstätigkeiten, die - wie hier - während der Geltung des Ausländergesetzes von 1990 nicht erlaubt waren. Die Vorläufervorschrift des § 82 Abs. 4 Satz 1 AuslG hatte die Haftung des Arbeitgebers in gleicher Weise wie § 66 Abs. 4 Satz 1 AufenthG vorgesehen, seinerzeit bezogen darauf, dass dem Ausländer die Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften des Ausländergesetzes oder des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) nicht erlaubt war. Hieran wollte die Neufassung in § 66 Abs. 4 Satz 1 AufenthG für Beschäftigungszeiträume vor dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes nichts ändern. Die Anwendung des § 66 Abs. 4 Satz 1 AufenthG auf eine nach dem Ausländergesetz 1990 unerlaubte Erwerbstätigkeit entspricht auch der in § 102 AufenthG geregelten Überleitung von Rechten und Pflichten nach dem Ausländergesetz (vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand März 2012, § 66 Rn. 32; VGH München, Beschluss vom 17. Juni 2008 - 19 ZB 07.2362 - Rn. 6; VGH Mannheim, Urteil vom 30. Juli 2009 - 13 S 919/09 - InfAuslR 2009, 403 Rn. 16).
- 18
-
Das Berufungsgericht ist auch in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger schuldhaft gehandelt hat, weil er sich nicht durch Vorlage von Originaldokumenten vergewissert hat, ob Herr W. eine gültige Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis besaß. Ein Arbeitgeber lässt die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht, wenn er sich vor der Einstellung eines Ausländers nicht durch Einholung zumutbarer Erkundigungen über das Vorhandensein einer Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis vergewissert. Es genügt insoweit nicht, sich auch nur vorläufig auf die bloße Behauptung des Ausländers zu verlassen, er verfüge hierüber, selbst wenn der Ausländer dem Arbeitgeber eine Lohnsteuerkarte, eine Versicherungskarte oder Ähnliches vorlegen kann (vgl. zu Vorgängerfassungen des § 66 Abs. 4 Satz 1 AufenthG: Beschluss vom 22. Juli 1987 - BVerwG 1 B 170.86 - Buchholz 402.24 § 24 AuslG Nr. 8 S. 2; Urteil vom 23. Oktober 1979 - BVerwG 1 C 48.75 - BVerwGE 59, 13 <22> = Buchholz 402.74 § 24 AuslG Nr. 1; vgl. ferner Funke-Kaiser, a.a.O. Rn. 37). Der Kläger verletzte seine Sorgfaltspflicht, indem er Herrn W. ohne Vorlage einer Aufenthaltserlaubnis einstellte. Daran ändert sich nichts, wenn man sein Vorbringen zugrunde legt, er habe auf die Vorlage der Arbeitserlaubnis im Original nur zeitweilig verzichtet, weil Herr W. ihm erklärt habe, das Original befinde sich noch beim letzten Arbeitgeber. Denn die Sorgfaltspflicht ist schon allein deshalb verletzt, weil sich der Kläger weder eine Aufenthaltserlaubnis noch eine Arbeitserlaubnis im Original hat vorlegen lassen. Auch mit einer Beschäftigung auf Probe muss ein Arbeitgeber warten, bis er sich durch Einsicht in die Originaldokumente davon überzeugt hat, dass dem Ausländer die Beschäftigung erlaubt ist. Das entspricht im Übrigen auch der aktuellen Rechtslage nach Umsetzung der Sanktionsrichtlinie 2009/52/EG (vgl. dort Art. 4 Abs. 1 Buchst. a) durch das 2. Richtlinien-Umsetzungsgesetz vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258), wonach sich der Arbeitgeber durch Vorlage der Aufenthaltserlaubnis im Original davon vergewissern muss, dass dem Ausländer die Erwerbstätigkeit gestattet ist (vgl. § 66 Abs. 4 und 4a, § 4 Abs. 3 AufenthG).
- 19
-
c) Unbegründet ist auch der Einwand der Revision, der Beklagte sei verpflichtet gewesen, den bei der Festnahme von Herrn W. im April 2003 sichergestellten Geldbetrag von 2 520 € einzubehalten, um dadurch jedenfalls eine teilweise Deckung der Abschiebungskosten sicherzustellen. Vielmehr ergibt sich aus § 66 Abs. 4 Satz 3 AufenthG (jetzt: § 66 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 AufenthG), dass der ausreisepflichtige Ausländer für die Kosten seiner Abschiebung nur haftet, soweit sie von den anderen Kostenschuldnern - hier: dem Kläger als Arbeitgeber - nicht beigetrieben werden können. Es bestand daher keine Pflicht des Beklagten, von einer Rückgabe des bei Herrn W. zunächst beschlagnahmten Geldbetrages an dessen Strafverteidiger abzusehen, um in Höhe dieses Betrages die Kostenschuld des Klägers zu reduzieren.
- 20
-
d) Das Berufungsgericht hat jedoch verkannt, dass ein Ausländer und der ihn unerlaubt beschäftigende Arbeitgeber nach § 66 Abs. 4 AufenthG für die Kosten einer Abschiebung nur haften, wenn die Kosten auslösenden Amtshandlungen den Ausländer nicht in seinen Rechten verletzen. Insoweit trifft das Aufenthaltsrecht eine eigenständige und vorrangige Regelung gegenüber den Vorschriften des Verwaltungskostengesetzes, auf die § 69 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nur verweist, soweit das Aufenthaltsgesetz keine abweichende Regelung trifft.
- 21
-
Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits in seinem Urteil vom 14. Juni 2005 (a.a.O. S. 7 f.) zum Ausdruck gebracht, dass die Haftung für die Kosten der Abschiebungshaft nach § 82 AuslG (jetzt: § 66 AufenthG) von der Rechtmäßigkeit der angeordneten Haft abhängt. Es hat die Sache seinerzeit an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil dieses eine entsprechende Prüfung - dort im Hinblick auf mildere Mittel als die Verhängung von Abschiebungshaft - nicht vorgenommen hatte. Der Senat knüpft an diese Rechtsprechung an und erweitert sie auf alle zur Durchsetzung der Abschiebung ergriffenen Amtshandlungen, die selbständig in Rechte des Ausländers eingreifen. Denn die Rechtsordnung kann keine Kostenerstattung für verselbständigte rechtswidrige Eingriffshandlungen begründen, für die sie dem Ausländer zugleich einen Entschädigungs- oder Schadensersatzanspruch - etwa nach Art. 5 Abs. 5 EMRK - gewährt. Es ist auch nicht zwischen der Kostenhaftung des von der Rechtsverletzung unmittelbar betroffenen Ausländers und jener der sonstigen Kostenschuldner des § 66 AufenthG zu unterscheiden, weil die Haftungstatbestände insoweit inhaltlich miteinander verknüpft sind. Insbesondere ist in § 66 Abs. 4 AufenthG keine Differenzierung der Kosten der Abschiebung oder Zurückschiebung nach den haftenden Personen angelegt. Ob dies auch für Schleuser im Sinne von § 96 AufenthG gilt, kann hier offenbleiben.
- 22
-
Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsmaßnahmen sind die Verwaltungsgerichte jedenfalls dann nicht an Entscheidungen der Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit gebunden, wenn sie über die Kostenhaftung von Drittverpflichteten zu entscheiden haben, die nicht am Verfahren zur Verhängung der Abschiebungshaft beteiligt waren. Dabei ist die Rechtmäßigkeit von Abschiebungsmaßnahmen aus der behördlichen Sicht bei Durchführung der jeweiligen Amtshandlung - also ex ante - zu beurteilen (so auch Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand: März 2012, § 66 Rn. 11). Offen bleibt, ob eine Haftung nach § 66 AufenthG für rechtswidriges Handeln, das in Rechte des Ausländers eingreift, ausnahmsweise dann ausscheidet, wenn die objektive Rechtswidrigkeit auf einem erheblichen Mitverschulden des Ausländers beruht, namentlich auf einer ihm zurechenbaren Verletzung seiner Mitwirkungspflicht nach § 82 AufenthG (so Funke-Kaiser, a.a.O. Rn. 11; Zeitler, in: HTK-AuslR, § 66 AufenthG, Kostenschuldner 12/2011 Nr. 1).
- 23
-
Die Regelungen des Verwaltungskostengesetzes finden allerdings auf Amtshandlungen zur Durchführung einer rechtmäßigen Abschiebung Anwendung, die selbst nicht in die Rechte des abzuschiebenden Ausländers eingreifen, wozu insbesondere unselbständige Durchführungsakte zählen wie die Beauftragung eines Dolmetschers, die Buchung eines Flugs zur Durchführung der Abschiebung und die Begleitung des Ausländers bei seiner Rückführung. Für die Kosten derartiger Amtshandlungen greift der Verweis des § 69 Abs. 2 Satz 2 AufenthG. Für solche Maßnahmen haften die Kostenschuldner des § 66 AufenthG grundsätzlich auch dann, wenn sie objektiv rechtswidrig sind, etwa weil bei der Beauftragung eines Dolmetschers Regeln des Vergaberechts verletzt wurden. Eine Erstattungspflicht entfällt nur, wenn die Amtshandlung offenkundig rechtswidrig war und die Kosten bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären (§ 14 Abs. 2 Satz 1 VwKostG). Für rechtswidrige Abschiebungsmaßnahmen, die in Rechte des Ausländers eingreifen, findet die Regelung des § 14 Abs. 2 VwKostG hingegen keine Anwendung.
- 24
-
e) Das Urteil des Berufungsgerichts verletzt nach diesem Maßstab Bundesrecht, weil es eine Haftung des Klägers nach § 66 Abs. 4 AufenthG für die Kosten der gegen W. angeordneten Abschiebungshaft bejaht hat, obwohl der Vollzug der Haft rechtswidrig war und die Rechte des W. verletzte.
- 25
-
Das Berufungsgericht ist zunächst - in Abweichung von der oben näher dargelegten Auslegung des § 66 AufenthG durch das Bundesverwaltungsgericht - davon ausgegangen, dass die Haftung des Klägers auch für die Kosten der Abschiebungshaft am Maßstab des § 14 Abs. 2 Satz 1 VwKostG zu messen sei und er für diese nur dann nicht hafte, wenn die Haft offensichtlich rechtswidrig war (UA S. 15). Weiter hat das Gericht unberücksichtigt gelassen, dass der Vollzug der Abschiebungshaft wegen der unterlassenen Belehrung des Herrn W. über seine Rechte aus dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 rechtswidrig war. Aufgrund der Rechtswidrigkeit der in die Rechte des W. eingreifenden Amtshandlung scheidet eine Haftung des Klägers für deren Kosten nach § 66 Abs. 4 AufenthG aus, ohne dass es auf die (hier vorliegende) Offensichtlichkeit der Rechtswidrigkeit und die Ursächlichkeit der sachwidrigen Behandlung für die Kosten ankommt.
- 26
-
Nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b WÜK haben die zuständigen deutschen Behörden im Fall der Festnahme eines Ausländers, seiner Verbringung in Straf- oder Untersuchungshaft oder anderweitigen Freiheitsentziehung die konsularische Vertretung seines Heimatstaats auf dessen Verlangen unverzüglich zu unterrichten und jede von dem Betroffenen an die konsularische Vertretung gerichtete Mitteilung unverzüglich weiterzuleiten. Über seine Rechte nach dieser Bestimmung müssen die Behörden den Betroffenen unverzüglich unterrichten. Das Abkommen ist in Deutschland durch Gesetz vom 26. August 1969 in Kraft getreten, für Jordanien am 6. April 1973 (BGBl 1973 II S. 550).
- 27
-
Herr W. hätte vom Amtsgericht S. bereits bei Anordnung der Abschiebungshaft in Gestalt der Vorbereitungshaft am 14. April 2003 über seine Rechte nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b WÜK informiert werden müssen. Eine entsprechende Unterrichtung ist jedoch - was zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht - nicht erfolgt. Auch bei der gerichtlichen Anordnung der Sicherungshaft am 15. April 2003 und den nachfolgenden Verlängerungsentscheidungen des Amtsgerichts wurde Herr W. nicht über seine konsularischen Rechte informiert. Eine Belehrung bei Anordnung der Abschiebungshaft war erforderlich, denn diese stellt eine Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 36 Abs. 1 Buchst. b WÜK dar (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2011 - V ZB 275/10 - InfAuslR 2011, 449 Rn. 7; Wagner/Raasch/Pröpstl, WÜK, 2007, Art. 36 S. 257). Die Belehrung obliegt nicht der Ausländerbehörde, sondern ausschließlich dem die Haft anordnenden Richter (vgl. BGH, Beschluss vom 18. November 2010 - V ZB 165/10 - InfAuslR 2011, 119 Rn. 5). Die Benachrichtigung der konsularischen Vertretung dient in erster Linie dem Schutz des ausländischen Staatsangehörigen im Hinblick auf seine im Vergleich zu Inländern regelmäßig schwächere rechtliche und psychische Position (BVerfG, Beschluss vom 19. September 2006 - 2 BvR 2115/01 u.a. - NJW 2007, 499 Rn. 74).
- 28
-
Wie bereits der Bundesgerichtshof entschieden hat, stellt die Verletzung der Rechte des Ausländers nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b WÜK einen grundlegenden Verfahrensmangel dar, der die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung zur Folge hat (vgl. BGH, Beschluss vom 18. November 2010 a.a.O. Rn. 4; BVerfG, Beschluss vom 19. September 2006 a.a.O. <500 f.>; Drews/Fritsche, NVwZ 2011, 527 <532>). Der Verstoß gegen Art. 36 WÜK wird im vorliegenden Fall nicht dadurch geheilt, dass die jordanische Botschaft im späteren Verlauf des Verfahrens Kenntnis von der Inhaftierung des Betroffenen erhalten hat. Das Recht auf konsularische Hilfe kann nur dann effektiv in Anspruch genommen werden, wenn die Vertretung des jeweiligen Heimatlandes, wie in Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Satz 1 WÜK vorgeschrieben, unverzüglich von der Inhaftierung unterrichtet wird (BGH, Urteil vom 18. November 2010 a.a.O. Rn. 7). Eine Heilung wäre zwar - mit Wirkung für die Zukunft - durch Belehrung durch das Landgericht Berlin im Beschwerdeverfahren möglich gewesen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. August 2011 - V ZB 188/11 - juris Rn. 14). Eine derartige Belehrung ist durch das Landgericht aber nicht erfolgt. Auf eine Kausalität dieser Rechtsverletzung für die Aufrechterhaltung der Abschiebungshaft kommt es wegen des Eingriffscharakters der Haft in Rechte des Ausländers - anders als nach § 14 Abs. 2 Satz 1 VwKostG - nicht an.
- 29
-
War der Vollzug der Abschiebungshaft schon aufgrund der fehlenden Belehrung des Herrn W. nach Art. 36 Abs. 1 Buchst. b WÜK rechtswidrig, brauchte der Senat nicht mehr zu entscheiden, ob sich die Rechtswidrigkeit zusätzlich noch aus den weiteren von der Revision geltend gemachten Gründen (unzureichende Begründung der Haftanträge, unzureichende Begründung der gerichtlichen Entscheidungen über die Haftverlängerung und Fehlen von Voraussetzungen hierfür) ergibt. Die Rechtswidrigkeit der gegen W. verhängten Abschiebungshaft hat zur Folge, dass der Beklagte vom Kläger nicht die Erstattung der Haftkosten in Höhe von 12 693,60 € verlangen kann.
- 30
-
2. Das Urteil des Berufungsgerichts steht jedoch in Einklang mit Bundesrecht, soweit es eine Haftung des Klägers für die übrigen Kosten der Abschiebung in Höhe von 4 257,49 € nach § 66 Abs. 4 AufenthG bejaht.
- 31
-
a) Zutreffend kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass der Beklagte nach § 67 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für alle drei Polizeibeamten hat, die Herrn W. am 5. November 2003 auf der Fahrt von der Haftanstalt in Berlin zum Flughafen in Frankfurt am Main begleiteten, damit er von dort nach Jordanien ausgeflogen werden konnte. Die für den Transport des Ausländers nach Frankfurt verantwortliche Berliner Polizeibehörde durfte den Einsatz eines dritten Beamten, für den Personalkosten in Höhe von 168 € entstanden sind, entgegen der Auffassung der Revision für erforderlich halten.
- 32
-
§ 67 Abs. 1 AufenthG regelt den Umfang der Kostenhaftung des Klägers, die durch seine Verantwortlichkeit als Arbeitgeber des Herrn W. nach § 66 Abs. 4 Satz 1 AufenthG begründet wurde. Dazu zählen nach § 67 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG in der hier einschlägigen Fassung vom 21. Juni 2005 sämtliche durch eine erforderliche amtliche Begleitung des Ausländers entstehenden Kosten einschließlich der Personalkosten. Hierunter fallen auch die Kosten für die Begleitung des Herrn W. durch Polizeibeamte bei dessen Transport von Berlin nach Frankfurt einschließlich der Kosten für deren anschließende Rückfahrt nach Berlin. Diese werden gemäß § 67 Abs. 3 Satz 1 AufenthG in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten erhoben. Allerdings müssen die Kosten der Begleitung erforderlich gewesen sein. Erforderlich ist eine Begleitung lediglich dann, wenn der Ausländer Anlass hierzu gibt, wenn es also in seiner Person liegende Gründe hierfür gibt. Ist eine Begleitung dem Grunde nach oder der Höhe der verursachten Kosten nach nicht erforderlich, liegt eine unrichtige Sachbehandlung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 VwKostG vor, die der Pflicht zur Erstattung der Kosten entgegen steht (vgl. Urteil vom 14. März 2006 - BVerwG 1 C 5.05 - BVerwGE 125, 101 Rn. 21).
- 33
-
Der von der Berliner Polizeibehörde angeordnete Einsatz von drei Polizeibeamten zur Begleitung des Abschiebehäftlings W. von Berlin nach Frankfurt war nach diesen Maßstäben nicht zu beanstanden. Denn ein erster Abschiebungsversuch war bereits an der Weigerung des Ausländers gescheitert, den Heimflug anzutreten. Auch wenn der Ausländer - wie die Revision vorträgt - bei dem vorausgegangenen Abschiebungsversuch möglicherweise nicht aggressiv war, sondern sich schlicht geweigert hatte, mitzufliegen, durfte die verantwortliche Polizeibehörde Vorkehrungen für eine mögliche Aggressivität des Herrn W. treffen. Daher durfte sie drei Beamte für seinen Transport von Berlin nach Frankfurt einsetzen, wobei sich zwei Beamte der Beaufsichtigung des Ausländers widmeten und der dritte den PKW steuerte.
- 34
-
b) Mit Recht hat das Berufungsgericht die Kosten für die beiden Herrn W. auf dem Flug von Frankfurt am Main nach Amman (Jordanien) begleitenden Polizeibeamten von jeweils 1 163,27 € auch insoweit nach § 67 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG als erstattungsfähig angesehen, als die Beamten auf dem Rückflug die Business-Klasse benutzten.
- 35
-
Die Kosten für den Rückflug in der Business-Klasse sind vom Kläger nach § 67 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG zu tragen, weil sie tatsächlich entstanden sind und dem bei Durchführung des Fluges (und unverändert bis heute) geltenden Auslandsreisekostenrecht entsprachen. § 2 Abs. 2 der Verordnung über die Reisekostenvergütung bei Auslandsdienstreisen - Auslandsreisekostenverordnung - vom 21. Mai 1991 (BGBl I S. 1140) gewährt den Beamten einen Anspruch auf Erstattung von Flugkosten der Business-Klasse, wenn es sich - wie hier - um einen Flug ins außereuropäische Ausland handelte. Auch angesichts der dienstlichen Gesamtbelastung der Beamten bei der Begleitung eines abzuschiebenden Ausländers in ein Land außerhalb Europas ist die Haftung des Klägers für diese Kosten nicht unverhältnismäßig im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 1 VwKostG.
- 36
-
c) Das Berufungsgericht hat mit Recht eine Haftungsbegrenzung aus Verhältnismäßigkeitsgründen bei Erhebung der Kosten nach § 66 AufenthG abgelehnt. Die Berücksichtigung derartiger Verhältnismäßigkeitserwägungen - hier: mangelnde Leistungsfähigkeit des Klägers - ist dem Vollstreckungsverfahren vorbehalten.
- 37
-
§ 67 Abs. 3 Satz 1 AufenthG setzt beim Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 oder 2 AufenthG die Geltendmachung der Kosten zwingend voraus, so dass der Leistungsbescheid nicht deshalb rechtswidrig ist, weil der Beklagte es nach dem Vortrag des Klägers wegen der Atypik des Falles unterlassen hat, eine Ermessensentscheidung bereits im Heranziehungsverfahren zu treffen (so auch VGH Kassel, Beschluss vom 12. Juni 2012 - 5 A 388/12 - juris Rn. 19; VGH München, Beschluss vom 6. Dezember 2011 - 19 ZB 11.742 - juris Rn. 27; OVG Hamburg, Urteil vom 3. Dezember 2008 - 5 Bf 259/06 - juris Rn. 70 ff.; OVG Schleswig, Beschluss vom 19. April 2012 - 4 LA 14/12 - AuAS 2012, 125 Rn. 7; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand: März 2012, § 67 Rn. 37; a.A. VGH Mannheim, Beschluss vom 7. März 2006 - 13 S 155/06 - InfAuslR 2006, 387 Rn. 6 f.; Geyer, in: HK-Ausländerrecht, Stand: 2008, § 66 AufenthG Rn. 10). Zwar gilt der verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch im Verfahren der Geltendmachung von Abschiebungskosten. Es besteht aber keine Notwendigkeit, den Kostenschuldner aus Verhältnismäßigkeitsgründen schon im Heranziehungsverfahren freizustellen und der Ausländerbehörde - zu Lasten der öffentlichen Haushalte - die Möglichkeit zu nehmen, die Forderung im Falle einer späteren Verbesserung der finanziellen Verhältnisse in voller Höhe einzuziehen. Die aus Billigkeitsgründen gebotene Berücksichtigung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Kostenschuldners kann vielmehr entsprechend allgemeinen kostenrechtlichen Grundsätzen im Verfahren der Stundung, der Ermäßigung oder des Erlasses geprüft werden, wobei der Kläger auch durch die Pfändungsfreigrenzen vor einer unzumutbaren Belastung geschützt wird. Insoweit gilt nichts anderes als in jedem anderen Heranziehungsverfahren zu öffentlichen Abgaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits in seinem Urteil vom 14. Juni 2005 (a.a.O. S. 8 ff.) zum Ausdruck gebracht, dass die Kostenschuldner nach §§ 82, 83 AuslG 1990 (jetzt: §§ 66, 67 AufenthG) zu einer Erstattung der Kosten in tatsächlicher Höhe verpflichtet sind (dort bezogen auf die Haftkosten) und der Erhebung der Kosten nicht entgegen steht, dass eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit bei der Entscheidung über die Wiedereinreise zu erfolgen hat. Nichts Abweichendes folgt aus dem Urteil vom 24. November 1998 - BVerwG 1 C 33.97 - (BVerwGE 108, 1 <17 ff.>), auf das sich die Revision beruft. Denn diese Entscheidung bezieht sich ausschließlich auf Verpflichtungsschuldner nach § 84 Abs. 1 AuslG (jetzt: § 68 Abs. 1 AufenthG) und ist auf die Haftungsschuldner nach §§ 66, 67 AufenthG nicht übertragbar (so auch Funke-Kaiser, a.a.O. Rn. 37; Hailbronner, AuslR, Stand: März 2012, § 66 AufenthG Rn. 6).
(1) Kosten, die durch die Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung entstehen, hat der Ausländer zu tragen.
(2) Neben dem Ausländer haftet für die in Absatz 1 bezeichneten Kosten, wer sich gegenüber der Ausländerbehörde oder der Auslandsvertretung verpflichtet hat, für die Ausreisekosten des Ausländers aufzukommen.
(3) In den Fällen des § 64 Abs. 1 und 2 haftet der Beförderungsunternehmer neben dem Ausländer für die Kosten der Rückbeförderung des Ausländers und für die Kosten, die von der Ankunft des Ausländers an der Grenzübergangsstelle bis zum Vollzug der Entscheidung über die Einreise entstehen. Ein Beförderungsunternehmer, der schuldhaft einer Verfügung nach § 63 Abs. 2 zuwiderhandelt, haftet neben dem Ausländer für sonstige Kosten, die in den Fällen des § 64 Abs. 1 durch die Zurückweisung und in den Fällen des § 64 Abs. 2 durch die Abschiebung entstehen.
(4) Für die Kosten der Abschiebung oder Zurückschiebung haftet:
- 1.
wer als Arbeitgeber den Ausländer als Arbeitnehmer beschäftigt hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war; - 2.
ein Unternehmer, für den ein Arbeitgeber als unmittelbarer Auftragnehmer Leistungen erbracht hat, wenn ihm bekannt war oder er bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen müssen, dass der Arbeitgeber für die Erbringung der Leistung den Ausländer als Arbeitnehmer eingesetzt hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war; - 3.
wer als Generalunternehmer oder zwischengeschalteter Unternehmer ohne unmittelbare vertragliche Beziehungen zu dem Arbeitgeber Kenntnis von der Beschäftigung des Ausländers hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war; - 4.
wer eine nach § 96 strafbare Handlung begeht; - 5.
der Ausländer, soweit die Kosten von den anderen Kostenschuldnern nicht beigetrieben werden können.
(4a) Die Haftung nach Absatz 4 Nummer 1 entfällt, wenn der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen nach § 4a Absatz 5 sowie seiner Meldepflicht nach § 28a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit den §§ 6, 7 und 13 der Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung oder nach § 18 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes nachgekommen ist, es sei denn, er hatte Kenntnis davon, dass der Aufenthaltstitel oder die Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung oder die Aussetzung der Abschiebung des Ausländers gefälscht war.
(5) Von dem Kostenschuldner kann eine Sicherheitsleistung verlangt werden. Die Anordnung einer Sicherheitsleistung des Ausländers oder des Kostenschuldners nach Absatz 4 Satz 1 und 2 kann von der Behörde, die sie erlassen hat, ohne vorherige Vollstreckungsanordnung und Fristsetzung vollstreckt werden, wenn andernfalls die Erhebung gefährdet wäre. Zur Sicherung der Ausreisekosten können Rückflugscheine und sonstige Fahrausweise beschlagnahmt werden, die im Besitz eines Ausländers sind, der zurückgewiesen, zurückgeschoben, ausgewiesen oder abgeschoben werden soll oder dem Einreise und Aufenthalt nur wegen der Stellung eines Asylantrages gestattet wird.
(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung
- 1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und - a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder - b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
- 2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.
(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1
- 1.
gewerbsmäßig handelt, - 2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt, - 3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, - 4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder - 5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn
- 1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und - 2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.
(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.
(1) Kosten, die durch die Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung entstehen, hat der Ausländer zu tragen.
(2) Neben dem Ausländer haftet für die in Absatz 1 bezeichneten Kosten, wer sich gegenüber der Ausländerbehörde oder der Auslandsvertretung verpflichtet hat, für die Ausreisekosten des Ausländers aufzukommen.
(3) In den Fällen des § 64 Abs. 1 und 2 haftet der Beförderungsunternehmer neben dem Ausländer für die Kosten der Rückbeförderung des Ausländers und für die Kosten, die von der Ankunft des Ausländers an der Grenzübergangsstelle bis zum Vollzug der Entscheidung über die Einreise entstehen. Ein Beförderungsunternehmer, der schuldhaft einer Verfügung nach § 63 Abs. 2 zuwiderhandelt, haftet neben dem Ausländer für sonstige Kosten, die in den Fällen des § 64 Abs. 1 durch die Zurückweisung und in den Fällen des § 64 Abs. 2 durch die Abschiebung entstehen.
(4) Für die Kosten der Abschiebung oder Zurückschiebung haftet:
- 1.
wer als Arbeitgeber den Ausländer als Arbeitnehmer beschäftigt hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war; - 2.
ein Unternehmer, für den ein Arbeitgeber als unmittelbarer Auftragnehmer Leistungen erbracht hat, wenn ihm bekannt war oder er bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen müssen, dass der Arbeitgeber für die Erbringung der Leistung den Ausländer als Arbeitnehmer eingesetzt hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war; - 3.
wer als Generalunternehmer oder zwischengeschalteter Unternehmer ohne unmittelbare vertragliche Beziehungen zu dem Arbeitgeber Kenntnis von der Beschäftigung des Ausländers hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war; - 4.
wer eine nach § 96 strafbare Handlung begeht; - 5.
der Ausländer, soweit die Kosten von den anderen Kostenschuldnern nicht beigetrieben werden können.
(4a) Die Haftung nach Absatz 4 Nummer 1 entfällt, wenn der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen nach § 4a Absatz 5 sowie seiner Meldepflicht nach § 28a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit den §§ 6, 7 und 13 der Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung oder nach § 18 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes nachgekommen ist, es sei denn, er hatte Kenntnis davon, dass der Aufenthaltstitel oder die Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung oder die Aussetzung der Abschiebung des Ausländers gefälscht war.
(5) Von dem Kostenschuldner kann eine Sicherheitsleistung verlangt werden. Die Anordnung einer Sicherheitsleistung des Ausländers oder des Kostenschuldners nach Absatz 4 Satz 1 und 2 kann von der Behörde, die sie erlassen hat, ohne vorherige Vollstreckungsanordnung und Fristsetzung vollstreckt werden, wenn andernfalls die Erhebung gefährdet wäre. Zur Sicherung der Ausreisekosten können Rückflugscheine und sonstige Fahrausweise beschlagnahmt werden, die im Besitz eines Ausländers sind, der zurückgewiesen, zurückgeschoben, ausgewiesen oder abgeschoben werden soll oder dem Einreise und Aufenthalt nur wegen der Stellung eines Asylantrages gestattet wird.
(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung
- 1.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und - a)
dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder - b)
wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
- 2.
nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.
(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1
- 1.
gewerbsmäßig handelt, - 2.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt, - 3.
eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, - 4.
eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder - 5.
den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn
- 1.
sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und - 2.
der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.
(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden.
(1) Kosten, die durch die Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung entstehen, hat der Ausländer zu tragen.
(2) Neben dem Ausländer haftet für die in Absatz 1 bezeichneten Kosten, wer sich gegenüber der Ausländerbehörde oder der Auslandsvertretung verpflichtet hat, für die Ausreisekosten des Ausländers aufzukommen.
(3) In den Fällen des § 64 Abs. 1 und 2 haftet der Beförderungsunternehmer neben dem Ausländer für die Kosten der Rückbeförderung des Ausländers und für die Kosten, die von der Ankunft des Ausländers an der Grenzübergangsstelle bis zum Vollzug der Entscheidung über die Einreise entstehen. Ein Beförderungsunternehmer, der schuldhaft einer Verfügung nach § 63 Abs. 2 zuwiderhandelt, haftet neben dem Ausländer für sonstige Kosten, die in den Fällen des § 64 Abs. 1 durch die Zurückweisung und in den Fällen des § 64 Abs. 2 durch die Abschiebung entstehen.
(4) Für die Kosten der Abschiebung oder Zurückschiebung haftet:
- 1.
wer als Arbeitgeber den Ausländer als Arbeitnehmer beschäftigt hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war; - 2.
ein Unternehmer, für den ein Arbeitgeber als unmittelbarer Auftragnehmer Leistungen erbracht hat, wenn ihm bekannt war oder er bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen müssen, dass der Arbeitgeber für die Erbringung der Leistung den Ausländer als Arbeitnehmer eingesetzt hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war; - 3.
wer als Generalunternehmer oder zwischengeschalteter Unternehmer ohne unmittelbare vertragliche Beziehungen zu dem Arbeitgeber Kenntnis von der Beschäftigung des Ausländers hat, dem die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht erlaubt war; - 4.
wer eine nach § 96 strafbare Handlung begeht; - 5.
der Ausländer, soweit die Kosten von den anderen Kostenschuldnern nicht beigetrieben werden können.
(4a) Die Haftung nach Absatz 4 Nummer 1 entfällt, wenn der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen nach § 4a Absatz 5 sowie seiner Meldepflicht nach § 28a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit den §§ 6, 7 und 13 der Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung oder nach § 18 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes nachgekommen ist, es sei denn, er hatte Kenntnis davon, dass der Aufenthaltstitel oder die Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung oder die Aussetzung der Abschiebung des Ausländers gefälscht war.
(5) Von dem Kostenschuldner kann eine Sicherheitsleistung verlangt werden. Die Anordnung einer Sicherheitsleistung des Ausländers oder des Kostenschuldners nach Absatz 4 Satz 1 und 2 kann von der Behörde, die sie erlassen hat, ohne vorherige Vollstreckungsanordnung und Fristsetzung vollstreckt werden, wenn andernfalls die Erhebung gefährdet wäre. Zur Sicherung der Ausreisekosten können Rückflugscheine und sonstige Fahrausweise beschlagnahmt werden, die im Besitz eines Ausländers sind, der zurückgewiesen, zurückgeschoben, ausgewiesen oder abgeschoben werden soll oder dem Einreise und Aufenthalt nur wegen der Stellung eines Asylantrages gestattet wird.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.