Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 02. Sept. 2015 - 9 A 399/14
Tatbestand
- 1
Die Kläger wenden sich gegen einen Bescheid der Beklagten mit dem festgestellt wurde, dass ihnen in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht und ihre Abschiebung nach Bulgarien angeordnet wird.
- 2
Der am 08.03.1984 geborene Kläger zu 1. sowie seine zwei minderjährigen am 16.06.2008 und 11.11.2009 geborenen Kinder, die Kläger zu 2. und 3. sind, sind ungeklärter Staatsangehörigkeit mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt in Syrien. Sie reisten gemeinsam mit der syrischen Staatsangehörigen Frau H. H., Ehefrau des Klägers zu 1. (nur nach traditionellem Ritus), Mutter der Kläger zu 2. und 3. und Klägerin im Verfahren 9 A 401/14 MD, aus Bulgarien kommend in das Bundesgebiet ein und stellten am 07.05.2014 einen Asylantrag.
- 3
Die Kläger haben bereits in Bulgarien ein Asylverfahren durchgeführt. Ihnen und der Klägerin des Verfahrens 9 A 401/14 MD wurde mit Entscheidung vom 31.01.2014 bzw. vom 14.02.2014 der Flüchtlingsstatus durch die bulgarischen Behörden zuerkannt.
- 4
Beim persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens gab der Kläger zu 1. an, am 08.09.2013 sein Herkunftsland verlassen zu haben und über die Türkei kommend nach Bulgarien eingereist zu sein und dort einen Asylantrag gestellt zu haben. Bei seiner Anhörung nach § 25 AsylVfG ergänzt der Kläger zu 1, dass er und seine Familie in Bulgarien anerkannt worden seien und einen Aufenthaltstitel erhalten hätten.
- 5
Hinsichtlich des Klägers zu 1. erzielte die Beklagte einen EURODAC-Treffer der Kategorie 1 für die Republik Bulgarien am 06.06.2014.
- 6
Unter Verweis auf den erzielten EURODAC-Treffer richtete die Beklagte am 17.06.2014 ein Wiederaufnahmegesuch an die Republik Bulgarien hinsichtlich des Klägers zu 1. und seiner Familie. Unter dem 17. und 19.06.2014 lehnten die bulgarischen Behörden verweisend auf die bereits erfolgte Flüchtlingsanerkennung die Wiederaufnahme der Kläger nach der Dublin III-VO ab. Es wird unter Angabe der Kontaktdaten mitgeteilt, dass zwecks Rücküberstellung der Kläger die Grenzpolizei/Innenministerium Bulgariens zuständig ist.
- 7
Mit Bescheid vom 02.10.2014 stellte die Beklagte fest, dass den Klägern kein Asylrecht zusteht (Ziffer 1.). Sie ordnete zudem die Abschiebung nach Bulgarien an (Ziffer 2.). Zur Begründung verwies sie aufgrund der Flüchtlingsanerkennung durch die Republik Bulgarien auf Art. 16a GG, §§ 26a, 31 Abs. 4, 34a AsylVfG. Mit Bescheid gleichen Datums hat die Beklagte einen gleichlautenden Bescheid gegenüber der Ehefrau und Mutter der Kläger erlassen, dieser ist Gegenstand des Verfahrens 9 A 401/14 MD.
- 8
Die Kläger haben am 17.10.2014 Klage beim erkennenden Gericht erhoben und gleichzeitig um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht (9 B 400/14 MD) sowie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin … beantragt. Mit Beschluss des Gerichts vom 03.12.2014 ordnete das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 2 des Bescheides der Beklagten vom 02.10.2014 an. Den am 18.08.2015 gestellten Antrag der Beklagten nach § 80 Abs. 7 VwGO lehnte das Gericht mit Beschluss vom 18.08.2015 (9 B 688/15 MD) ab.
- 9
Am 16.06.2015 wurde das dritte Kind des Klägers zu 1. und der Klägerin des Verfahrens 9 A 401/14 MD (A. H.) geboren.
- 10
Unter dem 19.06.2015 teilte das Innenministerium Bulgariens (Chief Directorate Border Police) seine Übernahmebereitschaft hinsichtlich der Kläger mit.
- 11
Zur Begründung ihrer Klage tragen die Kläger im Wesentlichen vor, dass sie sich nach der Zuerkennung des Schutzstatus in Bulgarien selbst überlassen worden seien. Ihnen sei weder eine Unterkunft zur Verfügung gestellt noch Lebensmittel oder sonstige Dinge des täglichen Bedarfs überlassen worden. Der Kläger zu 1. habe keine Arbeitserlaubnis erhalten und es habe auch keine Möglichkeit einer Schulbildung hinsichtlich des Klägers zu 2., der sich in einem schulpflichtigen Alter befände, bestanden. Nur mit der finanziellen Unterstützung ihrer Familienangehörigen in Syrien hätten sie überleben können. Ein selbstbestimmtes Leben sei in Bulgarien nicht möglich, weil ohne Unterstützung des bulgarischen Staats sie vor der Obdachlosigkeit gestanden hätten, und gezwungen gewesen seien, ihre Flucht nach Deutschland fortzusetzen. Die Beklagte sei zum Selbsteintritt nach Art. 17 Dublin III-VO aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens in Bulgarien und der dortigen Aufnahmebedingungen verpflichtet. Die Dublinvorschriften seien anwendbar. Es bestehe die tatsächliche Gefahr, einer unmenschlichen erniedrigen Behandlung in Bulgarien ausgesetzt zu sein.
- 12
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17.09.2014 (2 BvR 1795/14) müssten bei einer grundsätzlich zulässigen Abschiebung Vorkehrung getroffen werden, um diese verantworten zu können. Anders als bei der Abschiebung ins Herkunftsland müsse bei einer Abschiebung in einen Drittstaat berücksichtigt werden, dass ein Ausländer regelmäßig nicht auf verwandtschaftliche Beziehung bzw. ein soziales Netzwerk zurückgreifen könne, so dass die zuständige Behörde bei bestehenden Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung zurückgeführter Ausländer dem angemessen Rechnung zu tragen habe. Kapazitätsengpässe lägen nach der derzeitigen Auskunftslage vor und die Kläger zu 2. und 3. sowie das am 16.06.2015 geborene dritte Kind gehörten einer schutzbedürftigen Personengruppe an, so dass es einer Garantieerklärung der bulgarischen Behörden bedürfe.
- 13
Neben der Obdachlosigkeit drohe der Mutter der Kläger zu 2. und 3. bzw. Frau des Klägers zu 1. (Klägerin im Verfahren 9 A 401/14 MD) bei Rückkehr nach Bulgarien die Gefahr gesundheitlicher Beeinträchtigung, da eine akute Gefahr einer Suizidalität bestehe. Aus Angst vor ihrer Abschiebung habe sie bereits einen psychischen Zusammenbruch erlitten und habe sich in der Zeit vom 15.10. bis 17.10.2014 – nach Erlass des streitbefangenen Bescheides – in stationärer Behandlung der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie im Fachklinikum Bernburg befunden. Die perspektivische Unsicherheit sei unter psychischen Gesichtspunkten enorm bedenklich.
- 14
Die Kläger beantragen,
- 15
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.10.2014 zu verpflichten, über den Asylantrag der Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
- 16
Die Beklagte beantragt,
- 17
die Klage abzuweisen.
- 18
Sie verteidigt ihren Bescheid und ergänzt, dass die Aufnahmesituation anerkannter Personen in Bulgarien nicht derart schlecht sei, dass von einer Abschiebung abgesehen werden müsse. Punktuelle Engpässe bei der Versorgung und Unterbringung seien hierfür nicht ausreichend. Eine Menschenrechtsverletzung drohe nicht. Dass in Europa die Schutzgewährung mit einem umfassenden Anspruch auf soziale Hilfen – wie in der Bundesrepublik Deutschland – nicht gegeben sei, führe keineswegs zu einem Schutzanspruch in Deutschland. Dass der Mensch grundsätzlich für sich selbst Verantwortung trage und seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu sichern habe, sei in vielen Teilen Europas gelebte Praxis, wie auch im Heimatland der Kläger.
- 19
Eine ausreichende Lebensgrundlage im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU stehe den Klägern in Bulgarien zur Verfügung. Bei der Beklagten handele es sich nicht um eine „europäische Sozialbehörde“. Die Kläger haben den schutzgewährenden Staat selbstständig verlassen, so dass es ihr eigenes Verschulden sei und es ihnen nunmehr schwer fallen werde, nach ihrer Rückkehr Fuß zu fassen. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehe nicht.
- 20
Ein Anspruch auf Wohnraum in Bulgarien könne keineswegs durch die Beklagte in konkretes Handeln übersetzt werden. Wieso den Klägern die Anmietung von Wohnraum, übergangsweise einer Pension nicht möglich sein soll, erschließe sich nicht. Immerhin hätten sie unter Aufwendung von tausenden von Euro den Weg in die Bundesrepublik geschafft.
- 21
Die Beteiligten haben übereinstimmend Verzicht auf mündliche Verhandlung erklärt.
- 22
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten sowie die vorliegenden Erkenntnismittel zur Republik Bulgarien (Stand: Juni 2015) verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
- 23
I. Die Klage, über die im Einvernehmen mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), hat teilweise Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 02.10.2014 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, soweit in Ziffer 2. die Abschiebung nach Bulgarien angeordnet wird. Im Übrigen – Ziffer 1. des Bescheides – begegnet der Bescheid keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Darüber hinaus besteht auch kein Anspruch der Kläger auf Neubescheidung ihres Asylbegehrens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.
- 24
1. Soweit die Kläger beantragen, dass über ihren Asylantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden ist, ist der Antrag bereits unzulässig. Wegen der insoweit konkreten Formulierung des Klageantrages war das Gericht gehindert, das Begehren der Kläger gemäß § 88 VwGO dahingehend sachdienlich auszulegen, dass sie nur die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 02.10.2014 begehren, was ausreichend wäre, um das Ziel einer Durchführung eines Asylverfahrens in Deutschland zu erreichen (vgl. etwa BayVGH, U. v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 -; VG Düsseldorf, U. v. 27.6.2014 - 13 K 654/14.A -. m. w. N.; VG Regensburg, U. v. 29.4.2014 - RO 4 K 14.50022 -; U. v. 18.7.2013 - RN 5 K 13.30027 -, alle juris). Die Unzulässigkeit des so anzunehmenden Verpflichtungsbegehrens rührt daraus, dass die – von den Klägern begehrte – Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates eine der Prüfung des Asylantrages vorgelagerte Frage betrifft und deshalb – anders als z. B. im Folgeverfahren – ein „Durchentscheiden“ des Gerichts nicht in Betracht kommt (vgl. dazu OVG Münster, U. v. 07.03 2013 - 1 A 21/12 -; VGH Baden-Württemberg, U. v. 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -; beide juris; OVG LSA, B. v. 02.03.2015 - 4 L 172/14 -). Die Klage unterliegt mithin insoweit der Abweisung.
- 25
2. Voranzustellen ist darüber hinaus, dass die Kläger – entgegen ihrer Rechtsauffassung – nicht mehr dem Dublin-System, insbesondere nicht den materiellen Regelungen der Dublin II-VO unterfallen. Dass Asylbewerber (noch) dem gesamteuropäischen Dublin-System zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates für die Bearbeitung von Asylanträgen mit all den daraus resultierenden Fristen und Verfahrensgarantien unterliegen könnten, liegt im Wesentlichen die Erwägung zugrunde, dass für sie noch die Dublin II-VO Anwendung findet, von der auch Asylsuchende erfasst werden, die bereits als subsidiär Schutzberechtigte in einem Mitgliedsstaat anerkannt wurden und danach in einen anderen Mitgliedsstaat weiterreisen und dort erneut einen Asylantrag stellen (so auch Bender/ Bethke, „Dublin III“, Asylmagazin 2013, S. 357 ff.), weil für sie die Notwendigkeit der Bestimmung eines zuständigen Mitgliedsstaates (noch) besteht (vgl. hierzu im Einzelnen: VG Magdeburg, U. v. 09.07.2015 – 9 A 216/15 MD –). Denn nach der Dublin II-VO gelten Asylanträge deshalb im Sinne von Artikel 16 Abs. 1 lit. e) Dublin II-VO als abgelehnt, weil diese nach Artikel 2 lit. c) Dublin-II-VO von dem jeweiligen Mitgliedsstaat inhaltlich zwingend als auf die Anerkennung als Konventionsflüchtling gerichtet anzusehen waren (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.02.2014 – 10 C 6/13 – juris). Zwar haben die Kläger vor dem nach der Überleitungsvorschrift des Art. 49 Dublin III-VO maßgebenden Stichtag am 02.10.2013 ihren Asylantrag in Bulgarien gestellt, so dass die materiellen Regelungen der Dublin II-VO einschlägig wären. Fest steht jedoch auch, dass die Kläger mit Entscheidung der bulgarischen Behörden vom 31.01.2014 bzw. vom 14.02.2014 bereits als Konventionsflüchtlinge und nicht lediglich als subsidiär Schutzberechtigte anerkannt worden sind, mithin keine Notwendigkeit mehr besteht, für sie den Mitgliedsstaat zu bestimmen, in dem der Asylantrag (weiter) bearbeitet wird bzw. sie sich nach der Ablehnung des Antrages aufzuhalten haben. Das Asylverfahren der Kläger hat zweifellos seinen Abschluss in Bulgarien gefunden, weil die Kläger nicht mehr erreichen können. Dementsprechend findet (auch) die Dublin II-VO keine Anwendung mehr, mit der Folge, dass sich die Rückführung der Kläger allein nach bilateralen Vorschriften zwischen der Republik Bulgarien und der Bundesrepublik Deutschland richtet.
- 26
Unterfallen die Kläger damit nicht mehr dem Dublinregime können sie auch nicht mit ihrem Vortrag gehört werden, die Beklagte müsse von ihrem Selbsteintrittsrecht nach den Dublinregelungen Gebrauch machen. Konsequenz der fehlenden Anwendbarkeit der Dublinvorschriften ist zudem, dass die Beklagte nicht zu prüfen hat, ob das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Bulgarien systemische Mängel aufweist. Denn der Bezugspunkt für die Beurteilung des hinreichenden Schutzes hängt davon ab, ob der Ausländer bereits einen Schutzstatus in dem Land, in das er abgeschoben werden soll, erhalten hat oder nicht. Nur in letzterem Fall ist darauf abzustellen, ob das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische, dem ersuchenden Mitgliedstaat nicht unbekannte Mängel aufweisen, die für den Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr begründen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in dem ersuchten Mitgliedstaat im Sinne von Art. 4 / Art. 19 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtecharta) bzw. dem inhaltsgleichen Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 –, juris Rdnr. 78 f., 84 ff. und 94; VG Düsseldorf, B. v. 17.07.2014 – 17 L 1018/14.A –, juris).
- 27
3. Ziffer 1. des streitbefangenen Bescheides, mit der festgestellt wird, dass den Klägern in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht, begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken und ist so zu verstehen bzw. nach § 47 VwVfG umzudeuten, dass der von den Klägern gestellte Asylantrag unzulässig ist.
- 28
Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn der Asylbewerber – wie hier – bereits einen Schutzstatus im Schutzraum erlangt hat. Dies folgt aus § 60 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 AufenthG (vgl. BVerwG, U. v. 17.06.2014 – 10 C 7/13 – juris, Rdnr. 28 ff.). Das Bundesverwaltungsgericht führt hierzu aus:
- 29
„…Die Anerkennung eines Ausländers als Flüchtling oder als subsidiär Schutzberechtigter in einem anderen Staat wirkt zwar völkerrechtlich nicht wie eine Statusentscheidung durch deutsche Behörden und hat in diesem Sinne keine umfassende Bindungswirkung für die Bundesrepublik Deutschland (hierzu auch Marx, InfAuslR 2014, 227 <232>). Die Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 legt einheitliche Kriterien für die Qualifizierung als Flüchtling fest, sieht aber keine völkerrechtliche Bindung eines Vertragsstaats an die Anerkennungsentscheidung eines anderen vor (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. November 1979 - 1 BvR 654/79 - BVerfGE 52, 391 <404>; BVerwG, Urteil vom 29. April 1971 - BVerwG 1 C 42.67 - BVerwGE 38, 87 <89 f.> = Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 2 S. 4 f.). Eine solche Bindungswirkung ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht. Dieses ermächtigt zwar nach Art. 78 Abs. 2 Buchst. a und b AEUV zu Gesetzgebungsmaßnahmen, die einen in der ganzen Union gültigen einheitlichen Asylstatus und einen einheitlichen subsidiären Schutzstatus für Drittstaatsangehörige vorsehen, die maßgebliche Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 sieht eine in der ganzen Union gültige Statusentscheidung jedoch nicht vor. Die Bundesrepublik Deutschland hat aber von der nach Völker- und Unionsrecht fortbestehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch eine nationale Regelung den Anerkennungsentscheidungen anderer Staaten in begrenztem Umfang Rechtswirkungen auch im eigenen Land beizumessen (vgl. etwa die diesbezügliche Empfehlung des UNHCR im Beschluss Nr. 12 seines Exekutivkomitees aus dem Jahr 1978). In Deutschland genießen im Ausland anerkannte Flüchtlinge schon seit Inkrafttreten des Ausländergesetzes von 1990 (dort § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2) den gleichen Abschiebungsschutz wie die im Inland anerkannten, ohne dass ein erneutes Anerkennungsverfahren durchgeführt wird. Durch § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (n.F.) ordnet das nationale Recht eine auf den Abschiebungsschutz begrenzte Bindungswirkung der ausländischen Flüchtlingsanerkennung an (ähnlich Treiber, in: GK-AufenthG, Stand: Juli 2011, § 60 Rn. 205.3). Es besteht aber gerade kein Anspruch auf eine neuerliche Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder auf Feststellung subsidiären Schutzes (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 AufenthG n.F.) oder eine hieran anknüpfende Erteilung eines Aufenthaltstitels in Deutschland. Vielmehr ist das Bundesamt bei Vorliegen einer ausländischen Anerkennungsentscheidung zur Feststellung von subsidiärem Schutz oder der (erneuten) Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Deutschland weder verpflichtet noch berechtigt. Ein gleichwohl gestellter Antrag ist unzulässig. Das hat der Senat bereits zu der bis 30. November 2013 geltenden Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 2 und 6 AufenthG (a.F.) entschieden (Beschluss vom 26. Oktober 2010 - BVerwG 10 B 28.10 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 43). Dem entspricht die nunmehr geltende Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG. Sie ist jedenfalls bei Zuerkennung internationalen Schutzes durch einen anderen Mitgliedstaat mit Unionsrecht vereinbar. Denn Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU - Asylverfahrensrichtlinie 2013 - eröffnet dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit, einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zu behandeln, wenn dem Ausländer bereits ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt, d.h. ihm entweder die Flüchtlingseigenschaft oder unionsrechtlichen subsidiären Schutz zuerkannt hat (vgl. Art. 2 Buchst. i der Richtlinie).
- 30
Durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl I S. 3474) wurde die Unzulässigkeit eines erneuten Anerkennungsverfahrens nunmehr auch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG (n.F.) erstreckt (§ 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Damit wurde die Konsequenz aus der inhaltlichen Neubestimmung des Asylantrags in § 13 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) gezogen, der - im Einklang mit Unionsrecht - nunmehr neben dem Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch den Antrag auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz umfasst (vgl. BTDrucks 17/13063 S. 25 zu § 60 Abs. 2 AufenthG). Dies hat die verfahrensrechtliche Konsequenz, dass das Begehren auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz unzulässig ist, wenn dem Ausländer bereits im Ausland die Rechtsstellung eines Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne von § 4 AsylVfG (n.F.) zuerkannt worden ist (vgl. hierzu bereits Urteil vom 13. Februar 2014 - BVerwG 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487 Rn. 16). Da dem Kläger im vorliegenden Fall bereits in Italien die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, kann er in Deutschland nicht mehr die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter verlangen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG)…“
- 31
Damit hat das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, wie entsprechende Asylanträge durch die Beklagte rechtlich zu behandeln sind, eine Bezugnahme auf § 26a AsylVfG erfolgt nicht (so auch Bay VGH, B. v. 16.06.2015 – 20 B 15.50058 – juris; Funke-Kaiser, Personen mit Schutzstatus in einem anderen EU-Land – Rechtliche Probleme, Asylmagazin 5/2015, S. 148 ff.).
- 32
Eines Rückgriffs auf § 26a AsylVfG bedarf es nach Auffassung des Gerichts nicht, zumal bereits fraglich ist, ob der Anwendungsbereich der Norm auf die vorliegende Fallgestaltung, dass der Asylbewerber bereits in einem sicheren Drittstaat Flüchtlingsanerkennung erlangt hat, eröffnet ist. In der Rechtsprechung wird zwar die Anwendbarkeit mit der Begründung vertreten, dass das Konzept sicherer Drittstaaten auf dem Gedanken beruht, dass in Deutschland keine Schutzbedürftigkeit besitzt, wer in einem sicheren Drittstaat Schutz hätte finden können. Diese Schutzbedürftigkeit fehlt danach erst recht, wenn der Asylbewerber nicht nur Schutz hätte finden können, sondern sogar Schutz gefunden hat. Der Umstand, dass es Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG für das Entfallen der Schutzbedürftigkeit ausreichen lässt, dass der Asylbewerber im sicheren Drittstaat die Gelegenheit hatte, Schutz zu erlangen, ungeachtet dessen, ob diese Gelegenheit genutzt wurde, kann daher kein Grund sein, den Anwendungsbereich des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG entgegen Wortlaut und Sinn auf Fälle zu beschränken, in denen der sichere Drittstaat keinen internationalen Schutz gewährt hat (vgl. OVG NRW, B. v. 11.05.2015 – 14 A 926/15.A – juris). Dem gegenüber ist zu konstatieren, dass dieses Konzept, das durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung asylverfahrens-, ausländer-, und staatsangehörigkeitsrechtlicher Vorschriften vom 30.06.1993 (BGBl. I, S. 1062ff.) Eingang in das Asylverfahrensgesetz gefunden hat, nach dem Willen des Gesetzgebers für noch nicht Schutzberechtigte entwickelt wurde (vgl. BT-Drs. 12/4450 S. 20). In der Begründung zum Gesetzesentwurf heißt es:
- 33
"Satz 1 normiert in Übereinstimmung mit Artikel 16 a Abs. 2 GG den Grundsatz, daß sich derjenige nicht auf Artikel 16a Abs. 1 GG berufen kann, der aus einem sicheren Drittstaat eingereist ist. Satz 2 stellt klar, daß dieser Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird. Die Regelung beruht darauf, daß ein vor politischer Verfolgung Flüchtender in dem ersten Staat um Schutz nachsuchen muß, in dem ihm dies möglich ist. Außerdem muß es dem Ausländer möglich sein, nach Rückkehr in den sicheren Drittstaat, über den er eingereist ist, ein dort eingeleitetes Verfahren auf Schutzgewährung zu Ende zu führen oder ein noch nicht gestelltes Schutzersuchen nachzuholen."
- 34
Der Gesetzgeber hatte also erkennbar nur Asylsuchende im Blick, für die entweder ein Asylverfahren im Drittstaat bereits eingeleitet oder für die dieses noch durchzuführen ist (zur verneinten Anwendung der Drittstaatenregelung: vgl. im Einzelnen: Funke-Kaiser, Personen mit Schutzstatus in einem anderen EU-Land – Rechtliche Probleme, Asylmagazin 5/2015, S. 148, 151¸ auch BVerwG, U. v. 17.06.2014 – a.a.O.). Es handelt sich nur um ein Instrumentarium, das gewissermaßen ein „abdrängendes“ Zuständigkeitsregime enthält, was in Art. 16a Abs. 5 GG zum Ausdruck kommt (vgl. im Einzelnen: Funke-Kaiser, Personen mit Schutzstatus in einem anderen EU-Land – Rechtliche Probleme, Asylmagazin 5/2015, S. 148, 151). Durch die Überlagerung des durch Art. 3 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970ff.) eingefügten § 27a AsylVfG und die fortgesetzte Erweiterung der Europäischen Union sind jedoch die vom Gesetzgeber in den Blick genommenen Anwendungsfälle der Regelung weitestgehend entzogen worden. Für eine analoge Anwendung der Norm des § 26a AsylVfG – auch vor dem Hintergrund der damit im Zusammenhang stehenden Folgen, wie des Erlasses einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG – besteht davon ausgehend, dass nach § 60 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 Satz 2 AufenthG der Asylantrag bereits unzulässig ist, kein Anlass, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt.
- 35
Die Voraussetzung des § 47 VwVfG liegen vor. Nach Absatz 1 der Vorschrift kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenen Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für den Erlass vorliegen. Dies ist hier der Fall. Die Beklagte ist davon ausgegangen, dass das Dublinsystem nicht mehr greift und den Klägern kein Asylrecht wegen bestehenden Flüchtlingsstatus zusteht, so dass trotz der Bezugnahme auf § 26a AsylVfG hierin die Entscheidung zu erblicken ist, dass der Asylantrag unzulässig ist. Eine Umdeutung ist auch nicht nach § 47 Abs. 2 VwVfG ausgeschlossen, insbesondere sind die damit einhergehenden Rechtsfolgen weder ungünstiger für die Kläger noch widerspricht die Umdeutung der erkennbaren Absicht der erlassenen Behörde. Letzteres insbesondere deshalb nicht, weil gerichtsbekannt ist, dass die Beklagte in ihrer Tenorierungs- und Entscheidungspraxis unter Verweis auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bei Personen die internationalen Schutz in einem sicheren Drittstaat erlangt haben, solche Asylanträge nunmehr regelmäßig als unzulässig ablehnt und sodann mit einer Abschiebungsandrohung und nicht etwa Abschiebungsanordnung versieht.
- 36
4. Die in Ziffer 2. des streitbefangenen Bescheides getroffene Abschiebungsanordnung ist jedoch rechtswidrig.
- 37
4.1. Ausgehend davon, dass nach Auffassung des Gerichts kein Fall des § 26a AsylVfG vorliegt, ist bereits der Weg einer Entscheidung nach § 31 Abs. 4 AsylVfG sowie hierauf aufbauend der Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG nicht eröffnet (vgl. Funke-Kaiser, Personen mit Schutzstatus in einem anderen EU-Land – Rechtliche Probleme, Asylmagazin 5/2015, S. 148, 151, a. A.: „Erstrechtschluss“ OVG NRW, a.a.O.), so dass allein der Erlass einer Abschiebungsandrohung – was auch der seit Januar 2015 gerichtsbekannten regelmäßigen Verwaltungspraxis der Beklagten entspricht – hier statthaft gewesen wäre.
- 38
4.2. Selbst wenn man der Auffassung des erkennenden Gerichts nicht folgen sollte und mit dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (vgl. oben) und der wohl überwiegenden Rechtsprechung (vgl. VG Berlin, U. v. 04.06.2015 – 23 K 906.14 A –; VG des Saarlandes, U. v. 04.08.2015 – 3 K 1955/14 –; VG Düsseldorf, U. v. 29.06.2015 – 13 K 3215/15.A –; alle juris ) davon ausgeht, dass die Drittstaatenregelung des § 26a AsylVfG anwendbar ist, mit der Folge, dass die Beklagte dem Grunde nach berechtigt ist, eine Abschiebungsanordnung zu erlassen, wäre eine Abschiebung der Kläger angesichts des Umstandes, dass sie gemeinsam mit der nach religiösen Ritus verheirateten Ehefrau und Mutter – Klägerin des Verfahrens 9 A 401/14 MD – und des am 16.06.2015 geborenen dritten Kindes einer schutzbedürftigen Personengruppe angehören, derzeit nicht möglich.
- 39
4.2.1. Vorauszuschicken ist hierbei, dass die „sichere Drittstaatenregelung“ des § 26a AsylVfG in Entsprechung des Konzepts der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U. v. 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93) bzw. des unionsrechtlichen Prinzips des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 –, juris) von der Annahme getragen wird, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Richtlinie 2011/95/EU, der GFK sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen, mit der Folge, dass unter diesen Bedingungen die - freilich widerlegbare - Vermutung gilt, die Behandlung der Kläger als schutzberechtigt anerkannte Ausländer stehe in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den genannten Rechten (zustimmend: VG Düsseldorf, B. v. 17.07.2014 – 17 L 1018/14.A –, juris; a.A. Marx, Spontane Binnenwanderung international Schutzberechtigter in der Union, InfAuslR 2014, 227 ff.).
- 40
Nach der aktuellen Auskunftslage (zuletzt Bericht von ProAsyl, „Erniedrigt, misshandelt, schutzlos: Flüchtlinge in Bulgarien“, April 2015) bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Verhältnisse in Bulgarien – mit Ausnahme solcher für besonders schutzbedürftige Personengruppen (vgl. Art. 20 Abs. 3 Richtlinie 2011/95 (EU)) – hinter dem unionsrechtlich vorgesehenen Flüchtlingsschutz zurückbleiben, mithin tatsächlich die Gefahr besteht, dass anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte in Bulgarien einer unmenschlichen oder erniedrigen Behandlung ausgesetzt sind, so dass dies einer Abschiebung nicht entgegengehalten werden kann.
- 41
Soweit die Genfer Flüchtlingskonvention für anerkannte Flüchtlinge Wohlfahrtsregelungen enthält (Art. 20 ff. GFK), die vom anerkennenden Drittstaat zu beachten sind, gehen diese im Wesentlichen über Diskriminierungsverbote gegenüber den jeweiligen Inländern nicht hinaus. Namentlich im Bereich der öffentlichen Fürsorge und der sozialen Sicherheit verpflichtet die GFK den Drittstaat zur Inländergleichbehandlung (vgl. Art. 23, 24 GFK). Anhaltspunkte dafür, dass Bulgarien die Verpflichtung zur Inländergleichbehandlung nicht beachten wird, sind vorliegend weder ersichtlich noch werden sie von den Klägern behauptet.
- 42
Für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung anerkannter Flüchtlinge in Bulgarien im Sinne von Art. 3 EMRK ist gleichfalls nichts ersichtlich. Der Inhalt des internationalen Flüchtlingsschutzes wird unionsrechtlich vorgegeben durch die Regelungen in Art. 20 bis 35 der Richtlinie 2011/95/EU. So gelten einheitliche Vorgaben etwa für die Erteilung des Aufenthaltstitels (Art. 24) und der Reisedokumente (Art. 25 Abs. 1). Einem anerkannten Schutzberechtigten stehen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung (Art. 26), zur Bildung (Art. 27), zum Erhalt von Sozialhilfeleistungen (Art. 29) und medizinischer Versorgung (Art. 30) dieselben Rechte wie den jeweiligen Staatsangehörigen zu (VG Düsseldorf, B. v. 17.07. 2014 – 17 L 1018/14.A –, juris).
- 43
Im Hinblick auf Bulgarien ist zwar festzustellen, dass die Lebensbedingungen (auch) für Personen mit zuerkannter Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiärem Schutzstatus dort nach den gegebenen Erkenntnissen prekär sind. Weder ist aber eine Verletzung der in Art. 26 ff. der Richtlinie 2011/95/EU vorgesehenen Gleichbehandlungsgebote erkennbar noch herrschen in Bulgarien derart handgreiflich eklatante Missstände, die die Annahme rechtfertigten, anerkannte Flüchtlinge bzw. subsidiär Schutzberechtigte würden einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung ausgesetzt und einem international Schutzberechtigten müsste unabweisbar Schutz gewährt werden. Eine solche Behandlung muss vielmehr ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK zu gelten (vgl. zum Schutzumfang: VGH Baden-Württemberg, U. v. 10.11.2014 – A 11 S 1778/14 – juris). Dieses Mindestmaß erreichen die Verhältnisse, denen anerkannte Flüchtlinge bzw. subsidiär Schutzberechtigte in Bulgarien ausgesetzt sind, nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht.
- 44
Dabei geht das Gericht von folgenden Erkenntnissen in Bulgarien aus: Der UNHCR schildert in seinem Bericht "Current Situation of Asylum in Bulgaria" Schwierigkeiten anerkannter Flüchtlinge bzw. subsidiär Schutzberechtigter in Bulgarien (vgl. UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria, Stand: April 2014, Ziff. 2.7.). So bestünde eine bis zu zweimonatige Lücke bei der Gesundheitsversorgung in der Zeit zwischen Anerkennung als Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigter aufgrund der Änderung ihres Status im System. Sie hätten außerdem - wie die bulgarischen Staatsangehörigen auch - einen monatlichen Beitrag von umgerechnet 8,70 Euro für die Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu zahlen, von dem indes Medikamente und psychologische Betreuung nicht umfasst seien. Berichtet wird außerdem von Schwierigkeiten, eine gesicherte Beschäftigung zu erlangen. Neben der schwierigen wirtschaftlichen Situation seien einige strukturelle Hindernisse wie etwa die fehlende Anerkennung von Vorkenntnissen zu überwinden. Es fehle an gezielter Unterstützung. Außerdem mangele es an angemessenen und bezahlbaren Unterkünften, was eine Integration erschwere. Ohne externe Unterstützung bei der Suche nach geeigneten Unterkünften seien die Statusinhaber auf die weitere Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen angewiesen, wo sie kaum Möglichkeit zur Integration in die bulgarische Gesellschaft hätten. Auch die für eine erfolgreiche Integration erforderliche Bildung der Schutzberechtigten, insbesondere der Kinder, sei verbesserungswürdig. Zwar hätten die Statusinhaber – wie Asylsuchende – unter 18 Jahren nach bulgarischem Recht im gleichen Maße Zugang zu Bildung wie bulgarische Staatsbürger. Voraussetzung für den Antritt des Schulbesuchs sei jedoch die erfolgreiche Teilnahme an einem SAR-Sprachkurs, der nur in einer Aufnahmeeinrichtung vorgehalten werde. In den übrigen Einrichtungen würden informelle Sprachkursen erteilt, die vom UNHCR finanziert und von der Caritas durchgeführt würden. Deren Anerkennung sei derzeit noch nicht sichergestellt.
- 45
Die Darstellungen des UNHCR decken sich im Wesentlichen mit dem neuesten Bericht von ProAsyl vom April 2015 (s.o.), wobei jedoch durch ProAsyl Schluss gezogen wird, dass kein anerkannter Flüchtling in Bulgarien eine reelle Chance habe, sich ein Existenzminimum zu schaffen, was dazu führe, dass eine Rückführung von Personen, die in Bulgarien einen Status erhalten haben, gegen Art. 3 EMRK verstoße. ProAsyl führt im Einzelnen aus, dass es für einen Schutzberechtigten fast unmöglich sei, eine gesicherte Unterkunft zu finden, da es an Unterstützung mangele. In kommunalen Obdachlosenunterkünften oder Sozialwohnungen könnten sie keine Unterkunft finden, da dies voraussetze, dass sie die bulgarische Staatbürgerschaft besitzen und über einen gewissen Zeitraum bereits in der Gemeinde gemeldet gewesen seien. Die danach einzig verbleibende Option sei, über Landsleute, Freunde oder Makler eine Wohnung zu suchen. Diese prekäre Situation mache sie häufig zu Opfern von Betrug und Ausbeutung, da der Mietpreis meist auf das Doppelte oder Dreifache ansteige. Ohne finanzielle Unterstützung bleibe häufig die Obdachlosigkeit. Zwar könnten die Schutzberechtigten ausnahmsweise maximal sechs Monate nach Erlangung des Status in den Flüchtlingsunterkünften verbleiben, verbessere sich jedoch nicht die finanzielle Situation, sei dies nur eine „Gnadenfrist“. Angesichts dessen, dass derzeit kein nationales Integrationsprogramm bestehe, sei es praktisch unmöglich, soziale Rechte wahrzunehmen. Ohne Sprachkenntnisse und unterstützende Sozialarbeiter werde die Situation erschwert. Es sei zwar die ambitionierte Integrationsstrategie 2014 – 2020 aufgelegt worden, allerdings fehle es an der konkreten Umsetzung und Finanzierung. Mangels Meldeadresse scheide auch eine Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt aus, die zusätzlich durch fehlende Sprachkenntnisse und Dokumentation der beruflichen Qualifikation der Schutzberechtigten erschwert werde. Diese führe dazu, dass Schutzberechtigte häufig ohne Arbeitsvertrag zu einem Lohnniveau beschäftigt würden, dass sie weiterhin in einer existenzbedrohenden Armut leben müssten. Seit 2015 biete nur noch die Caritas Bulgariens finanziert durch den UNHCR Sprachkurse an, wobei das Angebot/die Kapazität vor dem Hintergrund der Anzahl der Schutzberechtigten völlig unzureichend sei. Ähnliches gelte für den Zugang zum bulgarischen Bildungssystem, die große Mehrheit minderjähriger Schutzberechtigter besuche die Schule faktisch nicht, da die Aufnahme die Ablegung eines Eignungstest voraussetze. Zum Zugang zur medizinischen Versorgung ergänzt ProAsyl, dass Voraussetzung sei, dass der selbst versicherte Schutzberechtigte auf einer „Patientenliste“ eines Hausarztes eingetragen sein müsse, um behandelt zu werden bzw. Rezepte und Überweisungen zu erhalten. Dies gestalte sich vor dem Hintergrund, dass Ärzte mit freien Listenplätzen oft nicht willens seien, diese aufnehmen, schwierig. Hierbei spielten Vorbehalte und Vorurteile eine Rolle, aber auch Erfahrungen mit der Weiterwanderung der Schutzberechtigten, da eine Streichung von der „Patientenliste“ einen erheblichen administrativen Aufwand mit sich bringe.
- 46
Zur Überzeugung des Gerichts lassen die aufgezeigten Defizite jedoch noch nicht den Schluss zu, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im oben genannten Sinne vorliegt. Art. 3 EMRK verpflichtet die Konventionsstaaten nicht etwa dazu, Schutzberechtigte finanziell zu unterstützen, um ihnen einen gewissen Lebensstandard einschließlich bestimmter Standards medizinischer Versorgung zu ermöglichen (vgl. EGMR, U. v. 21.01.2011 - 30969/09 -, juris dort Rdnr. 249); auch reicht die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten (vgl. EGMR, B. v. 02.04.2013 - 27725/10 -, juris). Art. 3 EMRK ist im Kern ein Abwehrrecht gegen unwürdiges Staatsverhalten im Sinne eines strukturellen Versagens bei dem durch ihn zu gewährenden angemessenen materiellen Mindestniveau und weniger ein individuelles Leistungsrecht einzelner Antragsteller auf bestimmte materielle Lebens- und Sozialbedingungen selbst (vgl. VG Düsseldorf, B. v. 15.04.2013 - 17 L 660/13.A -, juris Rn. 43, m.w.N.; VG Düsseldorf, B. v. 04.11.2014 – 17 L 2342/14.A –, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 29.01.2015 – 14 A 134/15.A). Anerkannte Flüchtlinge in Bulgarien müssen sich nach alledem auf den dort für alle bulgarischen Staatsangehörigen geltenden Lebensstandard verweisen lassen, auch wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entspricht (zu Italien: VG Düsseldorf, B. v. 17.07.2014 – 17 L 1018/14.A –, juris, m.w.N.). Dass einem anerkannten Flüchtling in Bulgarien hinsichtlich Aufenthalts, Freizügigkeit, Unterkunft, Zugang zu Arbeit und medizinischer Versorgung nicht dieselben Rechte wie bulgarischen Staatsangehörigen zustehen, ist nicht ersichtlich (so bereits VG Magdeburg, B. v. 03.12.2014 – 9 B 400/14 –, juris). Bulgarien verfügt – im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland – über kein ausdifferenziertes Sozialsystem, sondern ist durch eigenverantwortliches Verhalten eines jeden Einzelnen geprägt. Dementsprechend muss verlangt werden, dass der jeweilige Schutzberechtigte grundsätzlich Willens und in der Lage ist, sich den unbestreitbar schwierigen Bedingungen zu stellen und durch eine hohe Eigeninitiative seine Integration herbeizuführen, obgleich dies in der Bundesrepublik Deutschland wesentlich einfacher wäre. Nur dadurch kann der Eingliederungsprozess gelingen. Dabei ist er gehalten, seine sich nach den vorbezeichneten Vorschriften aufzeigenden Rechte selbstständig wahrzunehmen und durchzusetzen. Hilfe hierbei können die in Bugarien tätigen Flüchtlingsorganisationen und das sich bei der Rückkehr entwickelnde soziale Umfeld bieten. Ein alleinstehender Schutzberechtigter, ohne gesundheitliche Defizite, der nicht dem Personenkreis des Art. 20 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU angehört, hat sich dem schwierigen Integrationsprozess in Bulgarien zu stellen und diesen eigenverantwortlich zu fördern.
- 47
4.2.2. Die Kläger gehören jedoch einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe an, was dem Erlass der in Ziffer 2. des streitbefangenen Bescheids verfügten Abschiebungsanordnung entgegensteht. Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen (4.2.1.) kann es im Einzelfall aus individuellen, in der Person des Ausländers liegenden Gründen – wenn auch nur vorübergehend – geboten sein, von der Überstellung in den anderen Mitgliedstaat abzusehen. Anhaltspunkt für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls kann geben, ob der Ausländer eine Personen mit besonderen Bedürfnissen gemäß Art. 20 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU ist, wonach die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des Kapitels VII (Art. 20 bis 35 Richtlinie 2011/95/EU) die spezielle Situation von schutzbedürftigen Personen wie Minderjährigen, unbegleiteten Minderjährigen, Behinderten, älteren Menschen, Schwangeren, Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern, Opfern des Menschenhandels, Personen mit psychischen Störungen und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, zu berücksichtigen haben und der Ausländer nach einer Einzelfallprüfung (Art. 20 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU) entsprechend einzustufen ist (vgl. VG Düsseldorf, B. v. 17.07.2014 – 17 L 1018/14.A –, juris). Vergleichbares ergibt sich auch nach Art. 5 der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger – Richtlinie 2008/115/EG –, wonach bei der Umsetzung der Richtlinie die Mitgliedstaaten in gebührender Weise das Wohl des Kindes (lit. a), die familiären Bedingungen (lit. b), den Gesundheitszustand der betreffenden Drittstaatsangehörigen (lit. c) zu berücksichtigen und den Grundsatz der Nichtzurückweisung (Non-Refoulement-Prinzip) einzuhalten haben.
- 48
Beim Erlass der Abschiebungsanordnung hat die Beklagte nicht im Sinne von § 34a Abs. 1 AsylVfG berücksichtigt, dass der mittlerweile siebenjährige Kläger zu 2., der fünfjährige Kläger zu 3. sowie das am 16.06.2015 und damit im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens geborene dritte Kind des Klägers zu 1. und der Klägerin im Verfahren 9 A 401/14 MD als Minderjährige einer schutzbedürftigen Personengruppe nach § 20 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU bzw. Art. 5 lit. a und b Richtlinie 2008/115/EG angehören und nach der aktuellen Auskunftslage (s.o. UNHCR-Bericht von April 2014), die auch durch den Bericht von ProAsyl vom April 2015 ihre erneute Bestätigung gefunden hat, greifbare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine gesicherte Unterkunft der Familie bei ihrer Rückkehr nach Bulgarien nicht zur Verfügung steht.
- 49
Das Bundesverfassungsgericht hat im Nichtannahmebeschluss vom 17.09.2014 (2 BvR 1795/14, juris) klargestellt, dass auch bei bereits Schutzberechtigten bei der Rückführung in sichere Drittstaaten zu beachten ist, dass diese – anders als bei ihrer Rückführung in ihr Heimatland – regelmäßig weder auf verwandtschaftliche Hilfe noch auf ein soziales Netzwerk bei der Suche nach Unterkunft für die Zeit unmittelbar nach ihrer Rückkehr zurückgreifen können. Bestehen jedoch aufgrund von Berichten international anerkannter Flüchtlingsorganisationen oder des Auswärtigen Amtes belastbare Anhaltspunkte für das Bestehen von Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer im sicheren Drittstaat, hat die auf deutscher Seite für die Abschiebung zuständige Behörde dem angemessen Rechnung zu tragen. Bei Vorliegen einer solchen Auskunftslage hat die Beklagte angesichts der hier berührten hochrangigen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 GG und der bei der Durchführung von Überstellungen allgemein besonders zu beachtenden Gesichtspunkte der Familieneinheit und des Kindeswohls (vgl. etwa Erwägungsgrund 22 und Art. 14 Abs. 1 lit. a und b, Art. 5 Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger) jedenfalls bei der Abschiebung von Familien mit Neugeborenen und Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren in Abstimmung mit den Behörden des Zielstaats sicherzustellen, dass die Familie bei der Übergabe (wenigstens) eine gesicherte Unterkunft erhält, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren in dem genannten Sinne für diese in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 17.09.2014, a.a.O.). Das erkennende Gericht geht darüber hinaus davon aus, dass eine Abstimmung mit den Behörden des Zielstaates nicht nur bei Familien mit Neugeborenen und Kleinstkindern, sondern auch bei Familien mit Kindern jedenfalls bis zum Alter von 12 Jahren notwendig ist. Denn auch diese Altersgruppe ist im besonderen Maße auf ihre Eltern angewiesen und besitzt nicht die notwendige körperliche und persönliche Reife, die eine andere Sichtweise rechtfertigen würde.
- 50
Dies vor dem Hintergrund der nach der aktuellen Auskunftslage bestehenden Kapazitätsengpässe bei der Unterbringung von Schutzberechtigten in Bulgarien zugrunde gelegt (siehe obige Ausführungen unter 4.2.1.), hat die Beklagte in Abstimmung mit den bulgarischen Behörden Vorkehrungen für die Rückkehr der Familie zu treffen, die eine gesicherte Unterkunft einschließen. Dies ist bisher nicht geschehen. Das bisherige Vorbringen der Beklagten zugrunde gelegt, ist nicht erkennbar, dass sie bereits geeignete Maßnahmen in Zusammenarbeit mit den bulgarischen Behörden eingeleitet hat, zumal sie sich der besonderen Schutzbedürftigkeit der Personengruppe nicht hinreichend bewusst ist. Zwar hat die Beklagte über das Bundespolizeipräsidium in Koblenz unter dem 19.06.2015 eine Übernahmeerklärung der bulgarischen Behörden unter Verweis auf das hier für die Rückübernahme maßgebende bilaterale deutsch-bulgarische Abkommen über die Übernahme und Durchbeförderung von Personen (Rücknahmeabkommen) vom 07.03.2006 (BGBl. 2006 Teil II Nr. 8 Seite 259 ff.) erhalten und dem Gericht vorgelegt. Diese schließt jedoch weder das am 16.06.2015 geborene dritte Kind ein noch sind darin Ausführungen über die Unterbringung der Familie nach ihrer Rückkehr nach Bulgarien enthalten. Allein der Umstand, dass hinsichtlich der Kläger zu 2. und 3. den bulgarischen Behörden das Geburtsdatum, mithin deren Minderjährigkeit bekannt ist, genügt nach Auffassung des Gerichts nicht. Es bedarf darüber hinaus einer ausdrücklichen Erklärung, dass die gemeinsame Unterbringung der Familie nach der Rückkehr nach Bulgarien sichergestellt ist. Erst dann stehen dem Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG deshalb keine Rechtsgründe mehr entgegen, weil (nur) dann die Abschiebung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht alsbald (sobald i. S. des Gesetzes) möglich ist (vgl. OVG LSA, B. v. 03.09.2014 – 2 M 68/14 – juris).
- 51
Gleiches gilt, soweit nach der Auskunftslage Überwiegendes dafür spricht, dass den minderjährigen – schulpflichtigen bzw. in Kürze schulpflichtigen – Klägern zu 2. und 3. ein Zugang zur Bildung verwehrt bleibt, wenn ihre Teilnahmemöglichkeit an einem anerkannten Sprachkurs nicht sichergestellt wird. Allein die (erfolgreiche) Teilnahme an einem Sprachkurs ermöglicht schulpflichtigen Ausländern den Zugang zum bulgarischen Schulsystem (siehe obige Ausführungen unter 4.2.1.). Angesichts der unbestreitbar fehlenden Kapazitäten, dem Umstand, dass nicht ersichtlich ist, dass diese Integrationsvoraussetzung – nämlich die Möglichkeit des Erlangens der Sprachbefähigung für minderjährige Schutzberechtigte – zeitnah durch die Republik Bulgarien umgesetzt wird, und dem damit (derzeit) fehlenden Zugang zur Bildung, ist gleichsam eine Überstellung der Kläger ausgeschlossen. Auch insoweit bedarf es einer Garantieerklärung der bulgarischen Behörden, aus der sich jedenfalls ergibt, dass den Klägern zu 2. und 3. die Teilnahme an einem zertifizierten Sprachkurs ermöglicht wird oder aber auch ohne diese Teilnahme, der Zugang zum bulgarischen Schulsystem eröffnet ist.
- 52
5. Das Gericht weist ergänzend darauf hin, dass – nach der hier vertretenen Rechtsauffassung – der Erlass einer Abschiebungsandrohung nach § 34 Abs. 1 AsylVfG als solches das richtige Instrumentarium zur Rückführung der international Schutzberechtigter darstellt, wobei die obigen Erwägungen unter § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zu verorten wären und bei besonders schutzbedürftigen, sog. vulnerablen Personen zu einem Abschiebungshindernis führen können, weil diese dem Erlass einer Abschiebungsandrohung wegen § 34 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 3 AsylVfG entgegen stehen würde.
- 53
II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 83 b AsylVfG. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
- 54
III. Die Entscheidung über den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe beruht auf §§ 166 VwGO, 114 ff. ZPO.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 02. Sept. 2015 - 9 A 399/14
Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 02. Sept. 2015 - 9 A 399/14
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 02. Sept. 2015 - 9 A 399/14 zitiert oder wird zitiert von 22 Urteil(en).
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.
Tenor
I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungserfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist guineischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am 27. Juni 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 2. Juli 2013 die Anerkennung als Asylberechtigter.
3Er hat nach eigenen Angaben in der Befragung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 2. Juli 2013 und ausweislich der Abfrage des Bundesamtes in der Eurodac-Datenbank bereits am 6. Dezember 2012 in Belgien Asyl beantragt; der Antrag ist abgelehnt worden.
4Das Bundesamt richtete am 10. Dezember 2013 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin II-VO an Belgien. Die belgischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e Dublin II-VO.
5Mit Bescheid vom 16. Januar 2014, dem Kläger zugestellt am 23. Januar 2014, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Belgien an.
6Am 3. Februar 2014 hat der Kläger Klage erhoben.
7Er ist der Ansicht, das Selbsteintrittsrecht des Bundesamtes sei wegen einer unangemessen langen Dauer seines Asylverfahrens zur Selbtseintrittspflicht erstarkt.
8Ursprünglich hat der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 16. Januar 2014 zu verpflichten, das Asylverfahren durchzuführen.
9Nach einem entsprechenden Hinweis des Gerichts, beantragt er nunmehr,
10den Bescheid des Bundesamtes vom 16. Januar 2014 aufzuheben.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf die angefochtene Entscheidung des Bundesamtes. Überdies bestehe keine Selbsteintrittspflicht, da die dreimonatige Frist in Artikel 17 Dublin II-VO nur für Aufnahme- und nicht für Wiederaufnahmeersuchen gelte. Vorliegend handle es sich aber um ein Wiederaufnahmeersuchen, da der Kläger zuvor in Belgien einen Asylantrag gestellt habe.
14Am 5. März 2014 ist der Kläger nach Belgien überstellt worden.
15Die Beteiligten haben übereinstimmend am 9. April und 11. April 2014 auf mündliche Verhandlung verzichtet (Bl. 25 und Bl. 29 d. Gerichtsakte).
16Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Die Kammer konnte gemäß § 101 Absatz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) über die Klage ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierauf verzichtet haben.
19Der Kläger konnte sein ursprüngliches Verpflichtungsbegehren zu einer Anfechtungsklage umstellen, ohne dass es auf die Voraussetzungen für eine Klageänderung nach § 91 VwGO ankommt. Es handelt sich um eine nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 264 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zulässige Beschränkung des Klageantrags.
20Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 91, Rn. 9.
21Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist jedenfalls unbegründet.
22Die Anfechtungsklage ist statthaft (vgl. unter 1.). Der Kläger genießt ‑ trotz der Überstellung nach Belgien – Rechtsschutzbedürfnis (vgl. unter 2.). Ob die Klage in Ermangelung einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers unzulässig ist, kann offen bleiben (vgl. unter 3.).
231. Der Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage – gerichtet auf das Rechtsschutzziel, dass die Beklagte das Asylverfahren durchführt – bedarf es nicht. Statthafte Klageart ist allein die Anfechtungsklage gemäß § 42 Absatz 1, 1. Variante VwGO.
24Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheides vom 16. Januar 2014, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt hat. Gegen eine solche Unzulässigkeitsentscheidung ist ein isoliertes Aufhebungsbegehren statthaft. Die Entscheidungen nach § 27a und § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG stellen Verwaltungsakte im Sinne des § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) dar, deren isolierte Aufhebung – anders als in sonstigen Fällen eines Verpflichtungsbegehrens – ausnahmsweise zulässig ist, weil schon ihre Beseitigung grundsätzlich zur formellen und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages und damit zu dem erstrebten Rechtschutzziel führt. Denn das Bundesamt ist nach Aufhebung des Bescheides bereits gesetzlich verpflichtet, das Asylverfahren durchzuführen, §§ 31, 24 AsylVfG. Das Bundesamt hat sich in den Fällen des § 27a AsylVfG lediglich mit der – einer materiellen Prüfung des Asylbegehrens vorgelagerten – Frage befasst, welcher Staat nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Prüfung des Asylbegehrens des Klägers zuständig ist; eine Prüfung des Asylbegehrens ist in der Sache nicht erfolgt. Mit der Aufhebung des Bescheides wird ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens beseitigt, und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen.
25Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, juris, Rn. 28 ff.; Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, juris, Rn. 21 f.; VG Köln, Urteil vom 27. Mai 2014 – 2 K 2273/13.A –, juris, Rn. 14; VG München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 15 m.w.N.; VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 19; VG Düsseldorf, Urteil vom 26. April 2013 – 17 K 1777/12.A –, juris, Rn. 14 und Urteil vom 15. Januar 2010, 11 K 8136/09.A, S. 4; VG Hamburg, Urteil vom 15. März 2012, 10 A 227/11, juris, Rn. 16; VG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 2. Februar 2012 – A 4 K 2203/11 –, juris, Rn. 2; VG Weimar, Urteil vom 23. November 2011 – 5 K 20196/10 –, juris, S. 5; VG Trier, Urteil vom 18. Mai 2011, 5 K 198/11.TR, juris, Rn. 16; VG Karlsruhe, Urteil vom 3. März 2010, A 4 K 4052/08, S. 4; VG Ansbach, Urteil vom 16. September 2009 – AN 11 K 09.30200 –, juris, Rn. 22; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: 101. Erg.lieferg. Juni 2014, § 27a Rn. 21, § 34a Rn. 64 f.
26Diese Verfahrenssituation ist vergleichbar mit derjenigen, die im Falle der Einstellung des Asylverfahrens wegen Nichtbetreibens nach den §§ 33, 32 AsylVfG entsteht. In letzterer Konstellation ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Anfechtungsklage allein gegen den Einstellungsbescheid des Bundesamtes statthaft. Mit der Aufhebung des Einstellungsbescheids wird nämlich ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens beseitigt und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen.
27Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15 ff.
28Ergänzend hierzu weist das Gericht – ohne dass es vorliegend darauf ankäme – auf Folgendes hin: Eine Verpflichtungsklage, die unmittelbar auf die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylVfG oder aber – hilfsweise – die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylVfG und die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) gerichtet ist, scheidet ebenso aus. Denn eine Verpflichtung für das Gericht, die Sache selbst spruchreif zu machen, besteht nur dann, wenn ein „mit seinem Asylantrag beim Bundesamt erfolglos gebliebener Ausländer“ den Klageweg beschreitet.
29BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1998 – 9 C 45.97 – BVerwGE 107, 128 ff. = juris, Rn. 10.
30Zwar ist bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsakts regelmäßig die dem Rechtsschutzbegehren des Klägers allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart mit der Konsequenz, dass das Gericht die Sache spruchreif zu machen hat und sich nicht auf eine Entscheidung über die Anfechtungsklage beschränken darf, die im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15.
32Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz kann jedoch auf behördliche Entscheidungen, die – wie hier – auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, keine Anwendung finden. Denn im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig mangels Zuständigkeit ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde noch gar nicht geprüft worden. Wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen und durchzuentscheiden, ginge dem Kläger eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Das gilt sowohl für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Absatz 1 Satz 3 AsylVfG) als auch zur umfassenden Sachaufklärung sowie der Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Absatz 2 AsylVfG in Verbindung mit § 87b Absatz 3 VwGO vorgesehen ist. Im Übrigen führte ein Durchentscheiden des Gerichts im Ergebnis dazu, dass das Gericht nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Behörde selbst entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung aus Artikel 20 Absatz 2 Grundgesetz (GG) zumindest bedenklich wäre.
33VG München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 17 f.; VG Hamburg, Urteil vom 23. April 2014 – 10 A 1242/12 –, juris, Rn. 19; VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 20; VG Hannover, Urteil vom 7. November 2013 – 2 A 4696/12 –, juris, Rn. 20; VG Hamburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – 10 A 581/13 –, juris, Rn. 18; VG Düsseldorf, Urteil vom 26. April 2013 – 17 K 1777/12.A –, juris, Rn. 18 und Urteil vom 19. März 2013 – 6 K 2643/12.A –, juris, Rn. 16; VG Gießen, Urteil vom 24. Januar 2013 – 6 K 1329/12.GI.A –, juris, Rn. 16 f.; VG Stuttgart, Urteil vom 20. September 2012 – A 11 K 2519/12 –, juris, Rn. 15; VG Hamburg, Urteil vom 15. März 2012, 10 A 227/11, juris, Rn. 16; VG Karlsruhe, Urteil vom 3. März 2010, A 4 K 4052/08, S 5; vgl. zum vergleichbaren Fall der Verfahrenseinstellung nach § 33 AsylVfG: BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 – 9 C 264.94 –, juris, Rn. 15 ff.
34Überdies würden die vom Gesetzgeber im Bemühen um Verfahrensbeschleunigung dem Bundesamt zugewiesenen Gestaltungsmöglichkeiten unterlaufen, wenn eine Verpflichtung des Gerichts zur Spruchreifmachung und damit zum „Durchentscheiden“ bestünde. Gelangt das Bundesamt nämlich nach sachlicher Prüfung des Asylbegehrens zu dem Ergebnis, das Begehren sei gemäß §§ 29a, 30 AsylVfG offensichtlich unbegründet, so bestimmt § 36 AsylVfG das weitere Verfahren und sieht eine starke Beschleunigung der gerichtlichen Kontrolle und ggf. eine kurzfristige Beendigung des Aufenthalts des Klägers vor. Eine vergleichbare Möglichkeit steht dem Gericht nicht zu. Stellt sich nämlich das Asylbegehren nach gerichtlicher Prüfung als schlicht unbegründet dar, bemisst § 38 Absatz 1 AsylVfG die Ausreisefrist auf 30 Tage. Allerdings müsste sie, da sie nicht vom Gericht ausgesprochen werden kann, nachträglich von der Behörde festgesetzt werden, was im Widerspruch zu dem Beschleunigungsgedanken des Asylverfahrensgesetzes stünde.
35VG München, Gerichtsbescheid vom 21. Mai 2014 – M 21 K 14.30286 –, juris, Rn. 16.
36Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Bescheides ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren von ihr in der Sache zu prüfen.
372. Die Klage ist im Übrigen zulässig. Obschon der Kläger am 5. März 2014 nach Belgien überstellt worden ist, fehlt ihm nicht das Rechtschutzbedürfnis. Weder die Unzulässigkeitserklärung des Asylantrags (Ziffer 1 des Bescheides) noch die Abschiebungsanordnung (Ziffer 2 des Bescheides) haben sich durch die Überstellung nach Belgien erledigt.
38VG München, Urteil vom 31. Oktober 2013 – M 12 K 13.30730 –, juris, Rn. 24; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 2. April 2013 – 19a K 878/11.A –, juris, Rn. 22; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: 101. Erg.lieferg. Juni 2014, § 34a Rn. 70; Pietzch, in: Kluth/Heusch, Beck ´scher Online Kommentar zum Ausländerrecht, Stand: 1. März 2014, § 34a AsylVfG, Rn. 29.
39Nach § 43 Absatz 2 VwVfG bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Erledigung in anderer Weise im Sinne dieser Vorschrift tritt ein, wenn die mit dem Verwaltungsakt verbundene rechtliche oder sachliche Beschwer nachträglich weggefallen ist.
40Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 113, Rn. 102 m.w.N.
41Dies ist jedenfalls solange nicht der Fall, wie der mit einer behördlichen Maßnahme erstrebte Erfolg noch nicht endgültig eingetreten ist. Der zwangsweise Vollzug eines Verwaltungsakts führt nicht stets schon für sich genommen zu einer Zweckerreichung. Im vorliegenden Fall entfalten sowohl die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig, als auch die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamts vom 16. Januar 2014 insoweit noch Regelungswirkung, als sie nach wie vor die Rechtsgrundlage für die Abschiebung des Klägers nach Belgien bildet.
42Gegen die in der Rechtsprechung zum Teil vertretene Gegenauffassung,
43vgl. VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 26 ff.; VG Ansbach, Urteil vom 16. September 2009 – AN 11 K 09.30200 –, juris, Rn. 23; VG München, Urteil vom 2. Juli 2012 – M 15 K 12.30110 –, juris, Rn. 15,
44spricht bereits die Regelung über den Folgeantrag nach § 71 Absatz 5 Satz 1, Absatz 6 Satz 1 AsylVfG, wonach es im Fall der Ablehnung eines Folgeantrags keiner erneuten Abschiebungsanordnung bedarf, um den Aufenthalt des Ausländers, der zwischenzeitlich das Bundesgebiet verlassen hatte, zu beenden. Zudem wäre es einer effektiven Durchsetzung der (sofort) vollziehbaren Abschiebungsanordnung hinderlich, wenn sich deren Wirkungen verbrauchen würden, sobald der Ausländer auch nur für einen kurzen Moment in dem aufnehmenden Staat aufhältig gewesen und sodann unverzüglich wieder in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist.
45Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: 101. Erg.lieferg. Juni 2014, § 34a Rn. 70; Pietzch, in: Kluth/Heusch, Beck´scher Online Kommentar zum Ausländerrecht, Stand: 1. März 2014, § 34a AsylVfG, Rn. 29.
46Für diese Ansicht spricht ebenso die in Artikel 29 Absatz 3 Dublin III-VO enthaltene Regelung, wonach der Mitgliedstaat, der die Überstellung durchgeführt hat, die überstellte Person unverzüglich wieder aufnehmen muss, wenn sie irrtümlich überstellt wurde oder einem Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung oder der Überprüfung einer Überstellung nach Vollzug der Überstellung stattgegeben wird.
47Schließlich würde es dem Sinn und Zweck des Rechtsbehelfs widersprechen, wenn durch die Überstellung eine Erledigung der Hauptsache eintreten würde, denn damit würde der Rechtsbehelf, dem vorliegend sowohl nach Artikel 19 Absatz 2 Satz 4 Dublin II-VO keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung als auch nach nationalem Recht nach § 75 Absatz 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung zukommt völlig nutzlos.
48VG München, Urteil vom 31. Oktober 2013 – M 12 K 13.30730 –, juris, Rn. 24.
49Ebenso wenig lässt sich allein aus der fehlenden Erreichbarkeit des Klägers infolge seiner Überstellung schlussfolgern, dass er kein Interesse mehr am Ausgang des Verfahrens hat.
50Ortloff/Riese, in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Band II, Stand: 25. Erg.lieferg. April 2013, § 82, Rn. 4b m.w.N.; A.A.: VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 25.
51Für diese Vermutung besteht zumindest dann, wenn sich der Ausländer anwaltlich vertreten lassen hat und der Prozessbevollmächtigte das Verfahren für ihn weiterführen kann und auch weiterführen will, keine tragfähige Grundlage. Vielmehr ist insoweit zu berücksichtigen, dass eine Überstellung – anders als ein Untertauchen – nicht freiwillig seitens des Ausländers erfolgt und dieser trotz dessen am Ausgang des Verfahrens interessiert bleiben dürfte. Denn wenn er schon eine Überstellung in den – jedenfalls aus Sicht des Bundesamtes zuständigen Mitgliedstaat zu verhindern sucht – so wird er nach der erfolgten Überstellung in der Regel zumindest noch an einer Rückkehr in die Bundesrepublik – infolge einer erfolgreichen Klage – interessiert sein.
523. Ob die Klage mangels ladungsfähiger Anschrift des Klägers nach § 82 Absatz 1 Satz 1 VwGO unzulässig ist,
53vgl. VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 24; VG Weimar, Urteil vom 23. November 2011 – 5 K 20196/10 –, juris, S. 4,
54oder infolge der Überstellung des Klägers nach Belgien ausnahmsweise – mit Blick auf den in Artikel 19 Absatz 4 GG verankerten Grundsatz effektiven Rechtschutzes – die Möglichkeit der Zustellung an die Anschrift seiner Prozessbevollmächtigten genügt, kann dahingestellt bleiben, da es jedenfalls an ihrer Begründetheit fehlt. Das Gericht hält es aber zumindest für nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall infolge der Überstellung unüberwindliche oder schwer zu beseitigende Schwierigkeiten hinsichtlich der Übermittlung einer ladungsfähigen Anschrift eintreten können.
55II. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 16. Januar 2014 ist zu dem für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. § 77 Absatz 1 AsylVfG) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
56Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und auf der Grundlage des § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung des Klägers nach Belgien angeordnet. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Beklagte den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG).
57Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO). Diese findet auf den Asylantrag des Klägers Anwendung, obwohl gemäß § 77 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. bei Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung – wie hier – auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist und die Nachfolgevorschrift der Dublin II-VO, die Dublin III-VO, bereits am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Denn gemäß Artikel 49 Absatz 2 Satz 2 Dublin III-VO bleibt die Dublin II-VO anwendbar für Asylanträge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Anderes gilt allenfalls im Falle von Gesuchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (Artikel 49 Absatz 2 Satz 1 Dublin III-VO), was hier jedoch nicht der Fall ist,
58vgl. bereits VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 12. Februar 2014 – 13 L 2428/13.A –, juris, Rn. 13 und vom 8. Mai 2014 – 13 L 126/14.A –, juris, Rn. 11.
59Nach den Vorschriften der Dublin II-VO ist Belgien der zuständige Staat für die Prüfung des durch den Kläger gestellten Asylantrags. Der Kläger hat nach seinen eigenen Angaben in der Befragung durch das Bundesamt vom 2. Juli 2013 und ausweislich der Abfrage des Bundesamtes in der Eurodac-Datenbank bereits zuvor in Belgien einen Asylantrag gestellt. Belgien hat auf das am 10. Dezember 2013 vom Bundesamt gestellte Ersuchen um Wiederaufnahme des Klägers nach Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe e Dublin II-VO bereits am 17. Dezember 2013, und damit innerhalb der nach Artikel 20 Absatz 1 Satz 1 Dublin II-VO im Falle eines Eurodac-Treffers maßgeblichen Frist von 2 Wochen nach Stellung des Wiederaufnahmeersuchens, seine Zuständigkeit für den Asylantrag des Klägers erklärt. Belgien ist daher gemäß Artikel 20 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe d Dublin II-VO grundsätzlich verpflichtet, den Kläger innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem es die Wiederaufnahme akzeptiert hat, bzw. innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Die Überstellung nach Belgien – am 5. März 2014 – ist danach fristgerecht erfolgt.
60Der Überstellung nach Belgien steht entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht entgegen, dass zwischen der Antragstellung am 2. Juli 2013 und der Stellung des Übernahmeersuchens am 10. Dezember 2013 fünf Monate vergangen sind. Fristvorgaben enthält die Dublin II-VO insoweit allein für Aufnahmeersuchen (Artikel 17 Absatz 1 Dublin II-VO), also Ersuchen, die darauf gerichtet sind, dass der erstmalige Asylantrag von einem anderen Mitgliedstaat geprüft werde. Wird wie hier nach der Stellung eines Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat (Belgien) ein weiterer Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt und ersucht die Beklagte daraufhin den Staat der ersten Asylantragstellung um Übernahme des Asylbewerbers, handelt es sich um ein Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO, das nicht der Fristregelung des Artikel 17 Dublin II-VO unterfällt,
61vgl. VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 6. Februar 2013 – 17 L 150/13.A –, juris, Rn. 40 und vom 8. Mai 2014 – 13 L 126/14.A –, juris, Rn. 14; VG Regensburg, Beschluss vom 5. Juli 2013 – RN 5 S 13.30273 –, juris, Rn. 24; VG Berlin, Beschluss vom 7. Oktober 2013 – 33 L 403.13 A –, juris, Rn. 8.
62Es liegt auch kein Fall vor, in dem es zum Schutz der Grundrechte des Klägers aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer der Beklagten verwehrt ist, sich auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat der an sich nach der Dublin II-VO unzuständige Mitgliedstaat darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO selbst prüfen,
63EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 108.
64Diese Vorgabe ist nach Auffassung des Gerichts auch bei Wiederaufnahmeersuchen nach Artikel 20 Dublin II-VO zu beachten, auch wenn sich der Europäische Gerichtshof im konkreten Verfahren allein auf ein Aufnahmeersuchen nach Erstantragstellung im unzuständigen Mitgliedstaat bezog. Denn die grundrechtliche Belastung, welche durch die unangemessen lange Verfahrensdauer entsteht, dürfte in beiden Fällen vergleichbar sein,
65vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Mai 2014 – 13 L 126/14.A –, juris, Rn. 18; VG Göttingen, Beschluss vom 11. Oktober 2013 – 2 B 806/13 –, juris, Rn. 10; A. A. VG Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 2013 – 33 L 450.13 A –, juris, Rn. 8.
66Anhaltspunkte, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, hat der Europäische Gerichtshof nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichts ist insoweit aber zunächst zu berücksichtigen, dass schon die Regelung des Artikel 17 Dublin II-VO für Aufnahmeersuchen und nunmehr auch Artikel 23 Absatz 2 Dublin III-VO für Wiederaufnahmeersuchen eine regelmäßige Frist von zwei bzw. drei Monaten vorsieht. Deren Überschreiten kann dabei nicht gleichgesetzt werden mit der vom Europäischen Gerichtshof angesprochenen, die Grundrechte des Asylbewerbers beeinträchtigenden unangemessen langen Verfahrensdauer. Der gesetzlichen Wertung des § 24 Absatz 4 AsylVfG folgend geht das Gericht davon aus, dass frühestens nach dem Verstreichen eines Zeitraums, der der regelmäßigen Frist des Artikel 17 Dublin II-VO von drei Monaten zuzüglich der durch § 24 Absatz 4 AsylVfG für die innerstaatlich für die Entscheidung über den Asylantrag im Regelfall vorgesehenen Frist von sechs Monaten, also insgesamt von neun Monaten, entspricht, von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann,
67vgl. VG Düsseldorf Beschlüsse vom 26. Februar 2014 – 13 L 396/14.A –, vom 31. März 2014 – 13 L 119/14 – und vom 8. Mai 2014 – 13 L 126/14.A –, alle juris und NRWE.
68Hier sind seit der Asylantragstellung am 2. Juli 2013 bis zur Stellung des Übernahmeersuchens am 10. Dezember 2013 noch keine sechs Monate verstrichen, sodass unter keinen Umständen eine unangemessen lange Verfahrensdauer gegeben ist.
69Die Beklagte ist auch nicht deswegen an der Überstellung des Klägers nach Belgien gehindert (gewesen) und zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Artikel 3 Absatz 2 Dublin II-VO verpflichtet, weil das belgische Asylsystem systemische Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs aufweist,
70EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413.
71Solche Mängel bestehen mit Blick auf Belgien nicht.
72Vgl. mit ausführlicher Begründung VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Februar 2014 – 13 L 2685/13.A –, juris und www.NRWE.de.
73Der Kläger hat solche auch nicht vorgetragen.
74Auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach § 34a Absatz 1 AsylVfG bestehen keine Bedenken.
75Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1 VwGO. Die Nichterhebung von Gerichtskosten ergibt sich aus § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert folgt aus § 30 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
76Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
Entscheidungsgründe
| |||||
| |||||
|
| ||||
|
| ||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
|
| ||||
|
Gründe
| |||||
| |||||
|
| ||||
|
| ||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
| |||||
|
| ||||
|
Tatbestand
- 1
-
Der Kläger begehrt nach rechtskräftiger Einstellung seines Asylverfahrens gemäß §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) die Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz nach § 4 AsylVfG (n.F.) und die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (n.F.). Ferner begehrt er die Aufhebung der gegen ihn mit Bescheid vom 18. Oktober 2010 verfügten Abschiebungsandrohung.
- 2
-
Der Kläger stellte Ende Mai 2010 einen Asylantrag und gab in einer Niederschrift dazu am 25. Juni 2010 an, er sei somalischer Staatsangehöriger, am 31. Dezember 1991 in Buulobarde geboren und am 24. Mai 2010 nach Deutschland eingereist. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - nahm ihm Fingerabdrücke zur Identitätsfeststellung ab. Mit Schreiben vom 23. August 2010 wies es den Kläger darauf hin, dass seine Fingerkuppen beschädigt und seine Fingerabdrücke daher nicht auswertbar seien. Dies begründe den Verdacht, dass er zu der ihm gesetzlich obliegenden Mitwirkung an der Überprüfung seiner Identität nicht bereit sei. Er werde daher aufgefordert, sein Asylverfahren dadurch zu betreiben, dass er zum einen binnen eines Monats in der Außenstelle des Bundesamts erscheine und sich "auswertbare Fingerabdrücke" abnehmen lasse. Zum anderen solle er schriftlich darlegen, in welchen Staaten er sich nach dem Verlassen seines Herkunftslandes aufgehalten habe, ob er dort bereits einen Asylantrag gestellt habe und dieser ggf. abgelehnt worden sei. Gleichzeitig wurde er unter Bezugnahme auf § 33 AsylVfG (a.F.) darauf hingewiesen, dass sein Asylantrag als zurückgenommen gelte, wenn er das Verfahren länger als einen Monat nicht betreibe und in diesem Fall über das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 7 AufenthG (a.F.) nach Aktenlage zu entscheiden sei. Der Kläger hat sich in einem weiteren Termin Fingerabdrücke abnehmen lassen, die wiederum nicht verwertbar waren.
- 3
-
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 18. Oktober 2010 fest, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt und das Asylverfahren eingestellt ist (Ziffer 1). Weiter wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a.F.) nicht vorliegen (Ziffer 2). Schließlich wurde der Kläger unter Androhung der Abschiebung in "den Herkunftsstaat" aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen (Ziffer 3). Das Bundesamt hat den Bescheid im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Kläger der Betreibensaufforderung nicht nachgekommen sei. Er habe weder verwertbare Fingerabdrücke abgegeben noch die angeforderten schriftlichen Angaben zum Reiseweg und zu etwaigen früheren Asylverfahren gemacht. Die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a.F.) scheitere bereits daran, dass für den Kläger kein Herkunftsland habe festgestellt werden können. Der Kläger hat mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 29. Oktober 2010 Angaben zu seinem Reiseweg nach Deutschland gemacht und erklärt, dass er Asylanträge mit Ausnahme des verfahrensgegenständlichen nicht gestellt habe. Allerdings kam er während des von ihm eingeleiteten Klageverfahrens einer erneuten Aufforderung zur erkennungsdienstlichen Behandlung im November 2011 nicht nach.
- 4
-
Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des Bundesamts aufgehoben. lm Berufungsverfahren erklärte der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof, er hebe Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids auf, weil er sich nicht in der Lage sehe, eine positive Feststellung zu treffen, dass Abschiebungsverbote, wohin auch immer, bestehen.
- 5
-
Der Verwaltungsgerichtshof hat das erstinstanzliche Urteil geändert, soweit es die Einstellung des Verfahrens gemäß Ziffer 1 des Bescheids vom 18. Oktober 2010 betrifft, weil er die Voraussetzungen der §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) als erfüllt angesehen hat. Dabei hat er sich maßgeblich auf die Tatsache gestützt, dass der Kläger der Ladung zu einer erneuten erkennungsdienstlichen Behandlung im November 2011 nicht gefolgt ist und damit sein Asylverfahren nicht betrieben hat. Insoweit ist das Urteil rechtskräftig. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beklagte aber zugleich entsprechend dem Hilfsantrag des Klägers verpflichtet, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (a.F.) hinsichtlich Somalia festzustellen, und die Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 des Bescheids vom 18. Oktober 2010 aufgehoben. Dies hat er im Wesentlichen wie folgt begründet: Nach dem übermittelten Akteninhalt und dem bisherigen Vorbringen des Klägers sowie den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Auskünften und Stellungnahmen bestünden keine begründeten Zweifel, dass der Kläger aus Somalia stamme. Das Bundesamt hätte nach Aktenlage entscheiden müssen, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 bis 5, Abs. 7 AufenthG (a.F.) vorliege. Einer Entscheidung habe es sich nicht unter Hinweis auf die nicht feststehende Identität des Klägers entziehen dürfen. Der Kläger habe bereits am 25. Juni 2010 Angaben zu seinem Herkunftsland, Geburtstag, Geburtsort und zu seiner Religion gemacht und sich dadurch als Asylbewerber aus Somalia zu erkennen gegeben. Darüber hinaus habe er mit Anwaltschreiben vom 29. Oktober 2010 gegenüber dem Bundesamt Angaben zu seinem Reiseweg gemacht und vorgetragen, Asylanträge mit Ausnahme des verfahrensgegenständlichen nicht gestellt zu haben. Diesen Angaben sei das Bundesamt nicht nachgegangen und habe den Kläger hierzu auch nicht persönlich angehört.
- 6
-
Der Kläger könne die Feststellung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz beanspruchen, weil in zentralen Regionen Somalias ein Bürgerkrieg herrsche, der zu permanenten Gefährdungen der dort ansässigen Bevölkerung führe. Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sei jedenfalls insoweit aufzuheben, als dem Kläger die Abschiebung in sein "Herkunftsland", hier Somalia, angedroht werde.
- 7
-
Die Beklagte rügt mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, der Verwaltungsgerichtshof habe keine ausreichenden Feststellungen zu den Voraussetzungen eines unionsrechtlichen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (a.F.) (jetzt: subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylVfG
) getroffen, insbesondere im Hinblick auf das Bestehen einer Kriegslage in der Heimatregion des Klägers und die erforderliche Gefahrendichte für ein Schadensrisiko für alle am Ort Aufhältigen. Davon unabhängig dürfe das Bundesamt nicht zur Feststellung von Abschiebungsverboten verpflichtet werden, wenn nicht feststehe, welches der Herkunftsstaat des Klägers sei und ob ihm schon ein anderer Staat internationalen Schutz gewährt habe. Im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems sei vorrangig zu klären, welcher Mitgliedstaat für die Prüfung des Schutzbegehrens überhaupt zuständig sei. Sei dem Kläger in einem anderen Mitgliedstaat bereits internationaler Schutz versagt worden, könne er in Deutschland nicht erneut die Prüfung der Voraussetzungen für den internationalen Schutzstatus verlangen. Entsprechendes gelte, wenn ihm von einem anderen Mitgliedstaat internationaler Schutz gewährt worden sei. Sei ihm derartiger Schutz bereits gewährt worden, bestehe auch kein Sachentscheidungsinteresse an der Feststellung nationaler Abschiebungsverbote. Hierzu könnten auch keine Feststellungen getroffen werden, weil der Herkunftsstaat des Klägers nicht feststehe.
- 8
-
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht vertritt die Auffassung, nach Inkrafttreten der Neuregelung des Asylverfahrensgesetzes zum 1. Dezember 2013 habe das Bundesamt gemäß § 32 AsylVfG nur noch über nationalen Abschiebungsschutz zu entscheiden, hingegen nicht mehr über unionsrechtlichen subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG. Über nationale Abschiebungsverbote könne nur dann entschieden werden, wenn ein Zielstaat für die Abschiebung bekannt sei. Das sei hier nicht der Fall. Dem Kläger fehle hierfür das Sachbescheidungsinteresse.
Entscheidungsgründe
- 9
-
Die zulässige Revision der Beklagten hat Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen für das Vorliegen von unionsrechtlichem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (a.F.) mit einer Begründung bejaht, die Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 VwGO). Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen im Berufungsurteil zu den Voraussetzungen des sich nunmehr nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) bestimmenden subsidiären Schutzes kann der Senat weder zugunsten noch zulasten des Klägers selbst abschließend entscheiden. Daher ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
- 10
-
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens ist grundsätzlich das Asylverfahrensgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl I S. 1798) und das Aufenthaltsgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), beide zuletzt geändert durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl I S. 3474). Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, wenn sie das Berufungsgericht, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte (vgl. Urteil vom 11. September 2007 - BVerwG 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 = Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 30, jeweils Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylverfahrensrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylVfG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die neue Rechtslage zugrunde legen, soweit hiervon keine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist.
- 11
-
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nach Inkrafttreten der Änderungen des Asylverfahrensgesetzes und des Aufenthaltsgesetzes zum 1. Dezember 2013 das Begehren des Klägers auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.), hilfsweise die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (n.F.), sowie die Aufhebung der gegen den Kläger in Ziffer 3 des Bescheids vom 18. Oktober 2010 verfügten Abschiebungsandrohung in sein Herkunftsland. Hierfür hat der Kläger das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Denn er gibt an, somalischer Staatsangehöriger zu sein und aufgrund der ihm in Somalia drohenden Gefahren die Voraussetzungen für die Gewährung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz und von nationalem Abschiebungsschutz zu erfüllen.
- 12
-
Dem Begehren des Klägers auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) steht die Einstellung des Verfahrens gemäß Ziffer 1 des Bescheids vom 18. Oktober 2010 nicht entgegen. Zwar erfasst eine Einstellungsentscheidung nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG in der seit dem 1. Dezember 2013 geltenden Fassung nicht allein - wie bisher - die Flüchtlingseigenschaft, sondern auch den unionsrechtlichen subsidiären Schutz. Die gesetzliche Neuregelung findet aber auf die streitgegenständliche Einstellungsentscheidung in Ziffer 1 des Bescheids vom 18. Oktober 2010, die vor Inkrafttreten der Neuregelung erlassen wurde, keine Anwendung. Denn die Einstellungsentscheidung aus dem Jahr 2010 bezieht sich nur auf das Verfahren der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, nicht hingegen auf die erst in Ziffer 2 des Bescheids getroffene Entscheidung zum unionsrechtlichen subsidiären Schutz und nationalen Abschiebungsschutz. Würde man dem Einstellungsbescheid eine über dessen Inhalt hinausreichende Bedeutung beimessen, wie das der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht schriftsätzlich vertreten hat, käme der gesetzlichen Neuregelung eine echte Rückwirkung zu, die mit der Rechtsordnung nicht zu vereinbaren wäre. Der Kläger kann sein Begehren auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz daher weiterhin verfolgen, das allerdings nunmehr auf Zuerkennung der Rechtsstellung nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) gerichtet ist. Das fortbestehende Rechtsschutzbedürfnis des Klägers an einer Entscheidung über die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz ergibt sich für den Fall der Versagung unionsrechtlichen Schutzes nunmehr aus § 32 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (n.F.).
- 13
-
2. Die Beklagte ist verpflichtet zu prüfen, ob der Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) - hilfsweise für die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz - erfüllt. Dem steht die unionsrechtliche Zuständigkeitsregelung für die Prüfung von Asylanträgen nach der Dublin-Verordnung nicht entgegen. Maßgeblich ist im vorliegenden Fall die Dublin-Verordnung vom 18. Februar 2003 (Verordnung
Nr. 343/2003, ABl EG Nr. L 180 S. 1) - Dublin-II-VO. Denn die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU Nr. L 180 S. 31) - Dublin-III-VO - ist nach ihrem Art. 49 nur auf Anträge zur Erlangung internationalen Schutzes anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten, also ab dem 1. Januar 2014, gestellt werden. Hier wurde der Asylantrag aber schon im Mai 2010 gestellt.
- 14
-
Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der Dublin-II-VO wird ein Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats stellt, von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat zu bestimmen ist. Der Zuständigkeit Deutschlands für die Prüfung des Begehrens auf Gewährung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz können die Regelungen der Dublin-II-VO schon deshalb nicht entgegenstehen, weil sich die Verordnung nur auf das Verfahren der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bezieht (vgl. die Definition des "Asylantrags" in Art. 2 Buchst. c Dublin-II-VO). Erst nach der hier noch nicht anwendbaren Dublin-III-VO umfasst ein Asylantrag auch das Begehren auf Zuerkennung des unionsrechtlichen subsidiären Schutzes (vgl. Art. 2 Buchst. b Dublin-III-VO). Der Entscheidung über die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz stehen die unionsrechtlichen Regelungen des Dublin-Verfahrens schon deshalb nicht entgegen, da sich diese nur auf die Gewährung internationalen Schutzes beziehen, nicht hingegen auf zusätzliche nationale Abschiebungsverbote.
- 15
-
3. Die Beklagte darf eine Sachentscheidung über den begehrten subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) - hilfsweise nationalen Abschiebungsschutz - auch nicht deshalb verwehren, weil aufgrund der fehlenden Identitätsklärung nicht auszuschließen ist, dass dem Kläger der begehrte Schutz in einem anderen EU-Mitgliedstaat bereits verweigert oder gewährt wurde. Die Beklagte beruft sich für den Fall, dass ein anderer EU-Mitgliedstaat unionsrechtlichen subsidiären Schutz bereits abgelehnt hat, darauf, dass die Dublin-III-VO einer erneuten Sachentscheidung deutscher Behörden entgegenstehen könnte. Die Dublin-III-VO ist jedoch - wie bereits dargelegt - im vorliegenden Fall gar nicht anwendbar, die hier maßgebliche Dublin-II-VO erfasst den subsidiären Schutz hingegen nicht.
- 16
-
Hingegen kann einem Asylbewerber das Sachbescheidungsinteresse für eine Entscheidung über die Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) und für die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz in Deutschland fehlen, wenn ihm ein anderer EU-Mitgliedstaat bereits die Flüchtlingseigenschaft oder unionsrechtlichen subsidiären Schutz zuerkannt hat. Im vorliegenden Fall steht aber nicht fest, ob dem Kläger bereits internationaler Schutz gewährt wurde. Auch wenn der Kläger durch Verweigerung der Mitwirkung an seiner Identitätsklärung einen Beitrag dazu geleistet hat, die Klärung dieser Frage zu erschweren, rechtfertigt das keine Abweichung von der in §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) normierten und nach neuem Recht fortbestehenden gesetzlichen Verpflichtung, über den Antrag des Klägers auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz, hilfsweise auf Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz, in der Sache zu entscheiden. Es kann hier offenbleiben, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen gesetzliche Regelungen über einen Voraufenthalt in einem sicheren Drittstaat einer Sachentscheidung über das Begehren des Klägers entgegenstehen. Denn es steht schon nicht fest, dass der Kläger die danach erforderliche Sicherheit in einem anderen Staat erlangt hat.
- 17
-
4. Ist die Beklagte danach zu einer Sachentscheidung über das Begehren des Klägers verpflichtet, hat sie das Berufungsgericht jedoch zur Feststellung der Voraussetzungen für das Vorliegen von unionsrechtlichem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (a.F.) (heute: unionsrechtlicher subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG
) mit einer Begründung verpflichtet, die in zweifacher Hinsicht Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 VwGO).
- 18
-
a) Der Verwaltungsgerichtshof hat die Feststellung, dass der Kläger aus Somalia stammt, auf zu schmaler Tatsachengrundlage getroffen. Das verstößt gegen Bundesrecht (vgl. dazu Urteil vom 19. Juli 2012 - BVerwG 10 C 2.12 - BVerwGE 143, 369 = Buchholz 402.242 § 28 AufenthG Nr. 4, jeweils Rn. 13; Urteil vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200, 210 ff. = Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 174 S. 21<28 ff.>). Beruht die Beweiswürdigung des Gerichts auf einer unvollständigen Tatsachengrundlage, stellt dies einen materiellen Rechtsverstoß dar (Urteil vom 5. Juli 1994 a.a.O. S. 213 bzw. 30).
- 19
-
Die Feststellung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (a.F.) setzt voraus, dass dem Ausländer in seinem Herkunftsland die in der Vorschrift näher beschriebene Gefahr droht. Das Abstellen auf das Herkunftsland (Land der Staatsangehörigkeit des Ausländers) ergibt sich für die zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung maßgebliche Rechtslage aus einer richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts (vgl. Art. 2 Buchst. e und k der Richtlinie 2004/83/EG - Qualifikationsrichtlinie) und ist jetzt ausdrücklich in § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) so geregelt.
- 20
-
Die Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs zum Herkunftsland stützen sich ausschließlich auf die in der Niederschrift zum Asylantrag vom 25. Juni 2010 aufgenommenen Angaben des Klägers zu seinem Namen, Geburtsdatum, Geburtsort, Sprache, Religion und Staatsangehörigkeit sowie auf die Angaben seines Prozessbevollmächtigten zum Reiseweg. Die Angaben zum Reiseweg beschränken sich auf die Mitteilung, dass der Kläger "über Äthiopien, Dubai und schließlich Frankfurt am Main Flughafen ins Bundesgebiet eingereist" sei; es fehlen jedoch Angaben dazu, wie er von seinem Heimatort nach Äthiopien gelangt ist. Die vom Berufungsgericht für seine Entscheidung herangezogenen Tatsachen waren nicht detailreich genug, um darauf eine den Maßstäben des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entsprechende Überzeugungsbildung zu stützen.
- 21
-
Die vom Berufungsgericht seiner Entscheidungsfindung der Sache nach zugrunde gelegte Beweismaßreduktion lässt sich den maßgeblichen Vorschriften nicht entnehmen. Vielmehr ergibt sich aus den in § 15 Abs. 2 AsylVfG normierten Pflichten des Asylbewerbers zur Vorlage seines Passes oder Passersatzes sowie sonstiger Urkunden und Unterlagen, die in seinem Besitz sind, dass diese Unterlagen als regelmäßig erforderlich angesehen werden, um über einen Asylantrag sowie Antrag auf Gewährung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz und nationalem Abschiebungsschutz zu entscheiden. Auf keinerlei derartige Unterlagen konnte der Verwaltungsgerichtshof seine Überzeugungsbildung stützen, weil sie ihm nicht vorlagen. Daher wäre es erforderlich gewesen, diesen Mangel an Grundlagen für die Feststellung zum Herkunftsland des Klägers jedenfalls durch eine persönliche Anhörung des Klägers auszugleichen. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist das Bundesamt verpflichtet, den Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweise zu erheben. In diesem Rahmen ist es nach § 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG grundsätzlich zu einer persönlichen Anhörung des Asylbewerbers verpflichtet. Kommt das Bundesamt dieser Verpflichtung nicht nach - etwa weil es sich an einer Sachentscheidung gehindert sieht -, muss das Gericht, wenn es eine Entscheidung zur Sache für geboten hält, die gesetzlich gebotenen Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts durchführen. Jedenfalls nachdem das Bundesamt Zweifel an den Angaben des Klägers zu seinem Herkunftsland vorgetragen und u.a. darauf hingewiesen hat, dass die vom Kläger gebrauchte Sprache auch in den an Somalia angrenzenden Landesteilen von Äthiopien und Kenia gebräuchlich sei, hätte der Verwaltungsgerichtshof die Feststellung, dass der Kläger aus Somalia stammt, nicht ohne eigene Sachaufklärung treffen dürfen, insbesondere nicht ohne persönliche Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung.
- 22
-
Von der Verpflichtung, sich um verlässliche Tatsachenfeststellungen zum Herkunftsland des Klägers zu bemühen, ist das Gericht nicht wegen der erfolgten Weigerung des Klägers entbunden, an der Feststellung seiner Identität mitzuwirken. Weder die Behörde noch das Gericht dürfen sich der Verpflichtung entziehen, Feststellungen zum Vorliegen der Voraussetzungen für subsidiären Schutz und erforderlichenfalls von nationalem Abschiebungsschutz zu treffen. Der gegenteiligen Rechtsauffassung der Beklagten ist nicht zu folgen. Lässt sich das Herkunftsland nicht mit der für die behördliche und gerichtliche Überzeugungsbildung erforderlichen Gewissheit feststellen, weil der Kläger die Mitwirkung an der Klärung seiner Identität verweigert, ist dies im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen und gegebenenfalls eine negative Feststellung zum subsidiären Schutz und zum nationalen Abschiebungsschutz zu treffen, wie dies das Bundesamt ursprünglich in Ziffer 2 seines Bescheids vom 18. Oktober 2010 getan hat.
- 23
-
b) Das Berufungsgericht hat weiterhin dadurch gegen Bundesrecht verstoßen, dass es die Voraussetzungen für den unionsrechtlichen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (a.F.), die mit denen des nunmehr maßgeblichen unionsrechtlichen subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG (n.F.) übereinstimmen, unter Verkennung des Begriffs der erheblichen individuellen Gefahr im Sinne dieser Vorschrift ohne hinreichende Feststellungen zur individuellen Betroffenheit des Klägers von den in Somalia drohenden Gefahren bejaht hat.
- 24
-
Die Feststellung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (a.F.) setzt voraus, dass der Ausländer in seinem Herkunftsland als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Das Berufungsgericht hält hierfür der Sache nach für ausreichend, dass im Herkunftsstaat des Ausländers ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt besteht, der zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung und schweren Menschenrechtsverletzungen führt. Damit bleibt außer Acht, dass es für die individuelle Betroffenheit einer Feststellung zur Gefahrendichte bedarf, die jedenfalls auch eine annäherungsweise quantitative Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos umfasst (vgl. Urteile vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360 = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 38, jeweils Rn. 33 und vom 17. November 2011 - BVerwG 10 C 13.10 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u Asylrecht Nr. 58 Rn. 22 f.). Entsprechende Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Erst auf der Grundlage der quantitativen Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, ist eine wertende Gesamtbetrachtung zur individuellen Betroffenheit des Klägers möglich, für den keine individuellen gefahrerhöhenden Umstände festgestellt worden sind (vgl. Urteil vom 17. November 2011 a.a.O. Rn. 23).
- 25
-
5. Die Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 des Bescheids vom 18. Oktober 2010, deren Rechtmäßigkeit sich nach § 34 AsylVfG bestimmt, begegnet nicht deshalb Bedenken, weil es der Androhung der Abschiebung in den "Herkunftsstaat" an der notwendigen Bestimmtheit mangelte. Dies macht die Androhung nicht unwirksam. § 59 Abs. 2 AufenthG sieht die Zielstaatsbestimmung nur als Soll-Regelung vor. Ein konkreter Zielstaat braucht bei fehlender Klärung der Staatsangehörigkeit des Ausländers nicht benannt zu werden (vgl. Urteil vom 25. Juli 2000 - BVerwG 9 C 42.99 - BVerwGE 111, 343 <346 ff.> = Buchholz 402.240 § 50 AuslG Nr. 10 S. 4
). Die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung hängt im Übrigen von der offenen Frage ab, ob dem Kläger unionsrechtlicher subsidiärer Schutz oder hilfsweise nationaler Abschiebungsschutz zu gewähren ist.
- 26
-
6. Da das Revisionsgericht die fehlenden tatsächlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann, ist die Sache zur weiteren Aufklärung gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei wird das Begehren des Klägers auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz nunmehr an § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) zu messen sein und das Begehren auf Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz an § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (n.F.). Der Verwaltungsgerichtshof wird zunächst die notwendigen Feststellungen dazu treffen müssen, ob der Kläger somalischer Staatsangehöriger ist. Sollte das zu bejahen sein, ist die notwendige quantitative Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos nachzuholen, um darauf aufbauend eine wertende Gesamtbetrachtung zur individuellen Betroffenheit des Klägers von den ihm in Somalia drohenden Gefahren im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG (n.F.) vorzunehmen. Dabei wird der Verwaltungsgerichtshof auch zu berücksichtigen haben, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem Urteil vom 5. September 2013 unter umfangreicher Auswertung von Auskünften und Erkenntnissen aus unterschiedlichen Staaten zu dem Ergebnis gekommen ist, dass sich die Lage jedenfalls in der somalischen Hauptstadt Mogadishu seit 2011 in einer Weise verbessert hat, dass die Abschiebung eines Somalis, der keine gefahrerhöhenden Merkmale aufweist, nicht gegen Art. 3 EMRK verstößt (Nr. 886/11 - K.A.B./Schweden Rn. 86 - 97).
- 27
-
Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen, dass unionsrechtlicher subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG zu verneinen ist, wird es die Voraussetzungen für die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (n.F.) zu prüfen haben. Hierbei wird das Gericht mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aufzuklären haben, ob dem Kläger in Somalia Gefahren drohen, vor denen die genannten Vorschriften Abschiebungsschutz gewähren. Die Feststellung ist auch dann zu treffen, wenn nicht mit hinreichender Überzeugungsgewissheit festzustellen ist, dass der Kläger somalischer Staatsangehöriger ist, da nationaler Abschiebungsschutz auch für einen potentiellen Zielstaat gewährt werden kann, dessen Staatsangehörigkeit der Kläger nicht besitzt. Ein Rechtsschutzbedürfnis hierfür besteht, weil der Kläger behauptet, aus Somalia zu stammen und die Beklagte dies jedenfalls für möglich hält und eine Abschiebung dorthin nicht ausgeschlossen hat. Insofern unterscheidet sich die Sachlage von derjenigen, die den von der Beklagten zitierten Urteilen des 1. Senats vom 4. Dezember 2001 (BVerwG 1 C 11.01 - BVerwGE 115, 267 <270 f.> = Buchholz 240 § 53 AuslG Nr. 52 S. 88
) und vom 12. April 2005 (BVerwG 1 C 3.04 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 2) zugrunde lag. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass das nationale Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG auch vor Gefahren für Leib und Leben schützt, die seitens nichtstaatlicher Akteure drohen (Urteil vom 13. Juni 2013 - BVerwG 10 C 13.12 - NVwZ 2013, 1489).
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt L. aus E. wird abgelehnt.
1
Gründe:
2Der am 29. April 2014 bei Gericht sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage (17 K 2897/14.A) gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 17. April 2014 insoweit anzuordnen, als in Ziffer 2. des Bescheides die Abschiebung nach Italien angeordnet wird,
4hat keinen Erfolg.
5A. Er ist zulässig (I.), jedoch unbegründet (II.).
6I. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist – wie sich auch aus § 34a Abs. 2 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) ergibt – der statthafte Rechtsbehelf. Die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG stellt einen belastenden Verwaltungsakt dar, dessen Aufhebung im Hauptsacheverfahren im Wege der Anfechtungsklage von dem Betroffenen verfolgt werden kann,
7vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, juris Rn.28 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 23. April 2013 - 17 K 4548/12.A -, juris.
8Der erhobenen Anfechtungsklage – 17 K 2897/14.A – kommt entgegen § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht schon kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zu, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 75 Abs. 1 AsylVfG.
9Die Antragstellung bei Gericht am 29. April 2014 ist auch innerhalb der Wochenfrist ab Bekanntgabe – hier: 24. April 2014 – erfolgt, § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG.
10II. Der Antrag ist unbegründet.
11Das öffentliche Vollzugsinteresse an der sofort vollziehbaren Abschiebungsanordnung überwiegt bei einer an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientierten Abwägung das Interesse der Antragsteller am vorläufigen Verbleib im Bundesgebiet.
12Die Abschiebungsanordnung ist nach summarischer Prüfung offensichtlich rechtmäßig. Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) abgeschoben werden (1.), ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 1. Alt. AsylVfG an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann (2.).
13Diese Voraussetzungen liegen vor.
141. Italien ist „sicherer Drittstaat“ im Sinne von § 26a AsylVfG. Nach § 26a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AsylVfG kann sich ein Ausländer nicht auf Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz (GG) berufen, wenn er aus einem Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG eingereist ist.
15a. Der Anwendung des Art. 16a Abs. 2 GG und der §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylVfG geht entgegen der Ansicht der Antragteller nicht die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (sog. Dublin III VO) vor. Dabei kann es offen bleiben, ob auf den gegebenen Fall noch die Vorgängerregelung, die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (sog. Dublin II VO) einschlägig wäre (vgl. insoweit Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III VO - hierfür spricht, dass die Asylanträge der Antragsteller vor dem 1. Januar 2014 gestellt wurden-). Denn beide Regelwerke, die Dublin II ebenso wie die Dublin III Verordnung finden auf Ausländer, die in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, nachdem ihnen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union – hier in Italien – Flüchtlingsschutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Richtlinie 2011/95/EU) zuerkannt worden ist, überhaupt keine Anwendung mehr,
16vgl. für subsidiär schutzberechtigte Personen: VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Juli 2014 - 17 L 1193/17.A; zur Dublin II VO bereits: VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Januar 2013 – 6 L 104/13.A –, juris Rn. 20; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2013 – 6 K 7204/12.A –, juris; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: November 2013, § 27a AsylVfG Rn. 34.
17Die Dublin III VO unterscheidet -ebenso wie der Sache nach die Dublin II VO- ausdrücklich zwischen „Antragsteller“, Art. 2 lit. c Dublin III VO (Art. 2 lit. d Dublin II VO) und „Begünstigter internationalen Schutzes“, Art. 2 lit. f Dublin III VO (Art. 2 lit. g Dublin II VO [„Flüchtling“]). Antragsteller im Sinne der Dublin III Verordnung ist danach derjenige, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den noch nicht endgültig entschieden wurde, wohingegen „Begünstigter internationalen Schutzes“ derjenige ist, dem internationaler Schutz zuerkannt wurde. Das Verfahren zur Bestimmung des für eine Bearbeitung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaates wird nach Art. 20 Abs. 1 Dublin III VO (Art. 4 Abs. 1 Dublin II VO) nur eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird. Dieses Verfahren ist indes nicht mehr einschlägig, wenn der Ausländer bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach dortigem Antrag auf internationalen Schutz Flüchtlingsschutz – wie hier die Antragsteller ausweislich der Mitteilungen der italienischen Behörden vom 28. November 2013 in Italien; vgl. für die unter den Familienverband fallenden Antragsteller zu 3. und 4. Art. 23 Abs. 2 i.V.m. Art. 2 lit. j Richtlinie 2011/95/EU – erhalten hat. Dementsprechend sieht auch Art. 18 Abs. 1 lit. a bis d Dublin III VO (Art. 16 Abs. 1 lit. a und c bis e Dublin II VO) keine Pflicht des zuständigen Mitgliedsstaates im Falle des positiven Bescheides über einen Antrag auf internationalen Schutz vor. Für eine Ausübung des in Art. 17 Abs. 1 der Dublin III VO (Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO) geregelten Selbsteintrittsrechts der Mitgliedstaaten ist dann ebenfalls von vornherein kein Raum mehr. Hieraus folgt zugleich, dass die Antragsteller mit ihrem Vortrag, aufgrund ihnen in Italien drohender Gesundheitsgefahren lägen „systemische Mängel im Asylverfahren“ vor, die den um Überstellung ersuchenden Mitgliedstaat zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts verpflichteten, nicht durchdringen.
18Selbst wenn, der Ansicht des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller folgend, die minderjährigen Antragsteller zu 3. und 4. in Italien formal (noch) keinen Flüchtlingsschutz erhalten haben sollten -obwohl die Antragsteller zu 1. und 2. bei der Anhörung vor dem Bundesamt selbst davon sprachen, sie alle hätten einen gesicherten Aufenthaltsstatus und Aufenthaltstitel gehabt („wir“)-, mag dies allenfalls zwar insoweit zu einer Anwendung der Dublin VO für diese, nicht jedoch zu einer Änderung in der Sache führen (vgl. zudem Art. 9 Dublin III VO bzw. Art. 7 Dublin II VO). Die erkennende Kammer hat in ständiger Rechtsprechung bereits entschieden, in Italien seien systemische Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen einschließlich der Gesundheitsversorgung derzeit nicht auszumachen,
19vgl. etwa VG Düsseldorf, Urteil vom 24. Mai 2013 - 17 K 7223/12.A, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 26. April 2013 - 17 K 1777/12.A, juris; zuletzt für minderjährige Kinder: VG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Mai 2014 - 17 L 930/14.A.; auch bei Erkrankungen zuletzt: VG Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2013 - 17 K 4737/12.A, juris.
20Diese Rechtsauffassung hat jüngst in einer Grundsatzentscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, auf die entsprechend Bezug genommen wird, Bestätigung gefunden,
21vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A, juris.
22b. Italien ist nach dem im Eilverfahren anzulegenden Prüfungsmaßstab als Mitgliedstaat der Europäischen Union ein „sicherer Drittstaat“ im Sinne von Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG.
23aa. Der vorgenannten Verfassungsnorm liegt das „Konzept der normativen Vergewisserung“ über die Sicherheit im Drittstaat zugrunde. Diese normative Vergewisserung bezieht sich darauf, dass der Drittstaat einem Betroffenen, der sein Gebiet als Flüchtling erreicht hat, den nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Konvention zum Schutze der Menschenrechte (EMRK) und den Grundfreiheiten gebotenen Schutz vor politischer Verfolgung und anderen ihm im Herkunftsstaat drohenden schwerwiegenden Beeinträchtigungen seines Lebens, seiner Gesundheit oder seiner Freiheit gewährt. Damit entfällt das Bedürfnis, ihm Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu bieten. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten als sicher kraft Entscheidung der Verfassung,
24vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 22 BvR 2315/93 -, juris Rn. 181.
25Dieses nationale Konzept steht im Einklang mit dem hinter der Schaffung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (vgl. Art. 78 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union) stehenden „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“. Selbiges beruht auf der Annahme, alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, beachteten die Grundrechte, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Richtlinie 2011/95/EU, der GFK sowie in der EMRK finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Unter diesen Bedingungen muss die - freilich widerlegbare - Vermutung gelten, die Behandlung der Antragsteller als schutzberechtigt anerkannte Ausländer stehe in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den genannten Rechten,
26vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 und C-493/10 -, juris Rn. 10 ff., 75, 78, 80.
27Diese Annahmen zugrunde gelegt, greift die „sichere Drittstaatenregelung“ (nur) dann nicht, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, der Ausländer sei von einem Sonderfall betroffen, der von dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ bzw. dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ nicht aufgefangen werde,
28vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 –, juris Rn. 52 f., 60 zum „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“; BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93 –, juris Rn. 189 zum „Konzept der normativen Vergewisserung“.
29Von einem solchen Fall ist dann auszugehen, wenn es ernst zu nehmende und durch Tatsachen gestützte Gründe dafür gibt, dass in dem Mitgliedstaat, in den abgeschoben werden soll, in verfahrensrechtlicher oder materieller Hinsicht nach aktuellen Erkenntnissen kein hinreichender Schutz gewährt wird.
30Der Bezugspunkt für die Beurteilung des hinreichenden Schutzes hängt davon ab, ob der Ausländer bereits einen Schutzstatus in dem Land, in das er abgeschoben werden soll, erhalten hat oder nicht. Nur in letzterem Fall ist darauf abzustellen, ob das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische, dem ersuchenden Mitgliedstaat nicht unbekannte Mängel aufweisen, die für den Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr begründen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in dem ersuchten Mitgliedstaat im Sinne von Art. 4 / Art. 19 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtecharta) bzw. dem inhaltsgleichen Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein,
31vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 und C-493/10 –, juris Rn. 78 f., 84 ff. und 94; siehe dazu bereits zuvor II 1. a).
32Hat der Ausländer indes – wie hier – bereits einen Schutzstatus erhalten, ist darauf abzustellen, ob der gebotene Inhalt des jeweiligen Schutzstatus hinreichend eingehalten wird oder ein Verstoß gegen die GFK vorliegt bzw. für den Inhaber des Schutzstatus eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in dem ersuchten Mitgliedstaat im Sinne von Art. 4 / Art. 19 Abs. 2 Grundrechtecharta bzw. dem inhaltsgleichen Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein.
33Dass die Verhältnisse in Italien diesbezüglich hinter dem unionsrechtlich vorgesehenen Flüchtlingsschutz dergestalt zurückbleiben, ist nach der gebotenen summarischen Prüfung zu dem für die Entscheidung nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt nicht zu erkennen.
34Soweit die Genfer Flüchtlingskonvention für anerkannte Flüchtlinge Wohlfahrtsregelungen enthält (Art. 20 ff. GFK), die vom anerkennenden Drittstaat zu beachten und vom Konzept der normativen Vergewisserung mit umfasst sind, gehen diese im Wesentlichen über Diskriminierungsverbote gegenüber den jeweiligen Inländern nicht hinaus. Namentlich im Bereich der öffentlichen Fürsorge und der sozialen Sicherheit verpflichtet die GFK den Drittstaat zur Inländergleichbehandlung (vgl. Art. 23, 24 GFK). Letztere ist aber nach den aktuellen Erkenntnissen in Italien, wo einem anerkannten Asylbewerber hinsichtlich Aufenthalt, Freizügigkeit, Zugang zu Arbeit und medizinischer Versorgung dieselben Rechte wie italienischen Staatsangehörigen zustehen, gegeben,
35vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 7. und vom 11. Juli 2012, S. 2f.; vgl. auch den Bericht „Associazione per gli Studi Giuridici sull’immigrazione“ -ASGI- vom 20. November 2012, S. 10; s. aus der Rspr. ebenso VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Januar 2013 - 6 L 104/13.A, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2013 - 6 K 7204/12.A, juris; sogar für das Asylverfahren in Italien und die Einhaltung der dort gebotenen unionsrechtlichen Mindeststandards OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A., juris.
36Eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der Antragsteller im Sinne von Art. 3 EMRK ist gleichfalls nicht ersichtlich.
37Der Inhalt des internationalen Flüchtlingsschutzes wird unionsrechtlich vorgegeben durch die Regelungen in Art. 20 bis 35 der Richtlinie 2011/95/EU. So gelten einheitliche Vorgaben etwa für die Erteilung des Aufenthaltstitels (Art. 24) und der Reisedokumente (Art. 25 Abs. 1). Einem anerkannten Schutzberechtigten stehen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung (Art. 26), zur Bildung (Art. 27), zum Erhalt von Sozialhilfeleistungen (Art. 29) und medizinischer Versorgung (Art. 30) dieselben Rechte wie den jeweiligen Staatsangehörigen zu.
38Danach ist im Hinblick auf Italien zwar nach wie vor anzuerkennen, dass die Lebensbedingungen (auch) für Personen mit anerkanntem Schutzstatus nach den gegebenen Erkenntnissen schwierig sein können. Weder ist aber eine Verletzung der in Art. 26ff. der Richtlinie 2011/95/EU vorgesehenen Gleichbehandlungsgebote erkennbar noch herrschen in Italien derart handgreiflich eklatante Missstände, die die Annahme rechtfertigten, anerkannt Schutzberechtigte würden einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung ausgesetzt und den Antragstellern müsste unabweisbar Schutz gewährt werden. Eine solche Behandlung muss ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK zu gelten. Dieses Mindestmaß erreichen die Verhältnisse, denen anerkannt Schutzberechtigte in Italien ausgesetzt sind, nicht.
39In Italien erhalten mit der Anerkennung Schutzsuchende nach Auskunft der Deutschen Botschaft vom 21. Januar 2013 ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht und freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Es existiert eine staatliche Arbeitsvermittlung auf regionaler Ebene. Die Möglichkeit zur Aufnahme eines eigenen Gewerbes oder Handwerks besteht grundsätzlich und wird nach Möglichkeit gefördert. Weiterhin ist die Gesundheitsfürsorge für alle Ausländer, die einen Status haben, gewährleistet, es existiert ein kostenfreier Zugang zu sämtlichen öffentlichen medizinischen Leistungen, wofür aber ein Registrierung erforderlich ist; sie sind den italienischen Staatsangehörigen insoweit gleichgestellt,
40vgl. Auskunft der Deutschen Botschaft vom 21. Januar 2013, Ziff. 5.5, 6., 7.4 und vom 11. Juli 2012, S. 2; allg. zum italienischen Gesundheitssystem: Bericht der Deutschen Botschaft „Sozialpolitische Informationen Italien“ aus Januar 2012, S. 25f.
41Entsprechendes gilt nach Auskunft der Deutschen Botschaft von Januar 2012 auch für weitere Fürsorgeleistungen. Dem italienischen System ist es dabei zu eigen, dass auch italienische Staatsangehörige kein national garantiertes Recht auf Fürsorgeleistungen haben; insoweit müssen sich Ausländer, wie die Italiener auch, in der Praxis etwa selbst um eine Unterkunft bemühen. Die Zuständigkeit für die Festsetzung von Sozialleistungen liegt grundsätzlich im Kompetenzbereich der Regionen. Öffentliche Fürsorgeleistungen weisen demnach deutliche Unterschiede je nach regionaler und kommunaler Finanzkraft auf,
42vgl. Bericht der Deutschen Botschaft „Sozialpolitische Informationen Italien“ aus Januar 2012, S. 24.
43Die vorstehenden Ausführungen berücksichtigend, kommen insgesamt Personen mit einem internationalen Schutzstatus dieselben Rechte auf Fürsorge, Unterkunft und medizinische Versorgung zu wie (mittellosen) italienischen Staatsangehörigen. Den Auskünften sind diesbezüglich auch keine hinreichenden -eine andere Beurteilung rechtfertigenden- Anhaltspunkte für eine massiv diskriminierende Vollzugspraxis zu entnehmen,
44vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 7 und vom 11. Juli 2012, S. 2f.; vgl. auch den Bericht von ASGI vom 20. November 2012, S. 10; aus der Rspr.: VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2013 - 6 K 7204/12.A, juris, m.w.N.,
45Somit ist eine Verletzung der in Art. 26ff. der Richtlinie 2011/95/EU vorgesehenen Gleichbehandlungsgebote nicht erkennbar, so dass unter diesem Aspekt eine Verletzung von Art. 3 EMRK ausscheidet.
46Darüber hinaus liegen keine sonstigen allgemeinen humanitären Gründe vor, die der Rückführung der Antragsteller nach Italien zwingend entgegenstehen würden. Ungeachtet der Frage, ob bzw. wann überwiegend auf Armut zurückzuführende schlechte humanitäre Bedingungen den für eine Verletzung von Art. 3 EMRK erforderlichen Schweregrad erreichen,
47vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 23, 25; vgl. auch Schmahl/Winkler, Schutz vor Armut in der EMRK ?, in: Archiv des Völkerrechts 48 (2010), 405 (422 f.), wonach Art. 3 EMRK bei einer lebensbedrohlichen Mangellage bzw. einer zum Ausschluss selbstbestimmter Handlungen führenden Existenznot tangiert ist,
48lassen die dem Gericht vorliegenden Erkenntnisse nicht darauf schließen, dass die Antragsteller nach ihrer Rückführung nach Italien dort Lebensbedingungen ausgesetzt wären, die für sie auf unabsehbare Zeit eine Lage existenzbedrohender (extremer) materieller Armut befürchten ließen.
49So hat das Auswärtige Amt zuletzt in seiner bereits zitierten Stellungnahme vom 21. Januar 2013 ausgeführt, dass anerkannte Flüchtlinge von Hilfsorganisationen (z.B.: Caritas, CIR) Unterstützung bekommen können, wenngleich sie auch -wie alle Italiener- grundsätzlich in eigener Verantwortung und ohne staatliche finanzielle Hilfe bzw. Sozialleistungen eine Wohnung und einen Arbeitsplatz suchen müssen. Unterstützung für Integrationsprogramme (z.B. Aus- und Fortbildung) existiert ebenfalls über lokale Behörden, Stiftungen, Gewerkschaften, Hilfsorganisationen oder auch Nichtregierungsorganisationen, die teilweise miteinander vernetzt sind,
50vgl. Auskunft der Deutschen Botschaft vom 21. Januar 2013, Ziff. 7.1., 7.3.
51Zwar ist nach dem Gutachten der Flüchtlingsorganisation borderline-europe, Menschenrechte ohne Grenzen e.V. von Dezember 2012 und nach Auskunft der italienischen Vereinigung für rechtliche Untersuchungen zur Situation von Einwanderung (ASGI) vom 20. November 2012 die soziale Situation der Schutzberechtigten oftmals härter als die der Asylsuchenden, da sie nämlich nach Abschluss des Asylverfahrens das Anrecht auf die Aufnahme in einem Aufnahmezentrum für Asylsuchende (CARA) verlieren. Sie können sich lediglich - sofern sie dort in der Vergangenheit noch keine Unterkunft bekommen haben - auf die Warteliste der lokalen Projekte im Rahmen des Schutzsystems für Asylsuchende und Flüchtlinge (SPRAR) eintragen lassen. Für die von diesem System nicht erfassten Personen bleiben nur die bereits erwähnten Unterstützungen allgemeiner Art, wie sie auch für andere Mittellose in Italien vorgesehen sind,
52vgl. borderline-europe e.V. vom Dezember 2012, S. 52f.; Bericht von ASGI vom 20. November 2011, S. 10 ff.
53Dies entspricht im Ergebnis der Einschätzung des Auswärtigen Amtes, wonach für überstellte Personen mit Schutzstatus die Erlangung von Unterkunft und Arbeit in erster Linie von Eigeninitiative und der Hilfestellung von Nichtregierungsorganisationen abhängt, so dass ein Abgleiten in die Obdachlosigkeit zwar generell möglich, aber keineswegs zwingende Folge ist,
54vgl. Auskunft der Deutschen Botschaft vom 21. Januar 2013, Ziff. 5.5, 7; so auch VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2013 - 6 K 7204/12.A, juris, m.w.N.
55Wie bereits ausgeführt, ist die Gesundheitsvorsorge zwar rechtlich gewährleistet, jedoch in der Praxis zuweilen mit Schwierigkeiten verbunden. Hierzu führt das Auswärtige Amt im Januar 2013 ausdrücklich aus, dass die Gesundheitsfürsorge grundsätzlich für alle Ausländer, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind, gewährleistet ist. Die Ausländer müssen sich beim Servizio Sanitario Nazionale (Nationaler Gesundheitsdienst) melden und registrieren lassen. Dafür benötigten sie einen Aufenthaltstitel, ihre Steuernummer sowie eine feste Adresse, wobei deren eigene Angabe genügt. Selbst bei einem fehlenden festen Wohnsitz können sie sich um eine Sammeladresse bemühen. Die Caritas bietet solche Adressen für Personen an, die einen solchen nicht haben, ihn jedoch u.a. für den Erhalt der Gesundheitskarte benötigen. Eine solche „virtuelle Wohnsitznahme“ ist insbesondere in Rom recht umfangreich möglich. Im Übrigen steht nach vorzitierter Auskunft des Auswärtigen Amtes eine kostenfreie medizinische Versorgung selbst Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft untergebracht sind. Die stets bestehende Notambulanz sei -ungeachtet einer Registrierung- für alle Personen kostenfrei zugänglich. Aktuell sei die Not- und Grundversorgung selbst für illegal aufhältige Personen garantiert,
56vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 6.2; borderline-europe e. V. vom Dezember 2012, S. 46.
57Diesbezüglich anerkennt das Gericht jedoch, dass sich in Teilbereichen der Unterkunftserlangung und der Gewährung von Hilfen durchaus für Inhaber eines Schutzstatus in Italien Mängel und Defizite (nach wie vor) feststellen lassen. Insbesondere der nach Abschluss eines Asylverfahrens eintretende Verlust eines Anrechts auf eine staatliche Unterkunft und die dadurch bedingte Möglichkeit der Obdachlosigkeit ist durchaus ernst zu nehmen. Allerdings handelt es sich dabei derzeit nicht um landesweite Missstände, die für jeden Einzelnen oder eine weit überwiegende Anzahl von anerkannten Flüchtlingen die Gefahr einer extremen materiellen Armut begründet, die von den italienischen Behörden tatenlos hingenommen würde. Die vorhandenen Defizite bei der Unterbringung und der gesundheitlichen Versorgung reichen daher nicht dafür aus, dass Italien generell nicht mehr als sicherer Drittstaat anzusehen wäre. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass insoweit Art. 3 EMRK die Konventionsstaaten auch nicht etwa dazu verpflichtet, Schutzberechtigten ein Recht auf Unterkunft zu geben oder sie finanziell zu unterstützen, um ihnen einen gewissen Lebensstandard einschließlich bestimmter Standards medizinischer Versorgung zu ermöglichen,
58vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30969/09 –, juris Rn. 249; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris Rn. 118.
59Generell reicht die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten,
60vgl. EGMR, Beschluss vom 2. April 2013 – 27725/10 –, juris.
61Art. 3 EMRK ist im Kern ein Abwehrrecht gegen unwürdiges Staatsverhalten im Sinne eines strukturellen Versagens bei dem durch ihn zu gewährenden angemessenen materiellen Mindestniveau und weniger ein individuelles Leistungsrecht einzelner Antragsteller auf bestimmte materielle Lebens- und Sozialbedingungen selbst,
62vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. April 2013 – 17 L 660/13.A –, juris Rn. 43, m.w.N.
63Die Antragsteller müssen sich nach alledem daher auf den in Italien für alle italienischen Staatsangehörigen geltenden Versorgungsstandard – somit auch auf den medizinischen Behandlungs- und Medikamentationsstandard – verweisen lassen, auch wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entsprechen mag,
64vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. April 2013 – 17 L 660/13.A –, juris Rn. 42, s.a. OVG NRW, Beschluss vom 5. August 2004 – 13 A 2160/04.A –, juris (noch zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG 1990, heute § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG).
65Entgegen der Ansicht des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller ist es auch nicht maßgeblich, wie ein vor der Großen Kammer des EGMR anhängiges und im Februar 2014 verhandeltes Verfahren zu Italien (offenbar U. ./. Schweiz; EGMR 29217/12) entschieden wird. Es ist ungewiss, inwieweit der EGMR in jenem Verfahren fallübergreifende Feststellungen zu den Verhältnissen in Italien treffen oder die konkreten Verhältnisse des zu entscheidenden Falles -ungeachtet der Frage, ob es sich überhaupt bei den Beschwerdeführern um anerkannte Flüchtlinge handelt- in den Vordergrund stellen wird; die Entscheidung hierzu steht -soweit ersichtlich- noch aus. Ungeachtet dessen bestand jedoch keine Veranlassung, zur Gewinnung der für die Entscheidungsfindung erforderlichen Überzeugung noch weitere Gutachten, Auskünfte oder Stellungnahmen zur Situation der anerkannten Flüchtlinge in Italien einzuholen. Denn die vorliegenden Erkenntnismittel haben im Ergebnis ausgereicht, dem Gericht diese Überzeugung bereits in einem ausreichenden Maße zu vermitteln.
66bb. Die Antragsteller gehören auch nicht zu einer gegebenenfalls besonders schutzbedürftigen Personengruppe.
67Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen kann es zwar im Einzelfall aus individuellen, in der Person der Antragsteller liegenden und damit von dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ bzw. dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ von vornherein nicht erfassten Gründen – wenn auch nur vorübergehend – geboten sein, von Überstellungen in den anderen Mitgliedstaat abzusehen. Anhaltspunkt für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls kann geben, ob einer der Antragsteller eine Personen mit besonderen Bedürfnissen gemäß Art. 20 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU ist und er nach einer Einzelfallprüfung entsprechend eingestuft wurde.
68Beachtliche, in der Person der Antragsteller liegende Gründe von der Überstellung nach Italien abzusehen liegen indes nicht vor. Für die Antragstellerin zu 1. ist mit fachärztlichem Attest vom 29. April 2014 im Wesentlichen geltend gemacht, „es bestehe der dringende Verdacht auf eine schwere Posttraumatische Belastungsstörung, die der dringenden psychotherapeutischen Behandlung bedarf“. Aufgrund dieses Attestes ist es schon nicht hinreichend dargelegt, dass die Antragstellerin zu 1. tatsächlich an einer „schweren posttraumatischen Belastungsstörung“ leidet, sondern allenfalls, dass ein entsprechender Verdacht besteht, der der diagnostischen Abklärung bedarf. In diesem Zusammenhang wird angemerkt, dass der Zeitpunkt der Attestierung der angeblichen Erkrankung auffällig ist. Denn das Attest ist nur wenige Tage nach Zustellung (24. April 2014) des ablehnenden Bescheides vom 17. April 2014, nämlich am 29. April 2014 erstellt worden. Die Antragstellerin zu 1. hat bislang in verschiedenen Ländern der Europäischen Union Asylanträge gestellt (Italien, Schweiz, Frankreich, sowie Schweden und nunmehr in der Bundesrepublik Deutschland) und Syrien bereits nach eigenen Angaben im Juli 2009 Richtung Italien verlassen. Danach hat sie sich zunächst ca. 4-5 Monate in Rom aufgehalten, ist dann nach einem etwa sechsmonatigen Aufenthalt in der Schweiz wieder nach Rom zurückgekehrt um dort ca. ein ganzes weiteres Jahr zu bleiben. Schließlich will sie für zwei Monate nach Frankreich und sodann circa 13 Monate in Schweden gewesen sein um abermals für eine Woche nach Rom zurückzukehren. Hätte die geltend gemachte posttraumatische Erkrankung - nunmehr nach durch nichts belegtem Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zu 1. vom 15. Juli 2014 eine depressive Störung mit Suizidneigung- bereits jeweils in den anderen Ländern, insbesondere in Italien -wo die Antragstellerin insgesamt über anderthalb Jahre war- vorgelegen, hätte nichts näher gestanden, diese bereits zu Anfang beim Bundesamt geltend zu machen. Von etwaigen eigenen Erkrankungen war bei der Antragstellung dort im Juli 2013 indes ebensowenig wie im gesamten Verwaltungsverfahren die Rede (Anhörung am 18. Juli 2013: „Ich fühle mich gesund … Ich bin nicht behandlungsbedürftig erkrankt“). Es drängt sich daher der Eindruck einer bloßen Gefälligkeitsbescheinigung auf.
69Selbst wenn die behauptete Erkrankung aber unterstellt würde, ist weiter nicht nachvollziehbar vorgetragen, diese sei in Italien nicht behandelbar bzw. auch eine entsprechende Medikamentation unmöglich. Nach der derzeitigen Erkenntnislage trifft das nicht zu. Die Gesundheitsversorgung und der Zugang zu ihr ist in Italien für anerkannte Flüchtlinge trotz zuweilen auftretender zumutbarer praktischer Erschwernisse hinreichend gewährleistet. Es wurde bereits dargelegt, dass einem anerkannten Schutzberechtigten auch bei der medizinischen Versorgung dieselben Rechte wie italienischen Staatsangehörigen zustehen. Die -dem Flüchtling ohne Weiteres zumutbare- Anmeldung beim Servizio Sanitario Nazionale ist obligatorisch und ermöglicht die Ausstellung eines Gesundheitsausweises, der zur Behandlung bei einem praktischen Arzt, Kinderarzt, in Ambulanzen und bei Spezialisten oder zur Aufnahme in ein Krankenhaus berechtigt (siehe zuvor A. II. 1. b. aa.). Es existiert ferner kostenfreier Zugang zu allen medizinischen öffentlichen Leistungen (Arzt, Zahnarzt, Krankenhaus); die stets bestehende Notambulanz ist -ungeachtet einer Registrierung - für alle Personen ebenfalls kostenfrei zugänglich,
70vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 6.2, 7., 8.1; borderline-europe e.V. vom Dezember 2012, S. 46.
71Eine ärztliche Versorgung ist ausweislich der Erkenntnislage auch gewährleistet, sofern es um die Behandlung von psychischen bzw. traumatischen Erkrankungen geht,
72vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 8.1; Bericht der Deutschen Botschaft „Sozialpolitische Informationen Italien“ aus Januar 2012, S. 25f.
73Es ist danach nicht erkennbar, die Antragstellerin zu 1. könnte in Italien unzureichend behandelt werden, bestünde denn ihre (behauptete) Erkrankung tatsächlich. Schließlich lassen ihre Ausführungen beim Bundesamt (etwa im Jahre 2009/2010 sehr schlechte Lage im Asylheim in Italien, erforderliche neue Unterkunft nach sechs Monaten, zwei Monate keine Sozialhilfe) eine besondere Schutzbedürftigkeit hier nicht erkennen.
74Hinsichtlich des etwas über fünfzigjährigen Antragstellers zu 2. ist ebenso nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass nicht jedenfalls er sich um den Lebensunterhalt und die Versorgung seiner Familie wird kümmern können. Auch seine Ausführungen beim Bundesamt lassen eine besondere Schutzbedürftigkeit nicht erkennen (Anhörung am 18. Juli 2013: „Ich fühle mich gesund … Ich bin nicht behandlungsbedürftig erkrankt“); schließlich hat der Antragsteller zu 2. -wie übrigens die Antragstellerin zu 1. auch- bei seiner dortigen Anhörung keine Einwände erhoben, dass sein Antrag in Italien wieder geprüft werde (Anhörung Frage 24).
75Endlich begründet allein die Minderjährigkeit der Antragsteller zu 3. (ca. 5 Jahre) und 4. (ca. 4 Jahre) eine besondere Schutzbedürftigkeit nicht. Sie sollen gemeinsam mit ihren Eltern, den Antragstellern zu 1. und 2., nach Italien zurückgeführt werden; Anhaltspunkte für -hinreichend beachtliche- Erkrankungen bei dem Antragsteller zu 4. sind weder vorgebracht noch ersichtlich. Hinsichtlich des Antragstellers zu 3. liegt offenbar eine Entwicklungsstörung des Sprechens oder der Sprache (Dyslalie sowie Dysgrammatismus) vor, wobei neurologische oder sonstige pädiatrische Besonderheiten nicht festgestellt wurden (siehe Heilmittelverordnung vom 21. Mai 2014). Als Therapieziel wurde die „Verbesserung / Normalisierung sprachl. / kommunikativer Fähigkeiten“ benannt. Im Attest des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin vom 22. Mai 2014 wurde ferner, noch ohne nähere Ausführungen dazu „frühkindlicher Autismus“ (in dem Überweisungsschein an die Ausländerbehörde hieß es einen Tag zuvor noch zum frühkindlichen Autismus „z.A.“ [zur Abklärung]) sowie eine „Verhaltens- und emotionale Störung mit Beginn der Kindheit“ diagnostiziert und diverse -nicht medikamentöse- Therapiemaßnahmen vorgeschlagen (u.a. Einzeltherapie mit begleitender Elternarbeit; Kooperation der Therapeuten mit dem Kindergarten bzw. dem Sozialamt; Gewährleistung eines Lebensortes, der das Risiko der Störungen minimiere). Auch diese diagnostizierten Erkrankungen -ihr Vorliegen unterstellt- können in Italien hinreichend behandelt werden. Es besteht für anerkannte Schutzberechtigte, wie für italienische Staatsbürger, freie Arztwahl. Zwar muss zunächst -abgesehen von Notfällen- ein Hausarzt aufgesucht werden, der dann eine Überweisung an einen Spezialisten, wie einen Kinderarzt oder das Krankenhaus, vornimmt. Gegebenenfalls muss auch bei Fachärzten mit langen Wartezeiten für Termine gerechnet werden, dies trifft aber Italiener gleichermaßen und ist zumutbar, zumal sich insoweit das System in diesem Punkt nicht grundlegend von dem hiesigen unterscheidet,
76vgl. Bericht der Deutschen Botschaft „Sozialpolitische Informationen Italien“ aus Januar 2012, S. 26; Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 6.2.
77Soweit die Antragsteller zu. 3. und 4., die Argumentation des Prozessbevollmächtigten unterstellt, keine in Italien anerkannten Flüchtlinge wären und unter das Regime der Dublin VO fielen (s.o. A II 1 a.), ergäbe sich hier nichts anderes. Ungeachtet dessen, dass die medizinische Behandlung von Personen mit internationalem Schutzstatus den anderen Familienangehörigen, also auch den Antragstellern zu 3. und 4. gleichermaßen zukäme,
78vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 6.2.,
79wäre ohnehin auch hier kein besondere Schutzbedürftigkeit der Antragsteller zu 3. und 4. gegeben, die die Geltendmachung des Selbsteintrittsrechts der Bundesrepublik Deutschland geböte. Insoweit wird auf die Rechtsprechung der Kammer, die durch das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein Westfalen Bestätigung gefunden hat, Bezug genommen und sich diese zu Eigen gemacht. Die behaupteten Erkrankungen wären im Falle des noch laufenden Asylverfahrens behandelbar und auch der Zugang zu einer Behandlung gewährleistet,
80vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 26. April 2013 - 17 K 1777/12.A, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 24. Mai 2013 - 17 K 7223/12.A, juris VG Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2013 - 17 K 4737/12.A, juris, jew. m.w.N.; i.Ü. grundsätzlich OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A, juris.
81cc. Schließlich liegt keine (weitere) der vom Bundesverfassungsgericht zur Abschiebungsanordnung nach §§ 34a Abs. 1, 26a AsylVfG gebildeten Fallgruppen zur Bestimmung der Ausnahmen vom „Konzept der normativen Vergewisserung“ vor,
82vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 ‑ 2 BvR 1938/93 –, juris Rn. 189.
83Weder droht den Antragstellern in Italien die Todesstrafe, noch besteht die erhebliche konkrete Gefahr dafür, dass sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Überstellung dort Opfer eines Verbrechens werden, welches zu verhindern nicht in der Macht Italiens steht. Zudem ist nicht ersichtlich, dass Italien selbst zum Verfolgerstaat werden wird.
842. Ebenso steht – nach dem im Eilverfahren angelegten Maßstab der summarischen Prüfung – fest, dass die Abschiebung im Sinne von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG durchgeführt werden kann.
85a. Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote liegen nicht vor. Für die Antragsteller besteht in Italien keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.
86Eine Gefahr im Sinne dieser Norm für die dort benannten Rechtsgüter ist erheblich, wenn eine Beeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände im Zielstaat wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde,
87vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.5 –, juris Rn. 15; BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 ‑ 9 C 58.96 –, juris Rn. 13.
88Eine solche Verschlechterung kann zwar grundsätzlich infolge einer schweren psychischen Erkrankung eintreten, dies hat die Antragstellerin zu 1. aber nicht hinreichend dargelegt. Das von ihr vorgelegte Attest vom 29. April 2014 lässt im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung aus den bereits genannten Gründen (s. A II 1 b. bb.) den Schluss auf eine solche Erkrankung gerade mit der notwendigen zielstaatsbezogenen Verschlechterung nicht zu, zumal dort ohnehin nur von einem entsprechenden Verdacht gesprochen wird und die vom Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 15. Juli 2014 behauptete „Behandlungsbedürftige schwere depressive Störung mit Suizidneigung, die die Betreuung und Aufsicht naher Angehöriger“ geböte, durch nichts belegt und daher eine bloße unsubstantiierte Behauptung ist. Das vorzitierte Attest und die sonstigen beigefügten Anlagen geben dafür jedenfalls nichts her. Abgesehen von der fehlenden Glaubhaftigkeit einer psychischen Erkrankung liegen, wie bereits ausgeführt, aber auch keine Anhaltspunkte dafür vor, eine gegebenenfalls erforderliche Behandlung von psychischen Störungen sei in Italien nicht zureichend gewährleistet (vgl. A II 1 b. bb.). Daher drohen der Antragstellerin zu 1. keine der in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beschriebene Gefahren mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.
89Es ist auch nichts dafür erkennbar, der Gesundheitszustand des Antragstellers zu 3. verschlechtere sich mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit derart im Sinne des zuvor genannten Maßstabes bei einer Rückführung nach Italien. Soweit im Attest vom 22. Mai 2014 die Rede davon ist, eine Rückführung der Familie in ihre Heimat würde die Symptomatik verstärken, wird zunächst angemerkt, dass eine Rückführung des Antragstellers zu 3. gemeinsam mit seiner Familie in einen sicheren Mitgliedstaat der Europäischen Union ansteht, nicht aber die Abschiebung in die Heimat - nämlich Syrien - selbst. Unbeschadet dessen besteht eine beachtliche Wahrscheinlichkeit nicht, dass bei einem Aufenthalt im Zielland Italien die entsprechenden Gefahren drohten. Denn auch die Erkrankung des Antragstellers zu 3. (vgl. zu ihr bereits unter A II 1 b. bb.) kann in Italien behandelt werden, insbesondere ist eine kinderärztliche Betreuung sowie sind sonstige adäquate medizinische Behandlungs- und Betreuungsmöglichkeiten -wie dort für Inländer- gegeben und zugänglich,
90vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 6.2, 7., 8.1.
91Soweit im Attest vom 22. Mai 2014 weiter ausgeführt wird, „nur ein dauerhafter Aufenthaltsstatus der Familie in der Bundesrepublik Deutschland kann zu einer positiven Veränderungen der o.g. Störungen des Kindes beitragen“, wird darauf hingewiesen, dass es für den bei § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG anzulegenden Maßstab auf die besondere Intensität der Beeinträchtigung im Zielstaat -Italien- ankommt und nicht auf eine hiesige mögliche Verbesserung. Denn der Asylbewerber bzw. anerkannt Schutzberechtigte muss sich grundsätzlich auf den Behandlungs- und Medikamentationsstandard im Überstellungsstaat verweisen lassen, selbst wenn dieser dem hiesigen Niveau -wofür aber keine Anhaltspunkte ersichtlich sind- nicht entsprechen sollte,
92vgl. -zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG 1990, heute § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG- OVG NRW, Beschluss vom 5. August 2004 - 13 A 2160/04.A, juris.
93Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Entscheidung mehr, ob den Antragstellern zu 1. und 3. nicht von vornherein die Berufung auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aufgrund der Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG versagt bliebe, weil die eventuellen Schwierigkeiten, die bei der Gewährung medizinischer Versorgung und Medikamentation mit möglicherweise daraus resultierenden Beeinträchtigungen bestünden (etwa Eigenbeteiligungen an bestimmten Medikamenten, sog. „tickets“ bei Eigenbeteiligungen an bestimmten Behandlungen, vgl. Bericht der Deutschen Botschaft „Sozialpolitische Informationen Italien“ aus Januar 2012, S. 25, 27), nicht individuell, sondern allgemein für die Bevölkerungsgruppe aller ganz oder nahezu mittellosen Kranken in Italien drohten,
94vgl. in diese Richtung VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Januar 2013 - 6 L 104/13.A, juris (noch zu § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG a.F.); zuletzt so für Bulgarien die erkennende Kammer, Beschluss vom 14. Juli 2014 - 17 L 870/14.A.
95b. Sofern im Rahmen des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG vom Antragsgegner auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe zu prüfen wären,
96vgl. so OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2011 – 18 B 1060/11 –, juris Rn. 4,
97stünden solche nicht entgegen. Etwas anderes ergibt sich nicht im Hinblick auf die behauptete Erkrankung der Antragstellerin zu 1. Ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis in Form von Reiseunfähigkeit liegt nur vor, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers unmittelbar durch die Ausreise bzw. Abschiebung oder als unmittelbare Folge davon voraussichtlich wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern wird. Das ist bei einer psychischen Erkrankung etwa der Fall, wenn im Rahmen einer Abschiebung das ernsthafte Risiko einer Selbsttötung gegeben ist und keine hinreichenden Vorkehrungen getroffen werden können, die das Risiko im Falle der Abschiebung verlässlich ausschließen,
98vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Mai 2007 - 19 B 352/07 -, juris Rn. 5 m.w.N.
99Im Hinblick auf die Antragstellerin zu 1. sind eine im vorgenannten Sinne beachtliche Erkrankung und das ernsthafte Risiko, ihr Zustand würde sich bei einer Abschiebung wesentlich oder lebensbedrohlich verschlechtern, nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Dem vorgelegten Attest vom 29. April 2014 sind keinerlei konkreten Angaben über die Reise(un)fähigkeit zu entnehmen. Selbst die behauptete psychische Erkrankung unterstellt, führte diese nicht zwingend zu einer Reiseunfähigkeit. In diesem Zusammenhang wird angemerkt, dass alle hiesigen Antragsteller im EU-Raum bereits eine offenbar problemlos von ihrer Konstitution mögliche rege gemeinsame Reisetätigkeit in den letzten Jahren entwickelt haben (Aufenthalt in Italien mit zweimaliger Rückkehr dorthin, Schweiz, Frankreich, Schweden und der Bundesrepublik Deutschland). Die pauschale Behauptung der Suizidgefährdung ist im Übrigen durch nichts belegt. Unabhängig davon und ein Suizidrisiko einmal unterstellt, ist schließlich mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen, dieser Gefahr könnte im Rahmen der Rückführungsmaßnahme durch ärztliche Hilfe oder in sonstiger Weise wirksam begegnet werden.
100Hinsichtlich des minderjährigen Antragstellers zu 3. sind ebenfalls keine inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisse ersichtlich. Reiseunfähigkeit ist schon im Ansatz nicht erkennbar. Wie sich unmittelbar durch eine Rückführung oder als unmittelbare Folge dieser der Gesundheitszustand des Antragstellers zu 3., der im Kern an einer sprachlichen Entwicklungs- und Verhaltensstörung, ggf. einem frühkindlichen Autismus leidet, wesentlich oder gar lebensbedrohlich Verschlechtern soll, bleibt der Antragsteller (und bleiben die Atteste) schuldig.
101Für sonstige Abschiebungshindernisse ist im Übrigen nichts ersichtlich.
102B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert beruht auf § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
103C. Mangels hinreichender Erfolgsaussichten in der Hauptsache war auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen, § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung.
104Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.
(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.
(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.
(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tatbestand
- 1
-
Der Kläger ist ein Asylbewerber aus Somalia. Er wendet sich gegen die Einstellung seines Asylverfahrens durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
- 2
-
Der Kläger stellte Mitte August 2010 einen Asylantrag und gab in einer Niederschrift dazu am 9. September 2010 an, er sei somalischer Staatsangehöriger und am 1. Januar 1981 in Mogadischu geboren. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - nahm ihm Fingerabdrücke zur Identitätsfeststellung ab, die sich später als nicht verwertbar erwiesen. Der damit betraute Mitarbeiter stellte bereits bei der Abnahme fest, dass die Fingerkuppen des Klägers Veränderungen aufwiesen, die voraussichtlich zur Unverwertbarkeit der abgenommenen Fingerabdrücke führen würden. Der Kläger bestritt, seine Fingerkuppen manipuliert zu haben.
- 3
-
Mit Schreiben vom 9. September 2010 wies das Bundesamt den Kläger darauf hin, dass die Beschädigung der Fingerkuppen den Verdacht begründe, dass der Kläger nicht bereit sei, an der Überprüfung seiner Identität mitzuwirken. Er werde daher aufgefordert, sein Asylverfahren dadurch zu betreiben, dass er zum einen binnen eines Monats in der Außenstelle des Bundesamts erscheine und sich "auswertbare Fingerabdrücke" abnehmen lasse. Zum anderen solle er schriftlich darlegen, in welchen Staaten er sich nach dem Verlassen seines Herkunftslandes aufgehalten habe, ob er dort bereits einen Asylantrag gestellt habe und dieser ggf. abgelehnt worden sei. Gleichzeitig wurde er unter Bezugnahme auf § 33 AsylVfG (a.F.) darauf hingewiesen, dass sein Asylantrag als zurückgenommen gelte, wenn er das Verfahren länger als einen Monat nicht betreibe und in diesem Fall über das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 7 AufenthG (a.F.) nach Aktenlage zu entscheiden sei. Dem Schreiben war eine Übersetzung in die Sprache Somali beigefügt. Der Kläger hat sich in einem weiteren Termin Fingerabdrücke abnehmen lassen, die wiederum nicht verwertbar waren. Zu seinem Reiseweg und zur Frage weiterer Asylanträge machte er innerhalb der Monatsfrist keine Angaben.
- 4
-
Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 22. Oktober 2010 fest, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt und das Asylverfahren eingestellt ist (Nummer 1). Weiter wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a.F.) nicht vorliegen (Nummer 2). Schließlich wurde der Kläger unter Androhung der Abschiebung in den "Herkunftsstaat" aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen (Nummer 3). Das Bundesamt hat den Bescheid im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Kläger der Betreibensaufforderung nicht nachgekommen sei. Er habe weder verwertbare Fingerabdrücke abgegeben noch die angeforderten schriftlichen Angaben zum Reiseweg und zu etwaigen früheren Asylverfahren gemacht. Die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a.F.) scheitere bereits daran, dass für den Kläger kein Herkunftsland habe festgestellt werden können.
- 5
-
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des Bescheids sowie hilfsweise die Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.), weiter hilfsweise die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG (n.F.) hinsichtlich Somalia, sowie die Aufhebung der gegen ihn verfügten Abschiebungsandrohung. Mit Schriftsatz vom 2. November 2010 stellte er beim Bundesamt einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, in dem er sich zum Reiseweg äußerte und angab, keine weiteren Asylanträge gestellt zu haben.
- 6
-
Während des Klageverfahrens forderte das Bundesamt den Kläger mit einem an seine Verfahrensbevollmächtigten gerichteten Schreiben vom 26. Oktober 2011 erneut auf, das Verfahren dadurch zu betreiben, dass er beim Bundesamt erscheine und sich Fingerabdrücke abnehmen lasse. Die Pflicht zur Duldung erkennungsdienstlicher Maßnahmen umfasse auch die Verpflichtung, im Vorfeld der erneuten Fingerabdrucknahme alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit der Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten. Den vom Bundesamt hierzu für den 15. November 2011 anberaumten Termin nahm der Kläger - nach eigenem Vorbringen wegen Verspätung - nicht wahr, bat das Bundesamt mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 18. November 2011 aber um einen neuen Termin. Ein solcher wurde jedoch nicht anberaumt.
- 7
-
Das Verwaltungsgericht hob den Bescheid vom 22. Oktober 2010 auf. Während des Berufungsverfahrens erfuhr das Bundesamt, dass der Kläger im Rahmen einer polizeilichen Fahndungsmaßnahme im Oktober 2012 aufgegriffen und erkennungsdienstlich behandelt worden war. Die erkennungsdienstliche Behandlung ergab, dass sich der Kläger schon im Oktober 2009 unter einer anderen Identität in Deutschland aufgehalten hatte und ihm im Rahmen eines Rückübernahmeersuchens Fingerabdrücke abgenommen worden waren. Zugleich führte ein Abgleich mit der Eurodac-Datenbank zu einem Treffer. Danach hatte der Kläger bereits am 18. April 2009 in Italien und am 23. Oktober 2009 sowie am 22. Februar 2010 in Schweden Asyl beantragt. Das italienische Innenministerium hatte den schwedischen Behörden in einem Schreiben vom 14. Dezember 2010 mitgeteilt, dass dem Kläger in Italien bereits die Flüchtlingseigenschaft ("refugee status") zuerkannt worden und das Dublin-Verfahren abgeschlossen sei.
- 8
-
Darauf erklärte der Vertreter des Bundesamtes in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof, er hebe den ersten Satz von Nummer 1 des angefochtenen Bescheides ("Der Asylantrag gilt als zurückgenommen") auf. Weiter hebe er die Androhung der Abschiebung in den Herkunftsstaat in Satz 2 von Nummer 3 des Bescheides auf. Stattdessen werde dem Kläger die Abschiebung nach Italien angedroht. Daraufhin kündigte der Klägervertreter hinsichtlich der Abschiebungsandrohung nach Italien die Erhebung einer Klage an, sobald ein entsprechender Bescheid des Bundesamtes zugestellt worden sei. Gleichzeitig erklärte er den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, soweit das Bundesamt den Bescheid vom 22. Oktober 2010 aufgehoben habe. Der Beklagtenvertreter stimmte der Hauptsacheerledigungserklärung insoweit zu, als Satz 1 von Nummer 1 des angefochtenen Bescheides aufgehoben worden sei.
- 9
-
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Erledigung der Hauptsache in Bezug auf die Androhung der Abschiebung in das Herkunftsland (Nummer 3 des Bescheids vom 22. Oktober 2010) festgestellt und im Übrigen die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Er begründet seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt: Die Einstellung des Verfahrens in Nummer 1 des Bescheids sei rechtswidrig. Denn diese Rechtsfolge sehe § 32 Satz 1 AsylVfG nur für den Fall der Asylantragsrücknahme oder des Verzichts nach § 14a Abs. 3 AsylVfG vor. Als geeignete Reaktion auf die Anerkennung als Flüchtling in einem anderen EU-Mitgliedstaat käme etwa die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig nach Art. 25 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/85/EG (Asylverfahrensrichtlinie 2005) in Betracht. Eine Umdeutung der Verfahrenseinstellung in eine andere Form der Verfahrensbeendigung ohne Sachentscheidung nach § 47 VwVfG sei nicht möglich.
- 10
-
Die in Nummer 2 des Bescheids getroffene Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a.F.) nicht vorlägen, habe nicht aufrechterhalten werden können, da seit Oktober 2012 bekannt sei, dass dem Kläger in Italien Flüchtlingsschutz zuerkannt wurde. Soweit das Bundesamt in Nummer 3 seiner Verfügung die Abschiebungsandrohung in das Herkunftsland des Klägers aufgehoben und durch die Androhung der Abschiebung nach Italien ersetzt hat, habe sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Dem Feststellungsbegehren des Klägers sei zu entsprechen, weil das Bundesamt seinen Bescheid in Nummer 3 durch die Androhung der Abschiebung nach Italien verändert, der Kläger aber diesen neuen Verwaltungsakt nicht im Wege einer objektiven Klageänderung in das Verfahren einbezogen habe. Vielmehr habe der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung erklärt, Klage zu erheben, wenn hinsichtlich der Abschiebungsandrohung nach Italien ein entsprechender Bescheid der Beklagten zugestellt worden sei.
- 11
-
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten. Diese begründet sie im Wesentlichen wie folgt: Der Verwaltungsgerichtshof hätte zunächst prüfen müssen, ob das Verfahren schon vor den in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) eingestellt gewesen sei, weil der Kläger einer rechtmäßigen Betreibensaufforderung nicht nachgekommen war. In diesem Fall hätte er die Klage abweisen müssen. Das Bundesamt sei sehr wohl befugt, ein Asylverfahren auch dann ohne Sachentscheidung einzustellen, wenn sich - wie hier - herausstelle, dass der Asylbewerber bereits im Ausland als Flüchtling anerkannt worden sei. § 60 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 2 AufenthG (n.F.) sehe ausdrücklich vor, dass das Bundesamt bei einer ausländischen Anerkennung kein (weiteres) Asylverfahren mehr durchzuführen habe. Das entspreche Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU, wonach die Mitgliedstaaten einen Asylantrag in derartigen Fällen als unzulässig behandeln könnten. Der deutsche Gesetzgeber habe für diese Konstellation zwar keine konkrete Regelung getroffen, die vorhandene Regelungslücke sei aber durch die Möglichkeit einer Verfahrensbeendigung in Anlehnung an § 32 AsylVfG zu schließen. Dann könne Nummer 1 des Bescheids vom 22. Oktober 2010 auch entsprechend umgedeutet werden. Eine Erledigung sei zu Nummer 3 des angefochtenen Bescheids durch die Änderung des Zielstaats der Abschiebung nicht eingetreten. Der Hinweis auf den Herkunftsstaat habe keinen Regelungscharakter, so dass der Kläger hierdurch auch nicht beschwert sei. Selbst bei Bejahung von Abschiebungsverboten bleibe die Abschiebungsandrohung im Übrigen unberührt.
- 12
-
Nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 8. Mai 2014 hat die Beklagte durch ergänzenden Bescheid vom 15. Mai 2014 Italien als Zielstaat der angedrohten Abschiebung bestimmt (Nummer 1) und angeordnet, dass der Kläger nicht nach Somalia abgeschoben werden darf (Nummer 2). Der Kläger hat gegen den ergänzenden Bescheid Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Soweit sich die Klage gegen den fehlenden Ausschluss von Somalia als Zielstaat einer Abschiebung in Nummer 3 des streitgegenständlichen Bescheids vom 22. Oktober 2010 gerichtet hat, haben die Parteien den Rechtsstreit im vorliegenden Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt.
Entscheidungsgründe
- 13
-
Der Senat kann ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
- 14
-
Die Revision der Beklagten ist begründet, soweit der Verwaltungsgerichtshof die Aufhebung der Nummern 1 und 2 des angefochtenen Bescheids vom 22. Oktober 2010 bestätigt hat. Das Berufungsurteil beruht insoweit auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Hingegen hat die Revision überwiegend keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Entscheidung zur Abschiebungsandrohung in Nummer 3 des Bescheids richtet. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof zu Unrecht eine Erledigung der Abschiebungsandrohung ohne Zielstaatsbestimmung angenommen. Diese ist vielmehr aufrechtzuerhalten. Allerdings hat er mit Recht entschieden, dass die nachträgliche Bestimmung von Italien als Zielstaat der Abschiebung nicht in das vorliegende Verfahren einbezogen wurde. Soweit die Parteien den Rechtsstreit über die Abschiebungsandrohung für erledigt erklärt haben, beruht dies auf der rechtlich gebotenen nachträglichen Bezeichnung von Somalia als Staat, in den der Kläger nicht abgeschoben werden darf. Insoweit hat die Beklagte dem Anfechtungsbegehren des Klägers entsprochen und war das Verfahren einzustellen.
- 15
-
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens ist das Asylverfahrensgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl I S. 1798) und das Aufenthaltsgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), beide Gesetze zuletzt geändert durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl I S. 3474). Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, wenn sie das Berufungsgericht, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte (vgl. Urteil vom 11. September 2007 - BVerwG 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 = Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 30, jeweils Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylverfahrensrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylVfG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die neue Rechtslage zugrunde legen, soweit nicht hiervon - wie im vorliegenden Fall - eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist.
- 16
-
1. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Aufhebung der angefochtenen Einstellungsverfügung in Nummer 1 des angefochtenen Bescheids durch das Verwaltungsgericht mit einer Begründung bestätigt, die Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 VwGO). Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs ist das Verfahren nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) eingestellt, weil die Voraussetzungen für ein Nichtbetreiben des Verfahrens vorliegen. Der Kläger hat innerhalb der ihm gesetzten Betreibensfrist nicht die von ihm geforderten schriftlichen Angaben zu seinem Reiseweg und zur Frage einer Asylantragstellung im Ausland gemacht.
- 17
-
Nach § 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) gilt ein Asylantrag, der nach § 13 Abs. 1 und 2 AsylVfG (a.F.) auch den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erfasst, hingegen noch nicht das Begehren auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG (n.F.), als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Verfahren trotz Aufforderung des Bundesamts länger als einen Monat nicht betreibt (Satz 1). In der Aufforderung ist der Ausländer auf die nach Satz 1 eintretende Folge hinzuweisen (Satz 2). Liegen die Voraussetzungen einer (fiktiven) Antragsrücknahme vor, darf das Bundesamt keine Sachentscheidung mehr über den Asylantrag treffen. Vielmehr hat es nach § 32 AsylVfG in seiner Entscheidung festzustellen, dass das Asylverfahren eingestellt ist und ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 bis 5 oder 7 AufenthG (a.F.) vorliegt (Satz 1). In den Fällen des § 33 AsylVfG (a.F.) ist nach Aktenlage zu entscheiden (Satz 2). Das Bundesamt erlässt ferner eine Abschiebungsandrohung; die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist beträgt nach §§ 34, 38 Abs. 2 AsylVfG (a.F.) eine Woche. Für die Beurteilung des Regelungsinhalts des vorliegenden Bescheids ist auf die Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses abzustellen, da eine nachträgliche Erweiterung seiner Einstellungswirkung auch auf die Zuerkennung unionsrechtlichen subsidiären Schutzes eine echte Rückwirkung der gesetzlichen Neuregelung des § 33 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) bedeuten würde, die mit der Rechtsordnung nicht zu vereinbaren wäre (vgl. Urteil vom 13. Februar 2014 - BVerwG 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487 Rn. 12).
- 18
-
1.1 Das Berufungsgericht durfte von der Prüfung der Einstellungsvoraussetzungen nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG nicht wegen der vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen absehen. Zwar hat dieser erklärt, er hebe den ersten Satz von Nummer 1 des Bescheids vom 22. Oktober 2010 auf ("Der Asylantrag gilt als zurückgenommen"). Die erklärte Aufhebung ging jedoch ins Leere. Denn der Ausspruch der Rücknahmefiktion des Asylantrags durch das Bundesamt hat nach der gesetzlichen Ausgestaltung in § 33 und § 32 AsylVfG keinen eigenen Regelungsgehalt. Die Wirksamkeit der Rücknahme bedarf keiner Feststellung durch das Bundesamt; sie ist lediglich Vorfrage für den gemäß § 32 Satz 1 AsylVfG zu treffenden feststellenden Ausspruch, dass das Asylverfahren eingestellt ist. Diesen hat das Bundesamt aufrechterhalten. Im Übrigen konnte das Bundesamt eine bereits kraft Gesetzes eingetretene Einstellungswirkung nicht nachträglich aufheben.
- 19
-
1.2 Die Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens nach § 33 Abs. 1 AsylVfG war gerechtfertigt. Sie setzt einen bestimmten Anlass voraus, der geeignet ist, Zweifel an dem Bestehen oder Fortbestehen des Sachentscheidungsinteresses zu wecken. Solche Zweifel können sich aus einer Vernachlässigung verfahrensrechtlicher Mitwirkungspflichten ergeben. Zu diesen gehört die Pflicht des Asylbewerbers, im Vorfeld einer geplanten Fingerabdrucknahme alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit seiner Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten (vgl. Urteil vom 5. September 2013 - BVerwG 10 C 1.13 - BVerwGE 147, 329 Rn. 19). Nach den in diesem Urteil aufgestellten Grundsätzen bestanden hier solche berechtigten Zweifel, weil bereits bei der ersten erkennungsdienstlichen Behandlung Gründe für die voraussichtliche Nichtverwertbarkeit der Fingerabdrücke bemerkt und dokumentiert worden waren, ohne dass der Kläger dazu substantiiert Stellung genommen hatte.
- 20
-
1.3 Allerdings führte die Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens nicht zu einer Einstellung des Verfahrens, soweit vom Kläger die Mitwirkung an der Abgabe seiner Fingerabdrücke verlangt wurde. Denn Nummer 1 der Betreibensaufforderung vom 9. September 2010 verlangte von ihm die Abgabe "auswertbarer Fingerabdrücke" und entsprach damit nicht den gesetzlichen Vorgaben nach § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG (vgl. hierzu Urteil vom 5. September 2013 a.a.O. Rn. 24 und 35). Die Aufforderung vom 26. Oktober 2011 entsprach dann zwar den gesetzlichen Vorgaben, weil sie vom Kläger lediglich verlangte, im Vorfeld der erneuten Fingerabdrucknahme alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit seiner Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten (vgl. Urteil vom 5. September 2013 a.a.O. Rn. 39). Der Kläger kam dieser zweiten Betreibensaufforderung auch nicht nach, denn er erschien zu dem vom Bundesamt anberaumten Termin zur erneuten Fingerabdrucknahme am 15. November 2011 nicht. Ein mangelndes Betreiben des Verfahrens liegt trotz dieser Säumnis aber deshalb nicht vor, weil der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 18. November 2011 um einen neuen Termin zur erkennungsdienstlichen Behandlung gebeten hatte. Die versäumte Mitwirkungshandlung hätte damit noch innerhalb der gesetzten Betreibensfrist nachgeholt werden können. Eine Gelegenheit hierzu hat das Bundesamt dem Kläger aber nicht mehr eingeräumt.
- 21
-
1.4 Die Einstellungswirkung des § 32 Satz 1 AsylVfG ist jedoch dadurch eingetreten, dass der Kläger der selbständigen Verpflichtung zur schriftlichen Darlegung des Reisewegs und zu einer eventuell bereits erfolgten Asylantragstellung nicht fristgerecht nachgekommen ist (Nummer 2 der Betreibensaufforderung vom 9. September 2010).
- 22
-
Der Kläger war nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG verpflichtet, die vom Bundesamt angeforderten Angaben zu machen. Zu den Angaben, die von einem Asylbewerber verlangt werden können, zählen nach § 25 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG auch solche über Reisewege, Aufenthalte in anderen Staaten und dort eingeleitete oder durchgeführte Asylverfahren (vgl. hierzu Urteil vom 5. September 2013 a.a.O. Rn. 33). Die Aufforderung vom 9. September 2010, das Verfahren durch entsprechende schriftliche Angaben zu betreiben, entspricht hier auch den weiteren Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 AsylVfG.
- 23
-
Der Kläger hat die geforderten schriftlichen Angaben nicht innerhalb der Monatsfrist des § 33 Abs. 1 AsylVfG gemacht. Zwar hat der Bevollmächtigte des Klägers dies mit Schreiben vom 2. November 2010 - nach Ablauf der Monatsfrist - nachzuholen versucht. Gründe für eine unverschuldete Fristversäumung ergeben sich aus dem Schreiben jedoch nicht (zur Anwendung des § 32 VwVfG auf die Monatsfrist des § 33 Abs. 1 AsylVfG vgl. BTDrucks 12/2062 S. 33). Danach soll die Versäumung der Frist auf einem beim Kläger hervorgerufenen Irrtum beruhen. Dieser habe geglaubt, seiner Verpflichtung aus der Betreibensaufforderung dadurch nachgekommen zu sein, dass er am 7. Oktober 2010 bei der Außenstelle des Bundesamtes erschienen sei und sich dort erneut habe Fingerabdrücke abnehmen lassen. Er sei davon ausgegangen, dass er nunmehr zeitnah vom Bundesamt zu seinen Asylgründen, zu seinem Reiseweg und zur Asylantragstellung in anderen Ländern befragt werde. Aus diesem Vorbringen ergibt sich jedoch keine unverschuldete Fristversäumnis. Denn die Betreibensaufforderung vom 9. September 2010 bezieht sich auf zwei voneinander unabhängige Handlungen: (1) die Abnahme von Fingerabdrücken und (2) die schriftliche Darlegung zum Reiseweg sowie einer möglichen Asylantragstellung. Der Kläger konnte nicht davon ausgehen, durch eine Mitwirkung an der Abnahme von Fingerabdrücken zugleich seiner Pflicht nachgekommen zu sein, die geforderten schriftlichen Angaben zu machen. Dass auch für die in der Betreibensaufforderung genannten schriftlichen Angaben die Monatsfrist gilt, ergibt sich aus der Belehrung über die Rechtsfolgen eines Nichtbetreibens, in der sich die Monatsfrist erkennbar auf beide Mitwirkungshandlungen bezieht. Einer zusätzlichen Erwähnung der Monatsfrist in der Aufforderung zu schriftlichen Darlegungen - wie sie bei der Aufforderung zur Mitwirkung bei der Abnahme von Fingerabdrücken erfolgt ist - bedurfte es angesichts der Eindeutigkeit der auf beide Mitwirkungshandlungen bezogenen Aussage zu den Rechtsfolgen einer Nichtbeachtung der gesetzten Frist nicht. Der Kläger konnte dies auch verstehen, da ihm der Bescheid am 9. September 2010 nicht nur in deutsch, sondern auch in einer in die Sprache Somali übersetzten Fassung überreicht wurde.
- 24
-
1.5 Ist das Asylverfahren nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG eingestellt, bedarf es keiner Entscheidung über die vom Verwaltungsgerichtshof als erheblich angesehene Frage, ob die Einstellung in eine Entscheidung über die Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 60 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG oder in eine Entscheidung über seine Unbeachtlichkeit nach § 29 AsylVfG umgedeutet werden kann.
- 25
-
1.6 Die Beklagte war für die erfolgte Einstellung des Verfahrens auch international zuständig. Die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union besteht nicht.
- 26
-
Es kann offenbleiben, ob auf den Asylantrag eines Ausländers, der - wie hier - in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bereits als Flüchtling anerkannt ist, die Zuständigkeitsregelungen der Union nach den Verordnungen über das sogenannte Dublin-Verfahren anwendbar sind und das auch für Entscheidungen über die Einstellung des Asylverfahrens nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG gilt. Allerdings neigt der Senat zu der Auffassung, dass auf Ausländer, die in einem anderen Staat als Flüchtling anerkannt sind, die Regelungen zum Dublin-Verfahren nicht anwendbar sind. Doch selbst wenn diese Regelungen anwendbar sein sollten, wäre Deutschland der für die Entscheidung zuständige Mitgliedstaat geworden, ohne dass sich insoweit eine zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union verpflichtende Zweifelsfrage stellt.
- 27
-
Nach der in Art. 49 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU Nr. L 180 S. 31 - Dublin III-VO) getroffenen Übergangsregelung ist die Dublin III-VO zwar erst auf Anträge zur Erlangung internationalen Schutzes anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten, also ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Hier war der Antrag bereits im August 2010 und damit vor dem maßgeblichen Stichtag gestellt worden, so dass auf ihn grundsätzlich noch die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18. Februar 2003 (ABl EG Nr. L 50 S. 1 - Dublin II-VO) anwendbar wäre. Allerdings findet die Dublin III-VO darüber hinaus auf die Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern - ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung - Anwendung. Im vorliegenden Fall käme eine Zuständigkeit Italiens anstelle Deutschlands in Betracht, weil der Kläger dort bereits im April 2009 einen Asylantrag gestellt hat und ihm dort die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde (vgl. Art. 13 Dublin II-VO und Dublin III-VO). Eine Überstellung des Klägers nach Italien zur Prüfung des danach in Deutschland gestellten weiteren Antrags wäre nur im Wege der Wiederaufnahme (Art. 20 Dublin II-VO, Art. 23 ff. Dublin III-VO) möglich. Für Gesuche auf Wiederaufnahme - sofern sie nicht bereits vor dem 1. Januar 2014 gestellt wurden - ist jedenfalls für das zu beachtende Verfahren die Dublin III-VO maßgeblich. Danach sind derartige Gesuche nunmehr gemäß Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO innerhalb einer Frist von zwei bzw. drei Monaten zu stellen (so auch VGH Mannheim, Urteil vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 - juris Rn. 31). Diese Frist ist im vorliegenden Fall verstrichen, ohne dass das Bundesamt ein Übernahmeersuchen an Italien gerichtet hat. Damit ist Deutschland gemäß Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO für die Prüfung des hier gestellten (neuen) Asylantrags zuständig, wenn man von der Anwendbarkeit der Dublin-Regelungen auf den vorliegenden Asylantrag ausgeht.
- 28
-
2. Der Kläger kann mit dem hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) nicht durchdringen. Dieser Anspruch wird zwar nicht schon von der Einstellung des Asylverfahrens nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG (a.F.) erfasst (vgl. Urteil vom 13. Februar 2014 - BVerwG 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487). Seine Geltendmachung ist jedoch nach § 60 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG in der seit 1. Dezember 2013 geltenden Fassung (BGBl I S. 3474) unzulässig, weil der Kläger bereits außerhalb des Bundesgebiets als Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt worden ist.
- 29
-
Die Anerkennung eines Ausländers als Flüchtling oder als subsidiär Schutzberechtigter in einem anderen Staat wirkt zwar völkerrechtlich nicht wie eine Statusentscheidung durch deutsche Behörden und hat in diesem Sinne keine umfassende Bindungswirkung für die Bundesrepublik Deutschland (hierzu auch Marx, InfAuslR 2014, 227 <232>). Die Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 legt einheitliche Kriterien für die Qualifizierung als Flüchtling fest, sieht aber keine völkerrechtliche Bindung eines Vertragsstaats an die Anerkennungsentscheidung eines anderen vor (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. November 1979 - 1 BvR 654/79 - BVerfGE 52, 391 <404>; BVerwG, Urteil vom 29. April 1971 - BVerwG 1 C 42.67 - BVerwGE 38, 87 <89 f.> = Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 2 S. 4 f.). Eine solche Bindungswirkung ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht. Dieses ermächtigt zwar nach Art. 78 Abs. 2 Buchst. a und b AEUV zu Gesetzgebungsmaßnahmen, die einen in der ganzen Union gültigen einheitlichen Asylstatus und einen einheitlichen subsidiären Schutzstatus für Drittstaatsangehörige vorsehen, die maßgebliche Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 sieht eine in der ganzen Union gültige Statusentscheidung jedoch nicht vor. Die Bundesrepublik Deutschland hat aber von der nach Völker- und Unionsrecht fortbestehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch eine nationale Regelung den Anerkennungsentscheidungen anderer Staaten in begrenztem Umfang Rechtswirkungen auch im eigenen Land beizumessen (vgl. etwa die diesbezügliche Empfehlung des UNHCR im Beschluss Nr. 12 seines Exekutivkomitees aus dem Jahr 1978). In Deutschland genießen im Ausland anerkannte Flüchtlinge schon seit Inkrafttreten des Ausländergesetzes von 1990 (dort § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2) den gleichen Abschiebungsschutz wie die im Inland anerkannten, ohne dass ein erneutes Anerkennungsverfahren durchgeführt wird. Durch § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (n.F.) ordnet das nationale Recht eine auf den Abschiebungsschutz begrenzte Bindungswirkung der ausländischen Flüchtlingsanerkennung an (ähnlich Treiber, in: GK-AufenthG, Stand: Juli 2011, § 60 Rn. 205.3). Es besteht aber gerade kein Anspruch auf eine neuerliche Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder auf Feststellung subsidiären Schutzes (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 AufenthG n.F.) oder eine hieran anknüpfende Erteilung eines Aufenthaltstitels in Deutschland. Vielmehr ist das Bundesamt bei Vorliegen einer ausländischen Anerkennungsentscheidung zur Feststellung von subsidiärem Schutz oder der (erneuten) Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Deutschland weder verpflichtet noch berechtigt. Ein gleichwohl gestellter Antrag ist unzulässig. Das hat der Senat bereits zu der bis 30. November 2013 geltenden Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 2 und 6 AufenthG (a.F.) entschieden (Beschluss vom 26. Oktober 2010 - BVerwG 10 B 28.10 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 43). Dem entspricht die nunmehr geltende Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG. Sie ist jedenfalls bei Zuerkennung internationalen Schutzes durch einen anderen Mitgliedstaat mit Unionsrecht vereinbar. Denn Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2013/32/EU - Asylverfahrensrichtlinie 2013 - eröffnet dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit, einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zu behandeln, wenn dem Ausländer bereits ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt, d.h. ihm entweder die Flüchtlingseigenschaft oder unionsrechtlichen subsidiären Schutz zuerkannt hat (vgl. Art. 2 Buchst. i der Richtlinie).
- 30
-
Durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl I S. 3474) wurde die Unzulässigkeit eines erneuten Anerkennungsverfahrens nunmehr auch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG (n.F.) erstreckt (§ 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Damit wurde die Konsequenz aus der inhaltlichen Neubestimmung des Asylantrags in § 13 Abs. 1 AsylVfG (n.F.) gezogen, der - im Einklang mit Unionsrecht - nunmehr neben dem Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch den Antrag auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz umfasst (vgl. BTDrucks 17/13063 S. 25 zu § 60 Abs. 2 AufenthG). Dies hat die verfahrensrechtliche Konsequenz, dass das Begehren auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz unzulässig ist, wenn dem Ausländer bereits im Ausland die Rechtsstellung eines Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne von § 4 AsylVfG (n.F.) zuerkannt worden ist (vgl. hierzu bereits Urteil vom 13. Februar 2014 - BVerwG 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487 Rn. 16). Da dem Kläger im vorliegenden Fall bereits in Italien die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, kann er in Deutschland nicht mehr die Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter verlangen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG).
- 31
-
Für eine isolierte Aufhebung der negativen Sachentscheidung zum unionsrechtlichen Abschiebungsschutz nach der vor dem 1. Dezember 2013 geltenden Rechtslage in Nummer 2 des angefochtenen Bescheids fehlt dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis, weil ihm diese Aufhebung keinerlei Vorteile bringen kann, nachdem sein Begehren auf Zuerkennung unionsrechtlichen subsidiären Schutzes nach dem nunmehr geltenden Recht unzulässig ist.
- 32
-
3. Auch der vom Kläger weiter hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz hinsichtlich Somalias ist unzulässig. Denn ihm steht kraft Gesetzes nationaler Abschiebungsschutz in Bezug auf Somalia bereits aufgrund seiner ausländischen Flüchtlingsanerkennung nach § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG zu (siehe oben Rn. 29). Für die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz nach weiteren Rechtsgrundlagen fehlt dem Kläger hier das Rechtsschutzbedürfnis.
- 33
-
Dem Kläger fehlt das Rechtsschutzbedürfnis auch für eine isolierte Aufhebung der negativen Sachentscheidung zum nationalen Abschiebungsschutz in Nummer 2 des angefochtenen Bescheids, da er aufgrund der in Italien ausgesprochenen Anerkennung als Flüchtling bereits - wie oben ausgeführt - den begehrten Abschiebungsschutz in Deutschland genießt.
- 34
-
4. Der Streit über die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung in Nummer 3 des angefochtenen Bescheids hat sich durch die in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof abgegebenen Erklärungen nicht erledigt. Die gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs (UA Rn. 29) verletzt Bundesrecht.
- 35
-
Zwar hat der Kläger die Ersetzung der Abschiebungsandrohung in den Herkunftsstaat durch eine solche nach Italien, wie sie von dem Vertreter der Beklagten in der Berufungsverhandlung vom 14. Januar 2013 erfolgt ist, nicht im Wege der Klageänderung nach § 91 Abs. 1 VwGO in das vorliegende Verfahren einbezogen. Das unterliegt im Verwaltungsprozess aufgrund der Dispositionsmaxime - anders als nach § 68 FGO und § 86 SGG - allein seiner Entscheidung. Eine Umdeutung nach § 47 Abs. 1 VwVfG scheitert daran, dass es sich beim Austausch des Zielstaats um eine weitgehende inhaltliche Änderung der Abschiebungsandrohung handelt. Das gegen die Abschiebungsandrohung gerichtete Anfechtungsbegehren des Klägers hat sich aber durch die fehlende Einbeziehung der neuen Zielstaatsbestimmung in das Verfahren nicht erledigt. Denn der Klägerbevollmächtigte hat den Rechtsstreit in der Hauptsache nur insoweit für erledigt erklärt, als die Beklagte den Bescheid vom 22. Oktober 2010 aufgehoben hat. Bei der Abschiebungsandrohung hat die Beklagte aber nur die Zielstaatsbezeichnung "in seinen Herkunftsstaat" aufgehoben, nicht die Abschiebungsandrohung als solche. Die Abschiebungsandrohung besitzt auch ohne Zielstaatsbestimmung Verwaltungsaktcharakter (vgl. Urteil vom 13. Februar 2014 a.a.O. Rn. 25). Die Erledigungserklärung geht insoweit ins Leere, denn die nicht konkretisierte Zielstaatsbestimmung "in seinen Herkunftsstaat" stellte - ebenso wie ihre Aufhebung - mangels Regelungswirkung keinen anfechtungsfähigen Verwaltungsakt dar.
- 36
-
Die streitgegenständliche Abschiebungsandrohung erfüllt in ihrer durch Nummer 2 des ergänzenden Bescheids vom 15. Mai 2014 erlangten Fassung die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 2 AsylVfG. Allerdings war sie in ihrer ursprünglichen Fassung insoweit rechtswidrig, als sie entgegen § 60 Abs. 10 Satz 2 AufenthG nicht Somalia als den Staat bezeichnet hat, in den der Kläger nicht abgeschoben werden darf. Hierzu war die Beklagte aufgrund der Bindungswirkung der italienischen Flüchtlingsanerkennung, die aufgrund der somalischen Staatsangehörigkeit des Klägers erfolgte, verpflichtet. Diesen rechtlichen Mangel hat die Beklagte durch nachträgliche Bezeichnung von Somalia als Staat, in den der Kläger nicht abgeschoben werden darf, in Nummer 2 des ergänzenden Bescheids vom 15. Mai 2014 ausgeräumt. In der Bestimmung des Staates, in den nicht abgeschoben werden darf, liegt nach dem Gedanken der § 59 Abs. 3, § 60 Abs. 10 Satz 2 AufenthG eine verselbständigungsfähige Teilregelung. Die Parteien haben der veränderten Sachlage durch übereinstimmende Erledigungserklärungen Rechnung getragen. Damit ist der Rechtsstreit in Bezug auf diese Teilregelung der Abschiebungsandrohung in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 141 und § 125 Abs. 1 VwGO einzustellen. Die vorangegangenen Entscheidungen hierzu werden entsprechend § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO für wirkungslos erklärt. Im Übrigen war die Klage gegen die Abschiebungsandrohung abzuweisen.
- 37
-
5. Die Kostenentscheidung ergibt sich, soweit streitig entschieden wurde, aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Soweit das Verfahren eingestellt wurde, war gemäß § 161 Abs. 2 VwGO über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Unter Berücksichtigung des Unterliegens des Klägers bei der Einstellung des Asylverfahrens nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG sowie bei dem unionsrechtlichen subsidiären Schutz und nationalen Abschiebungsschutz erschien dem Senat - auch unter Berücksichtigung der von der Beklagten zu tragenden Kosten des eingestellten Verfahrensteils - eine Kostenverteilung sachgerecht, wonach der Kläger zwei Drittel und die Beklagte ein Drittel der Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
Tenor
I.
Unter Änderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 14. Februar 2014 wird die Klage insgesamt abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
II.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 des Asylverfahrensgesetzes ‑ AsylVfG ‑) nicht vorliegt. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der einheitlichen Auslegung und Anwendung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf, oder wenn sie eine tatsächliche Frage aufwirft, deren in der Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat. Verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat die Klärung einer Tatsachenfrage, wenn sich diese Frage nicht nur in dem zu entscheidenden Fall, sondern darüber hinaus auch noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft stellt.
3Die insoweit auf geworfene Frage
4"Ist in einem Fall, in dem einem Ausländer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union der Flüchtlingsstatus im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zuerkannt worden ist und dieser Schutzsuchende sodann einen weiteren Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland stellt, die Ablehnung des Asylantrags gemäß § 26a mit der Feststellung gemäß § 31 Abs. 4 AsylVfG, dass dem Ausländer kein Asylrecht zustehe, wobei zugleich gemäß derselben Vorschrift von der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen wird, sowie der auf dieser Entscheidung basierende Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 S. 1 AsylVfG rechtmäßig?"
5ist nicht klärungsbedürftig, da sie auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens ohne Weiteres im bejahenden Sinne beantwortet werden kann.
6Ist einem Asylbewerber in einem dem Dublin-Verfahren unterworfenen Mitgliedstaat der Union internationaler Schutz gewährt worden und stellt er in einem anderen Mitgliedstaat einen weiteren Asylantrag, spricht alles dafür, dass die Regelungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, (Dublin III‑VO) nicht anwendbar sind.
7Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.6.2014 ‑ 10 C 7.13 ‑, NVwZ 2014, 1460 Rn. 26; Funke-Kaiser in: GK‑AsylVfG, Loseblattsammlung (Stand: November 2014), § 27a Rn. 34.
8Das kann aber hier dahin stehen, da Bulgarien als das Land des ersten Asylantrags das Aufnahmegesuch nach Art. 25 Dublin III‑VO abgelehnt hat, weil es der Klägerin bereits internationalen Schutz gewährt hat. Das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach der Dublin III‑VO ist damit (negativ) beendet. Die Voraussetzung des § 27a AsylVfG, dass "ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist", liegt damit nicht vor, so dass diese Vorschrift nicht anwendbar ist.
9Anwendbar ist allerdings § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, wonach ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) berufen kann. Dass dies nur für den Fall gelten soll, dass dem Ausländer in dem sicheren Drittstaat kein internationaler Schutz gewährt worden ist, kann weder dem Wortlaut noch dem Sinn der Vorschrift entnommen werden. Soweit sich der Kläger auf eine abweichende Auffassung eines Verwaltungsgerichts in einem Eilverfahren beruft,
10VG Aachen, Beschluss vom 11.3.2015 ‑ 5 L 736/14.A ‑, NRWE Rn. 33 ff.,
11kann dies keine Klärungsbedürftigkeit der Frage begründen, da die Auffassung offensichtlich fehlsam ist. Der Umstand, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des Konzepts sicherer Drittstaaten anerkannte Flüchtlinge nicht "im Blick" gehabt haben soll, ist für den Inhalt des Art 16a Abs. 2 Satz 1 GG unerheblich. Das Konzept sicherer Drittstaaten beruht auf dem Gedanken, dass in Deutschland keine Schutzbedürftigkeit besitzt, wer in einem sicheren Drittstaat Schutz hätte finden können.
12Vgl. BVerfG, Urteil vom 14.5.1996 ‑ 2 BvR 1938, 2315/93 ‑, BVerfGE 94, 49 (87); Gnatzy in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 13. Aufl., Art. 16a Rn. 13.
13Diese Schutzbedürftigkeit fehlt erst recht, wenn der Asylbewerber nicht nur Schutz hätte finden können, sondern sogar Schutz gefunden hat. Der Umstand, dass es Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG für das Entfallen der Schutzbedürftigkeit ausreichen lässt, dass der Asylbewerber im sicheren Drittstaat die Gelegenheit hatte, Schutz zu erlangen, ungeachtet dessen, ob diese Gelegenheit genutzt wurde,
14vgl. v. Arnauld in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl., Art. 16a Rn. 41; Becker in: Starck, GG, Bd. 1, 6. Aufl., Art. 16a Abs. 2 Rn. 170,
15kann daher kein Grund sein, den Anwendungsbereich des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG entgegen Wortlaut und Sinn auf Fälle zu beschränken, in denen der sichere Drittstaat keinen internationalen Schutz gewährt hat.
16Die Beklagte hat daher zu Recht entschieden, dass der Klägerin, die aus Bulgarien ‑ einem Mitgliedstaat der Europäischen Union - und damit aus einem sicheren Drittstaat (Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG) eingereist ist, in Deutschland kein Asylrecht zusteht (§ 31 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG), und die Abschiebung dorthin angeordnet (§ 34a Satz 1 AsylVfG).
17Entgegen der Auffassung der Klägerin ist § 29 AsylVfG nicht anwendbar, da diese Vorschrift sich auf Verfolgungssicherheit "in einem sonstigen Drittstaat", also nicht in "sicheren Drittstaaten" i.S. von § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG bezieht.
18Funke-Kaiser in: GK‑AsylVfG, Loseblattsammlung (Stand: November 2014), § 29 Rn. 11 und § 27 Rn. 34.
19Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Gerichtskosten ergibt sich aus § 83b AsylVfG.
20Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.
(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.
(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.
(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.
Tenor
Soweit der Kläger seine Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die in Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13. April 2015 enthaltene Abschiebungsandrohung aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen der Kläger und die Beklagte jeweils zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist syrischer Staatsangehöriger. Am 2. Februar 2015 beantragte der Kläger beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) seine Anerkennung als Asylberechtigter.
3Am 25. Februar 2015 richtete das Bundesamt ein Übernahmeersuchen nach der Dublin III-VO an Bulgarien. Die bulgarischen Behörden lehnten die Übernahme des Klägers unter dem 11. März 2015 ab. Da dem Kläger bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden sei, könne eine Rücknahme nach den Regelungen der Dublin III-VO nicht erfolgen. Die für den Kläger verantwortliche Behörde sei die Grenzpolizei.
4Mit Bescheid vom 13. April 2015, dem Kläger zugestellt am 17. April 2015, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers gemäß § 27a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) als unzulässig ab (Ziffer 1) und forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen (Ziffer 2). Sollte der Kläger die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er nach Bulgarien abgeschoben.
5Am 24. April 2015 hat der Kläger Klage erhoben und einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage nach § 80 Absatz 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gestellt (13 L 1542/15.A).
6Zur Begründung führt er aus, dass es an einer Rechtsgrundlage für den Erlass einer Abschiebungsandrohung fehle. Überdies lägen die Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsanordnung nicht vor, da es an der erforderlichen Übernahmebereitschaft Bulgariens fehle.
7Nachdem der Kläger ursprünglich beantragt hat,
8den Bescheid des Bundesamtes vom 13. April 2015 aufzuheben,
9beantragt er nunmehr,
10Ziffer 2 des Bescheides der Beklagten vom 13. April 2015, in Ausnahme der Feststellung, dass der Kläger nicht nach Syrien abgeschoben werden darf, aufzuheben.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung bezieht sie sich auf ihr bisheriges Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.
14Das Gericht hat mit Beschluss vom 21. Mai 2015 festgestellt, dass die Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides aufschiebende Wirkung hat und den Antrag im Übrigen abgelehnt (13 L 1542/15.A).
15Mit Schriftsatz vom 5. Juni 2015 (Bl. 73 der Gerichtsakte), hat der Kläger auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
16Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des Klage- und des Eilverfahrens sowie des Verwaltungsvorgangs der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Über die Klage entscheidet die Einzelrichterin, nachdem ihr die Sache durch Beschluss der Kammer vom 21. Mai 2015 übertragen worden ist (§ 76 Absatz 1 AsylVfG).
19Gemäß § 101 Absatz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) konnte die Einzelrichterin über die Klage ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierauf verzichtet haben.
20Das Bundesamt hat gegenüber dem Gericht mit Schreiben vom 26. Januar 2015 sein generelles Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
21Soweit der Kläger seine Klage zurückgenommen hat – d.h. hinsichtlich Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides – war das Verfahren gemäß § 92 Absatz 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Insoweit handelt es sich um eine gemäß § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 264 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zulässige Beschränkung des Klageantrags, die nicht als Klageänderung im Sinne von § 91 Absatz 1 VwGO anzusehen ist.
22Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Die in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes vom 13. April 2015 geregelte Abschiebungsandrohung ist rechtswidrig (I.) und verletzt den Kläger in seinen Rechten (II.), § 113 Absatz 1 Satz 1 VwGO.
23I. Nach § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung an, wenn der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) abgeschoben werden soll, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Rechtsgrundlage deckt ihrer Rechtsfolge nach den Erlass einer Abschiebungsandrohung nicht ab. Der Wortlaut des § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG lässt dies eindeutig nicht zu („ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an“). Die Regelung räumt dem Bundesamt bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen von vornherein kein Ermessen ein; diese Folge ist vielmehr zwingend, und damit ist für andere Mittel kein Raum.
24VG Berlin, Urteil vom 24. Juni 2015 – 23 K 906.14 A –, juris, Rn. 34; VG Ansbach, Urteil vom 22. April 2015 – AN 14 K 15.50044 –, juris, Rn. 23.
25Die Androhung der Abschiebung stellt auch kein zulässiges milderes Mittel gegenüber der Anordnung dar. Zwar bedarf es vor dem Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Absatz 1 Satz 3 AsylVfG keiner vorherigen Androhung und Fristsetzung. Indes spricht neben dem klaren Wortlaut des Satzes 1 dieser Vorschrift der Umstand, dass der Gesetzgeber die Formulierung „bedarf es nicht“ in anderen Regelungszusammenhängen so versteht, dass die erwähnte Alternative gerade ausgeschlossen sein soll (vgl. zu § 68 Absatz 1 Satz 2 VwGO).
26VG Berlin, Urteil vom 24. Juni 2015 – 23 K 906.14 A –, juris, Rn. 35; a.A. VG Ansbach, Urteil vom 22. April 2015 – AN 14 K 15.50044 –, juris, Rn. 24.
27Auch systematische Erwägungen sprechen dafür, § 34a Absatz 1 AsylVfG als Spezialvorschrift zu § 34 Absatz 1 AsylVfG anzusehen. Grundsätzlich kann zwar für den Fall, dass ein Ausländer abgeschoben werden soll, dem im Ausland bereits internationaler Schutz gewährt worden ist (§ 60 Absatz 1 Satz 3 Aufenthaltsgesetz – AufenthG), nach § 60 Absatz 10 AufenthG nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. Die Vorschrift erfasst damit Fälle, in denen der Ausländer über eine von einem Drittstaat zugesprochene Flüchtlingsanerkennung verfügt (§ 60 Absatz 1 Satz 3, 3. Alt. AufenthG) bzw. dem subsidiärer Schutz zugesprochen wurde (§ 60 Absatz 2 Satz 2 AufenthG) und der in den Drittstaat, keinesfalls aber den Herkunftsstaat, abgeschoben werden soll. Durch die enge Verknüpfung von § 34a Absatz 1 mit § 26a AsylVfG hat der Gesetzgeber indes klargestellt, dass die Regelung im Sonderfall der Rückführung in den sicheren Drittstaat keine Geltung beanspruchen soll.
28VG Berlin, Urteil vom 24. Juni 2015 – 23 K 906.14 A –, juris, Rn. 37.
29Diese Deutung entspricht überdies dem Sinn und Zweck der Vorschrift. § 34a AsylVfG sieht gerade deshalb von einer Abschiebungsandrohung ab, weil eine Rückführung in den Drittstaat regelmäßig nur kurzfristig durchgeführt werden kann,
30vgl. BT-Drucks. 12/4450, S. 23 sowie OVG NRW, Urteil vom 30. September 1996 – 25 A 790/96 A –, juris, Rn. 35.
31Der vorherige Erlass einer Abschiebungsandrohung verzögerte somit das vom Gesetzgeber gewollte beschleunigte Verfahren. Dieser hat abweichend von der grundsätzlich im Asylverfahrens- und im Ausländerrecht geregelten Aufgabenverteilung in § 34a AsylVfG gerade das Bundesamt dazu bestimmt, bereits bei Erlass einer Entscheidung nach den §§ 26a, 27a AsylVfG namentlich auch inländische Vollstreckungshindernisse zu prüfen, um den Ausländer rasch und ohne die Möglichkeit einer divergierenden Entscheidung der Ausländerbehörde insoweit abschieben zu können.
32OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Dezember 2012 – OVG 2 S 6.12 –, juris Rn. 5f.; OVG Hamburg, Beschluss vom 3. Dezember 2010 – 4 Bs 223/10 –, juris Rn. 9 ff.
33Hier entledigt sich das Bundesamt endgültig dieser bewussten Zuständigkeitsverteilung des Gesetzgebers offenbar zu Lasten des Ausländers, der abgeschoben werden soll, weil im weiteren Verlauf die Ausländerbehörde für die Prüfung der inlandbezogenen Abschiebungshindernisse zuständig sein soll.
34Vgl. hierzu VG Berlin, Urteil vom 24. Juni 2015 – 23 K 906.14 A –, juris, Rn. 38.
35Mit dieser der Kompetenzverteilung des Gesetzgebers widersprechenden Verlagerung der weiteren Prüfung auf die Ausländerbehörde geht zudem eine im Lichte von Artikel 19 Absatz 4 GG bedenkliche Verkürzung des Rechtsschutzes für den Ausländer einher, was die Androhung gegenüber der Anordnung einer Abschiebung keinesfalls als das mildere Mittel erscheinen lässt. Denn dem Adressaten einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG steht seit der mit Gesetz vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474) vorgenommenen Änderung des § 34a Absatz 2 AsylVfG ein deutlich besserer Rechtsschutz gegenüber Abschiebungen auf dieser Grundlage zu. Nach dessen Satz 1 sind Anträge nach § 80 Absatz 5 VwGO gegen die Abschiebungsanordnung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen, und nach § 34a Absatz 2 Satz 2 AsylVfG ist die Abschiebung bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Nach dem bis dahin geltenden Absatz 2 des § 34a AsylVfG durfte demgegenüber die Abschiebung nach Absatz 1 gerade nicht nach § 80 oder § 123 VwGO ausgesetzt werden. Demgegenüber können Anträge im vorläufigen Rechtsschutz, mit denen im Rahmen von § 34 Absatz 1 AsylVfG zu berücksichtigende Abschiebungsverbote geltend gemacht werden, nur über § 123 Absatz 1 VwGO verfolgt werden, was den jeweiligen Antragsteller vor deutlich höhere Darlegungshürden stellt.
36VG Berlin, Urteil vom 24. Juni 2015 – 23 K 906.14 A –, juris, Rn. 39.
37Rechtsgrundlage für die Abschiebungsandrohung kann vorliegend auch nicht § 34 Absatz 1 AsylVfG sein. Danach erlässt das Bundesamt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 AufenthG eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird, dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zu-erkannt wird, ihm kein subsidiärer Schutz gewährt wird, die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise zulässig ist und der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, weil die Vorschrift nicht anwendbar ist. Denn wenn das Bundesamt einen Asylantrag – wie hier – nur nach § 26a AsylVfG ablehnt, ist nach § 31 Absatz 4 Satz 1 AsylVfG lediglich festzustellen, dass dem Ausländer auf Grund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht. Diese Entscheidung ist gemäß § 31 Absatz 1 Satz 4 AsylVfG „zusammen“ – dass heißt zeitgleich – mit „der Abschiebungsanordnung nach § 34a“ zu treffen und dann „dem Ausländer selbst zuzustellen“. Damit wird deutlich, dass der Gesetzgeber von einer Verknüpfung des § 26a AsylVfG und im Übrigen auch des § 27a AsylVfG allein mit § 34a AsylVfG ausging. Nach der Gesetzessystematik besteht danach ein untrennbarer Zusammenhang zwischen der Asylversagung wegen der Einreise aus einem sicheren Drittstaat bzw. der Zuständigkeit eines anderen Staates und der Anordnung der Abschiebung in diesen Staat
38OVG NRW, Beschluss vom 25. September 2000 – 18 B 1783/99 –, juris, Rn. 11 und 21, und Urteil vom 30. September 1996, – 25 A 790/96 A –, juris, Rn. 9; vgl. auch Marx, AsylVfG, 8. Auflage, 2014, § 31 Rn. 17.
39In diesen Konstellationen nimmt das Bundesamt keine sachliche Prüfung eines Asylantrags vor, sondern verweist den Asylbewerber auf die Zuständigkeit eines anderen bzw. eines sicheren Drittstaates. Hier soll allein Raum für eine Abschiebungsanordnung sein, was darauf hinweist, dass § 34a AsylVfG bei einer Entscheidung (nur) nach den §§ 26a, 27a AsylVfG gegenüber § 34 Absatz 1 AsylVfG spezieller ist.
40VG Berlin, Urteil vom 24. Juni 2015 – 23 K 906.14 A –, juris, Rn. 40.
41Bestätigt wird dies dadurch, dass die Möglichkeit, auf § 34 Absatz 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Absatz 10 AufenthG zurückzugreifen und eine Abschiebungsandrohung zu erlassen, nicht voraussetzungslos ist. Grundsätzlich darf das Bundesamt in Fällen der vorliegenden Art die in § 34 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG genannten tatbestandlichen Voraussetzungen jedoch gerade nicht prüfen (vgl. § 31 Absatz 4 Satz 1 AsylVfG), weil sich Entscheidungen nach §§ 26a, 27a AsylVfG allein zur Zulässigkeit des Asylgesuchs im Bundesgebiet verhalten. So ist es auch im konkreten Fall geschehen. Diesbezüglich ist der angegriffene Bescheid vom 13. April 2014 eindeutig. Der Erlass einer Abschiebungsandrohung setzt – anders als derjenige einer Abschiebungsanordnung – nach § 34 Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 AsylVfG zudem stets voraus, dass die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen und bedarf einer ausdrücklichen Entscheidung des Bundesamtes. Insofern passt das Prüfprogramm des § 34 Absatz 1 AsylVfG von vornherein nicht zu der hier gegebenen Konstellation des § 26a AsylVfG.
42VG Berlin, Urteil vom 24. Juni 2015 – 23 K 906.14 A –, juris, Rn. 41.
43Nur wenn die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat nicht möglich ist, kommt § 31 Absatz 4 AsylVfG nicht zum Zuge mit der Folge, dass nicht nach dem reduzierten, sondern gemäß § 31 Absatz 2 und 3 AsylVfG nach dem „gewöhnlichen Entscheidungsprogramm“ über das Asylbegehren zu befinden ist. Dies ist schon deswegen unvermeidlich, weil sich in einem solchen Fall nur die Alternative stellt, entweder dem Ausländer ein Bleiberecht für die Bundesrepublik Deutschland zu gewähren oder ihn ins Herkunftsland abzuschieben. Die Entscheidung darüber lässt sich aber ohne Prüfung der in §§ 60 Absatz 1, 5 und 7 AufenthG normierten Abschiebungshindernisse nicht treffen. Nur wenn also die Durchführung der Abschiebung im Sinne des § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG nicht möglich ist, ist ungeachtet der Einreise aus einem sicheren Drittstaat das volle Entscheidungsprogramm zu beachten. Ein solcher Fall ist hier aber nicht gegeben.
44VG Berlin, Urteil vom 24. Juni 2015 – 23 K 906.14 A –, juris, Rn. 42 m.w.N.
45II. Schließlich verletzt die Abschiebungsandrohung den Kläger auch in seinen Rechten. Denn durch den Erlass einer Abschiebungsandrohung entzieht sich das Bundesamt nach den obigen Ausführungen seinem ihm gesetzlich zugewiesenen Prüfungsauftrag hinsichtlich des Bestehens inländischer Abschiebungshindernisse. Während derartige Vollstreckungshindernisse – etwa das Vorliegen einer krankheitsbedingten Reiseunfähigkeit – beim Erlass einer Abschiebungsanordnung unmittelbar von dieser Behörde geprüft werden müssen, nimmt das Bundesamt in der hiesigen Konstellation diese Prüfung nicht vor. Liegen solche Hindernisse aber vor, kann der betroffene Asylsuchende diese – wie bereits ausgeführt – nur gegenüber der Ausländerbehörde geltend machen und vorläufigen Rechtsschutz im Streitfall nur nach § 123 Absatz 1 VwGO erreichen. Sind damit die Rechtsschutzmöglichkeiten des Ausländers daher jedenfalls hinsichtlich der Prüfung inländischer Vollstreckungshindernisse empfindlich eingeschränkt, kommt es nicht darauf an, dass dem Kläger durch die geänderte Entscheidung statt der ursprünglichen Verpflichtung zur sofortigen Ausreise eine auf 30 Tage verlängerte Ausreisefrist zugestanden wird.
46VG Berlin, Urteil vom 24. Juni 2015 – 23 K 906.14 A –, juris, Rn. 43 m.w.N.; a.A. VG Ansbach, Urteil vom 22. April 2015 – AN 14 K 15.50044 –, juris, Rn. 24.
47Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Absatz 1, 155 Absatz 2 VwGO, § 83b AsylVfG. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Absatz 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt L. aus E. wird abgelehnt.
1
Gründe:
2Der am 29. April 2014 bei Gericht sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage (17 K 2897/14.A) gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 17. April 2014 insoweit anzuordnen, als in Ziffer 2. des Bescheides die Abschiebung nach Italien angeordnet wird,
4hat keinen Erfolg.
5A. Er ist zulässig (I.), jedoch unbegründet (II.).
6I. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist – wie sich auch aus § 34a Abs. 2 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) ergibt – der statthafte Rechtsbehelf. Die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG stellt einen belastenden Verwaltungsakt dar, dessen Aufhebung im Hauptsacheverfahren im Wege der Anfechtungsklage von dem Betroffenen verfolgt werden kann,
7vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, juris Rn.28 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 23. April 2013 - 17 K 4548/12.A -, juris.
8Der erhobenen Anfechtungsklage – 17 K 2897/14.A – kommt entgegen § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht schon kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zu, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 75 Abs. 1 AsylVfG.
9Die Antragstellung bei Gericht am 29. April 2014 ist auch innerhalb der Wochenfrist ab Bekanntgabe – hier: 24. April 2014 – erfolgt, § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG.
10II. Der Antrag ist unbegründet.
11Das öffentliche Vollzugsinteresse an der sofort vollziehbaren Abschiebungsanordnung überwiegt bei einer an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientierten Abwägung das Interesse der Antragsteller am vorläufigen Verbleib im Bundesgebiet.
12Die Abschiebungsanordnung ist nach summarischer Prüfung offensichtlich rechtmäßig. Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) abgeschoben werden (1.), ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 1. Alt. AsylVfG an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann (2.).
13Diese Voraussetzungen liegen vor.
141. Italien ist „sicherer Drittstaat“ im Sinne von § 26a AsylVfG. Nach § 26a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AsylVfG kann sich ein Ausländer nicht auf Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz (GG) berufen, wenn er aus einem Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG eingereist ist.
15a. Der Anwendung des Art. 16a Abs. 2 GG und der §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylVfG geht entgegen der Ansicht der Antragteller nicht die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (sog. Dublin III VO) vor. Dabei kann es offen bleiben, ob auf den gegebenen Fall noch die Vorgängerregelung, die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (sog. Dublin II VO) einschlägig wäre (vgl. insoweit Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III VO - hierfür spricht, dass die Asylanträge der Antragsteller vor dem 1. Januar 2014 gestellt wurden-). Denn beide Regelwerke, die Dublin II ebenso wie die Dublin III Verordnung finden auf Ausländer, die in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, nachdem ihnen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union – hier in Italien – Flüchtlingsschutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Richtlinie 2011/95/EU) zuerkannt worden ist, überhaupt keine Anwendung mehr,
16vgl. für subsidiär schutzberechtigte Personen: VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Juli 2014 - 17 L 1193/17.A; zur Dublin II VO bereits: VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Januar 2013 – 6 L 104/13.A –, juris Rn. 20; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2013 – 6 K 7204/12.A –, juris; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: November 2013, § 27a AsylVfG Rn. 34.
17Die Dublin III VO unterscheidet -ebenso wie der Sache nach die Dublin II VO- ausdrücklich zwischen „Antragsteller“, Art. 2 lit. c Dublin III VO (Art. 2 lit. d Dublin II VO) und „Begünstigter internationalen Schutzes“, Art. 2 lit. f Dublin III VO (Art. 2 lit. g Dublin II VO [„Flüchtling“]). Antragsteller im Sinne der Dublin III Verordnung ist danach derjenige, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den noch nicht endgültig entschieden wurde, wohingegen „Begünstigter internationalen Schutzes“ derjenige ist, dem internationaler Schutz zuerkannt wurde. Das Verfahren zur Bestimmung des für eine Bearbeitung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaates wird nach Art. 20 Abs. 1 Dublin III VO (Art. 4 Abs. 1 Dublin II VO) nur eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird. Dieses Verfahren ist indes nicht mehr einschlägig, wenn der Ausländer bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach dortigem Antrag auf internationalen Schutz Flüchtlingsschutz – wie hier die Antragsteller ausweislich der Mitteilungen der italienischen Behörden vom 28. November 2013 in Italien; vgl. für die unter den Familienverband fallenden Antragsteller zu 3. und 4. Art. 23 Abs. 2 i.V.m. Art. 2 lit. j Richtlinie 2011/95/EU – erhalten hat. Dementsprechend sieht auch Art. 18 Abs. 1 lit. a bis d Dublin III VO (Art. 16 Abs. 1 lit. a und c bis e Dublin II VO) keine Pflicht des zuständigen Mitgliedsstaates im Falle des positiven Bescheides über einen Antrag auf internationalen Schutz vor. Für eine Ausübung des in Art. 17 Abs. 1 der Dublin III VO (Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO) geregelten Selbsteintrittsrechts der Mitgliedstaaten ist dann ebenfalls von vornherein kein Raum mehr. Hieraus folgt zugleich, dass die Antragsteller mit ihrem Vortrag, aufgrund ihnen in Italien drohender Gesundheitsgefahren lägen „systemische Mängel im Asylverfahren“ vor, die den um Überstellung ersuchenden Mitgliedstaat zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts verpflichteten, nicht durchdringen.
18Selbst wenn, der Ansicht des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller folgend, die minderjährigen Antragsteller zu 3. und 4. in Italien formal (noch) keinen Flüchtlingsschutz erhalten haben sollten -obwohl die Antragsteller zu 1. und 2. bei der Anhörung vor dem Bundesamt selbst davon sprachen, sie alle hätten einen gesicherten Aufenthaltsstatus und Aufenthaltstitel gehabt („wir“)-, mag dies allenfalls zwar insoweit zu einer Anwendung der Dublin VO für diese, nicht jedoch zu einer Änderung in der Sache führen (vgl. zudem Art. 9 Dublin III VO bzw. Art. 7 Dublin II VO). Die erkennende Kammer hat in ständiger Rechtsprechung bereits entschieden, in Italien seien systemische Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen einschließlich der Gesundheitsversorgung derzeit nicht auszumachen,
19vgl. etwa VG Düsseldorf, Urteil vom 24. Mai 2013 - 17 K 7223/12.A, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 26. April 2013 - 17 K 1777/12.A, juris; zuletzt für minderjährige Kinder: VG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Mai 2014 - 17 L 930/14.A.; auch bei Erkrankungen zuletzt: VG Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2013 - 17 K 4737/12.A, juris.
20Diese Rechtsauffassung hat jüngst in einer Grundsatzentscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, auf die entsprechend Bezug genommen wird, Bestätigung gefunden,
21vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A, juris.
22b. Italien ist nach dem im Eilverfahren anzulegenden Prüfungsmaßstab als Mitgliedstaat der Europäischen Union ein „sicherer Drittstaat“ im Sinne von Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG.
23aa. Der vorgenannten Verfassungsnorm liegt das „Konzept der normativen Vergewisserung“ über die Sicherheit im Drittstaat zugrunde. Diese normative Vergewisserung bezieht sich darauf, dass der Drittstaat einem Betroffenen, der sein Gebiet als Flüchtling erreicht hat, den nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Konvention zum Schutze der Menschenrechte (EMRK) und den Grundfreiheiten gebotenen Schutz vor politischer Verfolgung und anderen ihm im Herkunftsstaat drohenden schwerwiegenden Beeinträchtigungen seines Lebens, seiner Gesundheit oder seiner Freiheit gewährt. Damit entfällt das Bedürfnis, ihm Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu bieten. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten als sicher kraft Entscheidung der Verfassung,
24vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 22 BvR 2315/93 -, juris Rn. 181.
25Dieses nationale Konzept steht im Einklang mit dem hinter der Schaffung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (vgl. Art. 78 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union) stehenden „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“. Selbiges beruht auf der Annahme, alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, beachteten die Grundrechte, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Richtlinie 2011/95/EU, der GFK sowie in der EMRK finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Unter diesen Bedingungen muss die - freilich widerlegbare - Vermutung gelten, die Behandlung der Antragsteller als schutzberechtigt anerkannte Ausländer stehe in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den genannten Rechten,
26vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 und C-493/10 -, juris Rn. 10 ff., 75, 78, 80.
27Diese Annahmen zugrunde gelegt, greift die „sichere Drittstaatenregelung“ (nur) dann nicht, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, der Ausländer sei von einem Sonderfall betroffen, der von dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ bzw. dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ nicht aufgefangen werde,
28vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 –, juris Rn. 52 f., 60 zum „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“; BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93 –, juris Rn. 189 zum „Konzept der normativen Vergewisserung“.
29Von einem solchen Fall ist dann auszugehen, wenn es ernst zu nehmende und durch Tatsachen gestützte Gründe dafür gibt, dass in dem Mitgliedstaat, in den abgeschoben werden soll, in verfahrensrechtlicher oder materieller Hinsicht nach aktuellen Erkenntnissen kein hinreichender Schutz gewährt wird.
30Der Bezugspunkt für die Beurteilung des hinreichenden Schutzes hängt davon ab, ob der Ausländer bereits einen Schutzstatus in dem Land, in das er abgeschoben werden soll, erhalten hat oder nicht. Nur in letzterem Fall ist darauf abzustellen, ob das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische, dem ersuchenden Mitgliedstaat nicht unbekannte Mängel aufweisen, die für den Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr begründen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in dem ersuchten Mitgliedstaat im Sinne von Art. 4 / Art. 19 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtecharta) bzw. dem inhaltsgleichen Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein,
31vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 und C-493/10 –, juris Rn. 78 f., 84 ff. und 94; siehe dazu bereits zuvor II 1. a).
32Hat der Ausländer indes – wie hier – bereits einen Schutzstatus erhalten, ist darauf abzustellen, ob der gebotene Inhalt des jeweiligen Schutzstatus hinreichend eingehalten wird oder ein Verstoß gegen die GFK vorliegt bzw. für den Inhaber des Schutzstatus eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in dem ersuchten Mitgliedstaat im Sinne von Art. 4 / Art. 19 Abs. 2 Grundrechtecharta bzw. dem inhaltsgleichen Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein.
33Dass die Verhältnisse in Italien diesbezüglich hinter dem unionsrechtlich vorgesehenen Flüchtlingsschutz dergestalt zurückbleiben, ist nach der gebotenen summarischen Prüfung zu dem für die Entscheidung nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt nicht zu erkennen.
34Soweit die Genfer Flüchtlingskonvention für anerkannte Flüchtlinge Wohlfahrtsregelungen enthält (Art. 20 ff. GFK), die vom anerkennenden Drittstaat zu beachten und vom Konzept der normativen Vergewisserung mit umfasst sind, gehen diese im Wesentlichen über Diskriminierungsverbote gegenüber den jeweiligen Inländern nicht hinaus. Namentlich im Bereich der öffentlichen Fürsorge und der sozialen Sicherheit verpflichtet die GFK den Drittstaat zur Inländergleichbehandlung (vgl. Art. 23, 24 GFK). Letztere ist aber nach den aktuellen Erkenntnissen in Italien, wo einem anerkannten Asylbewerber hinsichtlich Aufenthalt, Freizügigkeit, Zugang zu Arbeit und medizinischer Versorgung dieselben Rechte wie italienischen Staatsangehörigen zustehen, gegeben,
35vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 7. und vom 11. Juli 2012, S. 2f.; vgl. auch den Bericht „Associazione per gli Studi Giuridici sull’immigrazione“ -ASGI- vom 20. November 2012, S. 10; s. aus der Rspr. ebenso VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Januar 2013 - 6 L 104/13.A, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2013 - 6 K 7204/12.A, juris; sogar für das Asylverfahren in Italien und die Einhaltung der dort gebotenen unionsrechtlichen Mindeststandards OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A., juris.
36Eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der Antragsteller im Sinne von Art. 3 EMRK ist gleichfalls nicht ersichtlich.
37Der Inhalt des internationalen Flüchtlingsschutzes wird unionsrechtlich vorgegeben durch die Regelungen in Art. 20 bis 35 der Richtlinie 2011/95/EU. So gelten einheitliche Vorgaben etwa für die Erteilung des Aufenthaltstitels (Art. 24) und der Reisedokumente (Art. 25 Abs. 1). Einem anerkannten Schutzberechtigten stehen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung (Art. 26), zur Bildung (Art. 27), zum Erhalt von Sozialhilfeleistungen (Art. 29) und medizinischer Versorgung (Art. 30) dieselben Rechte wie den jeweiligen Staatsangehörigen zu.
38Danach ist im Hinblick auf Italien zwar nach wie vor anzuerkennen, dass die Lebensbedingungen (auch) für Personen mit anerkanntem Schutzstatus nach den gegebenen Erkenntnissen schwierig sein können. Weder ist aber eine Verletzung der in Art. 26ff. der Richtlinie 2011/95/EU vorgesehenen Gleichbehandlungsgebote erkennbar noch herrschen in Italien derart handgreiflich eklatante Missstände, die die Annahme rechtfertigten, anerkannt Schutzberechtigte würden einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung ausgesetzt und den Antragstellern müsste unabweisbar Schutz gewährt werden. Eine solche Behandlung muss ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK zu gelten. Dieses Mindestmaß erreichen die Verhältnisse, denen anerkannt Schutzberechtigte in Italien ausgesetzt sind, nicht.
39In Italien erhalten mit der Anerkennung Schutzsuchende nach Auskunft der Deutschen Botschaft vom 21. Januar 2013 ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht und freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Es existiert eine staatliche Arbeitsvermittlung auf regionaler Ebene. Die Möglichkeit zur Aufnahme eines eigenen Gewerbes oder Handwerks besteht grundsätzlich und wird nach Möglichkeit gefördert. Weiterhin ist die Gesundheitsfürsorge für alle Ausländer, die einen Status haben, gewährleistet, es existiert ein kostenfreier Zugang zu sämtlichen öffentlichen medizinischen Leistungen, wofür aber ein Registrierung erforderlich ist; sie sind den italienischen Staatsangehörigen insoweit gleichgestellt,
40vgl. Auskunft der Deutschen Botschaft vom 21. Januar 2013, Ziff. 5.5, 6., 7.4 und vom 11. Juli 2012, S. 2; allg. zum italienischen Gesundheitssystem: Bericht der Deutschen Botschaft „Sozialpolitische Informationen Italien“ aus Januar 2012, S. 25f.
41Entsprechendes gilt nach Auskunft der Deutschen Botschaft von Januar 2012 auch für weitere Fürsorgeleistungen. Dem italienischen System ist es dabei zu eigen, dass auch italienische Staatsangehörige kein national garantiertes Recht auf Fürsorgeleistungen haben; insoweit müssen sich Ausländer, wie die Italiener auch, in der Praxis etwa selbst um eine Unterkunft bemühen. Die Zuständigkeit für die Festsetzung von Sozialleistungen liegt grundsätzlich im Kompetenzbereich der Regionen. Öffentliche Fürsorgeleistungen weisen demnach deutliche Unterschiede je nach regionaler und kommunaler Finanzkraft auf,
42vgl. Bericht der Deutschen Botschaft „Sozialpolitische Informationen Italien“ aus Januar 2012, S. 24.
43Die vorstehenden Ausführungen berücksichtigend, kommen insgesamt Personen mit einem internationalen Schutzstatus dieselben Rechte auf Fürsorge, Unterkunft und medizinische Versorgung zu wie (mittellosen) italienischen Staatsangehörigen. Den Auskünften sind diesbezüglich auch keine hinreichenden -eine andere Beurteilung rechtfertigenden- Anhaltspunkte für eine massiv diskriminierende Vollzugspraxis zu entnehmen,
44vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 7 und vom 11. Juli 2012, S. 2f.; vgl. auch den Bericht von ASGI vom 20. November 2012, S. 10; aus der Rspr.: VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2013 - 6 K 7204/12.A, juris, m.w.N.,
45Somit ist eine Verletzung der in Art. 26ff. der Richtlinie 2011/95/EU vorgesehenen Gleichbehandlungsgebote nicht erkennbar, so dass unter diesem Aspekt eine Verletzung von Art. 3 EMRK ausscheidet.
46Darüber hinaus liegen keine sonstigen allgemeinen humanitären Gründe vor, die der Rückführung der Antragsteller nach Italien zwingend entgegenstehen würden. Ungeachtet der Frage, ob bzw. wann überwiegend auf Armut zurückzuführende schlechte humanitäre Bedingungen den für eine Verletzung von Art. 3 EMRK erforderlichen Schweregrad erreichen,
47vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 23, 25; vgl. auch Schmahl/Winkler, Schutz vor Armut in der EMRK ?, in: Archiv des Völkerrechts 48 (2010), 405 (422 f.), wonach Art. 3 EMRK bei einer lebensbedrohlichen Mangellage bzw. einer zum Ausschluss selbstbestimmter Handlungen führenden Existenznot tangiert ist,
48lassen die dem Gericht vorliegenden Erkenntnisse nicht darauf schließen, dass die Antragsteller nach ihrer Rückführung nach Italien dort Lebensbedingungen ausgesetzt wären, die für sie auf unabsehbare Zeit eine Lage existenzbedrohender (extremer) materieller Armut befürchten ließen.
49So hat das Auswärtige Amt zuletzt in seiner bereits zitierten Stellungnahme vom 21. Januar 2013 ausgeführt, dass anerkannte Flüchtlinge von Hilfsorganisationen (z.B.: Caritas, CIR) Unterstützung bekommen können, wenngleich sie auch -wie alle Italiener- grundsätzlich in eigener Verantwortung und ohne staatliche finanzielle Hilfe bzw. Sozialleistungen eine Wohnung und einen Arbeitsplatz suchen müssen. Unterstützung für Integrationsprogramme (z.B. Aus- und Fortbildung) existiert ebenfalls über lokale Behörden, Stiftungen, Gewerkschaften, Hilfsorganisationen oder auch Nichtregierungsorganisationen, die teilweise miteinander vernetzt sind,
50vgl. Auskunft der Deutschen Botschaft vom 21. Januar 2013, Ziff. 7.1., 7.3.
51Zwar ist nach dem Gutachten der Flüchtlingsorganisation borderline-europe, Menschenrechte ohne Grenzen e.V. von Dezember 2012 und nach Auskunft der italienischen Vereinigung für rechtliche Untersuchungen zur Situation von Einwanderung (ASGI) vom 20. November 2012 die soziale Situation der Schutzberechtigten oftmals härter als die der Asylsuchenden, da sie nämlich nach Abschluss des Asylverfahrens das Anrecht auf die Aufnahme in einem Aufnahmezentrum für Asylsuchende (CARA) verlieren. Sie können sich lediglich - sofern sie dort in der Vergangenheit noch keine Unterkunft bekommen haben - auf die Warteliste der lokalen Projekte im Rahmen des Schutzsystems für Asylsuchende und Flüchtlinge (SPRAR) eintragen lassen. Für die von diesem System nicht erfassten Personen bleiben nur die bereits erwähnten Unterstützungen allgemeiner Art, wie sie auch für andere Mittellose in Italien vorgesehen sind,
52vgl. borderline-europe e.V. vom Dezember 2012, S. 52f.; Bericht von ASGI vom 20. November 2011, S. 10 ff.
53Dies entspricht im Ergebnis der Einschätzung des Auswärtigen Amtes, wonach für überstellte Personen mit Schutzstatus die Erlangung von Unterkunft und Arbeit in erster Linie von Eigeninitiative und der Hilfestellung von Nichtregierungsorganisationen abhängt, so dass ein Abgleiten in die Obdachlosigkeit zwar generell möglich, aber keineswegs zwingende Folge ist,
54vgl. Auskunft der Deutschen Botschaft vom 21. Januar 2013, Ziff. 5.5, 7; so auch VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2013 - 6 K 7204/12.A, juris, m.w.N.
55Wie bereits ausgeführt, ist die Gesundheitsvorsorge zwar rechtlich gewährleistet, jedoch in der Praxis zuweilen mit Schwierigkeiten verbunden. Hierzu führt das Auswärtige Amt im Januar 2013 ausdrücklich aus, dass die Gesundheitsfürsorge grundsätzlich für alle Ausländer, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind, gewährleistet ist. Die Ausländer müssen sich beim Servizio Sanitario Nazionale (Nationaler Gesundheitsdienst) melden und registrieren lassen. Dafür benötigten sie einen Aufenthaltstitel, ihre Steuernummer sowie eine feste Adresse, wobei deren eigene Angabe genügt. Selbst bei einem fehlenden festen Wohnsitz können sie sich um eine Sammeladresse bemühen. Die Caritas bietet solche Adressen für Personen an, die einen solchen nicht haben, ihn jedoch u.a. für den Erhalt der Gesundheitskarte benötigen. Eine solche „virtuelle Wohnsitznahme“ ist insbesondere in Rom recht umfangreich möglich. Im Übrigen steht nach vorzitierter Auskunft des Auswärtigen Amtes eine kostenfreie medizinische Versorgung selbst Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft untergebracht sind. Die stets bestehende Notambulanz sei -ungeachtet einer Registrierung- für alle Personen kostenfrei zugänglich. Aktuell sei die Not- und Grundversorgung selbst für illegal aufhältige Personen garantiert,
56vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 6.2; borderline-europe e. V. vom Dezember 2012, S. 46.
57Diesbezüglich anerkennt das Gericht jedoch, dass sich in Teilbereichen der Unterkunftserlangung und der Gewährung von Hilfen durchaus für Inhaber eines Schutzstatus in Italien Mängel und Defizite (nach wie vor) feststellen lassen. Insbesondere der nach Abschluss eines Asylverfahrens eintretende Verlust eines Anrechts auf eine staatliche Unterkunft und die dadurch bedingte Möglichkeit der Obdachlosigkeit ist durchaus ernst zu nehmen. Allerdings handelt es sich dabei derzeit nicht um landesweite Missstände, die für jeden Einzelnen oder eine weit überwiegende Anzahl von anerkannten Flüchtlingen die Gefahr einer extremen materiellen Armut begründet, die von den italienischen Behörden tatenlos hingenommen würde. Die vorhandenen Defizite bei der Unterbringung und der gesundheitlichen Versorgung reichen daher nicht dafür aus, dass Italien generell nicht mehr als sicherer Drittstaat anzusehen wäre. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass insoweit Art. 3 EMRK die Konventionsstaaten auch nicht etwa dazu verpflichtet, Schutzberechtigten ein Recht auf Unterkunft zu geben oder sie finanziell zu unterstützen, um ihnen einen gewissen Lebensstandard einschließlich bestimmter Standards medizinischer Versorgung zu ermöglichen,
58vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30969/09 –, juris Rn. 249; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris Rn. 118.
59Generell reicht die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten,
60vgl. EGMR, Beschluss vom 2. April 2013 – 27725/10 –, juris.
61Art. 3 EMRK ist im Kern ein Abwehrrecht gegen unwürdiges Staatsverhalten im Sinne eines strukturellen Versagens bei dem durch ihn zu gewährenden angemessenen materiellen Mindestniveau und weniger ein individuelles Leistungsrecht einzelner Antragsteller auf bestimmte materielle Lebens- und Sozialbedingungen selbst,
62vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. April 2013 – 17 L 660/13.A –, juris Rn. 43, m.w.N.
63Die Antragsteller müssen sich nach alledem daher auf den in Italien für alle italienischen Staatsangehörigen geltenden Versorgungsstandard – somit auch auf den medizinischen Behandlungs- und Medikamentationsstandard – verweisen lassen, auch wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entsprechen mag,
64vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. April 2013 – 17 L 660/13.A –, juris Rn. 42, s.a. OVG NRW, Beschluss vom 5. August 2004 – 13 A 2160/04.A –, juris (noch zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG 1990, heute § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG).
65Entgegen der Ansicht des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller ist es auch nicht maßgeblich, wie ein vor der Großen Kammer des EGMR anhängiges und im Februar 2014 verhandeltes Verfahren zu Italien (offenbar U. ./. Schweiz; EGMR 29217/12) entschieden wird. Es ist ungewiss, inwieweit der EGMR in jenem Verfahren fallübergreifende Feststellungen zu den Verhältnissen in Italien treffen oder die konkreten Verhältnisse des zu entscheidenden Falles -ungeachtet der Frage, ob es sich überhaupt bei den Beschwerdeführern um anerkannte Flüchtlinge handelt- in den Vordergrund stellen wird; die Entscheidung hierzu steht -soweit ersichtlich- noch aus. Ungeachtet dessen bestand jedoch keine Veranlassung, zur Gewinnung der für die Entscheidungsfindung erforderlichen Überzeugung noch weitere Gutachten, Auskünfte oder Stellungnahmen zur Situation der anerkannten Flüchtlinge in Italien einzuholen. Denn die vorliegenden Erkenntnismittel haben im Ergebnis ausgereicht, dem Gericht diese Überzeugung bereits in einem ausreichenden Maße zu vermitteln.
66bb. Die Antragsteller gehören auch nicht zu einer gegebenenfalls besonders schutzbedürftigen Personengruppe.
67Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen kann es zwar im Einzelfall aus individuellen, in der Person der Antragsteller liegenden und damit von dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ bzw. dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ von vornherein nicht erfassten Gründen – wenn auch nur vorübergehend – geboten sein, von Überstellungen in den anderen Mitgliedstaat abzusehen. Anhaltspunkt für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls kann geben, ob einer der Antragsteller eine Personen mit besonderen Bedürfnissen gemäß Art. 20 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU ist und er nach einer Einzelfallprüfung entsprechend eingestuft wurde.
68Beachtliche, in der Person der Antragsteller liegende Gründe von der Überstellung nach Italien abzusehen liegen indes nicht vor. Für die Antragstellerin zu 1. ist mit fachärztlichem Attest vom 29. April 2014 im Wesentlichen geltend gemacht, „es bestehe der dringende Verdacht auf eine schwere Posttraumatische Belastungsstörung, die der dringenden psychotherapeutischen Behandlung bedarf“. Aufgrund dieses Attestes ist es schon nicht hinreichend dargelegt, dass die Antragstellerin zu 1. tatsächlich an einer „schweren posttraumatischen Belastungsstörung“ leidet, sondern allenfalls, dass ein entsprechender Verdacht besteht, der der diagnostischen Abklärung bedarf. In diesem Zusammenhang wird angemerkt, dass der Zeitpunkt der Attestierung der angeblichen Erkrankung auffällig ist. Denn das Attest ist nur wenige Tage nach Zustellung (24. April 2014) des ablehnenden Bescheides vom 17. April 2014, nämlich am 29. April 2014 erstellt worden. Die Antragstellerin zu 1. hat bislang in verschiedenen Ländern der Europäischen Union Asylanträge gestellt (Italien, Schweiz, Frankreich, sowie Schweden und nunmehr in der Bundesrepublik Deutschland) und Syrien bereits nach eigenen Angaben im Juli 2009 Richtung Italien verlassen. Danach hat sie sich zunächst ca. 4-5 Monate in Rom aufgehalten, ist dann nach einem etwa sechsmonatigen Aufenthalt in der Schweiz wieder nach Rom zurückgekehrt um dort ca. ein ganzes weiteres Jahr zu bleiben. Schließlich will sie für zwei Monate nach Frankreich und sodann circa 13 Monate in Schweden gewesen sein um abermals für eine Woche nach Rom zurückzukehren. Hätte die geltend gemachte posttraumatische Erkrankung - nunmehr nach durch nichts belegtem Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zu 1. vom 15. Juli 2014 eine depressive Störung mit Suizidneigung- bereits jeweils in den anderen Ländern, insbesondere in Italien -wo die Antragstellerin insgesamt über anderthalb Jahre war- vorgelegen, hätte nichts näher gestanden, diese bereits zu Anfang beim Bundesamt geltend zu machen. Von etwaigen eigenen Erkrankungen war bei der Antragstellung dort im Juli 2013 indes ebensowenig wie im gesamten Verwaltungsverfahren die Rede (Anhörung am 18. Juli 2013: „Ich fühle mich gesund … Ich bin nicht behandlungsbedürftig erkrankt“). Es drängt sich daher der Eindruck einer bloßen Gefälligkeitsbescheinigung auf.
69Selbst wenn die behauptete Erkrankung aber unterstellt würde, ist weiter nicht nachvollziehbar vorgetragen, diese sei in Italien nicht behandelbar bzw. auch eine entsprechende Medikamentation unmöglich. Nach der derzeitigen Erkenntnislage trifft das nicht zu. Die Gesundheitsversorgung und der Zugang zu ihr ist in Italien für anerkannte Flüchtlinge trotz zuweilen auftretender zumutbarer praktischer Erschwernisse hinreichend gewährleistet. Es wurde bereits dargelegt, dass einem anerkannten Schutzberechtigten auch bei der medizinischen Versorgung dieselben Rechte wie italienischen Staatsangehörigen zustehen. Die -dem Flüchtling ohne Weiteres zumutbare- Anmeldung beim Servizio Sanitario Nazionale ist obligatorisch und ermöglicht die Ausstellung eines Gesundheitsausweises, der zur Behandlung bei einem praktischen Arzt, Kinderarzt, in Ambulanzen und bei Spezialisten oder zur Aufnahme in ein Krankenhaus berechtigt (siehe zuvor A. II. 1. b. aa.). Es existiert ferner kostenfreier Zugang zu allen medizinischen öffentlichen Leistungen (Arzt, Zahnarzt, Krankenhaus); die stets bestehende Notambulanz ist -ungeachtet einer Registrierung - für alle Personen ebenfalls kostenfrei zugänglich,
70vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 6.2, 7., 8.1; borderline-europe e.V. vom Dezember 2012, S. 46.
71Eine ärztliche Versorgung ist ausweislich der Erkenntnislage auch gewährleistet, sofern es um die Behandlung von psychischen bzw. traumatischen Erkrankungen geht,
72vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 8.1; Bericht der Deutschen Botschaft „Sozialpolitische Informationen Italien“ aus Januar 2012, S. 25f.
73Es ist danach nicht erkennbar, die Antragstellerin zu 1. könnte in Italien unzureichend behandelt werden, bestünde denn ihre (behauptete) Erkrankung tatsächlich. Schließlich lassen ihre Ausführungen beim Bundesamt (etwa im Jahre 2009/2010 sehr schlechte Lage im Asylheim in Italien, erforderliche neue Unterkunft nach sechs Monaten, zwei Monate keine Sozialhilfe) eine besondere Schutzbedürftigkeit hier nicht erkennen.
74Hinsichtlich des etwas über fünfzigjährigen Antragstellers zu 2. ist ebenso nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass nicht jedenfalls er sich um den Lebensunterhalt und die Versorgung seiner Familie wird kümmern können. Auch seine Ausführungen beim Bundesamt lassen eine besondere Schutzbedürftigkeit nicht erkennen (Anhörung am 18. Juli 2013: „Ich fühle mich gesund … Ich bin nicht behandlungsbedürftig erkrankt“); schließlich hat der Antragsteller zu 2. -wie übrigens die Antragstellerin zu 1. auch- bei seiner dortigen Anhörung keine Einwände erhoben, dass sein Antrag in Italien wieder geprüft werde (Anhörung Frage 24).
75Endlich begründet allein die Minderjährigkeit der Antragsteller zu 3. (ca. 5 Jahre) und 4. (ca. 4 Jahre) eine besondere Schutzbedürftigkeit nicht. Sie sollen gemeinsam mit ihren Eltern, den Antragstellern zu 1. und 2., nach Italien zurückgeführt werden; Anhaltspunkte für -hinreichend beachtliche- Erkrankungen bei dem Antragsteller zu 4. sind weder vorgebracht noch ersichtlich. Hinsichtlich des Antragstellers zu 3. liegt offenbar eine Entwicklungsstörung des Sprechens oder der Sprache (Dyslalie sowie Dysgrammatismus) vor, wobei neurologische oder sonstige pädiatrische Besonderheiten nicht festgestellt wurden (siehe Heilmittelverordnung vom 21. Mai 2014). Als Therapieziel wurde die „Verbesserung / Normalisierung sprachl. / kommunikativer Fähigkeiten“ benannt. Im Attest des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin vom 22. Mai 2014 wurde ferner, noch ohne nähere Ausführungen dazu „frühkindlicher Autismus“ (in dem Überweisungsschein an die Ausländerbehörde hieß es einen Tag zuvor noch zum frühkindlichen Autismus „z.A.“ [zur Abklärung]) sowie eine „Verhaltens- und emotionale Störung mit Beginn der Kindheit“ diagnostiziert und diverse -nicht medikamentöse- Therapiemaßnahmen vorgeschlagen (u.a. Einzeltherapie mit begleitender Elternarbeit; Kooperation der Therapeuten mit dem Kindergarten bzw. dem Sozialamt; Gewährleistung eines Lebensortes, der das Risiko der Störungen minimiere). Auch diese diagnostizierten Erkrankungen -ihr Vorliegen unterstellt- können in Italien hinreichend behandelt werden. Es besteht für anerkannte Schutzberechtigte, wie für italienische Staatsbürger, freie Arztwahl. Zwar muss zunächst -abgesehen von Notfällen- ein Hausarzt aufgesucht werden, der dann eine Überweisung an einen Spezialisten, wie einen Kinderarzt oder das Krankenhaus, vornimmt. Gegebenenfalls muss auch bei Fachärzten mit langen Wartezeiten für Termine gerechnet werden, dies trifft aber Italiener gleichermaßen und ist zumutbar, zumal sich insoweit das System in diesem Punkt nicht grundlegend von dem hiesigen unterscheidet,
76vgl. Bericht der Deutschen Botschaft „Sozialpolitische Informationen Italien“ aus Januar 2012, S. 26; Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 6.2.
77Soweit die Antragsteller zu. 3. und 4., die Argumentation des Prozessbevollmächtigten unterstellt, keine in Italien anerkannten Flüchtlinge wären und unter das Regime der Dublin VO fielen (s.o. A II 1 a.), ergäbe sich hier nichts anderes. Ungeachtet dessen, dass die medizinische Behandlung von Personen mit internationalem Schutzstatus den anderen Familienangehörigen, also auch den Antragstellern zu 3. und 4. gleichermaßen zukäme,
78vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 6.2.,
79wäre ohnehin auch hier kein besondere Schutzbedürftigkeit der Antragsteller zu 3. und 4. gegeben, die die Geltendmachung des Selbsteintrittsrechts der Bundesrepublik Deutschland geböte. Insoweit wird auf die Rechtsprechung der Kammer, die durch das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein Westfalen Bestätigung gefunden hat, Bezug genommen und sich diese zu Eigen gemacht. Die behaupteten Erkrankungen wären im Falle des noch laufenden Asylverfahrens behandelbar und auch der Zugang zu einer Behandlung gewährleistet,
80vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 26. April 2013 - 17 K 1777/12.A, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 24. Mai 2013 - 17 K 7223/12.A, juris VG Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2013 - 17 K 4737/12.A, juris, jew. m.w.N.; i.Ü. grundsätzlich OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A, juris.
81cc. Schließlich liegt keine (weitere) der vom Bundesverfassungsgericht zur Abschiebungsanordnung nach §§ 34a Abs. 1, 26a AsylVfG gebildeten Fallgruppen zur Bestimmung der Ausnahmen vom „Konzept der normativen Vergewisserung“ vor,
82vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 ‑ 2 BvR 1938/93 –, juris Rn. 189.
83Weder droht den Antragstellern in Italien die Todesstrafe, noch besteht die erhebliche konkrete Gefahr dafür, dass sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Überstellung dort Opfer eines Verbrechens werden, welches zu verhindern nicht in der Macht Italiens steht. Zudem ist nicht ersichtlich, dass Italien selbst zum Verfolgerstaat werden wird.
842. Ebenso steht – nach dem im Eilverfahren angelegten Maßstab der summarischen Prüfung – fest, dass die Abschiebung im Sinne von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG durchgeführt werden kann.
85a. Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote liegen nicht vor. Für die Antragsteller besteht in Italien keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.
86Eine Gefahr im Sinne dieser Norm für die dort benannten Rechtsgüter ist erheblich, wenn eine Beeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände im Zielstaat wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde,
87vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.5 –, juris Rn. 15; BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 ‑ 9 C 58.96 –, juris Rn. 13.
88Eine solche Verschlechterung kann zwar grundsätzlich infolge einer schweren psychischen Erkrankung eintreten, dies hat die Antragstellerin zu 1. aber nicht hinreichend dargelegt. Das von ihr vorgelegte Attest vom 29. April 2014 lässt im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung aus den bereits genannten Gründen (s. A II 1 b. bb.) den Schluss auf eine solche Erkrankung gerade mit der notwendigen zielstaatsbezogenen Verschlechterung nicht zu, zumal dort ohnehin nur von einem entsprechenden Verdacht gesprochen wird und die vom Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 15. Juli 2014 behauptete „Behandlungsbedürftige schwere depressive Störung mit Suizidneigung, die die Betreuung und Aufsicht naher Angehöriger“ geböte, durch nichts belegt und daher eine bloße unsubstantiierte Behauptung ist. Das vorzitierte Attest und die sonstigen beigefügten Anlagen geben dafür jedenfalls nichts her. Abgesehen von der fehlenden Glaubhaftigkeit einer psychischen Erkrankung liegen, wie bereits ausgeführt, aber auch keine Anhaltspunkte dafür vor, eine gegebenenfalls erforderliche Behandlung von psychischen Störungen sei in Italien nicht zureichend gewährleistet (vgl. A II 1 b. bb.). Daher drohen der Antragstellerin zu 1. keine der in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beschriebene Gefahren mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.
89Es ist auch nichts dafür erkennbar, der Gesundheitszustand des Antragstellers zu 3. verschlechtere sich mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit derart im Sinne des zuvor genannten Maßstabes bei einer Rückführung nach Italien. Soweit im Attest vom 22. Mai 2014 die Rede davon ist, eine Rückführung der Familie in ihre Heimat würde die Symptomatik verstärken, wird zunächst angemerkt, dass eine Rückführung des Antragstellers zu 3. gemeinsam mit seiner Familie in einen sicheren Mitgliedstaat der Europäischen Union ansteht, nicht aber die Abschiebung in die Heimat - nämlich Syrien - selbst. Unbeschadet dessen besteht eine beachtliche Wahrscheinlichkeit nicht, dass bei einem Aufenthalt im Zielland Italien die entsprechenden Gefahren drohten. Denn auch die Erkrankung des Antragstellers zu 3. (vgl. zu ihr bereits unter A II 1 b. bb.) kann in Italien behandelt werden, insbesondere ist eine kinderärztliche Betreuung sowie sind sonstige adäquate medizinische Behandlungs- und Betreuungsmöglichkeiten -wie dort für Inländer- gegeben und zugänglich,
90vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 6.2, 7., 8.1.
91Soweit im Attest vom 22. Mai 2014 weiter ausgeführt wird, „nur ein dauerhafter Aufenthaltsstatus der Familie in der Bundesrepublik Deutschland kann zu einer positiven Veränderungen der o.g. Störungen des Kindes beitragen“, wird darauf hingewiesen, dass es für den bei § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG anzulegenden Maßstab auf die besondere Intensität der Beeinträchtigung im Zielstaat -Italien- ankommt und nicht auf eine hiesige mögliche Verbesserung. Denn der Asylbewerber bzw. anerkannt Schutzberechtigte muss sich grundsätzlich auf den Behandlungs- und Medikamentationsstandard im Überstellungsstaat verweisen lassen, selbst wenn dieser dem hiesigen Niveau -wofür aber keine Anhaltspunkte ersichtlich sind- nicht entsprechen sollte,
92vgl. -zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG 1990, heute § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG- OVG NRW, Beschluss vom 5. August 2004 - 13 A 2160/04.A, juris.
93Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Entscheidung mehr, ob den Antragstellern zu 1. und 3. nicht von vornherein die Berufung auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aufgrund der Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG versagt bliebe, weil die eventuellen Schwierigkeiten, die bei der Gewährung medizinischer Versorgung und Medikamentation mit möglicherweise daraus resultierenden Beeinträchtigungen bestünden (etwa Eigenbeteiligungen an bestimmten Medikamenten, sog. „tickets“ bei Eigenbeteiligungen an bestimmten Behandlungen, vgl. Bericht der Deutschen Botschaft „Sozialpolitische Informationen Italien“ aus Januar 2012, S. 25, 27), nicht individuell, sondern allgemein für die Bevölkerungsgruppe aller ganz oder nahezu mittellosen Kranken in Italien drohten,
94vgl. in diese Richtung VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Januar 2013 - 6 L 104/13.A, juris (noch zu § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG a.F.); zuletzt so für Bulgarien die erkennende Kammer, Beschluss vom 14. Juli 2014 - 17 L 870/14.A.
95b. Sofern im Rahmen des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG vom Antragsgegner auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe zu prüfen wären,
96vgl. so OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2011 – 18 B 1060/11 –, juris Rn. 4,
97stünden solche nicht entgegen. Etwas anderes ergibt sich nicht im Hinblick auf die behauptete Erkrankung der Antragstellerin zu 1. Ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis in Form von Reiseunfähigkeit liegt nur vor, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers unmittelbar durch die Ausreise bzw. Abschiebung oder als unmittelbare Folge davon voraussichtlich wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern wird. Das ist bei einer psychischen Erkrankung etwa der Fall, wenn im Rahmen einer Abschiebung das ernsthafte Risiko einer Selbsttötung gegeben ist und keine hinreichenden Vorkehrungen getroffen werden können, die das Risiko im Falle der Abschiebung verlässlich ausschließen,
98vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Mai 2007 - 19 B 352/07 -, juris Rn. 5 m.w.N.
99Im Hinblick auf die Antragstellerin zu 1. sind eine im vorgenannten Sinne beachtliche Erkrankung und das ernsthafte Risiko, ihr Zustand würde sich bei einer Abschiebung wesentlich oder lebensbedrohlich verschlechtern, nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Dem vorgelegten Attest vom 29. April 2014 sind keinerlei konkreten Angaben über die Reise(un)fähigkeit zu entnehmen. Selbst die behauptete psychische Erkrankung unterstellt, führte diese nicht zwingend zu einer Reiseunfähigkeit. In diesem Zusammenhang wird angemerkt, dass alle hiesigen Antragsteller im EU-Raum bereits eine offenbar problemlos von ihrer Konstitution mögliche rege gemeinsame Reisetätigkeit in den letzten Jahren entwickelt haben (Aufenthalt in Italien mit zweimaliger Rückkehr dorthin, Schweiz, Frankreich, Schweden und der Bundesrepublik Deutschland). Die pauschale Behauptung der Suizidgefährdung ist im Übrigen durch nichts belegt. Unabhängig davon und ein Suizidrisiko einmal unterstellt, ist schließlich mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen, dieser Gefahr könnte im Rahmen der Rückführungsmaßnahme durch ärztliche Hilfe oder in sonstiger Weise wirksam begegnet werden.
100Hinsichtlich des minderjährigen Antragstellers zu 3. sind ebenfalls keine inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisse ersichtlich. Reiseunfähigkeit ist schon im Ansatz nicht erkennbar. Wie sich unmittelbar durch eine Rückführung oder als unmittelbare Folge dieser der Gesundheitszustand des Antragstellers zu 3., der im Kern an einer sprachlichen Entwicklungs- und Verhaltensstörung, ggf. einem frühkindlichen Autismus leidet, wesentlich oder gar lebensbedrohlich Verschlechtern soll, bleibt der Antragsteller (und bleiben die Atteste) schuldig.
101Für sonstige Abschiebungshindernisse ist im Übrigen nichts ersichtlich.
102B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert beruht auf § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
103C. Mangels hinreichender Erfolgsaussichten in der Hauptsache war auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen, § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung.
104Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 30. Juni 2014 - A 7 K 880/14 - geändert, soweit es der Klage stattgegeben hat.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
Entscheidungsgründe
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
Gründe
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
1
Gründe:
2Der am 7. Oktober 2014 bei Gericht sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage (17 K 6583/14.A) gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 25. September 2014 insoweit anzuordnen, als in Ziffer 2 des Bescheides die Abschiebung nach Bulgarien angeordnet wird,
4hat keinen Erfolg.
5A. Er ist zulässig (I.), jedoch unbegründet (II.).
6I. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist – wie sich auch aus § 34a Abs. 2 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) ergibt – der statthafte Rechtsbehelf. Die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG stellt einen belastenden Verwaltungsakt dar, dessen Aufhebung im Hauptsacheverfahren im Wege der Anfechtungsklage von dem Betroffenen verfolgt werden kann,
7vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, juris Rn. 28 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Juli 2014 – 17 L 1194/14.A –, juris Rn. 5; VG Düsseldorf, Urteil vom 23. April 2013 – 17 K 4548/12.A –, juris Rn. 15 ff.
8Der erhobenen Anfechtungsklage – 17 K 6583/14.A – kommt entgegen § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht schon kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zu, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 75 Abs. 1 AsylVfG.
9Die Antragstellung bei Gericht am 7. Oktober 2014 ist auch innerhalb der Wochenfrist ab Bekanntgabe – hier: Zustellung am 1. Oktober 2014 – erfolgt, § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG.
10II. Der Antrag ist unbegründet.
11Das öffentliche Vollzugsinteresse an der sofort vollziehbaren Abschiebungsanordnung überwiegt bei einer an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientierten Abwägung das Interesse der Antragsteller am vorläufigen Verbleib im Bundesgebiet.
12Die Abschiebungsanordnung ist nach summarischer Prüfung offensichtlich rechtmäßig. Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) abgeschoben werden (1.), ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AsylVfG an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann (2.).
13Diese Voraussetzungen liegen vor.
141. Bulgarien ist als Mitgliedstaat der Europäischen Union „sicherer Drittstaat“ im Sinne von § 26a AsylVfG. Nach § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kann sich ein Ausländer nicht auf Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz (GG) berufen, wenn er aus einem Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG eingereist ist.
15a. Der Anwendung des Art. 16a Abs. 2 GG und der §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylVfG geht nicht die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (sog. Dublin III VO) vor. Denn diese findet auf Ausländer, die in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, nachdem ihnen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ‑ hier: Bulgarien – die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Richtlinie 2011/95/EU) zuerkannt worden ist, keine Anwendung,
16vgl. angedeutet in BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 C 7.13 –, juris Rn. 26; VG Düsseldorf, Urteil vom 9. September 2014 – 17 K 2897/14.A –, n.V.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Juli 2014 ‑ 17 L 1194/14.A –, juris Rn. 14; so auch zur Vorgängerregelung Dublin II VO Nr. 343/2003: VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Januar 2013 – 6 L 104/13.A –, juris Rn. 20; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2013 – 6 K 7204/12.A –, juris; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: November 2013, § 27a AsylVfG Rn. 34.
17Die Dublin III VO unterscheidet ausdrücklich zwischen „Antragsteller“, Art. 2 lit. c Dublin III VO und „Begünstigter internationalen Schutzes“, Art. 2 lit. f Dublin III VO. Antragsteller im Sinne der Verordnung ist danach derjenige, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den noch nicht endgültig entschieden wurde, wohingegen „Begünstigter internationalen Schutzes“ derjenige ist, dem internationaler Schutz zuerkannt wurde. Das Verfahren zur Bestimmung des für eine Bearbeitung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaates wird nach Art. 20 Abs. 1 Dublin III VO (nur) eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird. Dieses Verfahren ist indes nicht mehr einschlägig, wenn der Ausländer bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach dortigem Antrag auf internationalen Schutz die Flüchtlingseigenschaft oder den subsidiären Schutzstatus – wie hier die Antragsteller in Bulgarien mit Entscheidung vom 11. Februar 2014 – erhalten hat. Dementsprechend sieht auch Art. 18 Abs. 1 lit. a bis d Dublin III VO keine Pflicht des zuständigen Mitgliedstaates im Falle des positiven Bescheides über einen Antrag auf internationalen Schutz vor. Für eine Ausübung des in Art. 17 Abs. 1 Dublin III VO geregelten Selbsteintrittsrechts der Mitgliedstaaten ist dann ebenfalls von vornherein kein Raum mehr.
18b. Bulgarien ist nach dem im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzulegenden Prüfungsmaßstab als Mitgliedstaat der Europäischen Union jedenfalls für die Fälle des Antragstellern gewährten internationalen Schutzes ein „sicherer Drittstaat“ im Sinne von Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG.
19aa. Der vorgenannten Verfassungsnorm liegt das „Konzept der normativen Vergewisserung“ über die Sicherheit im Drittstaat zugrunde. Diese normative Vergewisserung bezieht sich darauf, dass der Drittstaat einem Betroffenen, der sein Gebiet als Flüchtling erreicht hat, den nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Konvention zum Schutze der Menschenrechte (EMRK) und den Grundfreiheiten gebotenen Schutz vor politischer Verfolgung und anderen ihm im Herkunftsstaat drohenden schwerwiegenden Beeinträchtigungen seines Lebens, seiner Gesundheit oder seiner Freiheit gewährt. Damit entfällt das Bedürfnis, ihm Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu bieten. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten als sicher kraft Entscheidung der Verfassung,
20vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 22 BvR 2315/93 –, juris Rn. 181.
21Dieses nationale Konzept steht im Einklang mit dem hinter der Schaffung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (vgl. Art. 78 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union) stehenden „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“. Selbiges beruht auf der Annahme, alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, beachteten die Grundrechte, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Richtlinie 2011/95/EU, der GFK sowie in der EMRK finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Unter diesen Bedingungen muss die ‑ freilich widerlegbare ‑Vermutung gelten, die Behandlung der Antragsteller als schutzberechtigt anerkannte Ausländer stehe in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den genannten Rechten,
22vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 und C-493/10 –, juris Rn. 10 ff., 75, 78, 80.
23Diese Annahmen zugrunde gelegt, greift die „sichere Drittstaatenregelung“ (nur) dann nicht, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, der Ausländer sei von einem Sonderfall betroffen, der von dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ bzw. dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ nicht aufgefangen werde,
24vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 –, juris Rn. 52 f., 60 zum „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“; BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93 –, juris Rn. 189 zum „Konzept der normativen Vergewisserung“.
25Von einem solchen Fall ist dann auszugehen, wenn es ernst zu nehmende und durch Tatsachen gestützte Gründe dafür gibt, dass in dem Mitgliedstaat, in den abgeschoben werden soll, in verfahrensrechtlicher oder materieller Hinsicht nach aktuellen Erkenntnissen kein hinreichender Schutz gewährt wird.
26Der Bezugspunkt für die Beurteilung des hinreichenden Schutzes hängt davon ab, ob der Ausländer bereits einen Schutzstatus in dem Land, in das er abgeschoben werden soll, erhalten hat oder nicht. Nur in letzterem Fall ist darauf abzustellen, ob das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische, dem ersuchenden Mitgliedstaat nicht unbekannte Mängel aufweisen, die für den Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr begründen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in dem ersuchten Mitgliedstaat im Sinne von Art. 4 / Art. 19 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtecharta) bzw. dem inhaltsgleichen Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein,
27vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 und C-493/10 –, juris Rn. 78 f., 84 ff. und 94.
28Hat der Ausländer indes – wie hier – bereits einen Schutzstatus erhalten, ist darauf abzustellen, ob der gebotene Inhalt des jeweiligen Schutzstatus hinreichend eingehalten wird oder ein Verstoß gegen die GFK vorliegt bzw. für den Inhaber des Schutzstatus eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in dem ersuchten Mitgliedstaat im Sinne von Art. 4 / Art. 19 Abs. 2 Grundrechtecharta bzw. dem inhaltsgleichen Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein.
29Dass die Verhältnisse in Bulgarien diesbezüglich hinter dem unionsrechtlich vorgesehenen Schutz dergestalt zurückbleiben, ist nach der gebotenen summarischen Prüfung zu dem für die Entscheidung nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt nicht zu erkennen.
30Soweit die Genfer Flüchtlingskonvention für anerkannte Flüchtlinge Wohlfahrtsregelungen enthält (Art. 20 ff. GFK), die vom anerkennenden Drittstaat zu beachten und vom Konzept der normativen Vergewisserung mit umfasst sind, gehen diese im Wesentlichen über Diskriminierungsverbote gegenüber den jeweiligen Inländern nicht hinaus. Namentlich im Bereich der öffentlichen Fürsorge und der sozialen Sicherheit verpflichtet die Genfer Flüchtlingskonvention den Drittstaat zur Inländergleichbehandlung (vgl. Art. 23, 24 GFK). Letztere ist nach den aktuellen Erkenntnissen gegeben. Eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der Antragsteller im Sinne von Art. 3 EMRK ist gleichfalls nicht ersichtlich.
31Der Inhalt des internationalen Flüchtlingsschutzes wird unionsrechtlich vorgegeben durch die Regelungen in Art. 20 bis 35 der Richtlinie 2011/95/EU. So gelten einheitliche Vorgaben etwa für die Erteilung des Aufenthaltstitels (Art. 24) und der Reisedokumente (Art. 25). Einem anerkannten Schutzberechtigten stehen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung (Art. 26), zur Bildung (Art. 27), zum Erhalt von Sozialhilfeleistungen (Art. 29) und medizinischer Versorgung (Art. 30) dieselben Rechte wie den jeweiligen Staatsangehörigen zu.
32Danach ist im Hinblick auf Bulgarien zwar anzuerkennen, dass die Lebensbedingungen (auch) für Personen mit zuerkannter Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiärem Schutzstatus dort nach den gegebenen Erkenntnissen prekär sind. Weder ist aber eine Verletzung der in Art. 26 ff. der Richtlinie 2011/95/EU vorgesehenen Gleichbehandlungsgebote erkennbar noch herrschen in Bulgarien derart handgreiflich eklatante Missstände, die die Annahme rechtfertigten, anerkannte Flüchtlinge bzw. subsidiär Schutzberechtigte würden einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung ausgesetzt und den Antragstellern müsste unabweisbar Schutz gewährt werden. Eine solche Behandlung muss vielmehr ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK zu gelten. Dieses Mindestmaß erreichen die Verhältnisse, denen anerkannte Flüchtlinge bzw. subsidiär Schutzberechtigte in Bulgarien ausgesetzt sind, derzeit nicht.
33Der UNHCR schildert in seinem Bericht „Current Situation of Asylum in Bulgaria“ zwar Schwierigkeiten anerkannter Flüchtlinge bzw. subsidiär Schutzberechtigter in Bulgarien,
34vgl. UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria, Stand: April 2014, Ziff. 2.7.
35So bestünde eine Lücke bei der Gesundheitsversorgung in der Zeit zwischen Anerkennung als Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte aufgrund der Änderung ihres Status im System. Sie hätten außerdem – wie die bulgarischen Staatsangehörigen auch – einen monatlichen Beitrag von umgerechnet 8,70 Euro für die Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu zahlen, von der indes Medikamente und psychologische Betreuung nicht eingeschlossen seien. Berichtet wird außerdem von Schwierigkeiten, eine gesicherte Beschäftigung zu erlangen. Neben der schwierigen wirtschaftlichen Situation seien einige strukturelle Hindernisse wie etwa die fehlende Anerkennung von Vorkenntnissen zu überwinden. Es fehle an gezielter Unterstützung. Außerdem mangele es an geeignetem und bezahlbarem Wohnraum. Auch die für eine erfolgreiche Integration erforderliche Bildung der Schutzberechtigten, insbesondere der Kinder, sei verbesserungswürdig.
36In den vorbezeichneten Defiziten ist eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung indes nicht zu erkennen. Art. 3 EMRK verpflichtet die Konventionsstaaten nicht etwa dazu, Schutzberechtigte finanziell zu unterstützen, um ihnen einen gewissen Lebensstandard einschließlich bestimmter Standards medizinischer Versorgung zu ermöglichen,
37vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30969/09 –, juris Rn. 249.
38Generell reicht die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten,
39vgl. EGMR, Beschluss vom 2. April 2013 – 27725/10 –, juris.
40Art. 3 EMRK ist im Kern ein Abwehrrecht gegen unwürdiges Staatsverhalten im Sinne eines strukturellen Versagens bei dem durch ihn zu gewährenden angemessenen materiellen Mindestniveau und weniger ein individuelles Leistungsrecht einzelner Antragsteller auf bestimmte materielle Lebens- und Sozialbedingungen selbst,
41vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. April 2013 – 17 L 660/13.A –, juris Rn. 43, m.w.N.
42Die Antragsteller müssen sich daher auf den in Bulgarien für alle bulgarischen Staatsangehörigen geltenden Versorgungsstandard verweisen lassen, auch wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entspricht,
43vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. April 2013 – 17 L 660/13.A –, juris Rn. 42, s.a. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. August 2004 – 13 A 2160/04.A –, juris (noch zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG 1990, heute § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG).
44Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die zur Frage der Ausgestaltung des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Bulgarien ergangene Rechtsprechung und die hierzu dem Gericht vorliegenden Berichte etwa des UNHCR, von Amnesty International und Asylum Information Database nicht heranzuziehen sind. Denn diese betreffen maßgeblich die Einhaltung der Mindeststandards für Asylbewerber und die Ausgestaltung des Asylverfahrens, also den Zugang zum Asyl- bzw. Flüchtlingsschutz bzw. die Durchführung des Verfahrens, nicht aber die Umsetzung des gewährten internationalen Schutzes,
45vgl. einen systemischen Mangel aufgrund der Auswertung der diesbezüglichen Erkenntnisse für Asylsuchende in Bulgarien verneinend etwa: VG Düsseldorf, Beschluss vom 12. September 2014 ‑ 13 L 1690/14.A – n.V.; VG Ansbach, Urteil vom 10. Juli 2014 – AN 11 K 14.30366 –, juris; VG Potsdam, Beschluss vom 14. November 2013 – 6 L 787/13.A –, juris; VG Regensburg, Beschluss vom 20. August 2012 – RN 9 S 12.30284 –, juris, alle m.w.N.
46bb. Die Antragsteller gehören auch nicht zu einer gegebenenfalls besonders schutzbedürftigen Personengruppe.
47Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen kann es zwar im Einzelfall aus individuellen, in der Person der jeweiligen Antragsteller liegenden und damit von dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ bzw. dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ von vornherein nicht erfassten Gründen geboten sein, von Überstellungen in den anderen Mitgliedstaat abzusehen. Anhaltspunkt für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls kann geben, ob es sich bei den Antragstellern um Personen mit besonderen Bedürfnissen gemäß Art. 20 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU handelt und sie gemäß Art. 20 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU nach einer Einzelfallprüfung entsprechend eingestuft wurden.
48Beachtliche, in der Person der Antragsteller liegende Gründe von einer Überstellung nach Bulgarien abzusehen liegen indes nicht vor. Bei ihnen handelt es sich um eine Familie, bestehend aus einem erwachsenen etwa 26 Jahre alten Mann, seiner 17 jährigen Ehefrau und der gerade zweijährigen Tochter. Aktuelle Erkrankungen oder sonstige gesundheitliche Beeinträchtigungen sind weder vorgetragen noch aus den Verwaltungsvorgängen ersichtlich. Bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt gaben die Antragsteller zu 1) und zu 2) vielmehr an, gesund zu sein. Auch sonst lassen ihre Ausführungen eine besondere Schutzbedürftigkeit nicht erkennen. Insoweit hat der Antragsteller zu 1) lediglich pauschal ausgeführt, man habe Bulgarien „aus wirtschaftlichen Gründen“ verlassen, auch sei die Tochter für fast drei Wochen erkrankt gewesen, Arbeit habe es ebenfalls keine gegeben, schließlich sei man nach Ankunft dort im Gefängnis gewesen.
49Im Hinblick auf die minderjährige Antragstellerin zu 3) kann den bei der Durchführung von Überstellungen in sichere Drittstaaten vor dem Hintergrund der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG allgemein besonders zu beachtenden Gesichtspunkten des Kindeswohls und der Familieneinheit,
50vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 1795/14 –, juris,
51durch die Aufnahme eines Maßgabevorbehaltes (siehe B. II. 2. b.) in hinreichendem Maße Rechnung getragen werden.
52cc. Schließlich liegt auch keine (weitere) der vom Bundesverfassungsgericht zur Abschiebungsanordnung nach §§ 34a Abs. 1, 26a AsylVfG gebildeten Fallgruppen zur Bestimmung der Ausnahmen vom „Konzept der normativen Vergewisserung“ vor,
53vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93 –, juris Rn. 189.
54Weder drohte den Antragstellern in Bulgarien die Todesstrafe, noch bestünde die erhebliche konkrete Gefahr, dass sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Überstellung nach dort Opfer eines Verbrechens würden, welches zu verhindern nicht in der Macht Bulgariens stünde. Zudem ist nicht ersichtlich, dass Bulgarien selbst zum Verfolgerstaat werden würde.
552. Ebenso ist die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG rechtmäßig und es steht fest, dass die Abschiebung – unter Berücksichtigung des unter b. ausgesprochenen Maßgabevorbehaltes – durchgeführt werden kann.
56a. Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) sind weder beachtlich vorgetragen noch sonst aus den beigezogenen Verwaltungsvorgängen ersichtlich. Insbesondere besteht für die Antragsteller – mangels hinreichend konkreter Gesundheitsbeeinträchtigungen – in Bulgarien gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben.
57Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Entscheidung mehr, ob ihnen nicht von vornherein die Berufung auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aufgrund der Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG versagt bliebe, sofern eventuelle Schwierigkeiten nicht individuell, sondern allgemein für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, der sie angehörten, in Bulgarien drohten,
58vgl. für die Gruppe aller ganz oder nahezu mittellosen Kranken in Bulgarien: VG Düsseldorf, Urteil vom 9. September 2014 – 17 K 2471/14.A –, n.V.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Juli 2014 ‑ 17 L 870/14.A –, n.V.
59b. Im Rahmen des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG hat das Bundesamt mit Blick auf den Wortlaut der Vorschrift („feststeht“) neben zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten auch zu prüfen, ob der Abschiebung inlandsbezogene Vollzugshindernisse entgegenstehen,
60vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 1795/14 –, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 – 18 B 1060/11 –, juris Rn. 4.
61Derartige inlandsbezogene Abschiebungshindernisse sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. Allerdings kann es in Einzelfällen – wie hier – geboten sein, notwendige Vorkehrungen zu treffen, damit eine grundsätzlich zulässige Abschiebung verantwortet werden kann. Insbesondere im gegebenen Fall der Rückführung in sichere Drittstaaten können die betroffenen Ausländer – anders als bei der Rückführung in ihr Heimatland – regelmäßig weder auf verwandtschaftliche Hilfe noch auf ein soziales Netzwerk bei der Suche nach einer Unterkunft für die Zeit unmittelbar nach ihrer Rückkehr zurückgreifen. Existieren belastbare Anhaltspunkte für das Bestehen von Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer in dem sicheren Drittstaat, hat die für die Abschiebung zuständige Behörde dem daher angemessen Rechnung zu tragen,
62vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 1795/14 –, juris, zur Rückführung von Inhabern internationalen Schutzes nach Italien.
63Anhaltspunkte für Kapazitätsengpässe bei der Unterbringung anerkannter Flüchtlinge bzw. subsidiär Schutzberechtigter bestehen in Anbetracht eines Mangels an geeignetem und bezahlbarem Wohnraum gegenwärtig auch für Bulgarien,
64vgl. UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria, Stand: April 2014, Ziffer 2.7; UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria, Stand: Januar 2014, Ziffer 2.8; UNHCR Where is my home? Homelessness and Access to Housing among Asylum-Seekers, Refugees and Persons with International Protection in Bulgaria, Stand: 2013, Ziffer 2.3.
65Demgemäß hat die Antragsgegnerin in Ansehung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
66vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 – 2 BvR 1795/14 –, juris,
67bei Rücküberstellungen nach Bulgarien eingedenk der grundrechtlichen Verbürgungen des Kindeswohls und der Familieneinheit (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 6 Abs. 1 GG) jedenfalls bei der Abschiebung von Familien mit Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren in Abstimmung mit den bulgarischen Behörden sicherzustellen, dass der Übergang in eine gesicherte Unterkunft gewährleistet ist, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren für diese in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen.
68Bei der Rückführung der Antragsteller zu 1) und 2) sowie der gerade einmal zweijährigen Antragstellerin zu 3) hat die Antragsgegnerin daher die Maßgabe zu beachten, vor einer Abschiebung nach Bulgarien in Abstimmung mit den dortigen Behörden sicherzustellen, dass für die Antragsteller unmittelbar nach Ankunft in Bulgarien der Übergang in eine gesicherte Unterkunft gewährleistet ist.
69B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
70Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 des Asylverfahrensgesetzes ‑ AsylVfG ‑) nicht vorliegt. Den Darlegungen des Klägers kann eine Klärungsbedürftigkeit der Frage,
3"ob Bulgarien (noch immer) als sicherer Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 S. 1 des Grundgesetzes anzusehen ist",
4nicht entnommen werden.
5Das Verwaltungsgericht hat im Einzelnen ausgeführt, warum diese Frage in tatsächlicher Hinsicht zu bejahen ist. Der Kläger legt keine konkreten Anhaltspunkte dafür dar, dass die vom Verwaltungsgericht benannten entscheidungserheblichen und über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Tatsachen einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich sind, so dass diese der Klärung bedarf.
6Vgl. zu den Darlegungserfordernissen bei der Grundsatzbedeutung von Tatsachenfragen zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO Seibert in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 124a Rn. 214.
7Dass Bulgarien als Mitglied der Europäischen Union ein sicherer Drittstaat ist, steht kraft normativer Vergewisserung des Verfassungsgesetzgebers fest (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes). Dem kann der Kläger nicht mit der bloßen Behauptung entgegentreten, diese Normativwertung sei falsch. Vielmehr bedarf es der konkreten Darlegung, dass es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass der Kläger von einem der vom Bundesverfassungsgericht herausgearbeiteten, im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist, wobei an diese Darlegung strenge Anforderungen zu stellen sind.
8Vgl. BVerfG, Urteil vom 14.5.1996 ‑ 2 BvR 1938, 2315/93, ‑, BVerfGE 94, 49 (99 f.); zu den Fallgruppen vgl. Marx, AsylVfG, 8. Aufl., § 26a Rn.3 ff.
9Die beiden vom Kläger dargelegten Umstände können keinen der genannten Sonderfälle begründen. So bemängelt der Kläger zum einen unter Bezugnahme auf einen UNHCR-Bericht mit Stand von April 2014, dass in Bulgarien für anerkannte Flüchtlinge und Personen mit subsidiärem Schutz Unklarheiten und Mängel vorlägen, die auch die aus der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 folgenden Rechte des Klägers beeinträchtigten. So konstatiere der UNHCR eine zwei Monate andauernde Lücke beim Zugang zur Gesundheitsversorgung, wenn Asylsuchende als Flüchtlinge anerkannt würden oder ihnen subsidiärer Schutz zugesprochen werde. Der Grund dafür sei eine Übergangsphase für die Änderung des Gesundheitsversorgungsstatus, die zwei Monate lang dauern könne. In diesem Zeitraum könnten Personen in den elektronischen Systemen als „nicht versichert" erscheinen. Zum anderen bemängelt er unter Bezugnahme auf den Bericht der bulgarischen State Agency for Refugees vom 1.8.2014, dass kein Integrationsprogramm für subsidiär Schutzberechtigte in den bulgarischen Arbeitsmarkt bestehe.
10Maßgebend für die gerichtliche Verneinung des Status eines sicheren Drittstaates für subsidiär Schutzberechtigte ist nicht, ob deren Lebensverhältnisse in dem Staat den europarechtlichen oder deutschen Anforderungen entsprechen oder ‑ wie auch das Verwaltungsgericht konstatiert hat ‑ prekär sind, sondern ob ein Sonderfall im obengenannten Sinne vorliegt. Hier kommt die im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangene Sonderfallgruppe in Betracht, dass der Drittstaat subsidiär Schutzberechtigte unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne des Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) unterwirft.
11Vgl. BVerfG, Urteil vom 14.5.1996 ‑ 2 BvR 1938, 2315/93, ‑, BVerfGE 94, 49 (99 f.)
12Da es hier nicht um die Behandlung von staatlicherseits Untergebrachten durch den bulgarischen Staat geht, stehen nicht staatliche Unterlassungspflichten aus Art. 3 EMRK in Rede. Vielmehr geht es darum, dass sich die Lebensverhältnisse des Klägers als subsidiär Schutzberechtigten in Bulgarien allgemein als unmenschlich oder erniedrigend darstellen könnten, es geht also darum, ob der Drittstaat insoweit bestehende Schutzpflichten verletzt.
13Vgl. zu den unterschiedlichen Gewährleistungsbereichen des Art. 3 EMRK Sinner in: Karpenstein/Mayer, EMRK, Art. 3 Rn. 9 ff.; Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl., Art. 3 Rn. 7 ff.
14Eine solche Schutzpflichtverletzung, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung durch den bulgarischen Staat darstellte, kann in der dargestellten Zweimonatslücke bei der Gesundheitsversorgung auch nicht im Ansatz gesehen werden. Insoweit kommt allenfalls das Fehlen einer gewissen Grundversorgung in Betracht.
15Vgl. Bank in:Dörr/Grote/Marauhn, EMRK/GG Konkordanzkommentar zum europäischen und deutschen Grundrechtsschutz, Bd. 1, 2. Aufl., Kap. 11 Rn. 110 ff.
16Das Fehlen eines Integrationsprogramms für den bulgarischen Arbeitsmarkt als solches ist nach den genannten Maßstäben für die Frage, ob Bulgarien ein sicherer Drittstaat ist, unerheblich, selbst wenn ein solches Fehlen europäischen Rechtsvorschriften widersprechen sollte (vgl. etwa Art. 26 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011). Nicht jeder Verstoß gegen Rechtsvorschriften stellt eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dar.
17Schließlich begründen auch die beiden zitierten Entscheidungen von Verwaltungsgerichten keine Klärungsbedürftigkeit. Das gilt schon deshalb, weil es sich lediglich um Entscheidungen im summarischen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes handelt. Im Übrigen sind auch insoweit keine Gesichtspunkte erkennbar, die einer von dem hier angegriffenen Urteil unterschiedlichen Würdigung im Berufungsverfahren zugänglich sind.
18Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Gerichtskosten ergibt sich aus § 83b AsylVfG.
19Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt L. aus E. wird abgelehnt.
1
Gründe:
2Der am 29. April 2014 bei Gericht sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage (17 K 2897/14.A) gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 17. April 2014 insoweit anzuordnen, als in Ziffer 2. des Bescheides die Abschiebung nach Italien angeordnet wird,
4hat keinen Erfolg.
5A. Er ist zulässig (I.), jedoch unbegründet (II.).
6I. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist – wie sich auch aus § 34a Abs. 2 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) ergibt – der statthafte Rechtsbehelf. Die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG stellt einen belastenden Verwaltungsakt dar, dessen Aufhebung im Hauptsacheverfahren im Wege der Anfechtungsklage von dem Betroffenen verfolgt werden kann,
7vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, juris Rn.28 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 23. April 2013 - 17 K 4548/12.A -, juris.
8Der erhobenen Anfechtungsklage – 17 K 2897/14.A – kommt entgegen § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht schon kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zu, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 75 Abs. 1 AsylVfG.
9Die Antragstellung bei Gericht am 29. April 2014 ist auch innerhalb der Wochenfrist ab Bekanntgabe – hier: 24. April 2014 – erfolgt, § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG.
10II. Der Antrag ist unbegründet.
11Das öffentliche Vollzugsinteresse an der sofort vollziehbaren Abschiebungsanordnung überwiegt bei einer an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientierten Abwägung das Interesse der Antragsteller am vorläufigen Verbleib im Bundesgebiet.
12Die Abschiebungsanordnung ist nach summarischer Prüfung offensichtlich rechtmäßig. Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) abgeschoben werden (1.), ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 1. Alt. AsylVfG an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann (2.).
13Diese Voraussetzungen liegen vor.
141. Italien ist „sicherer Drittstaat“ im Sinne von § 26a AsylVfG. Nach § 26a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AsylVfG kann sich ein Ausländer nicht auf Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz (GG) berufen, wenn er aus einem Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG eingereist ist.
15a. Der Anwendung des Art. 16a Abs. 2 GG und der §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylVfG geht entgegen der Ansicht der Antragteller nicht die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (sog. Dublin III VO) vor. Dabei kann es offen bleiben, ob auf den gegebenen Fall noch die Vorgängerregelung, die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (sog. Dublin II VO) einschlägig wäre (vgl. insoweit Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III VO - hierfür spricht, dass die Asylanträge der Antragsteller vor dem 1. Januar 2014 gestellt wurden-). Denn beide Regelwerke, die Dublin II ebenso wie die Dublin III Verordnung finden auf Ausländer, die in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, nachdem ihnen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union – hier in Italien – Flüchtlingsschutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Richtlinie 2011/95/EU) zuerkannt worden ist, überhaupt keine Anwendung mehr,
16vgl. für subsidiär schutzberechtigte Personen: VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Juli 2014 - 17 L 1193/17.A; zur Dublin II VO bereits: VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Januar 2013 – 6 L 104/13.A –, juris Rn. 20; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2013 – 6 K 7204/12.A –, juris; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: November 2013, § 27a AsylVfG Rn. 34.
17Die Dublin III VO unterscheidet -ebenso wie der Sache nach die Dublin II VO- ausdrücklich zwischen „Antragsteller“, Art. 2 lit. c Dublin III VO (Art. 2 lit. d Dublin II VO) und „Begünstigter internationalen Schutzes“, Art. 2 lit. f Dublin III VO (Art. 2 lit. g Dublin II VO [„Flüchtling“]). Antragsteller im Sinne der Dublin III Verordnung ist danach derjenige, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den noch nicht endgültig entschieden wurde, wohingegen „Begünstigter internationalen Schutzes“ derjenige ist, dem internationaler Schutz zuerkannt wurde. Das Verfahren zur Bestimmung des für eine Bearbeitung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaates wird nach Art. 20 Abs. 1 Dublin III VO (Art. 4 Abs. 1 Dublin II VO) nur eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird. Dieses Verfahren ist indes nicht mehr einschlägig, wenn der Ausländer bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach dortigem Antrag auf internationalen Schutz Flüchtlingsschutz – wie hier die Antragsteller ausweislich der Mitteilungen der italienischen Behörden vom 28. November 2013 in Italien; vgl. für die unter den Familienverband fallenden Antragsteller zu 3. und 4. Art. 23 Abs. 2 i.V.m. Art. 2 lit. j Richtlinie 2011/95/EU – erhalten hat. Dementsprechend sieht auch Art. 18 Abs. 1 lit. a bis d Dublin III VO (Art. 16 Abs. 1 lit. a und c bis e Dublin II VO) keine Pflicht des zuständigen Mitgliedsstaates im Falle des positiven Bescheides über einen Antrag auf internationalen Schutz vor. Für eine Ausübung des in Art. 17 Abs. 1 der Dublin III VO (Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO) geregelten Selbsteintrittsrechts der Mitgliedstaaten ist dann ebenfalls von vornherein kein Raum mehr. Hieraus folgt zugleich, dass die Antragsteller mit ihrem Vortrag, aufgrund ihnen in Italien drohender Gesundheitsgefahren lägen „systemische Mängel im Asylverfahren“ vor, die den um Überstellung ersuchenden Mitgliedstaat zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts verpflichteten, nicht durchdringen.
18Selbst wenn, der Ansicht des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller folgend, die minderjährigen Antragsteller zu 3. und 4. in Italien formal (noch) keinen Flüchtlingsschutz erhalten haben sollten -obwohl die Antragsteller zu 1. und 2. bei der Anhörung vor dem Bundesamt selbst davon sprachen, sie alle hätten einen gesicherten Aufenthaltsstatus und Aufenthaltstitel gehabt („wir“)-, mag dies allenfalls zwar insoweit zu einer Anwendung der Dublin VO für diese, nicht jedoch zu einer Änderung in der Sache führen (vgl. zudem Art. 9 Dublin III VO bzw. Art. 7 Dublin II VO). Die erkennende Kammer hat in ständiger Rechtsprechung bereits entschieden, in Italien seien systemische Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen einschließlich der Gesundheitsversorgung derzeit nicht auszumachen,
19vgl. etwa VG Düsseldorf, Urteil vom 24. Mai 2013 - 17 K 7223/12.A, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 26. April 2013 - 17 K 1777/12.A, juris; zuletzt für minderjährige Kinder: VG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Mai 2014 - 17 L 930/14.A.; auch bei Erkrankungen zuletzt: VG Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2013 - 17 K 4737/12.A, juris.
20Diese Rechtsauffassung hat jüngst in einer Grundsatzentscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, auf die entsprechend Bezug genommen wird, Bestätigung gefunden,
21vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A, juris.
22b. Italien ist nach dem im Eilverfahren anzulegenden Prüfungsmaßstab als Mitgliedstaat der Europäischen Union ein „sicherer Drittstaat“ im Sinne von Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG.
23aa. Der vorgenannten Verfassungsnorm liegt das „Konzept der normativen Vergewisserung“ über die Sicherheit im Drittstaat zugrunde. Diese normative Vergewisserung bezieht sich darauf, dass der Drittstaat einem Betroffenen, der sein Gebiet als Flüchtling erreicht hat, den nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Konvention zum Schutze der Menschenrechte (EMRK) und den Grundfreiheiten gebotenen Schutz vor politischer Verfolgung und anderen ihm im Herkunftsstaat drohenden schwerwiegenden Beeinträchtigungen seines Lebens, seiner Gesundheit oder seiner Freiheit gewährt. Damit entfällt das Bedürfnis, ihm Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu bieten. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten als sicher kraft Entscheidung der Verfassung,
24vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 22 BvR 2315/93 -, juris Rn. 181.
25Dieses nationale Konzept steht im Einklang mit dem hinter der Schaffung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (vgl. Art. 78 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union) stehenden „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“. Selbiges beruht auf der Annahme, alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, beachteten die Grundrechte, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Richtlinie 2011/95/EU, der GFK sowie in der EMRK finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Unter diesen Bedingungen muss die - freilich widerlegbare - Vermutung gelten, die Behandlung der Antragsteller als schutzberechtigt anerkannte Ausländer stehe in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den genannten Rechten,
26vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 und C-493/10 -, juris Rn. 10 ff., 75, 78, 80.
27Diese Annahmen zugrunde gelegt, greift die „sichere Drittstaatenregelung“ (nur) dann nicht, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, der Ausländer sei von einem Sonderfall betroffen, der von dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ bzw. dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ nicht aufgefangen werde,
28vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 –, juris Rn. 52 f., 60 zum „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“; BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93 –, juris Rn. 189 zum „Konzept der normativen Vergewisserung“.
29Von einem solchen Fall ist dann auszugehen, wenn es ernst zu nehmende und durch Tatsachen gestützte Gründe dafür gibt, dass in dem Mitgliedstaat, in den abgeschoben werden soll, in verfahrensrechtlicher oder materieller Hinsicht nach aktuellen Erkenntnissen kein hinreichender Schutz gewährt wird.
30Der Bezugspunkt für die Beurteilung des hinreichenden Schutzes hängt davon ab, ob der Ausländer bereits einen Schutzstatus in dem Land, in das er abgeschoben werden soll, erhalten hat oder nicht. Nur in letzterem Fall ist darauf abzustellen, ob das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische, dem ersuchenden Mitgliedstaat nicht unbekannte Mängel aufweisen, die für den Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr begründen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in dem ersuchten Mitgliedstaat im Sinne von Art. 4 / Art. 19 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtecharta) bzw. dem inhaltsgleichen Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein,
31vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 und C-493/10 –, juris Rn. 78 f., 84 ff. und 94; siehe dazu bereits zuvor II 1. a).
32Hat der Ausländer indes – wie hier – bereits einen Schutzstatus erhalten, ist darauf abzustellen, ob der gebotene Inhalt des jeweiligen Schutzstatus hinreichend eingehalten wird oder ein Verstoß gegen die GFK vorliegt bzw. für den Inhaber des Schutzstatus eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in dem ersuchten Mitgliedstaat im Sinne von Art. 4 / Art. 19 Abs. 2 Grundrechtecharta bzw. dem inhaltsgleichen Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein.
33Dass die Verhältnisse in Italien diesbezüglich hinter dem unionsrechtlich vorgesehenen Flüchtlingsschutz dergestalt zurückbleiben, ist nach der gebotenen summarischen Prüfung zu dem für die Entscheidung nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt nicht zu erkennen.
34Soweit die Genfer Flüchtlingskonvention für anerkannte Flüchtlinge Wohlfahrtsregelungen enthält (Art. 20 ff. GFK), die vom anerkennenden Drittstaat zu beachten und vom Konzept der normativen Vergewisserung mit umfasst sind, gehen diese im Wesentlichen über Diskriminierungsverbote gegenüber den jeweiligen Inländern nicht hinaus. Namentlich im Bereich der öffentlichen Fürsorge und der sozialen Sicherheit verpflichtet die GFK den Drittstaat zur Inländergleichbehandlung (vgl. Art. 23, 24 GFK). Letztere ist aber nach den aktuellen Erkenntnissen in Italien, wo einem anerkannten Asylbewerber hinsichtlich Aufenthalt, Freizügigkeit, Zugang zu Arbeit und medizinischer Versorgung dieselben Rechte wie italienischen Staatsangehörigen zustehen, gegeben,
35vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 7. und vom 11. Juli 2012, S. 2f.; vgl. auch den Bericht „Associazione per gli Studi Giuridici sull’immigrazione“ -ASGI- vom 20. November 2012, S. 10; s. aus der Rspr. ebenso VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Januar 2013 - 6 L 104/13.A, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2013 - 6 K 7204/12.A, juris; sogar für das Asylverfahren in Italien und die Einhaltung der dort gebotenen unionsrechtlichen Mindeststandards OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A., juris.
36Eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der Antragsteller im Sinne von Art. 3 EMRK ist gleichfalls nicht ersichtlich.
37Der Inhalt des internationalen Flüchtlingsschutzes wird unionsrechtlich vorgegeben durch die Regelungen in Art. 20 bis 35 der Richtlinie 2011/95/EU. So gelten einheitliche Vorgaben etwa für die Erteilung des Aufenthaltstitels (Art. 24) und der Reisedokumente (Art. 25 Abs. 1). Einem anerkannten Schutzberechtigten stehen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung (Art. 26), zur Bildung (Art. 27), zum Erhalt von Sozialhilfeleistungen (Art. 29) und medizinischer Versorgung (Art. 30) dieselben Rechte wie den jeweiligen Staatsangehörigen zu.
38Danach ist im Hinblick auf Italien zwar nach wie vor anzuerkennen, dass die Lebensbedingungen (auch) für Personen mit anerkanntem Schutzstatus nach den gegebenen Erkenntnissen schwierig sein können. Weder ist aber eine Verletzung der in Art. 26ff. der Richtlinie 2011/95/EU vorgesehenen Gleichbehandlungsgebote erkennbar noch herrschen in Italien derart handgreiflich eklatante Missstände, die die Annahme rechtfertigten, anerkannt Schutzberechtigte würden einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung ausgesetzt und den Antragstellern müsste unabweisbar Schutz gewährt werden. Eine solche Behandlung muss ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK zu gelten. Dieses Mindestmaß erreichen die Verhältnisse, denen anerkannt Schutzberechtigte in Italien ausgesetzt sind, nicht.
39In Italien erhalten mit der Anerkennung Schutzsuchende nach Auskunft der Deutschen Botschaft vom 21. Januar 2013 ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht und freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Es existiert eine staatliche Arbeitsvermittlung auf regionaler Ebene. Die Möglichkeit zur Aufnahme eines eigenen Gewerbes oder Handwerks besteht grundsätzlich und wird nach Möglichkeit gefördert. Weiterhin ist die Gesundheitsfürsorge für alle Ausländer, die einen Status haben, gewährleistet, es existiert ein kostenfreier Zugang zu sämtlichen öffentlichen medizinischen Leistungen, wofür aber ein Registrierung erforderlich ist; sie sind den italienischen Staatsangehörigen insoweit gleichgestellt,
40vgl. Auskunft der Deutschen Botschaft vom 21. Januar 2013, Ziff. 5.5, 6., 7.4 und vom 11. Juli 2012, S. 2; allg. zum italienischen Gesundheitssystem: Bericht der Deutschen Botschaft „Sozialpolitische Informationen Italien“ aus Januar 2012, S. 25f.
41Entsprechendes gilt nach Auskunft der Deutschen Botschaft von Januar 2012 auch für weitere Fürsorgeleistungen. Dem italienischen System ist es dabei zu eigen, dass auch italienische Staatsangehörige kein national garantiertes Recht auf Fürsorgeleistungen haben; insoweit müssen sich Ausländer, wie die Italiener auch, in der Praxis etwa selbst um eine Unterkunft bemühen. Die Zuständigkeit für die Festsetzung von Sozialleistungen liegt grundsätzlich im Kompetenzbereich der Regionen. Öffentliche Fürsorgeleistungen weisen demnach deutliche Unterschiede je nach regionaler und kommunaler Finanzkraft auf,
42vgl. Bericht der Deutschen Botschaft „Sozialpolitische Informationen Italien“ aus Januar 2012, S. 24.
43Die vorstehenden Ausführungen berücksichtigend, kommen insgesamt Personen mit einem internationalen Schutzstatus dieselben Rechte auf Fürsorge, Unterkunft und medizinische Versorgung zu wie (mittellosen) italienischen Staatsangehörigen. Den Auskünften sind diesbezüglich auch keine hinreichenden -eine andere Beurteilung rechtfertigenden- Anhaltspunkte für eine massiv diskriminierende Vollzugspraxis zu entnehmen,
44vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 7 und vom 11. Juli 2012, S. 2f.; vgl. auch den Bericht von ASGI vom 20. November 2012, S. 10; aus der Rspr.: VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2013 - 6 K 7204/12.A, juris, m.w.N.,
45Somit ist eine Verletzung der in Art. 26ff. der Richtlinie 2011/95/EU vorgesehenen Gleichbehandlungsgebote nicht erkennbar, so dass unter diesem Aspekt eine Verletzung von Art. 3 EMRK ausscheidet.
46Darüber hinaus liegen keine sonstigen allgemeinen humanitären Gründe vor, die der Rückführung der Antragsteller nach Italien zwingend entgegenstehen würden. Ungeachtet der Frage, ob bzw. wann überwiegend auf Armut zurückzuführende schlechte humanitäre Bedingungen den für eine Verletzung von Art. 3 EMRK erforderlichen Schweregrad erreichen,
47vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 23, 25; vgl. auch Schmahl/Winkler, Schutz vor Armut in der EMRK ?, in: Archiv des Völkerrechts 48 (2010), 405 (422 f.), wonach Art. 3 EMRK bei einer lebensbedrohlichen Mangellage bzw. einer zum Ausschluss selbstbestimmter Handlungen führenden Existenznot tangiert ist,
48lassen die dem Gericht vorliegenden Erkenntnisse nicht darauf schließen, dass die Antragsteller nach ihrer Rückführung nach Italien dort Lebensbedingungen ausgesetzt wären, die für sie auf unabsehbare Zeit eine Lage existenzbedrohender (extremer) materieller Armut befürchten ließen.
49So hat das Auswärtige Amt zuletzt in seiner bereits zitierten Stellungnahme vom 21. Januar 2013 ausgeführt, dass anerkannte Flüchtlinge von Hilfsorganisationen (z.B.: Caritas, CIR) Unterstützung bekommen können, wenngleich sie auch -wie alle Italiener- grundsätzlich in eigener Verantwortung und ohne staatliche finanzielle Hilfe bzw. Sozialleistungen eine Wohnung und einen Arbeitsplatz suchen müssen. Unterstützung für Integrationsprogramme (z.B. Aus- und Fortbildung) existiert ebenfalls über lokale Behörden, Stiftungen, Gewerkschaften, Hilfsorganisationen oder auch Nichtregierungsorganisationen, die teilweise miteinander vernetzt sind,
50vgl. Auskunft der Deutschen Botschaft vom 21. Januar 2013, Ziff. 7.1., 7.3.
51Zwar ist nach dem Gutachten der Flüchtlingsorganisation borderline-europe, Menschenrechte ohne Grenzen e.V. von Dezember 2012 und nach Auskunft der italienischen Vereinigung für rechtliche Untersuchungen zur Situation von Einwanderung (ASGI) vom 20. November 2012 die soziale Situation der Schutzberechtigten oftmals härter als die der Asylsuchenden, da sie nämlich nach Abschluss des Asylverfahrens das Anrecht auf die Aufnahme in einem Aufnahmezentrum für Asylsuchende (CARA) verlieren. Sie können sich lediglich - sofern sie dort in der Vergangenheit noch keine Unterkunft bekommen haben - auf die Warteliste der lokalen Projekte im Rahmen des Schutzsystems für Asylsuchende und Flüchtlinge (SPRAR) eintragen lassen. Für die von diesem System nicht erfassten Personen bleiben nur die bereits erwähnten Unterstützungen allgemeiner Art, wie sie auch für andere Mittellose in Italien vorgesehen sind,
52vgl. borderline-europe e.V. vom Dezember 2012, S. 52f.; Bericht von ASGI vom 20. November 2011, S. 10 ff.
53Dies entspricht im Ergebnis der Einschätzung des Auswärtigen Amtes, wonach für überstellte Personen mit Schutzstatus die Erlangung von Unterkunft und Arbeit in erster Linie von Eigeninitiative und der Hilfestellung von Nichtregierungsorganisationen abhängt, so dass ein Abgleiten in die Obdachlosigkeit zwar generell möglich, aber keineswegs zwingende Folge ist,
54vgl. Auskunft der Deutschen Botschaft vom 21. Januar 2013, Ziff. 5.5, 7; so auch VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2013 - 6 K 7204/12.A, juris, m.w.N.
55Wie bereits ausgeführt, ist die Gesundheitsvorsorge zwar rechtlich gewährleistet, jedoch in der Praxis zuweilen mit Schwierigkeiten verbunden. Hierzu führt das Auswärtige Amt im Januar 2013 ausdrücklich aus, dass die Gesundheitsfürsorge grundsätzlich für alle Ausländer, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind, gewährleistet ist. Die Ausländer müssen sich beim Servizio Sanitario Nazionale (Nationaler Gesundheitsdienst) melden und registrieren lassen. Dafür benötigten sie einen Aufenthaltstitel, ihre Steuernummer sowie eine feste Adresse, wobei deren eigene Angabe genügt. Selbst bei einem fehlenden festen Wohnsitz können sie sich um eine Sammeladresse bemühen. Die Caritas bietet solche Adressen für Personen an, die einen solchen nicht haben, ihn jedoch u.a. für den Erhalt der Gesundheitskarte benötigen. Eine solche „virtuelle Wohnsitznahme“ ist insbesondere in Rom recht umfangreich möglich. Im Übrigen steht nach vorzitierter Auskunft des Auswärtigen Amtes eine kostenfreie medizinische Versorgung selbst Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft untergebracht sind. Die stets bestehende Notambulanz sei -ungeachtet einer Registrierung- für alle Personen kostenfrei zugänglich. Aktuell sei die Not- und Grundversorgung selbst für illegal aufhältige Personen garantiert,
56vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 6.2; borderline-europe e. V. vom Dezember 2012, S. 46.
57Diesbezüglich anerkennt das Gericht jedoch, dass sich in Teilbereichen der Unterkunftserlangung und der Gewährung von Hilfen durchaus für Inhaber eines Schutzstatus in Italien Mängel und Defizite (nach wie vor) feststellen lassen. Insbesondere der nach Abschluss eines Asylverfahrens eintretende Verlust eines Anrechts auf eine staatliche Unterkunft und die dadurch bedingte Möglichkeit der Obdachlosigkeit ist durchaus ernst zu nehmen. Allerdings handelt es sich dabei derzeit nicht um landesweite Missstände, die für jeden Einzelnen oder eine weit überwiegende Anzahl von anerkannten Flüchtlingen die Gefahr einer extremen materiellen Armut begründet, die von den italienischen Behörden tatenlos hingenommen würde. Die vorhandenen Defizite bei der Unterbringung und der gesundheitlichen Versorgung reichen daher nicht dafür aus, dass Italien generell nicht mehr als sicherer Drittstaat anzusehen wäre. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass insoweit Art. 3 EMRK die Konventionsstaaten auch nicht etwa dazu verpflichtet, Schutzberechtigten ein Recht auf Unterkunft zu geben oder sie finanziell zu unterstützen, um ihnen einen gewissen Lebensstandard einschließlich bestimmter Standards medizinischer Versorgung zu ermöglichen,
58vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30969/09 –, juris Rn. 249; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris Rn. 118.
59Generell reicht die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten,
60vgl. EGMR, Beschluss vom 2. April 2013 – 27725/10 –, juris.
61Art. 3 EMRK ist im Kern ein Abwehrrecht gegen unwürdiges Staatsverhalten im Sinne eines strukturellen Versagens bei dem durch ihn zu gewährenden angemessenen materiellen Mindestniveau und weniger ein individuelles Leistungsrecht einzelner Antragsteller auf bestimmte materielle Lebens- und Sozialbedingungen selbst,
62vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. April 2013 – 17 L 660/13.A –, juris Rn. 43, m.w.N.
63Die Antragsteller müssen sich nach alledem daher auf den in Italien für alle italienischen Staatsangehörigen geltenden Versorgungsstandard – somit auch auf den medizinischen Behandlungs- und Medikamentationsstandard – verweisen lassen, auch wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entsprechen mag,
64vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. April 2013 – 17 L 660/13.A –, juris Rn. 42, s.a. OVG NRW, Beschluss vom 5. August 2004 – 13 A 2160/04.A –, juris (noch zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG 1990, heute § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG).
65Entgegen der Ansicht des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller ist es auch nicht maßgeblich, wie ein vor der Großen Kammer des EGMR anhängiges und im Februar 2014 verhandeltes Verfahren zu Italien (offenbar U. ./. Schweiz; EGMR 29217/12) entschieden wird. Es ist ungewiss, inwieweit der EGMR in jenem Verfahren fallübergreifende Feststellungen zu den Verhältnissen in Italien treffen oder die konkreten Verhältnisse des zu entscheidenden Falles -ungeachtet der Frage, ob es sich überhaupt bei den Beschwerdeführern um anerkannte Flüchtlinge handelt- in den Vordergrund stellen wird; die Entscheidung hierzu steht -soweit ersichtlich- noch aus. Ungeachtet dessen bestand jedoch keine Veranlassung, zur Gewinnung der für die Entscheidungsfindung erforderlichen Überzeugung noch weitere Gutachten, Auskünfte oder Stellungnahmen zur Situation der anerkannten Flüchtlinge in Italien einzuholen. Denn die vorliegenden Erkenntnismittel haben im Ergebnis ausgereicht, dem Gericht diese Überzeugung bereits in einem ausreichenden Maße zu vermitteln.
66bb. Die Antragsteller gehören auch nicht zu einer gegebenenfalls besonders schutzbedürftigen Personengruppe.
67Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen kann es zwar im Einzelfall aus individuellen, in der Person der Antragsteller liegenden und damit von dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ bzw. dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ von vornherein nicht erfassten Gründen – wenn auch nur vorübergehend – geboten sein, von Überstellungen in den anderen Mitgliedstaat abzusehen. Anhaltspunkt für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls kann geben, ob einer der Antragsteller eine Personen mit besonderen Bedürfnissen gemäß Art. 20 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU ist und er nach einer Einzelfallprüfung entsprechend eingestuft wurde.
68Beachtliche, in der Person der Antragsteller liegende Gründe von der Überstellung nach Italien abzusehen liegen indes nicht vor. Für die Antragstellerin zu 1. ist mit fachärztlichem Attest vom 29. April 2014 im Wesentlichen geltend gemacht, „es bestehe der dringende Verdacht auf eine schwere Posttraumatische Belastungsstörung, die der dringenden psychotherapeutischen Behandlung bedarf“. Aufgrund dieses Attestes ist es schon nicht hinreichend dargelegt, dass die Antragstellerin zu 1. tatsächlich an einer „schweren posttraumatischen Belastungsstörung“ leidet, sondern allenfalls, dass ein entsprechender Verdacht besteht, der der diagnostischen Abklärung bedarf. In diesem Zusammenhang wird angemerkt, dass der Zeitpunkt der Attestierung der angeblichen Erkrankung auffällig ist. Denn das Attest ist nur wenige Tage nach Zustellung (24. April 2014) des ablehnenden Bescheides vom 17. April 2014, nämlich am 29. April 2014 erstellt worden. Die Antragstellerin zu 1. hat bislang in verschiedenen Ländern der Europäischen Union Asylanträge gestellt (Italien, Schweiz, Frankreich, sowie Schweden und nunmehr in der Bundesrepublik Deutschland) und Syrien bereits nach eigenen Angaben im Juli 2009 Richtung Italien verlassen. Danach hat sie sich zunächst ca. 4-5 Monate in Rom aufgehalten, ist dann nach einem etwa sechsmonatigen Aufenthalt in der Schweiz wieder nach Rom zurückgekehrt um dort ca. ein ganzes weiteres Jahr zu bleiben. Schließlich will sie für zwei Monate nach Frankreich und sodann circa 13 Monate in Schweden gewesen sein um abermals für eine Woche nach Rom zurückzukehren. Hätte die geltend gemachte posttraumatische Erkrankung - nunmehr nach durch nichts belegtem Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zu 1. vom 15. Juli 2014 eine depressive Störung mit Suizidneigung- bereits jeweils in den anderen Ländern, insbesondere in Italien -wo die Antragstellerin insgesamt über anderthalb Jahre war- vorgelegen, hätte nichts näher gestanden, diese bereits zu Anfang beim Bundesamt geltend zu machen. Von etwaigen eigenen Erkrankungen war bei der Antragstellung dort im Juli 2013 indes ebensowenig wie im gesamten Verwaltungsverfahren die Rede (Anhörung am 18. Juli 2013: „Ich fühle mich gesund … Ich bin nicht behandlungsbedürftig erkrankt“). Es drängt sich daher der Eindruck einer bloßen Gefälligkeitsbescheinigung auf.
69Selbst wenn die behauptete Erkrankung aber unterstellt würde, ist weiter nicht nachvollziehbar vorgetragen, diese sei in Italien nicht behandelbar bzw. auch eine entsprechende Medikamentation unmöglich. Nach der derzeitigen Erkenntnislage trifft das nicht zu. Die Gesundheitsversorgung und der Zugang zu ihr ist in Italien für anerkannte Flüchtlinge trotz zuweilen auftretender zumutbarer praktischer Erschwernisse hinreichend gewährleistet. Es wurde bereits dargelegt, dass einem anerkannten Schutzberechtigten auch bei der medizinischen Versorgung dieselben Rechte wie italienischen Staatsangehörigen zustehen. Die -dem Flüchtling ohne Weiteres zumutbare- Anmeldung beim Servizio Sanitario Nazionale ist obligatorisch und ermöglicht die Ausstellung eines Gesundheitsausweises, der zur Behandlung bei einem praktischen Arzt, Kinderarzt, in Ambulanzen und bei Spezialisten oder zur Aufnahme in ein Krankenhaus berechtigt (siehe zuvor A. II. 1. b. aa.). Es existiert ferner kostenfreier Zugang zu allen medizinischen öffentlichen Leistungen (Arzt, Zahnarzt, Krankenhaus); die stets bestehende Notambulanz ist -ungeachtet einer Registrierung - für alle Personen ebenfalls kostenfrei zugänglich,
70vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 6.2, 7., 8.1; borderline-europe e.V. vom Dezember 2012, S. 46.
71Eine ärztliche Versorgung ist ausweislich der Erkenntnislage auch gewährleistet, sofern es um die Behandlung von psychischen bzw. traumatischen Erkrankungen geht,
72vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 8.1; Bericht der Deutschen Botschaft „Sozialpolitische Informationen Italien“ aus Januar 2012, S. 25f.
73Es ist danach nicht erkennbar, die Antragstellerin zu 1. könnte in Italien unzureichend behandelt werden, bestünde denn ihre (behauptete) Erkrankung tatsächlich. Schließlich lassen ihre Ausführungen beim Bundesamt (etwa im Jahre 2009/2010 sehr schlechte Lage im Asylheim in Italien, erforderliche neue Unterkunft nach sechs Monaten, zwei Monate keine Sozialhilfe) eine besondere Schutzbedürftigkeit hier nicht erkennen.
74Hinsichtlich des etwas über fünfzigjährigen Antragstellers zu 2. ist ebenso nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass nicht jedenfalls er sich um den Lebensunterhalt und die Versorgung seiner Familie wird kümmern können. Auch seine Ausführungen beim Bundesamt lassen eine besondere Schutzbedürftigkeit nicht erkennen (Anhörung am 18. Juli 2013: „Ich fühle mich gesund … Ich bin nicht behandlungsbedürftig erkrankt“); schließlich hat der Antragsteller zu 2. -wie übrigens die Antragstellerin zu 1. auch- bei seiner dortigen Anhörung keine Einwände erhoben, dass sein Antrag in Italien wieder geprüft werde (Anhörung Frage 24).
75Endlich begründet allein die Minderjährigkeit der Antragsteller zu 3. (ca. 5 Jahre) und 4. (ca. 4 Jahre) eine besondere Schutzbedürftigkeit nicht. Sie sollen gemeinsam mit ihren Eltern, den Antragstellern zu 1. und 2., nach Italien zurückgeführt werden; Anhaltspunkte für -hinreichend beachtliche- Erkrankungen bei dem Antragsteller zu 4. sind weder vorgebracht noch ersichtlich. Hinsichtlich des Antragstellers zu 3. liegt offenbar eine Entwicklungsstörung des Sprechens oder der Sprache (Dyslalie sowie Dysgrammatismus) vor, wobei neurologische oder sonstige pädiatrische Besonderheiten nicht festgestellt wurden (siehe Heilmittelverordnung vom 21. Mai 2014). Als Therapieziel wurde die „Verbesserung / Normalisierung sprachl. / kommunikativer Fähigkeiten“ benannt. Im Attest des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin vom 22. Mai 2014 wurde ferner, noch ohne nähere Ausführungen dazu „frühkindlicher Autismus“ (in dem Überweisungsschein an die Ausländerbehörde hieß es einen Tag zuvor noch zum frühkindlichen Autismus „z.A.“ [zur Abklärung]) sowie eine „Verhaltens- und emotionale Störung mit Beginn der Kindheit“ diagnostiziert und diverse -nicht medikamentöse- Therapiemaßnahmen vorgeschlagen (u.a. Einzeltherapie mit begleitender Elternarbeit; Kooperation der Therapeuten mit dem Kindergarten bzw. dem Sozialamt; Gewährleistung eines Lebensortes, der das Risiko der Störungen minimiere). Auch diese diagnostizierten Erkrankungen -ihr Vorliegen unterstellt- können in Italien hinreichend behandelt werden. Es besteht für anerkannte Schutzberechtigte, wie für italienische Staatsbürger, freie Arztwahl. Zwar muss zunächst -abgesehen von Notfällen- ein Hausarzt aufgesucht werden, der dann eine Überweisung an einen Spezialisten, wie einen Kinderarzt oder das Krankenhaus, vornimmt. Gegebenenfalls muss auch bei Fachärzten mit langen Wartezeiten für Termine gerechnet werden, dies trifft aber Italiener gleichermaßen und ist zumutbar, zumal sich insoweit das System in diesem Punkt nicht grundlegend von dem hiesigen unterscheidet,
76vgl. Bericht der Deutschen Botschaft „Sozialpolitische Informationen Italien“ aus Januar 2012, S. 26; Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 6.2.
77Soweit die Antragsteller zu. 3. und 4., die Argumentation des Prozessbevollmächtigten unterstellt, keine in Italien anerkannten Flüchtlinge wären und unter das Regime der Dublin VO fielen (s.o. A II 1 a.), ergäbe sich hier nichts anderes. Ungeachtet dessen, dass die medizinische Behandlung von Personen mit internationalem Schutzstatus den anderen Familienangehörigen, also auch den Antragstellern zu 3. und 4. gleichermaßen zukäme,
78vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 6.2.,
79wäre ohnehin auch hier kein besondere Schutzbedürftigkeit der Antragsteller zu 3. und 4. gegeben, die die Geltendmachung des Selbsteintrittsrechts der Bundesrepublik Deutschland geböte. Insoweit wird auf die Rechtsprechung der Kammer, die durch das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein Westfalen Bestätigung gefunden hat, Bezug genommen und sich diese zu Eigen gemacht. Die behaupteten Erkrankungen wären im Falle des noch laufenden Asylverfahrens behandelbar und auch der Zugang zu einer Behandlung gewährleistet,
80vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 26. April 2013 - 17 K 1777/12.A, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 24. Mai 2013 - 17 K 7223/12.A, juris VG Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2013 - 17 K 4737/12.A, juris, jew. m.w.N.; i.Ü. grundsätzlich OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A, juris.
81cc. Schließlich liegt keine (weitere) der vom Bundesverfassungsgericht zur Abschiebungsanordnung nach §§ 34a Abs. 1, 26a AsylVfG gebildeten Fallgruppen zur Bestimmung der Ausnahmen vom „Konzept der normativen Vergewisserung“ vor,
82vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 ‑ 2 BvR 1938/93 –, juris Rn. 189.
83Weder droht den Antragstellern in Italien die Todesstrafe, noch besteht die erhebliche konkrete Gefahr dafür, dass sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Überstellung dort Opfer eines Verbrechens werden, welches zu verhindern nicht in der Macht Italiens steht. Zudem ist nicht ersichtlich, dass Italien selbst zum Verfolgerstaat werden wird.
842. Ebenso steht – nach dem im Eilverfahren angelegten Maßstab der summarischen Prüfung – fest, dass die Abschiebung im Sinne von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG durchgeführt werden kann.
85a. Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote liegen nicht vor. Für die Antragsteller besteht in Italien keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.
86Eine Gefahr im Sinne dieser Norm für die dort benannten Rechtsgüter ist erheblich, wenn eine Beeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände im Zielstaat wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde,
87vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.5 –, juris Rn. 15; BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 ‑ 9 C 58.96 –, juris Rn. 13.
88Eine solche Verschlechterung kann zwar grundsätzlich infolge einer schweren psychischen Erkrankung eintreten, dies hat die Antragstellerin zu 1. aber nicht hinreichend dargelegt. Das von ihr vorgelegte Attest vom 29. April 2014 lässt im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung aus den bereits genannten Gründen (s. A II 1 b. bb.) den Schluss auf eine solche Erkrankung gerade mit der notwendigen zielstaatsbezogenen Verschlechterung nicht zu, zumal dort ohnehin nur von einem entsprechenden Verdacht gesprochen wird und die vom Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 15. Juli 2014 behauptete „Behandlungsbedürftige schwere depressive Störung mit Suizidneigung, die die Betreuung und Aufsicht naher Angehöriger“ geböte, durch nichts belegt und daher eine bloße unsubstantiierte Behauptung ist. Das vorzitierte Attest und die sonstigen beigefügten Anlagen geben dafür jedenfalls nichts her. Abgesehen von der fehlenden Glaubhaftigkeit einer psychischen Erkrankung liegen, wie bereits ausgeführt, aber auch keine Anhaltspunkte dafür vor, eine gegebenenfalls erforderliche Behandlung von psychischen Störungen sei in Italien nicht zureichend gewährleistet (vgl. A II 1 b. bb.). Daher drohen der Antragstellerin zu 1. keine der in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beschriebene Gefahren mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.
89Es ist auch nichts dafür erkennbar, der Gesundheitszustand des Antragstellers zu 3. verschlechtere sich mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit derart im Sinne des zuvor genannten Maßstabes bei einer Rückführung nach Italien. Soweit im Attest vom 22. Mai 2014 die Rede davon ist, eine Rückführung der Familie in ihre Heimat würde die Symptomatik verstärken, wird zunächst angemerkt, dass eine Rückführung des Antragstellers zu 3. gemeinsam mit seiner Familie in einen sicheren Mitgliedstaat der Europäischen Union ansteht, nicht aber die Abschiebung in die Heimat - nämlich Syrien - selbst. Unbeschadet dessen besteht eine beachtliche Wahrscheinlichkeit nicht, dass bei einem Aufenthalt im Zielland Italien die entsprechenden Gefahren drohten. Denn auch die Erkrankung des Antragstellers zu 3. (vgl. zu ihr bereits unter A II 1 b. bb.) kann in Italien behandelt werden, insbesondere ist eine kinderärztliche Betreuung sowie sind sonstige adäquate medizinische Behandlungs- und Betreuungsmöglichkeiten -wie dort für Inländer- gegeben und zugänglich,
90vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 6.2, 7., 8.1.
91Soweit im Attest vom 22. Mai 2014 weiter ausgeführt wird, „nur ein dauerhafter Aufenthaltsstatus der Familie in der Bundesrepublik Deutschland kann zu einer positiven Veränderungen der o.g. Störungen des Kindes beitragen“, wird darauf hingewiesen, dass es für den bei § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG anzulegenden Maßstab auf die besondere Intensität der Beeinträchtigung im Zielstaat -Italien- ankommt und nicht auf eine hiesige mögliche Verbesserung. Denn der Asylbewerber bzw. anerkannt Schutzberechtigte muss sich grundsätzlich auf den Behandlungs- und Medikamentationsstandard im Überstellungsstaat verweisen lassen, selbst wenn dieser dem hiesigen Niveau -wofür aber keine Anhaltspunkte ersichtlich sind- nicht entsprechen sollte,
92vgl. -zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG 1990, heute § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG- OVG NRW, Beschluss vom 5. August 2004 - 13 A 2160/04.A, juris.
93Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Entscheidung mehr, ob den Antragstellern zu 1. und 3. nicht von vornherein die Berufung auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aufgrund der Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG versagt bliebe, weil die eventuellen Schwierigkeiten, die bei der Gewährung medizinischer Versorgung und Medikamentation mit möglicherweise daraus resultierenden Beeinträchtigungen bestünden (etwa Eigenbeteiligungen an bestimmten Medikamenten, sog. „tickets“ bei Eigenbeteiligungen an bestimmten Behandlungen, vgl. Bericht der Deutschen Botschaft „Sozialpolitische Informationen Italien“ aus Januar 2012, S. 25, 27), nicht individuell, sondern allgemein für die Bevölkerungsgruppe aller ganz oder nahezu mittellosen Kranken in Italien drohten,
94vgl. in diese Richtung VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Januar 2013 - 6 L 104/13.A, juris (noch zu § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG a.F.); zuletzt so für Bulgarien die erkennende Kammer, Beschluss vom 14. Juli 2014 - 17 L 870/14.A.
95b. Sofern im Rahmen des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG vom Antragsgegner auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe zu prüfen wären,
96vgl. so OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2011 – 18 B 1060/11 –, juris Rn. 4,
97stünden solche nicht entgegen. Etwas anderes ergibt sich nicht im Hinblick auf die behauptete Erkrankung der Antragstellerin zu 1. Ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis in Form von Reiseunfähigkeit liegt nur vor, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers unmittelbar durch die Ausreise bzw. Abschiebung oder als unmittelbare Folge davon voraussichtlich wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern wird. Das ist bei einer psychischen Erkrankung etwa der Fall, wenn im Rahmen einer Abschiebung das ernsthafte Risiko einer Selbsttötung gegeben ist und keine hinreichenden Vorkehrungen getroffen werden können, die das Risiko im Falle der Abschiebung verlässlich ausschließen,
98vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Mai 2007 - 19 B 352/07 -, juris Rn. 5 m.w.N.
99Im Hinblick auf die Antragstellerin zu 1. sind eine im vorgenannten Sinne beachtliche Erkrankung und das ernsthafte Risiko, ihr Zustand würde sich bei einer Abschiebung wesentlich oder lebensbedrohlich verschlechtern, nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Dem vorgelegten Attest vom 29. April 2014 sind keinerlei konkreten Angaben über die Reise(un)fähigkeit zu entnehmen. Selbst die behauptete psychische Erkrankung unterstellt, führte diese nicht zwingend zu einer Reiseunfähigkeit. In diesem Zusammenhang wird angemerkt, dass alle hiesigen Antragsteller im EU-Raum bereits eine offenbar problemlos von ihrer Konstitution mögliche rege gemeinsame Reisetätigkeit in den letzten Jahren entwickelt haben (Aufenthalt in Italien mit zweimaliger Rückkehr dorthin, Schweiz, Frankreich, Schweden und der Bundesrepublik Deutschland). Die pauschale Behauptung der Suizidgefährdung ist im Übrigen durch nichts belegt. Unabhängig davon und ein Suizidrisiko einmal unterstellt, ist schließlich mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen, dieser Gefahr könnte im Rahmen der Rückführungsmaßnahme durch ärztliche Hilfe oder in sonstiger Weise wirksam begegnet werden.
100Hinsichtlich des minderjährigen Antragstellers zu 3. sind ebenfalls keine inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisse ersichtlich. Reiseunfähigkeit ist schon im Ansatz nicht erkennbar. Wie sich unmittelbar durch eine Rückführung oder als unmittelbare Folge dieser der Gesundheitszustand des Antragstellers zu 3., der im Kern an einer sprachlichen Entwicklungs- und Verhaltensstörung, ggf. einem frühkindlichen Autismus leidet, wesentlich oder gar lebensbedrohlich Verschlechtern soll, bleibt der Antragsteller (und bleiben die Atteste) schuldig.
101Für sonstige Abschiebungshindernisse ist im Übrigen nichts ersichtlich.
102B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert beruht auf § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
103C. Mangels hinreichender Erfolgsaussichten in der Hauptsache war auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen, § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung.
104Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
Gründe
- 1
Die Antragsteller wenden sich mit ihrem - gleichzeitig mit der Klage (9 A 399/14 MD) - am 17.10.2014 beim Gericht eingegangenen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 02.10.2014, mit welchem festgestellt wird, dass den Antragstellern in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht (Ziffer 1) sowie die Abschiebung der Antragsteller nach Bulgarien angeordnet wurde (Ziffer 2).
- 2
Der neben einem Prozesskostenhilfegesuch am 17.10.2014 sinngemäß gestellte Antrag,
- 3
die aufschiebende Wirkung der Klage (Az.: 9 A 399/14 MD) der Antragsteller vom 17.10.2014 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 02.10.2014 anzuordnen,
- 4
hat Erfolg.
- 5
Der Antrag ist zulässig, insbesondere gemäß § 34a Abs. 2 AsylVfG in der Fassung des Artikel 1 Nummer 27 des Gesetzes zur Umsetzung der RL 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl I vom 5. September 2013, S. 3474) i. V. m. § 80 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 S. 1 1. Alt. VwGO statthaft, soweit er sich gegen die unter Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides angeordnete Abschiebung nach Bulgarien richtet.
- 6
Der Antrag ist auch begründet. Für eine nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffende Entscheidung ist maßgebend, ob das private Interesse der Antragsteller, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes vorerst verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse am Vollzug des Verwaltungsaktes überwiegt. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs vorrangig zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, B. v. 14.04.2005, 4 VR 1005/04, Juris). Hat der Rechtsbehelf voraussichtlich Erfolg, weil der angegriffene Verwaltungsakt fehlerhaft ist, überwiegt das Aussetzungsinteresse des Betroffenen das öffentliche Vollzugsinteresse. Der Antrag ist dagegen in aller Regel unbegründet, wenn der Antragsteller im Verfahren der Hauptsache aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben wird, insbesondere, wenn die angegriffene Verfügung derzeit als rechtmäßig zu beurteilen ist. Denn an der sofortigen Vollziehung eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes besteht jedenfalls dann regelmäßig ein besonderes öffentliches Interesse, wenn diese Rechtswirkungen bereits kraft Gesetzes bestehen.
- 7
Bei einem offenem Ausgang des Klageverfahrens ist im Rahmen der Interessenabwägung zwar stets zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in den Fällen, die – wie hier – nicht von § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erfasst werden, einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat (s. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Gleichwohl ist der Rechtsschutzanspruch umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die dem Einzelnen auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der Behörde Unabänderliches bewirken (vgl. BVerfG, B. v. 10. 10. 2003, 1 BvR 2025/03, Juris). Deshalb ist wegen der mit der Abschiebung verbundenen (relativen) Unabänderbarkeit bereits dann das Aussetzungsinteresse höher als das nur zeitweilige Absehen von der Abschiebung zu bewerten, wenn infolge derselben eine Verletzung von Grundrechten nach der EU-Grundrechte-Charta nicht ausgeschlossen werden kann (so auch VG Siegmaringen, Beschluss vom 14.07.2014, A 1 K 254/14). Für einen offenen Ausgang des Hauptsacheverfahrens kann auch sprechen, wenn die beachtliche Frage in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (derzeit noch) gegensätzlich beurteilt wird (vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 24.07.2014, A 1 B 131/14, juris).
- 8
Die Abschiebungsanordnung begegnet bei summarischer Prüfung jedenfalls derzeit ernstlichen Zweifeln hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit. Zwar dürften die Verhältnisse in Bulgarien nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln einer Abschiebung von anerkannten Flüchtlingen nach Bulgarien nicht entgegenstehen (1.). Die konkrete Situation der Familie der Antragsteller, zu der auch die Antragstellerin in dem parallel geführten Klageverfahren 9 A 401/14 MD bzw. Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes 9 B 402/14 MD gehört (Ehefrau und Mutter der Antragsteller), lässt es hier aber nicht ausgeschlossen erscheinen, dass die besonderen Bedürfnisse der schutzbedürftigen Personengruppen nach Art. 20 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU im Fall der Rückführung nicht hinreichend beachtet werden, mithin nicht sichergestellt ist, dass eine rechtsverletzungsfreie Rücküberstellung der Antragsteller, die dieser Personengruppe angehören, erfolgt, was zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung führt (2.).
- 9
1. Gleichwohl ist Folgendes voranzustellen:
- 10
Die Antragsgegnerin hat die streitgegenständliche Abschiebungsanordnung dem Grunde nach zu Recht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 26a Abs. 1 AsylVfG gestützt. Zuvorderst ist bei summarischer Prüfung festzustellen, dass aufgrund der erfolgten Asylantragstellung (vgl. § 13 AsylVfG) die Zuständigkeit der Antragsgegnerin zu bejahen ist und es damit keiner Rückkehrentscheidung nach Art. 6 der Richtlinie 2008/115/EG über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger bedarf.
- 11
Soll ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat i.S.d. § 26a AsylVfG abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt nach § 34a Abs. 1 S. 1 AsylVfG die Abschiebung an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Nach § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kann sich ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG (sicherer Drittstaat) eingereist ist, nicht auf das Asylgrundrecht berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt (vgl. § 26a Abs. 1 Satz 2 AsylVfG).
- 12
a. Die Möglichkeit der Anordnung der Abschiebung in den sicheren Drittstaat wird nicht nach § 26a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG durch europarechtliche Vorschriften – insbesondere nicht die Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin-III-VO) – verdrängt. Voranzustellen ist insoweit, dass gemäß Art. 49 Satz 2 Dublin-III-VO die Verordnung zwar auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar ist, die ab dem 01.01.2014 gestellt werden, wobei unter Antrag i.S.v. dieser Vorschrift derjenige zu verstehen ist, der Anlass für die Frage nach der Geltung des Dublinsystems ist (vgl. VG Magdeburg, Beschuss vom 21.10.2014 – 9 B 373/14 MD –, n.v.), mithin der von den Antragstellern am 07.05.2014 gestellte Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland. Die Dublin-III-VO findet jedoch auf Personen, denen – wie den Antragstellern mit Entscheidung vom 31.01.2014 – die Flüchtlingseigenschaft i.S.d. Art. 2 Buchst. d) der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 bereits in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union zuerkannt worden ist, keine Anwendung (vgl. (VG Berlin, Beschluss vom 14.10.2014 – 23 L 489.14 A –, m.w.N., juris; Bender/Bethke, Dublin III, Eilrechtsschutz und das Comeback der Drittstaatenregelung - Elf Thesen zu den aktuellen Änderungen bezüglich innereuropäischer Abschiebungen, Asylmagazin 11/2013, Seite 358, 359). Aus der Systematik der Dublin-III-VO ergibt sich, dass sie nur auf Personen anwendbar ist, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, über den entweder noch nicht oder - zumindest teilweise - negativ entschieden wurde. So lässt sich der Dublin III-Verordnung keine Bestimmung entnehmen, die den zuständigen Mitgliedstaat dazu verpflichtet, eine Person aufzunehmen, deren Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes – wie hier – bereits vollumfänglich stattgegeben wurde. Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO sieht eine Verpflichtung zur Aufnahme vielmehr nur dann vor, wenn und soweit die betreffende Person in dem zuständigen Staat noch nicht oder abschlägig beschieden wurde. Nicht geregelt ist hingegen der Fall, dass der zuständige Staat dem Schutzbegehren bereits entsprochen hat. Bei dem erneuten Asylantrag einer Person, die bereits als Flüchtling i.S.d. Art. 2 Buchst. d) der Richtlinie 2011/95/EU anerkannt wurde, handelt es sich folgerichtig auch nicht um einen Folge- oder einen Zweitantrag im Sinne der §§ 71, 71a AsylVfG, die vom Anwendungsbereich der Dublin-III-VO erfasst werden (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 14. 14.10.2014 – 23 L 489.14 A –, juris VG Cottbus, Beschluss vom 11. Juli 2014 – 5 L 190/14.A, zit. nach juris, Rn. 15). Denn der Folge- und der Zweitantrag beziehen sich auf Konstellationen, in denen ein früherer Asylantrag zurückgenommen, unanfechtbar abgelehnt bzw. in denen ein Asylverfahren in einem sicheren Drittstaat erfolglos abgeschlossen wurde. Diese Fallgestaltungen sind bei einer vollumfänglichen Stattgabe des Schutzgesuchs nicht einschlägig (VG Berlin, Beschluss vom 14.10.2014 – 23 L 489.14 A –, juris). Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass auch die Vorgängerverordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin II-VO) kein anderes Ergebnis begründet hätte. Denn die Zuständigkeitsnormen der Dublin II-VO fanden ebenfalls keine Anwendung, wenn ein erneut Schutzsuchender bereits in einem anderen Mitgliedsstaat als Flüchtling anerkannt wurde (anders bei lediglich subsidiär Schutzberechtigen, vgl. hierzu: VG Magdeburg, Beschluss vom 21.10.2014 – 9 B 373/14 MD – n.v.).
- 13
Ergibt sich danach, dass insbesondere die Dublin III-VO auf den vorliegenden Fall keine Anwendung findet, kommt es – entgegen der Auffassung der Antragsteller – auf die Einhaltung der dort festgelegten Verfahrensvorschriften nicht an.
- 14
b. Bulgarien ist nach dem im Eilverfahren anzulegenden Prüfungsmaßstab dem Grunde nach "sicherer Drittstaat" im Sinne von § 26a AsylVfG i.V.m. Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG.
- 15
Konsequenz des mit der Einreise über einen sicheren Drittstaat verbundenen materiellen Asylausschlusses ist, dass die Antragsgegnerin nicht prüft, ob das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Bulgarien systemische Mängel aufweist. Denn der Bezugspunkt für die Beurteilung des hinreichenden Schutzes hängt davon ab, ob der Ausländer bereits einen Schutzstatus in dem Land, in das er abgeschoben werden soll, erhalten hat oder nicht. Nur in letzterem Fall ist darauf abzustellen, ob das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische, dem ersuchenden Mitgliedstaat nicht unbekannte Mängel aufweisen, die für den Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr begründen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in dem ersuchten Mitgliedstaat im Sinne von Art. 4 / Art. 19 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtecharta) bzw. dem inhaltsgleichen Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 und C-493/10 -, juris Rn. 78 f., 84 ff. und 94; VG Düsseldorf, Beschluss vom 17.07.2014 – 17 L 1018/14.A –, juris).
- 16
Hat der Ausländer indes – wie hier – bereits einen Schutzstatus erhalten, kommt es allein darauf an, ob der gebotene Inhalt des jeweiligen Schutzstatus hinreichend eingehalten wird oder ein Verstoß gegen die GFK vorliegt bzw. für den Inhaber des Schutzstatus eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in dem ersuchten Mitgliedstaat im Sinne von Art. 4 / Art. 19 Abs. 2 Grundrechtecharta bzw. dem inhaltsgleichen Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein. Der Umfang/Inhalt des gewährten Schutzes richtet sich nach Art. 20 ff. Flüchtlingsschutz-Richtlinie 2011/95 EU.
- 17
Wegen des allein summarischen Prüfungsmaßstabes soll hier offenbleiben, ob die „sichere Drittstaatenregelung“ des § 26a AsylVfG in Entsprechung des Konzepts der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93) bzw. des unionsrechtlichen Prinzips des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 –, juris) dazu führt, dass die Annahme besteht, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Richtlinie 2011/95/EU, der GFK sowie in der EMRK finden, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen, mit der Folge, dass unter diesen Bedingungen die - freilich widerlegbare - Vermutung gilt, die Behandlung der Antragsteller als schutzberechtigt anerkannte Ausländer stehe in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den genannten Rechten (zustimmend: VG Düsseldorf, Beschluss vom 17.07.2014 – 17 L 1018/14.A –, juris; a.A. Marx, Spontane Binnenwanderung international Schutzberechtigter in der Union, InfAuslR 2014, 227 ff.). Denn es bestehen nach der aktuellen Auskunftslage bei der gebotenen summarischen Prüfung keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Verhältnisse in Bulgarien – mit Ausnahme solcher für besonders schutzbedürftige Personengruppen (vgl. Art. 20 Abs. 3 Richtlinie 2011/95 (EU)) – hinter dem unionsrechtlich vorgesehenen Flüchtlingsschutz zurückbleiben, mithin tatsächlich die Gefahr besteht, dass anerkannte Flüchtlinge in Bulgarien einer unmenschlichen oder erniedrigen Behandlung ausgesetzt sind. Dies hat im Regelfall zur Folge, dass eine Abschiebungsanordnung nach § 34 a AsylVfG erlassen werden darf.
- 18
Soweit die Genfer Flüchtlingskonvention für anerkannte Flüchtlinge Wohlfahrtsregelungen enthält (Art. 20 ff. GFK), die vom anerkennenden Drittstaat zu beachten sind, gehen diese im Wesentlichen über Diskriminierungsverbote gegenüber den jeweiligen Inländern nicht hinaus. Namentlich im Bereich der öffentlichen Fürsorge und der sozialen Sicherheit verpflichtet die GFK den Drittstaat zur Inländergleichbehandlung (vgl. Art. 23, 24 GFK). Anhaltspunkte dafür, dass die Verpflichtung zur Inländergleichbehandlung nicht beachtet wird, sind vorliegend weder ersichtlich noch werden sie von den Antragstellern substantiiert behauptet.
- 19
Für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung anerkannter Flüchtlinge in Bulgarien im Sinne von Art. 3 EMRK ist gleichfalls nichts ersichtlich. Der Inhalt des internationalen Flüchtlingsschutzes wird unionsrechtlich vorgegeben durch die Regelungen in Art. 20 bis 35 der Richtlinie 2011/95/EU. So gelten einheitliche Vorgaben etwa für die Erteilung des Aufenthaltstitels (Art. 24) und der Reisedokumente (Art. 25 Abs. 1). Einem anerkannten Schutzberechtigten stehen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung (Art. 26), zur Bildung (Art. 27), zum Erhalt von Sozialhilfeleistungen (Art. 29) und medizinischer Versorgung (Art. 30) dieselben Rechte wie den jeweiligen Staatsangehörigen zu (VG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Juli 2014 – 17 L 1018/14.A –, juris).
- 20
Im Hinblick auf Bulgarien ist zwar festzustellen, dass die Lebensbedingungen (auch) für Personen mit zuerkannter Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiärem Schutzstatus dort nach den gegebenen Erkenntnissen prekär sind. Weder ist aber eine Verletzung der in Art. 26 ff. der Richtlinie 2011/95/EU vorgesehenen Gleichbehandlungsgebote erkennbar noch herrschen in Bulgarien derart handgreiflich eklatante Missstände, die die Annahme rechtfertigten, anerkannte Flüchtlinge bzw. subsidiär Schutzberechtigte würden einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung ausgesetzt und den Antragstellern müsste unabweisbar Schutz gewährt werden. Eine solche Behandlung muss vielmehr ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK zu gelten. Dieses Mindestmaß erreichen die Verhältnisse, denen anerkannte Flüchtlinge bzw. subsidiär Schutzberechtigte in Bulgarien ausgesetzt sind, nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht. Der UNHCR schildert in seinem Bericht "Current Situation of Asylum in Bulgaria" zwar Schwierigkeiten anerkannter Flüchtlinge bzw. subsidiär Schutzberechtigter in Bulgarien (vgl. UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria, Stand: April 2014, Ziff. 2.7.). So bestünde eine bis zu zweimonatige Lücke bei der Gesundheitsversorgung in der Zeit zwischen Anerkennung als Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte aufgrund der Änderung ihres Status im System. Sie hätten außerdem - wie die bulgarischen Staatsangehörigen auch - einen monatlichen Beitrag von umgerechnet 8,70 Euro für die Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu zahlen, von der indes Medikamente und psychologische Betreuung nicht eingeschlossen seien. Berichtet wird außerdem von Schwierigkeiten, eine gesicherte Beschäftigung zu erlangen. Neben der schwierigen wirtschaftlichen Situation seien einige strukturelle Hindernisse wie etwa die fehlende Anerkennung von Vorkenntnissen zu überwinden. Es fehle an gezielter Unterstützung. Außerdem mangele es an angemessenem und bezahlbarem Unterkünften, was eine Integration erschwere. Ohne externe Unterstützung bei der Suche nach geeigneten Unterkünften seien die Statusinhaber auf die weitere Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen angewiesen, wo sie kaum Möglichkeit zur Integration in die bulgarische Gesellschaft hätten. Auch die für eine erfolgreiche Integration erforderliche Bildung der Schutzberechtigten, insbesondere der Kinder, sei verbesserungswürdig. Zwar hätten die Statusinhaber – wie Asylsuchende – unter 18 Jahren nach bulgarischem Recht im gleichen Maße Zugang zu Bildung wie bulgarische Staatsbürger. Voraussetzung für den Antritt des Schulbesuchs sei jedoch die erfolgreiche Teilnahme an einem SAR-Sprachkurs, der nur in einer Aufnahmeeinrichtung vorgehalten werde. In den übrigen Einrichtungen würden informelle Sprachkursen erteilt, die vom UNHCR finanziert und von der Caritas durchgeführt würden. Deren Anerkennung sei derzeit noch nicht sichergestellt.
- 21
Die aufgezeigten Defizite lassen nicht den Schluss zu, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, zumal der UNHCR die Bemühungen Bulgariens an der Einrichtung eines neuen Integrationsprogramms begrüßt und zur raschen Umsetzung des Programms, insbesondere im Hinblick auf den Zugang zu Bildung, Unterkunft und Lebensunterhalt aufruft. Art. 3 EMRK verpflichtet die Konventionsstaaten nicht etwa dazu, Schutzberechtigte finanziell zu unterstützen, um ihnen einen gewissen Lebensstandard einschließlich bestimmter Standards medizinischer Versorgung zu ermöglichen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - 30969/09 -, juris dort Rdnr. 249). Generell reicht die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten (vgl. EGMR, Beschluss vom 2.04.2013 - 27725/10 -, juris). Art. 3 EMRK ist im Kern ein Abwehrrecht gegen unwürdiges Staatsverhalten im Sinne eines strukturellen Versagens bei dem durch ihn zu gewährenden angemessenen materiellen Mindestniveau und weniger ein individuelles Leistungsrecht einzelner Antragsteller auf bestimmte materielle Lebens- und Sozialbedingungen selbst (vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 15.04.2013 - 17 L 660/13.A -, juris Rn. 43, m.w.N.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 04.11.2014 – 17 L 2342/14.A –, juris). Anerkannte Flüchtlinge in Bulgarien müssen sich nach alledem auf den dort für alle bulgarischen Staatsangehörigen geltenden Versorgungsstandard verweisen lassen, auch wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entspricht (zu Italien: VG Düsseldorf, Beschluss vom 17.07.2014 – 17 L 1018/14.A –, juris, m.w.N.). Dass einem anerkannten Flüchtling in Bulgarien hinsichtlich Aufenthalts, Freizügigkeit, Zugang zu Arbeit und medizinischer Versorgung nicht dieselben Rechte wie bulgarischen Staatsangehörigen zustehen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
- 22
2. Die Antragsteller gehören jedoch zu einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe, was derzeit dem Erlass der Abschiebungsanordnung entgegensteht. Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen kann es im Einzelfall aus individuellen, in der Person der Antragsteller liegenden Gründen – wenn auch nur vorübergehend – geboten sein, von Überstellungen in den anderen Mitgliedstaat abzusehen. Anhaltspunkt für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls kann geben, ob einer der Antragsteller Personen mit besonderen Bedürfnissen gemäß Art. 20 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU ist und er nach einer Einzelfallprüfung (Art. 20 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU) entsprechend einzustufen ist (vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 17.07.2014 – 17 L 1018/14.A –, juris).
- 23
Dies ist vorliegend der Fall. Denn die Antragsgegnerin hat beim Erlass der Abschiebungsanordnung nicht berücksichtigt, dass der sechsjährige Antragsteller zu 2. und der fünfjährige Antragsteller zu 3. als Minderjährige einer schutzbedürftigen Personengruppe nach § 20 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU angehören. Nach der aktuellen Auskunftslage (s.o. UNHCR-Bericht von April 2014) bestehen jedoch greifbare Anhaltspunkte dafür, dass eine gesicherte Unterkunft der Antragsteller und der Ehefrau/Mutter der Antragsteller (9 B 402/14 MD) bei ihrer Rückkehr nach Bulgarien nicht zur Verfügung steht. Dementsprechend hat die Antragsgegnerin in Abstimmung mit den bulgarischen Behörden Vorkehrungen für die Rückkehr der Antragsteller zu treffen, die eine gesicherte Unterkunft einschließen. Gleiches gilt soweit nach der Auskunftslage Überwiegendes dafür spricht, dass die minderjährigen Antragsteller zu 2. und 3. ein Zugang zur Bildung verwehrt bleibt, wenn ihre Teilnahmemöglichkeit an einem anerkannten Sprachkurs nicht sichergestellt wird. Schließlich ist zu konstatieren, dass die medizinische Versorgung der suizidgefährdeten Ehefrau/Mutter der Antragsteller sowohl auf dem Reiseweg als auch in Bulgarien in Abstimmung mit den bulgarischen Behörden zu gewährleisten ist (vgl. Beschluss vom heutigen Tag im Verfahren 9 B 402/14 MD).
- 24
Zwecks Sicherstellung effektiven Rechtschutzes ist wegen des vielfältigen und nicht ausschließlich in der Sphäre der Antragsgegnerin liegenden Maßnahmenbündels, das eine zureichende Abstimmung/Zusicherung der bulgarischen Behörden voraussetzt, notwendig und angemessen, nicht lediglich ein bloßes Maßnahmengebot i.S.d. § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO bei Ablehnung des vorläufigen Rechtschutzantrags zu statuieren, sondern vor der beabsichtigen Abschiebung deren Durchführung und Überwachung (insbesondere durch Garantien der bulgarischen Behörden) einzufordern. Das bisherige Vorbringen der Antragsgegnerin zugrunde gelegt, ist nämlich nicht erkennbar, dass sie bereits geeignete Maßnahmen in Zusammenarbeit mit den bulgarischen Behörden eingeleitet hat, zumal sie sich der besonderen Schutzbedürftigkeit der Personengruppe nicht hinreichend bewusst war.
- 25
Abschließend weist das Gericht darauf hin, dass dem Umstand, dass Bulgarien zwecks Rückführung der Antragsteller auf die Grenzpolizei/das Ministerium des Innern in seinem Schreiben vom 17.06.2014 (Beiakte A, Bl. 61) unter Ablehnung der Rückführung nach Dublin III-VO verweist, nicht zu entnehmen ist, dass die Abschiebung – bei Beachtung des oben dargestellten Maßnahmenbündels – als solche nicht durchgeführt werden kann. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG verlangt für den Erlass der Abschiebungsanordnung, dass feststehen muss, dass die Abschiebung auch tatsächlich durchgeführt werden kann. Voraussetzung für den Erlass der Abschiebungsanordnung ist danach, dass die Übernahmebereitschaft des Drittstaates, in den abgeschoben werden soll, abschließend geklärt ist (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 01.02.2012 – OVG 2 S 6.12 – juris, Rdnr. 4; vgl. BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 – 2 BvR 19398/93, 2 BvR 22 BvR 2315/93 – juris, Rdnr. 156). Dies ist hier der Fall. Denn die Rückführung der Antragsteller richtet sich nach dem bilateralen deutsch-bulgarischen Abkommen über die Übernahme und Durchbeförderung von Personen (Rücknahmeabkommen) vom 07.03.2006 (BGBl. 2006 Teil II Nr. 8 Seite 259 ff.). Danach ist Bulgarien grundsätzlich verpflichtet, auch die Antragsteller wieder aufzunehmen. Nach Art. 5 ff. Rücknahmeabkommen, der die Übernahme von Personen betrifft, die – wie die Antragsteller – nicht die deutsche oder bulgarische Staatsangehörigkeit besitzen, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen für ein Übernahme der Antragsteller nicht vorliegen, insbesondere die sich danach ergebenen Fristen nicht mehr eingehalten werden können. Danach muss innerhalb von 12 Monaten nach Kenntnis der zuständigen Behörden ein Übernahmeersuchen gestellt werden, dessen Beantwortung spätestens innerhalb von 14 Tagen zu erfolgen hat, wobei die Zustimmung nach Ablauf der Frist als erteilt gilt. Mit der Zustimmung zur Übernahme kann die betreffende Person unverzüglich in das Hoheitsgebiet der ersuchten Vertragspartei innerhalb einer Frist von drei Monaten zurückgeführt werden, wobei bei rechtlichen oder tatsächlichen Hindernissen für die Übergabe auf Antrag der ersuchenden Vertragspartei die Frist verlängert werden kann (vgl. Art. 7). Dies zugrunde gelegt, ist davon auszugehen, dass die Übernahmebereitschaft Bulgariens abschließend geklärt ist, ohne dass dies zuvor für den vorliegenden Einzelfall nochmals geprüft werden muss (a. A. wohl Trier, Beschluss vom 16.04.2014 – 5 L 569/14.Tr – juris, Rdnr. 52). Denn die Übernahmebereitschaft setzt nicht ausnahmslos voraus, dass eine ausdrückliche positive Erklärung des ersuchten sicheren Drittstaates gegenüber der Bundesrepublik Deutschland abgegeben wurde, soweit eine gesicherte Verwaltungsübung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Drittstaat besteht, dass unter bestimmten Voraussetzungen und bei Vorliegen bestimmter Beweismittel hinsichtlich eines Voraufenthaltes im Drittstaat der betreffende Flüchtling ohne weiteres und unverzüglich aufgenommen werden kann (Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, Juni 2014, zu § 34a Rn. 20). So liegt der Fall nach dem oben Gesagten hier. Zweifel an der Rückübernahmebereitschaft werden nicht durch die Erklärung der bulgarischen Behörden vom 17.06.2014 begründet. Die bulgarischen Behörden haben hier auf das – noch im Rahmen eines Dublin-Verfahrens eingeleiteten – Überstellungsersuchen lediglich darauf hingewiesen, dass die Überstellung des Antragstellers zu 1. in den Geschäftsbereich der Grenzpolizei falle und dort abzuwickeln sei, weil das Asylverfahren mit der Anerkennung des Antragstellers als Flüchtling abgeschlossen worden sei. Dies stellt die Übernahmebereitschaft Bulgariens aber nicht in Frage; vielmehr hat die bulgarische Behörde lediglich auf die innerstaatliche Zuständigkeit einer anderen Behörde hingewiesen und ihre Übernahmeverpflichtung als solche nicht verneint (vgl. dazu bei vollumfänglicher Verneinung der Übernahmeverpflichtung: VG Magdeburg, Beschluss vom 21.10.2014 – 9 B 373/14 MD – n.v.).
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt L. aus E. wird abgelehnt.
1
Gründe:
2Der am 29. April 2014 bei Gericht sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage (17 K 2897/14.A) gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 17. April 2014 insoweit anzuordnen, als in Ziffer 2. des Bescheides die Abschiebung nach Italien angeordnet wird,
4hat keinen Erfolg.
5A. Er ist zulässig (I.), jedoch unbegründet (II.).
6I. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist – wie sich auch aus § 34a Abs. 2 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) ergibt – der statthafte Rechtsbehelf. Die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG stellt einen belastenden Verwaltungsakt dar, dessen Aufhebung im Hauptsacheverfahren im Wege der Anfechtungsklage von dem Betroffenen verfolgt werden kann,
7vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, juris Rn.28 ff.; VG Düsseldorf, Urteil vom 23. April 2013 - 17 K 4548/12.A -, juris.
8Der erhobenen Anfechtungsklage – 17 K 2897/14.A – kommt entgegen § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht schon kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zu, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 75 Abs. 1 AsylVfG.
9Die Antragstellung bei Gericht am 29. April 2014 ist auch innerhalb der Wochenfrist ab Bekanntgabe – hier: 24. April 2014 – erfolgt, § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG.
10II. Der Antrag ist unbegründet.
11Das öffentliche Vollzugsinteresse an der sofort vollziehbaren Abschiebungsanordnung überwiegt bei einer an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientierten Abwägung das Interesse der Antragsteller am vorläufigen Verbleib im Bundesgebiet.
12Die Abschiebungsanordnung ist nach summarischer Prüfung offensichtlich rechtmäßig. Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) abgeschoben werden (1.), ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 1. Alt. AsylVfG an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann (2.).
13Diese Voraussetzungen liegen vor.
141. Italien ist „sicherer Drittstaat“ im Sinne von § 26a AsylVfG. Nach § 26a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AsylVfG kann sich ein Ausländer nicht auf Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz (GG) berufen, wenn er aus einem Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG eingereist ist.
15a. Der Anwendung des Art. 16a Abs. 2 GG und der §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylVfG geht entgegen der Ansicht der Antragteller nicht die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (sog. Dublin III VO) vor. Dabei kann es offen bleiben, ob auf den gegebenen Fall noch die Vorgängerregelung, die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (sog. Dublin II VO) einschlägig wäre (vgl. insoweit Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III VO - hierfür spricht, dass die Asylanträge der Antragsteller vor dem 1. Januar 2014 gestellt wurden-). Denn beide Regelwerke, die Dublin II ebenso wie die Dublin III Verordnung finden auf Ausländer, die in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, nachdem ihnen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union – hier in Italien – Flüchtlingsschutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Richtlinie 2011/95/EU) zuerkannt worden ist, überhaupt keine Anwendung mehr,
16vgl. für subsidiär schutzberechtigte Personen: VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Juli 2014 - 17 L 1193/17.A; zur Dublin II VO bereits: VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Januar 2013 – 6 L 104/13.A –, juris Rn. 20; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2013 – 6 K 7204/12.A –, juris; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: November 2013, § 27a AsylVfG Rn. 34.
17Die Dublin III VO unterscheidet -ebenso wie der Sache nach die Dublin II VO- ausdrücklich zwischen „Antragsteller“, Art. 2 lit. c Dublin III VO (Art. 2 lit. d Dublin II VO) und „Begünstigter internationalen Schutzes“, Art. 2 lit. f Dublin III VO (Art. 2 lit. g Dublin II VO [„Flüchtling“]). Antragsteller im Sinne der Dublin III Verordnung ist danach derjenige, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den noch nicht endgültig entschieden wurde, wohingegen „Begünstigter internationalen Schutzes“ derjenige ist, dem internationaler Schutz zuerkannt wurde. Das Verfahren zur Bestimmung des für eine Bearbeitung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaates wird nach Art. 20 Abs. 1 Dublin III VO (Art. 4 Abs. 1 Dublin II VO) nur eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird. Dieses Verfahren ist indes nicht mehr einschlägig, wenn der Ausländer bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach dortigem Antrag auf internationalen Schutz Flüchtlingsschutz – wie hier die Antragsteller ausweislich der Mitteilungen der italienischen Behörden vom 28. November 2013 in Italien; vgl. für die unter den Familienverband fallenden Antragsteller zu 3. und 4. Art. 23 Abs. 2 i.V.m. Art. 2 lit. j Richtlinie 2011/95/EU – erhalten hat. Dementsprechend sieht auch Art. 18 Abs. 1 lit. a bis d Dublin III VO (Art. 16 Abs. 1 lit. a und c bis e Dublin II VO) keine Pflicht des zuständigen Mitgliedsstaates im Falle des positiven Bescheides über einen Antrag auf internationalen Schutz vor. Für eine Ausübung des in Art. 17 Abs. 1 der Dublin III VO (Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO) geregelten Selbsteintrittsrechts der Mitgliedstaaten ist dann ebenfalls von vornherein kein Raum mehr. Hieraus folgt zugleich, dass die Antragsteller mit ihrem Vortrag, aufgrund ihnen in Italien drohender Gesundheitsgefahren lägen „systemische Mängel im Asylverfahren“ vor, die den um Überstellung ersuchenden Mitgliedstaat zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts verpflichteten, nicht durchdringen.
18Selbst wenn, der Ansicht des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller folgend, die minderjährigen Antragsteller zu 3. und 4. in Italien formal (noch) keinen Flüchtlingsschutz erhalten haben sollten -obwohl die Antragsteller zu 1. und 2. bei der Anhörung vor dem Bundesamt selbst davon sprachen, sie alle hätten einen gesicherten Aufenthaltsstatus und Aufenthaltstitel gehabt („wir“)-, mag dies allenfalls zwar insoweit zu einer Anwendung der Dublin VO für diese, nicht jedoch zu einer Änderung in der Sache führen (vgl. zudem Art. 9 Dublin III VO bzw. Art. 7 Dublin II VO). Die erkennende Kammer hat in ständiger Rechtsprechung bereits entschieden, in Italien seien systemische Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen einschließlich der Gesundheitsversorgung derzeit nicht auszumachen,
19vgl. etwa VG Düsseldorf, Urteil vom 24. Mai 2013 - 17 K 7223/12.A, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 26. April 2013 - 17 K 1777/12.A, juris; zuletzt für minderjährige Kinder: VG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Mai 2014 - 17 L 930/14.A.; auch bei Erkrankungen zuletzt: VG Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2013 - 17 K 4737/12.A, juris.
20Diese Rechtsauffassung hat jüngst in einer Grundsatzentscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, auf die entsprechend Bezug genommen wird, Bestätigung gefunden,
21vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A, juris.
22b. Italien ist nach dem im Eilverfahren anzulegenden Prüfungsmaßstab als Mitgliedstaat der Europäischen Union ein „sicherer Drittstaat“ im Sinne von Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG.
23aa. Der vorgenannten Verfassungsnorm liegt das „Konzept der normativen Vergewisserung“ über die Sicherheit im Drittstaat zugrunde. Diese normative Vergewisserung bezieht sich darauf, dass der Drittstaat einem Betroffenen, der sein Gebiet als Flüchtling erreicht hat, den nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Konvention zum Schutze der Menschenrechte (EMRK) und den Grundfreiheiten gebotenen Schutz vor politischer Verfolgung und anderen ihm im Herkunftsstaat drohenden schwerwiegenden Beeinträchtigungen seines Lebens, seiner Gesundheit oder seiner Freiheit gewährt. Damit entfällt das Bedürfnis, ihm Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu bieten. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten als sicher kraft Entscheidung der Verfassung,
24vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 22 BvR 2315/93 -, juris Rn. 181.
25Dieses nationale Konzept steht im Einklang mit dem hinter der Schaffung eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (vgl. Art. 78 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union) stehenden „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“. Selbiges beruht auf der Annahme, alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, beachteten die Grundrechte, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Richtlinie 2011/95/EU, der GFK sowie in der EMRK finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Unter diesen Bedingungen muss die - freilich widerlegbare - Vermutung gelten, die Behandlung der Antragsteller als schutzberechtigt anerkannte Ausländer stehe in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den genannten Rechten,
26vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 und C-493/10 -, juris Rn. 10 ff., 75, 78, 80.
27Diese Annahmen zugrunde gelegt, greift die „sichere Drittstaatenregelung“ (nur) dann nicht, wenn sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, der Ausländer sei von einem Sonderfall betroffen, der von dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ bzw. dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ nicht aufgefangen werde,
28vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 –, juris Rn. 52 f., 60 zum „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“; BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93 –, juris Rn. 189 zum „Konzept der normativen Vergewisserung“.
29Von einem solchen Fall ist dann auszugehen, wenn es ernst zu nehmende und durch Tatsachen gestützte Gründe dafür gibt, dass in dem Mitgliedstaat, in den abgeschoben werden soll, in verfahrensrechtlicher oder materieller Hinsicht nach aktuellen Erkenntnissen kein hinreichender Schutz gewährt wird.
30Der Bezugspunkt für die Beurteilung des hinreichenden Schutzes hängt davon ab, ob der Ausländer bereits einen Schutzstatus in dem Land, in das er abgeschoben werden soll, erhalten hat oder nicht. Nur in letzterem Fall ist darauf abzustellen, ob das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische, dem ersuchenden Mitgliedstaat nicht unbekannte Mängel aufweisen, die für den Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr begründen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in dem ersuchten Mitgliedstaat im Sinne von Art. 4 / Art. 19 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtecharta) bzw. dem inhaltsgleichen Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein,
31vgl. etwa EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 und C-493/10 –, juris Rn. 78 f., 84 ff. und 94; siehe dazu bereits zuvor II 1. a).
32Hat der Ausländer indes – wie hier – bereits einen Schutzstatus erhalten, ist darauf abzustellen, ob der gebotene Inhalt des jeweiligen Schutzstatus hinreichend eingehalten wird oder ein Verstoß gegen die GFK vorliegt bzw. für den Inhaber des Schutzstatus eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in dem ersuchten Mitgliedstaat im Sinne von Art. 4 / Art. 19 Abs. 2 Grundrechtecharta bzw. dem inhaltsgleichen Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein.
33Dass die Verhältnisse in Italien diesbezüglich hinter dem unionsrechtlich vorgesehenen Flüchtlingsschutz dergestalt zurückbleiben, ist nach der gebotenen summarischen Prüfung zu dem für die Entscheidung nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt nicht zu erkennen.
34Soweit die Genfer Flüchtlingskonvention für anerkannte Flüchtlinge Wohlfahrtsregelungen enthält (Art. 20 ff. GFK), die vom anerkennenden Drittstaat zu beachten und vom Konzept der normativen Vergewisserung mit umfasst sind, gehen diese im Wesentlichen über Diskriminierungsverbote gegenüber den jeweiligen Inländern nicht hinaus. Namentlich im Bereich der öffentlichen Fürsorge und der sozialen Sicherheit verpflichtet die GFK den Drittstaat zur Inländergleichbehandlung (vgl. Art. 23, 24 GFK). Letztere ist aber nach den aktuellen Erkenntnissen in Italien, wo einem anerkannten Asylbewerber hinsichtlich Aufenthalt, Freizügigkeit, Zugang zu Arbeit und medizinischer Versorgung dieselben Rechte wie italienischen Staatsangehörigen zustehen, gegeben,
35vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 7. und vom 11. Juli 2012, S. 2f.; vgl. auch den Bericht „Associazione per gli Studi Giuridici sull’immigrazione“ -ASGI- vom 20. November 2012, S. 10; s. aus der Rspr. ebenso VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Januar 2013 - 6 L 104/13.A, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2013 - 6 K 7204/12.A, juris; sogar für das Asylverfahren in Italien und die Einhaltung der dort gebotenen unionsrechtlichen Mindeststandards OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A., juris.
36Eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der Antragsteller im Sinne von Art. 3 EMRK ist gleichfalls nicht ersichtlich.
37Der Inhalt des internationalen Flüchtlingsschutzes wird unionsrechtlich vorgegeben durch die Regelungen in Art. 20 bis 35 der Richtlinie 2011/95/EU. So gelten einheitliche Vorgaben etwa für die Erteilung des Aufenthaltstitels (Art. 24) und der Reisedokumente (Art. 25 Abs. 1). Einem anerkannten Schutzberechtigten stehen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung (Art. 26), zur Bildung (Art. 27), zum Erhalt von Sozialhilfeleistungen (Art. 29) und medizinischer Versorgung (Art. 30) dieselben Rechte wie den jeweiligen Staatsangehörigen zu.
38Danach ist im Hinblick auf Italien zwar nach wie vor anzuerkennen, dass die Lebensbedingungen (auch) für Personen mit anerkanntem Schutzstatus nach den gegebenen Erkenntnissen schwierig sein können. Weder ist aber eine Verletzung der in Art. 26ff. der Richtlinie 2011/95/EU vorgesehenen Gleichbehandlungsgebote erkennbar noch herrschen in Italien derart handgreiflich eklatante Missstände, die die Annahme rechtfertigten, anerkannt Schutzberechtigte würden einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung ausgesetzt und den Antragstellern müsste unabweisbar Schutz gewährt werden. Eine solche Behandlung muss ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK zu gelten. Dieses Mindestmaß erreichen die Verhältnisse, denen anerkannt Schutzberechtigte in Italien ausgesetzt sind, nicht.
39In Italien erhalten mit der Anerkennung Schutzsuchende nach Auskunft der Deutschen Botschaft vom 21. Januar 2013 ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht und freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Es existiert eine staatliche Arbeitsvermittlung auf regionaler Ebene. Die Möglichkeit zur Aufnahme eines eigenen Gewerbes oder Handwerks besteht grundsätzlich und wird nach Möglichkeit gefördert. Weiterhin ist die Gesundheitsfürsorge für alle Ausländer, die einen Status haben, gewährleistet, es existiert ein kostenfreier Zugang zu sämtlichen öffentlichen medizinischen Leistungen, wofür aber ein Registrierung erforderlich ist; sie sind den italienischen Staatsangehörigen insoweit gleichgestellt,
40vgl. Auskunft der Deutschen Botschaft vom 21. Januar 2013, Ziff. 5.5, 6., 7.4 und vom 11. Juli 2012, S. 2; allg. zum italienischen Gesundheitssystem: Bericht der Deutschen Botschaft „Sozialpolitische Informationen Italien“ aus Januar 2012, S. 25f.
41Entsprechendes gilt nach Auskunft der Deutschen Botschaft von Januar 2012 auch für weitere Fürsorgeleistungen. Dem italienischen System ist es dabei zu eigen, dass auch italienische Staatsangehörige kein national garantiertes Recht auf Fürsorgeleistungen haben; insoweit müssen sich Ausländer, wie die Italiener auch, in der Praxis etwa selbst um eine Unterkunft bemühen. Die Zuständigkeit für die Festsetzung von Sozialleistungen liegt grundsätzlich im Kompetenzbereich der Regionen. Öffentliche Fürsorgeleistungen weisen demnach deutliche Unterschiede je nach regionaler und kommunaler Finanzkraft auf,
42vgl. Bericht der Deutschen Botschaft „Sozialpolitische Informationen Italien“ aus Januar 2012, S. 24.
43Die vorstehenden Ausführungen berücksichtigend, kommen insgesamt Personen mit einem internationalen Schutzstatus dieselben Rechte auf Fürsorge, Unterkunft und medizinische Versorgung zu wie (mittellosen) italienischen Staatsangehörigen. Den Auskünften sind diesbezüglich auch keine hinreichenden -eine andere Beurteilung rechtfertigenden- Anhaltspunkte für eine massiv diskriminierende Vollzugspraxis zu entnehmen,
44vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 7 und vom 11. Juli 2012, S. 2f.; vgl. auch den Bericht von ASGI vom 20. November 2012, S. 10; aus der Rspr.: VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2013 - 6 K 7204/12.A, juris, m.w.N.,
45Somit ist eine Verletzung der in Art. 26ff. der Richtlinie 2011/95/EU vorgesehenen Gleichbehandlungsgebote nicht erkennbar, so dass unter diesem Aspekt eine Verletzung von Art. 3 EMRK ausscheidet.
46Darüber hinaus liegen keine sonstigen allgemeinen humanitären Gründe vor, die der Rückführung der Antragsteller nach Italien zwingend entgegenstehen würden. Ungeachtet der Frage, ob bzw. wann überwiegend auf Armut zurückzuführende schlechte humanitäre Bedingungen den für eine Verletzung von Art. 3 EMRK erforderlichen Schweregrad erreichen,
47vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 23, 25; vgl. auch Schmahl/Winkler, Schutz vor Armut in der EMRK ?, in: Archiv des Völkerrechts 48 (2010), 405 (422 f.), wonach Art. 3 EMRK bei einer lebensbedrohlichen Mangellage bzw. einer zum Ausschluss selbstbestimmter Handlungen führenden Existenznot tangiert ist,
48lassen die dem Gericht vorliegenden Erkenntnisse nicht darauf schließen, dass die Antragsteller nach ihrer Rückführung nach Italien dort Lebensbedingungen ausgesetzt wären, die für sie auf unabsehbare Zeit eine Lage existenzbedrohender (extremer) materieller Armut befürchten ließen.
49So hat das Auswärtige Amt zuletzt in seiner bereits zitierten Stellungnahme vom 21. Januar 2013 ausgeführt, dass anerkannte Flüchtlinge von Hilfsorganisationen (z.B.: Caritas, CIR) Unterstützung bekommen können, wenngleich sie auch -wie alle Italiener- grundsätzlich in eigener Verantwortung und ohne staatliche finanzielle Hilfe bzw. Sozialleistungen eine Wohnung und einen Arbeitsplatz suchen müssen. Unterstützung für Integrationsprogramme (z.B. Aus- und Fortbildung) existiert ebenfalls über lokale Behörden, Stiftungen, Gewerkschaften, Hilfsorganisationen oder auch Nichtregierungsorganisationen, die teilweise miteinander vernetzt sind,
50vgl. Auskunft der Deutschen Botschaft vom 21. Januar 2013, Ziff. 7.1., 7.3.
51Zwar ist nach dem Gutachten der Flüchtlingsorganisation borderline-europe, Menschenrechte ohne Grenzen e.V. von Dezember 2012 und nach Auskunft der italienischen Vereinigung für rechtliche Untersuchungen zur Situation von Einwanderung (ASGI) vom 20. November 2012 die soziale Situation der Schutzberechtigten oftmals härter als die der Asylsuchenden, da sie nämlich nach Abschluss des Asylverfahrens das Anrecht auf die Aufnahme in einem Aufnahmezentrum für Asylsuchende (CARA) verlieren. Sie können sich lediglich - sofern sie dort in der Vergangenheit noch keine Unterkunft bekommen haben - auf die Warteliste der lokalen Projekte im Rahmen des Schutzsystems für Asylsuchende und Flüchtlinge (SPRAR) eintragen lassen. Für die von diesem System nicht erfassten Personen bleiben nur die bereits erwähnten Unterstützungen allgemeiner Art, wie sie auch für andere Mittellose in Italien vorgesehen sind,
52vgl. borderline-europe e.V. vom Dezember 2012, S. 52f.; Bericht von ASGI vom 20. November 2011, S. 10 ff.
53Dies entspricht im Ergebnis der Einschätzung des Auswärtigen Amtes, wonach für überstellte Personen mit Schutzstatus die Erlangung von Unterkunft und Arbeit in erster Linie von Eigeninitiative und der Hilfestellung von Nichtregierungsorganisationen abhängt, so dass ein Abgleiten in die Obdachlosigkeit zwar generell möglich, aber keineswegs zwingende Folge ist,
54vgl. Auskunft der Deutschen Botschaft vom 21. Januar 2013, Ziff. 5.5, 7; so auch VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juni 2013 - 6 K 7204/12.A, juris, m.w.N.
55Wie bereits ausgeführt, ist die Gesundheitsvorsorge zwar rechtlich gewährleistet, jedoch in der Praxis zuweilen mit Schwierigkeiten verbunden. Hierzu führt das Auswärtige Amt im Januar 2013 ausdrücklich aus, dass die Gesundheitsfürsorge grundsätzlich für alle Ausländer, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind, gewährleistet ist. Die Ausländer müssen sich beim Servizio Sanitario Nazionale (Nationaler Gesundheitsdienst) melden und registrieren lassen. Dafür benötigten sie einen Aufenthaltstitel, ihre Steuernummer sowie eine feste Adresse, wobei deren eigene Angabe genügt. Selbst bei einem fehlenden festen Wohnsitz können sie sich um eine Sammeladresse bemühen. Die Caritas bietet solche Adressen für Personen an, die einen solchen nicht haben, ihn jedoch u.a. für den Erhalt der Gesundheitskarte benötigen. Eine solche „virtuelle Wohnsitznahme“ ist insbesondere in Rom recht umfangreich möglich. Im Übrigen steht nach vorzitierter Auskunft des Auswärtigen Amtes eine kostenfreie medizinische Versorgung selbst Personen zu, die nicht in einer staatlichen Unterkunft untergebracht sind. Die stets bestehende Notambulanz sei -ungeachtet einer Registrierung- für alle Personen kostenfrei zugänglich. Aktuell sei die Not- und Grundversorgung selbst für illegal aufhältige Personen garantiert,
56vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 6.2; borderline-europe e. V. vom Dezember 2012, S. 46.
57Diesbezüglich anerkennt das Gericht jedoch, dass sich in Teilbereichen der Unterkunftserlangung und der Gewährung von Hilfen durchaus für Inhaber eines Schutzstatus in Italien Mängel und Defizite (nach wie vor) feststellen lassen. Insbesondere der nach Abschluss eines Asylverfahrens eintretende Verlust eines Anrechts auf eine staatliche Unterkunft und die dadurch bedingte Möglichkeit der Obdachlosigkeit ist durchaus ernst zu nehmen. Allerdings handelt es sich dabei derzeit nicht um landesweite Missstände, die für jeden Einzelnen oder eine weit überwiegende Anzahl von anerkannten Flüchtlingen die Gefahr einer extremen materiellen Armut begründet, die von den italienischen Behörden tatenlos hingenommen würde. Die vorhandenen Defizite bei der Unterbringung und der gesundheitlichen Versorgung reichen daher nicht dafür aus, dass Italien generell nicht mehr als sicherer Drittstaat anzusehen wäre. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass insoweit Art. 3 EMRK die Konventionsstaaten auch nicht etwa dazu verpflichtet, Schutzberechtigten ein Recht auf Unterkunft zu geben oder sie finanziell zu unterstützen, um ihnen einen gewissen Lebensstandard einschließlich bestimmter Standards medizinischer Versorgung zu ermöglichen,
58vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30969/09 –, juris Rn. 249; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris Rn. 118.
59Generell reicht die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten,
60vgl. EGMR, Beschluss vom 2. April 2013 – 27725/10 –, juris.
61Art. 3 EMRK ist im Kern ein Abwehrrecht gegen unwürdiges Staatsverhalten im Sinne eines strukturellen Versagens bei dem durch ihn zu gewährenden angemessenen materiellen Mindestniveau und weniger ein individuelles Leistungsrecht einzelner Antragsteller auf bestimmte materielle Lebens- und Sozialbedingungen selbst,
62vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. April 2013 – 17 L 660/13.A –, juris Rn. 43, m.w.N.
63Die Antragsteller müssen sich nach alledem daher auf den in Italien für alle italienischen Staatsangehörigen geltenden Versorgungsstandard – somit auch auf den medizinischen Behandlungs- und Medikamentationsstandard – verweisen lassen, auch wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entsprechen mag,
64vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. April 2013 – 17 L 660/13.A –, juris Rn. 42, s.a. OVG NRW, Beschluss vom 5. August 2004 – 13 A 2160/04.A –, juris (noch zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG 1990, heute § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG).
65Entgegen der Ansicht des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller ist es auch nicht maßgeblich, wie ein vor der Großen Kammer des EGMR anhängiges und im Februar 2014 verhandeltes Verfahren zu Italien (offenbar U. ./. Schweiz; EGMR 29217/12) entschieden wird. Es ist ungewiss, inwieweit der EGMR in jenem Verfahren fallübergreifende Feststellungen zu den Verhältnissen in Italien treffen oder die konkreten Verhältnisse des zu entscheidenden Falles -ungeachtet der Frage, ob es sich überhaupt bei den Beschwerdeführern um anerkannte Flüchtlinge handelt- in den Vordergrund stellen wird; die Entscheidung hierzu steht -soweit ersichtlich- noch aus. Ungeachtet dessen bestand jedoch keine Veranlassung, zur Gewinnung der für die Entscheidungsfindung erforderlichen Überzeugung noch weitere Gutachten, Auskünfte oder Stellungnahmen zur Situation der anerkannten Flüchtlinge in Italien einzuholen. Denn die vorliegenden Erkenntnismittel haben im Ergebnis ausgereicht, dem Gericht diese Überzeugung bereits in einem ausreichenden Maße zu vermitteln.
66bb. Die Antragsteller gehören auch nicht zu einer gegebenenfalls besonders schutzbedürftigen Personengruppe.
67Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen kann es zwar im Einzelfall aus individuellen, in der Person der Antragsteller liegenden und damit von dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ bzw. dem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ von vornherein nicht erfassten Gründen – wenn auch nur vorübergehend – geboten sein, von Überstellungen in den anderen Mitgliedstaat abzusehen. Anhaltspunkt für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls kann geben, ob einer der Antragsteller eine Personen mit besonderen Bedürfnissen gemäß Art. 20 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU ist und er nach einer Einzelfallprüfung entsprechend eingestuft wurde.
68Beachtliche, in der Person der Antragsteller liegende Gründe von der Überstellung nach Italien abzusehen liegen indes nicht vor. Für die Antragstellerin zu 1. ist mit fachärztlichem Attest vom 29. April 2014 im Wesentlichen geltend gemacht, „es bestehe der dringende Verdacht auf eine schwere Posttraumatische Belastungsstörung, die der dringenden psychotherapeutischen Behandlung bedarf“. Aufgrund dieses Attestes ist es schon nicht hinreichend dargelegt, dass die Antragstellerin zu 1. tatsächlich an einer „schweren posttraumatischen Belastungsstörung“ leidet, sondern allenfalls, dass ein entsprechender Verdacht besteht, der der diagnostischen Abklärung bedarf. In diesem Zusammenhang wird angemerkt, dass der Zeitpunkt der Attestierung der angeblichen Erkrankung auffällig ist. Denn das Attest ist nur wenige Tage nach Zustellung (24. April 2014) des ablehnenden Bescheides vom 17. April 2014, nämlich am 29. April 2014 erstellt worden. Die Antragstellerin zu 1. hat bislang in verschiedenen Ländern der Europäischen Union Asylanträge gestellt (Italien, Schweiz, Frankreich, sowie Schweden und nunmehr in der Bundesrepublik Deutschland) und Syrien bereits nach eigenen Angaben im Juli 2009 Richtung Italien verlassen. Danach hat sie sich zunächst ca. 4-5 Monate in Rom aufgehalten, ist dann nach einem etwa sechsmonatigen Aufenthalt in der Schweiz wieder nach Rom zurückgekehrt um dort ca. ein ganzes weiteres Jahr zu bleiben. Schließlich will sie für zwei Monate nach Frankreich und sodann circa 13 Monate in Schweden gewesen sein um abermals für eine Woche nach Rom zurückzukehren. Hätte die geltend gemachte posttraumatische Erkrankung - nunmehr nach durch nichts belegtem Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zu 1. vom 15. Juli 2014 eine depressive Störung mit Suizidneigung- bereits jeweils in den anderen Ländern, insbesondere in Italien -wo die Antragstellerin insgesamt über anderthalb Jahre war- vorgelegen, hätte nichts näher gestanden, diese bereits zu Anfang beim Bundesamt geltend zu machen. Von etwaigen eigenen Erkrankungen war bei der Antragstellung dort im Juli 2013 indes ebensowenig wie im gesamten Verwaltungsverfahren die Rede (Anhörung am 18. Juli 2013: „Ich fühle mich gesund … Ich bin nicht behandlungsbedürftig erkrankt“). Es drängt sich daher der Eindruck einer bloßen Gefälligkeitsbescheinigung auf.
69Selbst wenn die behauptete Erkrankung aber unterstellt würde, ist weiter nicht nachvollziehbar vorgetragen, diese sei in Italien nicht behandelbar bzw. auch eine entsprechende Medikamentation unmöglich. Nach der derzeitigen Erkenntnislage trifft das nicht zu. Die Gesundheitsversorgung und der Zugang zu ihr ist in Italien für anerkannte Flüchtlinge trotz zuweilen auftretender zumutbarer praktischer Erschwernisse hinreichend gewährleistet. Es wurde bereits dargelegt, dass einem anerkannten Schutzberechtigten auch bei der medizinischen Versorgung dieselben Rechte wie italienischen Staatsangehörigen zustehen. Die -dem Flüchtling ohne Weiteres zumutbare- Anmeldung beim Servizio Sanitario Nazionale ist obligatorisch und ermöglicht die Ausstellung eines Gesundheitsausweises, der zur Behandlung bei einem praktischen Arzt, Kinderarzt, in Ambulanzen und bei Spezialisten oder zur Aufnahme in ein Krankenhaus berechtigt (siehe zuvor A. II. 1. b. aa.). Es existiert ferner kostenfreier Zugang zu allen medizinischen öffentlichen Leistungen (Arzt, Zahnarzt, Krankenhaus); die stets bestehende Notambulanz ist -ungeachtet einer Registrierung - für alle Personen ebenfalls kostenfrei zugänglich,
70vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 6.2, 7., 8.1; borderline-europe e.V. vom Dezember 2012, S. 46.
71Eine ärztliche Versorgung ist ausweislich der Erkenntnislage auch gewährleistet, sofern es um die Behandlung von psychischen bzw. traumatischen Erkrankungen geht,
72vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 8.1; Bericht der Deutschen Botschaft „Sozialpolitische Informationen Italien“ aus Januar 2012, S. 25f.
73Es ist danach nicht erkennbar, die Antragstellerin zu 1. könnte in Italien unzureichend behandelt werden, bestünde denn ihre (behauptete) Erkrankung tatsächlich. Schließlich lassen ihre Ausführungen beim Bundesamt (etwa im Jahre 2009/2010 sehr schlechte Lage im Asylheim in Italien, erforderliche neue Unterkunft nach sechs Monaten, zwei Monate keine Sozialhilfe) eine besondere Schutzbedürftigkeit hier nicht erkennen.
74Hinsichtlich des etwas über fünfzigjährigen Antragstellers zu 2. ist ebenso nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass nicht jedenfalls er sich um den Lebensunterhalt und die Versorgung seiner Familie wird kümmern können. Auch seine Ausführungen beim Bundesamt lassen eine besondere Schutzbedürftigkeit nicht erkennen (Anhörung am 18. Juli 2013: „Ich fühle mich gesund … Ich bin nicht behandlungsbedürftig erkrankt“); schließlich hat der Antragsteller zu 2. -wie übrigens die Antragstellerin zu 1. auch- bei seiner dortigen Anhörung keine Einwände erhoben, dass sein Antrag in Italien wieder geprüft werde (Anhörung Frage 24).
75Endlich begründet allein die Minderjährigkeit der Antragsteller zu 3. (ca. 5 Jahre) und 4. (ca. 4 Jahre) eine besondere Schutzbedürftigkeit nicht. Sie sollen gemeinsam mit ihren Eltern, den Antragstellern zu 1. und 2., nach Italien zurückgeführt werden; Anhaltspunkte für -hinreichend beachtliche- Erkrankungen bei dem Antragsteller zu 4. sind weder vorgebracht noch ersichtlich. Hinsichtlich des Antragstellers zu 3. liegt offenbar eine Entwicklungsstörung des Sprechens oder der Sprache (Dyslalie sowie Dysgrammatismus) vor, wobei neurologische oder sonstige pädiatrische Besonderheiten nicht festgestellt wurden (siehe Heilmittelverordnung vom 21. Mai 2014). Als Therapieziel wurde die „Verbesserung / Normalisierung sprachl. / kommunikativer Fähigkeiten“ benannt. Im Attest des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin vom 22. Mai 2014 wurde ferner, noch ohne nähere Ausführungen dazu „frühkindlicher Autismus“ (in dem Überweisungsschein an die Ausländerbehörde hieß es einen Tag zuvor noch zum frühkindlichen Autismus „z.A.“ [zur Abklärung]) sowie eine „Verhaltens- und emotionale Störung mit Beginn der Kindheit“ diagnostiziert und diverse -nicht medikamentöse- Therapiemaßnahmen vorgeschlagen (u.a. Einzeltherapie mit begleitender Elternarbeit; Kooperation der Therapeuten mit dem Kindergarten bzw. dem Sozialamt; Gewährleistung eines Lebensortes, der das Risiko der Störungen minimiere). Auch diese diagnostizierten Erkrankungen -ihr Vorliegen unterstellt- können in Italien hinreichend behandelt werden. Es besteht für anerkannte Schutzberechtigte, wie für italienische Staatsbürger, freie Arztwahl. Zwar muss zunächst -abgesehen von Notfällen- ein Hausarzt aufgesucht werden, der dann eine Überweisung an einen Spezialisten, wie einen Kinderarzt oder das Krankenhaus, vornimmt. Gegebenenfalls muss auch bei Fachärzten mit langen Wartezeiten für Termine gerechnet werden, dies trifft aber Italiener gleichermaßen und ist zumutbar, zumal sich insoweit das System in diesem Punkt nicht grundlegend von dem hiesigen unterscheidet,
76vgl. Bericht der Deutschen Botschaft „Sozialpolitische Informationen Italien“ aus Januar 2012, S. 26; Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 6.2.
77Soweit die Antragsteller zu. 3. und 4., die Argumentation des Prozessbevollmächtigten unterstellt, keine in Italien anerkannten Flüchtlinge wären und unter das Regime der Dublin VO fielen (s.o. A II 1 a.), ergäbe sich hier nichts anderes. Ungeachtet dessen, dass die medizinische Behandlung von Personen mit internationalem Schutzstatus den anderen Familienangehörigen, also auch den Antragstellern zu 3. und 4. gleichermaßen zukäme,
78vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 6.2.,
79wäre ohnehin auch hier kein besondere Schutzbedürftigkeit der Antragsteller zu 3. und 4. gegeben, die die Geltendmachung des Selbsteintrittsrechts der Bundesrepublik Deutschland geböte. Insoweit wird auf die Rechtsprechung der Kammer, die durch das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein Westfalen Bestätigung gefunden hat, Bezug genommen und sich diese zu Eigen gemacht. Die behaupteten Erkrankungen wären im Falle des noch laufenden Asylverfahrens behandelbar und auch der Zugang zu einer Behandlung gewährleistet,
80vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 26. April 2013 - 17 K 1777/12.A, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 24. Mai 2013 - 17 K 7223/12.A, juris VG Düsseldorf, Urteil vom 27. August 2013 - 17 K 4737/12.A, juris, jew. m.w.N.; i.Ü. grundsätzlich OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A, juris.
81cc. Schließlich liegt keine (weitere) der vom Bundesverfassungsgericht zur Abschiebungsanordnung nach §§ 34a Abs. 1, 26a AsylVfG gebildeten Fallgruppen zur Bestimmung der Ausnahmen vom „Konzept der normativen Vergewisserung“ vor,
82vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 ‑ 2 BvR 1938/93 –, juris Rn. 189.
83Weder droht den Antragstellern in Italien die Todesstrafe, noch besteht die erhebliche konkrete Gefahr dafür, dass sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Überstellung dort Opfer eines Verbrechens werden, welches zu verhindern nicht in der Macht Italiens steht. Zudem ist nicht ersichtlich, dass Italien selbst zum Verfolgerstaat werden wird.
842. Ebenso steht – nach dem im Eilverfahren angelegten Maßstab der summarischen Prüfung – fest, dass die Abschiebung im Sinne von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG durchgeführt werden kann.
85a. Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote liegen nicht vor. Für die Antragsteller besteht in Italien keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.
86Eine Gefahr im Sinne dieser Norm für die dort benannten Rechtsgüter ist erheblich, wenn eine Beeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände im Zielstaat wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde,
87vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – 1 C 18.5 –, juris Rn. 15; BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 ‑ 9 C 58.96 –, juris Rn. 13.
88Eine solche Verschlechterung kann zwar grundsätzlich infolge einer schweren psychischen Erkrankung eintreten, dies hat die Antragstellerin zu 1. aber nicht hinreichend dargelegt. Das von ihr vorgelegte Attest vom 29. April 2014 lässt im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung aus den bereits genannten Gründen (s. A II 1 b. bb.) den Schluss auf eine solche Erkrankung gerade mit der notwendigen zielstaatsbezogenen Verschlechterung nicht zu, zumal dort ohnehin nur von einem entsprechenden Verdacht gesprochen wird und die vom Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 15. Juli 2014 behauptete „Behandlungsbedürftige schwere depressive Störung mit Suizidneigung, die die Betreuung und Aufsicht naher Angehöriger“ geböte, durch nichts belegt und daher eine bloße unsubstantiierte Behauptung ist. Das vorzitierte Attest und die sonstigen beigefügten Anlagen geben dafür jedenfalls nichts her. Abgesehen von der fehlenden Glaubhaftigkeit einer psychischen Erkrankung liegen, wie bereits ausgeführt, aber auch keine Anhaltspunkte dafür vor, eine gegebenenfalls erforderliche Behandlung von psychischen Störungen sei in Italien nicht zureichend gewährleistet (vgl. A II 1 b. bb.). Daher drohen der Antragstellerin zu 1. keine der in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beschriebene Gefahren mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.
89Es ist auch nichts dafür erkennbar, der Gesundheitszustand des Antragstellers zu 3. verschlechtere sich mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit derart im Sinne des zuvor genannten Maßstabes bei einer Rückführung nach Italien. Soweit im Attest vom 22. Mai 2014 die Rede davon ist, eine Rückführung der Familie in ihre Heimat würde die Symptomatik verstärken, wird zunächst angemerkt, dass eine Rückführung des Antragstellers zu 3. gemeinsam mit seiner Familie in einen sicheren Mitgliedstaat der Europäischen Union ansteht, nicht aber die Abschiebung in die Heimat - nämlich Syrien - selbst. Unbeschadet dessen besteht eine beachtliche Wahrscheinlichkeit nicht, dass bei einem Aufenthalt im Zielland Italien die entsprechenden Gefahren drohten. Denn auch die Erkrankung des Antragstellers zu 3. (vgl. zu ihr bereits unter A II 1 b. bb.) kann in Italien behandelt werden, insbesondere ist eine kinderärztliche Betreuung sowie sind sonstige adäquate medizinische Behandlungs- und Betreuungsmöglichkeiten -wie dort für Inländer- gegeben und zugänglich,
90vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. Januar 2013, Ziff. 6.2, 7., 8.1.
91Soweit im Attest vom 22. Mai 2014 weiter ausgeführt wird, „nur ein dauerhafter Aufenthaltsstatus der Familie in der Bundesrepublik Deutschland kann zu einer positiven Veränderungen der o.g. Störungen des Kindes beitragen“, wird darauf hingewiesen, dass es für den bei § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG anzulegenden Maßstab auf die besondere Intensität der Beeinträchtigung im Zielstaat -Italien- ankommt und nicht auf eine hiesige mögliche Verbesserung. Denn der Asylbewerber bzw. anerkannt Schutzberechtigte muss sich grundsätzlich auf den Behandlungs- und Medikamentationsstandard im Überstellungsstaat verweisen lassen, selbst wenn dieser dem hiesigen Niveau -wofür aber keine Anhaltspunkte ersichtlich sind- nicht entsprechen sollte,
92vgl. -zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG 1990, heute § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG- OVG NRW, Beschluss vom 5. August 2004 - 13 A 2160/04.A, juris.
93Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Entscheidung mehr, ob den Antragstellern zu 1. und 3. nicht von vornherein die Berufung auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aufgrund der Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG versagt bliebe, weil die eventuellen Schwierigkeiten, die bei der Gewährung medizinischer Versorgung und Medikamentation mit möglicherweise daraus resultierenden Beeinträchtigungen bestünden (etwa Eigenbeteiligungen an bestimmten Medikamenten, sog. „tickets“ bei Eigenbeteiligungen an bestimmten Behandlungen, vgl. Bericht der Deutschen Botschaft „Sozialpolitische Informationen Italien“ aus Januar 2012, S. 25, 27), nicht individuell, sondern allgemein für die Bevölkerungsgruppe aller ganz oder nahezu mittellosen Kranken in Italien drohten,
94vgl. in diese Richtung VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Januar 2013 - 6 L 104/13.A, juris (noch zu § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG a.F.); zuletzt so für Bulgarien die erkennende Kammer, Beschluss vom 14. Juli 2014 - 17 L 870/14.A.
95b. Sofern im Rahmen des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG vom Antragsgegner auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe zu prüfen wären,
96vgl. so OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2011 – 18 B 1060/11 –, juris Rn. 4,
97stünden solche nicht entgegen. Etwas anderes ergibt sich nicht im Hinblick auf die behauptete Erkrankung der Antragstellerin zu 1. Ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis in Form von Reiseunfähigkeit liegt nur vor, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers unmittelbar durch die Ausreise bzw. Abschiebung oder als unmittelbare Folge davon voraussichtlich wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern wird. Das ist bei einer psychischen Erkrankung etwa der Fall, wenn im Rahmen einer Abschiebung das ernsthafte Risiko einer Selbsttötung gegeben ist und keine hinreichenden Vorkehrungen getroffen werden können, die das Risiko im Falle der Abschiebung verlässlich ausschließen,
98vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Mai 2007 - 19 B 352/07 -, juris Rn. 5 m.w.N.
99Im Hinblick auf die Antragstellerin zu 1. sind eine im vorgenannten Sinne beachtliche Erkrankung und das ernsthafte Risiko, ihr Zustand würde sich bei einer Abschiebung wesentlich oder lebensbedrohlich verschlechtern, nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Dem vorgelegten Attest vom 29. April 2014 sind keinerlei konkreten Angaben über die Reise(un)fähigkeit zu entnehmen. Selbst die behauptete psychische Erkrankung unterstellt, führte diese nicht zwingend zu einer Reiseunfähigkeit. In diesem Zusammenhang wird angemerkt, dass alle hiesigen Antragsteller im EU-Raum bereits eine offenbar problemlos von ihrer Konstitution mögliche rege gemeinsame Reisetätigkeit in den letzten Jahren entwickelt haben (Aufenthalt in Italien mit zweimaliger Rückkehr dorthin, Schweiz, Frankreich, Schweden und der Bundesrepublik Deutschland). Die pauschale Behauptung der Suizidgefährdung ist im Übrigen durch nichts belegt. Unabhängig davon und ein Suizidrisiko einmal unterstellt, ist schließlich mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen, dieser Gefahr könnte im Rahmen der Rückführungsmaßnahme durch ärztliche Hilfe oder in sonstiger Weise wirksam begegnet werden.
100Hinsichtlich des minderjährigen Antragstellers zu 3. sind ebenfalls keine inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisse ersichtlich. Reiseunfähigkeit ist schon im Ansatz nicht erkennbar. Wie sich unmittelbar durch eine Rückführung oder als unmittelbare Folge dieser der Gesundheitszustand des Antragstellers zu 3., der im Kern an einer sprachlichen Entwicklungs- und Verhaltensstörung, ggf. einem frühkindlichen Autismus leidet, wesentlich oder gar lebensbedrohlich Verschlechtern soll, bleibt der Antragsteller (und bleiben die Atteste) schuldig.
101Für sonstige Abschiebungshindernisse ist im Übrigen nichts ersichtlich.
102B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert beruht auf § 30 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
103C. Mangels hinreichender Erfolgsaussichten in der Hauptsache war auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen, § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung.
104Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
Gründe
-
I.
- 1
-
Die Beschwerdeführer sind äthiopische Staatsangehörige; die Beschwerdeführerin zu 1. ist die Mutter des am 26. März 2011 geborenen Beschwerdeführers zu 2. Sie reisten im Januar 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten einen Asylantrag; zuvor hatte die Beschwerdeführerin zu 1. bereits in Italien einen Asylantrag gestellt, aufgrund dessen sie dort subsidiären Schutz zuerkannt bekam. Sie wenden sich gegen einen am 9. Juli 2014 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 8. Juli 2014, mit dem ihnen Eilrechtsschutz gegen die auf § 34a Abs. 1 Satz 1, § 26a AsylVfG gestützte Anordnung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 16. Juni 2014 versagt wurde, sie in den sicheren Drittstaat Italien abzuschieben.
- 2
-
1. Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag der Beschwerdeführer mit der Begründung ab, dass kein Ausnahmefall nach dem Konzept der normativen Vergewisserung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 94, 49 ff.) gegeben sei, insbesondere weil anhand der in der jüngeren Rechtsprechung des EGMR (vgl. EGMR
, Urteil vom 21. Januar 2011, M.S.S. v. Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09, NVwZ 2011, S. 413; Beschluss vom 2. April 2013, Mohammed Hussein u.a. v. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10, ZAR 2013, S. 336) entwickelten Maßstäbe Mängel der Aufnahmesituation in Italien, die eine Aussetzung der Abschiebung in Anwendung von Art. 3 EMRK gebieten könnten, derzeit nach der Auskunftslage auch für die Gruppe der Inhaber eines Schutzstatus nicht erkennbar sei. Anders stelle sich die Lage nur bei alleinstehenden Elternteilen mit Kind dar, zu der die Beschwerdeführer aber deshalb nicht gehörten, weil auch der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin zu 1. aufgrund eines Beschlusses in seinem Eilverfahren mittlerweile vollziehbar nach Italien ausreisepflichtig sei.
- 3
-
2. Die Beschwerdeführer rügen mit ihrer am 11. August 2014, einem Montag, erhobenen Verfassungsbeschwerde die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.
- 4
-
Sie befürchten unter Bezugnahme insbesondere auf einen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu den Aufnahmebedingungen in Italien vom Oktober 2013, bei einer Rückkehr nach Italien wie die große Mehrheit der Schutzbedürftigen obdachlos zu werden und keinen Zugang zu Gesundheitsvorsorge und Nahrungsmitteln zu erhalten. Schutzberechtigte seien einem sehr hohen Risiko der Verelendung ausgesetzt; ihre Situation sei wesentlich prekärer als die eines Asylsuchenden, der sich noch im Verfahren befinde. Verletzungen ihrer Grundrechte aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, welche die Beschwerdeführer in Folge einer Abschiebung nach Italien erlitten, müsse sich die Bundesrepublik Deutschland zurechnen lassen. In den geschilderten Zuständen in Italien liege eine Verletzung sowohl der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG als auch eine Gefahr für ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG).
-
II.
- 5
-
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, und die Annahme ist nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>); sie ist unzulässig (dazu 1.). Hiervon unabhängig besteht allerdings Anlass zu dem Hinweis, dass die mit der Rückführung befassten deutschen Behörden in dem vorliegenden Einzelfall geeignete Vorkehrungen zum Schutz des Beschwerdeführers zu 2. zu treffen haben (dazu 2.).
- 6
-
1. Die Beschwerdeführer zeigen schon die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht auf (vgl. zu diesem Erfordernis nur BVerfGE 108, 370 <386 f.>). Sie setzen sich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 94, 49 <95 ff.>) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR
, Urteil vom 21. Januar 2011, M.S.S. v. Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09, NVwZ 2011, S. 413; Beschluss vom 2. April 2013, Mohammed Hussein u.a. v. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10, ZAR 2013, S. 336) nicht auseinander, die der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegt.
- 7
-
Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung in ihren Rechten aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG aufgrund einer drohenden Obdachlosigkeit bei einer Abschiebung geltend machen, legen sie im Übrigen auch nicht hinreichend substantiiert dar, dass sie in Italien mit Obdachlosigkeit zu rechnen haben und dem Beschwerdeführer zu 2. als Folge der Abschiebung mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Gesundheitsgefahren drohen. Es bedarf daher keiner Klärung, ob dahingehende systemische Mängel des italienischen Aufnahmesystems bestehen und ob solche strukturelle Defizite in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union einen im Konzept der normativen Vergewisserung nicht aufgefangenen Sonderfall darstellen können (vgl. dazu nur Moll/Pohl, ZAR 2012, S. 102 <104 ff.>; zu den Darlegungslasten für die Begründung eines solchen Sonderfalles vgl. BVerfGE 94, 49 <100>). Hierbei wäre ohnehin zu berücksichtigen, dass etwaige mit der Überforderung des Asylsystems eines Mitgliedstaats der Europäischen Union verbundene transnationale Probleme vornehmlich auf der Ebene der Europäischen Union zu bewältigen sind (vgl. BVerfGE 128, 224 <226>).
- 8
-
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann es allerdings - unbeschadet der Prüfung, ob einer Zurückweisung oder Rückverbringung eines Ausländers in einen sicheren Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen - in Einzelfällen geboten sein, dass die deutschen Behörden vor einer solchen mit den im Zielstaat zuständigen Behörden Kontakt aufnehmen, den Sachverhalt klären und gegebenenfalls zum Schutz des Ausländers Vorkehrungen treffen (vgl. BVerfGE 94, 49 <100>). Insbesondere besteht eine Verpflichtung der mit dem Vollzug einer Abschiebung betrauten Stelle, von Amts wegen aus dem Gesundheitszustand eines Ausländers folgende tatsächliche Abschiebungshindernisse in jedem Stadium der Durchführung der Abschiebung zu beachten; diese Stelle hat gegebenenfalls durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung (Duldung) oder durch entsprechende tatsächliche Gestaltung derselben die notwendigen Vorkehrungen zu treffen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, S. 241 <242>).
- 9
-
a) Nach der - von Verfassungs wegen nicht zu beanstandenden - jüngeren Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist es im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG mit Blick auf den Wortlaut dieser Vorschrift Aufgabe allein des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zu prüfen, ob "feststeht", dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29. November 2004 - 2 M 299/04, juris; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 3. Dezember 2010 - 4 Bs 223/10 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011 - A 11 S 1523/11 -, InfAuslR 2011, S. 310, dort <311> auch m.w.N. zur a.A.; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 4. Juli 2012 - 2 LB 163/10 -, InfAuslR 2012, S. 383; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012 - OVG 2 S 6.12 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris; zuletzt VG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Mai 2014 - A 9 K 3615/13 -, juris).
- 10
-
Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen. Gegebenenfalls hat das Bundesamt die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von deren Vollziehung abzusehen (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris, Rn. 4; BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris, Rn. 4; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris, Rn. 7; VG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Mai 2014 - A 9 K 3615/13 -, juris, Rn. 4).
- 11
-
b) Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unter anderem dann gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn), sondern auch, wenn die Abschiebung als solche - außerhalb des Transportvorgangs - eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn). Das dabei in den Blick zu nehmende Geschehen beginnt regelmäßig bereits mit der Mitteilung einer beabsichtigten Abschiebung gegenüber dem Ausländer. Besondere Bedeutung kommt sodann denjenigen Verfahrensabschnitten zu, in denen der Ausländer dem tatsächlichen Zugriff und damit auch der Obhut staatlicher deutscher Stellen unterliegt. Hierzu gehören das Aufsuchen und Abholen in der Wohnung, das Verbringen zum Abschiebeort sowie eine etwaige Abschiebungshaft ebenso wie der Zeitraum nach Ankunft am Zielort bis zur Übergabe des Ausländers an die Behörden des Zielstaats. In dem genannten Zeitraum haben die zuständigen deutschen Behörden von Amts wegen in jedem Stadium der Abschiebung etwaige Gesundheitsgefahren zu beachten. Diese Gefahren müssen sie entweder durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung mittels einer Duldung oder aber durch eine entsprechende tatsächliche Gestaltung des Vollstreckungsverfahrens mittels der notwendigen Vorkehrungen abwehren (vgl. zum Ganzen VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Februar 2008 - 11 S 2439/07 -, InfAuslR 2008, S. 213 <214> unter Verweis auf BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, S. 241).
- 12
-
Die der zuständigen Behörde obliegende Pflicht, gegebenenfalls durch eine entsprechende Gestaltung der Abschiebung die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit eine Abschiebung verantwortet werden kann, kann es in Einzelfällen gebieten, dass erforderliche Hilfen rechtzeitig nach der Ankunft im Zielstaat zur Verfügung stehen, wobei der Ausländer regelmäßig auf den dort allgemein üblichen Standard zu verweisen ist (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Juni 2011 - 2 M 38/11 -, InfAuslR 2011, S. 390 <392>).
- 13
-
c) So liegt es auch im vorliegenden Fall. Bei Rückführungen in sichere Drittstaaten können hiervon betroffene Ausländer - anders als bei der Rückführung in ihr Heimatland - regelmäßig weder auf verwandtschaftliche Hilfe noch auf ein soziales Netzwerk bei der Suche nach einer Unterkunft für die Zeit unmittelbar nach ihrer Rückkehr zurückgreifen. Bestehen - wie gegenwärtig im Falle Italiens - aufgrund von Berichten international anerkannter Flüchtlingsschutzorganisationen oder des Auswärtigen Amtes belastbare Anhaltspunkte für das Bestehen von Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer im sicheren Drittstaat, hat die auf deutscher Seite für die Abschiebung zuständige Behörde dem angemessen Rechnung zu tragen.
- 14
-
Bei Vorliegen einer solchen Auskunftslage hat das zuständige Bundesamt angesichts der hier berührten hochrangigen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 GG und der bei der Durchführung von Überstellungen allgemein besonders zu beachtenden Gesichtspunkte der Familieneinheit und des Kindeswohls (vgl. etwa Erwägungsgrund 22 und Art. 14 Abs. 1 a) und d) der Richtlinie 2008/115/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger - Rückführungsrichtlinie) jedenfalls bei der Abschiebung von Familien mit Neugeborenen und Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren in Abstimmung mit den Behörden des Zielstaats sicherzustellen, dass die Familie bei der Übergabe an diese eine gesicherte Unterkunft erhält, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren in dem genannten Sinne für diese in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen.
- 15
-
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
- 16
-
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
Gründe
- 1
Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.
- 2
Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO, beschränkt ist, rechtfertigen keine abweichende Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu verpflichten, von der (ursprünglich) für den 11.06.2014 geplanten Rückführung des Antragstellers nach Ungarn Abstand zu nehmen, im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
- 3
Der Antragsteller hat gegen den Antragsgegner (Ausländerbehörde) nicht den geltend gemachten Anordnungsanspruch. Der Antragsgegner ist für die Prüfung des vom Antragsteller vorgetragenen Abschiebungshindernisses nicht zuständig und damit nicht passivlegitimiert, unabhängig davon, ob der Antragsteller die geltend gemachte Erkrankung an einer posttraumatischen Belastungsstörung als zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis wegen fehlender Behandelbarkeit der Erkrankung in Ungarn oder als inlandsbezogenes Abschiebungshindernis wegen fehlender Reisefähigkeit verstanden wissen will. Denn beim Antragsteller handelt es sich um einen Asylbewerber, dessen Asylantrag das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 19.02.2014 gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt hat und dessen Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat Ungarn zugleich gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG angeordnet wurde. Da Rechtmäßigkeitsvoraussetzung einer solchen Anordnung ist, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, also tatsächlich möglich und rechtlich zulässig ist, hat das Bundesamt im Rahmen des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG – anders als bei der Entscheidung über Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG im Zusammenhang mit dem Erlass einer Abschiebungsandrohung – nicht nur zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, sondern auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG umfassend zu prüfen, so dass insoweit kein Raum für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde bleibt; dies gilt auch dann, wenn das Abschiebungshindernis erst nach dem Erlass der Abschiebungsanordnung entstanden ist (vgl. SaarlOVG, Beschl. v. 25.04.2014 – 2 B 215/14 –, juris; BayVGH, Beschl. v. 12.03.2014 – 10 CE 14.427 –, juris, m.w.N.). Bei nach Erlass der Abschiebungsanordnung auftretenden Abschiebungshindernissen hat das Bundesamt gegebenenfalls die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von der Vollziehung der Abschiebungsanordnung abzusehen (BayVGH, Beschl. v. 12.03.2014, a.a.O.). Die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung beurteilt sich nämlich nicht abschließend nach der im Zeitpunkt ihres Erlasses gegebenen Sachlage; vielmehr hat das Bundesamt die weitere Entwicklung mit Unterstützung der Ausländerbehörde unter Kontrolle zu halten und darauf dem Einzelfall entsprechend zu reagieren (OVG NW, Beschl. v. 30.08.2011 – 18 B 1060/11 –. Juris).
- 4
Der Kläger kann im Rahmen der gegen den Bescheid des Bundesamts gerichteten Klage (1 A 317/14), über die das Verwaltungsgericht noch nicht entschieden hat, das Abschiebungshindernis geltend machen. Über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht in dem gegen das Bundesamt gerichteten Verfahren (1 B 316/14) durch gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbaren Beschluss vom 28.03.2014 entschieden und sich dabei auch mit dem vom Kläger im vorliegenden Verfahren nochmals vorgetragenen Abschiebungshindernis auseinandergesetzt. Unter den Voraussetzungen des § 80 Abs. 7 VwGO kann der Antragsteller eine Abänderung dieser Entscheidung erreichen (vgl. BayVGH, Beschl. v. 12.03.2014, a.a.O.).
- 5
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.
(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.
(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.
(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.
(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.
(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.