Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 16. Okt. 2014 - 6 A 219/13
Tenor
Die Bescheide vom 03.09.2010 und 08.08.2013 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Heranziehung der Klägerin zur Erstattung von Bestattungskosten.
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Die Klägerin ist die Tochter des am 28. März 2009 verstorbenen H. D..
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Mit Schreiben vom 09. April 2009 wandte sich die Beklagte an ein Bestattungshaus mit dem Auftrag, den Leichnam im Rahmen eines Schichtbegräbnisses zu bestatten. Das Schreiben enthielt den Hinweis, dass keine zur Bestattung verpflichteten Personen bekannt seien.
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Aus einer internen e-Mail vom 14. April 2009 der Beklagten ergibt sich, dass die Klägerin als Tochter des Verstorbenen ermittelt wurde.
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Mit Schreiben vom 15. April 2009 wandte sich die Beklagte an die Klägerin und eröffnete ihr die Möglichkeit, in den erteilten Bestattungsauftrag einzutreten und die Bestattung selbst zu regeln. Im Übrigen wurde auf die Erstattung der Bestattungskosten hingewiesen.
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Nachdem die Klägerin darauf nicht reagiert hatte, wurde die Bestattung wie von der Beklagten in Auftrag gegeben durchgeführt und die dafür erforderlichen Kosten von der Beklagten gezahlt.
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Mit Schreiben vom 27. April 2010 wies die Beklagte die Klägerin im Rahmen einer Anhörung auf die Erstattung der Bestattungskosten und die Zahlung einer Verwaltungsgebühr hin.
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Die Klägerin teilte darauf mit Schreiben vom 23. Mai 2010 mit, dass sie die Übernahme der Bestattungskosten ablehne. Der Verstorbene sei nicht ihr Vater, sondern lediglich ihr Erzeuger gewesen. Sie habe ihn nie kennengelernt. Als 10jährige habe sie versucht, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Er habe ihr aber am Telefon erklärt, dass er sie nicht sehen wolle. Auch Unterhalt sei nie gezahlt worden.
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Mit Bescheid vom 03. September 2010 zog die Beklagte die Klägerin zur Erstattung der verauslagten Bestattungskosten in Höhe von 2.453,61 € heran. Daneben wurde eine Verwaltungsgebühr gemäß Tarifstelle 11.6 der Verwaltungsgebührensatzung in Höhe von 92,-- € festgesetzt. Zur Begründung heißt es, dass die Klägerin als Tochter des Verstorbenen bestattungspflichtig sei. Vorrangig Verpflichtete seien nicht bekannt. Die Familienverhältnisse seien unerheblich. Die ausgebliebenen Unterhaltszahlungen seien nicht relevant.
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Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 08. August 2013 zurückgewiesen wurde.
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Am 28. November 2013 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt vor, dass sich der Verstorbene bereits vor ihrer Geburt von ihrer Mutter getrennt habe. Sie habe niemals Kontakt zu ihrem Vater gehabt, weil dieser dies abgelehnt habe. Der Verstorbene habe auch keinen Unterhalt gezahlt. Er habe keinerlei erzieherische oder finanzielle Leistungen erbracht. Darin liege eine schwere Verfehlung ihr gegenüber und es sei deshalb unbillig, sie zur Erstattung der Bestattungskosten heranzuziehen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Bescheide vom 03. September 2010 und 08. August 2013 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie erwidert, dass das Bestattungsgesetz eine Härtefallregelung nicht vorsehe. Es sei auch innerhalb der kurzen neuntägigen Bestattungsfrist nicht möglich, die persönliche Beziehung zum Verstorbenen zu erforschen und eine Zumutbarkeitsabwägung vorzunehmen. Etwaige unterhaltsrechtliche Regelungen aus dem Zivilrecht könnten hier nicht herangezogen werden, weil die Bestattungspflicht kein Dauerschuldverhältnis, sondern lediglich eine einmalige Leistung umfasse. Die Anwendung der Billigkeitsregelung des
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§ 21 VVKVO sei dem Vollstreckungsverfahren vorbehalten. Gestörte Familienverhältnisse würden nach gefestigter Rechtsprechung nicht zu einem Wegfall der Kostenpflicht führen. Nur in absoluten Ausnahmefällen entfalle diese Verpflichtung. Ein solcher Ausnahmefall sei aber hier nicht gegeben. Insbesondere habe der Vater keine schwere Straftat gegenüber der Klägerin begangen. Allein der Umstand, dass sich ihr Vater nicht um sie gekümmert und eine Kontaktaufnahme verweigert habe, reiche nicht aus, um eine grobe Unbilligkeit anzunehmen. Sie stehe als leibliche Tochter dem verstorbenen Vater aufgrund der Blutsverwandtschaft näher als die Allgemeinheit.
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Die Verwaltungsgebühr ergebe sich aus Ziffer 11.6 der Verwaltungsgebührensatzung. Da es sich gemäß § 27 Bestattungsgesetz um eine pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe handele, sei diese Satzung in Verbindung mit dem Kommunalabgabengesetz heranzuziehen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Rechtsgrundlage des Kostenbescheides ist § 13 Abs. 2 Satz 2 Bestattungsgesetz SH (BestattungsG) iVm den §§ 230, 238, 249 LVwG iVm der Landesverordnung über die Kosten im Vollzugs- und Vollstreckungsverfahren (VVKVO). Danach hat die für den Sterbe- oder Auffindungsort zuständige Gemeinde entsprechend §§ 230 und 238 LVwG für die Bestattung zu sorgen, wenn Bestattungspflichtige nach § 13 Abs. 2 Satz 1 Bestattungsgesetz nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln sind oder ihrer Bestattungspflicht nicht nachkommen und kein anderer die Bestattung veranlasst.
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Der Gesetzgeber wollte durch das Gesetz zur Änderung des Bestattungsgesetzes vom 16. Februar 2009 mit dieser Regelung für die bestattende Gemeinde eine Ermächtigung erschaffen, auf deren Grundlage sie von dem Bestattungspflichtigen die Erstattung der Bestattungskosten verlangen kann (vgl. Landtagsdrucksache 16/2286, Seite 2 und 13). Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine Rechtsfolgenverweisung. Die Beklagte nimmt eine eigene, subsidiäre Pflicht als pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit war. Dies ergibt sich daraus, dass § 27 BestattungsG diese Aufgabe als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe formuliert. Nur bezüglich der Erstattung der Kosten wird als Rechtsfolge auf die §§ 230, 238 LVwG verwiesen. Es war vom Gesetzgeber auch gewollt, diese Aufgabe nicht als Pflichtaufgabe nach Weisung auszugestalten, sondern den Gemeinden diese Aufgabe im Wege der kommunalen Selbstverwaltung zu überantworten (vgl. Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 17. März 2008, Az.: 2 LB 35/07 mwN.).
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§ 13 Abs. 2 Satz 3 BestattungsG kann dagegen nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden (andere Auffassung noch OVG Schleswig, Beschluss vom 25.06.2012, Az.: 2 O 12/12). In dieser Vorschrift wird zwar von Haften gesprochen. Maßgeblich geht es hier allerdings um die Normierung der Gesamtschuldnerschaft. Dies wird dadurch deutlich, dass sich der Anwendungsbereich des § 13 Abs. 2 Satz 3 Bestattungsgesetz lediglich auf die Hinterbliebenen im Sinne des § 2 Nr. 12 Buchst. c) bis g) beschränkt. Dies verdeutlicht, dass es in dieser Vorschrift allein um die Gesamtschuldnerschaft geht, weil auch bestattungspflichtige Hinterbliebene nach § 2 Nr. 12 Buchst. a) und b) BestattungsG kostenerstattungspflichtig sein sollen. Auch die Gesetzgebungsgeschichte spricht dafür, dass der Gesetzgeber den Kostenerstattungsanspruch in § 13 Abs. 2 Satz 2 BestattungsG normieren wollte. Der Gesetzgeber reagierte ausdrücklich auf das Urteil des OVG Schleswig vom 17.03.2008, Az.: 2 LB 35/07, nach dem die Bestattungskosten weder in unmittelbarer noch in entsprechender Anwendung der Vorschriften für die Erstattung der Kosten einer Ersatzvornahme verlangt werden können (vgl. Landtagsdrucksache 16/2286, S. 2). Dort heißt es ausdrücklich, dass die Lücke im Gesetz durch die Worte „entsprechend §§ 230 und 238 des Landesverwaltungsgesetzes“ geschlossen werden sollte. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber den Erstattungsanspruch von Bestattungskosten in entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Ersatzvornahme im Landesverwaltungsgesetz regeln wollte.
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Insofern erfolgt die Heranziehung zu den von der Beklagten aufgewandten Kosten nach historischer Auslegung des Gesetzeswortlauts aus dem in § 13 Abs. 2 Satz 2 BestattungsG enthaltenen Rechtsfolgenverweis auf §§ 230, 238, 249 Abs. 1 LVwG iVm der VVKVO (vgl. auch Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 04. März 2014, Az.: 2 O 21/13).
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Diese Voraussetzungen liegen aber nicht vor. Die Klägerin ist zwar als Tochter des Verstorbenen gemäß § 2 Ziffer 12 Buchst. c) BestattungsG bestattungspflichtig. Die Beklagte durfte auch als Gemeinde des Sterbeortes die Bestattung veranlassen, weil zunächst keine der in § 13 Abs. 2 Satz 1 BestattungsG genannten Angehörigen bekannt waren. Im Hinblick auf die Bestattungsfrist von 9 Tagen (§ 16 Abs.1, 2.HS BestattungsG) unterliegt der Bestattungsauftrag vom 9. April 2009 des am 28. März 2009 Verstorbenen keinerlei Bedenken.
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Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte ihre Ermittlungsobliegenheit aus § 13 Abs.1 S.1 BestattungsG nicht erfüllt hat. Es gibt keine Hinweise auf ein Ermittlungsdefizit. Die Klägerin wurde ausweislich einer e-mail am 14. April 2009 als Angehörige ausfindig gemacht. Ihr wurde sogleich mit Schreiben vom 15. April 2009 angeboten, in die bereits beauftragte Bestattung einzutreten. Die Klägerin hat sich dazu nicht geäußert. Dieses Vorgehen der Beklagten ist insgesamt nicht zu beanstanden.
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Die Kostentragung stellt hier aber eine ausnahmsweise anzunehmende unbillige Härte im Sinne des § 21 Abs. 2 VVKVO (iVm § 13 Abs. 2 Satz 2 BestattungsG iVm den §§ 230, 238, 249 LVwG) dar. Nach dieser Vorschrift kann von einer Berechnung und Beitreibung der Gebühren und Auslagen teilweise oder ganz abgesehen werden, wenn die Beitreibung der Kosten für die Schuldnerin oder den Schuldner eine unbillige Härte bedeuten würde. Diese Vorschrift ist hier auch anwendbar. Zwar ist die obergerichtlichen Rechtsprechung teilweise der Auffassung, dass Billigkeits- bzw Zumutbarkeitserwägungen ausschließlich bzw. im Wesentlichen im Rahmen des § 74 SGB XII zu berücksichtigen sind (vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 26. Mai 2010; OVG Lüneburg, Urteil vom 13.07.2005; Urteil vom VGH München vom 09.06.2008, juris). Dieser Auffassung wird aber nicht gefolgt.
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Der sozialrechtliche Anspruch aus § 74 SGB XII schließt jedenfalls dann, wenn im Bestattungsrecht des jeweiligen Landes auf eine Kostenordnung mit einer Billigkeitsklausel verwiesen wird (etwa in Schleswig-Holstein; Niedersachsen; Nordrhein-Westfalen)die Anwendung dieser Billigkeitsklausel (hier: § 21 Abs. 2 VVKVO) nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse aus, nicht aber in Bezug auf persönliche Umstände (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 26.10.2011,.5 A 1245/11, Juris). Zwar können etwaige persönliche Billigkeitsgesichtspunkte auch im Rahmen des § 74 SGB XII geprüft werden. Allerdings sperrt dies die Anwendung des § 21 Abs. 2 VVKVO nicht. Diese Betrachtungsweise würde ausblenden, dass dem Betroffenen eine Handlungslast aufgebürdet wird, und er ein Verfahren nach § 74 SGB XII in Gang bringen muss. Im Übrigen befreit § 74 SGB XII nur davor, die Kosten endgültig tragen zu müssen. Aber schon der Umstand, überhaupt in Anspruch genommen zu werden, kann eine unbillige Härte sein. Ein Anspruch aus § 74 SGB XII steht auch nur demjenigen zu, der zur Kostenerstattung verpflichtet ist. Die Entscheidung, wer die Kosten zu tragen hat, wird nicht durch § 74 SGB XII bestimmt, sondern vorausgesetzt. Insofern ist das Verfahren hinsichtlich der Erstattungspflicht der Bestattungskosten -zu dem auch die in § 21 Abs. 2 VVKVO normierte unbillige Härte gehört- vorgreiflich (Hessischer VGH, a.a.O.). Desweiteren ist zu berücksichtigen, dass ein Anspruch aus § 74 SGB XII ungewiss ist. Der Anspruch aus § 74 SGB XII stellt einen Anspruch dar, der eine gegenüber den üblichen sozialrechtlichen Bedarfssituationen eigene Struktur aufweist ( BSG, Urteil vom 25.August 2011, B 8 SO 20/10, juris). Zum Teil wird die Übernahme der Kosten auch von vornherein auf den individuellen Anteil bei gesamtschuldnerischer Haftung begrenzt (Hessisches LSG, Urteil vom 6. Oktober, L 9 SO 226/10, juris). Oder der Hilfesuchende wird darauf verwiesen, zivilrechtliche Ausgleichsansprüche durchzusetzen bzw. nachzuweisen, dass dies gescheitert ist (SH LSG, Urteil vom 14.März 2006, L 9 B65/06 SO ER, juris). Auf einen solch ungewissen Anspruch kann ein Betroffener nicht verwiesen werden.
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Die erkennende Kammer hat sich deshalb der Auffassung angeschlossen, dass sich bereits im Rahmen der Heranziehung zu den Bestattungskosten die Frage der unbilligen Härte stellt (vgl. OVG Münster, Urteil vom 15.10.2001, Az.: 19 A 571/00; VGH Kassel, Urteil vom 26.10.2011, Az.: 5 A 1245/11; VG Halle, Urteil vom 20.11.2009, Az.: 4 A 318/09; VG Karlsruhe, Urteil vom 16.01.2007; Az.: 11 K 1326/06, jeweils zitiert nach Juris). Dies gilt jedenfalls dann, wenn, wie in Schleswig-Holstein, das Bestattungsrecht des Landes auf eine Kostenverordnung mit einer entsprechenden Norm (hier: § 21 Abs.2 VVKVO) verweist.
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Dem steht auch nicht entgegen, dass es innerhalb der kurzen 9-tägigen Bestattungsfrist nicht möglich sei, die persönliche Beziehung zum Verstorbenen zu erforschen. Die Frage, ob eine unbillige Härte vorliegt, ist nicht innerhalb der 9-Tages-Frist des § 16 Abs1, 2.HS BestattungsG zu entscheiden. Es geht hier um die Kostenerstattung, die sich erst nach der bereits vorgenommenen Bestattung stellt. Im Rahmen der Bestattungspflicht selbst spielt die Frage der unbilligen Härte keine Rolle. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Bestattungspflicht ordnungsrechtlich durch Bescheid durchgesetzt werden könnte. Nur dann müsste im Rahmen dieses Verfahrens bereits die unbillige Härte (innerhalb der dafür zu kurzen 9-Tages-Frist) überprüft werden. Allerdings ist die Bestattungspflicht ordnungsrechtlich nicht durch Bescheid durchsetzbar. Dafür fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Zwar heißt es in § 13 Abs.2 S.1 BestattungsG, dass die Hinterbliebenen für die Bestattung zu sorgen haben. Es gibt in § 13 BestattungsG aber keine Ermächtigung, die
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dem Beklagten die Durchsetzung dieser Pflicht ermöglicht. Insofern ist eine Rechtsgrundlage für die Kostenerstattung geschaffen worden, nicht aber eine zur Durchsetzung der Bestattungspflicht. Aus dem Bestattungsgesetz folgt für die Beklagte lediglich die Obliegenheit, Angehörige zu ermitteln und sie auf ihre Bestattungspflicht hinzuweisen. Es liegt auch keine Ersatzvornahme vor, wenn die Gemeinde die Bestattung selbst vornimmt. In § 13 Abs. 2 S.2 BestattungsG handelt es sich nur um eine Rechtsfolgenverweisung (siehe oben). Ein sog. Grund-Verwaltungsakt zur Durchsetzung der Bestattungspflicht ist deshalb nicht nötig. Im Rahmen der Frage zur Kostenerstattung kann dann ohne Eile die unbillige Härte geprüft werden.
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Der Begriff der unbilligen Härte ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Die Unbilligkeit kann in der Sache selbst oder in der Person des Pflichtigen begründet sein. Ein sachlicher Billigkeitsgrund liegt dann vor, wenn ein Sachverhalt zwar den buchstäblichen Tatbestand des Gesetzes erfüllt, dies aber im Einzelfall zu einer mit Sinn und Zweck des Gesetzes nicht zu vereinbarenden Härte führt.
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Grundsätzlich bringt der Gesetzgeber durch die Regelung der Kostentragungspflicht durch nahe Angehörige zum Ausdruck, dass die Lasten der Bestattung, obwohl nach dem Bestattungsgesetz eine Aufgabe zur Gefahrenabwehr, letztlich nicht von der Allgemeinheit zu tragen sind. Der rechtfertigende Grund liegt in der verwandtschaftlichen bzw. familiären Beziehung. Der Gesetzgeber knüpft damit an die überkommene, von der großen Mehrheit der Bevölkerung getragenen Auffassung an, dass innerhalb des engeren Familienkreises besondere Solidaritätspflichten bestehen, die über den Tod hinaus wirken. Diese sozial-ethisch gebotene familiäre Solidarität soll nicht auf die Gemeinschaft abgewälzt werden. Nur für den Fall, dass es als unzumutbar erscheint, den Betroffenen die Kosten aufzuerlegen, kann eine Ausnahme von der Solidaritätspflicht angenommen werden.
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Auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung ist weitgehend anerkannt, dass gestörte Familienverhältnisse im Ausnahmefall dazu führen können, von einer Kostentragungspflicht bezüglich der Bestattungskosten abzusehen. Wann ein solcher Ausnahmefall vorliegt, wird allerdings uneinheitlich beurteilt. Diejenigen Verwaltungsgerichte, die die Prüfung von Billigkeitsgesichtspunkten in erster Linie dem § 74 SGB XII überantworten (etwa OVG Hamburg, Urteil vom 26. Mai 2010; OVG Lüneburg, Urteil vom 13.07.2005; Urteil vom VGH München vom 09.06.2008, jeweils zitiert nach juris) legen einen sehr strengen Maßstab an. Die Unzumutbarkeit einer Heranziehung wird beschränkt auf schwere Straftaten des Verstorbenen zu Lasten des an sich Bestattungspflichtigen. Zum Teil wird sogar eine Verurteilung des Verstorbenen vorausgesetzt.
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Das Erfordernis einer schweren Straftat kann aber nur dann der Maßstab sein, wenn ausschließlich oder im Wesentlichen im Rahmen des eigenständigen sozialhilferechtlichen Anspruchs aus § 74 SGB XII eine Unzumutbarkeitsprüfung stattfindet. Wird, wie hier vertreten, die Unbilligkeit bereits im Rahmen der bestattungsrechtlichen Kostenerstattung geprüft, kann sich eine unbillige Härte auch schon unterhalb der Schwelle der schweren Straftat ergeben. Denn bei der Einordnung der unbilligen Härte muss auf den o.g. Zweck der Bestattungspflicht und damit verbundener Kostentragung abgestellt werden. Das Interesse des Bestattungspflichtigen, von der Heranziehung zu den Kosten verschont zu bleiben, muss so gewichtig sein, dass es das öffentliche Interesse an der ausnahmslosen Bestattung und Kostentragungspflicht überwiegt (z.B. VG Karlsruhe, Urteil vom 16.01.2007, Az.: 11 K 1326, 06, juris). Das zumutbare Gewicht der Kostenlast hängt dabei vor allem von der Nähe und Beziehung des Pflichtigen zum Verstorbenen ab (vgl. Urteil des BVerwG vom 29.0.12004, Az.: 5 C 2/03, juris). Wenn aber der Hintergrund der Bestattungspflicht und damit der Kostentragungspflicht das nähere Verhältnis des Verstorbenen zu seinen Hinterbliebenen als zur Allgemeinheit ist, dann muss die Grenze zur unbilligen Härte im Sinne des § 21 Abs. 2 VVKVO dort gezogen werden, wo bei vernünftiger Betrachtung ein vollständiges, endgültiges Verschwinden der Nähe berechtigt ist.
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Das Verschwinden des Näheverhältnisses muss dabei auf solchen Gründen beruhen, die geeignet sind, das von dem Gesetzgeber bei Schaffung der familiären Bestattungspflicht unterstellte und vorausgesetzte Näheverhältnis komplett aufzulösen. Insofern kann nicht jede Abkehr von der familiären Verbundenheit eine unbillige Härte bedingen. Denn die Gründe hierfür können vielfältigster Art oder durch innerfamiliäre Eigenheiten ausgelöst sein (vgl. auch Urteil der Kammer vom 04. September 2014, 6 A 163/12).
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Die Grenze zur unbilligen Härte wird objektiv erst dann überschritten, wenn sich der Verstorbene in Anlehnung an die unterhaltsrechtlichen Bestimmungen in den §§ 1611, 1579 BGB eines schweren Vergehens oder einer gravierenden Verfehlung gegen den Pflichtigen schuldig gemacht hat.
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Allerdings ist bei der Heranziehung der §§ 1579, 1611 BGB zu berücksichtigen, dass es in diesem Verfahren bezüglich der Erstattung von Bestattungskosten nicht um ein Dauerschuldverhältnis (wie bei der Zahlung von Unterhalt), sondern um eine einmalige Leistung geht (vgl. VG Halle, Urteil vom 20. November 2009, 4 A 318/09, juris). Deshalb muss sich die Heranziehung im Wesentlichen beschränken auf § 1579 Ziff.3 BGB (Verbrechen und vorsätzliche Vergehen) oder eine damit vergleichbare Verfehlung iSd § 1579 Ziff. 7 BGB.
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Die Voraussetzungen für eine so interpretierte unbillige Härte liegen hier vor. Das Gericht hat zunächst keinen Zweifel an dem Vortrag der Klägerin, dass diese ihren Vater gar nicht kennengelernt hat. Der Vater hat sich noch vor ihrer Geburt von der Mutter getrennt und jeden Kontakt zu ihr abgelehnt.
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Durch dieses Verhalten des Vaters wurde das familiäre Verhältnis in seiner Gesamtheit negiert. Insofern ist ein familiäres Verhältnis, das über den Tod hinaus fortwirken könnte, niemals existent gewesen. Es kann deshalb auch nicht gesagt werden, dass die Klägerin als Tochter dem Verstorbenen immer noch näher steht als die Allgemeinheit. Es gab nie ein Vater-Tochter-Verhältnis, das diese Annahme rechtfertigen könnte. Die Ablehnung des Vaters war grundlegend, endgültig und nachhaltig und geprägt von völliger Missachtung. Der Verstorbene hat dadurch seine elterliche Pflicht zu Beistand und Rücksicht auf grobe Weise verletzt. Darin liegt eine tiefgreifende Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange der Klägerin. (vgl. auch BGH, 12. Februar 2014, XII ZB 607/12; juris; BGH, Urteil vom 19. Mai 2004, XII ZR 304/02, juris).
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Das väterliche Fehlverhalten hat zu einer Zerstörung des Vater-Kind-Verhältnisses geführt. Dieser vollständige Mangel an elterlicher Verantwortung und menschlicher Rücksichtnahme führt zur Annahme einer schweren und gravierenden Verfehlung, die nach dem o.g. Maßstäben eine unbillige Härte begründet. Die Bescheide erweisen sich deshalb als rechtswidrig.
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Hinsichtlich der erhobenen Verwaltungsgebühr stellt sich die Frage, ob § 3 Abs. 3 VVKVO (iVm § 13 Abs. 2 S.2 BestattungsG und §§ 230, 238 LVwG) oder § 27 Abs. 3 BestattungsG iVm der Gebührensatzung der Beklagten anwendbar ist. Die erkennende Kammer hat bislang § 3 Abs. 3 VVKVO zu Grunde gelegt und auf § 1 Abs. 1 KAG hingewiesen, wonach die Beklagte nicht befugt ist, Verwaltungsgebühren selbst festzusetzen, wenn es eine abweichende landesgesetzliche Regelung (hier: § 249 Abs. 3 LVwG iVm § 3 Abs. 3 VVKVO) gibt. Dies kann aber auch deshalb anders gesehen werden, weil es sich um eine subsidiäre, pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe bei der Vornahme der Bestattung handelt (siehe oben). Diese Frage kann hier aber dahinstehen, weil der Bescheid rechtswidrig und aufzuheben ist und die Aufhebung des Bescheides auch die erhobene Verwaltungsgebühr mit umfasst.
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Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs, 1 VwGO und die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 2 VwGO.
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Die Berufung ist zugelassen worden nach § 124a Abs. 1 iVm § 124 Abs. 2 Ziff. 4 VwGO. weil das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 26. Mai 2014 (2 O 31/13) ausgeführt hat, dass eine unbillige Härte nur bei schweren Straftaten (Tötungsversuch, Vergewaltigung, sexueller Missbrauch) angenommen werden kann.
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Von diesem Maßstab weicht dieses Urteil ab. Diese Abweichung ist auch entscheidungserheblich, weil eine schwere Straftat vorliegend nicht gegeben ist.
Urteilsbesprechung zu Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 16. Okt. 2014 - 6 A 219/13
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Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 16. Okt. 2014 - 6 A 219/13 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Die erforderlichen Kosten einer Bestattung werden übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 02.09.2004 durch Leistungsbescheid vom 30.01.2006 aufgehoben wurde und dass die aus dem Bescheid vom 02.09.2004 abgeleitete Kostentragungspflicht der Klägerin für die Bestattungskosten ihres Vaters rechtswidrig war.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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Die erforderlichen Kosten einer Bestattung werden übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.
(1) Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 sind auf die Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern nicht anzuwenden.
(3) Der Bedürftige kann wegen einer nach diesen Vorschriften eintretenden Beschränkung seines Anspruchs nicht andere Unterhaltspflichtige in Anspruch nehmen.
Ein Unterhaltsanspruch ist zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil
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die Ehe von kurzer Dauer war; dabei ist die Zeit zu berücksichtigen, in welcher der Berechtigte wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes nach § 1570 Unterhalt verlangen kann, - 2.
der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt, - 3.
der Berechtigte sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Verpflichteten oder einen nahen Angehörigen des Verpflichteten schuldig gemacht hat, - 4.
der Berechtigte seine Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat, - 5.
der Berechtigte sich über schwerwiegende Vermögensinteressen des Verpflichteten mutwillig hinweggesetzt hat, - 6.
der Berechtigte vor der Trennung längere Zeit hindurch seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat, - 7.
dem Berechtigten ein offensichtlich schwerwiegendes, eindeutig bei ihm liegendes Fehlverhalten gegen den Verpflichteten zur Last fällt oder - 8.
ein anderer Grund vorliegt, der ebenso schwer wiegt wie die in den Nummern 1 bis 7 aufgeführten Gründe.
(1) Ist der Unterhaltsberechtigte durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden, hat er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht, so braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht. Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 sind auf die Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern nicht anzuwenden.
(3) Der Bedürftige kann wegen einer nach diesen Vorschriften eintretenden Beschränkung seines Anspruchs nicht andere Unterhaltspflichtige in Anspruch nehmen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
- 1
- Die Antragstellerin verlangt von dem Antragsgegner aus übergegangenem Recht Elternunterhalt.
- 2
- Die Eltern des 1953 geborenen Antragsgegners trennten sich 1971; ihre Ehe wurde noch im selben Jahr geschieden. Der Antragsgegner verblieb im Haushalt seiner Mutter und hatte anfangs noch einen losen Kontakt zu seinem Vater. Nach Erreichen des Abiturs im Jahr 1972 brach der Kontakt zu seinem 1923 geborenen Vater ab. Dieser bestritt seinen Lebensunterhalt als Rentner aus den Erträgen einer Lebensversicherung sowie einer geringen Altersrente. 1998 errichtete er ein notarielles Testament, in dem er seine Bekannte zur Erbin einsetzte. Zudem bestimmte er, dass der Antragsgegner nur den "strengsten Pflichtteil" erhalten solle. Erläuternd führte der Vater in dem Testament aus, dass zu seinem Sohn seit rund 27 Jahren kein Kontakt mehr bestehe. Im April 2008 verzog der Vater in eine Heimeinrichtung; er starb im Februar 2012.
- 3
- Die Antragstellerin nimmt den - als Beamten tätigen - Antragsgegner wegen der seinem Vater in der Zeit von Februar 2009 bis einschließlich Januar 2012 nach dem Sozialgesetzbuch erbrachten Leistungen auf Zahlung eines Gesamtbetrages von 9.022,75 € in Anspruch.
- 4
- Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Auf die Beschwerde des Antragsgegners hat das Beschwerdegericht den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
- 5
- Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
- 6
- 1. Das Beschwerdegericht hat seine in FamRZ 2013, 1051 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:
- 7
- Zwar bestehe ein unterhaltsrechtlich relevanter Bedarf in der von der Antragstellerin vorgetragenen Höhe. Ebenso habe der Antragsgegner seine Leis- tungsfähigkeit nicht in Frage gestellt. Er könne sich gegenüber dem geltend gemachten Anspruch jedoch auf Verwirkung wegen einer schweren Verfehlung i.S.d. § 1611 Abs. 1 Satz 1 BGB berufen.
- 8
- Diese müsse sich nicht in einzelnen, schwerwiegenden Übergriffen gegen den Unterhaltspflichtigen oder dessen nahe Angehörige ausdrücken. Sie könne unter Berücksichtigung der Intention des Gesetzgebers auch in einem Verhalten gesehen werden, das in seiner Gesamtschau einen groben Mangel an verwandtschaftlicher Gesinnung erkennen lasse und infolgedessen den Unterhaltspflichtigen als Person herabwürdige, zurücksetze oder kränke. Bei der Unterhaltspflicht von Kindern gegenüber ihren Eltern sei insbesondere zu berücksichtigen , dass selbst scheinbar nur geringfügige Kränkungen und Verletzungen im Kindes- und Jugendalter in besonderer Weise traumatisierend wirken könnten und dann das Kind ein Leben lang belasteten.
- 9
- Gemessen hieran sei dem Vater des Antragsgegners auf der Grundlage des in seinen Grundzügen unstreitigen Sachverhalts sowie des vom Antragsgegner in der persönlichen Anhörung gewonnenen Eindrucks eine schwere Verfehlung vorzuwerfen; er habe mit seinem jede Beziehung vermeidenden Verhalten seinen Sohn in einer nicht mehr zu akzeptierenden Weise nachhaltig belastet. Unmittelbar vor der Trennung der Eltern sei es am 1. Mai 1971 zu einer tätlichen Auseinandersetzung gekommen, in deren Verlauf der Vater die Mutter massiv beschimpft und beleidigt habe. Dieser von dem Antragsgegner miterlebte Vorfall sei - wie die Ausführungen im Scheidungsurteil zeigten - symptomatisch für die Beziehung innerhalb der Familie gewesen. Nach der daraufhin vollzogenen Trennung habe sich der Vater von der Familie abgewandt. In der Folgezeit habe es nur noch einige Postkartengrüße aus dem Urlaub gegeben. Zwar habe der Antragsgegner seinen Vater noch gelegentlich besucht. Diese sporadischen Kontakte seien aber bereits nach etwa einem Jahr endgül- tig zum Erliegen gekommen. Wie der Antragsgegner in seiner Anhörung geschildert habe, habe er nach dem Scheitern der Ehe seiner Eltern mehrfach von sich aus den Kontakt zu seinem Vater gesucht, um wieder eine Vater-SohnBeziehung herzustellen. Wenn der Vater dann auf die Mitteilung von dem bestandenen Abitur nur mit einem Achselzucken reagiert habe, habe er deutlich zum Ausdruck gebracht, dass ihn jedenfalls ab 1972 die Person seines inzwischen fast erwachsenen Sohnes und dessen Zukunft nicht mehr berührt hätten. Dieser Eindruck habe sich in der Reaktion auf die Mitteilung von der beabsichtigten Verlobung bestätigt, die der Vater nur mit den Worten "Du bist ja verrückt" quittiert habe. Er habe offensichtlich kein Interesse an seiner Schwiegertochter und den Zukunftsplänen des Paares gezeigt. Dass dieses nach außen getragene Desinteresse noch immer nachwirke und den Antragsgegner bis heute belaste , sei ihm bei der Schilderung der Vorfälle deutlich anzumerken gewesen. Wenn der Antragsgegner nach diesen Erfahrungen von sich aus keine weiteren Kontakte mehr zu seinem Vater gesucht habe, sei dies nachvollziehbar und könne nicht als einfache Kontaktlosigkeit bagatellisiert werden. Nicht einmal das Zusammentreffen auf der Beerdigung des Großvaters habe dazu geführt, dass noch persönliche Worte zwischen beiden gewechselt worden seien. In seinem notariellen Testament aus dem Jahr 1998 habe der Vater bestätigt, zu seinem Sohn seit etwa 27 Jahren keinen Kontakt mehr zu haben. Mit der gewählten laienhaften Formulierung, sein Sohn solle nur den "strengsten Pflichtteil" erhalten , spiegele er seine innere Einstellung und dokumentiere nachdrücklich den bereits früher vollzogenen Bruch mit seinem Kind. Er habe ihn damit ersichtlich von allen Zuwendungen ausschließen wollen, soweit ihm das Recht einen Gestaltungsspielraum gelassen habe.
- 10
- Der dem Vater anzulastende Bruch der Eltern-Kind-Beziehung werde nicht durch die langjährigen Ehekonflikte relativiert. Diese hätten unmittelbar nur die Eheleute betroffen und den Vater nicht dazu berechtigt, sich auch gegen- über seinem damals noch minderjährigen Sohn zurückzuziehen. Unabhängig von der Frage der elterlichen Sorge sei er nicht von der jedem Eltern-KindVerhältnis immanenten Pflicht zu wechselseitigem Beistand und Rücksichtnahme , und damit über die Schulzeit hinaus Kontakt zu seinem Sohn zu halten, entbunden gewesen. Wenn der Vater gleichwohl die Bemühungen seines bereits durch die Ehekonflikte erheblich belasteten Sohnes um eine Aufrechterhaltung verwandtschaftlicher Bindungen zurückgewiesen habe und es zu einem endgültigen Bruch habe kommen lassen, habe er einen groben Mangel an elterlicher Verantwortung und menschlicher Rücksichtnahme offenbart, so dass die Voraussetzungen für eine schwere Verfehlung gegeben seien. Da die Folgen seines Handelns für den Vater erkennbar gewesen seien und er diese bewusst in Kauf genommen habe, sei an einem Vorsatz nicht zu zweifeln.
- 11
- Bei dieser Ausgangslage sei eine Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen grob unbillig, so dass die Verwirkung nicht zu einer Kürzung, sondern zum Wegfall des Anspruchs führe. Wer sich bewusst und dauerhaft von jeglichen Beziehungen persönlicher und wirtschaftlicher Art zu seinen Kindern ablöse, stelle sich außerhalb des familiären Solidarverbandes. Geschehe dies zudem noch in einer Weise, die für das nunmehr unterhaltspflichtige Kind traumatisierend gewirkt habe, müsse diesem die Auferlegung einer Zahlungspflicht in besonderer Weise als unbillig erscheinen - und zwar unabhängig von dem zuvor im Rahmen des Familienverbandes erhaltenen Unterhalt.
- 12
- 2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
- 13
- a) Gemäß § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB braucht der Verpflichtete nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht, wenn sich der Unterhaltsberechtigte vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht hat. Die Unterhaltspflicht entfällt vollständig, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten im Hinblick darauf grob unbillig wäre, § 1611 Abs. 1 Satz 2 BGB.
- 14
- aa) Eine schwere Verfehlung gemäß § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB kann regelmäßig nur bei einer tiefgreifenden Beeinträchtigung schutzwürdiger wirtschaftlicher Interessen oder persönlicher Belange des Pflichtigen angenommen werden. Als Begehungsformen kommen aktives Tun und Unterlassen in Betracht, letzteres allerdings nur, wenn der Berechtigte dadurch eine Rechtspflicht zum Handeln verletzt. Daher kann sich auch eine - durch Unterlassen herbeigeführte - Verletzung elterlicher Pflichten, wie etwa der Pflicht zu Beistand und Rücksicht im Sinne von § 1618 a BGB, der auch auf das Verhältnis zwischen Eltern und ihren volljährigen Kindern Anwendung findet (Palandt/Götz BGB 73. Aufl. § 1618 a Rn. 1), als Verfehlung gegen das Kind darstellen (Senatsurteile vom 15. September 2010 - XII ZR 148/09 - FamRZ 2010, 1888 Rn. 32 und vom 19. Mai 2004 - XII ZR 304/02 - FamRZ 2004, 1559, 1560).
- 15
- Eine "schwere Verfehlung" im vorgenannten Sinn ist nicht auf einzelne, schwerwiegende Übergriffe gegen den Unterhaltspflichtigen oder dessen nahe Angehörige beschränkt. Bereits in den Motiven zum Bürgerlichen Gesetzbuch wurde eingeräumt, dass erhebliche Gründe dafür sprechen, die Unterhaltspflicht in Fällen, in denen der Bedürftige durch unwürdiges Verhalten das Familienband zerrissen hat, nicht nur zu beschränken, sondern ganz wegfallen zu lassen (BT-Drucks. V/2370 S. 41). Ein solches Verhalten kann sich zum einen in einzelnen besonders schwerwiegenden Verfehlungen zeigen; eine schwere Verfehlung im Sinne des § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB kann sich zum anderen aber auch aus einer Gesamtschau des Verhaltens des Unterhaltsberechtigten ergeben. Selbst wenn die einzelnen Verfehlungen dabei nicht besonders schwer wiegen, kommt es maßgeblich darauf an, ob sie zusammengenommen zeigen, dass sich der Unterhaltsberechtigte in besonders vorzuwerfender Weise aus der familiären Solidarität gelöst und damit letztlich bezogen auf seine familiären Verpflichtungen eine schwere Verfehlung begangen hat.
- 16
- bb) Eine vom Unterhaltsberechtigten ausgehende Kontaktverweigerung kann, wenn nicht weitere Umstände hinzutreten, nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen eine Verwirkung des Unterhalts gemäß § 1611 Abs. 1 BGB begründen.
- 17
- Beim Kindesunterhalt vermag allerdings die Ablehnung jeder persönlichen Kontaktaufnahme zu dem unterhaltspflichtigen Elternteil durch das (volljährige ) Kind allein oder auch in Verbindung mit unhöflichen und unangemessenen Äußerungen diesem gegenüber eine Herabsetzung oder den Ausschluss des Unterhalts nach § 1611 Abs. 1 BGB nicht zu rechtfertigen (Senatsurteil vom 25. Januar 1995 - XII ZR 240/93 - FamRZ 1995, 475, 476). Beim Elternunterhalt kann eine Verwirkung demgegenüber dann gerechtfertigt sein, wenn der Elternteil sein Kind, das er später auf Elternunterhalt in Anspruch nimmt, schon im Kleinkindalter bei den Großeltern zurückgelassen und sich in der Folgezeit nicht mehr in nennenswertem Umfang um es gekümmert hat. Dann offenbart das Unterlassen des Elternteils einen so groben Mangel an elterlicher Verantwortung und menschlicher Rücksichtnahme, dass nach Abwägung aller Umstände von einer schweren Verfehlung ausgegangen werden kann (Senatsurteil vom 19. Mai 2004 - XII ZR 304/02 - FamRZ 2004, 1559, 1560).
- 18
- b) Gemessen an den vorstehenden Anforderungen hält die Beschwerdeentscheidung den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand.
- 19
- Zwar stellt der vom Tatrichter festgestellte, vom Vater des Antragsgegners ausgegangene Kontaktabbruch eine Verfehlung i.S.v. § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB dar. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts handelt es sich indes nicht um eine schwere Verfehlung im Sinne dieser Vorschrift.
- 20
- aa) Indem der Vater des Antragsgegners eine Beziehung zu seinem Sohn vermieden und dadurch den Antragsgegner nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts nachhaltig belastet hat, hat der Vater gegen seine Verpflichtung verstoßen, seinem Sohn beizustehen und auf seine Belange Rücksicht zu nehmen. Diese Verpflichtung hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom 1. Januar 1980 mit § 1618 a auch im Verhältnis zu volljährigen Kindern in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen (Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge vom 18. Juli 1979, BGBl. I 1061). Auch wenn diese Norm zu dem Zeitpunkt, als der Vater den Kontakt zum Antragsgegner im Jahr 1972 abgebrochen hatte, noch nicht galt, begründete sie jedenfalls für die Zeit ab 1980 das Eltern-Kind-Verhältnis prägende Rechtspflichten, deren künftige Verletzung unter den Voraussetzungen des § 1611 Abs. 1 Satz 1 3. Alt. BGB Bedeutung zukommt (vgl. Senatsurteil vom 19. Mai 2004 - XII ZR 304/02 - FamRZ 2004, 1559, 1560).
- 21
- Die in Form der Kontaktverweigerung begangene Verfehlung hat der Vater nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts noch dadurch dokumentiert , dass er seinen Sohn im Jahr 1998 enterbt hat. Die Errichtung dieses Testaments selbst stellt allerdings keine Verfehlung dar. Vielmehr hat der Vater lediglich von seinem Recht auf Testierfreiheit Gebrauch gemacht (vgl. §§ 2064 ff., 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB).
- 22
- Zu Recht hat das Beschwerdegericht darauf hingewiesen, dass dieses Verhalten des Vaters seinem Sohn gegenüber nicht durch die seinerzeit langjährig bestehenden Ehekonflikte relativiert wurde. Denn die persönlichen Konflikte haben unmittelbar nur die Eheleute betroffen und den Vater nicht dazu berechtigt, sich auch gegenüber seinem Sohn zurückzuziehen.
- 23
- bb) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts handelt es sich jedoch nicht um eine schwere Verfehlung i.S.d. § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB.
- 24
- Zwar mag der Vater durch sein Verhalten das familiäre Band zu seinem Sohn aufgekündigt haben. Sein Verhalten offenbart jedoch nicht einen so groben Mangel an elterlicher Verantwortung und menschlicher Rücksichtnahme, dass von einer schweren Verfehlung ausgegangen werden könnte (vgl. dazu Senatsurteil vom 19. Mai 2004 - XII ZR 304/02 - FamRZ 2004, 1559, 1560 mwN). Denn bis zur Trennung der Eltern im Jahr 1971 und mithin in den ersten 18 Lebensjahren des Antragsgegners war der Vater Teil des Familienverbands und hat sich um den Antragsgegner gekümmert. Der Vater hat daher gerade in den regelmäßig eine besonders intensive elterliche Fürsorge erfordernden Lebensphasen seines Sohnes bis zum Erreichen der Volljährigkeit im Wesentlichen den aus seiner Elternstellung folgenden Rechtspflichten genügt. Als es im Jahr 1972 zum Kontaktabbruch kam, war der damals fast 19-jährige Antragsgegner zwar nach damaliger Rechtslage noch nicht volljährig, hatte jedoch bereits erfolgreich das Abitur abgelegt und damit eine gewisse Selbständigkeit erlangt. Das in die Zeit ab dem 19. Lebensjahr des Antragsgegners fallende Verhalten des Vaters stellt sich im Hinblick darauf nicht als eine schwere Verfehlung i.S.d. § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB dar. Insoweit unterscheidet sich dieser Fall maßgeblich von der vom Senat im Jahr 2004 entschiedenen Konstellation , in der die (unterhaltsberechtigte) Mutter ihr Kind im Kleinkindalter verlassen hatte (Senatsurteil vom 19. Mai 2004 - XII ZR 304/02 - FamRZ 2004,
1559).
- 25
- 3. Danach ist der Beschluss des Beschwerdegerichts aufzuheben, § 74 Abs. 5 FamFG. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden, § 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG.
- 26
- a) Der von der Antragstellerin geltend gemachte Unterhaltsanspruch aus übergegangenem Recht ist zwischen den Beteiligten dem Grunde und der Höhe nach unstreitig. Danach hat der Antragsgegner den vom Amtsgericht festge- setzten Betrag von 9.022,76 € zu zahlen.
- 27
- b) Nach den weiteren, von Rechts wegen nicht zu beanstandenden und von dem Antragsgegner auch nicht angegriffenen Ausführungen des Beschwerdegerichts liegen die Voraussetzungen der übrigen Alternativen des § 1611 Abs. 1 Satz 1 BGB für eine Verwirkung des Unterhalts hier nicht vor. Der Vater des Antragsgegners ist mithin weder durch eigenes Verschulden bedürftig geworden, noch hat er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Antragsgegner gröblich verletzt.
- 28
- c) Ebenso wenig steht § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII einem Anspruchsübergang auf die Antragstellerin entgegen.
- 29
- Nach § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB XII geht der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch eines Sozialhilfeberechtigten bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über. Gemäß § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII geht der Anspruch nicht über, soweit dies eine unbillige Härte bedeuten würde.
- 30
- Die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Übergangs des Unterhaltsanspruchs (s. hierzu Senatsurteil vom 15. September 2010 - XII ZR 148/09 - FamRZ 2010, 1888 Rn. 44 ff. mwN) liegen ersichtlich nicht vor.
- 31
- Soweit es die vom Antragsgegner geltend gemachte Verfehlung anbelangt , werden die entsprechenden Umstände abschließend von § 1611 BGB erfasst. Nach dem unstreitigen Sachverhalt sind auch keine sozialen Belange ersichtlich, die einen Übergang des Anspruchs nach öffentlich-rechtlichen Krite- rien ausschließen könnten, wie sich nicht zuletzt auch aus dem Beschluss des Amtsgerichts ergibt. Weder hat der Antragsgegner seinen Vater betreut oder gepflegt, noch erscheint die Inanspruchnahme des Antragsgegners angesichts der festgestellten Einkommensverhältnisse unzumutbar, zumal die Unterhaltspflicht ohnehin zeitlich begrenzt ist. Schließlich sind auch keine Belange der Familie zu erkennen, die eine Heranziehung zum Unterhalt in Frage stellen könnten. Dose Weber-Monecke Schilling Nedden-Boeger Guhling
AG Delmenhorst, Entscheidung vom 27.03.2012 - 22 F 125/11 UK -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 25.10.2012 - 14 UF 80/12 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin macht als Trägerin der Sozialhilfe aus übergegangenem Recht Ansprüche auf Elternunterhalt geltend. Die 1934 geborene Mutter der Beklagten bezog seit November 1998 Sozialhilfe in Form der Hilfe zum Lebensunterhalt, da sie mit ihren geringen Renteneinkünften nicht in der Lage war, ihre Lebensführung zu bestreiten. In der Zeit von November 1998 bis August 2000 gewährte ihr die Klägerin Leistungen in Höhe von insgesamt 6.512,01 DM. Die 1956 geborene Beklagte ist das älteste von insgesamt fünf Kindern ihrer Mutter. Sie lebte bis zum Alter von 1 bis 1 ½ Jahren zusammen mit ihrer Mutter bei deren Eltern und wurde in deren Obhut zurückgelassen, als die Mutter zu ihrem Ehemann, dem Vater der Beklagten, zog. Zu persönlichen Kontak-ten zwischen der Mutter und der Beklagten kam es in der Folgezeit kaum noch. Die Ehe der Eltern wurde etwa im Jahre 1959 geschieden. In der Zeit von 1963 bis 1966 gebar die Mutter drei weitere Kinder, die bei ihr lebten. Im August 1966 wanderte sie - zusammen mit diesen Kindern - in die USA aus und heiratete erneut. 1968 wurde das fünfte Kind geboren. Im Jahre 1974 kehrte die Mutter - nach der Scheidung ihrer zweiten Ehe - mit den Kindern nach Deutschland zurück; zwei Kinder übersiedelten später jedoch wieder zu ihrem - inzwischen verstorbenen - Vater in die USA und leben heute noch dort. Die in Deutschland lebenden Kinder der Mutter sind zur Zahlung von Elternunterhalt finanziell nicht in der Lage. Die Beklagte, für die die Mutter zu keiner Zeit Unterhaltsleistungen erbracht hat, verblieb bei ihren Großeltern mütterlicherseits. Sie absolvierte eine Ausbildung als Kinderkrankenschwester und ist in diesem Beruf tätig. Ihr durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen beläuft sich auf ca. 3.486 DM; bereinigt um berufsbedingte Aufwendungen, Lebensversicherungsprämie und eine Darlehensrate verbleiben monatlich rund 2.700 DM. Mit Rechtswahrungsanzeige vom 2. November 1998 teilte die Klägerin der Beklagten die Gewährung von Sozialhilfeleistungen für ihre Mutter mit und forderte sie zur Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse auf. Mit ihrer Klage machte die Klägerin übergegangene Unterhaltsansprüche der Mutter für die Zeit von November 1998 bis August 2000 in Höhe ihrer Gesamtaufwendungen von 6.512,01 DM zuzüglich Zinsen geltend. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel ist nicht begründet. 1. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß ein Unterhaltsanspruch der Mutter gegen die Beklagte nicht bestehe, weil deren Inanspruchnahme grob unbillig sei. Dazu hat es ausgeführt: Der Mutter könne zwar nicht vorgeworfen werden, durch ein sittliches Verschulden unterhaltsbedürftig geworden zu sein. Daß sie sich vor ihrer Übersiedlung in die USA ihre in Deutschland erworbenen Rentenanwartschaften habe auszahlen lassen, erfülle nicht die Voraussetzungen des § 1611 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB. Auch von einer gröblichen Vernachlässigung der Barunterhaltspflicht seitens der Mutter im Sinne der 2. Alt. der genannten Bestimmung könne nicht ausgegangen werden. Da sie noch vier weitere Kinder habe betreuen müssen, könne nicht angenommen werden, daß sie zur Zahlung von Unterhalt für die Beklagte in der Lage gewesen sei. Die Mutter habe sich jedoch einer schweren Verfehlung gegen die Beklagte schuldig gemacht (§ 1611 Abs. 1 Satz 1 3. Alt. BGB). Wie von der Mutter bei ihrer Vernehmung selbst eingeräumt worden sei, habe über viele Jahre kein Kontakt zwischen ihr und der Beklagten bestanden. Zwar habe sie letztere vor ihrer ersten Scheidung einmal für einige Monate in ihren Haushalt geholt. Dort habe die Großmutter das Kind aber wieder herausnehmen müssen, weil der Aufenthalt dessen Entwicklung abträglich gewesen sei. Die Beklagte habe gestottert, weshalb die Mutter selbst eingesehen habe, daß es besser sei, wenn die Tochter bei der Großmutter lebe. Im Zuge der Scheidung sei schließlich die elterliche Sorge für die Beklagte den - als nicht erziehungsgeeignet angesehenen - Eltern entzogen und den Großeltern übertragen worden. Danach habe sich die Mutter nicht mehr um die Beklagte gekümmert. Von einem Aufenthalt der Beklagten in den USA abgesehen, der zu einer Zeit stattgefunden habe, als die Mutter an Krebs erkrankt gewesen sei, habe letztere von Anfang der 60er Jahre an vonsich aus den Kontakt zur Beklagten nicht nachdrücklich gesucht. Sofern es hierzu gleichwohl gekommen sei, habe dies auf den Bemühungen der Großeltern beruht. Auch heute noch ergäben sich Kontakte eher zufällig, wenn die Beklagte ihre Schwester besuche. Insgesamt werde in dem Verhalten der Mutter ein so grober Mangel an verwandtschaftlicher Gesinnung und menschlicher Rücksichtnahme deutlich, daß von einer vollständigen Verwirkung der Unterhaltsansprüche gegen die Beklagte auszugehen sei. Diese Beurteilung begegnet im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken. 2. a) Nach § 1611 Abs. 1 Satz 1 BGB braucht der Unterhaltspflichtige nur einen Beitrag in der der Billigkeit entsprechenden Höhe zum Unterhalt des Berechtigten zu leisten, wenn dieser unter anderem seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt (2. Alt.) oder sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht hat (3. Alt.). Die Verpflichtung fällt ganz weg, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre (§ 1611 Abs. 1 Satz 2 BGB). aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann bereits nicht ausgeschlossen werden, daß die Voraussetzungen der 2. Alt. des § 1611 Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllt sein können. Das Berufungsgericht hat insofern allein auf eine Verletzung der Barunterhaltspflicht abgestellt und eine solche mangels Leistungsfähigkeit der Mutter verneint. Eltern schulden ihren Kindern indessen entweder Bar- oder Naturalunterhalt (§ 1612 Abs. 2 BGB), zu dem - als Teil der Unterhaltspflicht - auch die Betreuung gehört (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB). Eine Vernachlässigung der Betreuung ist grundsätzlich ebenfalls geeignet, die Rechtswirkungen des § 1611 Abs. 1 BGB auszulösen (ebenso Staudinger /Engler BGB - 2000 - § 1611 Rdn. 18; Günther Münchner Anwaltshandbuch § 12 Rdn. 111; a.A. MünchKomm/Born 4. Aufl. § 1611 Rdn. 14), auch wenn die
Betreuung nicht in vollem Umfang persönlich erbracht werden muß. Für eine Beschränkung des § 1611 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB auf eine Verletzung der Barunterhaltspflicht sind dem Gesetz keine Anhaltspunkte zu entnehmen. Im vorliegenden Fall kommt eine Verletzung der Naturalunterhaltspflicht in der Zeit bis zur Übertragung der elterlichen Sorge für die Beklagte auf die Großeltern in Betracht. Zwar brauchte die Mutter die Betreuung nicht uneingeschränkt selbst zu übernehmen, sondern durfte sich hierbei auch der Mithilfe anderer bedienen. Das ändert aber nichts daran, daß die Verantwortung für das Kind in erster Linie bei den Eltern, und damit auch bei der Mutter, lag. Diese Aufgabe durfte sie nicht in vollem Umfang delegieren, indem sie die Betreuung ohne jedweden eigenen Einsatz allein den Großeltern überließ. Ob insoweit bereits von einer gröblichen Vernachlässigung der Unterhaltspflicht ausgegangen werden kann, bedarf indessen keiner Entscheidung. In jedem Fall hat das Berufungsgericht nämlich die Voraussetzungen des § 1611 Abs. 1 Satz 1 3. Alt. BGB rechtsfehlerfrei bejaht. bb) Eine schwere Verfehlung im Sinne der vorgenannten Bestimmung kann regelmäßig nur bei einer tiefgreifenden Beeinträchtigung schutzwürdiger wirtschaftlicher Interessen oder persönlicher Belange des Pflichtigen angenommen werden (MünchKomm/Born aaO § 1611 Rdn. 23; Luthin/Schumacher Handbuch des Unterhaltsrechts 9. Aufl. Rdn. 3234; OLG Celle FamRZ 1993, 1235, 1236; OLG München FamRZ 1992, 595, 597). Als Begehungsformen kommen aktives Tun und Unterlassen in Betracht, letzteres allerdings nur, wenn der Berechtigte dadurch eine Rechtspflicht zum Handeln verletzt (MünchKomm /Born aaO § 1611 Rdn. 23). Mit Rücksicht darauf kann sich auch eine Verletzung elterlicher Pflichten durch Unterlassen als Verfehlung gegen das Kind darstellen. Das gilt nicht nur für die besonders geregelte Vernachlässigung der Unterhaltspflicht, sondern etwa auch für die dauernde grobe Vernachlässigung und Verletzung der Aufsichtspflicht und für die Verletzung der Pflicht zu
Beistand und Rücksicht, die in der durch das Sorgerechtsgesetz von 1979 eingefügten Vorschrift des § 1618 a BGB auch zum Ausdruck gebracht worden ist (Staudinger/Engler aaO § 1611 Rdn. 29). Hierbei handelt es sich um das ElternKind -Verhältnis prägende Rechtspflichten, deren Verletzung unter den Voraussetzungen des § 1611 Abs. 1 Satz 1 3. Alt. BGB Bedeutung zukommen kann. cc) Danach hat sich die Mutter nach den getroffenen Feststellungen auch nach Auffassung des Senats einer schweren Verfehlung gegen die Beklagte schuldig gemacht. Dies ergibt die gebotene umfassende Abwägung aller maßgeblichen Umstände (vgl. hierzu Senatsurteil vom 25. Januar 1995 - XII ZR 240/93 - FamRZ 1995, 475, 476). Auch wenn ihr die elterliche Sorge nicht mehr zustand und ihr deshalb nicht mehr die Pflege und Erziehung der Beklagten oblag, gehörte es zu den Pflichten der Mutter, sich weiterhin um ihr Kind zu kümmern, Anteil an seinem Leben und seiner Entwicklung zu nehmen, ihm bei auftretenden Problemen und Schwierigkeiten zur Seite zu stehen und ihm insgesamt die Gewißheit zu vermitteln, daß ein ihm in Liebe und Zuneigung verbundener Elternteil für es da ist. Daran hat es die Mutter jedenfalls von der Zeit an, in der sie die Beklagte im Alter von 1 bis 1 ½ Jahren in der Obhut der Großeltern zurückgelassen hat, fast durchgehend fehlen lassen. Sie hat sich trotz der Fürsorgebedürftigkeit des Kindes - mit Ausnahme von dessen kurzfristiger Aufnahme in den elterlichen Haushalt - nicht mehr persönlich um dieses gekümmert und - von der Ermöglichung eines Besuches des Kindes in den USA abgesehen - von sich aus noch nicht einmal versucht, den Kontakt aufrecht zu erhalten. Darüber hinaus hat sie die Beklagte - im Gegensatz zu ihren anderen Kindern - bei ihrer Auswanderung in die USA in Deutschland zurückgelassen und dem Kind so den Eindruck der Zurücksetzung durch die Mutter und deren Interessenlosigkeit an seiner Person vermittelt. Dem steht - entgegen der Auffassung der Revision - nicht entgegen, daß die Mutter das Kind bei ihren
Eltern gut versorgt wußte und die Beklagte sich im Haushalt der Großeltern gut entwickelt hat. Dadurch war die Mutter nicht der Pflicht enthoben, sich weiterhin um ihr Kind zu kümmern, mit ihm brieflich oder telefonisch Kontakt zu halten und an seiner Entwicklung und an seinem Leben Anteil zu nehmen. Daß entsprechende Bemühungen dem Kindeswohl ausnahmsweise geschadet hätten, hätte die Klägerin darlegen müssen. Das hat sie nicht getan. Das Unterlassen der Mutter, an dem sich in der Folgezeit nichts geändert hat, offenbart einen so groben Mangel an elterlicher Verantwortung und menschlicher Rücksichtnahme , daß nach Abwägung aller Umstände in diesem besonders gelagerten Fall von einer schweren Verfehlung gegen die Beklagte auszugehen ist (vgl. insofern auch Staudinger/Engler aaO § 1611 Rdn. 29; Erman/Holzhauer BGB 10. Aufl. § 1611 Rdn. 5; Palandt/Diederichsen BGB 63. Aufl. § 1611 Rdn. 5; Kalthoener/Büttner/Niepmann Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 8. Aufl. Rdn. 1053 b; Wendl/Pauling Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 2 Rdn. 626; Günther aaO § 12 Rdn. 113; LG Hannover FamRZ 1991, 1094, 1095; AG Helmstedt FamRZ 2001, 1395; AG Leipzig FamRZ 1997, 965). Nach der Lebenswirklichkeit war der Mutter ihr Verhalten auch bewußt, so daß sie vorsätzlich gehandelt hat. dd) Bei der gegebenen Sachlage erscheint es auch rechtsbedenkenfrei, daß das Berufungsgericht den Unterhalt nicht nur herabgesetzt, sondern die Voraussetzungen eines vollständigen Wegfalls der Unterhaltspflicht der Beklagten bejaht hat. Zwar kommt ein solcher nur unter den in § 1611 Abs. 1 Satz 2 BGB genannten engen Voraussetzungen, nämlich bei Vorliegen grober Unbilligkeit der Inanspruchnahme, in Betracht. Von dieser ist auszugehen, wenn die Gewährung von Unterhalt dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde (MünchKomm/Born aaO § 1611 Rdn. 37; Soergel /Häberle BGB 12. Aufl. § 1611 Rdn. 7; Günther aaO § 12 Rdn. 114; vgl.
auch Senatsurteil vom 18. März 1992 - XII ZR 262/90 - FamRZ 1992, 787, 788 für das Leistungsverweigerungsrecht nach § 1381 BGB). Das wäre hier indessen - wie eine Würdigung aller maßgeblichen Umstände ergibt - der Fall. Dabei verkennt der Senat nicht, daß bei der Frage, inwieweit Ansprüche auf Elternunterhalt verwirkt sind, die gebotene Berücksichtigung auch der Belange des Unterhaltsberechtigten es regelmäßig erfordert, dessen - trotz der Verfehlung vorliegende - Unterhaltsleistungen in die Würdigung einzubeziehen, wenn er - wie zumeist - über lange Jahre hinweg für sein Kind gesorgt und sich zu dessen Gunsten in seiner eigenen Lebensführung eingeschränkt hat (vgl. Finger FamRZ 1995, 969, S. 974 f.). Dieser Gesichtspunkt kommt hier indessen nicht zum Tragen. Eigene Leistungen der Mutter für die Beklagte sind in nennenswertem Umfang nie erfolgt. Dagegen kommt der Verfehlung der Mutter ein solches Gewicht zu, daß es mit dem Rechtsempfinden schlechthin nicht zu vereinbaren wäre, wenn die Beklagte, nachdem sie die Mutter praktisch immer entbehren mußte und sie deshalb als Fremde empfinden mußte und durfte, nunmehr für deren Unterhalt aufkommen müßte, zumal
sie nach den getroffenen Feststellungen nicht in wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, bei denen sie durch Unterhaltsleistungen nicht in spürbarer Weise in ihrer Lebensführung beeinträchtigt würde. Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.