Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 06. Nov. 2014 - 4 A 493/11

bei uns veröffentlicht am06.11.2014

Tenor

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit sinngemäß in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Straßenreinigungsgebühren.

2

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks in der Hansestadt Wismar, D-Straße 2 c. Es liegt nicht unmittelbar an der öffentlichen (Sackgassen-)Straße „D-Straße“, sondern beginnt ca. 30 m hinter den dort unmittelbar anliegenden Grundstücken mit den postalischen Anschriften „D-Straße 2 a“ und „D-Straße 2 b“. Die Straße „D-Straße“ kann vom Grundstück des Klägers aus nur über einen insgesamt ca. 100 m langen Weg erreicht werden; eine weitere Möglichkeit, das öffentliche Verkehrsnetz zu erreichen, gibt es nicht. Der befestigte Weg zweigt vom südlich gelegenen Wendehammer der Straße „D-Straße“ ab und endet seit mehreren Jahren kurz hinter dem rückwärtigen Ende des Grundstücks des Klägers. Am Ende des Wegs befindet sich ein Abwasserpumpwerk.

3

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dieser vom Kläger sog. Verbindungsweg – ohne jedes Präjudiz übernimmt das Gericht nachfolgend diesen Terminus - vor den Straßenbaumaßnahmen u. a. zur Straße „Am H.“ einen weiteren Verlauf zur Straße „Am T.“ hatte und straßen- und wegerechtlich ein öffentlicher Weg ist.

4

Im Februar 1996 wurde für den Kläger u. a. eine Zuwegung zu seinem Grundstück über das Wegegrundstück des umfänglich ggf. verbliebenen „Verbindungswegs“ als Baulast im Baulastenverzeichnis der Hansestadt Wismar eingetragen. Zugunsten des Klägers erteilte der Beklagte in Erfüllung einer entsprechenden Auflage der Baugenehmigung zum Umbau des Gartenhauses zu Wohnzwecken im August 1996 eine Genehmigung zur Herstellung einer Überfahrt über den Bürgersteig zu seinem Grundstück.

5

Einen Antrag des Klägers zur Aufnahme der vorhandenen Zuwegung (Zu- und Abfahrt) auf dem Wegegrundstück (Flurstück 3808/4) in das amtliche Straßenverzeichnis der Hansestadt Wismar lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 4. Juni 2006 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, bei der Zuwegung handele es sich nicht um eine öffentliche Verkehrsfläche. Für das Grundstück des Klägers sei eine Baulast als Zuwegung eingetragen worden. In das amtliche Straßenverzeichnis der Hansestadt Wismar würden nur gewidmete Straßen aufgenommen werden. Ein öffentliches Interesse, diese Zuwegung als öffentliche Verkehrsfläche zu widmen, bestehe auch zum heutigen Zeitpunkt nicht. Weiterhin seien die Anforderungen an eine öffentliche Straße wie z. B. ein Wendehammer, Beleuchtung u. a. hier nicht gegeben.

6

Die Straße „D-Straße“ befindet sich in der Reinigungsklasse 4 (nur Fahrbahnen) der Straßenreinigungssatzung der Hansestadt Wismar vom 6. November 2009 (Stadtanzeiger v. 21. November 2009, S. 5 ff.) und wird bis zum vorgenannten Wendehammer gereinigt.

7

Mit „Gebührenbescheid Straßenreinigung 2011“ vom 26. Januar 2011 erhob der Beklagte vom Kläger im Hinblick auf sein vorgenanntes Grundstück für das Jahr 2011 Straßenreinigungsgebühren in Höhe von 111,86 €, wobei 34 „Frontmeter“ (à 3,29 €/m) zugrunde gelegt wurden. Angaben zur Berechnung der „Frontmeter“ fehlen.

8

Dagegen legte der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 21. Februar 2011 Widerspruch ein. Er zweifelte zum einen die Frontmeter an, zum anderen trug er vor, sein Grundstück werde an der Südseite von einer eigenständigen Straße erschlossen. Früher habe es sich um einen eigenständigen Weg, einen Verbindungsweg bis zur Straße „Am T.“ gehandelt. Anfang der 90er-Jahre sei ein Abschnitt ausgebaut worden und verlängere heute die Straße „D-Straße“ bis zum Abwasserpumpwerk. Die weiteren Wegstücke bis zur Poeler Straße und bis zur Straße „Am T.“ seien nicht mehr befahrbar. Er habe weder eine Zuwegung an die Straße „D-Straße“ zwischen den unmittelbar angrenzenden Grundstücken noch ein Überfahrtsrecht. Er sei auch kein Hinterlieger.

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Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2011 zurück. Zur Begründung wird im Wesentlichen zunächst darauf hingewiesen, dass das Grundstück des Klägers durch die Straße „D-Straße“ erschlossen werde. Es handele sich darüber hinaus um ein Hinterliegergrundstück i. S. des § 7 Abs. 1 und 2 der Gebührensatzung für Straßenreinigung (vom 6. November 2009, Stadtanzeiger v. 21. November 2009, S. 7 f.). Die Straße, an der das Grundstück des Klägers anliege, sei keine öffentliche, sondern eine Privatstraße, für die er nur ein Überwegerecht besitze. Aus den Unterlagen ergebe sich, dass das Grundstück nicht an einer für den öffentlichen Verkehr gewidmeten Straße anliege. So sehe es auch das VG Schwerin, das im Beschluss 7 B 527/02 (vom 13. September 2002) sinngemäß ausführe, dass nach den Unterlagen für die Erschließung des Grundstücks eine Baulast notwendig gewesen sei. Es bestehe keine Verpflichtung der Stadt, diese Privatstraße zu reinigen. Für Hinterlieger werde die Länge der Grundstücksseite, die der Straße zugewandt sei, zu Grunde gelegt, § 7 Abs. 3 Satz 3 der Satzung.

10

Am 18. März 2011 hat der Kläger Klage erhoben und zugleich vorläufigen Rechtsschutz beantragt (Az. 4 B 137/11). Letzteren hat die Kammer mit Beschluss vom 4. Oktober 2011 versagt. Den Prozesskostenhilfeantrag für eine Beschwerde gegen diese Entscheidung hat das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern mit Beschluss vom 24. Februar 2012 (Az. 1 M 194/11) abgelehnt.

11

Der Kläger trägt vor:

12

Sein Grundstück liege am Verbindungsweg an. Dieser Weg stehe seit mindestens 150 Jahren der Öffentlichkeit zur Verfügung. Wenn eine Widmung für den öffentlichen Verkehr nicht schon aus dem Überlassen für den öffentlichen Verkehr folge, dann sei sie zumindest aufgrund unvordenklicher Verjährung gegeben. Es werde auf den Stadtplan der Hansestadt aus dem Jahre 1986 verwiesen, wo der Verbindungsweg als „Fahrweg“ eingetragen sei.

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Die Befahrbarkeit für den öffentlichen Straßenverkehr sei zuletzt Anfang der 90er Jahre durch eine neue Betonsteinpflasterdecke verbessert worden. Im Rahmen der Baugenehmigung vom 11. Juni 1996 habe er, der Kläger, hierzu eine Überfahrt zum Verbindungsweg herzustellen gehabt. Der Weg sei sowohl in der Baubeschreibung zum Bauantrag als auch in der Baugenehmigung als „sonstiger öffentlicher Weg“ angesehen worden. Die öffentliche Verkehrsfläche sei mittels Baulast im Baulastenverzeichnis zusätzlich „öffentlich-rechtlich“ abgesichert worden, und zwar „als Zuwegung (Zu- und Abfahrt) im Sinne des § 4 Abs. 1 der Landesbauordnung“. Das Recht zum Benutzen dieser Straße habe weiterhin der Öffentlichkeit zugestanden. Der Weg sei im westlichen Teil beispielsweise für den Ostseeradfernweg zur Verfügung gestellt worden. Durch verschiedene Umgestaltungen seien immer mehr Teile des Wegs, zuletzt durch den Bau des Zubringers zum Gewerbegebiet H.-Nord 2003, entfallen. Der Weg führe heute nur noch etwa 100 Meter von der Straße „D-Straße“ bis kurz hinter ein anliegendes Abwasserpumpwerk.

14

Der Verbindungsweg sei ohne Einschränkung öffentlich zugänglich. Es gebe weder einen Hinweis „Privatweg, Betreten verboten“ noch ein Schild „Nur für Anlieger“, sondern nur das Zeichen 357 StVO (Sackgasse) ohne Zusatzschild. Eigentümer sei weiterhin die Hansestadt Wismar. Äußerlich gehe die Straße „D-Straße“ über den Wendehammer ohne jede Zugangsbeschränkung in einem straßenbaulichen Zusammenhang in den Verbindungsweg über. Eine Einziehung sei nie vorgenommen worden. Es bestünden auch keine zivilrechtlichen Beziehungen wie eingetragene Wegerechte, Dienstbarkeiten usw. zwischen den Beteiligten. Das ausgebaute Teilstück werde daher entweder weiterhin als eigenständiger öffentlicher Weg gesehen oder als Fortsetzung der Straße „D-Straße“.

15

Mangels Reinigung des Abschnitts, an dem sein Grundstück anliege, dürften auch keine Straßenreinigungsgebühren erhoben werden.

16

Gegenwärtig würden für die drei benachbarten Privatgrundstücke mit den Flurstücksnummern a, b und c keine Straßenreinigungsgebühren erhoben. Es sei daher Gleichbehandlung zu fordern.

17

Unabhängig davon könne Gebührenmaßstab nur die Länge am Verbindungsweg sein, weil dieser beim Bau des Wohnhauses öffentlicher Weg gewesen sei und nicht einfach durch Abtrennung der westlichen Wegteile zu einer Hinterliegerzuwegung herabgestuft werden dürfe.

18

Falls der Beklagte den Weg als Privatstraße einziehe, sei auf die eingetragene Baulast zu verweisen, die bis zur Länge von neun Metern parallel zum Grundstück verlaufe.

19

Selbst wenn man der Auffassung des Beklagten im Hinblick auf die Berechnung der Frontmeterzahl folge, wäre die Ostseite des Grundstücks jedoch nur knapp 28 Meter lang.

20

Der Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 6. April 2011, hier am 8. April 2011 eingegangen, den Gebührenbescheid vom 26. Januar 2011 dahingehend geändert, „als er Frontmeter über 29 m festsetzt“. Daraus ergebe sich eine Gebührenhöhe von insgesamt 95,41 €. Eine darüber hinausgehende Gebühr werde nicht mehr erhoben.

21

Der Kläger hat daraufhin die Klage in der Hauptsache insoweit für erledigt erklärt.

22

Der Kläger beantragt,

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den Heranziehungsbescheid des Beklagten zu Straßenreinigungsgebühren vom 26. Januar 2011 und seinen Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2011 in der Fassung des Änderungsverwaltungsakts vom 6. April 2011 aufzuheben.

24

Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen,

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und trägt dazu unter Verweis auf die Begründung des Widerspruchsbescheids vor:

27

In dem Schreiben des Bauamts vom 4. Juni 2006 werde dem Kläger erläutert, dass die vorhandene Zuwegung keine öffentliche Verkehrsfläche und auch nicht beabsichtigt sei, diese als öffentliche Verkehrsfläche zu widmen. Der ca. 1992 gebaute „Verbindungsweg“ zum Pumpwerk „D-Straße“ sei nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmet.

28

Recherchen sowohl im Bauamt als auch im Entsorgungs- und Verkehrsbetrieb der Hansestadt zum „Verbindungsweg“ aus vergangenen Zeiten seien erfolglos geblieben. Es könnten keine Unterlagen hierzu eingereicht werden.

29

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 12. November 2013 zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

30

Das Gericht hat durch Vernehmung der Zeugen B., A. und C. zur Behauptung des Klägers Beweis erhoben, es habe einen öffentlichen Verbindungsweg zwischen der Straße „D-Straße“ und der Straße „Am T.“ gegeben. Wegen der Zeugenaussagen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Soweit der Beklagte den angefochtenen Gebührenbescheid mit Schriftsatz vom 6. April 2011 ermäßigt hat, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Der Kläger hat in diesem Umfang den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Eine ausdrückliche entsprechende Erklärung des Beklagten fehlt zwar, indessen liegt es in der Natur der Sache, dass er mit dem insoweit auszulegenden Schriftsatz nicht nur den Gebührenbescheid reduziert, sondern in diesem Umfang auch den Rechtsstreit in der Hauptsache als erledigt ansieht. Alles andere wäre widersinnig, jedenfalls wenn er nicht auf ein Interesse an einer Entscheidung auch über diesen Teil hinweist. Letzteres ist hier nicht geschehen und wäre auch nicht nachvollziehbar.

32

Die Klage ist im verbleibenden Umfang unbegründet.

33

Der Bescheid des Beklagten über Straßenreinigungsgebühren vom 26. Januar 2011 - ebenso sein Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2011 - in der Fassung des Änderungsverwaltungsakts vom 6. April 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

34

I. Bedenken an der formellen oder materiellen Rechtmäßigkeit der aktuellen Straßenreinigungsgebührensatzung bzw. der Straßenreinigungssatzung sind nicht erhoben worden und auch nicht offenkundig (zur Regelung in § 3 Abs. 5 siehe unten). Insbesondere besteht zwar keine Pflicht zur Heranziehung der Hinterlieger zu Straßenreinigungsgebühren (OVG Greifswald, Urt. v. 21. Dez. 1995 – 6 L 200/95 -, LKV 1996, 379, 381), indessen hat sich der Satzungsgeber vorliegend dazu entschlossen (§ 7 der Gebührensatzung für Straßenreinigung in der Hansestadt Wismar vom 6. November 2009), ohne dass dies Anlass zur rechtlichen Beanstandung gibt.

35

II. 1. Die Kammer hat im Hinblick auf die „individuelle“ Straßenreinigungsgebührenpflicht des Klägers im Rahmen einer vorangegangenen entsprechenden Satzung der Hansestadt Wismar mit Beschluss vom 13. November 2003 (4 B 749/02) ausgeführt:

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„… (D)er Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der … Klagen ist auch aus materiell-rechtlichen Gründen abzulehnen.

37

Der Kläger wird durch die angegriffenen Straßenreinigungsgebührenbescheide vom … und … jeweils in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom … zur Zahlung von Straßenreinigungsgebühren für die Jahre 2000 und 2001 für die Reinigung der öffentlichen Straße ‚D-Straße’ in Wismar herangezogen. Zwar liegt der Kläger mit seinem Grundstück ‚D-Straße’ nicht unmittelbar an der Straßenfront ‚D-Straße’ an, es wird aber durch die Straße ‚D-Straße’ erschlossen, da der Kläger nur durch (B)efahren der Straße ‚D-Straße’ überhaupt sein Grundstück (‚D-Straße’) über eine Zuwegung erreichen kann. Das Grundstück des Klägers ist ein Hinterliegergrundstück im Sinne des § 7 der ‚Gebührensatzung für Straßenreinigung in der Hansestadt Wismar’ vom 09. November 1994 in der Fassung der 3. Änderungssatzung vom 06. Dezember 1999 bzw. vom 19. Dezember 2000 und damit ist er grundsätzlich zur Zahlung von Straßenreinigungsgebühren für die Straße ‚D-Straße’ verpflichtet. Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat § 50 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern (StrWG-MV) dahin ausgelegt, dass eine Straßenreinigungsgebührenpflicht bereits dann festgesetzt werden kann, wenn das Grundstück entweder an der zu reinigenden Straße anliegt oder, wie hier, durch diese erschlossen wird (vgl. OVG M-V, Urteil vom 21. Dezember 1995 - 6 L 200/95 -, LKV 1996, 379) …“

38

Wann ein Grundstück von der zu reinigenden öffentlichen Straße erschlossen wird bzw. als dazu gehörendes Hinterliegergrundstück einzuordnen ist, kann nicht generell beurteilt werden, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Umstritten und – soweit ersichtlich – obergerichtlich für das hiesige Landesrecht noch nicht entschieden ist, ob für die Frage der Erschließung auf den Erschließungsbegriff des Baugesetzbuchs (§§ 131 Abs. 1, 133 Abs. 1 Satz 2 BauGB) zurückgegriffen werden kann oder im Straßenreinigungsgebührenrecht wegen des historischen Bezugs zum Wegerecht ein eigenständiger Erschließungsbegriff mit einem weiteren Umfang gilt (vgl. dazu Aussprung, in: ders./Siemers/Holz, Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern, Stand: September 2012, § 6 Anm. 10.7.3 S. 326 m. w. N.; OVG Magdeburg, Urt. v. 14. August 2007 – 4 L 400/06 -, juris, Rn. 22 m. w. N. auf die Rechtsprechung anderer Obergerichte). Dies kann hier offen bleiben.

39

An der rechtlichen Einordnung des Grundstücks des Klägers als erschlossenes Hinterliegergrundstück i. S. des (nunmehr) § 7 der Gebührensatzung für Straßenreinigung in der Hansestadt Wismar vom 6. November 2009 ändert auch der nunmehr detailliertere Vortrag des Klägers nichts. Sein Grundstück wird von der öffentlichen Straße „D-Straße“ erschlossen i. S. des § 50 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern (StrWG – MV). Danach sind die Gemeinden berechtigt, durch Satzung die Eigentümer oder die zur Nutzung dinglich Berechtigten der anliegenden Grundstücke sowie der durch die Straße erschlossenen Grundstücke zu den entstehenden Kosten (der Straßenreinigung) heranzuziehen. Die Straßenreinigungsgebührenpflicht für ein Grundstück kann mithin festgesetzt werden, wenn das Grundstück entweder an der zu reinigenden Straße anliegt oder durch diese erschlossen wird. Es muss darüber hinaus eine vernünftige objektive Beziehung des Grundstücks zur Straße vorhanden sein, die es sachlich rechtfertigt, die Eigentümer der angrenzenden bzw. erschlossenen Grundstücke zu Gebühren für die von der Gemeinde durchgeführte Straßenreinigung heranzuziehen. In diesem Zusammenhang reicht eine Zugangsmöglichkeit aus (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 21. Dezember 1995, a. a. O.; Beschl. v. 6. Sept. 2000 – 1 L 117/00 -, NordÖR 2001, 117 = S. 3 ff. des amtlichen Umdrucks).

40

Das Grundstück des Klägers liegt nicht an einer – namenlosen – öffentlichen Straße. Der Kläger hat nicht beweisen können, dass es sich bei dem streitigen Weg, an dem sein Grundstück anliegt, um keinen Privatweg (der Hansestadt Wismar), sondern eine öffentliche Straße handelt, entweder als eigenständige öffentliche Straße (ohne Namen) oder als Teil der öffentlichen Straße „D-Straße“.

41

a) Es ist zunächst nichts aktenkundig oder sonst wie ersichtlich, dass der hier streitige Weg gem. § 2 Abs. 1 i. V. m. § 7 Abs. 1 StrWG – MV dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden ist. Auch eine – indizielle - Eintragung dieses heutigen Stichwegs als eigenständige öffentliche Straße in das amtliche Straßenverzeichnis des Beklagten nach § 4 Abs. 1 Satz 1 StrWG – MV ist ausweislich des Schreibens des Beklagten vom 4. Juni 2006 nicht bereits vor diesem Datum erfolgt und der entsprechende Antrag des Klägers auf Aufnahme in dieses Verzeichnis abgelehnt worden. Aus diesem Schreiben folgt zudem, dass der Beklagte diesen Weg auch nicht als Teil der öffentlichen Straße „D-Straße“ ansieht.

42

b) Der Umstand, dass diese Wegefläche offenbar – so der unstreitige Vortrag des Klägers – der Hansestadt Wismar gehört, sagt für sich genommen noch nichts Entscheidendes aus für die Frage, ob es sich dabei um eine öffentliche Straße bzw. einen öffentlichen Weg handelt. Eigentum der öffentlichen Hand ist bei dem größten Teil der öffentlichen Straßen gegeben und auch gewünscht, ist aber straßen- und wegerechtlich nicht zwingend für die Einstufung einer (dann Privat-)Straße als öffentlich (vgl. § 7 Abs. 3 Satz 1 StrWG – MV; Sauthoff, Öffentliche Straßen, 2. Aufl. 2010, § 1 Rn. 44).

43

c) Nicht wegweisend für die Einstufung dieses Wegs als (eigenständige oder von der Straße „D-Straße“ umfasste) öffentliche Straße im Sinne des Straßen- und Wegerechts ist das offenbar am Übergang vom Wendehammer zum hier streitigen Weg aufgestellte Richtzeichen 357 „Sackgasse“ der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 der Straßenverkehrs-Ordnung. Hier könnte auch lediglich eine tatsächlich-öffentliche Straßenverkehrsfläche auf privatem Grund, bei dem öffentlicher Straßenverkehr vom Eigentümer (hier: der Hansestadt Wismar) zugelassen ist, im Sinne des Straßenverkehrsrechts vorliegen (wie z. B. bei Parkflächen im Bereich des Einzelhandels), für die ein öffentliches Regelungsbedürfnis für den Hinweis gesehen wird, dass dieser Weg jedenfalls seit dem Bau der benachbarten öffentlichen Straße „Am H.“ eine Sackgasse – gerade kein faktischer „Verbindungsweg“ zum übrigen Straßen- und Wegenetz (mehr) - ist.

44

d) Ein vom Kläger gefordertes, hier aber fehlendes Straßenschild „Privatweg (Betreten verboten)“ o. Ä. ist ebenfalls kein entscheidendes Kriterium für die straßen- und wegerechtliche Einordnung eines Wegs als „privat“ und mag selbst bei entsprechender Aufstellung allein straßenverkehrsrechtliche Gründe haben. Andererseits spricht das Fehlen eines Straßennamens allerdings auch nicht zwingend gegen das Vorliegen einer eigenen öffentlichen Straße bzw. einer Beurteilung des Wegestücks als integralen Bestandsteil der öffentlichen Straße „D-Straße“.

45

e) Auch eine „altrechtliche“ Verkehrsfläche aus früheren (DDR- oder Reichs-)Zeiten als kraft Überleitungsrechts nach § 62 StrWG – MV wegerechtlich (alt-)öffentliche Straße (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 16. Juli 2008 – 3 L 336/05 -, juris, Rn. 78 ff.; OVG Magdeburg, Urt. v. 14. August 2007, a. a. O., Rn. 26 ff.), deren (Teil-)Einziehung der Beklagte seit der Deutschen Einheit unterlassen hätte, hat der Kläger nicht nachweisen können. Er trägt dafür die materielle Beweislast, da in diesem Falle mangels Aufnahme in das Straßenverzeichnis der zu reinigenden öffentlichen Straßen keine Straßenreinigungsgebührenpflicht für ihn im Hinblick auf sein dortiges Grundstück bestünde.

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aa) Alle Straßen, die nach bisherigem Recht die Eigenschaft einer öffentlichen Straße besitzen, bleiben nach § 62 Abs. 1 Satz 1 StrWG – MV öffentliche Straßen im Sinne dieses Gesetzes. Maßgebend ist insoweit das Straßenrecht der früheren DDR (Sauthoff, a. a. O., Rn. 125 m. w. N.): „Bisheriges Recht“ i. S. dieser Vorschrift war danach die Straßenverordnung der DDR vom 22. August 1974 (GBl. DDR I S. 515), die nach der Anlage II Kapitel XI Sachgebiet D Abschnitt 111 Nr. 1 des Einigungsvertrags vom 30. September 1990 als Landesrecht bis zum Inkrafttreten des hiesigen Straßen- und Wegegesetzes am 30. Januar 1993 fortgalt. § 3 Abs. 1 dieser Straßenverordnung, der die öffentlichen Straßen definierte, ist wiederum dahingehend zu interpretieren, dass bei Inkrafttreten dieser Verordnung bereits bestehende öffentliche Straßen ihren Status behielten (Beschl. der 7. Kammer des Gerichts vom 9. April 2014 – 7 B 360/14 -, S. 6 des amtlichen Umdrucks unter Hinweis auf den Beschluss des OVG Greifswald vom 8. Dezember 1999 – 2 M 54/99 -, LKV 2000, 542, 543 m. w. N.). Es ist also jeweils für den maßgebenden historischen Zeitpunkt zu ermitteln, welche Anforderungen für das Vorliegen einer öffentlichen Straße nach damals geltendem Recht zu erfüllen waren, denn die vorliegenden abgeschlossenen Rechtsverhältnisse sind nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts gemäß den seinerzeit geltenden Rechtsvorschriften unter Berücksichtigung der seinerzeitigen Rechtspraxis zu beurteilen (Beschl. der 7. Kammer des Gerichts vom 7. April 2014 – 7 B 328/14, S. 7 des amtlichen Umdrucks; VG Greifswald, Urt. v. 22. August 2012 – 6 A 2074/08 -, S. 5 des amtlichen Umdrucks m. w. N.; Sauthoff, Alte Straßen in den neuen Ländern, LKV 1998, 472, 473 m. w. N.). Dies sind diejenigen Vorschriften, unter denen die Straße respektive der Weg erstellt bzw. von der Öffentlichkeit benutzt worden ist (vgl. Beschl. der 7. Kammer des Gerichts vom 7. April 2014, a. a. O.; Sauthoff, a. a. O.), also neben der genannten Straßenverordnung der DDR vom 22. August 1974 auch ggf. die Verordnung über das Straßenwesen vom 18. Juli 1957 (GBl. DDR I S. 377). Für bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Straßenverordnung 1957 am 31. Juli 1957 (vgl. den dortigen § 26 Abs. 1) bestehende kommunale Straßen, zu denen nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d der Straßenwesenverordnung 1957 Stadt- und Gemeindestraßen, -wege und -plätze zählten (vgl. auch § 1 Abs. 6 der Ersten Durchführungsbestimmung zur Straßenwesenverordnung 1957) galt wiederum § 3 Abs. 2 Satz 1 dieser Verordnung. Danach waren kommunale Straßen (und Wege) und Kreisstraßen öffentlich, wenn bisher ihrer Benutzung durch die Verkehrsteilnehmer seitens der Rechtsträger bzw. Eigentümer nicht widersprochen wurde.

47

§ 3 Satz 2 der Straßenwesenverordnung 1957 bezog sich auf kommunale (und Kreis-) Straßen, die nach Inkrafttreten der Verordnung erstellt bzw. benutzt wurden. Diese wurden öffentlich, wenn die Räte der Kreise bzw. die Räte der Städte und Gemeinden sie nach Zustimmung der Rechtsträger oder Eigentümer dem öffentlichen Verkehr freigaben (Beschl. der 7. Kammer des Gerichts vom 7. April 2014, a. a. O.; Sauthoff, a. a. O.).

48

Für die Beurteilung der Öffentlichkeit von Straßen i. S. des § 3 Abs. 1 der Straßenverordnung der DDR 1974, die erst nach deren Inkrafttreten am 1. Januar 1975 neu hergestellt wurden, war das entscheidende Indiz deren öffentliche Nutzung. Maßgeblich für die Abgrenzung zu nicht-öffentlichen Straßen (und Wegen) war, ob der Rechtsträger oder Eigentümer dieser Fläche darüber entscheiden konnte, von wem und zu welchem Zweck sie genutzt wurde (Beschl. der 7. Kammer des Gerichts vom 7. April 2014, a. a. O., S. 8 des amtlichen Umdrucks; Zörner, Alte Straßen in den neuen Bundesländern im Spiegel der Rechtsprechung, LKV 2000, 526, 527).

49

Von der Überleitungsnorm des § 62 Abs. 1 Satz 1 StrWG – MV erfasst werden auch alle vor 1957 liegenden Fälle der „faktischen Widmung“ und der Widmung kraft „unvordenklicher Verjährung“. Fand bei Inkrafttreten der Straßenwesenverordnung 1957 auf der fraglichen Fläche öffentlicher Verkehr statt, galt der Weg oder die Straße als öffentlich; Entsprechendes galt für Straßen und Wege bei Inkrafttreten der Nachfolgeregelung, der Straßenverordnung der DDR 1974, am 1. Januar 1975 (Sauthoff, Öffentliche Straßen, a. a. O., Rn. 126 m. w. N. aus der obergerichtlichen Rechtsprechung). Entscheidend für die Öffentlichkeit dieser Straßen war (s. o.), dass der Weg tatsächlich von der Öffentlichkeit genutzt wurde und der damalige Rechtsträger bzw. Eigentümer der Nutzung durch jedermann nicht widersprochen hatte (OVG Greifswald, Beschl. v. 8. Dezember 1999, a. a. O., S. 543; Sauthoff, a. a. O.). Ein öffentlicher Verkehr lag vor, wenn ein nicht auf einen individuell feststehenden und abgegrenzten Personenkreis beschränkter, sondern der Allgemeinheit ungehindert offen stehender Verkehr stattgefunden hat (VG Greifswald, Urt. v. 1. Juni 2011 – 6 A 671/09 -, S. 5 des amtlichen Umdrucks m. w. N.; OVG Magdeburg, Beschl. v. 12. Januar 2000 – A 1 S 85/99 -, LKV 2000, 543, 544). Dagegen spricht u. a., wenn ein Teil des Weges nahezu unpassierbar war (OVG Greifswald, Beschl. v. 8. Dezember 1999, a. a. O., S. 543; Sauthoff, a. a. O., Rn. 127).

50

bb) Sowohl nach Aktenlage als auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht zwar hinreichend davon überzeugt, dass es einen alten (Sand-)Weg zwischen den öffentlichen Straßen „Am T.“ und „D-Straße“ gab.

51

Wie dargestellt, reicht dies indessen nicht aus, sondern dieser muss nach den jeweiligen historischen Verhältnissen ein öffentlicher Weg sein. Bereits der von dem Zeugen C. beschriebene Zustand dieses früheren Wegs lässt Zweifel an der jederzeitigen objektiven Nutzbarkeit für jedermann aufkommen. Erst recht ist für das Gericht unklar geblieben, ob eine (unwidersprochene) Nutzung dieses Wegs durch die Allgemeinheit in den vergangenen Jahren/Jahrzehnten vor dem 30. Januar 1993 stattgefunden hat. Dazu ist im Einzelnen Folgendes auszuführen:

52

(1) Über den Zustand und die öffentliche Nutzung des hier streitigen „Verbindungswegs“ im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Straßenwesenverordnung 1957 am 31. Juli 1957 gibt es nach Auffassung der Kammer keine hinreichenden Fakten oder mindestens Indizien.

53

Die vom Kläger im Großformat in der mündlichen Verhandlung vorgelegten (und im DIN-A4-Format als Kopie zu den Akten eingereichten) Luftbildaufnahmen dieses Bereichs der Hansestadt Wismar vom 2. August 1944 und 25. Juni 1953 lassen zwar erkennen, dass ein solcher „Verbindungsweg“ zum Zeitpunkt der jeweiligen Aufnahme bestand. Es spricht sogar viel dafür, dass er schon mindestens im (und wohl auch vor dem) Jahre 1912 existierte, wie sich aus dem vom Kläger in Kopie vorgelegten Auszug aus der – so nach seinen Angaben - „Flurkarte x, Gemarkung Wismar, 1912“ ergeben dürfte; dieser Auszug vermittelt nach den bisherigen Erfahrungen des Gerichts den Eindruck einer offenkundig alte Flurkarte, die womöglich aus der vom Kläger angegebenen Zeit stammt.

54

Über die von dem oder den damaligen Eigentümer/n zu „Reichszeiten“ bzw. ggf. dem Rechtsträger seit DDR-Zeiten unwidersprochene Nutzung durch jedermann wie überhaupt die Frage, ob dieser Weg nur von einem gewissen Kreis von „Berechtigten“ (z. B. den Landwirten, um auf die umliegenden landwirtschaftlichen Flächen zu gelangen) oder von der Allgemeinheit genutzt wurde (und genutzt werden durfte), können diese Luftbilder und die alte Flurkarte wohl aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg keine Auskunft geben. Auch über die damalige „Qualität“ bzw. den damaligen Zustand dieses Verbindungswegs, die Hinweise auf die hier streitige Frage eines für die Allgemeinheit „tauglichen“, namentlich zu jeder Zeit mindestens begehbaren Weg und der „Alt-Öffentlichkeit“ geben könnten, kann anhand dieser Dokumente nicht geurteilt werden.

55

Dabei lässt das Gericht offen, ob die mehrfache Änderung des Verlaufs dieses Wegs einen Hinweis auf die Frage nach dem Vorliegen eines alten öffentlichen Wegs gibt. So hat selbst der Kläger in seiner selbstverfassten „Chronik“ dieses Wegs eingeräumt, dass der Weg jeweils „Anfang der 1930er-Jahre“, „Ende der 1940er-Jahre“ und „Mitte der 1980er-Jahre“ aus dort beschriebenen Gründen verlegt wurde.

56

Die gehörten Zeugen konnten über die tatsächliche Nutzung des „Verbindungswegs“ zu Reichszeiten und zu Zeiten der frühen DDR nichts aussagen. Die Zeugin B. hat ausgesagt, sie kenne den Weg seit 1971. Der 44 Jahre alte Zeuge A. kann naturgemäß erst frühestens die vergangenen 42 Jahre über den „erlebten“ Weg berichten, realistisch betrachtet erst seit Mitte der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Selbst der 51jährige Zeuge C. kann aus eigenem Erleben bestenfalls noch bis in die 60er Jahre über den Weg berichten.

57

(2) Über die öffentliche Nutzung des „Verbindungswegs“ im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Straßenverordnung 1974 am 1. Januar 1975 (und davor bis zum Inkrafttreten der Vorgängerregelung aus dem Jahre 1957, siehe zuvor), die ggf. Rückschlüsse auf die (auch) vorangegangene (unwidersprochene) Nutzung des Wegs durch jedermann zuließe, gibt es nach Auffassung des Gerichts ebenfalls keine hinreichenden Fakten oder mindestens Indizien.

58

Das Gericht ist u. a. mit Blick auf das vorgelegte Luftbild aus dem Jahre 1944 hinreichend davon überzeugt, dass dieser Weg nicht erst unter der Geltung der Straßenwesenverordnung 1957 entstanden ist, sondern wohl deutlich älter als besagtes Luftbild ist. Selbst wenn es nach Ende Juli 1957 eine qualitative und quantitative Veränderung der Nutzung dieses Wegs gegeben hätte, die zu einer erstmaligen Einstufung als öffentlicher „DDR-Weg“ hätte führen können, wäre zumindest keine Freigabeentscheidung des Rats der Stadt Wismar mit Zustimmung der Eigentümer oder Rechtsträger ersichtlich.

59

Aufgestellte Verkehrsschilder entlang dieses Wegs, die auf eine (unwidersprochene oder gar gewollte) Nutzung durch jedermann oder aber nur einen eingeschränkten Personenkreis hätten hindeuten können, hat es auch nach den insoweit übereinstimmenden Bekundungen der Zeugen nicht gegeben.

60

Aber auch unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen hat das Gericht nicht die hinreichende Überzeugung davon gewinnen können, dass der damalige Verbindungsweg die hinreichenden sachlichen Qualitäten eines (öffentlichen) Wegs aufwies und zudem (unwidersprochen) von jedermann genutzt wurde bzw. hätte genutzt werden können.

61

So konnten die Zeugen übereinstimmend berichten, dass in der Zeit, in der sie diesen Weg erlebt haben, er ein (nicht gepflasteter oder sonst wie durchgängig befestigter) Sandweg war. Zu den Ausmaßen dieses Wegs hat die Zeugin B. ausgesagt, er sei recht breit gewesen und habe mit Lkw, Traktoren und Erntefahrzeugen befahren werden können. Ähnlich hat sich der Zeuge A. eingelassen, wenn er davon berichtet hat, dass seine Eltern bzw. Großeltern den Weg zu ihrem an der Straße „Am T.“ liegenden Acker mit Pferdewagen oder Trecker befahren hätten und der Feldweg mindestens 3 m breit gewesen sei. Der Zeuge C. hat dazu ausgesagt, die ersten ca. 200 m von der Straße „D-Straße“ sei der Weg eine Fahrspur breit gewesen und auch in diesem Bereich ein Feldweg, der allerdings bei sich gebildeten Pfützen mit Bauschutt belegt worden sei. In diesem ersten Teil habe man den Weg mit Pferdewagen, Traktoren und auch mit dem Fahrrad befahren können, wobei die LPG ihn als Ackerzufahrt genutzt habe. Den weiteren Verlauf des Wegs habe man aber nicht mit einem Auto befahren können, da dort teilweise tiefe Traktorfahrspuren vorhanden gewesen seien. Selbst mit dem Fahrrad habe man auf weiteren Streckenteilen absteigen und es schieben müssen. Mit Pferdewagen oder Traktoren habe man über diesen Weg allerdings die Straße „Am T.“ erreichen können.

62

Zur Frage, welcher Personenkreis diesen Weg in den 60er Jahren bis Mitte 1975, aber auch danach genutzt habe, haben die Zeugen ebenfalls nicht hinreichend eine Wegenutzung durch jedermann dargestellt. So hat die Zeugin B. bekundet, dass neben ihrer Familie der Weg vor allem durch die Bauern genutzt worden sei, die ihn mit ihren Fahrzeugen befahren hätten. Aber auch das russische Militär, das in der Nähe einen Übungsplatz gehabt habe, habe später mit seinen LKW diesen Verbindungsweg genutzt, um zur Straße „D-Straße“ zu gelangen. Der Zeuge A. konnte nur darüber berichten, dass seine Familie den Weg nutzte, um zu ihrem Acker an der Straße „Am T.“ zu kommen. Ob noch weitere Personen diesen Verbindungsweg genutzt hätten, wisse er nicht. Der Zeuge C. schließlich hat ausgesagt, dass das russische Militär den Weg nicht mit Fahrzeugen benutzt habe, sondern zu Fuß zu ihnen (in die Straße „D-Straße“) gekommen sei, um Uhren und Radios zu verkaufen.

63

Bei Würdigung dieser Aussagen kann das Gericht nicht hinreichend sicher beurteilen, dass dieser Weg nicht nur für einen eingeschränkten Personenkreis, namentlich die von der Zeugin B. erwähnten Landwirte, sondern tatsächlich damals von jedermann genutzt worden ist. Keiner der Zeugen konnte dem Gericht berichten, dass außer ihren Familien selbst, den Landwirten und dem sowjetischen Militär weitere Personen den Weg begangen oder befahren hätten. Insbesondere eine Nutzung durch die Bürger Wismars bzw. angrenzender Wohngebiete, um zum Kohlenlagerplatz an der Straße „Am T.“ zu kommen, hat keiner der Zeugen ausgesagt. Die Nutzung des Wegs vom nahe gelegenen Militärgelände durch die sowjetischen Truppen, sei es offiziell oder inoffiziell/privat, kann nicht die Nutzung durch jedermann belegen.

64

Das Gericht kann mit Blick auf die damaligen Machtverhältnisse in der DDR im Übrigen auch nicht einmal erkennen, dass irgendein „privater“ Eigentümer einer Nutzung des Wegs durch Angehörige der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte auf dem Gebiet der DDR – selbst einer „privaten“ wie etwa zum (Tausch-)Handel - zu widersprechen gewagt oder erst recht ein Rechtsträger der DDR entsprechende Einwände zur Nutzung durch die „Waffen- und Klassenbrüder“ – so wohl der weitere DDR-Jargon für die auch dort stationierten Sowjettruppen (zitiert laut Internet aus Manfred Quiring, Russland: Orientierung im Riesenreich, S. 77) - erhoben hätte.

65

Ein (darüber hinausgehender) nennenswerter öffentlicher Fußgänger-, Fahrrad- oder Kraftverkehr weiterer Bürger der DDR über diesen Weg ist nicht hinreichend erwiesen.

66

Hinzu kommt, dass der vom Zeugen C. überzeugend geschilderte Zustand dieses Verbindungswegs auch Zweifel aufkommen lassen, ob der Weg überhaupt hinreichend geeignet war, um als solch öffentlicher Weg eingestuft zu werden. Eine nur temporär eingeschränkte durchgängige Nutzbarkeit eines Wegs reicht nach Auffassung des Gerichts, um ihn in den damaligen Status eines öffentlichen Wegs zu heben. Das Gericht hat dabei nicht nur die Bekundungen des Zeugen C. vor Augen, wonach der Weg manchmal durch tiefe Traktorfahrspuren schwer passierbar war, jedenfalls nach Einschätzung des Zeugen nicht mit einem (damaligen) Personenkraftwagen (ohne Allrad-Antrieb o. Ä.).

67

Noch eindringlichere Bedenken einer jederzeit uneingeschränkt möglichen „Passage“ von der Straße „D-Straße“ zur Straße „Am T.“ auf diesem Weg hat das Gericht wegen der glaubhaften Aussage des Zeugen C., dass im weiteren Verlauf der Weg – offenbar nahe seinem Zusammentreffen mit der Straße „Am T.“ – durch eine Senke geführt habe, die nach seiner Bekundung nach heftigen Regengüssen nicht befahrbar gewiesen sei. Dort sei eine sumpfige Wiese gewesen.

68

Es kann offen bleiben, ob dies ebenso für die Bekundung des letztgenannten Zeugen gilt, dass – nach seiner Erinnerung wohl Anfang der 80er Jahre, jedenfalls aber noch zu DDR-Zeiten – ein Teil des Wegs zusammen mit anderen Flächen zu einer Ackerfläche umgepflügt worden sei. Zwar wären dann umso größere Zweifel bereits am Vorliegen eines „feststehenden“ Wegs als Verbindung zwischen den beiden genannten Straßen angebracht. Hier erschiene dem Gericht aber auch eine Verwechselung der sich abzweigenden Wegeflächen mit derjenigen, die von der Straße „D-Straße“ kommend nach rechts nur zu einer landwirtschaftlichen Fläche führte, möglich.

69

Das Gericht hat auch keinen Anlass, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen C. zu zweifeln. Auch der Kläger, der sich vehement gegen die Einvernahme dieses Zeugen zur Wehr gesetzt hat (siehe zum einen seinen siebenseitigen Schriftsatz vom 28. Juli 2014, aber ebenso noch einmal in der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf besagten Schriftsatz), hat nicht nachvollziehbar dargelegt, dass dieser Zeuge unglaubwürdig ist. Wie bereits mündlich darlegt, kann und darf das Gericht es grundsätzlich nicht von vornherein ablehnen, einen bestimmten Zeugen zu vernehmen, der von einem der Beteiligten benannt worden ist (oder von Amts wegen dafür in Betracht kommen). Der Einwand, der Zeuge sei damals noch ein Kind gewesen, überzeugt insoweit nicht einmal im Ansatz, hindert also nicht seine Vernehmung als heute erwachsener Zeuge und macht eine solche Zeugenaussage auch nicht etwa per se unglaubhaft oder den Zeugen gar unglaubwürdig. Der Umstand, dass ein zwischenzeitlich erwachsener Zeuge über von ihm wahrgenommene Vorgänge aus seiner Kindheit berichtet, ist vielmehr nach allgemeinen Grundsätzen der freien Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 VwGO unter Berücksichtigung des § 286 Abs. 1 der Zivilprozessordnung i. V. m. § 173 Satz 1 VwGO (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 86 Rn. 5 m. w. N.) zu behandeln.

70

Dies gilt ebenso für die Frage, ob eine Zeugenaussage dann kritisch im Hinblick auf die inhaltliche Glaubhaftigkeit und/oder die Glaubwürdigkeit des Zeugen zu hinterfragen sein wird, wenn dieser selbst einen unmittelbaren oder mittelbaren Vorteil aus dem Ergebnis des Prozesses zieht oder zumindest ziehen kann.

71

Konkret ist dafür aber mit Blick auf den Zeugen C., der auf dem Nachbargrundstück zum klägerischen Grundstück eine Glaserei betreibt, nichts ersichtlich. Nicht nachvollziehbar ist insoweit der Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 28. Juli 2014, dortige Seite 5, der Zeuge werde von der beantragten Verurteilung in seinen Rechten betroffen, da er „über den“ streitigen Fahrbahnabschnitt ein Gewerbe betreibe, wofür dann Straßenreinigungsgebühren anfielen, sodass es verständlich sei, dass der Zeuge dies mit allen Mitteln zu verhindern suche. Das Grundstück des Zeugen mit der postalischen Adresse „C-Straße“ liegt an dieser öffentlichen Straße und unterliegt daher schon jetzt der Straßenreinigungsgebührenpflicht. Gleiches gilt, soweit dem Zeugen auch das benachbarte Flurstück 3883/2 (mit der postalischen Adresse „D-Straße 2b“) gehört und er dort sein Glasereigewerbe betreiben sollte. Es ist nicht ersichtlich, wie sich aus einer ggf. falschen Aussage im vorliegenden Klageverfahren für diesen Zeugen ein Vorteil etwa im Sinne von dann für ihn nicht anfallenden Straßenreinigungsgebühren ergeben könnte.

72

Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen hat das Gericht auch nicht – weder von vornherein noch unter dem Eindruck der Zeugenvernehmung - deshalb, weil nach dem Vortrag des Klägers vor dem Amtsgericht Schwerin unter dem Aktenzeichen 38 Ds 279/04 ein nunmehr dann schon 10 Jahre altes Wiederaufnahmeverfahren wegen angeblich falscher Zeugenaussage des Zeugen C. vor dem Amtsrichter (immer noch) rechtshängig sei. Gleiches gilt, soweit außerdem/stattdessen ein (jüngerer) Strafprozess (?) bzw. zumindest, worauf das genannte Aktenzeichen „Js“ hindeutet, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen „falscher Verdächtigungen des Klägers bzw. Vortäuschung von Straftaten“ (Az. 241 Js 28405/13) noch nicht abgeschlossen seien. Auch „seit Jahrzehnten“ vorkommende Nachbarschaftsstreitigkeiten zwischen dem Kläger und dem Zeugen C., gegenwärtig nach dem Vortrag des Klägers eine Grenzstreitigkeit vor dem Amtsgericht Wismar (Az. 12 C 128/11) machen den Zeugen - unabhängig von der Frage, in welcher (ggf. jeweiligen) Rolle er dort aufgetreten ist bzw. auftritt - nicht von vornherein unglaubwürdig. Eine strafrechtliche Verurteilung des Zeugen C. wegen eines Aussagedelikts trägt auch der Kläger nicht vor.

73

Konkrete Anhaltspunkte für die Einstufung der Person des Zeugen C. als unglaubwürdig hat das Gericht aber, wie gesagt, auch nicht unter dem Eindruck der erfolgten Zeugenvernehmung. Das Gericht hatte nicht den Eindruck, dass der Zeuge C. falsch ausgesagt hat, namentlich um dem Kläger Schaden zuzufügen. Die auch für das Gericht allerdings während der Zeugeneinvernahme spürbaren „Spannungen“ zwischen dem Zeugen und dem Kläger haben nach dem Eindruck des Gerichts nicht dazu geführt, dass der sachlich und nüchtern über das Beweisthema berichtende Zeuge als unglaubwürdig anzusehen wäre.

74

Die weiteren Anwürfe im Schriftsatz des Klägers vom 28. Juli 2014, Seite 6, dritter und vierter Absatz, die wohl auf eine Art Verschwörung zwischen dem Beklagten und dem Zeugen zu Lasten des Klägers oder gar eine Erpressung des Zeugen durch die Hansestadt zur Erzwingung einer „willfährigen“ Aussage zugunsten des Beklagten hindeuten, sind für das Gericht nicht nachvollziehbar. Es gibt dafür keinen greifbaren Anhalt. Wenn der Kläger dann im Weiteren mit Blick auf den Vortrag des Beklagten im Schriftsatz vom 13. Juni 2014, in dem ein Gespräch der beiden Mitarbeiterinnen des Beklagten mit dem Zeugen C. wiedergegeben wird, davon spricht, dass „(dabei) völlig unklar bleibt …, wieso der Beklagte einen Zeugen benennen lässt, der trotz allem faktisch zugunsten des Klägers ausgesagt hat …“, ist für das Gericht auch nicht nachvollziehbar, warum der Kläger dennoch den Zeugen C. bzw. dessen Aussage verhindern wollte.

75

Auch im Rahmen der Zeugenvernehmung am Tag der mündlichen Verhandlung hatte das Gericht nicht den Eindruck, hier habe der Zeuge C. eine (falsche) Aussage „absprachegemäß“ mit der Hansestadt Wismar und ihren Vertretern bzw. als „Gegenleistung“ (wofür auch immer) erbracht.

76

Schließlich hat auch der Kläger dann in der mündlichen Verhandlung selbst keine Fragen an den Zeugen gestellt, die dessen Glaubwürdigkeit hätten erschüttern können, sondern es ging stets nur um Fragen im Zusammenhang mit der Sache.

77

Vor diesem Hintergrund hat das Gericht die Einzeichnung des hier streitigen Wegs im Stadtplan von Wismar aus dem Jahre 1986 gemäß der Zeichenerklärung als „Fahrweg“ nicht hinreichend davon überzeugen können, dass von dessen damaliger öffentlicher Nutzung durch jedermann auszugehen ist.

78

Auch im Zuge einer Gesamtwürdigung der vorliegenden Dokumente und erhobenen Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung verbleiben beim Gericht die geschilderten Zweifel, ob der „Verbindungsweg“ bereits die tatsächlichen Qualitäten eines (öffentlichen) Wegs hatte und vor allem, ob er in der maßgeblichen Vergangenheit durch die Allgemeinheit als solcher genutzt worden war.

79

(3) Schließlich ist nichts dafür ersichtlich, dass der hier streitige „Verbindungsweg“ – etwa nach dem Ergebnis des Ausmaßes einer späteren, vorliegend aber nicht erkennbaren Erweiterung/Veränderung - die Kriterien für eine neue Straße nach Inkrafttreten der Straßenverordnung 1974 ab dem 1. Januar 1975 erfüllt bzw. auch nur tatsächlich darstellt.

80

cc) Weitere zur Sachverhaltsaufklärung taugliche Beweismittel vermag das Gericht nicht zu erkennen. Namentlich die vom Kläger beantragte Inaugenscheinnahme des heutigen Bereich des ehemaligen „Verbindungswegs“ ist kein taugliches Beweismittel für die hier maßgeblichen Fragen, wie der Weg – erstens - früher ausgesehen hat und ob und inwieweit er – zweitens - damals von der Allgemeinheit ohne Widerspruch des Eigentümers/Rechtsträgers genutzt worden ist.

81

2. Allerdings kann auch eine private Straße eine selbständige Erschließungsanlage sein (VG Leipzig, Urt. v. 16. Dez. 2008 – 6 K 1207/07 -, juris, Rn. 22 m. w. N.). Soweit ein Grundstück - wie hier dasjenige des Klägers - erst über einen von der gereinigten öffentlichen Straße abzweigenden Privatweg erreicht wird, ist deshalb insbesondere zu prüfen, ob die private Zuwegung nach den Umständen des Einzelfalles als selbstständige Erschließungsanlage den Erschließungszusammenhang zur öffentlichen Straße unterbricht (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 20. Januar 2011 – 9 A 2634/09 -, juris, Rn. 2 m. w. N.; Aussprung, a. a. O., § 6 Anm. 10.7.3 S. 327) oder dies sogar nach umfänglich weiter gefassten Kriterien eines straßenreinigungsgebührenrechtlichen Erschließungsbegriffs gegen eine solche Erschließung spricht.

82

Maßgeblich dürfte nach beiden Auffassungen der Gesamteindruck sein, den ein unbefangener Beobachter nach den tatsächlichen Verhältnissen hat. Dieser Eindruck wird in erster Linie geprägt von der Ausdehnung der zu beurteilenden Anlage sowie dem Maß der Abhängigkeit zu der Straße, in welche die Anlage einmündet. So ist eine Verkehrsanlage ohne Verbindungsfunktion (Sackgasse) ausschließlich auf die Straße angewiesen, von der sie abzweigt, ohne dass dies allerdings bereits zwingend gegen eine Selbständigkeit dieses Wegs spricht. Da sie darin einer unselbstständigen Zufahrt ähnelt, besteht der Eindruck einer Unselbstständigkeit häufig noch bei einer Ausdehnung, bei der eine Anlage mit Verbindungsfunktion schon den Eindruck der Selbstständigkeit erweckt. Bedeutsam für die Einstufung als selbstständig oder unselbstständig sind ferner die Breite der Verkehrsanlage, Art und Anzahl der an sie angrenzenden Grundstücke, ihre Ausstattung mit Fahrbahn, Gehwegen, Beleuchtungs- und Entwässerungseinrichtungen sowie ihre (namentlich: Verkehrs-)Funktion im Vergleich zur Funktion der nächstgelegenen öffentlichen Straße (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 25. Okt. 2007 – 9 LA 285/06 -, NordÖR 2008, 44, hier zitiert aus juris, Rn. 7 m. w. N.; OVG Münster, Beschl. v. 20. Januar 2011, a. a. O., Rn. 5 ff.; OVG Schleswig, Urt. v. 13. Okt. 2005 – 2 LB 97/04 -, NordÖR 2006, 42, hier zitiert aus juris, Rn. 23 f.; VG Düsseldorf, Urt. v. 20. Okt. 2009 – 16 K 1111/09 -, juris, Rn. 24 m. w. N.; OVG Greifswald, Besch. v. 11. Dez. 2003 – 1 M 218/03 -, NordÖR 2004, 132, hier zitiert aus juris, Rn. 27 ff. zum Erschließungsbeitrags- bzw. Straßenbaubeitragsrecht; Aussprung, a. a. O., § 6 Anm. 10.7.3 S. 327 und 10.7.4 S. 328 f.).

83

Selbst wenn das Gericht hier die (engeren) Voraussetzungen einer selbständigen Erschließungsanlage i. S. der §§ 131 Abs. 1, 133 Abs. 1 Satz 2 BauGB entsprechend im Straßenreinigungsgebührenrecht zugrunde legt, liegen diese nach dem Gesamteindruck eines unbefangenen Beobachters nicht vor.

84

Darüber hinaus besteht die aus straßenreinigungsgebührenrechtlicher Sicht erforderliche vernünftige objektive Beziehung zwischen dem Grundstück des Klägers und der öffentlichen Straße „D-Straße“, sogar eine zwingende Abhängigkeit der Nutzung des Grundstücks von dieser öffentlichen Straße. Der erschließungs- bzw. straßenreinigungsgebührenrechtliche Zusammenhang des Grundstücks des Klägers mit der öffentlichen Straße „D-Straße“ erfolgt über die mit einer öffentlich-rechtlichen Baulast gesicherte Zuwegung über das offenbar im städtischen Eigentum befindliche Wegegrundstück, das wiederum zur öffentlichen Straße „D-Straße“ führt. Insoweit ist Folgendes auszuführen:

85

Der hier in den Blick zu nehmende Stichweg ist nur ca. 100 m lang und lediglich im vom Wendehammer der Straße „D-Straße“ betrachtet vorderen Bereich von einer leichten Linkskurve geprägt, so dass er – wie die Inaugenscheinnahme der Luftbildaufnahmen in GeoPortal.MV bzw. GAIA-MV zeigt – auch vom Wendehammer der öffentlichen Straße „D-Straße“, von dem der Weg nach Westen abzweigt, aus bis zum Ende hin einsehbar ist. Insofern erweckt der Weg für einen unbefangenen Beobachter nicht bereits deshalb den Eindruck, er weise schon von seiner Ausdehnung her gegenüber der öffentlichen Straße „D-Straße“ einen selbst- bzw. eigenständigen Charakter auf.

86

An diesen Weg grenzen außerdem nur sehr wenige Grundstücke an, von denen mit Ausnahme des nachfolgend benannten Eckgrundstücks nur das Grundstück des Klägers zu Wohnzwecken genutzt wird: Von Norden her ist es das Eckgrundstück „D-Straße 2 b“ und daran anschließend das Grundstück des Klägers, von Westen her das Flurstück z und von Süden gibt es überhaupt keine privat (etwa zu Wohnzwecken) genutzten Grundstücke, sondern offenbar nur öffentliche Wegeflächen.

87

Der Weg hat nach den Luftbildern und dem Vortrag der Beteiligten offenbar auch lediglich eine Fahrbahndecke, hingegen weder einen Fußgängerweg noch eine Straßenbeleuchtung, die ein unbefangener Beobachter als – wenngleich nicht zwingende - Attribute einer selbständigen Straße (bzw. sogar eines Bestandteils der öffentlichen Straße „D-Straße“) werten könnte. Zu einer etwaigen Straßenentwässerungseinrichtung tragen die Beteiligten allerdings nichts vor, ebenso wenig zu der (Fahrbahn-)Breite des Wegs. Die Fahrbahn ist jedoch größtenteils – etwa ab der Hälfte des Eckgrundstücks „D-Straße 2 b“ bis etwa dem Ende des Grundstücks des Klägers - wesentlich schmaler als diejenige der öffentlichen Straße „D-Straße“, wie die Luftbildaufnahmen zeigen. Bereits ein ungefährdeter Begegnungsverkehr erscheint dem Gericht nicht möglich zu sein. Zum Ende hin scheint sich der Weg zwar zu verbreitern, einen Wendehammer stellt diese Fläche aber nicht dar, zumal der Umfang im Gegensatz zum Wendehammer an der öffentlichen Straße „D-Straße“ jedenfalls deutlich geringer wäre.

88

Auch die fehlende Verbindung zu einer anderen öffentlichen Straße als derjenigen „D-Straße“ spricht bei unbefangener objektiver Betrachtung gegen die Qualifizierung dieses (Sackgassen-)Wegs als selbständige Erschließungsanlage ohne Beziehung zur öffentlichen Straße „D-Straße“.

89

Das Grundstück des Klägers befindet sich schließlich direkt hinter den an der öffentlichen Straße „D-Straße“ anliegenden Wohngrundstücken „D-Straße 2 a“ und „D-Straße 2 b“, wobei Letzteres zugleich das Eckgrundstück bildet, und liegt überdies nur ca. 30 m entfernt von (dem unstreitigen Teil) der öffentlichen Straße „D-Straße“.

90

3. Auch die unstreitig nicht erfolgende Reinigung des Stichwegs macht den Straßenreinigungsgebührenbescheid nicht rechtswidrig, da dieser Weg – anders als in den vom Gericht zuletzt entschiedenen Fällen (rechtskräftige Urteile vom 28. Oktober 2013 in den Sachen 4 A 526/10, 4 A 579/10, 4 A 580/10, 4 A 581/10 und 4 A 586/10, Beschlüsse des OVG Greifswald vom 23. Oktober 2014, Az. 1 L 8/14 bis 1 L 12/14) - kein öffentlicher ist, sondern eine private (unselbständige) Stichstraße darstellt. Privatwege oder –straßen sind von der städtischen Reinigungspflicht, die nur öffentliche Straßen umfasst, ausgenommen (vgl. auch Beschl. d. 7. Kammer v. 13. Sept. 2002 in einer Sache gleichen Rubrums – 7 B 527/02 -, S. 3 des amtlichen Umdrucks, berichtigt lediglich im Hinblick auf die Rechtsmittelbelehrung mit Beschluss vom 23. Sept. 2002, gegen den auch eine u. a. eingelegte Beschwerde erfolglos geblieben war, siehe Beschl. des OVG Greifswald v. 30. Oktober 2002 – 1 M 162/02 -).

91

Soweit der Kläger vorträgt, für die Privatgrundstücke mit den Flurstücksnummern a, b und c würden keine Straßenreinigungsgebühren erhoben, bleibt er bereits den Nachweis dafür schuldig, ebenso wie für die Behauptung, diese sehr kleinen und für sich genommen nicht selbständig bebaubaren Flurstücke bildeten ein bis drei Buchgrundstücke. Bei Betrachtung der Luftbilder dürften mindestens die Flurstücke a und b mit einem Gebäude des Nachbargrundstücks (Flurstück d) überbaut sein; auch das Flurstück c grenzt unmittelbar an dieses Grundstück an. Insofern erscheint schon nicht fernliegend, dass diese Flurstücke keine eigenständigen Buchgrundstücke, sondern Bestandteil des Buchgrundstücks „D-Straße 2 b“ sein könnten. Nicht nachvollziehbar bleibt allerdings, warum der Beklagte sich zu diesen Anwürfen in keiner Weise geäußert hat. Selbst wenn deshalb die Behauptung, diese Flur- und/oder Grundstücke seien zu Unrecht nicht zur Grundlage einer Straßenreinigungsgebührenpflicht des Eigentümers dieser Flächen gemacht worden, zuträfe, bestünde für den Kläger auch nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes kein Anspruch auf eine sog. Gleichbehandlung im Unrecht (vgl. etwa BayVerfGH, Entsch. v. 20. Dez. 2012 – Vf. 25-VI-12 -, BayVBl. 2013, 334; VGH Mannheim, Urt. v. 7. Sept. 2011 – 2 S 1202/10 -, KStZ 2012, 17, 18 m. w. N.).

92

4. Da die Wegefläche vor dem Grundstück des Klägers mithin einen unselbständigen (Privat-)Weg darstellt, ist Maßstab der Straßenreinigungsgebühren auch nicht etwa nur die Länge der als Baulast eingetragenen Zuwegung (wohl im Umfang von neun Metern, wie der Kläger vorträgt) oder die gesamte deutlich längere Südseite des an dem Stichweg anliegenden Grundstücks.

93

Die Berechnung der – hier: fiktiven – „Straßenfrontmeter“ bei einem Hinterliegergrundstück ist vielmehr in § 7 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 der Gebührensatzung für Straßenreinigung in der Hansestadt Wismar vom 6. November 2009 geregelt. Der Beklagte hat seine Berechnung der mithin maßgeblichen Ostseite des Grundstücks des Klägers, die der reinigungspflichtigen öffentlichen Straße „D-Straße“ zugewandt ist, von zunächst 34 auf nunmehr noch 29 (fiktive) „Straßenfrontmeter“ revidiert.

94

Zwar wendet der Kläger ein, diese Seite seines Grundstücks sei nur „knapp 28 Meter“ lang, dies wird jedoch bereits nicht substantiiert vorgetragen und ist auch nicht offenkundig. Vor diesem Hintergrund sieht das Gericht keinen hinreichenden Anlass, dieser vagen Behauptung im Wege der Amtsermittlung weiter nachzugehen.

95

Im Übrigen ist auf § 3 Abs. 5 der Gebührensatzung für Straßenreinigung in der Hansestadt Wismar vom 6. November 2009 hinzuweisen, wonach bei der Berechnung der Frontmeter Abweichungen bis zu einem Meter zulässig sind. Diese Regelung könnte sinngemäß in gleichem Maße für die Berechnung der fiktiven „Straßenfrontmeter“ eines Hinterliegergrundstücks anzuwenden sein. Dabei kann offen bleiben, ob eine solche Regelung, die offenbar nicht lediglich eine Auf- oder Abrundungsregelung hin zu jeweils „vollen“ Metern trifft, überhaupt rechtlich Bestand haben kann. Selbst wenn diese Satzungsvorschrift rechtswidrig wäre, ist nichts dafür ersichtlich, dass die Straßenreinigungsgebührensatzung bei Wegfall dieser Bestimmung nach dem Willen des Satzungsgebers entsprechend § 139 des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Ganzen keinen Bestand mehr haben soll. Fällt die Regelung, verbleibt es jedoch dabei, dass vorliegend nicht hinreichend substantiiert dargelegt worden ist, warum die Berechnung der Länge der fraglichen Ostseite des Grundstücks immer noch um einen Meter zu hoch vorgenommen worden ist.

96

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 155 Abs. 1 Satz 3, 161 Abs. 2 VwGO. Im Hinblick auf den erledigten Teil des Gebührenbescheids wäre zwar bei isolierter Betrachtung eine Beteiligung des Beklagten an den Verfahrenskosten in Betracht gekommen. Bei der einheitlich zu treffenden Kostenentscheidung hat jedoch die Regelung in § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO Vorrang. Insoweit ist aber zu berücksichtigen, dass der Kläger im Übrigen nach einer kostenträchtigen Beweiserhebung durch Vernehmung von drei Zeugen in der Sache unterliegt. Selbst wenn seine Mutter als Zeugin keine Kosten geltend macht, blieben immer noch die durch die Vernehmung der übrigen Zeugen verursachten Kosten (für die Fahrten zum und vom Gerichtstermin sowie die entstandenen Verdienstausfälle).

97

Von Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kosten dieses Verfahrens sieht das Gericht ab, da auf Beklagtenseite eine insolvenzunfähige Stadt und damit eine kraft Gesetzes stets zahlungsfähige Schuldnerin steht.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 06. Nov. 2014 - 4 A 493/11

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 06. Nov. 2014 - 4 A 493/11

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 06. Nov. 2014 - 4 A 493/11 zitiert 18 §§.

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(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

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(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 173


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

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(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der münd

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 139 Teilnichtigkeit


Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.

Baugesetzbuch - BBauG | § 131 Maßstäbe für die Verteilung des Erschließungsaufwands


(1) Der ermittelte beitragsfähige Erschließungsaufwand für eine Erschließungsanlage ist auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen. Mehrfach erschlossene Grundstücke sind bei gemeinsamer Aufwandsermittlung in einer Erschließungse

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Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 06. Nov. 2014 - 4 A 493/11 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 23. Okt. 2014 - 1 L 8/14

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Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfe

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(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der ermittelte beitragsfähige Erschließungsaufwand für eine Erschließungsanlage ist auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen. Mehrfach erschlossene Grundstücke sind bei gemeinsamer Aufwandsermittlung in einer Erschließungseinheit (§ 130 Absatz 2 Satz 3) bei der Verteilung des Erschließungsaufwands nur einmal zu berücksichtigen.

(2) Verteilungsmaßstäbe sind

1.
die Art und das Maß der baulichen oder sonstigen Nutzung;
2.
die Grundstücksflächen;
3.
die Grundstücksbreite an der Erschließungsanlage.
Die Verteilungsmaßstäbe können miteinander verbunden werden.

(3) In Gebieten, die nach dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes erschlossen werden, sind, wenn eine unterschiedliche bauliche oder sonstige Nutzung zulässig ist, die Maßstäbe nach Absatz 2 in der Weise anzuwenden, dass der Verschiedenheit dieser Nutzung nach Art und Maß entsprochen wird.

Tenor

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um den von dem Kläger geltend gemachten Anspruch auf Erstattung von Kosten, die diesem sowie der X.gesellschaft GmbH - X - für die Erneuerung und Sanierungsarbeiten der Schmutz- und Regenwasserleitungen auf den Flurstücken 10/13, 10/17 und 16/61 der Flur 49 der Gemarkung Y entstanden sind.

2

Die genannten Flurstücke sind die sogenannte Hoffläche im Wohnhof V, R.straße/C.-Straße in Y.

3

Der Kläger wurde zunächst Eigentümer der dort stehenden Gebäude R.straße 62 bis 69 einschließlich deren Grundflächen. Hierbei handelte es sich um ein ehemaliges Lehrlingswohnheim des VEB L.. Die angrenzenden zwei Häuser des Wohnblocks erwarb er etwa zwei Jahre später.

4

Die weiteren angrenzende Häuser Nr. 70 bis 74 wurden im Wege der Vermögenszuordnung der X.gesellschaft, X, deren alleinige Inhaberin die Beklagte ist, zugeordnet. Alle weiteren umgebenden Flächen, insbesondere auch der durch die rechtwinklige Bauweise der Objekte gebildete sogenannte Hof V standen zu Zeiten der DDR im Eigentum des Volkes - Rechtsträger Stadt Y. Sie wurden im Rahmen der Vermögenszuordnung durch Bescheide des Oberfinanzpräsidenten der OFD Rostock vom 23.04.2001 der X. zugewiesen.

5

Durch Kaufvertrag vom 04.07.2000 verkaufte die X. einen Teil der Hoffläche (Flurstücke 10/13, 10/17 und 16/64 der Flur 49) an den Kläger. Nach § 6 des Kaufvertrags räumt die X. dem Kläger ein Wegerecht zur Erschließung des Blockes 62 bis 69 auf der Wegefläche vor dem Wohnblock 70 bis 74 ein.

6

Im Rahmen der Umgestaltung des Innenhofs wurde die ehemalige Wegefläche vor dem Wohnblock 70 bis 74 verschoben und auf der vormaligen Wegefläche Stellplätze unter anderem vor den Nummern 70 bis 74 errichtet. Diese wie auch die an gleicher Stelle verbliebenen Stellplätze gegenüber den Nummern 62 - 69 sind an Bewohner der anliegenden Häuser vermietet.

7

Bei der Planung und Durchführung der mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnumfeldverbesserungsmaßnahme wurde deutlich, dass die Regen- und Schmutzwasserleitungen in diesem Bereich saniert und bzw. erneuert werden mussten. Der Plan des Dipl. W. vom 04.05.2001 gibt für die Regenwasser- und Schmutzwasserleitungen den Planungszustand wieder, der realisiert wurde und im Wesentlichen dem damals vorhandenen Zustand entspricht. Das gilt namentlich für den Verlauf der Leitungen und die Schächte.

8

Der Kläger sowie die X. einerseits und die Beklagte andererseits konnten sich nicht darüber einigen, wer die Kosten für diese Maßnahmen zu tragen habe. Durch Vertrag vom 19.07./23.07.2001 vereinbarten der Kläger und die X. einerseits sowie die Beklagte andererseits, die Baumaßnahmen unverzüglich fortzusetzen und in deren Rahmen sinnvollerweise auch die sanierungsbedürftigen Regen- und Schmutzwasserleitungen im Wohnhof V zu erneuern. Die drei Parteien lassen zu diesem Zeitpunkt die Frage, wer und ggf. in welchem Umfang die Kosten der Erneuerungsmaßnahme zu tragen habe ausdrücklich offen. Die Parteien würden sich hierzu rechtlich und ggf. gerichtlich auseinandersetzen.

9

Mit Urkunde vom 30.10.2001 ermächtigte die X. den Kläger, sämtliche Eigentümerrechte im eigenen Namen und auf eigene Rechnung wahrzunehmen, die im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung mit der Beklagten in Bezug auf die Durchführung von Instandsetzungs- und Erneuerungsarbeiten an den Regen- und Schmutzwasserleitungen im Bereich der Wohnumfeldverbesserungsmaßnahme in Y. Hof V bestehen.

10

Am 22.04.2002 erhob der Kläger vor dem Landgericht Rostock Klage mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 14.09.2001 zu zahlen. Das Landgericht Rostock verwies den Rechtsstreit durch Beschluss vom 13.09.2002 an das Verwaltungsgericht Schwerin. Es verneinte Ansprüche aus privatrechtlichem Vertrag, § 8 AVBWasserV, enteignungsrechtlichen Erwägungen, § 9 GBBerG, öffentlich-rechtlicher GoA und § 994 BGB. Ein etwaiger Erstattungsanspruch sei öffentlich-rechtlicher Natur.

11

Der Kläger führte zur Begründung seiner Klage aus: Durch die streitbefangene Leitung seien mindestens drei unabhängige Grundstücke angeschlossen. Es handele sich um die Häuser R.straße 62 bis 69, R.straße 70 bis 74, die neugeschaffene Hoffläche, die zum Teil in seinem und zum Teil im Eigentum der X. stehe, sowie die öffentliche R.straße und Gehwege. Die Leitungen würden ausschließlich im Bereich des Straßenkörpers der R.straße parallel zu den errichteten Gebäuden verlaufen. Die Beklagte betreibe die Abwasseranlage als einheitliche öffentliche Einrichtung. Die betroffenen Leitungen seien Bestandteile der öffentlichen Abwasseranlage im Sinne des § 2 Nr. 2 der Abwassersatzung der Beklagten. Die Beklagte habe auch als Eigentümerin der Leitungen, die Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage seien, die Kosten zu tragen. Am 20.09.1990, dem Stichtag für die Eigentumszuordnung, hätte die Hausanschlussleitung des Gebäudes des Klägers bis zur Übergabepunkt an der streitigen Abwasserleitung auf städtischem Grund gelegen.

12

Der Kläger beantragte,

13

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 10.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 14.09.2001 zu zahlen.

14

Die Beklagte beantragte,

15

die Klage abzuweisen.

16

Sie führte aus: Maßgebend sei die Satzung über die Abwasserbeseitigung - AWS - vom 09.03./15.03.2000, geändert durch Beschluss vom 26.10.2000. Danach handele es sich hier um Grundstücksentwässerungsanlagen im Sinne des § 9 Abs. 5 und § 11 Abs. 1 AWS, für die der Kläger die Kosten zu tragen habe. Es handele sich nämlich um Grundstücksentwässerungsleitungen im Sinne des § 2 Ziffer 6 der Satzung.

17

Das Verwaltungsgericht Schwerin hat die Klage durch Urteil vom 26.05.2005 abgewiesen. Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus:

18

Ein Anspruch auf öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag käme nicht in Betracht, da die Beklagte der Erstellung der Leitung auf ihre Kosten widersprochen habe, sodass eine Geschäftsführung gegen den Willen des Geschäftsherrn vorliege.

19

Der Kläger könne sich auch nicht auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch berufen. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, die Anschlussleitung auf ihre Kosten herzustellen. Es handele sich bei den hier in Streit stehenden Leitungen um Anschlussleitungen im Sinne des § 9 der Abwasserbeseitigungssatzung. Die Leitungen verliefen im Innenkarree des Häuserblocks, das durch die Häuser mit den Nr. 62 bis 69, 70 bis 74, 20 bis 20 d und 58 bis 61 gebildet werde. Die hier angelegte Zufahrt zu den Stellplätzen dieser Häuser, die Stellplätze selbst, die Spiel- und Grünflächen sowie die vorhandenen Trockenplätze seien in privater Hand des Klägers bzw. der X.. Sie gehörten nicht zum öffentlichen Verkehrsraum. Nach § 9 Abs. 5 der Abwassersatzung hätten für diese Anlagen die Grundstückseigentümer die Kosten zu tragen. Dem stehe nicht entgegen, dass die Leitungen teilweise über andere private Grundstücke geführt werden müssten. Grenze das anzuschließende Grundstück ausnahmsweise nicht unmittelbar an eine öffentliche Straße mit der öffentlichen Abwasseranlage (Mischkanal oder Trennsystem) und müsse die Anschlussleitung über Privatgrundstücke geführt werden können, gehöre auch dieser bis zur Grundstücksgrenze des Anschlussnehmers führenden Teil zum Grundstücksanschluss. Daraus ergebe sich, dass der Kläger bzw. die X. die Kosten auch für diese Teile der Leitung zu tragen hätten. Auch der Umstand, dass die Anschlussleitung über Grundstücke einer Mehrzahl von Grundstückseigentümern führe, führe nicht zwangsläufig zur Zugehörigkeit zur öffentlichen Versorgungseinrichtung. Der vom Kläger aus den gewählten Leitungsquerschnitten gezogene Rückschluss auf die Zugehörigkeit zur öffentlichen Entwässerungseinrichtung vermöge nicht zu überzeugen. Ohne dass es noch darauf ankomme sei darauf hingewiesen, dass auch dann, wenn man von einer früheren Zugehörigkeit der hier im Streit stehenden Leitungen zur öffentlichen Abwasserentsorgungsanlage ausgehen wollte, diese Zugehörigkeit nach Privatisierung der Flächen und Abriss der bestehenden Anlage jedenfalls nicht mehr gegeben sei.

20

Dieses Urteil wurde dem Kläger am 01.09.2005 zugestellt. Durch Beschluss vom 15.08.2007 ließ der Senat die Berufung zu. Dieser Beschluss wurde dem Kläger am 27.08.2007 zugestellt. Am 26.09.2007 hat der Kläger die Berufung wie folgt begründet:

21

Ihm stehe ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu. Es handele sich bei der Stichstraße als Teil der R.straße um eine öffentliche Straße im Sinne des § 62 StWG M-V. Zwar verlaufe die Zufahrt unstreitig auf dem - allerdings erst späterhin - privaten gemeinsamen Grundstück des Klägers und der X.. Die Straße sei indes im Rahmen der Errichtung der Südstadt in Y in den 80iger Jahren geplant worden, als die streitgegenständlichen Leitungen eingebracht, der Fahrstreifen in Beton und nebst Fußweg bis vor die Häuser ausgeführt sowie die Straßenbeleuchtung gesetzt worden seien. Anlieger der Straße seien nicht private Rechtsobjekte gewesen, was gerade für das Vorliegen eines ausschließlich öffentlichen Wegs spreche. Das Objekt habe im Eigentum des VEB L., das zugehörige Objektgrundstück (allerdings nur im Flächenmaß des Hauses) in dessen späterer Rechtsträgerschaft gestanden. Entsprechendes gelte für die X. in Nachfolge des VEB K.. Selbst wenn man eine ehemalige betriebliche öffentliche Straße annehme, könne der Nachweis einer formellen Entscheidung für die Begründung einer öffentlichen Fläche geführt werden. Sie liege bereits in der Einbringung aller Ver- und Entsorgungsleitungen im Straßenkörper sowie das Aufrichten und Betreiben der zugehörigen Straßenbeleuchtung durch den damaligen Rat der Stadt. Diese Merkmale sprächen für die öffentliche Nutzung der Straße bis zu den Gebäuden und gingen über das bloße Dulden einer regelmäßigen Nutzung durch die jeweiligen Bewohner der Objekte als Dritte hinaus. Die Leitungen lägen daher in dem Straßenkörper einer öffentlichen Straße, sodass sie Teil der öffentlichen Einrichtung der Abwasserversorgung seien.

22

Dies entspreche auch der Abwassersatzung der Beklagten. Nach § 2 Ziffer 3 Buchstabe a sowie Ziffer 6 in der Satzung seien auch diejenigen Kanäle, die vom öffentlichen Straßenkanal zu den entwässernden Grundstücken führten, Grundstücksleitungen und Bestandteil der öffentlichen Einrichtung. Diese Grundentscheidung widerspreche teilweise der in § 9 Abs. 5 der Satzung getroffenen Regelung. Diese Vorschrift laufe auch angesichts der Bestimmung des § 10 KAG M-V leer. Widersprüchlich sei auch, dass in § 11 der Satzung das angeschlossene Grundstück bis zur Straßenoberkante vor dem Grundstück vor Rückstau aus der öffentlichen Abwasseranlage durch den Anschlussberechtigten selbst zu schützen sei. Die maßgebende Grundstücksgrenze im Sinne der Satzung für das Objekt liege unmittelbar an der (nach diesseitiger Auffassung auch öffentlichen) Zuwegung, in der sich die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage befinde.

23

Der Kläger beantragt,

24

das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 26.05.2005 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, an ihn 10.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 14.09.2001 zu zahlen.

25

Die Beklagte beantragt,

26

die Berufung zurückzuweisen.

27

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und führt aus: Bei der Stichstraße handele es sich um eine betrieblich-öffentliche Straße. Sie sei vom überörtlichen Verkehr in keiner Weise genutzt worden und diente allein dem an- und abfahrenden Verkehr für das im Eigentum des VEB L. stehenden Hauses sowie für das Haus des VEB K.. Maßgebend sei im vorliegenden Fall allein § 2 der Abwassersatzung, nicht die §§ 9 und 11. Aus § 9 Abs. 2 der Satzung werde im Übrigen deutlich, dass im Ausnahmefall mehrere Grundstücke bei einem gemeinsamen Grundstücksanschluss an die öffentliche Abwasseranlage angeschlossen werden könne. Selbst wenn früher die Leitungen Teil der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage gewesen seien, so seien diese abgerissen und dafür Grundstücksanschlüsse gelegt worden. Es komme daher nicht darauf an, ob die Leitungen ursprünglich einmal im Eigentum der Beklagten gestanden hätten.

28

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

29

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat durch das angefochtene Urteil die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

30

I. 1. Der Vertrag zwischen dem Kläger, der X. und der Beklagten vom 19.07./23.07.2001 bietet keine Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Zahlungsanspruch. Nach Ziffer 3 des Vertrags lassen die drei Parteien die Frage, welche der Parteien und ggf. in welchem Umfang die Kosten der Erneuerungsmaßnahme zu tragen hat, ausdrücklich offen.

31

2. Im Ergebnis zu Recht hat das Verwaltungsgericht einen Anspruch nach den Grundsätzen der öffentlichen Geschäftsführung ohne Auftrag abgelehnt. Dies ergibt sich aus dem Vorrang der vertraglichen Vereinbarung. Ziffer 3 des Vertrags ist so zu verstehen, dass der Beklagte eine Geschäftsführung ohne Auftrag gegen ihren Willen nicht als Grundlage eines Zahlungsanspruches begründen oder anerkennen wollte.

32

II. Angesichts des Umstandes, dass der Kläger - zugleich für die X. - Zahlungen geleistet hat, kommt - mit dem Verwaltungsgericht - als Anspruchsgrundlage allein der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in Betracht. Voraussetzung für diesen Anspruch ist, dass der Kläger bzw. die X. ohne Rechtsgrund die Zahlungen im Zusammenhang mit der Sanierung der Leitungen geleistet hat. Die Zahlungen wären in diesem Sinne rechtsgrundlos erfolgt, wenn der Kläger nicht etwaige Kosten der Beklagten für Arbeiten an den Abwasserleitungen hätte erstatten müssen. Dies ist nicht der Fall.

33

1. Maßgebend ist für Grundstücks- und Hausanschlussleitungen an öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlagen § 10 Kommunalabgabengesetz - KAG M-V a.F. - vom 11. April 1991 (GVOBl. M-V S. 113) bzw. § 10 Kommunalabgabengesetz - KAG M-V n.F. - in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. April 2005 (GVOBl. M-V 2005, S. 146). Sie enthalten eine Spezialregelung, die allgemeinen Regelungen vorgeht (Dietzel in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 10 Rdn. 6 mwN; Aussprung in ders./Holz/Siemers, Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern, Stand März 2008 § 10 Anm. 3.3). Sofern die Leitung als Teil der Abwasseranlage zu rechnen ist, erfolgt im Übrigen eine Refinanzierung über Beiträge und Gebühren nach §§ 4 und 9 KAG M-Va.F. bzw. §§ 4 und 9 KAG M-V n.F.

34

Nach § 10 KAG M-V a.F. kann der Kostenersatz für Haus- und Grundstücksanschlüsse in verschiedener Art und Weise ausgestaltet sein. Der Ortsgesetzgeber kann den Kostenersatz als Beitrag ausgestalten. Dies wiederum kann in der Weise geschehen, dass die Kosten der Anschlüsse als unselbständiger Bestandteil in den zu erhebenden Anschlussbeitrag einkalkuliert werden (§ 10 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V a.F.). Als weitere Möglichkeit bietet sich an, für die Kosten der Anschlüsse einen gesonderten Beitrag zu erheben (§ 10 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V a.F. ). Neben den beiden beitragsrechtlichen Lösungen steht dem Ortsgesetzgeber ferner die Möglichkeit zur Seite, einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zu normieren. Wird ein solcher öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch vorgesehen, kann der Ortsgesetzgeber bestimmen, dass der tatsächliche Aufwand des Anschlusses maßgeblich sein soll; als weitere Möglichkeit kommt in Betracht, den Aufwand zu pauschalieren, indem Einheitssätze zugrundegelegt werden (§ 10 Abs. 1 Satz 3 KAG M-V a.F.). Schließlich besteht gemäß § 10 Abs. 1 Satz 4 KAG M-V a.F. die Möglichkeit, bei der Berechnung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches die Abwasserleitung fiktiv als in der Mitte der Straße verlaufend anzusehen. Damit stehen dem Ortsgesetzgeber nicht weniger als fünf verschiedene Ausgestaltungsmöglichkeiten seines Organisationsermessens bezüglich der Kostenerstattung für Haus- und Grundstücksanschlüsse zur Verfügung (OVG Greifswald, B. v. 02.03.1995 - 6 M 211/94; B. v. 04.01.1999 - 1 L 162/97 - NordÖR 1999, 164; B. v. 01.02.2001 - 1 M 80/00 - NVwZ-RR 2001, 401 = KStZ 2002, 18). Ob eine vertraglich abweichende Regelung zulässig wäre, bedarf keiner Entscheidung, da der Vertrag zwischen den Beteiligten aus Juli 2001 eine solche gerade nicht trifft sondern die gesetzliche Regelung gelten lassen will, über deren Inhalt Dissens besteht.

35

Der Erstattungsanspruch nach § 10 Abs. 1 KAG a.F. setzt eine hinreichend klare und eindeutige Bestimmung im Ortsrecht über den Umfang der öffentlichen Einrichtung voraus. Das KAG in Mecklenburg-Vorpommern unterscheidet sich erheblich von den Kommunalabgabengesetzen anderer Länder (so z.B. § 10 Abs. 3 KAG NRW), weil es im Hinblick auf die Frage, ob die Haus- und/oder Grundstücksanschlussleitungen Bestandteil der öffentlichen Einrichtung sind, neutral formuliert ist. Die Gemeinden bzw. Verbände können und müssen im Anschlussbeitragsrecht daher den Umfang der von ihnen betriebenen öffentlichen Einrichtung durch Satzung bestimmen. Es bedarf stets einer ortsgesetzgeberischen Entscheidung, ob die öffentliche Einrichtung bei Abwasser mit dem Hauptsammler in der Straße enden soll, oder ob auch die Grundstücksanschlussleitung (die Strecke bis zur Grundstücksgrenze) und/oder auch noch die Hausanschlussleitung (Strecke zwischen Grundstücksgrenze und Gebäude) zur öffentlichen Einrichtung gehören soll. Eine Definition der öffentlichen Einrichtung ist deshalb zwingende Voraussetzung für die Erhebung von Anschlusskosten, weil § 10 KAG a.F. - wie ausgeführt - unterschiedliche Möglichkeiten des Kostenersatzes für Haus- und Grundstücksanschlüsse vorsieht. Eine Einbeziehung der Haus- und Grundstücksanschlusskosten in den Anschlussbeitrag scheidet aus, wenn die Anschlussleitung nicht Bestandteil der öffentlichen Einrichtung ist. Auch die Erhebung eines eigenen Beitrages kommt nur dann und insoweit in Betracht, wie die Haus- und Grundstücksanschlussleitungen zu Teilen der öffentlichen Einrichtung erklärt worden sind. Umgekehrt hat die Bestimmung z.B. der Grundstücksanschlussleitungen zu Teilen der öffentlichen Einrichtung zur Folge, dass Aufwendungen für ihre Herstellung nur über Beiträge gedeckt werden können, und ein Erstattungsanspruch nicht in Betracht kommt. Lediglich dann, wenn die Haus- bzw. Grundstücksanschlussleitungen nicht Teil der öffentlichen Einrichtung sind, kommt eine Kostenerstattung im Wege eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs nach § 10 Abs. 1 Satz 3 KAG in Betracht. Hierbei kommt - sofern durch den Ortsgesetzgeber bestimmt - die Mittenregelung des § 10 Abs. 1 Satz 4 KAG zur Anwendung (so OVG Greifswald, B. v. 23.08.2000 - 1 M 62/00 - NVwZ-RR 2001, 181 = NordÖR 2001, 173).

36

2. Die Beklagte hat eine solche Abgrenzungsregelung getroffen.

37

Maßgebende Rechtsgrundlage hierfür ist § 40 Abs. 1 des Wassergesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern (LWaG) vom 30.11.1992 (GVOBl. M-V 1992, S. 669) in der zum Zeitpunkt des Vertrags maßgebenden Fassung des Gesetzes vom 02.03.1993 (GVOBl. M-V S. 178). Danach obliegt die Abwasserbeseitigung den Gemeinden im Rahmen der Selbstverwaltung, soweit sie nicht nach Absatz 4 anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts übertragen wurden. Nach Abs. 2 ist anfallendes Abwasser dem Beseitigungspflichtigen zu überlassen. Die Beseitigungspflichtigen können durch Satzung bestimmen, wie ihnen das angefallene Abwasser zu überlassen ist. Der Gemeinde ist diese Aufgabe als Selbstverwaltungsaufgabe übertragen. Sie ist daher berechtigt, Einzelheiten durch Satzung zu regeln (Kotulla, Wasserhaushaltsgesetz, Komm. 2003 § 18 a Rdn. 30). Diese Ermächtigungsgrundlage umfasst auch die Regelung des Umfanges der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage (Gieseke/Reinhardt, Wasserhaushaltsgesetz, 8. Aufl. 2003 § 18a Rn. 27). Somit ist für die Frage, welchen Umfang die öffentliche Einrichtung hat, die Entwässerungssatzung heranzuziehen. Maßgeblich für den Begriff der Einrichtung ist nicht die technische Ausgestaltung, sondern grundsätzlich die rechtliche Bestimmung durch die Gemeinde (vgl. OVG Greifswald, U. v. 15.03.1995 - 4 K 22/94 - KStZ 1996, S. 114, 115 m.w.N.). Auch die Eigentumsverhältnisse an den Leitungen sind unerheblich (vgl. Aussprung a.a.O. § 10 Anm. 4.5.2.).

38

Die Satzung über die Abwasserbeseitigung - AWS - vom 09.03.2000, zuletzt geändert durch Beschluss der Stadtvertretung vom 24.10.2002 lautet auszugsweise:

39

§ 1 Abwasserbeseitigungspflicht, öffentliche Einrichtung

40

(1) Die Stadt Y. errichtet und betreibt zur Erfüllung ihrer Abwasserbeseitigungspflicht Abwasseranlagen als jeweils eine einheitliche öffentliche Einrichtung

41

1. zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung

42

2. zur zentralen Niederschlagsbeseitigung und

43

3. zur dezentralen Schmutzwasserbeseitigung.

44

(2) Art, Lage und Umfang der öffentlichen Abwasseranlagen sowie den Zeitpunkt ihrer Herstellung, Erweiterung, Erneuerung, Veränderung oder Beseitigung bestimmt die Stadt Y.. (...)

45

§ 2 Begriffsbestimmungen

46

3. Öffentliche Abwasseranlagen

47

Zur den öffentlichen Abwasseranlagen im Sinne dieser Satzung gehören

48

a) das gesamte öffentlich städtische Entwässerungsnetz einschließlich aller technischen Einrichtungen, insbesondere Straßenkanäle, Abwasserpumpwerke, Regenrückhalte- und Regenüberlaufbecken, offene und geschlossene Gräben, soweit sie von der Stadt Y. entsprechend ihrer jeweiligen Zweckbestimmungen und im Einklang mit den Vorschriften des Wasserrechts zur öffentlichen Abwasserbeseitigung benutzt werden, Druckentwässerungsanlagen, auch auf privaten Flächen, sofern die Stadt sie betreibt,

49

b) die Kläranlage Y. - P., einschließlich aller technischen Einrichtungen sowie der Betriebshof. Die Einbeziehung der Kläranlage erfolgt dabei anteilmäßig entsprechend des Mitbenutzungsrechtes,

50

c) Anlagen und Einrichtungen, die nicht von der Stadt Y. selbst, sondern von Dritten hergestellt oder unterhalten werden, wenn sich die Stadt Y. dieser Anlagen für die Abwasserbeseitigung bedient. (...)

51

6. Grundstücksanschluss

52

Grundstücksanschluss im Sinne dieser Satzung ist der Kanal vom öffentlichen Straßenkanal bis einschließlich des ersten Kontrollschachtes an der Grundstücksgrenze, bei Nichtvorhandensein eines Kontrollschachtes die Grundstücksgrenze selbst. Der Grundstücksanschluss ist Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage.

53

7. Grundstücksentwässerungsanlagen

54

Grundstücksentwässerungsanlagen im Sinne dieser Satzung sind die Einrichtungen, die der Sammlung, Vorbehandlung, Prüfung, Rückhaltung, Ableitung und Klärung des Abwassers auf dem Grundstück dienen. Dazu gehören insbesondere Abwassereinläufe, Hebeanlagen, Rückstausicherungen, Kleinkläranlagen, Abwasservorbehandlungsanlagen, Abscheideanlagen, Sickeranlagen, Regenrückhaltebecken sowie Speicherräume und Abwasserleitungen einschließlich deren Absperrvorrichtungen, Reinigungsschächte und -öffnungen. Zu den Abwasserleitungen gehören insbesondere auch Grundleitungen (auf dem Grundstück im Erdbereich unter Baukörpern und sonst im Erdbereich verlegte Leitungen).

55

8. Grundstück

56

Grundstück im Sinne dieser Satzung ist unabhängig von der Eintragung im Liegenschaftskataster und Grundbuch und ohne Rücksicht auf die Bezeichnung durch Hausnummern jeder zusammenhängende Grundbesitz, der eine selbständige wirtschaftliche Einheit bildet, sowie alle privaten und öffentlichen Straßen, Wege und Plätze, auf die sich die Abwasserbeseitigungspflicht der Stadt erstreckt. Befinden sich auf dem Grundstück mehrere bauliche Anlagen, so können für jede dieser Anlagen die für Grundstücke maßgeblichen Vorschriften dieser Satzung angewandt werden, die Entscheidung hierüber trifft die Stadt Y..

57

§ 4 Begrenzung des Anschlussrechtes

58

(1) Das Anschlussrecht besteht für solche Grundstücke, die an eine Straße grenzen, in der eine betriebsfertige und aufnahmefähige Abwasseranlage vorhanden ist, oder zu denen hin der Anschlussberechtigte einen eigenen dinglich und zusätzlich durch Baulast gesicherten Zugang von der Straße her einschließlich eines Leitungsrechtes hat.

59

§ 9 Grundstücksanschlüsse

60

(1) Jedes Grundstück, für das Anschlusszwang besteht (§ 6), ist entsprechend dem bestehenden Anschluss und Benutzungszwang für dieses Grundstück unterirdisch mit einem eigenen Grundstücksanschluss unmittelbar an den Mischwasserkanal der öffentlichen Abwasseranlagen, bei Trennsystem je durch einen entsprechenden Grundstücksanschluss für Schmutz- und Niederschlagswasser, an die öffentlichen Abwasseranlagen anzuschließen.

61

(2) Die Stadt Y. kann in Ausnahmefällen zulassen, dass mehrere Grundstücke über einen gemeinsamen Grundstücksanschluss an die öffentlichen Abwasseranlagen angeschlossen werden. In besonders begründeten Einzelfällen kann die Stadt Y. auch für ein Grundstück mehrere Grundstücksanschlüsse über Abs. 1 dieser Regelung hinausgehend verlangen.

62

(3) Wird ein Grundstück nach seinem Anschluss in mehrere Grundstücke geteilt, so gelten die vorstehenden Absätze, für jedes neue Grundstück entsprechend.

63

(5) Die Herstellung, Veränderung sowie die Beseitigung von Grundstücksanschlüssen führt die Stadt Y. oder ein von ihr beauftragtes Unternehmen auf Kosten des Anschlusspflichtigen aus. Grundlage hierfür sind die baurechtlich genehmigten Bauvorlagen.

64

(6) Der Anschlussberechtigte hat ggf. der Stadt Y. unverzüglich mitzuteilen, dass am Grundstücksanschluss Betriebsstörungen oder Mängel aufgetreten sind oder dass der Grundstücksanschluss nicht mehr benutzt wird und daher verschlossen oder beseitigt werden muss.

65

§ 11 Grundstücksentwässerungsanlagen

66

(1) Der Anschlussberechtigte hat alle Grundstücksentwässerungsanlagen unter Beachtung der technischen Vorschriften für den Bau und Betrieb der betreffenden Anlagen herzustellen und in einem diesen Vorschriften entsprechenden Zustand zu unterhalten, insbesondere deren Dichtigkeit zu gewährleisten (DIN 1986, Teil 30).

67

(2) Gegen einen etwaigen Rückstau des Abwassers aus der öffentlichen Abwasseranlagen in die angeschlossenen Grundstücke hat sich der Anschlussberechtigte bis zur Straßenoberkante vor dem Grundstück selbst zu schützen.

68

Diese Regelungen orientieren sich ersichtlich an dem gängigen terminologischen Verständnis. Unter Grundstücksanschluss ist danach bei leitungsgebundenen Einrichtungen die Leitung zu verstehen, mit der das zu ver- oder entsorgende Grundstück oder Gebäude mit der Sammelleitung, die im Allgemeinen in der Straße oder neben der Straße verlegt ist, verbunden wird. Die Anschlussleitung liegt in aller Regel zum Teil im öffentlichen Straßengrund und zum Teil in privatem Grund (BayVerfGH, Entsch. v. 20.11.2003 - Vf.12-VII-02 - BayVBl 2004, 138). In diesem Sinne sind auch § 2 Nr. 3 Buchst. a) und Nr. 6 AWS zu verstehen. Sammelleitungen sind die Kanalleitungen zur Sammlung und Weiterleitung der über die Kanalanschlussleitung von den angeschlossenen Grundstücken kommenden Abwässer bis zum Auslauf des Kanalnetzes. Diese Funktion wird auch aus § 2 Nr. 3 Buchst. a) AWS deutlich, der von Entwässerungs"netz" spricht.

69

§ 9 Abs. 1 AWS bestimmt, dass ein Grundstück unterirdisch mit einem eigenen Grundstücksanschluss unmittelbar an den Mischwasserkanal der öffentlichen Abwasseranlagen, bei Trennsystem durch einen entsprechenden Grundstücksanschluss für Schmutzwasser angeschlossen werden muss. Damit beginnt der Grundstückanschluss, wie auch § 2 Nr. 3 Buchst. a AWS bestimmt, an dem öffentlichen Straßenkanal (vgl. Dietzel a.a.O. § 10 Rdn. 15). Ihm schließt sich an der anderen Seite - ohne dass dieser Begriff in der Satzung ausdrücklich genannt wird - die Hausanschlussleitung an. Sie beginnt nach § 2 Nr. 6 AWS am ersten Kontrollschacht an der Grundstücksgrenze (der öffentlichen Straße und des Anliegrundstücks), bei Nichtvorhandensein eines Kontrollschachtes an der Grundstücksgrenze selbst. Damit ist bestimmt, dass die Hausanschlussleitungen (Strecke zwischen erstem Kontrollschacht an der Grundstücksgrenze bzw. Grundstücksgrenze und Gebäude) nicht zur öffentlichen Einrichtung gehören (vgl. Aussprung a.a.O. § 10 Anm. 4.1.). Danach ist wesentlich, dass der Grundstückanschluss im öffentlichen Straßenraum verläuft, während der Hausanschluss auf dem Privatgrundstück liegt (Dietzel a.a.O.).

70

Damit sind Hausanschlussleitung nicht als Teil der öffentlichen Abwassereinrichtung bestimmt.

71

§ 11 AWS bestimmt, dass diese als Teil der Grundstücksentwässerungsanlagen von den Anschlussberechtigten zu unterhalten sind. Es ist nicht vorgesehen, dass die Beklagte Hausanschlüsse errichtet und unterhält. Es ist somit auch keine Regelung veranlasst, die Ansprüche der Beklagten gegenüber Grundstückseigentümern begründet. Vielmehr haben diese die Kosten von vornherein selbst zu tragen, da sie Teil der privaten Anlage ist (Aussprung a.a.O. § 10 Anm. 4.2). Eine normative Zuweisung dieser Pflicht an den Anschlussnehmer würde lediglich deklaratorische Bedeutung haben. Sie brächte nämlich nur die Selbstverständlichkeit zum Ausdruck, dass derjenige, der sich im eigenen (Sonder-)Interesse - wie etwa zur Erfüllung seiner Anschluss- und Benutzungspflicht - an den öffentlichen Abwasserkanal anschließen will oder muss, grundsätzlich selbst (auf eigene Kosten) den Anschluss herzustellen und instandzuhalten hat. Einer diese Handlungs- und die ihr korrespondierende Kostentragungspflicht konstitutiv begründenden Übertragung auf den Anschlussnehmer bedarf es nicht; diese Pflichten liegen vielmehr a priori - ohne dass es überhaupt einer satzungsrechtlichen Erwähnung bedürfte - bei demjenigen, der sein Grundstück an die öffentliche Anlage selbst anschließt. Was gelten würde, wenn die Beklagte die Handlungspflichten bezüglich des nicht zur öffentlichen Anlage gehörenden Anschlusses durch Satzung als öffentliche Aufgabe übernommen und dem Anschlussnehmer nach Maßgabe des § 10 KAG M-V lediglich die Zahlungspflicht auferlegt hätte - was allerdings nur für die Kosten in Betracht kommt, die der Gemeinde bei der Durchführung solcher Herstellungs- oder Instandhaltungsarbeiten entstehen, die im Sonderinteresse des Anschlussnehmers liegen - bedarf danach hier keiner Entscheidung (vgl. OVG Münster, U. v. 10.10.1997 - 22 A 2742/94 - NWVBl 1998, 198).

72

3. Diese Satzungsregelung der Beklagten der AWS begegnet keinen Bedenken. Die Gemeinde kann unter Ausübung ihres weiten Organisationsermessens, das nur beschränkt gerichtlich überprüfbar ist, bestimmen, was zur öffentlichen Einrichtung Abwasseranlage gehört. Im Rahmen ihres Organisationsermessen können die Gemeinden entscheiden, ob sie die Grundstücks- und Hausanschlüsse überhaupt nicht oder alle beide oder nur die Grundstücksanschlüsse zum Bestandteil der öffentlichen Einrichtung bestimmen. In der Praxis werden Grundstücksanschlüsse und Hausanschlüsse entweder überhaupt nicht zum Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage erklärt oder es werden lediglich die Grundstücksanschlüsse, d.h. die Anschlussleitungen vom Hauptkanal bis zur privaten Grundstücksgrenze zum Bestandteil der öffentlichen Einrichtung bestimmt, während die Hausanschlussleitungen, d.h. die Anschlussleitungen auf dem Privatgrundstück nicht zur öffentlichen Einrichtung gehören (vgl. OVG Schleswig, U. v. 24.06.1998 - 2 L 188/96; Dietzel a.a.O. § 10 Rz. 16). Zwar mag es Fälle geben, in denen der Grundsatz der Gleichbehandlung zu einer bestimmten Regelung zwingen mag (vgl. OVG Greifswald, 15.03.1995 - 4 K 22/94 - KStZ 1996, 114). Dies ist hier nicht erkennbar.

73

Die Beklagte musste entgegen der Ansicht des Klägers nicht dem Umstand besonders Rechnung tragen, dass in der Südstadt die Aufgabe der Abwasserentsorgung ursprünglich nicht durch die Eigentümer der anliegenden Grundstücke zu tragen war, sondern durch öffentliche Träger und dass hier Wohnumfeldverbesserungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Hausanschlüsse nicht der öffentlichen Abwasseranlage zuzurechnen, ist grundsätzlich wegen des Sondervorteils, der darin für die Grundstückseigentümer liegt, sachgerecht. Eine Art Vertrauensschutz ist angesichts der allgemeinen Privatisierung der Wohnungen und des Wohnheimes nicht gegeben.

74

4. Die hier betroffenen Leitungen sind als Hausanschlussleitungen zu qualifizieren.

75

a) Der Charakter der hier in Rede stehenden Leitung als Stichleitung macht bereits deutlich, dass es sich nicht um eine Sammelleitung handelt. Sie dient vielmehr allein der Abwasserbeseitigung aus den Gebäudeblöcken Nr. 62 bis 69 und Nr. 70 bis 74. In diesem Bereich sind insgesamt drei Schächte vorhanden. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte unter der Geltung der Normen des Landeswassergesetzes, des Kommunalabgabengesetzes und der Kommunalverfassung die Leitung auf diesem Grundstück selbst - als Teil der Abwasserbeseitigungsanlage - betrieben hat (§ 2 Nr. 3 Buchstabe a am Ende). Auf die Verhältnisse vor In-Kraft-Treten dieser Regelungen kommt es nicht an. Die hier betroffene Leitung hat erkennbar ein Sonderinteresse zur Versorgung der genannten Baulichkeiten zum Gegenstand. Nach Sinn und Zweck der Regelung der Beklagten fällt sie daher nicht unter die öffentliche Abwasseranlage.

76

b) Es handelt sich auch nicht um einen Grundstückanschluss.

77

§ 2 Nr. 3 a AWS bestimmt, dass er an öffentlichen Straßenkanal anschließt und am ersten Kontrollschacht an der Grundstücksgrenze (der öffentlichen Straße und des Anliegrundstücks), bei Nichtvorhandensein eines Kontrollschachtes die Grundstücksgrenze selbst endet. Es handelt es sich bei der Fläche, in die die streitbefangenen Leitungen verlegt sind, nicht um wegerechtlich öffentliche, sondern um private Flächen. Sie beginnt unmittelbar mit der Einmündung der Zufahrt aus dem Hof V in die R.straße.

78

Die Wegefläche, die von der R.straße in das Geviert abzweigt, ist keine öffentliche Straße im Sinne des § 1 Straßen- und Wegegesetz Mecklenburg-Vorpommern - StrwG MV -. Da die Straße nicht unter der Geltung des § 7 StrWG MV gewidmet worden ist, kommt es darauf an, ob sie kraft Überleitungsrechts öffentlich ist. Bei der Prüfung, ob eine Straße gemäß § 62 Abs 1 Satz 1 StrWG MV nach bisherigem Recht die Eigenschaft einer öffentlichen Straße besitzt, ist jeweils für den maßgebenden historischen Zeitpunkt zu ermitteln, welche Anforderungen nach damals geltendem Recht zu erfüllen waren. Dabei sind diejenigen Vorschriften maßgeblich, unter denen die Straße erstellt bzw. von der Öffentlichkeit benutzt wurde (OVG Greifswald, B. v. 13.02.2002 - 1 L 151/00 - NordÖR 2002, 324 = LKV 2003, 143). Da die Straße nach 1974 entstanden sein soll, ist die Straßenverordnung - StrVO DDR 1974 - vom 22.08.1974 (GBl DDR I S. 515) maßgebend. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 StrVO DDR 1974 entschied der Rat der Stadt bzw. der Gemeinde durch Beschluss über die öffentliche Nutzung und über die Zuordnung zu den Straßen, die ausschließlich der öffentlichen Nutzung dienten, oder zu den betrieblich-öffentlichen Straßen. Das Fehlen eines förmlichen Beschlusses i.S.d. § 4 Abs. 1 StrVO DDR 1974 steht allerdings der Öffentlichkeit der Straße nach dem DDR-Recht nicht entgegen (vgl. BVerwG, U. v. 30.10.2002 - 8 C 24.01 - ZOV 2003, 51, 52 m.w.N.). Insoweit wird zu Recht auf den maßgeblichen straßenrechtlichen DDR-Kommentar (Bönninger/Knobloch: Themenreihe Verwaltungsrecht der DDR, Das Recht der öffentlichen Straßen, Karl-Marx-Universität Leipzig 1978, S. 11, zit. nach OVG Magdeburg, U. v. 14.08.2007 - 4 L 400/06 - juris) abgestellt, in dem es u.a. heißt: "Die Straße, die zunächst Bauwerk ist, wird zu einer öffentlichen Straße in dem Zeitpunkt, in dem das Bauwerk Straße abgenommen wird und durch den Rechtsträger und die Deutsche Volkspolizei, die die Verkehrssicherheit der Straße bescheinigt, für die öffentliche Nutzung freigegeben wird. Beim Neubau einer Straße ist die Freigabe für die öffentliche Nutzung der Akt, durch den die Straße zu einer öffentlichen wird. Diese Freigabeerklärung erfolge in der Regel durch Anschluss an das bestehende Straßennetz (symbolisch durch das Zerschneiden eines Bandes, das die bisherige Baustelle vom öffentlichen Straßennetz trennt) und durch öffentliche Bekanntmachung." Es muss aber wenigstens festgestellt werden können, dass eine Nutzung zu Verkehrszwecken stattfand.

79

Dies ist hier nicht erkennbar. In § 3 Abs. 1 Satz 2 StrVO DDR 1974 wird zur Frage der öffentlichen Nutzung auf die Zweckbestimmung der öffentlichen Straßen und ihren straßenbau- und verkehrstechnischen Zustand abgestellt. Voraussetzung für die öffentliche Nutzung war ein nicht nur auf einen individuell feststehenden Personenkreis beschränkter, sondern der Allgemeinheit ungehindert offen stehender Verkehr. Vorliegend war der Verkehr durch die Ausgestaltung der Straße als Stichstraße erheblich eingeschränkt; sie diente lediglich der Erreichbarkeit der anliegenden Wohngebäude. Dass die Straße und die Parkplätze von der Allgemeinheit benutzt worden sind, ist angesichts der tatsächlichen Umstände nicht ersichtlich; die gegenteilige Behauptung hat die Klägerin nicht weiter belegt. Die Lage des Weges im Straßennetz der Beklagten sowie der Zweck der Stichstraße sprechen damit gegen einen allgemeinen Verkehr im Sinne des § 3 Abs. 1 StrVO DDR 1974 (OVG Magdburg, U. v. 14.08.2007 - a.a.O.).

80

Etwas anderes ergäbe sich auch nicht, wenn man mit dem Kläger von einer betrieblich-öffentlichen Straße ausginge. Nach § 3 Abs. 3 StrVO DDR 1974 sind auch solche Straßen öffentlich, "die überwiegend den Interessen ihrer Rechtsträger oder Eigentümer und daneben der öffentlichen Nutzung dienen". Diese Regelung ist in der Ersten Durchführungsbestimmung zur Straßenverordnung vom 22.08.1974 (GBl der DDR I, 522) unter § 1 Abs. 1 vierter Spiegelstrich näher erläutert. Danach gehören Parkplätze, deren Benutzung überwiegend einem begrenzten Personenkreis vorbehalten ist und die außerhalb der Straßenbegrenzungslinien liegen, z.B. Parkplätze für Hotels, Betriebe, Einrichtungen "in der Regel" zu den betrieblich-öffentlichen Straßen. Das setzt voraus, dass die betroffene Fläche neben ihrer Hauptnutzung als Betriebsparkplatz auch noch einem speziellen öffentlichen Nutzungszweck dienen muss. Eine mögliche gelegentliche Nutzung der Fläche durch private Dritte erfüllt diese Voraussetzung noch nicht (BVerwG, U. v. 12.12.2001 - 8 C 30/00 - ZOV 2002, 118 = VIZ 2002, 339, zit. nach juris). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Grundstück neben der -unterstellten - betrieblichen Verwendung einem derartigen speziellen öffentlichen Nutzungszweck - als Parkfläche für die Allgemeinheit - dienen sollte und tatsächlich diente. Eine gelegentliche Nutzung des Geländes zu Parkzwecken durch Dritte, die nur vereinzelt und lediglich rein faktisch erfolgte, würde nicht genügen (BVerwG a.a.O.)

81

Fraglich ist, ob gleichwohl trotz fehlender öffentlicher Nutzung die Öffentlichkeit durch einen staatlichen Akt begründet werden konnte. Erforderlich wäre dann jedenfalls eine Freigabe für die öffentliche Nutzung durch die zuständigen Stellen. Eine solche Freigabe ging über die Duldung der wegemäßigen Benutzung einer Straße durch Dritte hinaus. Als zuständige Stelle war nach der StrVO DDR 1974 für die jeweilige Straße der nach ihrer Freigabe zuständige Rechtsträger oder eine von ihm dazu beauftragte Stelle anzusehen. Als Nachweis für eine Freigabe zur öffentlichen Nutzung käme ein (deklaratorischer) Beschluss nach § 4 Abs. 1 Satz 1 StrVO DDR 1974, die Vorlage einer Straßendatei oder eines Bestandsverzeichnisses oder die Vorlage sonstiger Urkunden oder Beweismittel, aus denen sich ein entsprechender Vorgang ergibt, in Betracht. Dabei musste ein entsprechender Wille der zuständigen Stelle in hinreichender Weise nach außen erkennbar geworden sein. Eine Vermutung für die Öffentlichkeit einer Straße lässt sich der StrVO DDR 1974 aber nicht entnehmen (vgl. OVG Magdeburg, U. v. 14.08.2007 - a.a.O.). Solche Nachweise oder zumindest Indizien für eine solche Freigabe sind nicht erkennbar. Sie liegen entgegen der Ansicht des Klägers nicht in der Verlegung der Versorgungsleitungen in der Straße oder in dem Betreiben der Straßenbeleuchtung durch den Rat der Stadt. Die Verlegung von Versorgungsleitungen konnte durch den VEB W. auch in nicht öffentlichen Flächen erfolgen. Es konnte ein Mitbenutzungsrecht an dem Grundstück zur Errichtung, zum Betrieb und zur Instandhaltung der streitigen Wasserversorgungs- und Abwasserleitungen eingeräumt werden. Die Einräumung des Mitbenutzungsrechts erfolgte aufgrund der Vorschriften des DDR-Wasserrechts (vgl. § 27 des Wassergesetzes vom 17. April 1963, GBl. DDR I S. 77, sowie zuletzt § 40 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c i.V.m. § 46 Satz 2 des Wassergesetzes vom 02. Juli 1982, GBl. DDR I S. 467). Das Zivilgesetzbuch der DDR von 1975 verwies insoweit in § 321 Abs. 4 auf die für die Mitbenutzung von Grundstücken zum Zwecke der Wasserwirtschaft bestehenden besonderen Rechtsvorschriften (BGH U. v. 02.04.1998 - III ZR 251/96 - BGHZ 138, 281 = VIZ 1998, 401). Das Betreiben der Straßenbeleuchtung durch den Rat der Stadt würde sich aus dem Umstand erklären, dass diese Flächen in deren Rechtsträgerschaft standen und sie daher verkehrssicherungspflichtig war.

82

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass ein Teil der Fläche Eigentum eines VEB war. Dass das Grundstück als "Eigentum des Volkes" eingetragen war und sich in der Rechtsträgerschaft des Rates der Stadt Y. befand, ist kein Nachweis für eine Freigabe für den öffentlichen Verkehr. Zwar befanden sich Straßen, die ausschließlich der öffentlichen Nutzung dienten, gem. § 3 Abs. 2 Satz 2 StrVO DDR 1974 in der Rechtsträgerschaft der zuständigen Staatsorgane, bei Stadt- und Gemeindestraßen waren dies nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Spiegelstrich 1 StrVO DDR 1974 die Räte der Städte bzw. Gemeinden. Die Aufgaben der Rechtsträger (u. a. Instandhaltung) richteten sich nach § 10 StrVO DDR 1974. Jedoch war mit der Rechtsträgerschaft der Straße bzw. dem Eigentum an der Straße allein nicht schon eine Entscheidung über deren öffentliche Nutzung verbunden. Die Tatsache der Rechtsträgerschaft ist hier noch nicht einmal ein Indiz für eine Freigabe zur öffentlichen Nutzung. Denn die Rechtsträgerschaft war nicht auf die Straßenfläche beschränkt, sondern erfasste das gesamte Grundstück (vgl. OVG Magdeburg a.a.O).

83

Gegen die Annahme einer öffentlichen Straße spricht, dass die Beteiligten in Zusammenhang mit anderen Rechtsverhältnissen offenbar einvernehmlich davon ausgehen, dass es sich um eine Privatstraße handelt. Dies wird zunächst durch die Veräußerung der Wegefläche deutlich. Zwar unterliegt eine wegerechtlich öffentliche Fläche nicht einem Veräußerungsverbot. Jedoch geht das Straßen- und Wegegesetz MV davon aus, dass der Straßenbaulastträger anstrebt, Eigentümer der gewidmeten Fläche zu sein oder zu werden (§§ 18 Abs. 1 und 19 Abs. 1 und 2 StrWG MV). Gegen die Annahme der Öffentlichkeit der Wegefläche spricht auch, dass auf dieser Fläche ein Wegerecht zur Errichtung der hinterliegenden Wohnungen 62 - 69 eingeräumt wurde; dessen bedarf es nicht, wenn der Fläche wegerechtlich öffentlich ist, da dann an ihr Gemeingebrauch (§ 21 StrWG MV) besteht. Schließlich spricht dagegen die Vermietung der angrenzenden Parkplätze an Bewohner; diese wären als unselbständige Parkplätze nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 StrWG MV Bestandteil der öffentlichen Straße.

84

Der Grundstücksanschluss endet somit unmittelbar an der Grundstücksgrenze zur R.straße mit der Einmündung der Zufahrt, unabhängig davon, in wessen Eigentum das angrenzende Grundstück steht. Sowohl für den Regen- wie den Abwasserkanal sind dort Schächte eingebracht. Die nächstgelegenen weiteren Schächte in Höhe der Mitte der vorderen rechten Parkplatzreihe bzw. in Höhe der Hauskante des Blocks Nr. 70 - 74 erfüllen nicht mehr das Merkmal "Kontrollschacht an der Grundstücksgrenze". Somit stellen die Leitungen von der Grundstücksgrenze zur R.straße ab rechtlich einen Hausanschluss dar, sodass der Kläger bzw. die X. die Kosten zu tragen hatte.

85

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

86

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 ff. ZPO.

87

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 132 Abs. 2 VwGO), sieht der Senat nicht.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen einen Straßenreinigungsgebührenbescheid für das Jahr 2004.

2

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks ... im Gebiet der Beklagten. Das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück befindet sich an einer privaten Stichstraße, die von der öffentlichen Straße ... rechtwinklig abzweigt. Das Flurstück, auf dem sich dieser Stichweg befindet, hat eine Länge von 122 m und eine Breite von 4 m. Der Stichweg ist auf einer Länge von 93 m bis auf die Höhe etwa der Hälfte des klägerischen Grundstücks gepflastert.

3

Dieser Stichweg war auf Grund eines Vertrages zwischen der Beklagten und den (damaligen) Grundstückskäufern vom 02. Februar 1967 angelegt worden. In diesem Vertrag heißt es unter § 2 lit. e): "Sie (die Grundstückskäufer) verpflichten sich, entlang der Nordgrenze des Kaufgrundstückes einen 4 m breiten Weg anzulegen, der bis zu dem obersten Grundstück führen muss und einspurig mit auszubauen ist. Der Weg ist als provisorischer Privatweg anzulegen. Die Pflege und laufende Unterhaltung ist Sache der Käufer. Am ... kann dieser Weg durch ein Einfahrtstor mit Gehtür abgeschlossen werden. Er ist hier mit einer Hinweistafel "Privatweg" zu versehen. Bei Errichtung eines Tores und der Einfriedungen ist die bauaufsichtsbehördliche Genehmigung einzuholen. Das Benutzungsrecht dieses Weges ist für alle Käufer im Grundbuch sicherzustellen."

4

Mit Bescheid vom 12. Januar 2004 wurden die Kläger u.a. zu einer Straßenreinigungsgebühr in Höhe von 27, 54 Euro herangezogen. Die Beklagte qualifizierte das Grundstück der Kläger dabei als Hinterliegergrundstück. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 23. Januar 2004 Widerspruch ein und führten aus, dass sie als Anwohner der Privatstraße an einer eigenständigen Erschließungsanlage wohnten. Dieser Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2004 zurückgewiesen.

5

Die Kläger haben am 03. Juni 2004 Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben und beantragt,

6

den Grundabgabenbescheid der Beklagten vom 12. Januar 2004, soweit dieser eine Veranlagung zu Straßenreinigungsgebühren beinhaltet, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2005 aufzuheben.

7

Die Beklagte hat beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch Urteil vom 10. November 2004 stattgegeben. Die Privatstraße, an der sich das Grundstück der Kläger befinde, sei bereits als eigenständiger Teil des Straßen- und Wegenetzes von gewissem Gewicht und damit als selbständige Erschließungsanlage anzusehen.

10

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 03. Dezember 2004 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.

11

Die Beklagte trägt vor, dass der Privatweg als unselbständige Erschließungsanlage einzustufen sei.

12

Die Beklagte beantragt,

13

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 26. November 2004 zu ändern und die Klage abzuweisen.

14

Die Kläger beantragen,

15

die Berufung zurückzuweisen.

16

Das Verwaltungsgericht habe zutreffend ausgeführt, dass das Grundstück der Kläger durch den öffentlich gereinigten ... nicht erschlossen werde. Die Privatstraße, an der das klägerische Grundstück anliege, stelle eine selbständige Erschließungsanlage dar.

17

Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie die Gerichtsakte – 4 A 583/02 – haben dem Gericht bei Beratung und Entscheidung vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden; wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Akteninhalt sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

18

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Kläger sind zur Zahlung von Straßenreinigungsgebühren verpflichtet. Daher ist das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.

19

Gemäß § 45 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 des StrWG kann eine Gemeinde durch Satzung die Eigentümer oder die zur Nutzung dinglich Berechtigten der anliegenden Grundstücke sowie der durch die Straße erschlossenen Grundstücke zu den entstehenden Kosten heranziehen. Von dieser Rechtssetzungsbefugnis hat die Beklagte durch ihre Gebührensatzung für die Straßen- und Stadtreinigung der Stadt Preetz vom 23.11.1998 und den Nachtragssatzungen hierzu Gebrauch gemacht. Gemäß § 2 dieser Satzung ist Gebührenpflichtiger der, der im Zeitpunkt der Fälligkeit Eigentümer oder zur Nutzung dinglich Berechtigter des an der gereinigten Straße anliegenden oder hierdurch erschlossenen Grundstückes ist.

20

Unstreitig liegt das Grundstück der Kläger nicht an der öffentlichen Straße ..., sondern grenzt allein an den privaten Stichweg. Das Grundstück der Kläger wird jedoch durch den ... erschlossen. Als erschlossene, aber nicht anliegende Grundstücke i. S. v. § 45 Abs. 3 Nr. 3 StrWG kommen sog. Hinterliegergrundstücke in Betracht. Ein Hinterliegergrundstück (im engeren Sinne) ist ein Grundstück, das von der Straße durch ein Anliegergrundstück getrennt ist. Im Erschließungsbeitragsrecht, in dem eine Abgrenzung der durch die Anlage erschlossenen Grundstücke vorzunehmen ist (vgl. § 131 Abs. 1 Satz 1 und § 133 Abs. 1 Satz 2 BauGB), zählen zu den Hinterliegergrundstücken (im weiteren Sinne) auch die Grundstücke, die mit einer Anbaustraße ausschließlich verbunden sind, entweder durch einen von ihr abzweigenden, unselbständigen, aber tatsächlich wie rechtliche befahrbaren Privatweg oder durch eine von ihr abzweigende öffentliche Zufahrt, die ihrerseits Bestandteil der Anbaustraße ist (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl., § 17 Rn 85).

21

Wenn der Landesgesetzgeber bei der Neuformulierung des § 45 Abs. 3 Nr. 3 StrWG sich des aus dem damaligen Bundesbaugesetz bekannten Begriffs der "erschlossenen Grundstücke" bediente, so steht, insbesondere weil sich aus den Gesetzesmaterialien nichts Abweichendes ergibt, zu vermuten, dass er sich an diesen Begriff anlehnen wollte. Die Eigentümlichkeiten des Rechts der Straßenreinigung und des entsprechenden Gebührenrechts fordern allerdings entsprechende Anpassungen. Dies folgt schon daraus, dass die Straßenreinigungsgebühr auch für Grundstücke erhoben wird, die nicht baulich oder in vergleichbarer Weise nutzbar sind. Daraus folgt, dass bei der Auslegung des hier verwandten Begriffs des "Erschlossenseins" dasjenige zu unterlegen ist, was im Ausbaubeitragsrecht von der Rechtsprechung unter dem Begriff der "vorteilsrelevanten Inanspruchnahmemöglichkeit" entwickelt worden ist.

22

Beitragspflichtig nach § 8 Abs. 1 KAG sind die Grundstückseigentümer, deren Grundstücke im Wirkungsbereich einer Maßnahme im Sinne dieser Vorschrift liegen. Entscheidend ist die enge räumliche Beziehung von Grundstück und Straße (vgl. Senatsurteil v. 30.04.2003 – 2 LB 118/02 -). Dies gilt in gleicher Weise für die Gebührenpflicht i. S. v. § 45 Abs. 3 Nr. 3 StrWG. Nur dann ist zu unterstellen, dass den Grundstückseigentümern mit der Straßenreinigung eine entgeltpflichtige Leistung erbracht wird, und nur dann kann gesetzlich das Bestehen eines Benutzungsverhältnisses fingiert werden. Diese enge räumliche Beziehung von Grundstück und (zu reinigender) Straße besteht auch bei Grundstücken, die an einer - von der reinigenden Straße abzweigenden – Stichstraße liegen, wenn diese Stichstraße den Charakter einer Zufahrt zu Hinterliegergrundstücken hat, d.h. Grundstücke "erschließt", die unmittelbar an die Vorderliegergrundstücke angrenzen, also gleichsam in "zweiter Baureihe" liegen (vgl. Senatsurteil v. 30.04.2003 – 2 LB 118/02 -). Anders verhält es sich hingegen, wenn die Stichstraße bei natürlicher Betrachtungsweise über eine bloße Zufahrt zu "Hinterliegern" hinausgeht und sich als eigenständige Verkehrsanlage darstellt.

23

Dies kann auch bei einer Privatstraße der Fall sein. Eine private Straße ist dann eine solche selbständige Erschließungsanlage, wenn sie nach Breite, Länge und Anzahl der erschlossenen Grundstücke eine eigenständige Erschließungsfunktion hat (BVerwG, Urt. v. 30.01.1970 - IV C 151.68 -, DÖV 1970, 822 = DVBl. 1970, 839 = BRS Band 37 Nr. 2) und sie - ohne strikte Bindung an die satzungsmäßigen Merkmale der endgültigen Herstellung - im Wesentlichen den Anforderungen an vergleichbare öffentliche Erschließungsanlagen entspricht (BVerwG, Urt. v. 24.03.1976 - IV C 16. u. 17.74 -, DÖV 1976, 671 = BauR 1976, 428 = BRS Band 37 Nr. 100). Soweit es die räumliche Ausdehnung und den Verlauf der Privatstraße betrifft, ist hinsichtlich der Beurteilung, ob es sich um eine eigenständige Verkehrsanlage handelt, jedoch nicht der vom Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 26.09.2001 – 11 C 16.00 -, DVBl. 2002, 486) zum Erschließungsbeitragsrecht entwickelte und sich an baulichen Gesichtspunkten orientierende Maßstab anzulegen, sondern – wie ausgeführt – auf die Kriterien des Ausbaubeitragsrechts abzustellen, das auch die nicht baulich genutzten bzw. benutzbaren Grundstücke einbezieht.

 

24

Bei Anwendung dieses Maßstabes ist die Stichstraße nicht als selbständige private Erschließungsanlage anzusehen. Dies ergibt sich aus seiner Länge, seinem Ausbauzustand und der Anzahl der Grundstücke, die durch sie erschlossen werden. Die Straßenlänge von ca. 93 m lang ist dabei allerdings noch nicht von ausschlaggebender Bedeutung, da Erschließungsanlagen mit dieser Ausdehnung durchaus üblich sein können und der Weg sich damit von anderen Erschließungsstraßen nicht zwingend unterscheidet. Maßgeblich ist jedoch die Ausbaubreite von lediglich 4 m, die einen ungefährdeten Begegnungsverkehr nicht zulässt. Zudem erschließt der Weg neben die beiden Eckgrundstücke lediglich vier weitere Grundstücke, was ihm den Charakter einer gemeinsamen Zufahrt verleiht. Bezeichnend für letzteres ist auch, dass der Stichweg nach fast 40 Jahren keinen eigenen Namen hat und seine Anlieger postalisch dem ... zugewandt sind.

25

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

26

Die Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (§ 132 Abs. 2 VwGO) nicht ersichtlich sind.


(1) Der ermittelte beitragsfähige Erschließungsaufwand für eine Erschließungsanlage ist auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen. Mehrfach erschlossene Grundstücke sind bei gemeinsamer Aufwandsermittlung in einer Erschließungseinheit (§ 130 Absatz 2 Satz 3) bei der Verteilung des Erschließungsaufwands nur einmal zu berücksichtigen.

(2) Verteilungsmaßstäbe sind

1.
die Art und das Maß der baulichen oder sonstigen Nutzung;
2.
die Grundstücksflächen;
3.
die Grundstücksbreite an der Erschließungsanlage.
Die Verteilungsmaßstäbe können miteinander verbunden werden.

(3) In Gebieten, die nach dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes erschlossen werden, sind, wenn eine unterschiedliche bauliche oder sonstige Nutzung zulässig ist, die Maßstäbe nach Absatz 2 in der Weise anzuwenden, dass der Verschiedenheit dieser Nutzung nach Art und Maß entsprochen wird.

Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 28. Oktober 2013 – 4 A 526/10 – wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 75,67 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die Beteiligten streiten um Straßenreinigungsgebühren.

2

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung A-Stadt, Flur 1, Flurstück .../..., Postanschrift A-Straße. Das Grundstück grenzt an das Wegegrundstück Flurstück .../..., das in nördlicher Richtung von der Straße „Am B...“ abzweigt, sich sodann nochmals in östlicher Richtung verschwenkt und dann die fünf Grundstücke Am B... ...-... mit zwei Betonplattenstreifen erschließt. Nur bis zu dieser Verschwenkung führt die A-Stadt die Straßenreinigung durch.

3

Mit Bescheid vom 9. Februar 2010 setzte der Beklagte gegen den Kläger für das Erhebungsjahr 2010 Straßenreinigungsgebühren in Höhe von 75,67 Euro fest (Reinigungsklasse 4, Frontmeter: 23). Den Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. April 2010 zurück. Das Grundstück des Klägers sei als Hinterliegergrundstück von der Straßenreinigung bevorteilt, da es über eine Zuwegung zur gereinigten öffentlichen Straße verfüge.

4

Am 29. April 2010 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht erhoben. Das Verwaltungsgericht Schwerin hat mit Urteil vom 28. Oktober 2013 – 4 A 526/10 – den Gebührenbescheid des Beklagten vom 9. Februar 2010 und dessen Widerspruchsbescheid vom 6. April 2010 aufgehoben. Die Nichtleistung der kommunalen Reinigungspflicht im Bereich der öffentlichen Straße vor dem klägerischen Grundstück schließe den Gebührenanspruch aus. Das Urteil wurde dem Beklagten am 12. Dezember 2013 zugestellt.

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Am 9. Januar 2014 hat der Beklagte beantragt, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen. Am 23. Januar 2014 hat er den Antrag begründet.

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Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung ist zulässig, insbesondere fristgemäß gestellt und begründet (§ 124a Abs. 4 Satz 1 und 4 VwGO). Er bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

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Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist schon nicht hinreichend dargelegt.

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Nach Maßgabe der ständigen Rechtsprechung des Senats muss sich ein auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel gestützter Antrag im Hinblick auf das Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und im Einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernsthaften Zweifeln bezüglich ihrer Richtigkeit begegnen. Erforderlich dafür ist, dass sich unmittelbar aus der Antragsbegründung sowie der angegriffenen Entscheidung selbst schlüssig Gesichtspunkte ergeben, die ohne Aufarbeitung und Durchdringung des gesamten bisherigen Prozessstoffes – vorbehaltlich späterer Erkenntnisse – eine hinreichend verlässliche Aussage dahingehend ermöglichen, das noch zuzulassende Rechtsmittel werde voraussichtlich zum Erfolg führen. Ist eine Entscheidung in je selbstständig tragender Weise mehrfach begründet, so muss im Hinblick auf jeden der Begründungsteile ein Zulassungsgrund dargelegt werden und gegeben sein (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zum Ganzen etwa Beschl. v. 15.10.2008 – 1 L 104/05 –).

9

Der Beklagte begründet sein Zulassungsbegehren damit, dass es sich bei der abzweigenden öffentlichen Straße im Bereich der Grundstücke Am B... ...-... um einen unselbstständigen Bestandteil der Hauptstraße handeln würde. Die Eigentümer der an die Stichstraße angrenzenden Grundstücke seien deshalb als Anlieger der gereinigten Straße im Wege von Gebühren zu den Kosten der Straßenreinigung heranzuziehen. Das Verwaltungsgericht habe die Frage nach der straßenreinigungsgebührenrechtlichen Unselbstständigkeit der Stichstraße nicht offenlassen dürfen. Es komme nicht ausschließlich darauf an, ob der Stichweg gereinigt werde oder nicht.

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Mit diesem Vortrag sind keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils dargelegt. Der Beklagte verfehlt den rechtlichen Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichts. Ob ein Grundstück ein anliegendes oder ein durch die Straße erschlossenes (das heißt: hinterliegendes) Grundstück im Sinne von § 50 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 StrWG M-V ist, beurteilt sich danach, ob es an der zu reinigenden Straße anliegt oder durch diese erschlossen wird (OVG Greifswald, Urt. v. 21.12.1995 – 6 L 200/95 –, LKV 1996, 379, 381). Maßgeblich ist die räumliche Beziehung zu der zu reinigenden Straße. Welche Verkehrsflächen einer Straße in die öffentliche Reinigung einbezogen sind, ergibt sich wiederum aus dem Satzungsrecht der reinigungspflichtigen Gemeinde. Ein Regelungsbedürfnis besteht dabei insbesondere, soweit Stichstraßen denselben Straßennamen wie der Hauptzug führen (Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz/Seppelt, KAG M-V, Stand: September 2012, § 6, Anm. 10.4.1). Daraus folgt vorliegend, dass das klägerische Grundstück an einer zu reinigenden Straße anliegt. Nach §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 2 Satz 1, 3 der Straßenreinigungssatzung der Hansestadt Wismar vom 29. Oktober 2009 i.V.m. der Anlage zur Straßenreinigungssatzung der Hansestadt Wismar rechnet die Straße „Am B...“ zur Reinigungsklasse 4 und ist mithin 14-tägig in der Teileinrichtung Fahrbahn zu reinigen, im Winterdienst sind Schnee und Glätte von der Fahrbahn zu beseitigen. Die Reinigungspflicht der Hansestadt erstreckt sich dabei mangels einer satzungsrechtlichen Einschränkung auf die Straße „Am B...“ in ihrer gesamten Länge, also auch auf den in Rede stehenden Stichweg mit den fünf anliegenden Grundstücken Am B... ...-.... Das ist im angefochtenen Urteil zutreffend dargestellt, ohne dass sich das Zulassungsvorbringen damit auseinandersetzen würde.

11

Auf die in das Zentrum der Antragsbegründung gerückte Frage, ob die benannte Stichstraße einen Erschließungszusammenhang im Sinne von § 50 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 StrWG M-V zum gereinigten Teil der Straße vermittelt, kommt es folglich gar nicht an. Diese Frage würde sich in entscheidungserheblicher Weise erst dann stellen, wenn das in den Vorteilsausgleich einbezogene Grundstück nach den ortsrechtlichen Bestimmungen kein Anliegergrundstück der öffentlich zu reinigenden Straße mehr wäre. Allein dadurch, dass die Straße im Bereich der Grundstücke Am B... ...-... tatsächlich nicht von der Gemeinde gereinigt wird, verlieren diese nicht ihre Eigenschaft als anliegende Grundstücke im straßenreinigungsrechtlichen Sinne.

12

Mit der weiteren tragenden Erwägung des Verwaltungsgerichts, das vollständige Ausbleiben der Reinigung der öffentlichen Stichstraße lasse die Gebührenpflicht dort insgesamt entfallen (dahingehend auch OVG Greifswald, Urt. v. 21.12.1995 – 6 L 200/95 -, LKV 1996, 379, 381), setzt sich die Antragsbegründung nicht auseinander. Auch insoweit sind keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung dargetan, zumal sich die vom Verwaltungsgericht gezogene rechtliche Folgerung auch aus § 5 Abs. 5 Satz 3 der Gebührensatzung für Straßenreinigung in der Hansestadt Wismar vom 29. Oktober 2009 – jedenfalls in entsprechender Anwendung – ergibt.

13

Der Beklagte legt schließlich auch nicht hinreichend dar, dass die Rechtssache die geltend gemachten besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist.

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Eine Streitsache weist besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf, wenn ihre Beurteilung voraussichtlich im Verhältnis zu den Standards verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen überdurchschnittliche Anforderung stellt (Seibert, in: Sodann/Ziekow, VwGO, 4. Auflage, § 124, Rn. 117 ff.). Die Darlegung des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO erfordert daher eine einzelfallbezogene Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils insofern, als die besonderen Schwierigkeiten als solche zu benennen sind und aufzuzeigen ist, aus welchen Gründen sich diese in ihrer Bewertung von den durchschnittlichen Schwierigkeiten eines Verwaltungsrechtsstreits abheben. Soweit das Zulassungsbegehren darauf verweist, dass die Fallkonstellation einer gemäß § 62 StrWG M-V als öffentlich zu qualifizierenden Stichstraße noch nicht Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung gewesen sei und sich die Rechtsprechung ausschließlich mit privaten Stichstraßen beschäftigt habe, ist damit nicht dargelegt, dass sie Rechtssache überdurchschnittlich schwierig wäre. Zudem kommt es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide auf diese Frage – wie oben gezeigt – nicht an. Deswegen scheidet eine Zulassung der Berufung auch unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) aus, der im letzten Satz der Antragsbegründung vom 21. Januar 2014 angesprochen wird.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

16

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 GKG i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.

17

Hinweis:

18

Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

19

Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig.

Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.