Verwaltungsgericht Schwerin Beschluss, 29. Sept. 2014 - 7 B 743/14
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Rücknahmebescheid vom 24. Juli 2014 wird wiederhergestellt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 15.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
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Der Antragsteller wendet sich gegen die Vollziehbarkeit einer Rücknahmeentscheidung, die seine Tätigkeit als Weiterbildenden in der Facharzt-Weiterbildung betrifft.
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Er ist seit dem Jahr 2000 ordentlicher Professor an der Universität … und Direktor der Abteilung …, nunmehr der … Klinik … des …, deren Direktor bzw. dessen … er seit 2009 ist, an der Universitätsmedizin ….
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Unter dem 8. bzw. 31. Januar 2009 beantragte er bei der Antragsgegnerin die (erneute) Erteilung der persönlichen Weiterbildungsbefugnis für die stationäre Basisweiterbildung im Gebiet … bzw. für die Weiterbildung in … im Rahmen der Facharzt-Weiterbildung im Fachgebiet … mit Schwerpunkt … nach Abschnitt … Nr. … der Weiterbildungsordnung der Antragsgegnerin von 2005 – WBO –.
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Die Antragsgegnerin lehnte die Anträge mit Bescheiden vom 5. Februar 2010 ab. Für die Erteilung der Weiterbildungsbefugnis sei es erforderlich, dass keine berechtigten Zweifel an der persönlichen Integrität und Eignung des Antragstellers bestünden; hier könne auch die (2007 vom Vorstand der Antragsgegnerin nach § 5 Abs. 2 Satz 3 WBO beschlossene) Richtlinie herangezogen werden, wonach die Weiterbildungsbefugnis u. a. zu versagen sei, wenn gegen den Antragsteller in einem nach § 153a der Strafprozessordnung – StPO – eingestellten Verfahren ermittelt worden sei, und es müsse das Fehlen persönlicher Eignung dann angenommen werden, wenn charakterliche und fehlende pädagogische Persönlichkeitsmerkmale den Schluss zuließen, dass die Pflichten in der Weiterbildung nicht ordnungsgemäß wahrgenommen würden.
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Die Antragsgegnerin hatte davon Kenntnis erlangt, dass gegen den Antragsteller mit Strafbefehl vom 1. September 2008 wegen versuchten Betrugs in zwei Fällen eine Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen verhängt worden war. Dem hatte zugrunde gelegen, dass mit Liquidation vom 13. September 2006 gegenüber einer vom 20. bis 24. August 2006 behandelten Patientin eine Entgeltforderung von 1.145,35 € für Wahlleistungen des Antragstellers (Chefarzt-Behandlung) geltend gemacht worden war und dass der Antragsteller in Kenntnis der Zahlungsverweigerung der Patientin mit Schreiben vom 2. Oktober 2006 direkt von deren Krankenversicherung den Betrag gefordert hatte; dem Antragsteller sei bekannt gewesen, dass er mangels Wahlleistungs-Vereinbarung und persönlicher Erbringung der Leistungen keinen Honoraranspruch gehabt habe. Nach Einspruch des Antragstellers und seiner Einlassung war das Strafverfahren am 15. Januar 2009 vor Eintritt in die gerichtliche Beweisaufnahme vorläufig und nach Zahlung einer Geldbuße von 5.000 € am 13. März 2009 endgültig nach § 153a Abs. 2 StPO eingestellt worden. Der Vorstand der Antragsgegnerin hatte am 20. Januar 2010 die Erhebung einer berufsgerichtlichen Klage im von ihm Anfang 2008 eingeleiteten berufsgerichtlichen Verfahren beschlossen.
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Als der Antragsteller seine Widersprüche vom 10. März 2010 unter dem 20. April 2010 begründet und dabei aus seiner Sicht dargestellt hatte, dass die streitige Leistung während seiner Abwesenheit durch seinen unmittelbaren Stellvertreter begonnen und durch ihn fortgeführt worden und dass die Liquidation vom 13. September 2006 trotz unzureichender Dokumentation der notwendigen Wahlleistungs-Vereinbarung erfolgt sei, dass er ferner sein Schreiben vom 2. Oktober 2006 in — durch zwischenzeitlich abgestellte Organisationsmängel verursachter — Unkenntnis vom zwischenzeitlichen Widerruf der Liquidation und von dessen Gründen abgefasst habe und schließlich dass er lediglich aus rein zeitlichen und ökonomischen Gründen mit der Einstellung des Strafverfahrens gegen eine Geldbuße einverstanden gewesen sei, beschloss der Widerspruchsausschuss bei der Antragsgegnerin am 9. Juni 2010, die Widerspruchsverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die von der Antragsgegnerin am 31. Mai 2010 beim Berufsgericht für die Heilberufe bei dem Verwaltungsgericht Greifswald erhobene Klage auszusetzen. Im Beschluss des Widerspruchsausschusses ist ausgeführt, die Gerichtsentscheidung habe maßgeblichen Einfluss auf die Beurteilung „der fachlichen Eignung im Sinne des § 5 Abs. 2 WBO“, da dem Gerichts- und den Widerspruchsverfahren derselbe Sachverhalt zugrunde liege. Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller die Aussetzungsentscheidung unter dem 6. August 2010 mit Bezugnahme auf die Frage seiner persönlichen Eignung mit.
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Mit Urteil vom 21. Oktober 2011 – 1 A 534/10 – verhängte das Berufsgericht gegen den Antragsteller einen Verweis und eine Geldbuße von 1.000 €. Er habe schuldhaft gegen die Pflicht nach § 2 Abs. 2 der Berufsordnung zur gewissenhaften Ausübung des Arztberufs und die Pflicht, dem ihm dabei entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen, verstoßen und damit eine Berufspflichtverletzung begangen. Das Gericht sei überzeugt, dass er die Abrechnung direkt mit der Krankenversicherung im Wissen darum versucht habe, dass keine Wahlleistungs-Vereinbarung vorgelegen habe; denn es gehe davon aus, dass er entgegen seiner Einlassung über die Beanstandung der Liquidation und über deren Gründe sowie die ihrer Zurücknahme informiert gewesen sei. Auch nach Einstellung des Strafverfahrens sei noch eine „zusätzliche Pflichtenmahnung“ notwendig; denn der Antragsteller habe sein vorsätzliches Fehlverhalten, das der Versuch einer direkten Einforderung des Rechnungsbetrags von der Krankenversicherung darstelle, nicht eingeräumt. Zu seinen Gunsten seien allerdings seine sonstige berufsrechtliche Unauffälligkeit, die Geldbuße, die zwischenzeitlich vergangene Zeit sowie seine offensichtliche damalige Annahme zu berücksichtigen, ungeachtet einer fehlenden Wahlleistungs-Vereinbarung den geltend gemachten Entgeltanspruch zu haben. Auf die Berufung des Antragstellers hin hob der Berufsgerichtshof beim Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern – OVG M-V – das Urteil mit auf mündliche Verhandlung ergangenem Beschluss vom 26. November 2013 – 11 L 322/11 – auf und stellte das Verfahren wegen Geringfügigkeit ein. Aus den Akten von Staatsanwaltschaft, Amtsgericht und Berufsgericht ergebe sich zwar ein Berufsvergehen, das in der Geltendmachung offensichtlich unbegründeter und zudem bestrittener Forderungen gegenüber der Krankenversicherung liege. Der Antragsteller hätte bei der unter den konkreten Umständen gebotenen Einzelfallprüfung bemerken können, dass sich die für seine Forderung notwendige Wahlleistungs-Vereinbarung nicht bei den Krankenakten befunden habe, und ihm sei bewusst gewesen, dass eine solche Vereinbarung patientenseits bestritten worden sei. Jedoch sei zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass er offensichtlich unzutreffend angenommen habe, bereits die Erbringung der (nicht gewünschten) Chefarzt-Leistungen begründe einen Zahlungsanspruch, sowie dass er gegenüber der Krankenversicherung die Zahlungsverweigerung der Patientin offenbart habe, was eine unberechtigte Zahlung faktisch ausgeschlossen habe. Dies weiche deutlich vom Regelfall der vorsätzlichen Abrechnung nicht erbrachter Leistungen ab und sei als geringfügig zu bewerten, zumal das Strafverfahren den Antragsteller nachdrücklich zur Einhaltung seiner Berufspflichten angehalten habe.
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Der Widerspruchsausschuss bei der Antragsgegnerin sprach sich am 29. Januar 2014 dafür aus, wegen der Umstände des Einzelfalls in Abweichung von der Richtlinie des Vorstands die persönliche Eignung des Antragstellers festzustellen, was die Erteilung von Weiterbildungsbefugnissen ermögliche. Aufgrund Entscheidung ihres Vorstands vom 19. März 2014 wies jedoch die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheiden vom 16. Mai 2014 die Widersprüche des Antragstellers als unbegründet zurück, da begründete Zweifel an seiner persönlichen Eignung bestünden; wegen der Einzelheiten wird auf die Begründung der Widerspruchsbescheide Bezug genommen. Mit unter dem Aktenzeichen 7 A 1130/14 verbundenen Klagen vom 16. Juni 2014 verfolgt der Antragsteller seine Anträge auf Erteilung von Weiterbildungsbefugnissen beim beschließenden Gericht weiter; hierüber ist noch nicht entschieden.
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Darauf erließ die Antragsgegnerin aufgrund Vorstandsbeschlusses vom 25. Juni 2014 den streitgegenständlichen Rücknahmebescheid vom 24. Juli 2014. Unter gesondert begründeter Anordnung der sofortigen Vollziehung verfügte sie, dass die aufgrund der Tätigkeit des Antragstellers als hauptberuflicher Professor der Hochschulmedizin an dem Standort A-Stadt gemäß § 38 Abs. 2 Satz 5 des Heilberufsgesetzes – HeilBerG – gesetzlich fingierte Ermächtigung zur Weiterbildung für das jeweilige Fachgebiet bzw. Teilfachgebiet mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wird. Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen. Über den Widerspruch des Antragstellers vom 7. August 2014 ist noch nicht entschieden.
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Am 13. August 2014 hat der Antragsgegner sich wegen einstweiligen Rechtsschutzes an das Gericht gewandt. Er macht geltend: Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht einzelfallbezogen begründet. Der angegriffene Bescheid sei offensichtlich rechtswidrig, da es ihm, dem Antragsteller, nicht an der notwendigen persönlichen Eignung fehle; auch stehe dem Vollzugsinteresse entgegen, dass die Antragsgegnerin es während der bisher dreijährigen Geltung der gesetzlichen Ermächtigungsfiktion nicht für nötig gehalten habe, hiergegen vorzugehen. Er beantragt,
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die aufschiebende Wirkung [sein]es Widerspruchs gegen den Rücknahmebescheid der Antragsgegnerin vom 24. Juli 2014 über die Rücknahme d[er] für [ihn] aufgrund seiner Tätigkeit als hauptberuflicher Professor der Hochschulmedizin an dem Standort A-Stadt gemäß § 38 Abs. 2 Satz 5 [HeilBerG] gesetzlich fingierte[n] Ermächtigung zur Weiterbildung für das jeweilige Fachgebiet bzw. Teilfachgebiet mit Wirkung für die Vergangenheit wiederherzustellen,
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hilfsweise die sofortige Vollziehung aufzuheben.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen,
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und verteidigt ihren Bescheid und dessen Vollziehbarkeit. Erst nach Abschluss des berufsgerichtlichen Verfahrens und der Widerspruchsverfahren habe über die Rücknahme und deren Dringlichkeit entschieden werden können; die Frage der persönlichen Eignung des Antragstellers sei einziger, aber entscheidender Konfliktpunkt der Beteiligten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die in den Klage- und im Eilverfahren von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsvorgänge (insgesamt drei Heftungen) Bezug genommen.
II.
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Das Eilrechtsschutzbegehren ist gemäß dem Hauptantrag erfolgreich.
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Dieser ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – zulässig.
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Denn die aufschiebende Wirkung des fristgemäßen Widerspruchs gegen die Verfügung vom 24. Juli 2014 blieb wegen der Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO aus und bedarf daher gerichtlicher Wiederherstellung. In der gesonderten Begründung dieser Anordnung führte die Antragsgegnerin Gründe für das von ihr für den konkreten Einzelfall angenommene besondere Vollzugsinteresse an und genügte damit — unabhängig von der Tragfähigkeit ihrer Argumentation — den verfahrensrechtlichen Anforderungen nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO (vgl. den Beschluss des OVG M-V vom 19. Juni 1997 – 3 M 115/96 –, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1997, S. 1027; s. auch dessen Beschluss vom 10. August 2005 – 1 M 74/05 –, Zeitschrift für öffentliches Recht in Norddeutschland 2005, S. 416).
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Dem Antragsteller steht auch das notwendige allgemeine Rechtsschutzinteresse zur Seite. Zwar regelt der durch Art. 3 Nr. 4 Buchst. b des Änderungsgesetzes vom 6. Juli 2011 (GVOBl. M-V S. 405, 409) mit Wirkung ab dem 16. Juli 2011 (Art. 7 Satz 4 des Änderungsgesetzes) eingeführte § 38 Abs. 2 Satz 5 HeilBerG, dass es für ihn der Ermächtigung durch die Antragsgegnerin zur Tätigkeit als Weiterbildenden (§ 38 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 HeilBerG), von der WBO wohl zulässigerweise (s. § 38 Abs. 2 Satz 4 HeilBerG) „Befugnis zur Weiterbildung“ genannt, nicht bedarf; denn er ist als hauptberuflicher Professor an einer Einrichtung der Hochschulmedizin im Sinne des ebenfalls durch das genannte Änderungsgesetz (Art. 3 Nr. 4 Buchst. a, a. a. O.) eingeführten § 38 Abs. 1 Satz 5 HeilBerG tätig. Jedoch ist den öffentlich zugänglichen Materialien der eindeutige gesetzgeberische Wille zu entnehmen, den berufsständischen Kammern und damit auch der Antragsgegnerin durch die ebenfalls mit Art. 3 Nr. 4 Buchst. b des Änderungsgesetzes vom 6. Juli 2011 angefügten Sätze 6 und 7 des § 38 Abs. 2 HeilBerG („Die Vorschriften über Rücknahme und Widerruf finden entsprechende Anwendung. Über diese entscheidet die Kammer.“) eine Möglichkeit zur Einwirkung auf diesen gesetzlichen Status zu verschaffen, so dass die „Rücknahme“-Entscheidung der Antragsgegnerin nicht ins Leere geht, sondern dem Antragsteller jenen nimmt.
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Art. 3 Nr. 4 Buchst. b des Änderungsgesetzes wurde auf Initiative der Koalitionsfraktionen (s. den Bericht zur Beschlussempfehlung des Sozialausschusses, Landtags-Drucksache 5/4448, S. 17 f.) in den ursprünglichen Entwurf der Landesregierung eingefügt. Dieser hatte zunächst nur „im Interesse einer Verwaltungsvereinfachung“ und in Anlehnung an § 6 Abs. 1 Satz 1 der Muster-Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer von 2003 den Fortfall des Anerkennungsverfahrens bei den Kammern für Einrichtungen der Hochschulmedizin als Weiterbildungsstätten vorgesehen (s. den Gesetzentwurf in Landtags-Drucksache 5/4245, S. 2, 4, 16, 20, 30), was — unter Fortfall der geplanten Untersagungs-Möglichkeit für die Kammern — dann hauptsächlicher Regelungsgegenstand des § 38 Abs. 1 HeilBerG ergänzenden Art. 3 Nr. 4 Buchst. a des Änderungsgesetzes wurde. Die Privilegierung auch der hauptamtlich an diesen Weiterbildungseinrichtungen tätigen Professoren sollte nach Auffassung der SPD-Fraktion durch die Praxis der hochschulrechtlichen Berufungsverfahren gerechtfertigt sein, deren Anforderungen denen für eine persönliche Weiterbildungsermächtigung entsprächen; die Universitätsmedizin bedürfe im Wettbewerb um die besten Kräfte einer solchen Regelung. Die Kammer bleibe aber für den Widerruf zuständig und könne damit die Qualität der ärztlichen Weiterbildung sicherstellen (Landtags-Drucksache 5/4448, S. 18). Diesen Ansatz bekräftigten in der Zweiten Lesung die Koalitionsabgeordneten Dr. Nieszery und Heydorn: Man könne selbstverständlich davon ausgehen, dass berufene Professoren geeignet seien, junge Ärzte nicht nur aus-, sondern auch weiterzubilden; es sei nicht sachgerecht, wenn in anderen Bundesländern weiterbildungsermächtigte Professoren bei einem Wechsel nach Mecklenburg-Vorpommern bei der Kammer eine neue Weiterbildungsermächtigung beantragen müssten, zumal es der Kammer nach dem in der Anhörung vermittelten Eindruck nicht immer um sachliche Fragen, sondern um Machtbefugnisse gehe; wenn ein Professor nicht mehr zur Weiterbildung geeignet sei, habe dies auf seine Stellung als Professor keinen Einfluss, so dass es keines Verwaltungsakts des Landes bedürfe, sondern einer von der Ärztekammer auszusprechenden Rücknahme oder eines Widerrufs (Protokoll der Plenarsitzung [5/125] am 29. Juni 2011, S. 75, 78). Oppositionelle Einwände gegen eine Aufsplitterung von Entscheidungszuständigkeiten und -inhalten und gegen die Beschneidung des Einflusses der heilberuflichen Selbstverwaltung (Landtags-Drucksache 5/4448, S. 18; Sitzungsprotokoll a. a. O., S. 73 f., 76) blieben ebenso wie die Einwände der Antragsgegnerin (Landtags-Drucksache 5/4448, S. 9) erfolglos; ein Antrag auf Streichung von Art. 3 Nr. 4 des Änderungsgesetzes (Landtags-Drucksache 5/4467) wurde in namentlicher Abstimmung mit Koalitionsmehrheit abgelehnt (Sitzungsprotokoll a. a. O., S. 80, 91). Danach ist festzuhalten, dass § 38 Abs. 2 Sätze 6 und 7 HeilBerG im Gesetzgebungsverfahren allgemein als Ermächtigung für u. a. die Antragsgegnerin verstanden wurden, den durch Satz 5 der Vorschrift eingeführten Status zu mindern oder zu beseitigen, der entgegen der ungeschickten Gesetzesformulierung sich nicht als Freistellung vom Erfordernis einer persönlichen Weiterbildungsermächtigung, sondern als eine solche Ermächtigung darstellt, die durch die Berufungsentscheidung mit erteilt wurde oder fiktiv hieran geknüpft ist; diese verteidigt der Antragsteller mit seinem Eilantrag in zulässiger Weise.
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Der Antrag ist auch begründet. Für die Entscheidung der Kammer kann offenbleiben, welchen genauen Umfang seine gesetzlich verliehene Weiterbildungsermächtigung „für das jeweilige Fachgebiet oder Teilfachgebiet“ hat, die das Gesetz — im Gegensatz zur WBO und darauf beruhenden Entscheidungen nach § 38 Abs. 4 Satz 1 HeilBerG — in keiner Weise näher definiert; denn es ist ersichtlich Inhalt des angegriffenen Bescheids vom 24. Juli 2014, dem Antragsteller, der in Ermangelung der unter dem 5. Februar 2010 abgelehnten Verlängerung seiner abgelaufenen Befugnisse zur Weiterbildung aktuell nur aufgrund seines seit dem 16. Juli 2011 wirksamen gesetzlichen Status als Weiterbildender tätig sein durfte, als Gegenstand der „Rücknahme“ diese Befugnis ungeachtet ihres konkreten Inhalts in Gänze und auch von Anfang an zu nehmen. An dieser allein auf die Frage der notwendigen persönlichen Eignung gestützten Entscheidung bestehen indessen bei der gebotenen summarischen Betrachtung durchgreifende Zweifel, so dass das von der Antragsgegnerin beanspruchte öffentliche Vollzugsinteresse hinter dem Aufschubsinteresse des Antragstellers zurückstehen muss, weil dessen anhängiger Widerspruch aus Rechtsgründen beachtliche Erfolgsaussichten hat.
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Die Entscheidung ist, da für sie (entgegen § 38 Abs. 2 Satz 7 HeilBerG vom Gesetzgeber, nicht von der Kammer) die entsprechende Anwendung der „Vorschriften über Rücknahme und Widerruf“ vorgesehen wurde (§ 38 Abs. 2 Satz 6 HeilBerG), an diesen zu messen.
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Hiernach dürfte es sich bei der Entscheidung, den Befugnisstatus des Weiterbildenden aufzuheben, grundsätzlich um eine gebundene Entscheidung der Antragsgegnerin (§ 38 Abs. 2 Satz 7 HeilBerG) handeln, bezüglich deren ihr kein Ermessen zustand. Zwar erläuterte der damalige Landesminister Tesch bei der Zweiten Lesung des Änderungsgesetzentwurfs, dem notwendigen Kontrollanliegen der Kammern werde durch entsprechende Anwendung der Rücknahme- und Widerrufsmöglichkeiten nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz Rechnung getragen (Sitzungsprotokoll a. a. O., S. 72), und die nach § 1 Abs. 1 und § 2 Nr. 2 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes – VwVfG M-V – einschlägigen allgemeinen Vorschriften in §§ 48 und 49 VwVfG M-V beinhalten Ermessensermächtigungen. Jedoch dürften Tatbestand und Rechtsfolge bei Widerruf oder Rücknahme im Zusammenhang mit Weiterbildungsermächtigungen durch die sachnähere Vorschrift des § 38 Abs. 4 Satz 2 HeilBerG überformt sein, die gemäß § 38 Abs. 4 Satz 6 HeilBerG auch den nur ergänzend („im Übrigen“) geltenden „allgemeinen verwaltungsrechtlichen Vorschriften“ vorgeht. Es ist nämlich kein dem Gleichheitsgebot genügender Grund dafür ersichtlich, dass die den Kammern auferlegte Qualitätssicherung durch Aufhebungsentscheidungen, die persönliche Weiterbildungsbefugnisse betreffen, bei den von den Kammern selbst erteilten Befugnissen zwingender Inhalt einer Verpflichtung, bei gesetzlich verliehenem Status des Weiterbildenden aber lediglich Gegenstand einer Ermessensermächtigung sein sollte. § 38 Abs. 4 Satz 2 HeilBerG wiederum, der zwar nach dem Willen des Gesetzgebers „die Unterscheidung zwischen der Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes für die Vergangenheit oder Zukunft gemäß § 48 [VwVfG M-V] und dem Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes ausschließlich für die Zukunft gemäß § 49 VwVfG M-V verdeutlich[en]“ sollte (s. die Begründung des Regierungsentwurfs zu der mit Art. 1 Nr. 25 Buchst. c des Änderungsgesetzes vom 17. März 2008 [GVOBl. M-V S. 106, 112] eingeführten aktuellen Fassung von § 38 Abs. 4 HeilBerG in Landtags-Drucksache 5/788, S. 42), dem dies aber mit dem Wortlaut der geregelten Tatbestandsalternativen misslang (schon weil auch der nachträgliche Wegfall von Voraussetzungen zu deren Nichtvorliegen führt), dürfte wegen des u. a. von der Antragsgegnerin mit der WBO umgesetzten Normsetzungsauftrags in § 42 Satz 2 Nr. 4 HeilBerG zusätzlich als Bezugnahme auf die Regelungen der WBO zu verstehen sein; dies wird in gleicher Weise für durch Gesetz wie aufgrund Verleihung bestehende Weiterbildungsbefugnisse gelten, denn auch hier wäre ein Grund für eine unterschiedliche Behandlung nicht ersichtlich. Daher ist die Entscheidung der Antragsgegnerin, die eine Rücknahme verfügte, primär an § 7 Abs. 1 WBO zu messen, der in seinem Satz 1 für diese zwingende Entscheidung die Voraussetzung aufstellt und genügen lässt, dass bei der Erteilung der Befugnis zur Weiterbildung ihre Voraussetzungen nicht gegeben waren. Da die — wohl über § 7 der Muster-Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer hinausgehende — Rechtsfolge, dass der Status des berechtigt Weiterbildenden nicht nur für die Zukunft, sondern auch rückwirkend aufhebbar ist, auch bereits vom HeilBerG (ggf. in Verbindung mit § 48 Abs. 1 VwVfG M-V) vorgesehen ist und weil sich der Vorfall, aus dem die Antragsgegnerin ihre Eignungsbedenken herleitet, bereits vor Inkrafttreten der gesetzlichen Statusverleihung ereignete, dürfte die Antragsgegnerin mit der Entscheidung, die Befugnis durch Rücknahme zu beseitigen, grundsätzlich die einschlägige, durch Gesetz und aufgrund Gesetzes vorgesehene Maßnahme ergriffen haben. Ob dies rechtmäßig geschah, ist allerdings sehr zweifelhaft.
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Dabei hat es nach § 45 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 3 VwVfG M-V auf die rechtliche Bewertung keinen Einfluss, dass die angegriffene Entscheidung ohne eine Anhörung des Antragstellers im Sinne von § 28 Abs. 1 VwVfG M-V erging und dass kein Grund nach Absatz 2 oder 3 der Vorschrift für ein fakultatives oder gar zwingendes Absehen hiervon erkennbar ist; denn es genügt nach der gesetzlichen Vorschrift, dass der Antragsteller es noch im anhängigen Widerspruchsverfahren unternehmen kann, die Antragsgegnerin umzustimmen.
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Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 WBO ist die Befugnis ganz oder teilweise zurückzunehmen, wenn bei ihrer Erteilung ihre Voraussetzungen nicht gegeben waren; dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift „insbesondere“, wenn ein Verhalten vorgelegen hat (die Variante des aktuellen Vorliegens dürfte sich auf die Widerrufs-Ermächtigung in Satz 1 Var. 2 beziehen), das die fachliche oder persönliche Eignung des Arztes als Weiterbilders ausschließt. Die Vorschrift knüpft an § 38 Abs. 2 Satz 1 HeilBerG und § 5 Abs. 2 Satz 1 WBO an, die jeweils u. a. die persönliche Eignung des weiterbildenden Arztes als Voraussetzung für die Verleihung der Befugnis festlegen. Die „entsprechende Anwendung“ dieser Erteilungsvoraussetzung dürfte im Falle des § 38 Abs. 2 Satz 5 HeilBerG gemäß Satz 6 der Vorschrift zur Anknüpfung an den Beginn der weiterbildungsrechtlich privilegierten Tätigkeit in einer Einrichtung nach § 38 Abs. 1 Satz 5 HeilBerG führen; das ist beim Antragsteller der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes am 16. Juli 2011. Die Antragsgegnerin leitet aus einem vor diesem Zeitpunkt liegenden Verhalten des Antragstellers dessen charakterliche Nichteignung zur Tätigkeit als Weiterbildender ab, so dass er diesen Status zu Unrecht erhalten habe. Dem kann das beschließende Gericht jedoch nicht folgen, weder für den genannten noch für einen späteren Zeitpunkt, so dass auch eine Umdeutung der Rücknahmeentscheidung in einen Widerruf wegen nachträglichen Fortfalls einer Ermächtigungsvoraussetzung nicht in Betracht kommt.
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Zu beachten ist dabei, dass — sofern nicht der Statusbegünstigte auf die Feststellung der Voraussetzungen des Statuserwerbs besonders einwirkte — grundsätzlich die Feststellungslast für das Fehlen der Voraussetzungen und damit die Rechtswidrigkeit der Statusverleihung, die die Rücknahme begründet, bei der zurücknehmenden Behörde liegt (vgl. nur die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. März 1964 – VI C 150.62 –, amtliche Sammlung BVerwGE Bd. 18, S. 168 [170 ff.], und vom 8. Dezember 2009 – 1 C 16.08 –, BVerwGE Bd. 135, S. 334 [350]). In gesteigertem Maße dürfte dies gelten, wenn mit der Rücknahme die gesetzgeberische Entscheidung zur Erstreckung anderweitig getroffener Statusentscheidungen (Berufung zum Professor an einer Hochschule und zur hauptberuflichen Tätigkeit als behandelnder Chefarzt und Hochschullehrer an der heutigen Universitätsmedizin) im Einzelfall rückgängig gemacht werden soll, da der gesetzgeberischen Entscheidung, hiervon Betroffene — im Gegensatz zu Nichtinhabern des anderweitig verliehenen Status — von Kontrollen in einem besonderen Zulassungsverfahren zu dispensieren, eine Art gesetzlicher Eignungsvermutung zu entnehmen sein mag. Gerade vor diesem Hintergrund werden die Bewertung durch die Antragsgegnerin und die dafür gegebene Begründung den Anforderungen einer Ermächtigungsrücknahme wegen Fehlens der persönlichen Eignungsvoraussetzungen nicht gerecht.
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Das Gericht kann dabei keine Grundlage für den von der Antragsgegnerin in dieser Frage beanspruchten Beurteilungsspielraum erkennen. Die in § 38 Abs. 2 Satz 1 HeilBerG getroffene Festlegung zu einer Voraussetzung für rechtmäßige Weiterbildungsermächtigungen enthält keinen Hinweis, dass ihr Vorliegen nicht uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegen sollte. Die Frage der persönlichen, insbesondere auch charakterlichen Eignung eines Status- oder Genehmigungsinhabers ist, etwa in Bezug auf die Besetzung öffentlicher Ämter oder das Betreiben überwachungsbedürftiger Fahrzeuge, Anlagen oder Gewerbe, eine nach vielen gesetzlichen Grundlagen von den Gerichten nach eigener Beurteilung zu beantwortende Standardfrage; anders mag es sich hinsichtlich mancher Teilaspekte der — hier nicht streitigen, u. a. die fachliche Eignung zur Weiterbildenden-Tätigkeit betreffenden — Problematik verhalten, ob die Berufsausübung und -erfahrung den herausragenden inhaltlichen Qualitätsanforderungen für den Einsatz als „Lehrmeister“ spezialisierter und mit Fachbezeichnungen dem Publikum zu präsentierender Ärzte genügt. Auch § 42 Satz 2 Nr. 4 HeilBerG, der den Weiterbildungsordnungen u. a. die Regelung der Voraussetzungen für die Weiterbildungsermächtigung überantwortete — was in § 5 Abs. 2 Satz 3 WBO ohne weitere Ermächtigung durch Weitergabe der Regelungsbefugnis an den Vorstand der Antragsgegnerin geschah —, gibt keinen Hinweis, dass die getroffenen Regelungen nicht voller richterlicher Kontrolle unterliegen könnten; Richtlinien, die die Auslegung der Voraussetzungs-Tatbestände festlegen, sind dabei nicht Ausgangspunkt, sondern Gegenstand der Prüfung. Denn es ist auch zu beachten, dass die Weiterbildenden-Tätigkeit im durch Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes grundrechtlich besonders geschützten Bereich der Handlungsfreiheit stattfindet (vgl. zum Vorstehenden auch Grünewald, Die Öffentliche Verwaltung 2012, S. 185 [188], auch zur gegenteiligen Ansicht des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz gemäß dessen Urteil vom 25. November 2003 – 6 A 11314/03 –, juris Rdnr. 16 ff., der, allerdings ohne Begründung, etwa das Verwaltungsgericht Meiningen im Urteil vom 30. September 2013 – 1 K 86/11 –, juris Rdnr. 30, und Quaas, in: ders./Zuck, Medizinrecht, 3. Aufl. 2014, § 13 Rdnr. 37, folgten; s. zur Problematik auch das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg – VGH B-W – vom 24. Juni 2014 – 9 S 1348/13 –, juris Rdnr. 40 m. w. Nachw.). Die Entscheidung, die die Antragsgegnerin traf, erschiene allerdings auch nicht als mangelfrei, wenn man ihr einen Beurteilungsspielraum zubilligte; denn bei dessen Ausfüllung dürften ihr jedenfalls keine Verstöße gegen das Willkür- und das Übermaßverbot unterlaufen.
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Die Antragsgegnerin ging ausweislich des Wortlauts der im angegriffenen Rücknahmebescheid und in ihrer Antragserwiderung verwandten Formulierungen sowie nach der Prüfungsstruktur, die sie in den Bescheidsgründen, auch der Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2014 und der vorangehenden Ablehnungsbescheide, darlegte, von der im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Richtlinie ihres Vorstands vom 15. August 2007 aus. Diese fordert für den Einsatz von Kammermitgliedern bei der Weiterbildung — zutreffend — deren persönliche Eignung im Sinne einer erhöhten sozialen und pädagogischen Kompetenz; die benannten hierzu gehörenden Eigenschaften und Fähigkeiten seien bei der Erteilung der Weiterbildungsbefugnis und bei der Beurteilung der laufenden Weiterbildung „vorauszusetzen“. In zwei Abschnitten bezeichnet die Richtlinie dann Fallgruppen, in denen „das Fehlen der persönlichen Eignung zwingend anzunehmen“ sei (A) bzw. in denen eine Überprüfung durch die Antragsgegnerin zu erfolgen habe, wobei, sofern eines der Merkmale erfüllt werde und dadurch berechtigte Zweifel bestünden, dass die Pflichten eines Weiterbildenden nicht ordnungsgemäß wahrgenommen werden könnten oder das Verhalten der besonderen Vorbildfunktion des Weiterbildenden nicht angemessen sei, das Fehlen der persönlichen Eignung anzunehmen sei (B).
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Abgesehen davon, dass die Einordnung der Tatbestände in die wohl als zwei Fallgruppen, nämlich eines zwingenden Eignungsausschlusses mit eher „formalen“ (A) und eines erst — wie? — zu untersuchenden mit „inhaltlichen“ Anknüpfungspunkten (B), zu verstehenden Abschnitte fragwürdig ist, weil deren Gliederung die jeweilige Schwere der Beeinträchtigung der Vorbildfunktion nicht erkennbar berücksichtigt und daher kaum frei von Wertungswidersprüchen erscheint, ist es besonders problematisch, dass auch die Tatbestände des Abschnitts A, soweit die dort bezeichnete Sanktionsmaßnahme an ein Verhalten des Arztes anknüpft, und die zu Beginn des Abschnitts B ausformulierte „Zweifelsverfestigung“ jeweils im Spannungsverhältnis zur höherrangigen Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 WBO stehen dürften. Denn diese Vorschrift fordert für eine Aufhebung der Weiterbildungsermächtigung eindeutig, dass ein Verhalten vorgelegen habe oder vorliege, das die fachliche oder persönliche Eignung des Arztes als Weiterbilders ausschließe; auch wenn sie als bloßer Beispielstatbestand („insbesondere“) ausgestaltet ist, dürfte es sich bei ihr in dessen Anwendungsbereich um die einschlägige Spezialregelung handeln. Anders als bei der Erteilung der Weiterbildungsermächtigung, die die positive Feststellung der persönlichen Eignung erfordert (vgl. hierzu den Beschluss des VGH B-W vom 21. September 1990 – 9 S 1138/89 –, Medizinrecht 1991, S. 43 [44]), dürften daher im Aufhebungsfall bloße Zweifel an der notwendigen persönlichen Eignung grundsätzlich nicht ausreichen, um den Arzt von der Weiterbildendentätigkeit fernzuhalten. Dies entspricht der oben angesprochenen Umkehrung der Feststellungslast bei bestehender Begünstigung des von deren Aufhebung Betroffenen und hat auch eine Obliegenheit der Behörde zur Darlegung der Eignungswidrigkeit des Tatsachenbefunds zur Folge.
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Insbesondere vor diesem Hintergrund hält das Gericht es zunächst für nicht vertretbar, wenn die Antragsgegnerin dem Antragsteller in den Ablehnungsbescheiden und im streitgegenständlichen Rücknahmebescheid im Sinne von Abschnitt B Nr. 7 „charakterliche und im weitesten Sinne pädagogische Defizite, die in Würdigung der gesamten Persönlichkeit den Schluss zulassen, dass die bedeutsamen und verantwortungsvollen Pflichten in der Weiterbildung nicht ordnungsgemäß wahrgenommen werden“, zur Last legt. Soweit hiermit Einwände gegen die pädagogische Eignung des Antragstellers formuliert werden sollen, ist die nicht weiter erläuterte Kritik substanzlos, und es ist auch nicht dargelegt, inwieweit diesbezüglich gemäß Abschnitt B Nr. 7 „berechtigten Zweifeln“ durch „Überprüfung“ nachgegangen worden sei. Mangels dokumentierter Beschwerden insbesondere von Weiterbildungsassistenten des Antragstellers und wegen der Aufführung der Kritik im Zusammenhang mit den zum Strafverfahren führenden Vorfällen von 2006 in den Bescheidsgründen ist denn auch davon auszugehen, dass jene die einzige Grundlage für das Vorgehen der Antragsgegnerin darstellen sollen. Jedoch ist aus diesen Vorfällen und aus den Einlassungen des Antragstellers, der sich gegen den Vorwurf von Straftaten und Berufspflichtverletzungen verteidigte und die zwischenzeitlichen organisatorischen Verbesserungen darstellte, die vergleichbare Vorfälle verhindern sollen, nicht ohne — hier fehlende — weitere Feststellungen nachvollziehbar auf bestehende „charakterliche und im weitesten Sinne pädagogische Defizite“ zu schließen — wie sie auch der Widerspruchsausschuss nicht einmal in Betracht zog. Auch die Antragserwiderung ergeht sich hierzu lediglich in nicht weiter begründeten Rechtsbehauptungen.
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Die andere, sogar hauptsächlich ins Feld geführte Begründung für die Entscheidung der Antragsgegnerin ist der Umstand, dass gegen den Antragsteller ein Strafverfahren geführt und nach § 153a StPO gegen eine Geldbußen-Auflage eingestellt wurde. Die Antragsgegnerin wandte hier nach ihren Ausführungen Abschnitt A Nr. 3 der bezeichneten Richtlinie von 2007 an, wonach das Fehlen der persönlichen Eignung zwingend anzunehmen sein soll bei „Verurteilung durch ein Strafgericht oder Einstellung des Strafverfahrens gegen Erfüllung der Auflagen und Weisungen gemäß § 153a StPO, sofern die Tat im Zusammenhang mit dem ärztlichen Beruf begangen wurde und ein berufsrechtlicher Überhang nicht bejaht wurde“. Jedoch distanzierte sie sich gleichzeitig von der Richtlinie, soweit sie — mit negativem Ergebnis — dann doch die Abweichung von den — als zwingend formulierten — Vorgaben prüfte; es ergab sich für sie das vereinfachte Prüfungsschema: „Bei §-153a-StPO-Einstellungen grundsätzlich Nichteignung, wenn nicht Unangemessenheit von deren Annahme im Einzelfall“. Das ist in mehrerlei Hinsicht nicht frei von gleichheitswidrigen methodischen Mängeln.
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Zunächst ist es höchst fragwürdig, wenn die Richtlinie des Vorstands der Antragsgegnerin die Verurteilung wegen einer Straftat mit der Einstellung eines Strafverfahrens nach § 153a StPO gleichstellt. Zum einen besteht über die Begehung der — auch von der Richtlinie geforderten — „Tat“ in grundsätzlich unterschiedlichem Maße Gewissheit, da bei einer Verurteilung gerichtliche Feststellungen, bei der Einstellung aber nur ein Anfangsverdacht oder überwiegender Tatverdacht bestehen. Zum anderen können andere Fälle der strafprozessualen Verfahrenseinstellung — etwa nach § 153 StPO oder nach § 170 Abs. 2 StPO wegen eines Verfahrenshindernisses — durchaus mit feststehendem schuldhaftem strafrechtswidrigem Verhalten einhergehen, während (auch) eine Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO häufig Konsequenz einer schwierigen Beweislage ist. Soweit die Richtlinie es — zulässiger- und wohl auch notwendigerweise — unternahm, die für die Ermächtigung zur Weiterbildung erforderliche (vgl. etwa Narr, Ärztliches Berufsrecht, Stand Mai 2014, Rdnr. W 109) „Unbescholtenheit“ (vgl. zum Rechtsbegriff die im Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 8. Mai 2012 – 1 K 1302/11.TR –, juris Rdnr. 65 ff., zitierten, überwiegend an Verurteilungen anknüpfenden gängigen Definitionen sowie auch den Artikel „beschelten“ im Deutschen Rechtswörterbuch der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Bd. II [1932–35], Sp. 85 f.) zu erläutern, verfehlte sie durch die Formulierung des mit der strafrechtlichen Unschuldsvermutung kaum zu vereinbarenden absoluten Eignungsausschlusses ebenso ihr Ziel wie die hierauf beruhende, schematisch zur Umkehr des gebotenen Regel-Ausnahme-Verhältnisses führende Praxis der Antragsgegnerin. Dies zeigt sich deutlich gerade am Streitfall, wo nach den letzten, die Aktenlage auch über eine in der Vorinstanz durchgeführte Beweisaufnahme auswertenden Feststellungen des Berufsgerichtshofs kein schlüssiger Straftatvorwurf ersichtlich ist; denn der verbliebene Vorwurf an den Antragsteller läuft auf ein Verhalten hinaus, das — unter Zurückstellung aller, auch der Kammer bekannten, strafrechtlichen Dogmatik und Begrifflichkeit — verkürzt als „allenfalls leichtfertiger untauglicher Versuch eines fahrlässigen Betrugs“ durch das an die Krankenversicherung gerichtete Schreiben vom 2. Oktober 2006 zu charakterisieren und unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt strafbar ist.
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Weiter ließ die Entscheidung der Antragsgegnerin außer Acht, dass die von der Richtlinie geforderte „Tat“ zwar einen Zusammenhang mit dem ärztlichen Beruf aufweisen muss, dass aber ein „berufsrechtlicher Überhang“ nicht bejaht worden sein darf. Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen kann dies nur so verstanden werden, dass der „berufsrechtliche Überhang“ (zum Begriff s. etwa jüngst das Urteil des Berufsgerichts bei dem Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen vom 30. Juli 2014 – H K 660/10 –, juris Rdnr. 21 ff.), d. h. ein die berufsgerichtliche Ahndung rechtfertigender Verstoß gegen den Kernbereich beruflicher Pflichten, der durch den Straftatvorwurf nicht hinreichend erfasst ist, der abschließenden Entscheidung durch die Berufsgerichtsbarkeit überantwortet ist, wobei es für einen Eignungsausschluss zu einer rechtskräftigen Verurteilung im Sinne von Abschnitt A Nr. 2 gekommen sein muss. Denn für Fälle, dass auch ein „berufsrechtlicher Überhang“ bejaht wurde, wäre der Ausschluss von bestraften oder den Gegenstand eines nach § 153a StPO eingestellten Verfahrens darstellenden „Taten“ aus dem „Nichteignungstatbestand“ sonst nicht zu erklären. Im Falle des Antragstellers wurde jedoch zum einen ein „berufsrechtlicher Überhang“ zunächst bejaht, wie die Erhebung der berufsgerichtlichen Klage und deren anfänglicher „Erfolg“ in Gestalt der Ahndung des Verhaltens des Antragstellers durch das Berufsgericht erkennen lassen; zu einer rechtskräftigen Verurteilung kam es, zum anderen, jedoch infolge der Entscheidung des Berufsgerichtshofs nicht. Es ist sehr zweifelhaft, ob sich die Antragsgegnerin hierüber und damit über ihre eigenen Vorgaben hinwegsetzen kann.
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Soweit die Antragsgegnerin für die persönliche Eignung eines Weiterbildenden auch fordern mag, dass eine Unbescholtenheit in dem Sinne vorliegt, dass kein öffentlicher Angriff auf die Ehre des betroffenen Arztes erfolgte, der mit einer „Bemakelung“ des Ärztestands einherginge, und eine solche Forderung berechtigt wäre, ist jedenfalls im Falle des Antragstellers darauf hinzuweisen, dass an dem Eindruck des gegen den Antragsteller erhobenen Vorwurfs eine Öffentlichkeit, die über das mit der Hauptverhandlung und der sogleich erfolgten Verfahrenseinstellung befasste Amtsgericht, die Staatsanwaltschaft, Vorstand und Widerspruchsausschuss der Antragsgegnerin sowie die Berufsgerichtsbarkeit hinausging, nicht erkennbar Anteil hatte. Der Vorwurf eines geringfügigen Berufsvergehens, wie ihn der Berufsgerichtshof aufrecht erhielt, erscheint auch außerhalb des „Prüfschemas“ der von der Antragsgegnerin angewandten Richtlinie für die Kammer bei einer dem Übermaßverbot genügenden Betrachtung nicht geeignet, auf fehlende persönliche Eignung des Antragstellers zu schließen. Maßstab der Eignung ist unter diesem Aspekt die Gewähr für eine künftige ordnungsgemäße Tätigkeit in der Weiterbildung; den Schluss auf eine Nichteignung lassen Tatsachen, auch außerhalb der Weiterbildungstätigkeit, zu, die zur Prognose künftigen Fehlverhaltens Anlass geben. Die im Verwaltungsverfahren und in den Bescheidsgründen hierzu angeführten Gerichtsentscheidungen (u. a. über die gaststättenrechtliche Zuverlässigkeit, wie sie auch bei Jaeger, in: Rieger/Dahm/Steinhilper [Hrsg.], Heidelberger Kommentar Arztrecht Krankenhausrecht Medizinrecht, Stand Oktober 2010, Stichwort Weiterbildung [5490], Rdnr. 14, zitiert werden) enthalten keine für den Streitfall verwertbaren Aufschlüsse. Es ist indessen bemerkenswert und für das Gericht im vorliegenden Verfahren ausschlaggebend, dass die Hinweise des Antragstellers bei der Antragsgegnerin ohne erkennbare Resonanz blieben, dass er die organisatorischen Mängel, die nach seiner Darstellung den mit dem Vorwurf des Verstoßes gegen Berufspflichten belegten Vorfall verursachten, beseitigt habe, sowie dass seit der angeblichen „Tat“ (die trotz der strafrechtlichen Würdigung als zwei Taten auf einem einmaligen Vorfall basiert) bald acht Jahre vergangen sind und dass auch die Wertungen des § 94 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HeilBerG gerade in zeitlicher Hinsicht zu beachten sein müssten. Auch bei Zubilligung eines Beurteilungsspielraums muss sich eine heilberufliche Kammer mit diesen Aspekten befassen und eine überzeugende Begründung unternehmen, wenn sie willkürfrei ein negatives Eignungsurteil fällen will.
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Nicht zu prüfen braucht das Gericht daher, ob die Antragsgegnerin bei der Rücknahmeentscheidung nicht auch gegen § 48 Abs. 4 VwVfG M-V verstieß, der über die entsprechende Anwendung von § 38 Abs. 4 Satz 6 HeilBerG und auch allgemein (s. Scholz, in: Spickhoff [Hrsg.], Medizinrecht, 2011, Rdnr. 1 zu § 7 der Muster-Weiterbildungsordnung) auf die Aufhebung von Weiterbildungsermächtigungen anwendbar ist. Zu Recht weist der Antragsteller darauf hin, dass in seinem Fall die Ermächtigung am 16. Juli 2011 begann und dass die Antragsgegnerin über diesen Statuserwerb von Anfang an im Bilde war. Zwar legt § 48 Abs. 4 VwVfG M-V nach gefestigter Rechtsprechung nicht eine Bearbeitungsfrist für die zuständige Behörde, sondern eine Entscheidungsfrist für die befassten Mitarbeiter ab Kenntnis der entscheidungsrelevanten Umstände fest (s. etwa den Beschluss des OVG M-V vom 15. Juni 2010 – 2 L 84/09 –, juris Rdnr. 12 m. w. Nachw.), aber es erscheint gleichwohl nicht unbedenklich, wenn die Antragsgegnerin zum einen eine Anhörung des von der Rücknahmeentscheidung Betroffenen nicht für notwendig hält und zum anderen — nach Durchlaufen eines mehrjährigen, für sie im Ergebnis „erfolglosen“ berufsgerichtlichen Verfahrens — Mitte 2014 auf der Basis der bereits spätestens 2011 vorhandenen Erkenntnisse entscheidet.
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Noch bedenklicher und für die hier getroffene Entscheidung mit tragend ist aber der Umstand, dass sich der angegriffene Bescheid und seine Verteidigung im vorliegenden Verfahren nicht zu der Frage verhält, aus welchen Gründen eine Rücknahme des Status des Antragstellers auch mit Wirkung für die Vergangenheit verfügt wurde. Zur rückwirkenden Rücknahme der Weiterbildungsermächtigung, die — wie auch in anderen Bundesländern — in der WBO und im HeilBerG nicht ausdrücklich vorgesehen ist, die aber nach den Vorstellungen des Gesetzgebers möglich sein sollte (s. die Begründung des Regierungsentwurfs zum neu gefassten § 38 Abs. 4 HeilBerG, a. a. O.), dürfte letztlich § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG M-V ermächtigen, eine Ermessensvorschrift. Ein pflichtgemäßer Gebrauch des Ermessens, inwieweit die Rücknahme den Status des Antragstellers beeinträchtigen soll, ist den Verlautbarungen der Antragsgegnerin jedoch nicht zu entnehmen. Gerade in Bezug auf die Weiterbildungsabschnitte, die angehende Fachärzte als Weiterbildungsassistenten seit Juli 2011 — nach Aktenlage beanstandungsfrei — beim Antragsgegner durchlaufen haben dürften, wäre sowohl eine Aufklärung als auch eine Beurteilung der Folgen in Abwägung mit den nach Auffassung der Antragsgegnerin für eine Entfernung des Antragstellers streitenden Gesichtspunkten notwendig gewesen; es fehlt indessen sowohl diesbezüglich als auch bezogen auf aktuell veranstaltete Weiterbildungsstationen an jeder erkennbaren Ermessensbetätigung.
- 38
Neben den nach Allem anzunehmenden überwiegenden Erfolgsaussichten des Widerspruchs des Antragstellers ist die Entscheidung gerade in Ansehung des letztgenannten Gesichtspunkts auch auf eine allgemeine Folgenabwägung zu stützen. Würde die Tätigkeit des Antragstellers als Weiterbildenden einstweilen unzulässig und für die bereits fertig ausgebildeten Assistenzärzte nutzlos, wären die früheren und gegenwärtigen Assistenzärzte die Hauptgeschädigten, da ihre Weiterbildung nicht anerkannt würde. Die bezogen auf ihre Situation dargestellte Argumentation zur Anordnung der sofortigen Vollziehung, dass die Ärzte ohne sofortige Vollziehbarkeit der Rücknahmeentscheidung möglicherweise eine unzureichende Weiterbildung erhalten würden, verkennt den eindeutig fehlenden positiven Einfluss der Rücknahmeentscheidung auf abgeschlossene Weiterbildungsstationen und stellt auch hinsichtlich laufender Weiterbildungen eine Behauptung zur Notwendigkeit eines Eingreifens auf, deren Begründung weitgehend substanzlos und durch das lange Abwarten der Antragsgegnerin, auch seit der ihr sogleich bekannt gewordenen Entscheidung des Berufsgerichtshofs, nahezu widerlegt erscheint.
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Die Kostenentscheidung zum Nachteil der unterliegenden Antragsgegnerin beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Der Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren liegen § 63 Abs. 2 Satz 1 und § 52 Abs. 1 und 7 in Verbindung mit § 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes zugrunde. Die Kammer geht dabei davon aus, dass der mit dem angegriffenen Bescheid „zurückgenommene“ Status demjenigen entspricht, der dem Antragsteller mit den Bescheiden vom 5. Februar 2010 versagt worden war, und nimmt für die beiden Weiterbildungsbefugnisse entsprechend der Empfehlung in Nr. 14.1 des „Streitwertkatalogs 2013“ jeweils den Mindestwert für „Berufsberechtigungen“ im Recht der Freien Berufe von 15.000 € an; sie setzt die Summe wegen der Vorläufigkeit der vorliegenden Eilentscheidung jedoch nur zur Hälfte fest.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Schwerin Beschluss, 29. Sept. 2014 - 7 B 743/14
Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Schwerin Beschluss, 29. Sept. 2014 - 7 B 743/14
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Verwaltungsgericht Schwerin Beschluss, 29. Sept. 2014 - 7 B 743/14 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) Die Beschwerde ist bei dem nächsten Disziplinarvorgesetzten des Beschwerdeführers einzulegen. Ist für die Entscheidung eine andere Stelle zuständig, kann die Beschwerde auch dort eingelegt werden.
(2) Soldaten in stationärer Behandlung in einem Bundeswehrkrankenhaus können Beschwerden auch bei dem Chefarzt des Bundeswehrkrankenhauses einlegen. Soldaten, die sich zum Zweck der Vollstreckung in Vollzugseinrichtungen der Bundeswehr befinden, können Beschwerden auch bei den Vollzugsvorgesetzten einlegen.
(3) Ist der nächste Disziplinarvorgesetzte oder sind die in Absatz 2 genannten Stellen nicht selbst zur Entscheidung über eine bei ihnen eingelegte Beschwerde zuständig, haben sie diese unverzüglich der zuständigen Stelle unmittelbar zuzuleiten.
(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,
- 1.
zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen, - 2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen, - 3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen, - 4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen, - 5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben, - 6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder - 7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.
(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.
(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.
(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,
- 1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist; - 2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat; - 3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde; - 4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde; - 5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,
- 1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird; - 2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.
(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.
(1) Wird der Beschwerdeführer an der Einhaltung einer Frist durch militärischen Dienst, durch Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle gehindert, läuft die Frist erst zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses ab.
(2) Als unabwendbarer Zufall ist auch anzusehen, wenn eine vorgeschriebene Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder unrichtig ist.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn
- 1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint; - 2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde; - 3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll; - 4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will; - 5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.
(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.
(1) Die Beschwerde ist bei dem nächsten Disziplinarvorgesetzten des Beschwerdeführers einzulegen. Ist für die Entscheidung eine andere Stelle zuständig, kann die Beschwerde auch dort eingelegt werden.
(2) Soldaten in stationärer Behandlung in einem Bundeswehrkrankenhaus können Beschwerden auch bei dem Chefarzt des Bundeswehrkrankenhauses einlegen. Soldaten, die sich zum Zweck der Vollstreckung in Vollzugseinrichtungen der Bundeswehr befinden, können Beschwerden auch bei den Vollzugsvorgesetzten einlegen.
(3) Ist der nächste Disziplinarvorgesetzte oder sind die in Absatz 2 genannten Stellen nicht selbst zur Entscheidung über eine bei ihnen eingelegte Beschwerde zuständig, haben sie diese unverzüglich der zuständigen Stelle unmittelbar zuzuleiten.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 22. Februar 2013 - 4 K 4062/11 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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(1) Wird der Beschwerdeführer an der Einhaltung einer Frist durch militärischen Dienst, durch Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle gehindert, läuft die Frist erst zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses ab.
(2) Als unabwendbarer Zufall ist auch anzusehen, wenn eine vorgeschriebene Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder unrichtig ist.
(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,
- 1.
zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen, - 2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen, - 3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen, - 4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen, - 5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben, - 6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder - 7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.
(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.
(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.
(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.
(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.
(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.
(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.
(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,
- 1.
zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen, - 2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen, - 3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen, - 4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen, - 5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben, - 6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder - 7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.
(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.
(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten um den Ausschluss des Klägers aus dem Trierer Stadtrat.
- 2
Der Kläger ist Kreisvorsitzender der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) für den Kreis Trier. Als deren Vertreter wurde er bei der Kommunalwahl am 7. Juni 2009 in den Stadtrat der Stadt Trier gewählt.
- 3
Mit Urteil vom 22. Dezember 2010 verurteilte das Landgericht Trier den Kläger wegen Mittäterschaft an einer gefährlichen Körperverletzung nach §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 3, 25 Abs. 2 Strafgesetzbuch zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Die hiergegen vom Kläger eingelegte Revision verwarf der Bundesgerichtshof am 3. August 2011 als unbegründet. Die daraufhin vom Kläger am 22. September 2011 erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 9. Februar 2012 - 2 BvR 2417/11 - ohne Begründung nicht zur Entscheidung angenommen.
- 4
Der Verurteilung des Klägers legte das Landgericht Trier - verkürzt - folgende Sachverhaltsfeststellungen zugrunde: der Kläger habe zu einer etwa acht- bis neunköpfigen Gruppe gehört, die am 18. Mai 2009 drei Personen auf deren Weg von der Polizeiinspektion in die Trierer Innenstadt abgepasst habe, um sich an diesen dafür zu revanchieren, dass sie zuvor Wahlplakate der NPD abgerissen hätten. Dabei sei der Gruppe um den Kläger bekannt gewesen, dass die betreffenden Personen bereits von der Polizei festgenommen und zur Sache vernommen worden seien. Eine der drei Personen sei sodann durch Faustschläge und Tritte verletzt worden. Der Kläger sei bei den Verletzungshandlungen zwar zugegen gewesen, habe sich aber nicht aktiv daran beteiligt. Das Landgericht sah die Voraussetzungen der Mittäterschaft als erfüllt an, da die Gruppe einen gemeinsamen Tatplan gehabt habe und der Kläger als "Hauptinitiator des gesamten Geschehens" - so das Landgericht wörtlich - einen wesentlichen Tatbeitrag geleistet habe.
- 5
Der Stadtrat der Beklagten fasste aufgrund besagter Verurteilung des Klägers am 22. September 2011 in nichtöffentlicher Sitzung einstimmig den Beschluss, den Kläger auf der Grundlage des § 31 Abs. 1 Gemeindeordnung - GemO - aus seinen Reihen auszuschließen. Zusätzlich ordnete er die sofortige Vollziehung der Ausschlussentscheidung an. Über die unter Ziffer 1. den Ausschluss und unter Ziffer 2. die Anordnung des Sofortvollzugs umfassende Beschlussvorlage wurde im Gesamten in geheimer Abstimmung entschieden, nachdem der Oberbürgermeister zuvor festgestellt hatte, dass ein Antrag auf getrennte Abstimmung zu den Punkten 1 und 2 der Vorlage nicht gestellt worden war.
- 6
Die Einladung zu der Stadtratssitzung vom 22. September 2011 mit der ausschließlich den Tagesordnungspunkt "Ausschluss des Ratsmitgliedes ... aus dem Stadtrat gem. § 31 der Gemeindeordnung" enthaltenden Tagesordnung wurde den Mitgliedern des Stadtrates unter dem 13. September 2011 übermittelt. Zugleich erhielt der Kläger Gelegenheit, sich zu der der Einladung anliegenden Beratungs- und Entscheidungsvorlage Nr. 382/2011 vom 12. September 2011 schriftlich zu äußern. Hiervon machte er mit Schreiben vom 22. September 2011 Gebrauch, das er der Beklagten am selben Tag per Email um 13:09 Uhr mit der Bitte um umgehende Weiterleitung an alle Ratsmitglieder übersandte. Zu Beginn der Stadtratssitzung äußerte der Kläger, dass ihm im Hinblick auf seinen zu erwartenden Ausschluss von der Sitzung wegen Befangenheit nach § 22 GemO zumindest das Recht gewährt werden müsse, mündlich seine Position darzulegen. Nach Annahme der Tagesordnung durch den Stadtrat räumte der Oberbürgermeister dem Kläger sodann Gelegenheit ein, sich mündlich zur Vorlage zu äußern, wobei er betonte, dass dies rechtlich nicht notwendig sei, da eine schriftliche Anhörung des Klägers zu seinem geplanten Ausschluss bereits stattgefunden habe. Der Kläger nahm umfassend zur Beschlussvorlage Stellung. Anschließend schloss der Stadtrat ihn durch einstimmigen Beschluss wegen Befangenheit von der Beratung und Entscheidung über die Vorlage aus. Nachdem er den Sitzungssaal verlassen hatte, signalisierten die sechs Fraktionsvorsitzenden für ihre jeweilige Fraktion, die Verwaltungsvorlage uneingeschränkt mitzutragen. Dem schloss sich der Abstimmungsvorgang an.
- 7
Die Stadtratsvorlage 382/2011, auf deren Grundlage der Beschluss über den Ausschluss des Klägers erging, wurde - versehen mit einem Beschlussvermerk des Sitzungsdienstes sowie einer Rechtsmittelbelehrung - dem Kläger am 26. September 2011 übermittelt.
- 8
Darin begründete die Beklagte die getroffene Entscheidung damit, dass der Kläger durch die Straftat die für ein Ratsmitglied erforderliche Unbescholtenheit verwirkt habe. Das Vertrauensverhältnis zwischen dem Kläger als Volksvertreter und den von ihm Vertretenen sei aufgrund der Verurteilung und der ihr zugrunde liegenden Straftat in ganz besonderem Maße gestört. Der Kläger habe sich durch die Tat über das Recht und das Gewaltmonopol des Staates hinweggesetzt. Dabei habe er eine Strafe gewählt, die selbst dem Staat bei schwersten Delikten nicht zur Verfügung stehe. In dem ungleichen Verhältnis von acht zu eins sei das schon wehrlos am Boden liegende Opfer in menschenverachtender Weise mit Fußtritten und Schlägen gegen Kopf und Rumpf so erheblich verletzt worden, dass es ins Krankenhaus habe eingeliefert werden müssen. Der ihm entgegengebrachten öffentlichen Achtung habe sich der Kläger hiermit als unwürdig erwiesen. Der Wähler könne ihm aber erst nach Ablauf der Wahlperiode das Vertrauen verweigern, so dass bis dahin der Stadtrat selbst die Integrität der politischen Willensbildung sicherzustellen habe. Das Interesse des Klägers, weiterhin an der demokratischen und rechtsstaatlichen Willensbildung im Stadtrat teilzunehmen, sei in Anbetracht der begangenen Tat nicht schutzwürdig. Die sofortige Vollziehung des Ausschlusses sei erforderlich um sicherzustellen, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Lauterkeit der Stadtratsmitglieder und damit der politischen Willensbildung in den Gemeindeorganen keinen Schaden nehme. Es sei geradezu unerträglich, wenn der Kläger, der sich mit Gewalt über das Recht und den Achtungsanspruch des Menschen hinweggesetzt habe, weiterhin an Entscheidungen im Stadtrat mitwirke, die ihrerseits für den Bürger verbindlich seien.
- 9
Der Kläger hat am 29. September 2011 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, § 31 GemO sei verfassungswidrig. Die Norm verletze den in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz - GG - garantierten Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl. Die in Streit stehende Bestimmung gebe der Gemeindevertretung das Recht, sich nach der Wahl zwischen Wähler und Wahlbewerber zu schieben und den Wählerwillen zu verfälschen. Damit hätten nicht mehr die Wähler das letzte Wort, sondern die Mitglieder des Gemeinderates. Ferner sei § 31 GemO vom unzuständigen Gesetzgeber erlassen worden. Die Bestimmung knüpfe die Sanktion des Ausschlusses aus dem Gemeinderat an das Vorliegen einer Straftat. Das Strafrecht aber sei nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung und der Bund habe die Materie abschließend geregelt. Insbesondere sehe § 45 StGB bei Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr den zwingenden Verlust der Amtsfähigkeit und der Wählbarkeit für fünf Jahre und in weiteren gesetzlich bestimmten Fällen die Möglichkeit der Aberkennung derselben durch den Strafrichter vor. Hierbei handle es sich um Nebenstrafen. Dem Landesgesetzgeber stehe es daher nicht zu, weitergehende Strafen einzuführen. Erst recht dürfe er nicht dem Gemeinderat die Möglichkeit eröffnen, neben der durch ein Gericht verhängten Strafe und über diese hinaus eine weitere, dem Gericht nicht zur Verfügung stehende Strafe zu verhängen. Hierin liege zugleich ein Verstoß gegen den in Art. 103 Abs. 3 GG normierten Grundsatz, dass niemand wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden dürfe. Auch der Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl werde insofern, als von ihm das passive Wahlrecht umfasst sei, durch die angegriffene Bestimmung verletzt. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht Einschränkungen des Allgemeinheitsprinzips aus zwingenden Gründen für zulässig erachtet. Auch habe es die bürgerlichen Ehrenrechte als Wählbarkeitsvoraussetzung anerkannt. Es sei im Fall einer strafrechtlichen Verurteilung aber nicht erkennbar und vom Bundesverfassungsgericht auch bisher nicht dargetan, inwiefern daraus ein zwingender Grund für die Einschränkung der Allgemeinheit der Wahl resultiere.
- 10
Weiter führt der Kläger aus, dass § 31 GemO, verstehe man ihn nicht als Strafgesetz, jedenfalls eine unverhältnismäßige Disziplinarmaßnahme vorsehe. Die Bestimmung sei auch darüber hinaus unverhältnismäßig. Dies zeige sich schon darin, dass sie die Aberkennung des Mandats auch dann zulasse, wenn der Strafrichter sie abgelehnt habe, sowie unter Voraussetzungen, die für eine strafrichterliche Aberkennung nicht genügten. Statt eines neutralen Richters entschieden dann politische Konkurrenten. Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz widerspreche auch, dass der Ausschluss mit einfacher Mehrheit beschlossen werden könne. Dies zeige ein Vergleich mit der Abwahl des Bürgermeisters, für welche die Gemeindeordnung ein mehrstufiges Verfahren vorschreibe, bei dem mehrere Sicherungsmaßnahmen Missbrauch vorbeugten. Auch habe der Gesetzgeber im Hinblick auf ehrenamtliche Bürgermeister und Beigeordnete von einer Abwahlmöglichkeit gerade abgesehen, um die Bereitschaft zur Übernahme eines solchen Amtes nicht unnötig zu erschweren.
- 11
Die Voraussetzung, dass der Verurteilte "die für ein Ratsmitglied erforderliche Unbescholtenheit" verloren haben müsse, sei kaum definierbar und liefe auf Verurteilungs- und Vorstrafenfreiheit hinaus. Es gebe keine spezifischen Standesregeln und Sitten, durch deren Beachtung sich Gemeinderatsmitglieder von der übrigen Bevölkerung unterschieden. Demgemäß gebe es auch keine gemeinderatsspezifische Unbescholtenheit. Andere Bundesländer kämen daher auch ohne eine solche Regelung aus.
- 12
Schließlich verletze es das Demokratieprinzip, dass die Klage eines ausgeschlossenen Gemeinderatsmitglieds keine aufschiebende Wirkung habe und somit das Ratsmitglied bis zum Abschluss des Verfahrens seine Mitgliedsrechte nicht ausüben könne. Eine Verletzung der in Art. 20 Abs. 2 GG garantierten Volkssouveränität sei ferner darin zu sehen, dass einem gewählten Volksvertreter in Rheinland-Pfalz aus Gründen das Mandat entzogen werde, die in keinem anderen Bundesland eine vergleichbare Folge nach sich zögen. Auch für rheinland-pfälzische Landtagsabgeordnete existiere eine solche Regelung nicht.
- 13
Im Hinblick auf die konkrete Entscheidung vom 22. September 2012 erweise sich bereits das Verfahren seines Ausschlusses aus dem Trierer Stadtrat als fehlerhaft. Die Beschlussfassung in nicht-öffentlicher Sitzung verstoße gegen das Gesetz, die getroffene Entscheidung sei daher ungültig. Nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GemO setze der Ausschluss der Öffentlichkeit das Vorliegen besonderer Gründe voraus, welche schwerer wögen als das demokratische Interesse an der Sitzungsöffentlichkeit. An solchen Gründen fehle es hier. § 6 Abs. 2 Nr. 5 der Geschäftsordnung des Rates der Stadt Trier, der einen generellen Ausschluss der Öffentlichkeit von der Beratung und Entscheidung nach § 31 GemO vorsehe, sei daher rechtswidrig und nichtig. Des Weiteren habe die Beklagte ihn nach § 22 Abs. 3 GemO nicht wegen Befangenheit von der Beratung und Entscheidung ausschließen dürfen, da sein Ausschluss eine Abwahl darstelle und die Befangenheitsregeln auf Wahlen keine Anwendung fänden. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger seinen Vortag dahingehend ergänzt, dass jedenfalls, sollte er zu Recht ausgeschlossen worden sein, die Beschlussfassung nach § 22 Abs. 6 Satz 1 GemO unwirksam sei, da er durch seine mündliche Stellungnahme an der Beratung mitgewirkt habe. Dies habe der Oberbürgermeister selbst zu erkennen gegeben, indem er ihm nach der Abstimmung über seine Befangenheit mitgeteilt habe, dass er "von der weiteren Beratung ausgeschlossen" sei.
- 14
Sein Ausschluss aus dem Stadtrat sei schließlich auch deshalb rechtswidrig, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 GemO nicht erfüllt seien. Dies folge zum einen daraus, dass nur die von einem Ratsmitglied in gerade dieser Eigenschaft begangenen Taten überhaupt geeignet seien, die für ein Ratsmitglied erforderliche Unbescholtenheit zu verwirken. Im seinem Fall weise die Tat, wegen derer er verurteilt worden sei, jedoch keinen Bezug zu seiner Amtsführung auf. Zum anderen mache das Gesetz deutlich, dass die Unbescholtenheit nicht durch die Verurteilung, sondern durch die Straftat verwirkt worden sein müsse. Da man nicht verwirken könne, was man nicht besitze, setze § 31 Abs. 1 GemO voraus, dass die Tatbegehung zeitlich nach der Wahl liege. Der ihm zur Last gelegte Sachverhalt habe sich aber vor der Wahl ereignet. Soweit die Vorschrift ferner verlange, dass das Ratsmitglied seine Unbescholtenheit durch die Straftat verwirkt habe, müsse der zur Verurteilung führende Sachverhalt im Ausschlussverfahren nach § 31 Abs. 1 GemO unabhängig aufgeklärt werden. Das Strafurteil gegen ihn sei zu Unrecht, insbesondere unter fehlerhafter Beweiswürdigung ergangen. Darüber hinaus müsse in seinem Fall berücksichtigt werden, dass der Wähler im Zeitpunkt der Wahl von der Tat gewusst habe. Die Presse habe umfassend und in einer die Unschuldsvermutung ignorierenden Art und Weise über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe berichtet. Insofern sei die Mehrheit der Bevölkerung schon im Zeitpunkt der Wahl davon ausgegangen, dass er sich wegen Körperverletzung strafbar gemacht habe. Dass er dennoch gewählt worden sei, zeige, dass die Wähler ihm vertrauten. Dieser Wählerwille dürfe nicht ignoriert werden.
- 15
Der Kläger beantragt,
- 16
den Bescheid der Beklagten vom 22. September 2011 über seinen Ausschluss aus dem Stadtrat der Stadt Trier aufzuheben.
- 17
Die Beklagte beantragt,
- 18
die Klage abzuweisen.
- 19
In Ergänzung zu ihren bereits im Verwaltungsverfahren getätigten Ausführungen legt sie insbesondere dar, dass § 31 GemO mit verfassungsrechtlichen Vorgaben in Einklang stehe. Insofern als er den Ausschluss eines gewählten Gemeinderatsmitglieds unter bestimmten Voraussetzungen ermögliche, beeinflusse § 31 Abs. 1 GemO die Unmittelbarkeit der Wahl nicht. Die Wahl selbst sei im Zeitpunkt eines Ausschlusses bereits erfolgt. Außerdem habe die Norm keinen strafenden oder erzieherischen Charakter, sondern ziele darauf ab, die Unbescholtenheit des Gemeinderats als Organ zu schützen. Dies zeige sich schon daran, dass der Gemeinderatsausschluss nicht mit einem Verlust der Wählbarkeit oder Amtsfähigkeit verbunden sei, sondern nur den Entzug des konkreten Mandats für die Dauer der Wahlperiode zum Gegenstand habe. Insofern verletze § 31 GemO weder die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern im Rahmen der Gesetzgebung, noch das Verbot der Doppelbestrafung gem. Art. 103 Abs. 3 GG. Dem Verhältnismäßigkeitsprinzip trage die Bestimmung dadurch Rechnung, dass sie hohe materielle Anforderungen an einen Ausschluss stelle. Einem Missbrauch der Ausschlussmöglichkeit zu politischen Zwecken werde hierdurch vorgebeugt. Bei der Abwahl hauptamtlicher Bürgermeister und Beigeordneter hingegen bestehe lediglich ein Verbot der Willkür und der Verfolgung zweckwidriger Erwägungen. Überdies sei die Entscheidung nach § 31 Abs. 1 GemO in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar, auch Eilrechtsschutz könne gewährt werden.
- 20
Die Voraussetzungen für den Ausschluss des Klägers nach § 31 Abs. 1 GemO seien auch erfüllt. Insbesondere habe der Kläger die für ein Ratsmitglied erforderliche Unbescholtenheit verwirkt. Hierfür sei nicht erforderlich, dass die Verurteilung auf einer gerade in der Eigenschaft als Ratsmitglied begangenen Tat beruhe. Vielmehr gehe es um die Wirkung des strafbaren Verhaltens auf den Bürger und darum, dass dieser nach der Wahl keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Gemeinderates mehr nehmen könne. Vorliegend habe der Kläger die Grenze des für einen Mandatsträger noch hinnehmbaren Verhaltens überschritten, indem er sich über wesentliche Grundsätze des demokratischen Rechtsstaats hinweggesetzt habe. Trotz der breiten Berichterstattung an den Medien könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Wähler sich des vollen Umfangs der Tat und des Ausmaßes der Beteiligung des Klägers hieran bewusst gewesen sei. Da die Grundlagen, auf denen die Wähler ihre Wahlentscheidung getroffen hätten, nachträglich ohnehin nicht mehr ermittelt werden könnten, müsse praktisch auf das durchschnittliche Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und Mandatsträger abgestellt und davon ausgegangen werden, dass der Wähler erst nach einer rechtskräftigen Verurteilung und Offenlegung des gerichtlich festgestellten Sachverhalts eine endgültige Entscheidung treffe. Vorliegend sei aufgrund der Verurteilung des Klägers das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Wähler nachhaltig gestört, was sich auf das Ansehen des gesamten Rates negativ auswirke, so dass auch das Vertrauen des Bürgers in die Kommunalvertretung als solche beeinträchtigt sei. Es liege somit hier einer der besonderen Ausnahmefälle vor, in denen die Wählerentscheidung auf Grundlage unzureichender Informationen getroffen worden sei. Ferner dürfe der Rat bei der Prüfung, ob ein Ratsmitglied seine Unbescholtenheit verwirkt habe, von den Feststellungen des Strafrichters und dem von diesem gesprochenen Unwerturteil ausgehen, ohne selbst eine erneute Strafbarkeitsprüfung vornehmen zu müssen. Die Entscheidung, den Kläger auszuschließen, sei ermessenfehlerfrei ergangen, insbesondere habe dieser vor der Beratung und Abstimmung ausführlich Stellung nehmen können.
- 21
In formeller Hinsicht habe der Beschluss ebenfalls Bestand. Der Ausschluss der Öffentlichkeit sei aufgrund von § 6 Abs. 2 Nr. 5 der Geschäftsordnung des Rates der Stadt Trier erfolgt und im Hinblick auf § 35 Abs. 1 Satz 2 GemO nicht zu beanstanden. Der besondere Grund für die Behandlung von Entscheidungen nach § 31 Abs. 1 GemO in nicht-öffentlicher Sitzung bestehe darin, dass die Umstände der Verurteilung und die Gründe für die Verwirkung der Unbescholtenheit des Ratsmitglieds - also auch dessen Charakterzüge und Wesensmerkmale - in der Sitzung erörtert würden, so dass Persönlichkeitsrechte besonders betroffen seien. Das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit überwiege nicht das Interesse des Betroffenen an der Vertraulichkeit im Hinblick auf die gegenüber seiner Person geäußerten Bedenken. Eine öffentliche Erörterung könne für das Ratsmitglied negative Auswirkungen bis in den Bereich privater Lebensführung hinein haben. Daher rechtfertige auch die Natur des Beratungsgegenstands nach § 35 Abs. 1 2. Alt. GemO den Ausschluss der Öffentlichkeit. Schließlich liege Sinn und Zweck des Ausschlusses der Öffentlichkeit auch darin, eine objektive und unbeeinflusste Amtsausübung der Ratsmitglieder zu gewährleisten. Im Fall des Klägers sei aber mit einer massiven Einflussnahme von außen und mit Störungen des Sitzungsablaufs bei Zulassung der Öffentlichkeit zu rechnen gewesen. Der Ausschluss des Klägers selbst von der Entscheidung habe seine Grundlage in § 22 Abs. 1 Nr. 1 GemO, denn der Verlust des Mandats habe ihm einen unmittelbaren Nachteil gebracht. Der Ausschluss aus dem Gemeinderat sei keine Wahl im Sinne von § 22 Abs. 3 GemO. Hierunter fielen nur personenbezogene Auswahlentscheidungen. Der Kläger habe auch nicht trotz Befangenheit an der Entscheidung mitgewirkt. Er sei lediglich zu seinem Ausschluss angehört worden.
- 22
Den Antrag des Klägers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Stadtratsausschluss wiederherzustellen, hat das erkennende Gericht mit Beschluss vom 29. September 2011 (1 L 1304/11.TR) abgelehnt Die hiergegen beim Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz eingelegte Beschwerde (2 B 11158/11.OVG) wurde zurückgewiesen.
- 23
Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen der Beteiligten, den Verwaltungsakten der Beklagten (2 Bände, 1 Heftung) sowie den Gerichtsakten 1 L 1304/11.TR und 1 L 454/12.TR. Diese lagen dem Gericht vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
- 24
Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Der Beschluss der Beklagten vom 22. September 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -.
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Die Klage ist zulässig. Die Entscheidung des Stadtrats nach § 31 Gemeindeordnung - GemO - in der Fassung vom 31. Januar 1994 (GVBI. S. 153) über den Ausschluss eines Ratsmitglieds ist ein im Wege der Anfechtungsklage angreifbarer Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - i. V. m. § 1 Abs. 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz. Der dahingehende Beschluss des Gemeinderats ergeht gegenüber dem ausgeschlossenen Mitglied als hoheitliche Maßnahme mit Regelungscharakter. Der Betroffene verliert damit seine Stellung als Gemeinderatsmitglied. Statthafte Klageart gegen den Ausschluss ist mithin die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO und nicht das zur Klärung von Rechtsstreitigkeiten betreffend die Innenbeziehungen einzelner Organe, Organvertreter oder Organteile einer Körperschaft zur Verfügung stehende Kommunalverfassungsstreitverfahren. Dies indizieren auch die in § 31 Abs. 3 Satz 3 GemO verwandte Terminologie der Unanfechtbarkeit des Ausschlusses und die Bestimmung des § 31 Abs. 4 Satz 2 GemO, wonach das Vorverfahren nach der Verwaltungsgerichtsordnung entfällt.
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Der vom Kläger angegriffene Beschluss des Trierer Stadtrats vom 22. September 2011 hält rechtlicher Überprüfung Stand. Die Klage ist daher unbegründet.
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Die Beklagte durfte von der Ausschlussmöglichkeit des § 31 Abs. 1 GemO Gebrauch machen. Danach kann ein Ratsmitglied, das nach seiner Wahl durch Urteil eines deutschen Strafgerichts rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten verurteilt wird, durch Beschluss des Gemeinderats aus dem Gemeinderat ausgeschlossen werden, wenn es durch die Straftat die für ein Ratsmitglied erforderliche Unbescholtenheit verwirkt hat. Die Norm steht mit verfassungsrechtlichen Vorgaben in Einklang (1.) und ihre Voraussetzungen sind im Fall des Klägers formell (2.) und materiell (3.) erfüllt.
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1. § 31 Abs. 1 GemO ist verfassungskonform und durfte daher von der Beklagten als Rechtsgrundlage für den Ausschluss des Klägers aus dem Stadtrat herangezogen werden.
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Dies gilt zunächst in formeller Hinsicht. Der Landesgesetzgeber war nach den Regeln föderaler Kompetenzverteilung zur Schaffung des § 31 GemO befugt. Der Kläger zieht dies in Zweifel, da § 45 Abs. 1 und 4 Strafgesetzbuch - StGB - bereits vorsehen, dass die Verurteilung wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr für die Dauer von fünf Jahren zum Verlust der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, führt. Dies gilt auch, wenn die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird (Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch Kommentar, 28. Aufl. 2010, § 45 Rn. 3). Ferner bestimmt § 45 Abs. 2 StGB, dass das Strafgericht dem Verurteilten die Amtsfähigkeit und das passive Wahlrecht für die Dauer von zwei bis zu fünf Jahren aberkennen kann, soweit das Gesetz dies besonders vorsieht. Diese Möglichkeit eröffnen beispielsweise §§ 92 a, 101, 102 Abs. 2, 109 i, 129 a Abs. 8, 264 Abs. 6 Satz 1 StGB im Hinblick auf u. a. staatsgefährdende Straftaten sowie Subventionsbetrug jeweils neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten, teilweise auch einem Jahr. Bei bestimmten Amtsdelikten kann der Strafrichter nach § 358 StGB neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten die Amtsfähigkeit, jedoch nicht das passive Wahlrecht aberkennen. Bei Wahlfälschung, Wahlbehinderung, Wählernötigung und Wähler- oder Abgeordnetenbestechung können nach §§ 108 c, 108 e Abs. 2 StGB - ebenfalls neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten - das aktive und das passive Wahlrecht aberkannt werden.
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Wie der Kläger zutreffend ausführt, hat der Bundesgesetzgeber bei Schaffung der genannten Bestimmungen seine Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG ausgeübt. Danach ist das Strafrecht Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung mit der Folge, dass die Länder gemäß Art. 72 Abs. 1 GG nicht zur Regelung befugt sind, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit in diesem Bereich Gebrauch gemacht hat. Dabei umfasst eine zugewiesene Kompetenzmaterie auch nicht ausdrücklich hierunter zu fassende Regelungsgegenstände, wenn diese zur Hauptmaterie in einer funktionalen, deren Vorbereitung und Durchführung dienenden Beziehung stehen (Annexkompetenz) oder wenn ein Übergreifen unerlässlich ist, weil die Hauptmaterie andernfalls verständigerweise nicht geregelt werden kann (Kompetenz kraft Sachzusammenhangs; siehe zum Ganzen Degenhart, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 4. Aufl. 2007). Die oben genannten Vorschriften sehen die zwingende oder fakultative Aberkennung der Amtsfähigkeit und Wählbarkeit als Nebenfolge einer strafrechtlichen Verurteilung vor. Nebenfolgen sind zwar nicht Teil der Strafe, haben jedoch - jedenfalls überwiegend - strafähnlichen Charakter. Hierfür spricht die systematische Stellung der Nebenfolgen innerhalb des Strafgesetzbuchs im Titel "Strafen" und vor dem Titel "Strafbemessung". Die Dauer der Aberkennung hat sich daher nach überwiegender Ansicht nach den allgemeinen Strafzumessungsregeln des § 46 StGB zu bestimmen (für die h. M.: Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch Kommentar, 28. Aufl. 2010, § 45 Rn. 4; von Heintschel-Heinegg, in: von Heintschel-Heinegg, BeckOK StGB, Stand: 15.03.2012, § 45 Rn. 4).
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§ 31 Abs. 1 GemO hat hingegen keinen pönalen, sondern einen auf Gestaltung der kommunalen Selbstverwaltung gerichteten Charakter. Daher stand dem Land die Gesetzgebungskompetenz für das Kommunalrecht auch in Ansehung dieser Bestimmung zu. Ehe sie 1954 als § 28 Eingang in das damalige Selbstverwaltungsgesetz für Rheinland-Pfalz fand, war eine im Wesentlichen gleichlautende Regelung in § 39 a des Gemeindewahlgesetzes vom 13. September 1952 enthalten Dessen Schaffung diente ausweislich der Begründung der Regierungsvorlage (LT-Drucks. II-343 v. 7. Juli 1952) dazu, die Achtung vor der Gemeindevertretung und ihr Ansehen zu stärken. Die Aufnahme der Regelung in das Selbstverwaltungsgesetz erfolgte wegen des näheren Sachbezugs, da Bestimmungen über den Ausschluss von Ratsmitgliedern dogmatisch nicht dem Wahlrecht zuzuordnen sind (Protokoll über die 63. Sitzung des Hauptausschusses am 19. Mai 1954, S. 9). § 31 GemO verfolgt somit weder repressive und jedenfalls nicht in erster Linie strafpräventive Ziele, sondern will das Organ Gemeinderat und damit im weitesten Sinne die Funktionsfähigkeit der gemeindlichen Selbstverwaltung schützen. Er dient dem Schutz der Lauterkeit und des Ansehens des Gemeinderats als Organ kommunaler politischer Willensbildung (Gabler/Höhlein/Klöckner u. a., PdK Rheinland-Pfalz, GemO § 31, Ziffer 2).
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Die Gesetzgebung betreffend die Selbstverwaltung der Kommunen und das kommunale Wahlrecht war zur Zeit der Schaffung der Vorgängerbestimmungen des § 31 GemO insgesamt von dem Bestreben getragen, demokratische Strukturen zu schaffen und zu stärken, deren Ansehen und Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen und Verfassungsfeinden den Missbrauch und die Diskreditierung demokratischer Institutionen und Organe zu erschweren. Dies wird in den Gesetzesmaterialien an verschiedenen Stellen erkennbar (siehe beispielsweise LT-Prot. vom 9. September 1952, S. 833 ff., 858 ff.; LT-Prot. vom 12. Juli 1954, S. 2112 ff.; 2119 ff.). Diese Zielsetzung wirkt unverändert fort.
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Dementsprechend ist auch entgegen dem klägerischen Vorbringen der in Art. 103 Abs. 3 GG normierte Rechtsgrundsatz "ne bis in idem", dass niemand wegen derselben Tat aufgrund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden darf, nicht berührt. Das Verbot der Doppelbestrafung bezieht sich, wie aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf die allgemeinen Strafgesetze folgt, allein auf Sanktionen nach dem Kriminalstrafrecht (Degenhart, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 4. Aufl. 2007, Art. 103 Rn. 80) und nicht auf solche des Ordnungswidrigkeitenrechts, des Berufsstrafrechts und des Disziplinarrechts. Erst recht sind hiervon nicht präventive oder sonstige neben der Strafe von der Verwaltung aus Anlass einer strafrechtlichen Verurteilung verhängte Maßnahmen umfasst (Radtke/Hagemeier, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Stand: 1.4.2012, Art. 103 Rn. 47).
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Eine Verletzung von Wahlgrundsätzen, wie vom Kläger gerügt, liegt ebenfalls nicht vor. Die Beachtung der Grundsätze der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl wird, u. a. für die Wahl der Gemeindevertretungen, durch Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG sowie Art. 50 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 76 der Verfassung für Rheinland-Pfalz - LV - verfassungsrechtlich garantiert.
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Dies gilt zunächst mit Blick auf den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl. Ihm ist genüge getan, wenn "von Beginn der Stimmabgabe an das Wahlergebnis nur noch von einer einzigen Willensentscheidung, nämlich derjenigen der Wähler selbst abhängt, abgesehen allein von Nichtannahme, späterem Rücktritt oder ähnlichen Handlungen der Gewählten selbst" (BVerfG, Beschluss vom 11. November 1953 - 1 BvL 67/52 -, BVerfGE 3, 45). Das Wahlverfahren muss also so gestaltet sein, dass jede abgegebene Stimme automatisch bestimmten oder bestimmbaren Wahlbewerbern zugerechnet werden kann, ohne dass erst nach der Stimmabgabe eine Zwischeninstanz nach ihrem Ermessen die Abgeordneten endgültig auswählt (BVerfG, Entscheidung vom 3. Juli 1957 - 2 BvR 9/56 -, BVerfGE 7, 63; Beschluss vom 9. Juli 1957-2 BvL 30/56 BVerfGE 7, 77; Beschluss vom 15. Februar 1978 - 2 BvR 134/76, 2 BvR 268/76 BVerfGE 47, 253). Der Unmittelbarkeitsgrundsatz hat folglich die Art und Weise der Zuteilung der Mandate zum Gegenstand.
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Eine Einschränkung erfährt dieser Grundsatz durch § 31 Abs. 1 GemO nicht. Die Mitgliedschaft des ausgeschlossenen Gemeinderatsmitglieds ist bis zum Zeitpunkt seines Ausschlusses wirksam und rechtmäßig. Entscheidungen, an denen der Betroffene mitgewirkt hat, haben Bestand. Seine eigene Legitimation ist - ebenso wie die der nach § 31 Abs. 3 GemO zu bestimmenden Ersatzperson - unmittelbar auf den Wählerwillen zurückzuführen. Der Gemeinderat schiebt sich also nicht als Auswahlinstanz zwischen Wähler und Gewählten. Freilich liegt im Fall des Ausschlusses auch kein autonomer Rücktritt oder Verzicht im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung vor, sondern vielmehr ein erzwungenes Ausscheiden. Die vom Strafgericht festgestellten Tatsachen, die hierzu geführt haben, hat der Betroffene aber eigenverantwortlich und in Kenntnis der möglichen Folgen geschaffen.
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Die angegriffene Regelung bewirkt jedoch einen Eingriff in die Allgemeinheit der Wahl und die Wahlrechtsgleichheit. Beide Grundsätze beinhalten gegenüber Art. 3 Abs. 1 GG spezielle Gleichheitsgewährleistungen (BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 1998 - 2 BvR 1953/95 -, BVerfGE 99, 1).
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Das verfassungsrechtliche Prinzip der allgemeinen Wahl erfordert grundsätzlich, dass jedermann an Wahlen teilnehmen kann. Es schützt damit das aktive und passive Wahlrecht als das Recht zu wählen und gewählt zu werden. Mithin verbietet es dem Gesetzgeber, bestimmte Bevölkerungsgruppen aus politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Gründen von der Ausübung des Wahlrechts auszuschließen (BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 1973 - 2 BvC 3/73 -, BVerfGE 36, 139; Beschluss vom 7. Oktober 1981 - 2 BvC 2/81 -, BVerfGE 58, 202). Im Bereich des Wahlrechts verbleibt dem Gesetzgeber daher nur ein eng bemessener Spielraum für Differenzierungen. So ist anerkannt, dass bestimmte Einschränkungen wie Mindestalter, Wohnsitzerfordernis usw. sachlich begründet und daher zulässig sind (BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1973 - 2 BvC 3/73 -, BVerGE 36, 139; Beschluss vom 7. Oktober 1981 - 2 BvC 2/81 BVerfGE 58, 202). Dies gilt in erhöhtem Maße für Beschränkungen des passiven Wahlrechts, da an die Persönlichkeit der Mitglieder der Vertretungsorgane qualitativ höhere Anforderungen gestellt werden können als an die Wahlberechtigten (Schuck/Unglaub/Lehmler, PdK Rheinland-Pfalz, Kommunalwahlrecht, Stand: Mai 2009, Ziffer 1.1.1; vgl. auch EGMR, Urteil vom 11. Juni 2009 - 77568/01, 178/02 u. 505/02 Petkov u.a./Bulgarien, NVwZ 2010, 1479: danach darf das vom Schutz des Art. 3 ZP I EMRK umfasste passive Wahlrecht auch ohne ausdrückliche Regelung eingeschränkt, aber nicht in seinem Wesensgehalt angetastet werden und nicht seine Wirksamkeit verlieren. Einschränkungen müssen mit dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit vereinbar und mit ausreichenden Sicherungen gegen Willkür versehen sein). Demzufolge bestimmen Art. 76 Abs. 1 und 2 LV, §§ 2 und 4 Kommunalwahlgesetz - KWG -, dass zum Gemeinderat jeder Volljährige gewählt werden kann, der seit mindestens drei Monaten in der Gemeinde eine Wohnung bzw. seine Hauptwohnung hat und nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen ist oder infolge Richterspruchs oder nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt die Wählbarkeit oder die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzt. Vergleichbare Regelungen enthalten § 15 Bundeswahlgesetz und § 32 Landeswahlgesetz.
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Der Ausschluss aus dem Gemeinderat nach § 31 GemO bewirkt zwar nicht den Verlust der Wählbarkeit im Sinne von §§ 2, 4 Abs. 2 KWG. Der Betroffene kann ungeachtet seines Ausschlusses weiterhin für Ämter kandidieren und an der nächsten Gemeinderatswahl erneut teilnehmen (Gabler/Höhlein/Klöckner u. a., PdK Rheinland-Pfalz, GemO § 31, Ziffer 4). Vom Recht eines jeden Gemeindebürgers, der die o. g. Grundvoraussetzungen der Wählbarkeit erfüllt, sich in die kommunalen Vertretungskörperschaften wählen zu lassen, ist jedoch, damit dieses Recht keine leere Hülle bleibt, auch das Recht umfasst, ein einmal erworbenes Mandat bis zum Ende der Wahlperiode innezuhaben und auszuüben (vgl. zur Beschränkung der Wählbarkeit von Angehörigen des Öffentlichen Dienstes gem. Art. 137 GG: BVerfG, Beschluss vom 21. Januar 1975 - 2 BvR 193/74 -, BVerfGE 38, 326). Dieses Recht schränkt die angegriffene Regelung ein, indem sie es ermöglicht, einem gewählten Gemeindevertreter aus den in § 31 Abs. 1 GemO genannten Gründen sein Mandat zu entziehen.
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Nach dem Grundsatz der gleichen Wahl muss darüber hinaus jedermann sein passives und aktives Wahlrecht in formal gleicherweise ausüben können (Magiera, in: Sachs: Grundgesetz Kommentar, 4. Aufl. 2007, Art. 38 Rn. 90; BVerfG, Entscheidung vom 11. Oktober 1972 -2 BvR 912/71 - BVerfGE 34, 81). Die Ausgestaltung des passiven Wahlrechts wird daher maßgeblich durch diesen Grundsatz geprägt (BVerfG, Beschluss vom 4. April 1978 - 2 BvR 1108/77 -, BVerfGE 48, 64). Er verleiht dem gewählten Bewerber insbesondere das Recht, ein errungenes Mandat anzunehmen und auszuüben (BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 1996 - 2 BvL 4/95 -, BVerfGE 93, 373). Im Fall eines Ausschlusses aus dem Gemeinderat wird dieses Recht beschnitten.
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Von der Garantie formaler Wahlgleichheit ist außerdem umfasst, dass jeder abgegebenen Stimme der gleiche Zähl- und bei der Verhältniswahl oder gemischten Wahlsystemen - zumindest grundsätzlich - auch der gleiche Erfolgswert zukommt (BVerfG, Urteil vom 30. Juni 2009 - 2 BvE 2/08 u. a. BVerfGE 123, 267; siehe auch zu Art. 3 des 1. Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK -: EGMR, Urteil vom 2. März 1987 - Nr. 9267/81, Mathieu-Mohin und Clerfayt/Belgien -, EGMRE 3, 376). Letzteres ist beim Ausschluss eines rechtmäßig gewählten Gemeinderatsmitglieds nicht in letzter Konsequenz der Fall. Zwar bleibt der nach den Grundsätzen der Verhältniswahl errungene Sitz, welcher auf die Liste des Ausgeschlossenen entfallen ist, erhalten. Das Kommunalwahlrecht enthält jedoch mit der Möglichkeit des Kumulierens (Stimmenhäufung auf einen Bewerber) und des Panaschierens (Auswahl von Bewerbern verschiedener Listen) ein stark personalisiertes Element. Das ausscheidende Mitglied wird daher in aller Regel mehr Stimmen auf sich vereint haben als die nachrückende Ersatzperson. Insofern ist der Erfolgswert der Wählerstimmen, die auf ihn entfallen sind, nach seinem Ausscheiden geringer als der Erfolgswert anderer abgegebener Stimmen. Es ist aber gerade Sinn und Zweck der - personalisierten - Verhältniswahl, den politischen Willen der Wählerschaft im Parlament möglichst wirklichkeitsnah abzubilden.
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Die Wahlrechtsgrundsätze sind Ausfluss des in Art. 20 Abs. 1 und 2 GG sowie Art. 74 Abs. 1 und 2 LV verfassungsrechtlich verankerten Demokratieprinzips und durch dieses geprägt (BVerfG, Beschluss vom 15. Februar 1978 - 2 BvR 373/60, 2 BvR 442/60 - BVerfGE 47, 253; Urteil vom 26. Oktober 2004 - 2 BvE 1/02, 2 BvE 2/02 -, BVerfGE 111, 382). Der Kern dieses Prinzips besteht darin, dass alle staatliche Gewalt vom Volke ausgeht. Es ist Träger der Staatsgewalt und übt diese selbst in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung aus (Sachs, in: Sachs: Grundgesetz Kommentar, 4. Aufl. 2007, Art. 20 Rn. 12). Dies gilt gem. Art. 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG auch für die Organe und Vertretungen der Gemeinden (BVerfG, Beschluss vom 15. Februar 1978 - 2 BvR 134/76, 2 BvR 268/76 -, BVerfGE 47, 253). Fordert das demokratische Prinzip der Volkssouveränität mithin die Legitimation aller staatlichen Gewalt durch das Volk, so verlangt es im Umkehrschluss die Repräsentanz der gewählten Volksvertreter in den Vertretungsgremien (Gern, Kommunalrecht Baden-Württemberg, 8. Aufl. 2011, Rn. 181). Es verbietet also grundsätzlich Behinderungen im Zugang zum Mandat und in der Ausübung des Mandats (BVerfG, Beschluss vom 21. September 1976 - 2 BvR 350/75 -, BVerfGE 42, 312). Die demokratische Legitimation der Gemeinderäte ist dabei, soweit das Verfahren der personalisierten Verhältniswahl Anwendung findet, besonders groß, da - wie oben bereits erwähnt - das Kommunalwahlrecht durch die in § 32 Abs. 1 KWG vorgesehenen Möglichkeiten des Kumulierens und Panaschierens gegenüber Landtags- oder Bundestagswahlen eine stärkere Personalisierung der Wahlentscheidung ermöglicht. Es trägt damit dem Gedanken Rechnung, dass auf kommunaler Ebene Parteizugehörigkeit und Parteipolitik unter Umständen eine geringere Rolle spielen als persönliches Ansehen, ggf. auch persönliche Bekanntschaft und gleiche Interessenlage im Hinblick auf Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Diese im Kommunalwahlrecht angelegte Personalisierung verstärkt mithin den durch den Ausschluss eines Gemeinderatsmitglieds bewirkten Eingriff in die im Wahlakt zum Ausdruck kommende Ausübung der Volkssouveränität.
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Dieser Eingriff erweist sich jedoch im Hinblick auf die mit § 31 Abs. 1 GemO verfolgten - legitimen - Ziele als gerechtfertigt. Begrenzungen des Demokratieprinzips und der aus ihm fließenden Prinzipien der Allgemeinheit und der Gleichheit der Wahl sind verfassungsrechtlich zulässig, sofern für sie ein zwingender Grund besteht (BVerfG, Urteil vom 5. April 1952 - 2 BvH 1/52 BVerfGE 1, 208; Beschluss vom 6. Mai 1970 - 2 BvR 158/70 -, BVerfGE 28, 220; Entscheidung vom 11. Oktober 1972 -2 BvR 912/71 -, BVerfGE 34, 81; Beschluss vom 9. März 1976 - 2 BvR 89/74, BVerfGE 41, 399; Beschluss vom 21. September 1976 - 2 BvR 350/75 -, BVerfGE 42, 312). Zu verlangen ist dabei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aber nicht, dass sich die vom Gesetzgeber vorgenommenen Differenzierungen von Verfassungs wegen als zwangsläufig oder notwendig darstellen, wie dies etwa in Fällen der Kollision der Wahlrechtsgleichheit mit den übrigen Wahlrechtsgrundsätzen oder anderen Grundrechten der Fall sein kann. Vielmehr bedürfen die Wahlrechtsgleichheit und -allgemeinheit einschränkende Regelungen verfassungsrechtlicher Legitimation, sie müssen ein den Wahlrechtsgrundsätzen jedenfalls entsprechendes Gewicht aufweisen und zur Erreichung ihrer Ziele geeignet, erforderlich und angemessen, also verhältnismäßig sein (BVerfG, Urteil vom 10. April 1997 - 2 BvC 3/96 -, BVerfGE 95, 408; BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1979 - 2 BvR 193/79, 2 BvR 197/79 - BVerfGE 51, 222). Dabei ist auch nicht erforderlich, dass die Verfassung diese Zwecke zu verwirklichen gebietet (BVerfG, a. a. O.). Es genügen vielmehr zureichende, aus der Natur der Sache sich ergebende Gründe (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. April 1952 - 2 BvH 1/52 -, BVerfGE 1, 208; Urteil vom 23. Januar 1975 - 2 BvE 2/56 -, BVerfGE 6, 84). Hierzu zählen insbesondere die Verwirklichung der mit der Parlamentswahl verfolgten Ziele, die Sicherung des Charakters der Wahl als eines Integrationsvorgangs bei der politischen Willensbildung des Volkes und die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der zu wählenden Volksvertretung (BVerfG, Urteil vom 10. April 1997 - 2 BvC 3/96 -, BVerfGE 95, 408, m. w. N.). Dies beruht auf der Überlegung, dass die Wahl nicht nur das Ziel hat, eine Volksrepräsentation zu schaffen, die ein Spiegelbild der im Volk vorhandenen politischen Meinungen darstellt, sondern auch ein Parlament als funktionsfähiges Staatsorgan hervorzubringen (BVerfG, Urteil vom 23. Januar 1975 -2 BvE 2/56 -, BVerfGE 6, 84).
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Ferner hat das Bundesverfassungsgericht die Repräsentations- und Funktionsfähigkeit des Parlaments sowie dessen Integrität und politische Vertrauenswürdigkeit als Rechtsgüter von Verfassungsrang und legitime Zwecke im Hinblick auf Eingriffe in den verfassungsrechtlich geschützten Abgeordnetenstatus anerkannt (BVerfG, Beschluss vom 21. Mai 1996 -2 BvE 1/95 -, BVerfGE 94, 351; Beschluss vom 20. Juli 1998 -2 BvE 2/98 -, BVerfGE 99, 19).
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Mit Blick auf die Wahl der Kommunalvertretungen hat das Bundesverfassungsgericht zur Definition dessen, was ein zwingender Grund für eine die wahlrechtlichen Gleichheitssätze durchbrechende Regelung sein kann, insbesondere auf deren Aufgabe, als Selbstverwaltungsorgan und alleiniger Träger der öffentlichen Verwaltung in ihrem Gebiet eigenverantwortlich über Gemeindeangelegenheiten Beschluss zu fassen und die notwendigen Wahlen ( beispielsweise des Bürgermeisters, Gemeindedirektors, der Ausschüsse) vorzunehmen, sowie auf die Funktionsfähigkeit der gemeindlichen Selbstverwaltung abgestellt (vgl. BVerfG, Urteil vom 23. Januar 1957 - 2 BvF 3/56 -, BVerfGE 6, 104; Entscheidung vom 12. Juli 1960 - 2 BvR 373/60, 2 BvR 442/60 -, BVerfGE 11, 266; Beschluss vom 6. Dezember 1961 -2 BvR 399/61 -, BVerfGE 13, 243).
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Der Gesetzgeber verfolgt danach mit § 31 GemO einen verfassungsrechtlich geschützten Zweck. Die Norm dient, wie oben dargelegt, dem Schutz von Ansehen und Akzeptanz des Organs Gemeinderat und damit im weitesten Sinne der Funktionsfähigkeit der in Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 49 Abs. 1 bis 3 LV gewährleisteten kommunalen Selbstverwaltung. Dieses Schutzgut kann verfassungsimmanente Schranke der Wahlgrundsätze sein. Die kommunale Selbstverwaltung ist ein tragender Pfeiler des demokratischen Rechtsstaats, da der Bürger hier der politischen Willensbildung am nächsten ist. Er nimmt an den Entscheidungen der kommunalen Organe besonderen Anteil, so dass sein Vertrauen in diese und die darin tätigen Persönlichkeiten besonderen Schutz genießt (VG Leipzig, Urteil vom 1. Dezember 1995 - 1 K 437/95 -, juris).
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Dabei muss dahingestellt bleiben, ob kommunale Selbstverwaltung auch ohne eine solche Regelung funktionsfähig wäre, was in Anbetracht des Umstands, dass andere Gemeindeordnungen ohne vergleichbare Bestimmungen auskommen, nahe liegt. Der Gesetzgeber verfügt nämlich über einen weiten Gestaltungsspielraum dahingehend, welche gesellschaftspolitischen Ziele er verfolgt und welcher Mittel zu deren Erreichung er sich bedient, solange Verfassungsgrundsätze dabei nicht verletzt werden (BVerfG, Entscheidung vom 25. Februar 1960 - 1 BvR 239/52, BVerfGE 10, 354).
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Dies vorangestellt, erweist sich die Möglichkeit, ein Gemeinderatsmitglied unter den Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 GemO auszuschließen, auch im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums als verhältnismäßig. Der Gesetzgeber ging vorliegend erkennbar von der weder willkürlichen, noch offensichtlich unzutreffenden Prämisse aus, dass das Ansehen des gewählten Gremiums Gemeinderat Einbußen erleidet, wenn ihm ein Mitglied angehört, das rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten verurteilt wurde und an dessen Eignung zur Repräsentation des Wahlvolks aufgrund der Tatbegehung erhebliche Zweifel angebracht sind. Um das Ansehen des Gemeinderats in seiner konkreten Zusammensetzung und das Vertrauen der Wahlbevölkerung in ebenjenen zu schützen, ist der Ausschluss eines strafrechtlich verurteilten Gemeinderatsmitglieds geeignet. Ein milderes und in gleichem Umfang Erfolg versprechendes Mittel - etwa ein Ausschluss auf Zeit - steht nicht zur Verfügung. Nur ein Ausschluss für den Rest der Amtszeit ermöglicht es, eine Ersatzperson nachrücken zu lassen und auf diese Weise die Weiterführung des Mandats zu gewährleisten sowie das Ansehen des Gemeinderats wieder herzustellen.
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Schließlich ist die Bestimmung auch im Hinblick auf die mit ihr verfolgten Ziele angemessen. Ein Überwiegen der oben genannten Schutzgüter des § 31 Abs. 1 GemO ist in den im Gesetz genannten Fällen und unter sorgfältiger Abwägung der betroffenen Rechtsgüter im Einzelfall denkbar. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Gemeinderat trotz des Bestehens gewisser parlamentstypischer Merkmale kein Parlament im Sinne der Gewaltenteilungslehre, sondern - wie sich aus § 28 Abs. 1 Satz 2 GemO ergibt - ein Verwaltungsorgan ist. Aus diesem Grund steht seinen Mitgliedern weder Immunität noch Indemnität zu, noch finden sonstige Grundsätze des Parlamentsrechts auf den Gemeinderat Anwendung (OVG Koblenz, DÖV 1996, 479; Gern, Deutsches Kommunalrecht, 3. Aufl. 2003, Rn. 314).
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Zwar steht die Regelung der zur Zeit ihrer Schaffung noch existierenden Vorstellung vom Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte inhaltlich nahe. So hatten die Vorgängernormen des § 45 StGB, welche als §§ 32 ff. bereits in der Ursprungsfassung des Strafgesetzbuchs vom 15. Mai 1871 (RGBl. S. 127) enthalten waren, noch den Verlust oder die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte bei Verurteilung zur Zuchthaus- oder mindestens dreimonatigen Freiheitsstrafe zum Gegenstand. Sie wurden mit Art. 8 des Ersten Strafrechtsreformgesetzes vom 25. Juni 1969 (BGBl. I S. 645) außer Kraft gesetzt. Nach dem BGH setzte deren Anwendung stets voraus, dass die Tat aus ehrloser Gesinnung heraus begangen wurde (Urteil vom 5. Januar 1954 - 2 StR 462/53 -, NJW 1954, 359). Auch ist nicht zu verkennen, dass für die strafrichterliche Aberkennung der Amtsfähigkeit nach § 45 Abs. 2 StGB, insbesondere bei Wahl- und Amtsdelikten (§§ 358 und 108c, 108 e StGB), stets eine Verurteilung zu mindestens sechs Monaten Freiheitsstrafe Voraussetzung ist.
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Dem steht aber gegenüber, dass § 31 Abs. 1 GemO im Gegensatz zu den genannten strafrechtlichen Bestimmungen nicht zum allgemeinen Verlust der Amtsfähigkeit und bzw. oder der Wählbarkeit für eine bestimmte Zeitdauer führt, sondern ausschließlich zum Verlust des im Zeitpunkt der Verurteilung innegehabten Gemeinderatsmandats. Ferner zielt die Norm auch nicht darauf ab, begangenes Unrecht zu sühnen oder dem ausgeschlossenen Ratsmitglied wegen eines unterstellten Ehrverlusts auf Dauer demokratische Mitwirkungsrechte abzuerkennen. Vielmehr setzt sie erkennbar gerade auch einen Ansehens- und Vertrauensverlust der Kommunalvertretung voraus, dessen Auslöser die Straftat des ausgeschlossenen Gemeinderatsmitglieds war. Diese allein kann nicht losgelöst von ihrer Wirkung auf die Öffentlichkeit und das kommunale Gemeinwesen zum Anlass genommen werden, ein Ratsmitglied auszuschließen. Insofern ist auch nicht die - in § 31 Abs. 1 GemO relativ niedrig angesetzte Mindestdauer der Freiheitsstrafe - maßgebend, sondern die unabhängig davon zu bewertenden Folgen der Tat für die Arbeit der Gemeindevertretung. Indem ferner tatbestandlich kumulativ zur Verurteilung zu einer mindestens dreimonatigen Freiheitsstrafe die Verwirkung der für ein Ratsmitglied erforderlichen Unbescholtenheit durch die Straftat gefordert wird und dem Gemeinderat ein Ermessensspielraum eingeräumt ist, gewährleistet § 31 Abs. 1 GemO, dass im Einzelfall ein Ausschluss nur beschlossen werden kann, wenn dem Gemeinderat ein Ansehens- und Vertrauensverlust erheblichen Ausmaßes droht, mithin das in der Selbstverwaltungsgarantie und im Demokratieprinzip wurzelnde Interesse an der Funktionsfähigkeit des Organs Gemeinderat eine Einschränkung des in der Wahlentscheidung zum Ausdruck gekommenen Wählerwillens überwiegt.
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Die Angemessenheit der Bestimmung ist auch im Hinblick auf ihre verfahrensmäßige Ausgestaltung gegeben.
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Soweit der Kläger rügt, § 31 Abs. 1 GemO sei unverhältnismäßig, da die Ausschlussentscheidung von politischen Konkurrenten des auszuschließenden Mitglieds und überdies mit einfacher Mehrheit getroffen werden könne, vermag er damit nicht durchzudringen. Insofern verweist der Kläger auch darauf, dass das Verfahren der Abwahl der hauptamtlichen Bürgermeister und Beigeordneten nach § 55 GemO wesentlich höhere Hürden aufstelle, indem dort ein von mindestens der Hälfte der gesetzlichen Zahl der Mitglieder des Gemeinderats gestellter Antrag und ein mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Mitglieder gefasster Beschluss nach namentlicher Abstimmung verlangt werde, § 55 Abs. 1 Sätze 2 und 3 GemO. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass die Abwahl nach § 55 GemO in der Regel aus politischen Gründen erfolgen wird. Sie setzt keine Verfehlungen des Bürgermeisters voraus und ist auch im Übrigen - im Gegensatz zur Ausschlussentscheidung nach § 31 Abs. 1 GemO - materiell nicht an bestimmte Voraussetzungen geknüpft (Gabler/Höhlein/Klöckner u. a., PdK Rheinland-Pfalz, Stand: April 2005, GemO § 55, Ziffer 1). Allein die Frage, ob die Abberufung eines Bürgermeisters auf einem "offenkundigen eklatanten Missbrauch" beruht, der Rat also im Rahmen der Einleitung des Abwahlverfahrens die äußerste Grenze der Ermessensausübung überschritten hat, kann von den Gerichten überprüft werden (OVG Lüneburg, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 10 L 231/89 -, DVBl. 1992, 982).
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Im Rahmen des § 31 GemO ist demgegenüber politischem Missbrauch bereits dadurch vorgebeugt, dass der Ausschluss eines Gemeinderatsmitglieds an gesetzliche Anforderungen geknüpft ist, die objektiv vorliegen müssen und nicht von Dritten, beispielsweise politischen Widersachern, herbeigeführt werden können. Mit der Forderung einer durch ein deutsches Strafgericht verhängten mindestens dreimonatigen Freiheitsstrafe und der Verwirkung der für ein Ratsmitglied erforderlichen Unbescholtenheit durch die Straftat stellt das Gesetz bereits eine hohe Hürde auf, ehe überhaupt ein Ausschluss in Frage kommt. Überdies muss die Tat in einer Weise negativ auf das Ansehen des Rates insgesamt reflektieren, dass dessen Schutz im Einzelfall die Einschränkung der betroffenen Rechte rechtfertigt. Die Entscheidung des Gemeinderats in dieser Frage ist schließlich in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar. Ein willkürlicher Ausschluss aus politischen Gründen ist mithin aufgrund der gesetzlichen Ausgestaltung ausgeschlossen.
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Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht daraus, dass alle anderen Bestimmungen, welche eine dauerhafte oder vorübergehende Entziehung des aktiven oder passiven Wahlrechts ermöglichen, einen Richterspruch voraussetzen. Auch der von der "European Commission for Democracy through Law (Venice Commission)" der Parlamentarischen Versammlung des Europarats am 6. November 2002 vorgelegte "Code of Good Practice in Electoral Matters" verlangt, dass die Entziehung des aktiven oder passiven Wahlrechts nur durch ausdrückliche gerichtliche Entscheidung erfolgen darf ("the withdrawal of political rights or finding of mental incapacity may only be imposed by express decision of a court of law.").
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Ungeachtet seines etwas anders gelagerten Anwendungsbereichs entspricht § 31 Abs. 1 GemO dem insofern, als dem von einem Ausschluss Betroffenen der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist und er insbesondere im Wege des gerichtlichen Eilrechtsschutzes eine sofortige Überprüfung der vom Gemeinderat getroffenen Entscheidung erreichen kann. Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO wird angesichts der Bedeutung der betroffenen Rechte bei geringsten Zweifeln an der Rechtsmäßigkeit der Ausschlussentscheidung die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen sein.
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§ 31 GemO erweist sich auch nicht mit Blick auf das Demokratieprinzip wegen der nach seinem Abs. 3 eintretenden Folge einer Ausschlussentscheidung als unverhältnismäßig. Nach dessen Satz 1 scheidet das ausgeschlossene Gemeinderatsmitglied mit dem Beschluss nach Abs. 1 vorläufig aus. Die nach dem Kommunalwahlgesetz zu bestimmende Ersatzperson tritt nach § 31 Abs. 3 Satz 3 GemO ihr Amt erst an, wenn der Ausschluss unanfechtbar geworden ist. Schließt sich der Ausschlussentscheidung ein langwieriger Rechtsstreit durch mehrere Instanzen an, kann der Ausschluss eines Ratsmitglieds danach zur Konsequenz haben, dass dessen Position für den Rest der Wahlperiode unbesetzt bleibt. Damit verbleibt aber ein Teil der Wählerschaft für einen beachtlichen Zeitraum ohne die ihm nach dem Kommunalwahlrecht an sich zustehende Vertretung in der kommunalen Volksvertretung. Dass im Fall nachträglicher Veränderungen der Zusammensetzung eines demokratisch gewählten Gremiums ein Sitz unbesetzt bleibt, ist zwar kein dem Recht grundsätzlich unbekanntes Phänomen. So sieht beispielsweise § 46 Abs. 4 Satz 3 Bundeswahlgesetz - BWG - vor, dass die Sitze von Abgeordneten einer nach der Wahl gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 GG für verfassungswidrig erklärten Partei, die nach einer Landesliste der für verfassungswidrig erklärten Partei oder Teilorganisation der Partei gewählt waren, unbesetzt bleiben. Ferner bestimmt § 48 Abs. 1 BWG, dass der Sitz eines Abgeordneten, der stirbt oder sonst nachträglich aus dem Deutschen Bundestag ausscheidet, unbesetzt bleibt, wenn die Landesliste seiner Partei erschöpft ist. Unter ähnlichen Prämissen nehmen auch §§ 22 Abs. 4 GemO und 46 Abs. 3 KWG grundsätzlich in Kauf, dass aufgrund des Ausscheidens von Mitgliedern Sitze im Gemeinderat unbesetzt bleiben. All diese Bestimmungen beziehen sich jedoch auf Konstellationen, in denen ein Nachrücken unter Beachtung wahlrechtlicher Grundsätze nicht möglich wäre, so dass als Alternative zu der Nichtbesetzung nur Neuwahlen in Betracht kämen. Vorliegend wäre aber eine Nachbesetzung aus der Wahlliste der Partei des Klägers möglich. Diese könnte hier allerdings nur vorläufig erfolgen, da im Fall der gerichtlichen Aufhebung des Ausschlusses das ausgeschlossene Mitglied sein Mandat wieder wahrnehmen dürfte. Eine vorläufige Mitgliedschaft ist dem Recht der Gemeindevertretung jedoch unbekannt. Sie scheidet daher aus. Somit ist die vorübergehende Vakanz quasi zwingend, wenn der für sofort vollziehbar erklärte Ausschluss angefochten wird. Diese Folge ist hinzunehmen, da sie nur eintreten wird, wenn um vorläufigen Rechtsschutz entweder nicht ersucht wird oder das Gericht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die aufschiebende Wirkung nicht wiederherstellt, was nur dann der Fall ist, wenn der Ausschluss offensichtlich rechtmäßig ist. In diesen Fällen hat der Ausgeschlossene es in der Hand, durch Verzicht auf sein Mandat den Weg für die Ersatzperson frei zu machen.
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Zwar ergibt sich aus Vorstehendem vordergründig ein Wertungswiderspruch zu § 46 Abs. 1 Sätze 2 und 3 KWG. Die genannte Bestimmung sieht für den Fall, dass die Verwaltungsbehörde feststellt, dass eine Partei oder ein Verein oder jeweils ein Teil davon eine Ersatzorganisation einer verbotenen Partei im Sinne von § 33 Abs. 3 des Parteiengesetzes ist, vor, dass die Ratsmitglieder und Ersatzleute, die dieser Ersatzorganisation zu irgendeiner Zeit zwischen der Zustellung des Verwaltungsakts und dem Eintritt der Unanfechtbarkeit desselben angehört haben, mit dem zuletzt genannten Zeitpunkt - also erst mit der Unanfechtbarkeit der Feststellung nach § 8 Abs. 2 Vereinsgesetz - ihre Mitgliedschaft oder Anwartschaft verlieren. Dasselbe gilt im Fall eines Vereinsverbots, sofern die Mitgliedschaft im Gemeinderat oder Anwartschaft hierauf auf einem Wahlvorschlag des betroffenen Vereins oder Teilvereins beruht. Partei- und Vereinsverbote setzen verfassungswidrige Bestrebungen im Sinne von Art. 21 Abs. 2 und 9 Abs. 2 GG voraus.
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Es besteht jedoch ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung beider Sachverhalte. Dieser liegt im Kern darin begründet, dass der von einem Ausschluss nach § 31 Abs. 1 GemO Betroffene, gegen den Ausschluss ein Rechtsmittel einlegen und damit - grundsätzlich - dessen Wirksamkeit hemmen kann. Gegen ein Vereinsverbot hingegen kann der Einzelne nicht um einstweiligen Rechtsschutz ersuchen, sondern nur der Verein selbst (HambOVG, Beschluss vom 6. Oktober 2000 - 4 Bs 269/00 -, NordÖR 2001, 108). Der Mandatsverlust nach § 46 Abs. 1 KWG tritt aber eo ipso mit dem Partei- oder Vereinsverbot ein, die Aufsichtsbehörde stellt diesen Verlust lediglich fest, § 46 Abs. 2 KWG. Dementsprechend hat der Einzelne hier keine Möglichkeit, den Verlust seines Mandats durch Einlegen eines Rechtsmittels zu hemmen. Ferner tritt in den Fällen eines Partei- oder Vereinsverbots der Mandatsverlust ggf. unabhängig von individuell vorwerfbarem Verhalten aufgrund des Verhaltens einer organisierten Personengesamtheit ein, dessen Nachweis die Behörde zu erbringen hat, wohingegen in den Fällen des § 31 GemO der Nachweis eines Fehlverhaltens schon durch das Strafurteil und die dem zugrunde liegenden strafrichterlichen Feststellungen erbracht ist. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass § 31 Abs. 1 GemO leer liefe, wenn das ausgeschlossene Ratsmitglied bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen Ausschluss trotz dessen offensichtlicher Rechtmäßigkeit sein Mandat weiter ausüben könnte, da bis zum Ergehen einer letztinstanzlichen Entscheidung mehrere Jahre vergehen können, so dass die jeweilige Wahlperiode bis dahin möglicherweise endet.
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Schließlich handelt es sich bei dem Ausschluss aus dem Gemeinderat auch nicht, wie vom Kläger behauptet, um eine unverhältnismäßige Disziplinarmaßnahme. Dies folgt schon daraus, dass die Mitgliedschaft im Gemeinderat ehrenamtlich erfolgt, so dass das beamtenrechtliche Instrumentarium des Disziplinarrechts auf Gemeinderäte keine Anwendung finden kann. Darüber hinaus verfolgt § 31 Abs. 1 GemO aber auch nicht denselben Zweck wie das Disziplinarrecht. Die Ausschlussmöglichkeit dient nicht dem Ziel, das einzelne Gemeinderatsmitglied zu zukünftig ordnungsgemäßer Amtsausübung anzuhalten. Im Rahmen des § 31 Abs. 1 GemO kommt es auf die Amtsausübung des ausgeschlossenen Ratsmitglieds ebenso wenig an wie darauf, erzieherisch auf dieses einzuwirken. Vielmehr sollen, wie bereits mehrfach erwähnt, insbesondere das Ansehen des Rates und das Vertrauen des Wahlvolks in seine kommunale Vertretung geschützt werden.
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Gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG fließende Bestimmtheitsgebot verstößt § 31 Abs. 1 GemO ebenfalls nicht. Zwar handelt es sich bei dem Tatbestandsmerkmal der Verwirkung "der für ein Ratsmitglied erforderlichen Unbescholtenheit" um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Dies entzieht ihn jedoch nicht rechtlicher Beurteilung. Vielmehr handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung und Anwendung gerichtlicher Überprüfung zugänglich ist. Dass eine Norm auslegungsbedürftig ist, schließt nämlich ihre Bestimmtheit nicht aus (Degenhart, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 4. Aufl. 2007, Art. 103 Rn. 68). Der unbestimmte Rechtsbegriff muss allein mit herkömmlichen Methoden - der literarischen, teleologischen, systematischen und historischen Auslegung - präzisiert werden können (BVerfG, Beschluss vom 9. November 1988 - 1 BvR 243/86 -, BVerfGE 79, 106).
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Dies ist vorliegend der Fall. Nach dem allgemeinen Begriffsverständnis ist etwas verwirkt, wenn es durch eigene Schuld eingebüßt wurde (www.duden.de). Im Gegensatz zum bloßen Verlust, ist hier die Einbuße also auf ein eigenes Verhalten des Betroffenen zurückzuführen, das dieser hätte steuern können. In rechtlichem Kontext spielt der Begriff beispielsweise betr. der Verwirkung von Grundrechten gemäß Art. 18 GG eine Rolle. Hier setzt die Verwirkung ebenfalls ein aktives Tun des Betroffenen in Form des Missbrauchs der verwirkten Rechte voraus. Verschiedentlich hat das Bundesverfassungsgericht die Wurzel des Instituts der Verwirkung im Rechtsgedanken von Treu und Glauben (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Dezember 2007 - 1 BvR 1984/06 u. a. -, FamRZ 2008, 853) bzw. im Vertrauensgrundsatz (Beschluss vom 19. Juli 1967 - 1 BvR 99/67 -, juris) verankert.
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Verwirkung tritt folglich zum einen nicht ohne eigenes Zutun ein. Hieraus ist abzuleiten, dass § 31 Abs. 1 GemO nur Anwendung finden kann, wenn die Anlass zum Ausschluss gebende Straftat vorsätzlich begangen wurde (a. A. Gabler/Höhlein/Klöckner u. a., PdK Rheinland-Pfalz, GemO § 31, Ziffer 2.).
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Zum anderen setzt die Verwirkung eine Vertrauensverletzung gegenüber dem Wähler voraus. Dabei ist bedeutsam, dass § 31 Abs. 1 GemO gerade die Verwirkung der für ein Ratsmitglied erforderlichen Unbescholtenheit verlangt. Auf die Unbescholtenheit muss das verspielte Vertrauen also gerichtet sein.
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Bei rein literarischer Betrachtung reicht der Begriff der Unbescholtenheit sehr weit. Danach ist eine Person unbescholten, die "aufgrund eines einwandfreien Lebenswandels frei von öffentlichem, herabsetzendem Tadel", also "integer" ist (www.duden.de) ist. So wird auch in der Rechtsprechung der Begriff teilweise mit Vorstrafen- oder Beanstandungsfreiheit gleichgesetzt (siehe z. B. BayVGH, Urteil vom 17. November 2011 - 16a D 10.2504 -, Juris; BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2008 - 2 WD 5/07 , DokBer 2008, 21).
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Unbescholtenheit wird auch im Staatsangehörigkeitsrecht verlangt als Voraussetzung für einen Einbürgerungsanspruch nach § 10 Abs. 1 Staatsangehörigkeitsgesetz - StAG - (vgl. VG Saarland, Urteil vom 14. Dezember 2010 - 2 K 495/09 -; InfAusIR 2011, 211; Urteil vom 26. Februar 2008 - 2 K 369/07 -, juris). Nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 StAG setzt die Einbürgerung nämlich voraus, dass der Antragsteller weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt, noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist. Nach § 12a Abs. 1 StAG haben dabei Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel nach dem Jugendgerichtsgesetz, Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen und Verurteilungen zu Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden ist, außer Betracht zu bleiben. Auch hier wird also die Grenze zum Bagatellbereich bei der dreimonatigen Freiheitsstrafe gezogen.
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Darüber hinaus aber ist der Unbescholtenheitsbegriff des § 31 Abs. 1 GemO enger zu verstehen als im vorgenannten Kontext, da er gerade auf die Ratsmitgliedschaft abhebt. Einen solch hohen Integritätsmaßstab anzusetzen, ginge über die berechtigte Erwartung hinaus, die an ein durchschnittliches Ratsmitglied zu stellen ist. Ein Gemeinderatsmitglied übt zwar eine gewisse Vorbildfunktion aus, muss sich zugleich aber als Repräsentant des Volkes nicht an wesentlich höheren Moralanforderungen messen lassen als die Durchschnittsbevölkerung.
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Anhaltspunkte dafür, wodurch ein gewählter Volksvertreter seine Unbescholtenheit verlieren kann, liefern die Fälle der richterlichen Aberkennung des passiven Wahlrechts und der Amtsfähigkeit, welche stets zugleich mit dem Verlust eines innegehabten Mandats einhergehen. Eine solche Aberkennung ist möglich beispielsweise durch das Bundesverfassungsgericht im Fall der Verwirkung von Grundrechten nach Art. 18 GG; ferner durch den Strafrichter im Fall der Verurteilung zu einer mindestens einjährigen Freiheitsstrafe sowie den weiteren, im StGB besonders vorgesehenen, bereits zuvor genannten Fällen. Die genannten Vorschriften setzen im Kern ganz überwiegend gegen das Gemeinwesen gerichtete oder dieses zumindest erheblich schädigende Aktivitäten voraus. In dieser Hinsicht muss im Rahmen des § 31 Abs. 1 GemO also eine gewisse Vergleichbarkeit, wegen der unterschiedlichen Zielsetzung und geringfügigeren Rechtsfolge aber keine Identität der Voraussetzungen gegeben sein.
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Nach alldem ist im Rahmen des § 31 Abs. 1 GemO daher zu fragen, ob das Strafurteil und die ihm zugrunde liegenden tatrichterlichen Feststellungen Anlass zu der Annahme bieten, dass ein durchschnittlicher Bürger dem Betroffenen sein Vertrauen entziehen würde, weil er sich objektiv durch seine Tat als ungeeignet erwiesen hat, für das Gemeinwesen einzutreten und dieses glaubhaft zu vertreten. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Betroffene durch die Tat als solche oder die Art und Weise ihrer Begehung gezeigt hat, dass er Grundwerte staatlichen Zusammenlebens im demokratisch verfassten Gemeinwesen missachtet. Zu diesen Grundwerten zählen die von der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG umfassten Grundsätze der Art. 1 und 20 GG.
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Freilich kann nicht im Einzelfall gemessen werden, in welchem Maß dem Betroffenen tatsächlich Vertrauen entgegen gebracht und inwieweit dieses durch die Verurteilung erschüttert wurde. Es kann jedoch vernünftigerweise im Rahmen der Anwendung des § 31 GemO die Annahme zugrunde gelegt werden, dass der Wähler sein Vertrauen nur einer Person schenken wird, die die Grundregeln menschlichen Zusammenlebens im demokratischen Rechtsstaat achtet und würdigt.
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2. Der vorliegend angegriffene Beschluss ist formell rechtmäßig.
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Beratung und Entscheidung über den Ausschluss des Klägers aus dem Stadtrat durften in nichtöffentlicher Sitzung erfolgen. Gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 5 der Geschäftsordnung des Stadtrats der Stadt Trier vom 1. März 2011 ist die Öffentlichkeit bei der Beratung und Entscheidung über den Ausschluss aus dem Rat (§ 31 GemO) ausgeschlossen. Diese Geschäftsordnungsbestimmung und ihre Anwendung im vorliegenden Fall stehen mit den Vorgaben des § 35 GemO über die Sitzungsöffentlichkeit im Einklang. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 sind Sitzungen des Gemeinderats öffentlich, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt oder die Beratung in nichtöffentlicher Sitzung der Natur des Beratungsgegenstandes nach erforderlich ist. § 35 Abs. 1 Satz 2 GemO sieht vor, dass die Geschäftsordnung allgemein bestimmen kann, dass aus besonderen Gründen auch andere Angelegenheiten in nichtöffentlicher Sitzung behandelt werden, sofern es sich nicht um die in § 32 Abs. 2 Nr. 1 bis 11 und 14 bis 16 GemO bezeichneten Gegenstände handelt. Damit hat der Gesetzgeber bereits dafür Sorge getragen, dass ein Großteil wichtiger Angelegenheiten im Regelfall nicht ohne Öffentlichkeitsbeteiligung abschließend entschieden werden kann (OVG RP, Urteil vom 13. Juni 1995 - 7 A 12186/94 -, NVwZ-RR 1996, 685). Um einen dieser ausnahmslos öffentlich zu behandelnden Gegenstände handelt es sich beim Ausschluss aus dem Gemeinderat nicht. Vielmehr liegen hier besondere Gründe vor, die eine Beratung und Entscheidung in nichtöffentlicher Sitzung erforderlich machen.
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Bei der Beurteilung, ob ein besonderer Grund vorliegt, ist dem Gemeinderat grundsätzlich ein weiter Beurteilungsspielraum zuzugestehen. Es muss dabei aber im Einzelfall stets gewährleistet sein, dass diese Gründe schwerer wiegen als der Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit. Dieser dient in erster Linie dazu, die Tätigkeit des Gemeinderats der Kontrolle, Kritik und Beurteilung der Öffentlichkeit zu unterwerfen. Hierdurch soll zugleich der unzulässigen Einwirkung persönlicher Beziehungen, Einflüsse und Interessen auf die Beschlussfassung vorgebeugt und bereits der böse Schein unsachlicher Motive für die getroffenen Entscheidungen vermieden werden (Gabler/Höhlein/Klöckner u. a., PdK Rheinland-Pfalz, Stand: Dezember 2010, GemO § 35, Ziffer 2.1 m. w. N.).
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Solche besonderen Gründe, die ausnahmsweise den Ausschluss der Sitzungsöffentlichkeit rechtfertigen, sind bei einer Entscheidung nach § 31 GemO gegeben.
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Sie sind zugleich der Natur des Beratungsgegenstandes geschuldet. So sind vor einer Beschlussfassung über den Ausschluss eines Ratsmitglieds der Inhalt des gegen dieses Mitglied ergangenen Strafurteils und dessen Folgen für die Beurteilung seiner politischen Unbescholtenheit zu erörtern. Thema sind also persönlichkeitsbezogene Umstände und Wertungen, die dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 GG unterliegen. Zwar wird ein Strafurteil öffentlich verkündet, so dass auch unabhängig von der betreffenden Gemeinderatssitzung jedermann Kenntnis von dessen Inhalt erlangen kann. Ferner gab es im vorliegenden Fall auch eine umfassende Presseberichterstattung. Gleichwohl genießt der Verurteilte nach der Urteilsverkündung zumindest in gewissem Umfang im Hinblick auf seine Resozialisierungschancen Persönlichkeitsschutz, der im Einzelfall das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegen kann. Dies gilt umso mehr, je länger die Verurteilung zurückliegt. So ist § 475 StPO, wonach Privatpersonen nur bei berechtigtem Interesse Auskünfte aus oder Einsicht in Akten des Strafgerichts zu gewähren ist, der allgemeine Rechtsgedanke zu entnehmen, dass nach Abschluss der Hauptverhandlung der Inhalt eines Strafurteils nicht mehr öffentlich zugänglich sein, sondern nur noch Personen mit berechtigtem Interesse zugänglich gemacht werden soll (siehe beispielsweise LG Bochum, Beschluss vom 10. November 2004, NJW 2005, 999).
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Darüber hinaus besteht der besondere Grund im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 2 GemO darin, dass der Gemeinderat bei der Beschlussfassung nach § 31 Abs. 1 GemO eine im Hinblick auf die oben genannten verfassungsrechtlichen Probleme weitreichende Entscheidung zu treffen hat, die er möglichst unabhängig und ohne Störungen und Einflussnahme von außen treffen können soll. Wegen der politischen Dimension einer solchen Entscheidung sind Störungen im Sitzungsablauf durch Unterstützer wie Gegner des Gemeinderatsmitglieds, über dessen Ausschluss zu befinden ist, zu befürchten. Derlei Störungen werden durch den Ausschluss der Öffentlichkeit verhindert. Außerdem unterliegen Meinungsäußerungen und Abstimmungsverhalten der Gemeinderatsmitglieder in nichtöffentlichen Sitzungen gemäß § 20 Abs. 1 Satz 4 GemO der Geheimhaltung. Durch den Ausschluss der Öffentlichkeit wird also in besonderer Weise gewährleistet, dass das einzelne Gemeinderatsmitglied die Entscheidung nach § 31 Abs. 1 GemO allein aufgrund seiner inneren Überzeugung und frei von äußerem Druck und eventueller Furcht vor Repressalien treffen kann.
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Ferner durfte der Stadtrat vorliegend den Kläger nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GemO von der Mitwirkung an Beratung und Entscheidung über seinen Ausschluss aus dem Gemeinderat ausschließen. Danach dürfen Bürger und Einwohner, die ein Ehrenamt oder eine ehrenamtliche Tätigkeit ausüben, sowie Bürgermeister und Beigeordnete nicht beratend oder entscheidend mitwirken, wenn eine Entscheidung ihnen einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil bringen kann. Für den Kläger konnte die zu treffende Entscheidung den Ausschluss aus dem Stadtrat und damit verbunden einen Verlust von Einfluss und Ansehen unmittelbar, d. h. ohne dass weitere Entscheidungen oder Umsetzungsakte erforderlich waren, bewirken.
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Da die Beschlussfassung nach § 31 Abs. 1 GemO auch keine Wahl darstellt, greift § 22 Abs. 3 GemO nicht, der die Anwendung der Befangenheitsregeln für Wahlen ausschließt. Eine Wahl ist eine Abstimmung, durch die eine oder mehrere Personen aus einem größeren Personenkreis ausgelesen werden (Butzer, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 38 Rn. 38; vgl. auch Verwaltungsvorschrift zu § 40 GemO, Ziffer 2). Selbst eine Abwahl fiele also schon hierunter nicht, da es an der Auswahl zwischen mehreren Personen fehlte. Vorliegend handelt es sich aber auch nicht um eine solche, da nicht - wie für eine Wahl typisch - Momente des Dafürhaltens und der subjektiven Einschätzung ausschlaggebend sind, sondern die Frage, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 Abs. 1 GemO in der Person des Klägers erfüllt sind, ob also die gesetzlichen Voraussetzungen für den Ausschluss vorliegen.
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Anhaltspunkte dafür, dass weitere Mitglieder nach § 22 GemO hätten ausgeschlossen werden müssen, liegen nicht vor. Insbesondere brachte der Ausschluss des Klägers den übrigen Gemeinderäten keinen unmittelbaren Vorteil, da Sitz- und Kräfteverhältnis im Rat sich hierdurch nicht ändern. Dies gilt jedenfalls, sobald gem. § 31 Abs. 3 Satz 2 GemO eine Ersatzperson für das ausgeschlossene Mitglied bestimmt ist. Auch steht dem Ansehensverlust des Klägers kein relevanter Ansehensgewinn der übrigen Gemeinderatsmitglieder gegenüber.
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Schließlich steht der Wirksamkeit des angegriffenen Beschlusses auch nicht entgegen, dass der Kläger im Rahmen der Stadtratssitzung vom 22. September 2011 zu der Beschlussvorlage Nr. 382/2011 angehört wurde. Die ausführliche, vom Kläger abgegebene Stellungnahme führt nicht etwa, wie er vorgetragen hat, zu seiner Mitwirkung an der getroffenen Entscheidung, so dass letztere nach § 22 Abs. 6 Satz 1 GemO unwirksam wäre. Der Kläger war vielmehr gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG vor seinem Ausschluss anzuhören, da die nach § 31 Abs. 1 GemO zu treffende Entscheidung einen ihn belastenden Verwaltungsakt darstellt. Zwar war er bereits schriftlich angehört worden. Seine - erst wenige Stunden vor der Sitzung abgegebene - schriftliche Stellungnahme hätte aber auf jeden Fall im Rahmen der Sitzung verlesen werden müssen. Dieser Vorgang wurde dadurch substituiert, dass dem Kläger Gelegenheit gegeben wurde, seine Auffassung mündlich vorzutragen. Im Hinblick auf die unter rechtsstaatlichen und demokratischen Gesichtspunkten hohe Bedeutung der zu treffenden Entscheidung und deren gravierenden Folgen für den Kläger begegnet die überobligatorische Einräumung einer zusätzlichen Gehörsmöglichkeit für den Kläger keinerlei Bedenken. Zu seinen Gunsten wurde ihm dadurch die Möglichkeit eröffnet, Einfluss auf die zu treffende Ermessensentscheidung der Gemeindevertreter zu nehmen, beispielsweise sein Bedauern über die Tat zum Ausdruck zu bringen oder sich zu entschuldigen. Da er diese Möglichkeit zuvor auch selbst eingefordert hatte, stellt seine - im Übrigen erst in der mündlichen Verhandlung vorgetragene - Einlassung, der Beschluss sei hierdurch unwirksam geworden, auch ein rechtsmissbräuchliches, widersprüchliches Verhalten (venire contra factum prorium) dar. Darüber hinaus kann denknotwendig die Abgabe einer Stellungnahme in eigener Sache vor dem zu erwartenden Ausschluss wegen Befangenheit nicht mit einer Mitwirkung im Sinne des § 22 Abs. 6 Satz 1 GemO gleichgesetzt werden. Aus dem Sitzungsprotokoll geht vielmehr hinreichend klar hervor, dass erst nachdem dieser den Sitzungssaal verlassen hatte, die eigentliche Beratung begann, auch wenn diese wegen der bestehenden Einigkeit der Beteiligten wesentlich weniger Zeit in Anspruch nahm als die vorherige Anhörung des Klägers.
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Die Frist des § 31 Abs. 1 Satz 2 GemO wurde gewahrt. Danach kann der Gemeinderat den Beschluss nur innerhalb eines Monats treffen, nachdem er von der Verurteilung Kenntnis erhalten hat. Hierbei kommt es auf die Kenntnis des Organs Gemeinderat an. Diese erlangt der Rat im Wege der Unterrichtung durch den Bürgermeister gemäß § 31 Abs. 1 Satz 3 GemO, die im Rahmen einer Gemeinderatssitzung zu erfolgen hat (Gabler/Höhlein/Klöckner u. a., PdK Rheinland-Pfalz, GemO § 31, Ziffer 2). Da ferner § 31 Abs. 1 Satz 1 GemO eine rechtskräftige Verurteilung voraussetzt, kann es auch im Rahmen des Satzes 3 nur auf die Kenntnis von der Rechtskraft und nicht der erstinstanzlichen Verurteilung ankommen. Das gegen den Kläger ergangene Strafurteil erlangte Rechtskraft mit dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 3. August 2011, da hiergegen keine weiteren Rechtsmittel gegeben waren. Die Bescheinigung über die Rechtskraft ging der Beklagten am 25. August 2011 zu. Hierüber setzte der Oberbürgermeister den Stadtrat am 1. September 2011 in Kenntnis.
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3. Auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 GemO sind vorliegend erfüllt. Der Kläger wurde nach seiner Wahl in den Stadtrat vom Landgericht Trier rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Die Rechtskraft dieses Urteils trat bereits mit seiner Bestätigung durch den BGH am 3. August 2011 und unabhängig davon ein, dass der Kläger Verfassungsbeschwerde dagegen erhoben hatte. Die Verfassungsbeschwerde ist kein Rechtsmittel, sondern ein außerordentlicher Rechtsbehelf. Dass die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde, ändert an ihrem Charakter als Freiheitsstrafe und am Strafmaß nichts, sondern bezieht sich allein auf die Art und Weise ihrer Vollstreckung.
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Dass der Kläger die in Rede stehende Straftat nicht in seiner Eigenschaft als Ratsmitglied begangen hat, ist unbeachtlich. Für eine dahingehende Einschränkung enthält § 31 GemO keinerlei Anhaltspunkte. Sie wäre auch mit seinem Sinn und Zweck nicht vereinbar, da der Gemeinderat aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung eines seiner Mitglieder einen Ansehens- und Vertrauensverlust unabhängig davon erleiden kann, ob die Straftat einen unmittelbaren Bezug zur ehrenamtlichen Tätigkeit als Gemeinderatsmitglied aufweist oder nicht. Dadurch, dass, wie oben dargelegt, im Rahmen des § 31 Abs. 1 GemO zu verlangen ist, dass die Tat eine Missachtung rechtsstaatlicher Grundwerte zum Ausdruck bringen muss, ist jedenfalls ein abstrakter Bezug zur Amtsausübung stets gegeben.
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§ 31 Abs. 1 GemO verlangt außerdem nicht, dass die den Ausschluss begründende Straftat nach der Wahl in den Gemeinderat begangen worden sein muss. Dies legt bereits der Wortlaut der genannten Bestimmung nahe, wonach das Ratsmitglied "nach seiner Wahl (...) verurteilt" worden sein muss. Darüber hinaus folgt aus Sinn und Zweck der Vorschrift in Verbindung mit der aus dem Rechtsstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 3 GG resultierenden Unschuldsvermutung (BVerfG, Beschluss vom 26. März 1987 - 2 BvR 589/79 u. a. -, BVerfGE 74, 358), dass es für die Ausschlussentscheidung allein auf den Zeitpunkt der rechtskräftigen Verurteilung und nicht der Tatbegehung ankommen kann. Das gegen den Kläger gesprochene Strafurteil erging zeitlich nach der Kommunalwahl vom 7. Juni 2009. Dass er die Tat bereits vor der Wahl begangen hat, hindert nach Vorstehendem seinem Ausschluss nicht. Zwar ist dem Kläger darin zuzustimmen, dass im Fall der Tatbegehung vor der Wahl das später ausgeschlossene Ratsmitglied die erforderliche Unbescholtenheit möglicherweise von vornherein nicht besaß. Jedoch schafft erst die Aufklärung eines Geschehens und dessen Einordnung als Straftat durch das Strafgericht eine verlässliche Beurteilungsgrundlage für die nach § 31 Abs. 1 GemO vorzunehmende Bewertung. Die Vermutung der Unschuld endet nämlich erst mit der Rechtskraft der Verurteilung (BVerfG, Urteil vom 5. Juni 1973 - 1 BvR 536/72 -, BVerfGE 35, 202). Ferner kann auch das Verhalten nach der Tat, namentlich im Strafverfahren selbst, Einfluss darauf üben, ob es zu einer Verurteilung kommt und wie hoch das Strafmaß ausfällt. Ein Geständnis, tätige Reue, Wiedergutmachung und andere bei der Strafzumessung zu berücksichtigende Umstände beeinflussen das Strafmaß und im Rahmen der nach § 31 Abs. 1 GemO zu treffenden Ermessensentscheidung auch die Frage, wie groß der drohende Ansehens- und Vertrauensverlust für den Gemeinderat tatsächlich ist.
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Wie die erkennende Kammer und das Oberverwaltungsgericht Koblenz im Eilverfahren (VG Trier, Beschluss vom 29. September 2011 - 1 L 1304/11.TR; OVG Koblenz, Beschluss vom 29. September 2011 - 2 B 11158/11.OVG) bereits dargelegt haben, hat der Kläger auch durch die Tat die für ein Ratsmitglied erforderliche Unbescholtenheit verwirkt. Die Auslegung und Anwendung der in § 31 Abs. 1 GemO enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe durch die Beklagte ist nicht zu beanstanden.
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Der Kläger hat, das Gewaltmonopol des Staates und die Strafverfolgungszuständigkeit der staatlichen Behörden negierend, zum Mittel der Gewalt gegen den politischen Gegner gegriffen. Anlass der Tat war, dass das spätere Opfer vor der Tat Wahlplakate der NPD abgerissen hatte. Ausweislich der strafrichterlichen Feststellungen war dem Kläger und den übrigen Angehörigen der von ihm geführten Gruppe auch bekannt, dass das Opfer und zwei weitere Plakatabreißer bereits von der Polizei festgenommen und in der Polizeiinspektion … zur Tat vernommen worden waren. Der Kläger hat folglich Selbstjustiz geübt und dadurch seine Missbilligung gegenüber den staatlichen Strafverfolgungsorganen zum Ausdruck gebracht. Ferner hat er - als Mittäter - körperliche Gewalt gegen einen politischen Opponenten angewandt und damit das Feld des zulässigen politischen Meinungskampfes verlassen.
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In der Tat manifestiert sich somit eine staatlichen Ermittlungs- und Sanktionsmechanismen zumindest gleichgültig gegenüber stehende Grundhaltung. Die Anwendung körperlicher Gewalt im ungleichen Verhältnis von mehreren Tätern gegenüber einem Opfer zeigt überdies, dass der Kläger den Achtungsanspruch des Einzelnen und dessen Recht auf körperliche Integrität in der seiner Verurteilung zugrunde liegenden Situation negiert hat. Durch die Tat hat der Kläger folglich Grundwerte staatlichen Zusammenlebens verletzt. Unter objektiven Gesichtspunkten hat er sich damit als ungeeignet erwiesen, als Volksvertreter die Interessen der kommunalen Gemeinschaft zu vertreten und für diese verbindliche Beschlüsse zu fassen. Das ihm von seinen Wählern entgegen gebrachte Vertrauen hat er somit verwirkt und zugleich das Ansehen des Rates als Organ beschädigt. "Als Ratsmitglied ist er damit untragbar geworden", so bereits das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Beschluss vom 29. September 2011 - 2 B 11158/11.OVG -).
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Die Prüfung dieser Frage bedurfte keiner eigenständigen, neben die strafrichterlichen Feststellungen tretenden Aufklärung des Tathergangs und der Strafbarkeit des Betroffenen. Vielmehr erlangt der durch das Strafgericht nach umfassender Beweiserhebung und -Würdigung festgestellte Sachverhalt mit Rechtskraft des Strafurteils Verbindlichkeit auch im Hinblick auf ein verwaltungsrechtliches Verfahren, das an diese Straftat tatbestandlich anknüpft, jedenfalls insoweit, als die tatrichterlichen Feststellungen den Tenorausspruch im Hinblick auf die Täterschaft des Klägers tragen. Zwar enthält die Verwaltungsgerichtsordnung hierzu keine explizite Regelung (anders zum Beispiel § 16 Abs. 1 Landesdisziplinargesetz - LDG -, wonach die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren oder im Bußgeldverfahren für ein Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, bindend sind, es sei denn deren Richtigkeit wird von einer Mehrheit der zur Entscheidung berufenen Richter bezweifelt; siehe ferner §§ 3 Abs. 4 und 4 Abs. 3 StVG).
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Vorliegend ergibt sich die Bindung an die tatrichterlichen Feststellungen aber daraus, dass § 31 Abs. 1 GemO die Verurteilung durch ein Strafgericht als solche voraussetzt. In solchen Fällen ist das Verwaltungsgericht, wie etwa im Ausländerrecht, an die Feststellungen des Strafgerichts gebunden (BVerwG, Beschluss vom 24. Februar 1998 - 1 B 21/98 -, InfAusIR 1998, 221; Beschluss vom 16. Oktober 1986 - 3 B 11/86 -, NJW 1987, 1501). Es wäre in sich widersprüchlich, einerseits die Verurteilung zum Anlass der Ausschlussentscheidung nach § 31 Abs. 1 GemO zu nehmen, andererseits die tatrichterlichen Feststellungen, die der Verurteilung zugrunde liegen, in Frage zu stellen.
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Das gleiche Ergebnis folgt aus der Überlegung, dass der materiellen Rechtskraft im Strafprozess gerade auch die Funktion zukommt, nachträgliche Sachverhaltsermittlungen auszuschließen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem im Strafprozess Angeklagten umfassende Verteidigungsmöglichkeiten, der Amtsaufklärungsgrundsatz und die Unschuldsvermutung zu Gute kommen. Wenn also selbst unter diesen Verfahrensbedingungen ein den Schuldspruch tragender Sachverhalt festgestellt werden kann, steht seiner Zugrundelegung im Rahmen einer Verwaltungs(gerichts)entscheidung grundsätzlich nichts entgegen (VGH BW, Beschluss vom 16. Juni 2010- 9 S 2530/09 -, VBIBW 2010, 480, m. w. N.).
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Überdies entspricht es höchstrichterlicher Rechtsprechung zu Approbations-Widerrufen, dass die in einem rechtskräftigen Strafurteil und sogar in einem - ohne Hauptverhandlung ergehenden - Strafbefehl enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen regelmäßig zur Grundlage einer behördlichen und bzw. oder gerichtlichen Beurteilung der betroffenen Person gemacht werden dürfen, soweit sich nicht gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit solcher Feststellungen ergeben (BVerwG, Beschluss vom 6. März 2003 - 3 B 10/03 -, juris; Urteil vom 26. September 2002 - 3 C 37/01 -, NJW 2003, 913; vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 86 Rn. 6a).
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Solcherlei gewichtige Anhaltspunkte hat der Kläger weder substantiiert vorgetragen, noch sind sie sonst ersichtlich. Zwar trägt der Kläger in seiner Klageschrift vom 2. Dezember 2011 umfassend dazu vor, aus welchen Gründen er das gegen ihn ergangene Strafurteil des Landgerichts Trier vom 22. Dezember 2010 für unrichtig hält. Dabei bezieht er sich jedoch im Wesentlichen auf die seiner Ansicht nach unrichtige Beweiswürdigung durch das Strafgericht. Objektiv erkennbare Fehler oder offen zutage tretende Widersprüche des Urteils macht er nicht geltend. Ohne letztlich einen förmlichen Beweisantrag zu stellen, hat der Kläger in der Klageschrift Zeugen dafür benannt, dass am Tatabend politische Gegner der NPD zahlreiche Wahlplakate derselben zerstört hätten und er am gleichen Abend Wahlkamphelfer der NPD kontaktiert habe, um sich zum gemeinsamen Plakatieren zu verabreden, ohne dass von der Verfolgung der "Plakatzerstörer" oder deren Bestrafung die Rede gewesen sei. Den Beweisanregungen war nicht nachzugehen. Die angegebenen Zeugen wurden sämtlich bereits im Strafverfahren vernommen. Ausweislich der Urteilsbegründung stellte das Landgericht den Umstand, dass am Tatabend Plakate der NPD - auch durch das spätere Opfer - abgerissen wurden, nicht in Frage. Ferner legte es der Verurteilung des Klägers wegen Mittäterschaft an einer gemeinschaftlich begangenen gefährlichen Körperverletzung die Annahme eines jedenfalls konkludent vereinbarten gemeinsamen Tatplans zugrunde. Auf die Frage, wann dieser zwischen den Beteiligten verabredet wurde und ob dies ausdrücklich oder stillschweigend geschah, kam es nicht an, da er jedenfalls im Zeitpunkt der Tatbegehung vorlag. Beide Tatsachen waren mithin im Hinblick auf die Verurteilung des Klägers nicht erheblich.
- 93
Schließlich ist die von der Beklagten getroffene Entscheidung, den Kläger auszuschließen, angesichts der Umstände des vorliegenden Falles auch verhältnismäßig. Die Wahlperiode hatte, als das gegen den Kläger gefällte Strafurteil rechtskräftig wurde, noch eine Restdauer von über zwei Jahren. Eine weitere Mitwirkung des Klägers im Stadtrat über diesen beachtlichen Zeitraum hinweg wären Ansehen und Funktionsfähigkeit des Rates folglich abträglich gewesen. Der Beschluss erweist sich auch nicht vor dem Hintergrund als unverhältnismäßig, dass über den gegen den Kläger bestehenden Verdacht schon vor der Kommunalwahl 2009 umfassend berichtet wurde und davon ausgegangen werden kann, dass ein Teil der Wähler aufgrund dieser Berichterstattung über den Vorfall vom 18. Mai 2009 und die mögliche Beteiligung des Klägers hieran informiert war. Dies hat nicht zur Folge, dass vorliegend der Eingriff in die in der Wahlentscheidung zum Ausdruck gekommene Volkssouveränität schwerer wiegt als der dem Stadtrat drohende Ansehens- und Vertrauensverlust.
- 94
Zwischen Tatbegehung und Kommunalwahl lagen nämlich nur knapp drei Wochen. Die den lokalen Medien zu entnehmenden ungesicherten Informationen boten kein hinreichendes Bild, um sich als Wähler ein abschließendes und verlässliches Bild über Art und Umfang der Tatbeteiligung des Klägers zu machen (so auch OVG RP, Beschluss vom 29. September 2011 - 2 B 11158/11.OVG -). Dieser hat die Tat auch nicht eingeräumt, sondern beruft sich bis heute darauf, er habe von einem ihm vermeintlich zustehenden Festnahmerecht Gebrauch machen wollen. Demgegenüber drohten das Ansehen und die Glaubwürdigkeit des Stadtrats sowie die Überzeugungs- und Bindekraft seiner Entscheidungen im Falle der weiteren Mitwirkung des Klägers Schaden zu nehmen.
- 95
Auch den Beweisanregungen des Klägers bezüglich Inhalt und Reichweite der vor der Kommunalwahl erfolgten Presseberichterstattung über die Tat vom 18. Mai 2009 war folglich mangels Entscheidungserheblichkeit nicht weiter nachzugehen.
- 96
Die Ermessensausübung durch die Beklagte weist, soweit sie gemäß § 114 Satz 1 VwGO gerichtlicher Überprüfung zugänglich ist, keine Fehler auf. Insbesondere hat sie alle objektiv zugänglichen Tatsachen ermittelt und in ihre Erwägungen eingestellt.
- 97
Bleibt die Klage nach alldem ohne Erfolg, hat der Kläger als unterliegender Teil gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
- 98
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf §§ 167 Abs. 1 und 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
- 99
Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung beruht auf §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1 VwGO, denn die Auslegung des § 31 Abs. 1 GemO hat grundsätzliche Bedeutung.
- 100
Beschluss
- 101
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20.000,- € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG -).
- 102
Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit derBeschwerde angefochten werden.
(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,
- 1.
zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen, - 2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen, - 3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen, - 4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen, - 5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben, - 6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder - 7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.
(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.
(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin - 3. Kammer - vom 10.03.2009 wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 155.336,46 Euro festgesetzt.
Gründe
- 1
Die Klägerin wehrt sich gegen die Rückforderung einer Subvention in Höhe von 155.336,46 Euro.
- 2
Durch Urteil vom 10.03.2009 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
- 3
Der dagegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor bzw. sind nicht hinreichend im Sinne von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt.
- 4
Dies gilt zunächst für den Zulassungsgrund der Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO.
- 5
Wird dieser Zulassungsgrund geltend gemacht, ist es Sache des Zulassungsantragstellers, darzulegen, dass das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung einen Grundsatz aufgestellt hat, der im Widerspruch steht zu einem Grundsatz eines divergenzfähigen Gerichts. An einer solchen Darlegung fehlt es hier.
- 6
Zwar benennt die Klägerin das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.07.2006 - 6 C 20.05 - (NVwZ 2007, 219), wonach die Behörde bei einer Rückforderung hinreichend deutlich zum Ausdruck bringen müsse, dass sie "auch die Rücknahme oder den Widerruf des gewährenden Verwaltungsakts" erkläre. Der Begründung des Zulassungsantrags ist aber nicht zu entnehmen, dass das Verwaltungsgericht hiervon rechtsgrundsätzlich abgewichen wäre. Tatsächlich ist das Verwaltungsgericht unter wörtlicher Zitierung der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts davon ausgegangen, dass "bei der Rückforderung gewährter Geldleistungen" regelmäßig anzunehmen sei, "dass die Behörde mit der Festsetzung der zu erstattenden Leistung auch die Rücknahme des gewährenden Verwaltungsakts erklärt hat, wenn dies hinreichend deutlich zum Ausdruck" komme (vgl. BVerwG, a.a.O. Rdnr. 100, zit. nach juris). Sodann führt das Gericht aus, weshalb es der Meinung ist, dass in dem angefochtenen Bescheid "die Absicht des Widerrufs deutlich" werde. Bei diesen Erwägungen geht es jedoch um die abschließende Subsumtion im Einzelfall. Ergänzend zu den Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil ist anzumerken, dass im angefochtenen Bescheid nicht nur die für den Widerruf einschlägige Norm des § 49 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG M-V (entspricht § 49 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG) genannt, sondern der Sachverhalt sodann auch darunter subsumiert wird. Außerdem verweist der Bescheid ausdrücklich darauf, dass schon im Bewilligungsbescheid angekündigt worden sei, dass bei Nichteinhaltung der Zweckbindungsfristen der "Widerruf und die Rückforderung" der gewährten Fördermittel erfolgen werde. Dies zusammen macht hinreichend deutlich, dass mit dem angefochtenen Bescheid nicht nur die Rückforderung, sondern zugleich der Widerruf der Bewilligung beabsichtigt war.
- 7
Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die Klägerin selbst erst in zweiter Instanz rügt, dass der angefochtene Bescheid keinen Widerruf des Bewilligungsbescheides enthalte, während sie in der Klagebegründung vom 03.04.2008 den angefochtenen Verwaltungsakt wiederholt als "Widerrufsbescheid" bzw. "Widerrufs- und Rückforderungsbescheid" ohne Weiteres ausgelegt und so bezeichnet hat.
- 8
Die Sache hat auch nicht die von der Klägerin angenommene grundsätzliche Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
- 9
Es bedarf keiner (allgemeingültigen) Klärung der Frage, ob ein (Widerrufs- bzw.) Rücknahmebescheid "vor Ablauf der Frist" des § 48 Abs. 4 VwVfG M-V "dem Adressaten bekannt gegeben worden sein" muss und dass "nicht auf den Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides abzustellen ist."
- 10
Auf diese Frage könnte es allenfalls dann ankommen, wenn der angefochtene Bescheid vom 07.12.2006 der Klägerin tatsächlich, wie diese meint, "erst am 06.03.2007" bekannt gegeben worden wäre. Indem sie annimmt, dass eine derartige Feststellung durch das im vorliegenden Rechtsstreit ergangene Zwischenurteil getroffen worden sei, unterliegt die Klägerin jedoch einem Missverständnis. In dem Zwischenurteil heißt es hierzu, der "Bescheid des Beklagten vom 07. November 2006" sei am "11. Dezember 2006 wirksam ... zugestellt" worden. Ob die Klägerin den Bescheid tatsächlich erst später zur Kenntnis genommen hat, ist im Hinblick auf die verfahrensrechtliche Bekanntgabe ohne Bedeutung. Dass die (förmliche) Zustellung im Sinne der Regelungen des Verfahrensrechts als Bekanntgabe anzusehen ist, folgt unmittelbar aus dem Gesetz; so ist etwa in § 41 Abs. 5 VwVfG M-V von der "Bekanntgabe eines Verwaltungsakts mittels Zustellung" die Rede.
- 11
Dafür dass die Jahresfrist zwischen dem 07.12.2006 und 11.12.2006 abgelaufen sein könnte, ergeben sich in der Begründung des Zulassungsantrags keine konkreten Anhaltspunkte.
- 12
Soweit die Klägerin meint, der Beklagte habe bereits im November 2005 "positive Kenntnis über die Betriebsstilllegung zum 30. September 2005" gehabt, würde dies ebenfalls nicht zur Klärungsbedürftigkeit der als grundsätzlich aufgeworfenen Frage führen. Wenn die Widerrufsfrist im November 2005 zu laufen begonnen hätte, wäre sie auch zur Zeit des Erlasses des angefochtenen Bescheides bereits abgelaufen gewesen. Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass in der höchstrichterlichen Rechtsprechung (der sich der Senat bereits angeschlossen hat) geklärt ist, dass bei Widerrufsfällen wie dem vorliegenden die Jahresfrist nicht bereits dann läuft, wenn die Behörde den Widerrufsgrund erkannt hat, sondern wenn ihr - eventuell im Rahmen einer Anhörung - die weiteren für die Widerrufsentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind (vgl. BVerwG, Urt. vom 24.01.2001 - 8 C 8/00 -, zit. nach juris; Beschluss des Senats vom 11.06.2010 - 2 L 165/06 -). Hiervon ist auch das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen (vgl. S. 9 Urteilsabdruck).
- 13
Auch soweit die Klägerin sich darauf beruft, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, führt dies nicht zur Zulassung der Berufung.
- 14
Ein auf den Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützter Zulassungsantrag muss sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und im Einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernstlichen Zweifeln bezüglich ihrer Richtigkeit begegnen. Die Begründung des Zulassungsantrags muss an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpfen und aufzeigen, weshalb sich diese aus der Sicht des Zulassungsantragstellers nicht als tragfähig erweisen bzw. aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen die angefochtene Entscheidung unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Zulassungsantragsteller muss sich insofern an der Begründungsstruktur des angefochtenen Urteils orientieren. Geht er auf eine Erwägung nicht ein, kann das Oberverwaltungsgericht diese nicht von sich aus in Zweifel ziehen. Diese Anforderungen an die Begründung eines Zulassungsantrags sind für den Zulassungsantragsteller auch zumutbar. Mit Blick auf den Vertretungszwang ist sichergestellt, dass Zulassungsantragsteller rechtskundig vertreten sind. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung können schon dann vorliegen, wenn sich die Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens nicht abschließend übersehen lassen, die Begründung des Zulassungsantrags aber die Einsicht vermittelt, der beabsichtigenden Berufung seien durchaus hinreichende Erfolgsaussichten zuzusprechen. Die Zulassung ist dagegen zu versagen, wenn sich die vom Zulassungsantragsteller geäußerten Zweifel ohne Weiteres ausräumen lassen (vgl. Beschluss des Senats vom 18.01.2010 - 2 L 135/09 -, m.w.N.).
- 15
Die Anwendung dieser Maßstäbe ergibt im vorliegenden Fall, dass die Berufung nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung zuzulassen ist.
- 16
Soweit die Klägerin meint, der angefochtene Bescheid sei bereits formell rechtswidrig, weil sie vor dessen Erlass nicht ordnungsgemäß angehört worden sei, fehlt es an einer substantiierten Auseinandersetzung mit der Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung.
- 17
Das Verwaltungsgericht hat die Auffassung vertreten, dass das Anhörungsschreiben vom 08.11.2005 ordnungsgemäß an den seinerzeit allein vertretungsbefugten Geschäftsführer gerichtet gewesen sei. Die nachträglichen Veränderungen (Veräußerung von Geschäftsanteilen, Änderungen des Gesellschaftsvertrages, Bestellung eines neuen Geschäftsführers) hätten nicht zur Folge gehabt, dass die Anhörung ihre Wirksamkeit verloren hätte (wegen der weiteren Einzelheiten vgl. S. 6 f. Urteilsabdruck). Demgegenüber beschränkt sich die Begründung des Zulassungsantrags im Wesentlichen darauf, dass - wie schon mit der Klagebegründung vom 03.04.2008 - geltend gemacht wird, der im März 2007 amtierende Geschäftsführer der Klägerin sei vor Erlass des angefochtenen Bescheides nicht angehört worden. Darauf kommt es aber nach den oben wiedergegebenen Rechtsausführungen des Verwaltungsgerichts, die von der Klägerin nicht substantiiert in Zweifel gezogen worden sind, nicht an.
- 18
Im Hinblick auf die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Beklagte sei zutreffend davon ausgegangen, dass "die Produktion" zum 30.09.2005 eingestellt worden sei, vermag die Begründung des Zulassungsantrags ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung zu begründen.
- 19
Die diesbezüglichen Angaben der Klägerin sind in sich widersprüchlich, zumindest aber zu wenig substantiiert. Zum einen trägt sie vor, "die milchwirtschaftliche Produktion" sei zum 01.01.2006 "noch nicht abgeschlossen" gewesen (vgl. S. 7 des Schriftsatzes vom 08.07.2009), zum anderen macht die Klägerin geltend, der Beklagte habe bereits am 08.01.2005 "positive Kenntnis über die Betriebsstilllegung zum 30. September 2005" gehabt (vgl. S. 4 des Schriftsatzes vom 08.07.2009). Darin dürfte zumindest eine indirekte Bestätigung der Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts zu sehen sein. Im Übrigen ist anzumerken, dass die Klägerin erstinstanzlich vorgetragen hat, dass mit der Änderung der Gesellschaftsstruktur "zur Kosmetikproduktion übergangen werden sollte" (siehe S. 4 des Schriftsatzes vom 03.04.2008).
- 20
Soweit die Klägerin in der Begründung des Zulassungsantrags vortragen will, die Milchproduktion sei über den 01.01.2006 hinaus fortgesetzt worden, bleiben die Angaben außerdem zu vage, um die Richtigkeit des angefochtenen Urteils ernstlich in Zweifel zuziehen. Die Klägerin trägt nicht vor, was dennoch nach dem 30.09.2005 produziert worden sein soll und in welchen Mengen. Dass noch "Milchabnahmeverträge" mit Erzeugern, "die erst Mitte 2006 umgestellt" worden seien, in der Weise erfüllt worden seien, dass Milch "auf dem Betriebsgelände" der Klägerin "zwischengelagert und gekühlt" und "andere Molkereien mit der Milch beliefert" worden seien, stellt die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die (eigentliche) Produktion zum 30.09.2005 eingestellt worden sei, nicht ernstlich in Frage. Außerdem macht die Begründung des Zulassungsantrags auch nicht deutlich, weshalb es für das Vorliegen eines Widerrufsgrundes darauf ankommen sollte, ob nun die Produktion bereits am 30.09.2005 oder erst Mitte 2006 (endgültig) eingestellt worden ist.
- 21
Soweit es der Klägerin mit der vorstehend wiedergegebenen Argumentation um die erst im Rahmen der Ermessensbetätigung vom Beklagten getroffene Entscheidung zur Höhe der Rückforderung geht, ist auf die Rechtsprechung des Senats zu verweisen, wonach bei der gerichtlichen Überprüfung der Ermessensentscheidung über den Widerruf eines Zuwendungsbescheides später vorgetragene Gesichtspunkte nicht mehr berücksichtigt werden können, weil es für deren Rechtmäßigkeit auf den Zeitpunkt der (letzten) behördlichen Entscheidung ankommt (vgl. Beschluss des Senats vom 26.03.2009 - 2 L 181/07 -, m.w.N.). Soweit die Klägerin auch im Zusammenhang mit der Ermessensentscheidung annimmt, sie sei nicht ordnungsgemäß angehört worden, kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
- 22
Falls die Klägerin ihre Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung auch auf die von ihr zu den Zulassungsgründen der Divergenz bzw. der grundsätzlichen Bedeutung vorgebrachten Argumente stützen will, kann ebenfalls zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden.
- 23
Ohne Erfolg macht die Klägerin schließlich geltend, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt nicht genügend aufgeklärt.
- 24
Die Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht (vgl. §§ 124 Abs. 2 Nr. 5, 86 VwGO) führt zwar nicht nur dann zum Erfolg, wenn nachvollziehbar dargelegt wird, das Gericht habe einen Beweisantrag zu Unrecht übergangen. Vielmehr reicht es aus, wenn sich aus der Begründung des Zulassungsantrags ergibt, dass sich dem Gericht die Erforderlichkeit einer weiteren Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. Beschluss des Senats vom 14.05.2010 - 2 L 162/09 -, m.w.N.).
- 25
Im vorliegenden Verfahren ist der Auffassung der Klägerin, dem Verwaltungsgericht hätte sich eine weitere Sachverhaltsaufklärung aufdrängen müssen, allerdings nicht zu folgen. Sowohl hinsichtlich der Frage, ob die milchwirtschaftliche Produktion nicht schon zum 30.09.2005, sondern erst im Jahre 2006 eingestellt worden ist, als auch bezüglich der Frage der ordnungsgemäßen Anhörung kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Aus ihnen ergibt sich, dass eine weitere Sachverhaltsaufklärung mangels Entscheidungserheblichkeit bzw. mangels substantiierten Vortrags der Klägerin nicht geboten war.
- 26
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 52 Abs. 3 GKG.
- 27
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.