Verwaltungsgericht Stuttgart Beschluss, 24. Juli 2014 - 11 K 2194/14

bei uns veröffentlicht am24.07.2014

Tenor

Nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache wird das Verfahren eingestellt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Der Streitwert wird auf EUR 5.000,- festgesetzt.

Gründe

Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und über die Kosten des Verfahrens durch Beschluss zu entscheiden.
1. Die Kostenentscheidung konnte vorliegend nicht nach § 161 Abs.3 VwGO getroffen werden. Nach dieser Vorschrift fallen bei einer zulässigen Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte. Zwar war die am 10.08.2009 erhobene Verpflichtungsklage der Klägerin hier gemäß § 75 VwGO zulässig, da bis zu diesem Zeitpunkt über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, den sie spätestens am 12.01.2009 gestellt hatte, noch nicht - weder positiv noch ablehnend - entschieden worden war. Gleichwohl scheidet die Anwendung der Kostenvorschrift des § 161 Abs.3 VwGO hier aus, da die Klägerin jedenfalls im Zeitpunkt der Erhebung ihrer Untätigkeitsklage nach den besonderen Umständen des Falles mit ihrer Bescheidung noch nicht rechnen konnte (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. v. 23.07.1991 - 3 C 56/90 -, NVwZ 1991, 1180). Die Klägerin wusste zu diesem Zeitpunkt, dass das Regierungspräsidium Freiburg bereits am 19.06.2009 vor dem Amtsgericht Göppingen - Familiengericht - eine Vaterschaftsanfechtungsklage (12 F 546/09) gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB erhoben hatte. Damit sollte letztlich geklärt werden, ob der Sohn der Klägerin, für den ein deutscher Staatsangehöriger die Vaterschaft gemäß § 1592 Nr. 2 BGB anerkannt hatte, hierdurch die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 1 StAG besaß - oder eben nicht. Ungeachtet der späteren Erkenntnis des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 17.12.2013 - 1 BvL 6/10 - ), dass derartige Verfahren wegen eines Verstoßes u.a. von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB gegen Art. 16 Abs. 1 GG nicht möglich sind, konnte die Klägerin jedenfalls im Zeitpunkt der Erhebung ihrer Untätigkeitsklage im August 2009 noch nicht mit ihrer Bescheidung rechnen (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). § 161 Abs. 3 VwGO ist hier daher unanwendbar.
2. Daraus folgt, dass die Kostenentscheidung vorliegend allein gemäß § 161 Abs.2 VwGO nach billigem Ermessen zu treffen war. Im Rahmen dieser Entscheidung sind weder schwierige Rechtsfragen zu klären, noch ist eine umfängliche Aufbereitung des Sachverhalts geboten (st. Rspr. d. VGH Ba.-Wü., vgl. Beschl. v. 12.12.2007 - NC 9 S 82/07 -, ).
Im vorliegenden Verfahren entsprach es danach (allein) billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens der Klägerin aufzuerlegen.
a) Der Berichterstatter legt dabei folgenden Sachverhalt zu Grunde:
Die Beklagte hatte mit Schriftsatz vom 25.08.2009 die Mehrfertigung der Klageschrift des Regierungspräsidiums Freiburg zum Amtsgericht Göppingen - Familiengericht - vom 17.06.2009 vorgelegt und sich auf die dortigen Ausführungen bezogen. Die Klägerin ist im laufenden Verfahren dieser Darstellung nicht entgegengetreten.
Danach wurde die Klägerin am 30.09.2004 wegen illegaler Einreise bzw. Aufenthalts erstmals festgenommen. Aus der Haft heraus stellte sie einen Asylantrag, der als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, nachdem sie sich dort - der Wahrheit zuwider - als liberianische Staatsangehörige ausgegeben hatte. Das Asylverfahren ist seit dem 28.12.2004 bestandskräftig abgeschlossen. Im April 2005 wurde die Klägerin in einem Bordellbetrieb in Hannover vorläufig festgenommen. Nachdem sie auf freien Fuß gekommen war, wurde sie zur Aufenthaltsermittlung bzw. Festnahme ausgeschrieben. Am 01.03.2006 wurde die Klägerin in einem Bordell in Bremerhaven festgenommen. Sie hatte sich mit einem gestohlenen niederländischen Reisepass ausgewiesen. Im Rahmen eines Einsatzes der Steuerfahndung Mannheim wurde die Klägerin schließlich am 18.09.2006 bei der Ausübung der Prostitution in Mannheim einer Kontrolle unterzogen. Im September 2007 brachte die Klägerin ihren Sohn zur Welt. Bereits vor dessen Geburt hat ein deutscher Staatsangehöriger nigerianischer Herkunft die Vaterschaft des Kindes anerkannt. Der betreffende Mann ist 27 Jahre älter als die Klägerin. Nach Ermittlungen der Ausländerbehörde sei für die Vaterschaftsanerkennung ein Betrag in Höhe von EUR 5.000,00 bezahlt worden, der leibliche Vater des Kindes sei, wie die Klägerin seinerzeit, in der Gemeinschaftsunterkunft wohnhaft.
Inzwischen hat die Klägerin zwei weitere Kinder zur Welt gebracht. Als Vater dieser beiden Kinder bemüht sich ein kamerunischer Staatsangehöriger derzeit um einen Aufenthaltstitel. Die gesamte Familie lebt von staatlichen Sozialleistungen.
b) Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin aufzuerlegen. Sie wäre mit ihrem Hauptantrag, ihr eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 AufenthG zu erteilen, aller Voraussicht nach unterlegen. Mangels Entscheidung über den Hauptantrag kommt es auf das mutmaßliche Ergebnis mit Blick auf den Hilfsantrag insoweit nicht an, da letzterer unter der prozessualen Bedingung gestellt wurde, dass der Hauptantrag abgewiesen wurde, was durch die beiderseitigen Erledigungserklärungen nun nicht mehr eintreten kann.
10 
An dieser rechtlichen Einschätzung (vgl. sogleich, unten) ändert sich nichts deshalb, weil eine andere Ausländerbehörde der Klägerin, nachdem sie in deren Zuständigkeitsbereich verzogen ist, zwischenzeitlich eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG tatsächlich erteilt hat. Denn dies geschah in Verkennung der Rechtslage. Ohne dieses „erledigende Ereignis“ wäre die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit ohne Erfolg geblieben.
11 
aa) Zwar trifft es zu, dass nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2013 (a.a.O.) in Fällen der vorliegenden Art - allein im Referat des Berichterstatters sind mehrere nahezu identische Fälle anhängig - die bisher praktizierte Vorgehensweise der Behörden, gemäß § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB die Vaterschaftsan-erkennung anzufechten, wodurch das stammberechtigte Kind seine deutsche Staatsangehörigkeit verliert und ein Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG der Mutter des Kindes entfällt, nicht mehr in Betracht kommt. Von der - wirksamen - deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes der Klägerin ist daher auszugehen. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG steht indes der Ausschlusstatbestand des § 27 Abs. 1a Nr. 1, 2. Alternative AufenthG entgegen. Hiernach wird ein Familiennachzug nicht zugelassen, wenn feststeht, dass das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen.
12 
Dies war vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13. März 2008 (BGBl. I S. 313) am 1. Juni 2008 vergleichsweise unstrittig (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. März 2008 - 7 A 11276/07 -, juris; VG Oldenburg, Urteil vom 22. April 2009 - 11 A 389/08 -, juris; VG Köln, Urteil vom 28. Februar 2011 - 5 K 8736/09 -; vgl. auch Zeitler, HTK- AuslR / § 27 AufenthG/ Scheinehe 06/2011 Nr. 3.2; Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Stand: Februar 2008, A 1 § 27 Rn. 54; Kloesel/Christ/Häußer, Kommentar zum Ausländerrecht, Stand Januar 2009, § 27 AufenthG, Rn. 50; Katharina Breitkreuz, Boris Franßen-de la Cerda/Dr. Christoph Hübner, Berlin, Das Richtlinienumsetzungsgesetz und die Fortentwicklung des deutschen Aufenthaltsrechts - Fortsetzung -, ZAR 2007, 381; BMI, Hinweise zu den wesentlichen Änderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 , Stand: 18. Dezember 2007, Rn. 183; BMI, Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 , 27.1a.1.3 zu § 27 AufenthG). Denn auch durch eine wirksame Anerkennung der Vaterschaft wird ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Vater und dem Kind begründet und dieses Verwandtschaftsverhältnis kann ausschließlich zu dem Zweck begründet werden, dem Nachziehenden - so beispielsweise im Fall des Nachzugs einer unverheirateten ausländischen Mutter ohne gesicherten Aufenthalt zu ihrem Kind, das aufgrund der Vaterschaftsanerkennung die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat - den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen (wie im vorliegenden Fall). Der Wortlaut der Vorschrift mit seiner zweiten Alternative lässt eine Erstreckung des Ausschlusstatbestandes auf missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen - sogenannte „Scheinvaterschaften“ - somit ohne weiteres zu.
13 
Zwar hat das OVG Nordrhein-Westfalen (Urt. v. 23.08.2012 - 18 A 537/11 -, Urt. v. 23.08.2012 - 18 A 537/11 -, ) später die Auffassung vertreten, § 27 Abs. 1a Nr. 1, 2. Alt. AufenthG sei auf Fälle der vorliegenden Art nicht (mehr) anwendbar, da nach dem Willen des Gesetzgebers das Problem der Vaterschaftsanerkennung zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels bzw. der deutschen Staatsangehörigkeit allein durch Gewährung eines entsprechenden Vaterschaftsanfechtungsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch zu lösen sei.
14 
Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2013 (a.a.O.) steht nun aber fest, dass diese familienrechtliche „Lösung des Problems der Vaterschaftsanerkennung zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels“ nicht möglich war. Das führt zu der Erkenntnis, die Lösung dieses Problems (wieder) in dem Regelungszusammenhang zu suchen, aus dem die Rechtsfrage stammt, mithin in § 27 Abs. 1a Nr. 1, 2. Alt. AufenthG. Ein Familiennachzug scheidet vorliegend danach aus, da nach dem zugrunde gelegten Sachverhalt (vgl. oben), der im Rahmen eines Beschlusses nach § 161 Abs. 2 VwGO nicht weiter aufgeklärt werden muss, hier angenommen werden kann, dass im Rechtssinne feststeht, dass das Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Kind der Klägerin und dem dieses Kind anerkennenden Vater ausschließlich zu dem Zweck begründet wurde, der nachziehenden Mutter, also der Klägerin, den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen.
15 
Im Rahmen der Entscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO muss daher angenommen werden, dass die Klägerin mit ihrem Hauptantrag unterlegen wäre.
16 
bb) Aber selbst wenn § 27 Abs. 1a Nr. 1, 2. Alt. AufenthG hier nicht anwendbar wäre, müsste die Kostenentscheidung wie geschehen getroffen werden. Der Berichterstatter schließt sich auf Grund des hier anzunehmenden Sachverhalts (vgl. oben) der (älteren) Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg an (Beschl. v. 03.03.2005 - 13 S 3035/04 -, ), wonach sich aus einer Vaterschaftsanerkennung, die in kollusivem Zusammenwirken mit der Kindsmutter erfolgt ist, um der Mutter und dem Kind den Aufenthalt in der Bundesrepublik zu ermöglichen, wegen des Vorliegens eines sog. „Rechtsmissbrauchs“ keine ausländerrechtlichen Ansprüche ableiten lassen (a.A. OVG NRW, Beschl. v. 23.08.2012 a.a.O.; OVG Sachsen-Anhalt, Beschlüsse v. 25.08.2006 - 2 M 228/06 - u. v. 1.10.2004 - 2 M 441/04 -, ; Hess. VGH, Beschl. v. 5.07.2005 - 9 UZ 364/05 -, ; OVG Hamburg, Beschl. v. 24.10.2008 - 5 Bs 196/08 -, ).
17 
c) Zuletzt wäre aber selbst dann vorliegend über die Kosten nicht anders zu entscheiden gewesen, wenn die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG an die Klägerin letztlich zu Recht erfolgt wäre, also angenommen werden müsste, ihr Hauptantrag im vorliegenden Verfahren hätte gute Erfolgsaussichten besessen. Aus § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO ergibt sich nämlich, dass der Sach- und Streitstand, also die Prozesslage im Zeitpunkt der Erledigung des Rechtsstreits, nicht das allein ausschlaggebende Kriterium für eine Kostenverteilung nach § 161 Abs. 2 VwGO ist. Dieser Gesichtspunkt ist lediglich „zu berücksichtigen“. Im Rahmen einer Entscheidung „nach billigem Ermessen“ können und müssen aber auch andere Erwägungen herangezogen werden.
18 
Die Klägerin, die sich langjährig illegal in Deutschland aufgehalten hat und hier unerlaubt der Prostitution nachgegangen ist, hat sich - möglicherweise - eine Gesetzeslücke zu Nutze gemacht, um einen Aufenthaltstitel für sich zu erzwingen. Selbst wenn dieses Vorgehen als erfolgreich angesehen werden müsste, wäre es als grob unbillig i.S.v. § 161 Abs. 2 VwGO anzusehen, wenn die Behörden - hier die Beklagte - nach dieser „Trickserei“ mit Kosten belastet würden.
19 
Die alleinige Kostentragungspflicht der Klägerin war nach allem unvermeidlich.
20 
3. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 51 Abs. 2 GKG.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Stuttgart Beschluss, 24. Juli 2014 - 11 K 2194/14

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Stuttgart Beschluss, 24. Juli 2014 - 11 K 2194/14

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Verwaltungsgericht Stuttgart Beschluss, 24. Juli 2014 - 11 K 2194/14 zitiert 13 §§.

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(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:

1.
der Mann, dessen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 besteht,
2.
der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben,
3.
die Mutter und
4.
das Kind.

(2) Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 2 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und seinem Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat und dass der Anfechtende leiblicher Vater des Kindes ist.

(3) Eine sozial-familiäre Beziehung nach Absatz 2 besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.

(4) Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen.

Vater eines Kindes ist der Mann,

1.
der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist,
2.
der die Vaterschaft anerkannt hat oder
3.
dessen Vaterschaft nach § 1600d oder § 182 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gerichtlich festgestellt ist.

(1) Durch die Geburt erwirbt ein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Ist bei der Geburt des Kindes nur der Vater deutscher Staatsangehöriger und ist zur Begründung der Abstammung nach den deutschen Gesetzen die Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft erforderlich, so bedarf es zur Geltendmachung des Erwerbs einer nach den deutschen Gesetzen wirksamen Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft; die Anerkennungserklärung muß abgegeben oder das Feststellungsverfahren muß eingeleitet sein, bevor das Kind das 23. Lebensjahr vollendet hat.

(2) Ein Kind, das im Inland aufgefunden wird (Findelkind), gilt bis zum Beweis des Gegenteils als Kind eines Deutschen. Satz 1 ist auf ein vertraulich geborenes Kind nach § 25 Absatz 1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes entsprechend anzuwenden.

(3) Durch die Geburt im Inland erwirbt ein Kind ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil

1.
seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (BGBl. 2001 II S. 810) besitzt.
Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit wird in dem Geburtenregister, in dem die Geburt des Kindes beurkundet ist, eingetragen. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Vorschriften über das Verfahren zur Eintragung des Erwerbs der Staatsangehörigkeit nach Satz 1 zu erlassen.

(4) Die deutsche Staatsangehörigkeit wird nicht nach Absatz 1 erworben bei Geburt im Ausland, wenn der deutsche Elternteil nach dem 31. Dezember 1999 im Ausland geboren wurde und dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, es sei denn, das Kind würde sonst staatenlos. Die Rechtsfolge nach Satz 1 tritt nicht ein, wenn innerhalb eines Jahres nach der Geburt des Kindes ein Antrag nach § 36 des Personenstandsgesetzes auf Beurkundung der Geburt im Geburtenregister gestellt wird; zur Fristwahrung genügt es auch, wenn der Antrag in dieser Frist bei der zuständigen Auslandsvertretung eingeht. Sind beide Elternteile deutsche Staatsangehörige, so tritt die Rechtsfolge des Satzes 1 nur ein, wenn beide die dort genannten Voraussetzungen erfüllen. Für den Anspruch nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes und nach § 15 ist die Rechtsfolge nach Satz 1 unbeachtlich.

(5) Absatz 4 Satz 1 gilt nicht

1.
für Abkömmlinge eines deutschen Staatsangehörigen, der die deutsche Staatsangehörigkeit nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes oder nach § 15 erworben hat, und
2.
für Abkömmlinge eines deutschen Staatsangehörigen, wenn dieser ohne den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit einen Anspruch nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes oder nach § 15 gehabt hätte.

Tenor

§ 1600 Absatz 1 Nummer 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13. März 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 313) und Artikel 229 § 16 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13. März 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 313) verstoßen gegen Artikel 16 Absatz 1, gegen Artikel 6 Absatz 2 Satz 1, gegen Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 und gegen Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes und sind nichtig.

Gründe

A.

1

Die Vorlage betrifft die Frage, ob die Regeln zur sogenannten Behördenanfechtung, welche die Vaterschaft und die durch Vaterschaftsanerkennung begründete deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes rückwirkend entfallen lässt, mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

I.

2

1. Das in § 1600 ff. BGB geregelte Recht der Vaterschaftsanfechtung wurde im Jahr 2008 um die hier zu überprüfenden Regeln zur Behördenanfechtung ergänzt. Hintergrund war der Eindruck des Gesetzgebers, dass das im Familienrecht gezielt voraussetzungsarm ausgestaltete Instrument der Vaterschaftsanerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB) in bestimmten Konstellationen zur Umgehung der gesetzlichen Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts genutzt wird. Die Regelungen der Vaterschaftsanerkennung lassen es zu, die Vaterschaft für ein ausländisches Kind anzuerkennen, um beim Kind den automatischen Abstammungserwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 1 oder 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (im Folgenden: StAG) herbeizuführen und so mittels Familiennachzugs nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Aufenthaltsgesetzes (Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet, im Folgenden: AufenthG) ein Aufenthaltsrecht des ausländischen Elternteils zu begründen oder zu stärken (vgl. BTDrucks 16/3291, insbesondere S. 1 f., 9 und 11).

3

2. a) Die Anfechtungsberechtigung der Behörde und die materiellen Anfechtungsvoraussetzungen sind in § 1600 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 und 4 BGB geregelt:

4

§ 1600 BGB

(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:

[…]

5. die zuständige Behörde (anfechtungsberechtigte Behörde) in den Fällen des § 1592 Nr. 2.

(3) Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 5 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und dem Anerkennenden keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt der Anerkennung oder seines Todes bestanden hat und durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils geschaffen werden.

(4) Eine sozial-familiäre Beziehung nach den Absätzen 2 und 3 besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.

5

b) Die Anfechtungsfristen und der Beginn der Anfechtungsfrist sind in § 1600b BGB geregelt:

6

§ 1600b BGB

(1) Die Vaterschaft kann binnen zwei Jahren gerichtlich angefochten werden. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen; das Vorliegen einer sozial-familiären Beziehung im Sinne des § 1600 Abs. 2 erste Alternative hindert den Lauf der Frist nicht.

(1a) Im Fall des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 kann die Vaterschaft binnen eines Jahres gerichtlich angefochten werden. Die Frist beginnt, wenn die anfechtungsberechtigte Behörde von den Tatsachen Kenntnis erlangt, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für ihr Anfechtungsrecht vorliegen. Die Anfechtung ist spätestens nach Ablauf von fünf Jahren seit der Wirksamkeit der Anerkennung der Vaterschaft für ein im Bundesgebiet geborenes Kind ausgeschlossen; ansonsten spätestens fünf Jahre nach der Einreise des Kindes.

(2) Die Frist beginnt nicht vor der Geburt des Kindes und nicht, bevor die Anerkennung wirksam geworden ist.

7

c) Die Überleitungsvorschrift lautet:

8

Art. 229 § 16 EGBGB

Im Fall der Anfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs beginnt die Frist für die Anfechtung gemäß § 1600b Abs. 1a des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht vor dem 1. Juni 2008.

II.

9

Die zu überprüfenden Regelungen sind Teil des Abstammungsrechts (§§ 1591 ff. BGB), das die rechtliche Zugehörigkeit eines Kindes zu seinen Eltern regelt.

10

1. Nach § 1592 BGB ist Vater eines Kindes der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist (Nr. 1), der die Vaterschaft anerkannt hat (Nr. 2) oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt wurde (Nr. 3). Eine behördliche Anfechtung der Vaterschaft kommt nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB nur in Betracht, wenn die Vaterschaft durch Vaterschaftsanerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB begründet wurde. Die Anerkennung begründet die Vaterschaft mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Geburt (vgl. Rauscher, in: Staudinger BGB, 2011, §§ 1589-1600d, § 1594, Rn. 9; Schmidt-Recla, in: Soergel BGB, Band 19/1, 13. Aufl. 2012, § 1594, Rn. 14; Wellenhofer, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 8, 6. Aufl. 2012, § 1594, Rn. 16). Materiellrechtliche Voraussetzung der Vaterschaftsanerkennung ist nach § 1594 Abs. 2 BGB lediglich, dass nicht die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht. Die Anerkennung ist ansonsten nach §§ 1595 ff. BGB nur an formelle Anforderungen, insbesondere an die Zustimmung der Mutter (§ 1595 Abs. 1 BGB) geknüpft. Die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung hängt nicht von der biologischen Abstammung des Kindes ab. Auch eine im Wissen um die fehlende biologische Vaterschaft erfolgte Anerkennung ist wirksam. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, einem Kind durch Vaterschaftsanerkennung die deutsche Staatsangehörigkeit zu verschaffen, um aufenthaltsrechtliche Vorteile für das Kind und den ausländischen Elternteil zu begründen (s.u., III.1.).

11

2. Die hier zu überprüfenden Regelungen über die behördliche Anfechtung der Vaterschaft ergänzen bereits bestehende Anfechtungsmöglichkeiten. Nach § 1600 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BGB kann eine rechtliche Vaterschaft, die auf der Ehe des Mannes mit der Kindesmutter oder einer Vaterschaftsanerkennung beruht - die mithin ohne Rücksicht auf die biologischen Abstammungsverhältnisse entstanden ist - mit dem Argument angefochten werden, der rechtliche Vater sei nicht der biologische Vater des Kindes. Anfechtungsberechtigt sind nach heutiger Rechtslage der rechtliche Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB), der mutmaßliche biologische Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB), die Mutter (§ 1600 Abs. 1 Nr. 3 BGB), das Kind (§ 1600 Abs. 1 Nr. 4 BGB) und nunmehr die zuständige Behörde (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB).

12

Im Fall der Behördenanfechtung setzt die Anfechtung voraus, dass zwischen dem Kind und dem Anerkennenden keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt der Anerkennung oder seines Todes bestanden hat und dass durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils geschaffen werden (§ 1600 Abs. 3 BGB).

13

Die Voraussetzungen der Behördenanfechtung sind im Wesentlichen der Regelung der Anfechtung durch den mutmaßlichen biologischen Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB) nachgebildet, beziehungsweise mit dieser zusammengefasst (§ 1600 Abs. 3 und Abs. 4 BGB). Der Gesetzgeber hatte früher im Interesse des Kindes und der rechtlich-sozialen Familie ein Anfechtungsrecht des mutmaßlichen biologischen Vaters wiederholt abgelehnt (vgl. BTDrucks V/2370, S. 32; BTDrucks 13/4899, S. 57 f.). Das Bundesverfassungsgericht entschied jedoch im Jahr 2003, es verstoße gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, dem biologischen, aber nicht rechtlichen Vater eines Kindes ausnahmslos das Anfechtungsrecht zu verweigern (BVerfGE 108, 82 ff.). Daraufhin wurde im Jahr 2004 die Anfechtungsmöglichkeit des mutmaßlichen biologischen Vaters in § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB eingeführt, wobei der Gesetzgeber allerdings dem Bestand einer sozial gelebten Eltern-Kind-Beziehung mit dem rechtlichen Vater den Vorrang gegenüber der rechtlichen Zuordnung des Kindes zum biologischen Vater einräumte. Männer, die eidesstattlich versichern, der Kindesmutter während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben, können die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes nur anfechten, wenn zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater keine "sozial-familiäre Beziehung" besteht (§ 1600 Abs. 2 BGB). Dieses negative Tatbestandsmerkmal wurde später bei der hier zur Prüfung gestellten Regelung der Behördenanfechtung aufgegriffen (§ 1600 Abs. 3 BGB) und ist in § 1600 Abs. 4 BGB für beide Fälle einheitlich konkretisiert.

III.

14

Da die Behördenanfechtung letztlich darauf gerichtet ist, die Umgehung gesetzlicher Bedingungen des Aufenthaltsrechts durch eine Vaterschaftsanerkennung zu verhindern, richten sich die Voraussetzungen (1.) und Folgen (2.) der Behördenanfechtung auch nach dem Aufenthalts- und dem Staatsangehörigkeitsrecht.

15

1. Die anfechtungsberechtigte Behörde kann die Vaterschaft gerichtlich anfechten, wenn durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt eines Beteiligten geschaffen werden (§ 1600 Abs. 3 BGB). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers ist dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt, wenn "für das Kind oder einen Elternteil ein ausländerrechtlicher Vorteil entstanden ist" (BTDrucks 16/3291, S. 14). Ein solcher Vorteil entsteht durch die Vaterschaftsanerkennung, wenn das Kind auf diese Weise die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt und damit auch einem Elternteil einen günstigeren Aufenthaltsstatus vermittelt. Praktisch stehen dabei zwei Konstellationen im Vordergrund: Erkennt ein deutscher Mann die Vaterschaft für das Kind einer unverheirateten ausländischen Mutter an, erwirbt das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit (§ 4 Abs. 1 StAG) und damit die Berechtigung zum Aufenthalt in Deutschland. Für die Kindesmutter ergibt sich ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. Auch wenn ein ausländischer Mann mit unbefristetem Aufenthaltsrecht, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, die Vaterschaft für das Kind einer ausländischen Staatsangehörigen anerkennt, erwirbt das Kind über den Vater die deutsche Staatsangehörigkeit (§ 4 Abs. 3 StAG). Die Kindesmutter hat wiederum einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG.

16

2. Hat die Vaterschaftsanfechtungsklage Erfolg, entfallen die durch die Vaterschaftsanerkennung begründete Staatsangehörigkeit des Kindes und das Aufenthaltsrecht der Mutter. Mit der formellen Rechtskraft der Entscheidung über das Nichtbestehen der Vaterschaft fallen rückwirkend auf den Tag der Geburt des Kindes sowohl die bisherige Vaterschaftszuordnung als auch die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes weg. Der Verlust der Staatsangehörigkeit durch Vaterschaftsanfechtung ist zwar nicht ausdrücklich geregelt. Er wird aber aus der generellen Anknüpfung des Abstammungserwerbs der Staatsangehörigkeit an das familienrechtliche Abstammungsrecht abgeleitet. Abstammungsrechtlich fällt die Vaterschaft bei erfolgreicher Anfechtung nach ständiger Rechtsprechung der Zivilgerichte rückwirkend weg (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2012 - XII ZR 194/09 -, NJW 2012, S. 852;stRspr). Mit dem rückwirkenden Wegfall der Vaterschaft entfällt nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ex tunc auch die nach § 4 Abs. 1 oder Abs. 3 StAG auf Abstammung gründende deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes. Denn bei rückwirkendem Wegfall der Vaterschaft haben bei nachträglicher Betrachtung auch die Voraussetzungen für den auf die Abstammung gestützten Staatsangehörigkeitserwerb des Kindes nie vorgelegen (vgl. nur VG Düsseldorf, Urteil vom 10. September 1985 - 17 K 10.419/85 -, NJW 1986, S. 676; VG Gießen, Urteil vom 8. November 1999 - 10 E 960/99 -, juris, Rn. 14; OVG Hamburg, Beschluss vom 10. Februar 2004 - 3 Bf 238/03 -, NVwZ-RR 2005, S. 212 <213>; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 1. Oktober 2004 - 2 M 441/04 -, juris, Rn. 6; OVG NRW, Beschluss vom 31. Juli 2007 - 18 A 2065/06 -, juris, Rn. 8; Bay. VGH, Beschluss vom 11. September 2007 - 5 CS 07.1921 -, juris, Rn. 3). Mit dem Wegfall der Staatsangehörigkeit des Kindes verliert nicht nur dieses sein mit der Staatsangehörigkeit verbundenes Aufenthaltsrecht, vielmehr entfällt auch das Aufenthaltsrecht seiner Mutter, das die deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes voraussetzt (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG). Gerade dies ist der Zweck der Behördenanfechtung.

IV.

17

1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch die Behörde für Inneres, focht mit ihrer Klage gegen den Beklagten zu 1) des Ausgangsverfahrens, ein minderjähriges Kind, und den Beklagten zu 2), den Mann, der die Vaterschaft für den Beklagten zu 1) anerkannt hat, dessen Vaterschaft an, indem sie beim Amtsgericht Hamburg-Altona beantragte festzustellen, dass der Beklagte zu 2) nicht der Vater des Beklagten zu 1) ist.

18

Der Beklagte zu 1) wurde 2005 in Deutschland geboren. Seine Mutter ist vietnamesische Staatsangehörige und war im Zeitpunkt der Geburt mit einem Vietnamesen verheiratet, von dem sie später geschieden wurde. Das Kind besaß ebenfalls die vietnamesische Staatsangehörigkeit. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet war unerlaubt, der seiner Mutter geduldet. Der Beklagte zu 2) ist deutscher Staatsangehöriger. Er erkannte bereits vor der Geburt des Kindes die Vaterschaft durch notarielle Urkunde an. Die Kindesmutter und der damalige Ehemann der Kindesmutter stimmten der Vaterschaftsanerkennung zu. Mit Rechtskraft des Scheidungsurteils wurde die Anerkennung gemäß § 1599 Abs. 2 BGB wirksam.

19

Weil der Beklagte zu 2) deutscher Staatsangehöriger ist, erwarb das Kind durch die Vaterschaftsanerkennung nach § 4 Abs. 1 StAG ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit. Zum Zweck des Zusammenlebens mit ihrem deutschen Kind wurde der Mutter des Beklagten zu 1) eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG erteilt.

20

Bei einer Befragung des Beklagten zu 2) vor der Ausländerbehörde der Stadtverwaltung über das Kennenlernen der Kindesmutter erklärte er zunächst seine Bereitschaft zu einem Vaterschaftstest, widerrief diese aber in einem späteren Schreiben. Er hatte und hat mit dem Kind und dessen Mutter keine gemeinsame Wohnung. Ein gerichtlich eingeholtes Abstammungsgutachten ergab, dass er nicht der biologische Vater des Kindes ist.

21

2. Mit Beschluss vom 15. April 2010 hat das Amtsgericht das Verfahren gegen die Beklagten zu 1) und 2) ausgesetzt, um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB in Verbindung mit Art. 229 § 16 EGBGB mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

22

Die Frage sei entscheidungserheblich, da die Klage abzuweisen sei, wenn die Vorschriften verfassungswidrig wären. Aus einfachrechtlicher Sicht lägen die Voraussetzungen einer Behördenanfechtung vor. Der Beklagte zu 2) habe die Vaterschaft für das Kind zwar bereits 2005 anerkannt. Der zum 1. Juni 2008 eingeführte § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB finde aber gemäß Art. 229 § 16 EGBGB auch auf Altfälle Anwendung. Zwischen den Beklagten zu 1) und zu 2) habe keine sozial-familiäre Beziehung im Zeitpunkt der Anerkennung bestanden und durch die Anerkennung seien die rechtlichen Voraussetzungen für den erlaubten Aufenthalt des Kindes und der Kindesmutter geschaffen worden.

23

§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB in Verbindung mit Art. 229 § 16 EGBGB sei verfassungswidrig. Die Normen verstießen wegen unzulässiger Rückwirkung gegen Art. 20 Abs. 3 GG. Bei der Neueinführung der Anfechtungsberechtigung auch für Altfälle handle es sich um eine unzulässige echte Rückwirkung, die aber auch als unechte Rückwirkung nicht zu rechtfertigen sei, weil bereits die Einführung der Behördenanfechtung selbst wegen der damit verbundenen Grundrechtsverletzungen verfassungswidrig sei. Insbesondere sei nicht belegt, dass die Einführung eines Anfechtungsrechts der Behörde erforderlich gewesen sei. Das Interesse des Gesetzgebers, missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennungen entgegenzuwirken, um Verbleibensrechte von Ausländern und damit verbundene sozialstaatliche Belastungen der Allgemeinheit zu verhindern, habe zwar grundsätzlich einen hohen Stellenwert. Dieser relativiere sich jedoch, weil die vorgelegte statistische Erhebung nicht belege, in wie vielen Fällen es sich tatsächlich um eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung handele und binationale Verbindungen und ausländische Familien unter einen Generalverdacht gestellt würden. Dem stehe das Vertrauen des anerkannten Kindes auf die mit der Abstammung verbundenen unterhalts-, erb-, steuer- und sozialrechtlichen Folgen sowie insbesondere das Vertrauen auf die Auswirkungen auf sein Statusrecht gegenüber. Das Kind sei insbesondere in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 5 GG verletzt. Kinder, die während einer bestehenden Ehe geboren würden, seien von dem behördlichen Anfechtungsrecht nicht betroffen, obwohl insbesondere bei einer Scheinehe anzunehmen sei, dass das Kindschaftsverhältnis ebenfalls missbräuchlich herbeigeführt worden sei. Die Ungleichbehandlung sei dabei jedenfalls mittelbar an das Merkmal der Unehelichkeit geknüpft. Eine Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich.

24

3. In ihren schriftlichen Stellungnahmen vertreten die Bundesregierung wie auch die Freie und Hansestadt Hamburg als Klägerin des Ausgangsverfahrens die Auffassung, die Vorschrift des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB in Verbindung mit Art. 229 § 16 EGBGB sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Hingegen halten der Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V., der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V., das Deutsche Rote Kreuz e.V. und das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e.V. die Regelungen für verfassungswidrig. Der Deutsche Familiengerichtstag e.V. hat verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung, soweit die Anfechtung ältere Kinder betreffen kann, hält die Regelungen im Übrigen aber für verfassungsgemäß.

B.

25

Die Regelungen über die Behördenanfechtung (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB und Art. 229 § 16 EGBGB) sind verfassungswidrig. Sie verstoßen gegen Art. 16 Abs. 1 GG (I.), gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (II.), gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (III.) und gegen Art. 6 Abs. 1 GG (IV.). Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 5 GG liegt hingegen nicht vor (V.).

I.

26

Die Regelung der behördlichen Vaterschaftsanfechtung verstößt in ihrer konkreten Ausgestaltung gegen Art. 16 Abs. 1 GG, weil sie in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes herbeiführt. Durch die Vaterschaftsanfechtung wird in die durch Art. 16 Abs. 1 GG geschützte (1.) Staatsangehörigkeit des Kindes eingegriffen (2.). Der Grundrechtseingriff ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Art. 16 Abs. 1 GG unterscheidet zwischen der Entziehung der Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG) und einem sonstigen Verlust der Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG) und stellt an beide Verlustformen unterschiedliche verfassungsrechtliche Anforderungen. Die Entziehung ist nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ausnahmslos verboten. Im Gegensatz dazu kann ein sonstiger Verlust der Staatsangehörigkeit nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG unter Umständen verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden. In ihrer konkreten Ausgestaltung sind die Regelungen über die Behördenanfechtung als nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG absolut verbotene Entziehung der Staatsangehörigkeit anzusehen (3.), weil der Staatsangehörigkeitsverlust durch die Betroffenen nicht oder nicht in zumutbarer Weise beeinflussbar war. Zwar wäre es angesichts der Umstände eines Staatsangehörigkeitserwerbs durch anfechtbare Vaterschaftsanerkennung denkbar, den Kindern die hierbei bestehenden Einflussmöglichkeiten ihrer Eltern zuzurechnen (3.a) und b)). Der Staatsangehörigkeitsverlust entzieht sich jedoch auch dem Einfluss der Eltern, soweit die Behördenanfechtung Vaterschaftsanerkennungen betrifft, die vor Inkrafttreten der zu überprüfenden Normen erfolgten (3.c)). Darüber hinaus ist eine Beeinflussung des Staatsangehörigkeitsverlusts durch Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung nicht zumutbar, wenn die Vaterschaftsanerkennung nicht gerade auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zielt (3.d)). Dessen ungeachtet genügen die Regelungen auch nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG an einen sonstigen Verlust der Staatsangehörigkeit (4.), weil sie keine Möglichkeit bieten zu berücksichtigen, ob das Kind staatenlos wird (4.a)) und weil es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des Staatsangehörigkeitsverlusts (4.b)) sowie an einer angemessenen Fristen- und Altersregelung fehlt, die verhindern könnte, dass auch ältere Kinder, die die deutsche Staatsangehörigkeit über einen längeren Zeitraum besessen haben, diese noch verlieren können (4.c)).

27

1. Art. 16 Abs. 1 GG schützt vor dem Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit. Dieser Schutz kommt auch Kindern zu, die die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 1 oder 3 StAG aufgrund einer Vaterschaftsanerkennung erworben haben. Dem verfassungsrechtlichen Schutz der Staatsangehörigkeit steht nicht entgegen, dass die den Staatsangehörigkeitserwerb auslösende Vaterschaft behördlicher Anfechtung unterliegt. Die gerichtliche Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft, an die der Geburtserwerb der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes geknüpft ist, beseitigt eine zuvor bestehende deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes und nicht etwa nur den Schein einer solchen. Nach § 1592 Nr. 2 BGB ist der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat, Vater dieses Kindes. Bis zur Rechtskraft eines auf Anfechtung hin ergehenden Urteils, in dem das Nichtbestehen der Vaterschaft festgestellt wird, besteht im Rechtssinne die Vaterschaft dieses Mannes. Die durch Anerkennung erworbene Vaterschaft ist eine rechtlich vollwertige Vaterschaft, keine bloße Scheinvaterschaft. Schon deshalb ist auch die nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 oder 3 StAG von ihr abgeleitete deutsche Staatsangehörigkeit keine bloße Scheinstaatsangehörigkeit (vgl. BVerfGK 9, 381 <383 f.> entsprechend zur Vaterschaftsanfechtung durch den rechtlichen Vater nach § 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Am verfassungsrechtlichen Schutz der zwischenzeitlich bestehenden deutschen Staatsangehörigkeit ändert auch der Umstand nichts, dass der Verlust der Staatsangehörigkeit durch Vaterschaftsanfechtung einfachrechtlich als anfängliche Unwirksamkeit der Vaterschaft und Staatsangehörigkeit konstruiert wird und damit rückwirkend entfällt. Es handelt sich insoweit lediglich um eine Regelungstechnik zur nachträglichen Korrektur eines bestimmten Ergebnisses, das die zwischenzeitlich Realität gewordene rechtliche Anerkennung von Vaterschaft beziehungsweise Staatsangehörigkeit nicht ungeschehen und ihre Schutzwürdigkeit nicht automatisch hinfällig macht (vgl. BVerfGE 116, 24 <46>).

28

2. Eine erfolgreiche Behördenanfechtung der Vaterschaft greift in die grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 16 Abs. 1 GG ein. Die Vaterschaftsanfechtung führt beim betroffenen Kind zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, wenn das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit allein von dem Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat, also dem bisherigen rechtlichen Vater, ableitet. Zwar verhält sich das von der Behörde durch die Vaterschaftsanfechtung erwirkte familiengerichtliche Urteil ausdrücklich allein zur Vaterschaft. Mit dem nach ständiger Rechtsprechung der Zivilgerichte rückwirkenden Wegfall der Vaterschaft tritt jedoch, ohne dass dies gesetzlich ausdrücklich geregelt wäre, nach ebenfalls gefestigter Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte automatisch auch der Verlust der Staatsangehörigkeit ein (s.o., A.III.2.), der an Art. 16 Abs. 1 GG zu messen ist. Der Senat legt seiner Beurteilung regelmäßig die Auslegung der zu prüfenden Vorschrift nach der Auffassung des vorlegenden Gerichts zugrunde. Dieses geht hier davon aus, dass bereits die erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung nach § 1600 Abs. 1 BGB einen Verlust der Staatsangehörigkeit des Kindes herbeiführen kann. Obwohl sich diese Rechtsfolge nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm ergibt, geht der Senat angesichts der nicht unvertretbaren Ansicht des Gerichts in seiner Prüfung ebenfalls von dieser Annahme aus.

29

Ein Eingriff in Art. 16 Abs. 1 GG ist auch nicht etwa deshalb zu verneinen, weil der Verlust der Staatsangehörigkeit nur eine ungewollte Nebenfolge der behördlichen Vaterschaftsanfechtung wäre. Abgesehen davon, dass eine solche Einordnung der Behördenanfechtung nicht ihren Eingriffscharakter nähme, trifft sie auch in der Sache nicht zu; die Beseitigung der Staatsangehörigkeit des Kindes ist das eigentliche Ziel der Maßnahme, da die aufenthaltsrechtlichen Vorteile für den anderen Elternteil, die damit beseitigt werden sollen, gerade aus dem Staatsangehörigkeitserwerb des Kindes resultieren.

30

3. Der Grundrechtseingriff ist verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen, weil die Regelungen über die Behördenanfechtung als absolut verbotene Entziehung der Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG anzusehen sind.

31

Eine Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ist "jede Verlustzufügung, die die - für den Einzelnen und für die Gesellschaft gleichermaßen bedeutsame - Funktion der Staatsangehörigkeit als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit beeinträchtigt. Eine Beeinträchtigung der Verlässlichkeit und Gleichheit des Zugehörigkeitsstatus liegt insbesondere in jeder Verlustzufügung, die der Betroffene nicht oder nicht auf zumutbare Weise beeinflussen kann" (BVerfGE 116, 24 <44> m.w.N.).

32

Die Regelung über die Behördenanfechtung ist als verfassungswidrige Entziehung der Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG) anzusehen, weil die Betroffenen den Staatsangehörigkeitsverlust teils gar nicht, teils nicht in zumutbarer Weise beeinflussen können: Die Kinder selbst können den Staatsangehörigkeitsverlust ohnehin nicht selbst beeinflussen (a). Angesichts der Umstände eines Staatsangehörigkeitserwerbs durch anfechtbare Vaterschaftsanerkennung käme in Betracht, den Kindern die hierbei bestehenden Einflussmöglichkeiten ihrer Eltern zuzurechnen (b). Die Eltern hatten jedoch selbst keinen Einfluss auf den Staatsangehörigkeitsverlust, soweit die Regelungen auf Vaterschaften angewendet werden, die vor Inkrafttreten von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB anerkannt wurden (c). Außerdem ist den Eltern die Wahrnehmung ihrer Einflussnahmemöglichkeit nicht zumutbar, soweit die Vaterschaftsanerkennung nicht gerade darauf zielt, durch den Abstammungserwerb der Staatsangehörigkeit des Kindes (§ 4 Abs. 1 und 3 StAG) aufenthaltsrechtliche Vorteile zu erlangen (d).

33

a) Die betroffenen Kinder können den infolge der Behördenanfechtung eintretenden Verlust der Staatsangehörigkeit nicht selbst beeinflussen. Die Vaterschaftsanfechtung liegt in der Hand der Behörde und des Gerichts. Der Staatsangehörigkeitsverlust vollzieht sich nach der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichteautomatisch. Ob die Voraussetzungen für eine Behördenanfechtung vorliegen, ist durch das Kind nicht nennenswert beeinflussbar. Auch der durch die Vaterschaftsanerkennung vermittelte Staatsangehörigkeitserwerb selbst, den rückgängig zu machen das eigentliche Ziel der Behördenanfechtung ist, entzieht sich regelmäßig dem Einfluss des Kindes. Die Vaterschaftsanerkennung liegt in den Händen der Eltern, der Staatsangehörigkeitserwerb vollzieht sich infolge der Vaterschaftsanerkennung automatisch von Gesetzes wegen.

34

b) Grundsätzlich kommt in Betracht, den Kindern Einflussmöglichkeiten ihrer Eltern (aa) zuzurechnen (bb).

35

aa) Auch die Eltern können den Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes nicht direkt beeinflussen, der bei erfolgreicher Behördenanfechtung automatisch eintritt.

36

Der Vorwurf einer nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG verbotenen Entziehung der Staatsangehörigkeit lässt sich auch nicht schon mit dem Hinweis ausräumen, die Eltern hätten zur Vermeidung des Staatsangehörigkeitsverlusts bereits auf den Staatsangehörigkeitserwerb verzichten können.

37

Besondere Umstände des Staatsangehörigkeitserwerbs können es allerdings erlauben, den Einfluss auf den Erwerbsvorgang ausnahmsweise auch als Einfluss auf den Staatsangehörigkeitsverlust zu werten (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306>). Tragen die Betroffenen bereits beim Erwerb Verantwortung für eine spezifische Instabilität der Staatsangehörigkeit, hatten sie die Situation, die schließlich zum Verlust der Staatsangehörigkeit führt, in der eigenen Hand, so dass der Verlust als beeinflussbar gelten kann (vgl. Kämmerer, in: Bonner Kommentar, August 2005, Art. 16 Rn. 51; Masing, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2004, Art. 16 Rn. 74). Eine solche Instabilität kann daraus resultieren, dass die Art und Weise des Staatsangehörigkeitserwerbs rechtlich missbilligt ist und der Gesetzgeber Regelungen getroffen hat, nach denen der rechtlich missbilligte Staatsangehörigkeitserwerb rückgängig gemacht werden kann. Führen die Betroffenen unter diesen Voraussetzungen den Erwerb einer rechtlich bemakelten Staatsangehörigkeit herbei, tragen sie Verantwortung für deren Instabilität und müssen sich dies als Einfluss auf den Staatsangehörigkeitsverlust zurechnen lassen.

38

In den Fällen der Behördenanfechtung ist die Einflussmöglichkeit der Eltern danach darin zu sehen, dass sie auf die Anerkennung einer nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 BGB anfechtbaren Vaterschaft verzichten und damit vermeiden können, dass eine Situation entsteht, die später zum Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes führt (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306>). Die Beteiligten bereits zum Verzicht auf eine im Sinne von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 BGB bemakelte Vaterschaftsanerkennung zu bewegen, ist letztlich auch Ziel der gesetzlichen Einräumung einer behördlichen Anfechtungsbefugnis. Die Zumutbarkeit eines solchen Verzichts bedarf allerdings gesonderter Betrachtung (s.u., d)).

39

bb) Soweit ein mittelbarer Einfluss der Eltern auf den Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes besteht, kann er diesem unter bestimmten Bedingungen zugerechnet werden. Dann ist der Staatsangehörigkeitsverlust als durch das Kind beeinflussbar zu werten und eine unzulässige Entziehung im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG auszuschließen (vgl. BVerfGE 116, 24 <60>). Zwar muss das Kind so mit dem Staatsangehörigkeitsverlust eine schwerwiegende Folge des Handelns seiner Eltern tragen, auf das es tatsächlich keinen eigenen Einfluss hat. Sinn und Zweck des Verbots der Entziehung der Staatsangehörigkeit lassen eine Zurechnung des Elternverhaltens gleichwohl zu. Dem durch das Entziehungsverbot des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG bezweckten Schutz vor willkürlicher Instrumentalisierung des Staatsangehörigkeitsrechts ist bereits dadurch Rechnung getragen, dass der Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes von den Eltern beeinflusst werden kann und damit der freien Verfügung des Staates entzogen ist. Der Wegfall der Staatsangehörigkeit entspringt dann nicht einem einseitigen Willensakt des Staates, sondern ist Folge der von den Eltern herbeigeführten anfechtbaren Vaterschaftsanerkennung (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306>). Dass das Kind keinen eigenen Einfluss auf den Verlust der Staatsangehörigkeit nehmen kann, darf indessen bei der verfassungsrechtlichen Würdigung eines Staatsangehörigkeitsverlusts nicht unbeachtet bleiben. Dies wird in der Prüfung am Maßstab des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG berücksichtigt.

40

Ob eine Zurechnung elterlichen Verhaltens in den Fällen der Behördenanfechtung altersunabhängig und damit auch bei größeren, zunehmend eigenständigen Kindern möglich ist, bedarf hier keiner Entscheidung, da es im Ergebnis teilweise bereits an der Einflussnahmemöglichkeit der Eltern (s.u., c)), beziehungsweise an der Zumutbarkeit fehlt, die bestehende Einflussmöglichkeit zu nutzen (s.u., d)).

41

c) An der Möglichkeit der Eltern, den Staatsangehörigkeitsverlust des Kindes dadurch zu beeinflussen, dass sie auf eine Vaterschaftsanerkennung verzichten, wenn die zur Behördenanfechtung berechtigenden Voraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB vorliegen, fehlt es, soweit die Anfechtung gemäß Art. 229 § 16 EGBGB Fälle erfasst, in denen die Vaterschaftsanerkennung und damit der Staatsangehörigkeitserwerb vor Inkrafttreten des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB am 1. Juni 2008 erfolgten - das heißt zu einem Zeitpunkt, in dem die zur Nichtigkeit des Staatsangehörigkeitserwerbs führende Anfechtungsregelung noch nicht existierte. Eine den Entziehungstatbestand des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ausschließende Einflussmöglichkeit der Eltern ist insoweit mangels Vorhersehbarkeit zu verneinen.

42

aa) Wird eine Regelung, welche die Staatsangehörigkeit entfallen lässt, nachträglich in Kraft gesetzt, so ist dies als verbotene Entziehung im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG anzusehen. Die Betroffenen haben nur dann Einfluss auf den Verlust der Staatsangehörigkeit, wenn sie im Zeitpunkt ihres Handelns wissen oder wenigstens wissen können, dass sie damit die Voraussetzungen für den Verlust der Staatsangehörigkeit schaffen. Zur Verlässlichkeit des Staatsangehörigkeitsstatus gehört auch die Vorhersehbarkeit eines Verlusts und damit ein ausreichendes Maß an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Bereich der staatsangehörigkeitsrechtlichen Verlustregelungen (BVerfGE 116, 24 <45>).

43

Erfolgte die Anerkennung einer nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 BGB anfechtbaren Vaterschaft vor Inkrafttreten des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB, konnten die Eltern nicht wissen, dass sie mit dieser Vaterschaftsanerkennung zugleich die Voraussetzung des späteren Verlusts schaffen, weil es die Möglichkeit der Behördenanfechtung zu diesem Zeitpunkt noch nicht gab. Die betroffenen Eltern durften bis zur Einführung der Behördenanfechtung davon ausgehen, dass die Vaterschaftsanerkennung unabhängig vom damit verfolgten Zweck wirksam war und die Grundlage für den Staatsangehörigkeitserwerb des Kindes bildete. Die Vaterschaftsanerkennung schafft eine vollgültige, mit allen Rechten und Pflichten verbundene Vaterschaft, auch wenn weder ein biologisches Abstammungsverhältnis noch eine sozial-familiäre Beziehung zwischen anerkennendem Vater und Kind existieren. Erst mit dem Inkrafttreten von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB konnte die zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken erfolgende Vaterschaftsanerkennung angefochten und damit die deutsche Staatsangehörigkeit rückwirkend zum Wegfall gebracht werden. Erst seitdem können die Eltern durch Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung den späteren Verlust der Staatsangehörigkeit des Kindes durch Behördenanfechtung bewusst verhindern. Bis dahin mussten sie hingegen nicht mit einer Vaterschaftsanfechtung durch die Behörde rechnen.

44

bb) Ob Art. 229 § 16 EGBGB gegen das Rückwirkungsverbot verstößt, bedarf darüber hinaus keiner Entscheidung.

45

d) Soweit die Behördenanfechtung Vaterschaftsanerkennungen betrifft, die nach Inkrafttreten der zu überprüfenden Normen erfolgten, waren die Anfechtung und der dadurch vermittelte Staatsangehörigkeitsverlust zwar vorhersehbar und konnten von den Eltern durch den Verzicht auf Vaterschaftsanerkennung beeinflusst werden. Einen Staatsangehörigkeitsverlust durch den Verzicht auf eine behördlich anfechtbare Vaterschaftsanerkennung zu beeinflussen, ist jedoch nicht ohne Weiteres zumutbar.

46

Der Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung ist nur dann zumutbar, wenn die Vaterschaftsanerkennung gerade auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zielt (aa). Die in § 1600 Abs. 3 und Abs. 4 BGB geregelten Anfechtungsvoraussetzungen sind jedoch so weit formuliert, dass sie nicht hinreichend genau allein solche Vaterschaftsanerkennungen erfassen (bb). Der Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung ist den Betroffenen in diesen Fällen auch nicht deshalb zuzumuten, weil dem Gesetzgeber keine andere Möglichkeit der Regelung der Behördenanfechtung zur Verfügung stünde und das Interesse an der Behördenanfechtung eindeutig die Interessen derjenigen überwöge, die auf eine, nicht der Umgehung gesetzlicher Aufenthaltsvoraussetzungen dienende, anfechtbare Vaterschaftsanerkennung verzichten müssten (cc).

47

aa) Der Verzicht auf eine anfechtbare Vaterschaftsanerkennung ist nur dann zumutbar, wenn die Vaterschaftsanerkennung gerade auf die Erlangung eines besseren Aufenthaltsstatus unter Umgehung der gesetzlichen Voraussetzungen zielt. Andernfalls kann den Eltern ein Verzicht nicht zugemutet werden, weil ihnen damit eine Form familienrechtlicher Statusbegründung genommen würde, die allen anderen Paaren in gleicher Lage ohne Weiteres offen steht.

48

(1) Nach dem Recht der Vaterschaftsanerkennung ist diese für ein rechtlich vaterloses Kind mit Zustimmung der Mutter unabhängig von der biologischen Vaterschaft ohne jede weitere Voraussetzung möglich. Der Gesetzgeber hat die Vaterschaftsanerkennung der autonomen Entscheidung der Eltern überlassen und hat gerade dies bei der Einführung von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB nochmals bekräftigt (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 1 und 11). Er hat darauf verzichtet, die Gründe für eine konkrete Anerkennung zu erforschen oder zu reglementieren. Die Betroffenen können eine Vaterschaft durch Anerkennung aus beliebigen Motiven herbeiführen; das gilt auch dann, wenn sie damit rechnen oder sogar wissen, dass der Anerkennende nicht biologischer Vater des Kindes ist. Die Regelung statuiert keine rechtliche Erwartung, auf bestimmte Vaterschaftsanerkennungen zu verzichten.

49

(2) Demgegenüber verlangt die hier zur Prüfung gestellte Regelung den Betroffenen ab, unter den Voraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB auf eine Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, wenn sie nicht später den anfechtungsbedingten Verlust der Staatsangehörigkeit des Kindes riskieren wollen. Betroffen sind nur binationale und ausländische Paare, von denen mindestens ein Elternteil keinen gesicherten Aufenthaltsstatus besitzt, weil die Anfechtung nach § 1600 Abs. 3 BGB erfordert, dass durch die Vaterschaftsanerkennung objektiv aufenthaltsrechtliche Vorteile geschaffen werden.

50

(3) Es ist den Betroffenen nicht ohne Weiteres zumutbar, auf eine allen anderen Paaren offenstehende Vaterschaftsanerkennung nur deshalb zu verzichten, weil ein Elternteil weder die deutsche Staatsangehörigkeit noch einen gesicherten Aufenthaltsstatus besitzt.

51

(a) Zumutbar ist allerdings, unter den in § 1600 Abs. 3 BGB genannten Voraussetzungen auf eine Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, soweit diese gerade auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zielt. Wollen die Mutter und der Anerkennungswillige mit der Vaterschaftsanerkennung gerade die Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils schaffen, bedienen sie sich des familienrechtlichen Instruments der Vaterschaftsanerkennung, um aufenthaltsrechtliche Vorteile herbeizuführen, die das Aufenthaltsrecht an und für sich nicht gewährt. Dass § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB nun diesen fachrechtlich nicht vorgesehenen Weg, Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsrecht zu erwerben, beschränkt, dient der Verwirklichung der Steuerungsziele des Staatsangehörigkeits- und des Aufenthaltsrechts. Auf eine Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, die gerade darauf zielt, aufenthaltsrechtliche Vorteile zu erlangen, die das einschlägige Fachrecht zulässigerweise nicht gewährt, ist zumutbar, zumal die in diesem Fall schwachen familiären Interessen an der Vaterschaft das Anfechtungsinteresse nicht überwinden könnten.

52

(b) Erfolgt die Vaterschaftsanerkennung hingegen nicht gezielt gerade zur Umgehung der gesetzlichen Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts, rechtfertigen es das staatsangehörigkeits- und das aufenthaltsrechtliche Gesetzesziel der Regelungen zur Behördenanfechtung nicht, den Betroffenen zuzumuten, auf die vom Gesetzgeber ansonsten ohne Ansehung der Motive eingeräumte Möglichkeit der Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, die allen anderen Paaren in genau gleicher Lage offensteht.

53

bb) Kann demnach der Verlust der Staatsangehörigkeit nur dann als rechtfertigungsfähiger Verlust, nicht aber als strikt verbotene Entziehung angesehen werden, wenn die Vaterschaftsanerkennung gerade auf die Umgehung gesetzlicher Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts zielt, muss die Möglichkeit der Behördenanfechtung auf die Fälle spezifisch aufenthaltsrechtlich motivierter Vaterschaftsanerkennungen begrenzt bleiben. Diese Begrenzung vermögen die vom Gesetzgeber gewählten Anfechtungsvoraussetzungen nicht hinreichend zuverlässig zu leisten.

54

(1) Zwar darf sich der Gesetzgeber bei der Statuierung der Voraussetzungen für die behördliche Anfechtung einer gerade aufenthaltsrechtlich motivierten Vaterschaft aus Praktikabilitätsgründen objektiver Merkmale bedienen, die eine entsprechende subjektive Motivlage beispielhaft und widerlegbar indizieren können. Objektive Anhaltspunkte könnten neben einem Geständnis der Eltern etwa sein, dass der anerkennende Vater bereits mehrfach Kinder verschiedener ausländischer Mütter anerkannt hat oder dass eine Geldzahlung anlässlich der Vaterschaftsanerkennung bekannt wird (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 16).

55

(2) Die objektiv gefassten Anfechtungsvoraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen jedoch nicht.

56

(a) Nach § 1600 Abs. 3 BGB setzt die Behördenanfechtung voraus, dass zwischen Kind und Anerkennendem nicht zu bestimmten Zeitpunkten eine sozial-familiäre Beziehung besteht oder bestanden hat und dass durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt geschaffen werden. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, hat das Gericht im Falle fehlender biologischer Vaterschaft das Nichtbestehen der Vaterschaft festzustellen, ohne dass es weitere Belege dafür verlangen müsste oder auch nur dürfte, dass die Vaterschaftsanerkennung tatsächlich gerade auf die Erlangung aufenthaltsrechtlicher Vorteile zielte. Dies wird beim Fehlen einer sozial-familiären Beziehung vielmehr unwiderlegbar unterstellt (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 14).

57

(b) Die objektiv formulierten Voraussetzungen des § 1600 Abs. 3 BGB sind als Anhaltspunkte für eine spezifisch aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennung nicht hinreichend aussagekräftig.

58

(aa) Die Voraussetzung der Schaffung von Einreise- oder Aufenthaltsvoraussetzungen ist für sich genommen nicht zu einer den Anforderungen von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG genügenden Eingrenzung der Anfechtungsfälle geeignet, weil sie alle Fälle der Vaterschaftsanerkennung einbezieht, in denen die Mutter einen ungesicherten Aufenthaltsstatus hatte. Dass die Vaterschaftsanerkennung in diesen Fällen generell gerade zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken erfolgt, ist weder im Gesetzgebungsverfahren dargelegt worden noch sind dafür sonst Anhaltspunkte erkennbar.

59

(bb) Auch das Fehleneiner sozial-familiären Beziehung zwischen Vater und Kind ist kein zuverlässiger Indikator dafür, dass eine, den Aufenthaltsstatus der Beteiligten objektiv verbessernde, Vaterschaftsanerkennung gerade auf aufenthaltsrechtliche Vorteile zielt. Nach § 1600 Abs. 4 BGB besteht eine sozial-familiäre Beziehung, wenn der Vater zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat, was in der Regel der Fall ist, wenn der Vater mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat. Die erste Alternative scheidet hier schon deshalb aus, weil die Eltern in Fällen der Vaterschaftsanerkennung in aller Regel nicht miteinander verheiratet sind. Die zweite Alternative fasst die sozial-familiäre Beziehung zu eng, als dass deren Fehlen bereits die aufenthaltsrechtliche Motivlage indizieren könnte (vgl. Löhning, FamRZ 2008, S. 1130 <1131>; Arendt-Rojahn, FPR 2007, S. 395 <397>; Grün, FuR 2007, S. 12 <13>; Helms, StAZ 2007, S. 69 <73>). Das Erfordernis einer häuslichen Gemeinschaft ist streng und geht deutlich über das Maß an sozialen Vater-Kind-Kontakten hinaus, das ansonsten zwischen nichtehelichen Kindern und ihren Vätern praktisch üblich ist. So kam eine im Gesetzgebungsverfahren zum Kindschaftsrechts-Reformgesetz von 1998 in Auftrag gegebene Untersuchung zur Lebenslage nichtehelicher Kinder zu dem Ergebnis, dass nur knapp ein Viertel aller unverheirateten Eltern in einer häuslichen Gemeinschaft lebten; demgegenüber lebten etwa drei Viertel aller Väter nichtehelicher Kinder nicht mit diesen im selben Haushalt (vgl. BTDrucks 13/4899, S. 50). Das Fehlen einer häuslichen Gemeinschaft ist damit kein zuverlässiger Indikator einer gerade aufenthaltsrechtlich motivierten Vaterschaftsanerkennung (vgl. Arendt-Rojahn, FPR 2007, S. 395 <397>).

60

Dabei wird nicht verkannt, dass in Fallkonstellationen, in denen keine häusliche Gemeinschaft zwischen Vater und Kind begründet wird, Vaterschaftsanerkennungen zu einem gewissen Anteil tatsächlich gerade auf aufenthaltsrechtliche Vorteile zielen werden. Gleichwohl eröffnet der generalisierende Schluss vom Fehlen häuslicher Gemeinschaft auf die aufenthaltsrechtliche Motivlage zu weitgehende Anfechtungsmöglichkeiten, die durch Verzicht auf die Vaterschaftsanerkennung zu vermeiden den Betroffenen nicht zuzumuten ist (s.u., cc)).

61

(3) Freilich könnte § 1600 Abs. 4 Satz 2 BGB als nicht abschließende Aufzählung von Beispielen verstanden werden. Dann wäre davon auszugehen, dass auch in anderen als den dort genannten Fällen der Ehe und der häuslichen Gemeinschaft eine tatsächliche Verantwortungsübernahme - und damit eine sozial-familiäre Beziehung im Sinne des § 1600 Abs. 3 BGB - vorliegen kann. Der Schutz der durch Anerkennung begründeten rechtlichen Vater-Kind-Beziehung vor behördlicher Anfechtung reichte dann weiter.

62

Dem Wortlaut ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob die Regelvermutungen die denkbaren Fälle einer sozial-familiären Gemeinschaft abschließend bezeichnen oder lediglich als Beispiele gedacht sind. Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien sollte die Aufzählung nicht abschließend sein. Dort heißt es, neben dem gesetzlichen Regelfall der häuslichen Gemeinschaft könne der Vater tatsächliche Verantwortung auch übernehmen, indem er "typische Elternrechte und -pflichten" wahrnimmt, etwa regelmäßigen Umgang mit dem Kind, Betreuung und Erziehung des Kindes oder die Leistung von Unterhalt (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 13). Darüber hinaus verweist die Begründung des Regierungsentwurfs in diesem Zusammenhang auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Oktober 2005 - 2 BvR 1001/04 -, FamRZ 2006, S. 187 <188>), in der festgestellt wurde, eine verantwortungsvoll gelebte Eltern-Kind-Gemeinschaft lasse sich nicht allein quantitativ etwa nach Daten und Uhrzeiten des persönlichen Kontakts oder genauem Inhalt der einzelnen Betreuungshandlungen bestimmen. Die Entwicklung eines Kindes werde nicht nur durch quantifizierbare Betreuungsbeiträge der Eltern, sondern auch durch die geistige und emotionale Auseinandersetzung geprägt (vgl. BTDrucks 16/3291, S. 13 f.).

63

Auch im Fachschrifttum wird im Rahmen der Behördenanfechtung eine weite Auslegung des negativen Tatbestandsmerkmals der sozial-familiären Beziehung befürwortet, weil es allein darum gehe, die Missbrauchsfälle herauszufiltern (vgl. Wellenhofer, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 8, 6. Aufl. 2012, § 1600 Rn. 21; Löhning, FamRZ 2008, S. 1130 <1131>; Arendt-Rojahn, FPR 2007, S. 395 <397>). An einer sozial-familiären Beziehung fehle es nicht automatisch dann schon, wenn keine persönlichen Kontakte zwischen dem Anerkennenden und dem Kind bestünden. Ein Mangel an persönlichem Kontakt könne durchaus auf Umständen beruhen, auf die der Anerkennende keinen Einfluss habe, so etwa wenn tatsächliche Umstände (z.B. eine große räumliche Distanz zwischen Kind und Anerkennendem, Erkrankungen des Anerkennenden oder des Kindes oder die Verbüßung einer Strafhaft) das persönliche Zusammentreffen nicht möglich machten (vgl. Grün, FuR 2007, S. 12 f.; ders., FPR 2011, S. 382 <383 f.>).

64

(4) Die verfassungsrechtlichen Defizite der Norm lassen sich jedoch angesichts der Gesetzessystematik nicht durch Auslegung beheben.

65

Die sozial-familiäre Beziehung ist zugleich negatives Tatbestandsmerkmal der bereits im Jahr 2004 eingeführten Vaterschaftsanfechtung durch den biologischen Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Der Gesetzgeber hatte bei der Regelung der Anfechtung durch den biologischen Vater mit der Aufnahme dieses Negativmerkmals (§ 1600 Abs. 2 BGB) im Wesentlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz der bestehenden rechtlichen Familie umgesetzt (vgl. BVerfGE 108, 82). Für die Behördenanfechtung wurde das Kriterium später in diesen anderen Zusammenhang schlicht übernommen (§ 1600 Abs. 3 BGB). Die sozial-familiäre Beziehung ist dabei für beide Anfechtungskonstellationen einheitlich in § 1600 Abs. 4 BGB definiert. Die Doppelfunktion des negativen Tatbestandsmerkmals der sozial-familiären Beziehung lässt es hier im Ergebnis nicht zu, dieses Tatbestandsmerkmal im Zusammenhang mit der Behördenanfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB den Erfordernissen des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG gemäß weit auszulegen, weil dasselbe Tatbestandsmerkmal im Rahmen der Anfechtung durch den mutmaßlichen biologischen Vater (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB) aus verfassungsrechtlichen Gründen eng auszulegen ist.

66

Das negative Tatbestandsmerkmal der sozial-familiären Beziehung steht in den beiden Anfechtungskonstellationen in unterschiedlichem Kontext und hat bei der Anfechtung durch den biologischen Vater eine völlig andere Funktion als bei der Anfechtung durch die Behörde (vgl. van Els, FPR 2011, S. 380 <381>; Löhning, FamRZ 2008, S. 1130 <1131>; Grün, FuR 2007, S. 12 <13>; Arendt-Rojahn, FPR 2007, S. 395 <397>; Helms, StAZ 2007, S. 69 <72 f.>).

67

Bei der Anfechtung durch den biologischen Vater soll die bestehende Vaterschaft des rechtlichen Vaters durch die des biologischen Vaters ersetzt werden. Das Negativmerkmal der sozial-familiären Beziehung zum rechtlichen Vater dient im Interesse des Kindes dem Schutz der bestehenden sozialen Familie (vgl. BVerfGE 108, 82 <109 f.>). Der Schutzbedarf ist jedoch begrenzt, weil das Kind nicht vaterlos wird, sondern den biologischen Vater als rechtlichen Vater erhält, woran das Kind ein eigenes Interesse hat, das das Interesse an der Erhaltung der rechtlichen Eltern-Kind-Beziehung zum bisherigen Vater überwiegen kann. Um die Anfechtung nicht übermäßig zu erschweren, ist mit der sozial-familiären Beziehung ein negatives Tatbestandsmerkmal gewählt, das der Anfechtung durch den biologischen Vater Raum gewährt und diese nur dann scheitern lässt, wenn Kind und rechtlicher Vater tatsächlich gemeinsam ein soziales Familienleben führen, welches durch die rechtliche Neuordnung der Vaterschaft gestört würde. Bei der Behördenanfechtung hingegen soll eine rechtliche Vater-Kind-Zuordnung im öffentlichen Interesse aufgehoben werden, ohne dass für die Feststellung einer neuen, biologisch zutreffenden Vaterschaft Sorge getragen wäre. Die Anfechtung dient - anders als im Fall der Anfechtung durch den biologischen Vater - nicht dem Schutz der Grundrechte der Betroffenen, sondern der Durchsetzung staatsangehörigkeits- und aufenthaltsrechtlicher Steuerungsziele. Durch die Behördenanfechtung wird weder ein Vater in sein Recht gesetzt noch hat das Kind hierdurch Vorteile. Vielmehr verliert es neben der deutschen Staatsangehörigkeit ersatzlos einen rechtlich vollwertigen Elternteil.

68

Demgemäß kommt dem Negativmerkmal der sozial-familiären Beziehung bei der Behördenanfechtung eine andere Funktion zu als bei der Anfechtung durch den biologischen Vater. Während es bei der Anfechtung durch die Behörde vor allem dazu dient, eine gerade aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennung zu identifizieren, geht es bei der Anfechtung durch den biologischen Vater nur darum, festzustellen, ob der Anfechtung eine verfassungsrechtlich schützenswerte, sozial gehaltvolle Beziehung zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater entgegensteht.

69

Verfassungsrechtlich unzulässig wäre es, das für beide Anfechtungskonstellationen relevante Tatbestandsmerkmal der sozial-familiären Beziehung, das in § 1600 Abs. 4 BGB eine einheitliche Definition erfahren hat, je nach Kontext unterschiedlich auszulegen, indem man es als Voraussetzung der Behördenanfechtung weit interpretierte, ihm aber bei der Anfechtung durch den biologischen Vater eine enge Bedeutung beilegte (kritisch Helms, StAZ 2007, S. 69<73>). Ein und dasselbe, durch eine Norm einheitlich definierte Tatbestandsmerkmal kann hier nicht, je nachdem, mit welcher Anfechtungsnorm es in Verbindung gebracht wird, einmal eng und einmal weit interpretiert werden. Angesichts der erheblichen Grundrechtseingriffe, die mit der Vaterschaftsanfechtung in beiden Fällen verbunden sind, wäre dies unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten der Normverständlichkeit nicht zu akzeptieren.

70

cc) Es ist den Betroffenen auch nicht deshalb zuzumuten, bereits im Fall des Fehlens einer sozial-familiären Beziehung im engeren Sinne auf die Vaterschaftsanerkennung zu verzichten, weil sich das behördliche Anfechtungsrecht mangels äußerer Unterscheidbarkeit gerade aufenthaltsrechtlich motivierter Vaterschaftsanerkennungen von anderen Vaterschaftsanerkennungen nur auf diese Weise durchsetzen ließe und das Interesse an der Vaterschaftsanerkennung hinter dem Anfechtungsinteresse zurücktreten müsste. Es ist nicht ausgeschlossen, treffgenauere Kriterien als das Negativmerkmal der sozial-familiären Beziehung zu verwenden (s.o., bb)(1)). Selbst wenn diese nicht alle Fälle aufenthaltsrechtlich motivierter Vaterschaftsanerkennung vollständig erfassen sollten, wäre das hinnehmbar, zumal eine besondere Dringlichkeit, aufenthaltsrechtlich motivierte Vaterschaftsanerkennungen zu bekämpfen, nicht erkennbar geworden ist.

71

So konnte die für den Zeitraum vom 1. April 2003 bis 31. März 2004 erhobene Zahl von 1.694 Aufenthaltstiteln, die an unverheiratete ausländische Mütter eines deutschen Kindes erteilt wurden, die im Zeitpunkt der Vaterschaftsanerkennung ausreisepflichtig waren, nach eigener Einschätzung der Bundesregierung "nicht belegen, in wie vielen Fällen es sich tatsächlich um missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen handelt" (BTDrucks 16/3291, S. 11). Es ist wahrscheinlich, dass ein ganz erheblicher Anteil der Fälle keine Anfechtungsfälle waren, denn in die Erhebung waren insbesondere auch die Fälle einbezogen, in denen die biologische Vaterschaft oder aber wenigstens eine sozial-familiäre Beziehung zwischen Vater und Kind bestand, mithin reguläre Vaterschaftsanerkennungen, auf die die Behördenanfechtung nicht zielt und die sie auch nicht erfasst.

72

Dass sich die Vaterschaftsanerkennung praktisch nicht zum extensiv genutzten Instrument der Aufenthaltssicherung unter Umgehung aufenthaltsrechtlicher Voraussetzungen entwickelt hat, dürfte nicht zuletzt darauf beruhen, dass die anerkennenden Väter ein erhebliches Risiko eingehen, dauerhaft unterhaltsrechtlich belangt zu werden. Die Vaterschaftsanerkennung führt zur rechtlich vollgültigen Vaterschaft. Mit ihr ist auch und gerade im Fall fehlender häuslicher Gemeinschaft eine unter Umständen lang währende Pflicht zur Zahlung von Kindesunterhalt verbunden, die gegebenenfalls staatlich durchsetzbar ist. Mittellosigkeit schützt den Vater allenfalls begrenzt vor dieser Zahlungspflicht. Der Vater eines minderjährigen Kindes ist gemäß § 1601, § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB gesteigert unterhaltspflichtig und deshalb verpflichtet, alle Anstrengungen zu unternehmen, um Unterhalt zahlen zu können. Dies zwingt den Unterhaltspflichtigen zur Übernahme jeder ihm zumutbaren Arbeit, wobei zur Sicherung des Unterhalts minderjähriger Kinder auch Aushilfs- und Gelegenheitsarbeiten zumutbar sind und ein Orts- und Berufswechsel verlangt werden kann. Unterlässt es der Unterhaltsverpflichtete, einer ihm möglichen und zumutbaren Erwerbstätigkeit nachzugehen, werden ihm auch fiktiv erzielbare Einkünfte zugerechnet (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2008 - XII ZR 182/06 -, juris, Rn. 20 ff.; stRspr).

73

Im Übrigen stehen dem Staat auch jenseits des familiengerichtlichen Unterhaltsverfahrens des unterhaltsberechtigten Kindes Mittel zur Verfügung, die Unterhaltspflichten durchzusetzen und so indirekt Druck gegen eine Praxis aufenthaltsrechtlich motivierter Gefälligkeitsanerkennungen zu entfalten. Die Verletzung der Unterhaltspflicht ist nach § 170 StGB strafbewehrt. Zudem haben die Sozialbehörden im Fall der Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch das Kind Mittel an der Hand, die unterhaltsrechtlichen Folgen einer Vaterschaftsanerkennung spürbar werden zu lassen, indem sie die auf sie übergehenden Unterhaltsforderungen gegenüber dem Anerkennenden durchsetzen.

74

4. Die zu überprüfenden Normen verstoßen darüber hinaus gegen Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG. Sie genügen nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG an einen sonstigen Verlust der Staatsangehörigkeit stellt, weil sie keine Möglichkeit bieten, zu berücksichtigen, ob das Kind staatenlos wird (a), weil es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des Staatsangehörigkeitsverlusts fehlt (b) und weil keine angemessene Fristen- und Altersregelung getroffen wurde, die verhindern könnte, dass auch ältere Kinder, die die deutsche Staatsangehörigkeit über einen längeren Zeitraum besessen haben, diese noch verlieren (c).

75

a) § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB ist insofern verfassungswidrig, als dem über die Anfechtung entscheidenden Gericht weder aufgegeben noch ermöglicht ist, Rücksicht darauf zu nehmen, ob das betroffene Kind infolge der Behördenanfechtung staatenlos wird. Nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG darf der Verlust der Staatsangehörigkeit gegen den Willen der Betroffenen nur dann eintreten, wenn diese dadurch nicht staatenlos werden. Weil der Verlust der Staatsangehörigkeit im Fall der Behördenanfechtung in aller Regel gegen den Willen des betroffenen Kindes eintritt, hätte der Gesetzgeber eine Vorkehrung für den Fall der Staatenlosigkeit treffen müssen. Für eine verfassungskonforme Auslegung bietet der Wortlaut keinen Anknüpfungspunkt.

76

aa) Es ist nicht auszuschließen, dass Kinder infolge der Behördenanfechtung staatenlos werden. Welche Auswirkungen der Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit für die weitere Staatsangehörigkeit des Kindes hat, bestimmt sich nach ausländischem Staatsangehörigkeitsrecht. Das deutsche Recht kann Erwerb, Fortbestand oder Wiederaufleben der mütterlich vermittelten ausländischen Staatsangehörigkeit nicht steuern.

77

bb) Eine Rechtfertigung der Inkaufnahme von Staatenlosigkeit kommt nicht in Betracht. Der Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG sieht abgesehen vom Willenskriterium keine weitere Einschränkung des Verbots der Inkaufnahme von Staatenlosigkeit vor; das Staatenlosigkeitsverbot ist strikt formuliert.

78

Zwar wurde eine Inkaufnahme der Staatenlosigkeit im Fall der Rücknahme einer durch bewusst falsche Angaben erwirkten rechtswidrigen Einbürgerung für verfassungsrechtlich zulässig gehalten (vgl. BVerfGE 116, 24 <45 ff.>). Wegen des strikt formulierten Verbots des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG ist jedoch bei einer Weiterung der für den Rücknahmefall angestellten Rechtfertigungsüberlegungen auf andere Konstellationen äußerste Zurückhaltung geboten. In der hier zu beurteilenden Konstellation greifen die zur Rücknahme einer durch Täuschung erschlichenen Einbürgerung angestellten Erwägungen jedenfalls nicht. Dort stand im Zentrum, dass sich die Betroffenen über die Rechtsordnung hinweggesetzt und durch willentliche Täuschung eine rechtswidrige Einbürgerung erreicht haben. Im Fall der Behördenanfechtung liegen die Dinge anders.

79

Durch die Vaterschaftsanerkennung haben sich die Eltern weder über die Rechtsordnung hinweggesetzt, noch haben sie irgendjemanden über irgendetwas getäuscht, noch haben sie eine rechtswidrige Entscheidung herbeigeführt. Wegen der geringen Voraussetzungen, die das deutsche Abstammungsrecht an eine Vaterschaftsanerkennung stellt, welche insbesondere keine biologische Vaterschaft erfordert, gibt es nichts, worüber die Eltern täuschen könnten. Von einer rechtlichen Missbilligung des Staatsangehörigkeitserwerbs durch Vaterschaftsanerkennung kann ohnehin allenfalls bei Vaterschaftsanerkennungen die Rede sein, die nach Inkrafttreten von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB erfolgten. Auch dann ist die Bemakelung der durch Vaterschaftsanerkennung erlangten Staatsangehörigkeit jedoch mit einer durch rechtswidriges Verhalten oder Täuschung erschlichenen Einbürgerung nicht vergleichbar und rechtfertigt nicht die Überwindung des Verbots der Herbeiführung von Staatenlosigkeit. In dieser Konstellation setzte sich die deutsche Rechtsordnung durch eine Inkaufnahme der Staatenlosigkeit auch in Widerspruch zu völkerrechtlichen Bestimmungen zur Staatenlosigkeit (Art. 8 Abs. 1 und 2 der Konvention zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30. August 1961, BGBl II 1977, S. 598, United Nations, Treaty Series, vol. 989, p. 175; Art. 7 Abs. 3 des Europäischen Übereinkommens über Staatsangehörigkeit vom 6. November 1997, BGBl II 2004, S. 579; BGBl II 2006, S. 1351,United Nations, Treaty Series, vol. 2135, p. 215).

80

Vor allem aber treten hier der Verlust der Staatsangehörigkeit und damit gegebenenfalls die Staatenlosigkeit beim Kind ein, das selbst an der Erlangung der Staatsangehörigkeit nicht aktiv beteiligt war. Anders als bei der Abgrenzung von Entziehung und Verlust der Staatsangehörigkeit (s.o., 3.b)bb)) ist es angesichts des klaren Verbots der Inkaufnahme von Staatenlosigkeit hier nicht möglich, dem Kind ein Verhalten der Eltern zuzurechnen.

81

b) Darüber hinaus liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts vor. Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG verlangt zur Legitimierung eines unfreiwilligen Verlusts der Staatsangehörigkeit eine gesetzliche Grundlage (vgl. BVerfGE 116, 24 <52 ff.>). Dabei gebietet Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG, den Verlust der Staatsangehörigkeit so bestimmt zu regeln, dass die für den Einzelnen und für die Gesellschaft gleichermaßen bedeutsame Funktion der Staatsangehörigkeit als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit nicht beeinträchtigt wird (vgl. BVerfGE 116, 24 <61>). Dem genügen die Regelungen über die Behördenanfechtung nicht, weil der Umstand, dass die Staatsangehörigkeit infolge der Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft wegfällt, nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist. Damit liegt zugleich ein Verstoß gegen das Zitiergebot vor (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG).

82

Die familienrechtlichen Vorschriften zur Behördenanfechtung zielen zwar ersichtlich darauf, die durch Vaterschaftsanerkennung erworbene deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes zu Fall zu bringen, um so die nicht gewollten aufenthaltsrechtlichen Folgen der Vaterschaftsanerkennung zu beseitigen. Jedoch regeln sie die Auswirkungen auf die Staatsangehörigkeit des Kindes nicht ausdrücklich. Auch im Staatsangehörigkeitsrecht findet sich keine gesetzliche Regelung, die den Verlust der Staatsangehörigkeit infolge der die Vaterschaft beendenden Behördenanfechtung anordnet. In der Aufzählung der Verlustgründe (§ 17 Abs. 1 StAG) ist diese Verlustform nicht enthalten. Der Wegfall ergibt sich vielmehr aus der Anwendung zweier ungeschriebener Rechtsregeln, an die § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB unausgesprochen anknüpft. Zugrunde liegen erstens die Annahme der Rückwirkung der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung auf den Zeitpunkt der Geburt und zweitens die Annahme, dass das Staatsangehörigkeitsrecht in vollem Umfang den familienrechtlichen Abstammungsvorschriften folgt, so dass die staatsangehörigkeitsrechtlichen Erwerbsvoraussetzungen einheitlich mit der Vaterschaft rückwirkend entfallen (s.o., A.III.2.). Der Gesetzgeber hat dies vorausgesetzt, jedoch nicht klar erkennbar geregelt.

83

Zwar hat die staatsangehörigkeitsrechtliche Folge der behördlichen Vaterschaftsanfechtung im Februar 2009 mittelbar Niederschlag im Gesetz gefunden, indem der Gesetzgeber in § 17 Abs. 2 und 3 StAG für den Staatsangehörigkeitsverlust drittbetroffener Kinder eine Altersgrenze festgesetzt und dabei die Behördenanfechtung ausdrücklich von der Geltung dieser Altersgrenze ausgenommen hat. Diese Bestimmung impliziert, dass die Behördenanfechtung zum Verlust der Staatsangehörigkeit führt. Den strengen Anforderungen, die der Gesetzesvorbehalt an die Regelung der Staatsangehörigkeit stellt, genügt diese nur mittelbare Regelung jedoch nicht.

84

c) Die Regelung verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie verfolgt zwar einen legitimen Zweck, genügt jedoch nicht den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Die Regelung zielt legitimer Weise auf die Effektivierung der gesetzlichen Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts, deren zielgerichtete Umgehung im Wege einer Vaterschaftsanerkennung verhindert werden soll (s.o.,3.d)aa)(3)(a)). Angesichts des Gewichts des Staatsangehörigkeitsverlusts (aa), das mit Alter und Dauer der Inhaberschaft der deutschen Staatsangehörigkeit steigt (bb), und verbleibender Zweifel an der Dringlichkeit des mit der Behördenanfechtung verfolgten Ziels (cc) ist die konkrete Ausgestaltung der Behördenanfechtung jedoch unverhältnismäßig im engeren Sinne, weil es an einer angemessenen Fristen- und Altersregelung fehlt (dd). Das gilt auch für Fälle, in denen die Vaterschaftsanerkennung tatsächlich zur Umgehung gesetzlicher Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts erfolgte. Sofern die Anfechtung Vaterschaftsanerkennungen erfasst, die nicht gerade zum Zweck der Umgehung des Aufenthaltsrechts erfolgten, sind sie ohnehin verfassungswidrig, weil sie gegen Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG verstoßen (s.o., 3.d)).

85

aa) Die staatliche Herbeiführung des Staatsangehörigkeitsverlusts ist aus Sicht des betroffenen Kindes ein gravierender Grundrechtseingriff. Die deutsche Staatsangehörigkeit ermöglicht dem Kind den weiteren Verbleib in Deutschland und die gleichberechtigte Teilhabe an Gütern und Rechten und damit die volle Teilnahme am gesellschaftlichen Leben der Bundesrepublik. Mit dem Wegfall der Staatsangehörigkeit entschwinden Lebenschancen, auf die sich das Kind je nach Alter eingerichtet hat (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306> m.w.N.). Dabei fällt auch ins Gewicht, dass Kinder von der Behördenanfechtung als Außenstehende betroffen sind, die an dem bemakelten Staatsangehörigkeitserwerb nicht beteiligt waren und darum mit der Vaterschaftsanfechtung die Folgen des Handelns ihrer Eltern tragen müssen.

86

bb) Die Belastungswirkung des mit dem Staatsangehörigkeitsverlust durch Behördenanfechtung verbundenen Grundrechtseingriffs nimmt mit dem Alter des betroffenen Kindes und mit der Zeitspanne zu, während der das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit innehatte. Mit dem altersgemäß steigenden Bewusstsein seiner Staatsangehörigkeit wächst das Vertrauen des Kindes auf den Bestand der Staatsangehörigkeit und der mit der deutschen Staatsangehörigkeit verbundenen faktischen und rechtlichen Folgen. Neben dem Alter erhöht auch die Dauer der Inhaberschaft der deutschen Staatsangehörigkeit die Belastungswirkung ihres Entfallens. Je länger sich ein Kind auf ein Leben in Deutschland eingerichtet und sich, insbesondere durch Teilhabe am deutschen Bildungssystem, in die deutsche Gesellschaft integriert hat, umso gravierender ist der mit dem Staatsangehörigkeitsverlust verbundene Grundrechtseingriff (vgl. Becker, NVwZ 2006, S. 304 <306>).

87

cc) Auf der anderen Seite ist ungeachtet der legitimen Zielsetzung der Behördenanfechtung eine konkrete Dringlichkeit, in Umgehungsabsicht erfolgte Vaterschaftsanerkennungen zu bekämpfen, nicht erkennbar (s.o., 3.d)cc)).

88

dd) Wegen der erheblichen Belastungswirkung des Staatsangehörigkeitsverlusts, die mit dem Alter des Kindes und mit der Dauer der Staatsangehörigkeit steigt, sind dem Staatsangehörigkeitsverlust jenseits des relativ frühen Kindesalters zeitliche Grenzen zu setzen. Dass damit nicht jede zu Umgehungszwecken erfolgte Vaterschaftsanerkennung im Wege der Behördenanfechtung rückgängig gemacht werden kann, ist auch angesichts der Zweifel an deren Dringlichkeit hinnehmbar.

89

(1) Dem Vertrauen von Kindern in den Bestand der deutschen Staatsangehörigkeit ist durch spezifische Regelungen Rechnung zu tragen, die die Möglichkeit des Staatsangehörigkeitsverlusts einschränken (vgl. BVerfGE 116, 24 <60>). Dementsprechend hat der Gesetzgeber Altersgrenzen für den Verlust der Staatsangehörigkeit bei Kindern geschaffen. Nach der Regelung in § 17 Abs. 2 und 3 Satz 1 StAG berühren Entscheidungen nach anderen Gesetzen, die den rückwirkenden Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit Dritter zur Folge hätten, nicht die deutsche Staatsangehörigkeit von Kindern, die mindestens fünf Jahre alt sind. Exemplarisch nennt § 17 Abs. 3 StAG die Rücknahme der Einbürgerung oder einer Niederlassungserlaubnis der Eltern sowie die Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft. Zur Begründung führte die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren aus, sie wolle Kinder, die am nachträglichen Wegfall der Erwerbsvoraussetzungen für ihre Staatsangehörigkeit nicht beteiligt sind, gegen einen automatischen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit schützen. Man gehe aber davon aus, dass ein Kind bis zum Alter von fünf Jahren noch kein eigenes Bewusstsein von seiner Staatsangehörigkeit und kein eigenes Vertrauen auf deren Bestand habe (vgl. BTDrucks 16/10528, S. 6 f.).

90

(2) Die damit geschaffene absolute Altersgrenze von fünf Jahren gilt jedoch nach § 17 Abs. 3 Satz 2 StAG nicht für den Wegfall der Staatsangehörigkeit nach einer Behördenanfechtung. Der Gesetzgeber verweist zur Begründung des Verzichts auf ein Alterskriterium bei der Behördenanfechtung auf den seiner Ansicht nach ausreichenden Schutz dieser Kinder durch die in § 1600b Abs. 1a Satz 3 BGB enthaltene Anfechtungsfrist von fünf Jahren nach Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung oder Einreise des Kindes in das Bundesgebiet (vgl. BTDrucks 16/10528, S. 7).

91

Die Staatsangehörigkeit kann jedoch durch Behördenanfechtung auch bei einem älteren Kind verloren gehen, das die deutsche Staatsangehörigkeit über einen langen Zeitraum innehatte. Zwar schließt § 1600b Abs. 1a BGB den Staatsangehörigkeitsverlust bei älteren Kindern in den Fällen aus, in denen eine Vaterschaftsanerkennung in zeitlicher Nähe zur Geburt des Kindes erfolgte. Die Behördenanfechtung trifft gleichwohl auch ältere Kinder. Zum einen ist die Behördenanfechtung auch in Fällen möglich, in denen die Vaterschaftsanerkennung in vorgerücktem Kindesalter erfolgte. Zum anderen wird durch die Ausschlussfrist des § 1600b Abs. 1a Satz 3, 2. Alt. BGB die Behördenanfechtung auch solcher Vaterschaftsanerkennungen ermöglicht, die bereits vor Jahren wirksam wurden, sofern das Kind erst deutlich später in die Bundesrepublik einreist. Aufgrund der langen Anfechtungsfrist von fünf Jahren trifft die Behördenanfechtung zudem auch (ältere) Kinder, die bereits seit vielen Jahren die deutsche Staatsangehörigkeit innehatten und demgemäß als Deutsche gelebt haben. Es kommt hinzu, dass die Fünfjahresfrist auf die Anfechtung bezogen ist und nicht auf die Rechtskraft des das Nichtbestehen der Vaterschaft feststellenden Urteils, die nochmals Jahre später eintreten kann.

92

(3) Soweit die Behördenanfechtung wegen der altersunabhängigen Fünfjahresfrist ältere Kinder trifft, deren Staatsangehörigkeitserwerb möglicherweise schon viele Jahre zurückliegt, so dass sie bereits ein Bewusstsein für ihre Staatsangehörigkeit und die damit verbundenen Folgen entwickelt haben und in für die Entfaltung ihrer Persönlichkeit entscheidenden Jahren davon ausgingen, deutsche Staatsangehörige zu sein, ist die Regelung übermäßig hart, zumal die betroffenen Kinder zur Bemakelung ihres Staatsangehörigkeitserwerbs nicht selbst beigetragen haben. Nach der Einschätzung und Wertung des Gesetzgebers setzt das Bewusstsein für die eigene Staatsangehörigkeit bei Kindern ein, die älter sind als fünf Jahre. Verfassungsrechtlich ist auch für die Behördenanfechtung für Kinder, die älter als fünf Jahre sind, eine deutliche Verkürzung der Anfechtungsfrist geboten.

II.

93

Die Regelungen über die Behördenanfechtung verstoßen gegen das durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Elternrecht.

94

1. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG schützt als Grundlage und Kern des Elternrechts auch den Bestand der Elternschaft. Die Behördenanfechtung betrifft das Bestandsinteresse des Vaters wie auch das ebenfalls geschützte (vgl. BVerfGE 38, 241 <252>) Interesse der Mutter am Fortbestand einer zuvor willentlich begründeten gemeinsamen Elternschaft.

95

Eine verfassungsrechtlich geschützte Elternschaft besteht auch dann, wenn die Vaterschaft durch Anerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB begründet wurde und der Anerkennende - wie in § 1600 Abs. 3 BGB vorausgesetzt - weder der biologische Vater des Kindes ist noch eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind begründet hat. Die durch Vaterschaftsanerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB erlangte Vaterstellung macht den anerkennenden Mann unabhängig von den biologischen Abstammungsverhältnissen zugleich zum Träger des verfassungsrechtlichen Elternrechts des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, ohne dass es auf die Begründung einer sozial-familiären Beziehung ankäme. Freilich hängt die Intensität des durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten Schutzes davon ab, ob die rechtliche Vaterschaft auch sozial gelebt wird.

96

2. Die Behördenanfechtung beendet die rechtliche Vaterschaft rückwirkend gegen den Willen der Familienmitglieder (s.o., A.III.2.) und greift so in das Bestandsinteresse beider Eltern ein.

97

3. Der Eingriff ist nicht zu rechtfertigen, weil er unverhältnismäßig ist.

98

a) Das Elterngrundrecht enthält keinen allgemeinen Gesetzesvorbehalt. Eine Beschränkung des Elterngrundrechts kann indessen aufgrund verfassungsimmanenter Schranken erfolgen. Die Behördenanfechtung dient der Durchsetzung aufenthaltsrechtlicher Steuerungszwecke und verfolgt damit ein legitimes Ziel (s.o., I.3.d)aa)(3)(a)), das eine verfassungsimmanente Schranke des Elterngrundrechts bildet. Zwar erteilt das Grundgesetz dem Gesetzgeber nicht ausdrücklich den Auftrag, den Zuzug ausländischer Staatsangehöriger zu regeln. Die Eröffnung beziehungsweise Verwehrung von Zuzugsmöglichkeiten berührt das Gemeinwesen jedoch im Kern und bedarf darum rechtlicher Steuerung.

99

b) Zielte die Vaterschaftsanerkennung gerade auf aufenthaltsrechtliche Vorteile, ist die Schutzwürdigkeit der Elternposition gering. Der Eingriff durch eine behördliche Anfechtung ist insoweit angesichts ihrer legitimen Zwecksetzung verhältnismäßig. Soweit die Behördenanfechtung hingegen nach den zu breit formulierten Voraussetzungen des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB Vaterschaften erfasst, die nicht zur Umgehung gesetzlicher Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts anerkannt wurden (s.o., I.3.d)bb)), ist sie nicht vom Gesetzeszweck getragen und ist darum im Hinblick auf das Elterngrundrecht unverhältnismäßig.

III.

100

Die überprüften Regelungen verstoßen gegen das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Recht des Kindes auf Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung.

101

1. Kinder, denen ein eigenes Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit zukommt (Art. 2 Abs. 1 GG), bedürfen des Schutzes und der Hilfe, um sich zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten innerhalb der sozialen Gemeinschaft entwickeln zu können. Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verleiht dem Kind darum ein Recht auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Februar 2013 - 1 BvL 1/11 und 1 BvR 31 BvR 3247/09 -, juris, Rn. 41 ff.) und schützt Kinder zugleich dagegen, durch staatliche Maßnahmen von der spezifisch elterlichen Hinwendung abgeschnitten zu werden.

102

2. Ist die behördliche Anfechtungsklage erfolgreich, entfällt rückwirkend auf den Tag der Geburt des Kindes die bisherige Vaterschaftszuordnung. Dem Kind wird mit der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtungsklage durch eine staatliche Behörde der rechtliche Vater genommen. Dies greift in das Recht des Kindes auf Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung ein.

103

3. Der Eingriff in das Recht des Kindes ist unverhältnismäßig, sofern die Behördenanfechtung Vaterschaftsanerkennungen betrifft, die nicht zur Umgehung des Aufenthaltsrechts erfolgt sind (s.o., I.3.d)bb)). Wurde die Vaterschaftsanerkennung hingegen allein zu aufenthaltsrechtlichen Zwecken vorgenommen, ist der soziale Gehalt der Vaterschaft für das Kind typischerweise nicht hoch. Dass der Gesetzgeber demgegenüber dem Interesse an der Durchsetzung aufenthaltsrechtlicher Zielsetzungen den Vorrang gegeben hat, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

IV.

104

Ein - nur in Teilen durch verfassungskonforme Auslegung zu vermeidender - Verstoß gegen das allgemeine Familiengrundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG liegt vor, weil die Regelung ein tatsächlich bestehendes Familienleben im Rahmen des Anfechtungsverfahrens nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB unnötig mit behördlichen und gerichtlichen Ausforschungen belastet.

105

1. Belastungen resultieren aus der Abstammungsklärung. Die erfolgreiche Behördenanfechtung setzt wie alle anderen Formen der Vaterschaftsanfechtung voraus, dass der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat, nicht der biologische Vater des Kindes ist. Daher muss die Abstammung des Kindes im Rahmen des Anfechtungsverfahrens geklärt werden. Aus dem Gesetz ergibt sich nicht, dass diese Abstammungsklärung erst dann erfolgen dürfte, wenn sichergestellt ist, dass die sonstigen Anfechtungsvoraussetzungen vorliegen. Eltern und Kinder könnten sich der Abstammungsklärung folglich auch dann unterziehen müssen, wenn die Behördenanfechtung schließlich an den sonstigen Voraussetzungen scheitert. Obwohl die Behördenanfechtung dann im Ergebnis wegen des Bestehens einer sozial-familiären Beziehung erfolglos bleibt, greift bereits die Abstammungsklärung an sich in das Recht des Kindes und der Eltern aus Art. 6 Abs. 1 GG ein. Denn falls eine sozial-familiäre Beziehung zum Vater besteht, belastet die Durchführung des familiengerichtlichen Anfechtungsverfahrens, in dem die gesamte familiäre Situation einer staatlichen Prüfung unterzogen und die biologische Vaterschaft in Frage gestellt wird, die soziale Beziehung zwischen den Betroffenen. Die Belastung ist besonders groß, wenn sich bei der Abstammungsklärung herausstellt, dass der rechtliche Vater trotz sozial-familiärer Beziehung nicht biologischer Vater des Kindes ist (vgl. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, August 2005, S. 378).

106

Insoweit stehen die vorgelegten Regelungen einer verfassungskonformen Anwendung jedoch nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat nicht geregelt, in welcher Reihenfolge das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen zu klären ist. Wegen der familiären Auswirkungen der Abstammungsklärung kann es zur Vermeidung unnötiger Eingriffe in das Familiengrundrecht geboten sein, die Abstammungsklärung erst dann herbeizuführen, wenn das Gericht zur Überzeugung gelangt ist, dass die sonstigen Anfechtungsvoraussetzungen vorliegen. Ist hingegen absehbar, dass die Klärung der sonstigen Anfechtungsvoraussetzungen für die Betroffenen - etwa wegen der Breitenwirkung der dafür erforderlichen Ermittlungen - ungleich belastender ist, kann es umgekehrt geboten sein, zuerst die Abstammungsklärung vorzunehmen. Die Regelungen zur Behördenanfechtung lassen die Berücksichtigung dieser verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte zu.

107

2. Indessen setzt die Beeinträchtigung des Familienlebens durch die mit einem Anfechtungsverfahren verbundene Ausforschung nicht erst mit der gerichtlichen Abstammungsklärung ein. Vielmehr belasten schon die vorausgehenden behördlichen Ermittlungen die sozialen Beziehungen der Familie, weil sie die Beteiligten bereits mit dem Verdacht des fehlenden biologischen Abstammungsverhältnisses zwischen Vater und Kind und mit der Gefahr einer Auflösung der rechtlichen Vater-Kind-Beziehung konfrontieren und weil sie unter Umständen Details des Familienlebens ausleuchten und damit dessen unbeschwerte Fortführung hemmen. Die behördlichen Ermittlungen nehmen den Beteiligten Gewissheit und Vertrauen in ihre familiären Beziehungen, indem sie deren tatsächliche und rechtliche Grundlagen in Frage stellen. Dies kann selbst dann der Fall sein, wenn zwischen Vater und Kind keine sozial-familiäre Beziehung besteht, denn die behördliche Infragestellung der Vaterschaft belastet auch die familiäre Beziehung zwischen Mutter und Kind.

108

Die Belastungen sind verfassungsrechtlich gerechtfertigt, sofern die Maßnahmen der Anfechtung einer gerade aufenthaltsrechtlich motivierten Vaterschaftsanerkennung dienen. Grundsätzlich ist auch hinzunehmen, dass in die behördlichen Ermittlungen Familien einbezogen werden, bei denen die behördlichen Aufklärungen am Ende ergeben, dass die Voraussetzungen für eine Vaterschaftsanfechtung nicht vorliegen. Eben dies kann sich unter Umständen erst durch behördliche Nachforschung erweisen.

109

Verfassungsrechtlich nicht hinzunehmen ist jedoch, dass die in § 1600 Abs. 4 BGB unnötig weit gefassten Anfechtungsvoraussetzungen nicht verheiratete, ausländische oder binationale Elternpaare, die keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, generell dem Verdacht aussetzen, die Vaterschaftsanerkennung allein aus aufenthaltsrechtlichen Gründen vorgenommen zu haben und deren Familienleben damit ohne Weiteres mit behördlichen Nachforschungen belasten (vgl. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland, August 2005, S. 378). Auch wegen Art. 6 Abs. 1 GG wäre insoweit eine präzisere Fassung der Anfechtungsvoraussetzungen verfassungsrechtlich geboten.

V.

110

Die Regelungen verstoßen nicht gegen Art. 6 Abs. 5 GG.

111

Art. 6 Abs. 5 GG setzt als Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes und als Schutznorm zugunsten nichtehelicher Kinder der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit Grenzen (vgl. BVerfGE 84, 168 <184 f.>). Auch eine mittelbare Schlechterstellung nichtehelicher Kinder im Verhältnis zu ehelichen Kindern ist durch Art. 6 Abs. 5 GG verboten (vgl. BVerfGE 118, 45 <62> m.w.N.). Eine ungleiche Behandlung nichtehelicher Kinder, die sich als Benachteiligung gegenüber ehelichen Kindern auswirkt, bedarf stets einer überzeugenden Begründung (vgl. BVerfGE 84, 168 <185>).

112

Die Behördenanfechtung kann nur bei nichtehelichen Kindern zur Anwendung kommen und benachteiligt diese daher mittelbar (1.). Dies lässt sich jedoch rechtfertigen (2.).

113

1. Die Regelungen über die Behördenanfechtung bewirken mittelbar eine Benachteiligung nichtehelicher Kinder. Der Gesetzgeber hat die rechtliche Vaterschaft kraft Anerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB), nicht aber die rechtliche Vaterschaft kraft Ehe (§ 1592 Nr. 1 BGB) behördlicher Anfechtung unterworfen, obwohl auch im Fall der auf Ehe beruhenden Vaterschaft eine lediglich rechtliche Vaterschaft ohne biologische Abstammungsbeziehung vorliegen kann, die unter Umständen - ähnlich wie die Vaterschaftsanerkennung - einen besseren Aufenthaltsstatus vermittelt. Die Behördenanfechtung im Fall der Vaterschaftsanerkennung knüpft zwar nicht an das Merkmal der Nichtehelichkeit des Kindes an. Praktisch trifft sie jedoch gerade die nichtehelichen Kinder und führt so zu einer (mittelbaren) Ungleichbehandlung nichtehelicher Kinder rechtlicher Väter gegenüber ehelichen Kindern von rechtlichen Vätern. Zwar sieht das Gesetz in § 1314 Abs. 2 Nr. 5, § 1316 Abs. 1 Nr. 1 BGB auch die Möglichkeit eines behördlichen Antrags auf Aufhebung einer zu Aufenthaltszwecken geschlossenen Ehe vor. Die Aufhebung der Ehe führt jedoch nicht zur Beendigung der Vaterschaft eines in der Ehe geborenen Kindes, obwohl das Kind auch hier - wie im Fall der Behördenanfechtung - dem ausländischen Elternteil weiterhin über § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG einen besseren Aufenthaltsstatus vermitteln kann. Eine Anfechtung der durch eine zu Aufenthaltszwecken geschlossenen Ehe begründeten Vaterschaft sieht das Gesetz nicht vor, und zwar auch dann nicht, wenn die Ehe gemäß § 1313, § 1314 Abs. 2 Nr. 5, § 1316 Abs. 1 Nr. 1 BGB aufgehoben wurde.

114

2. Die Ungleichbehandlung nichtehelicher Kinder, deren rechtliches Verhältnis zum Vater auf Anerkennung beruht (§ 1592 Nr. 2 BGB) und ehelicher Kinder, deren rechtliches Verhältnis zum Vater auf der Ehe der Mutter beruht (§ 1592 Nr. 1 BGB), ist gerechtfertigt.

115

Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gezwungen, behördliches Einschreiten in allen Konstellationen allein rechtlicher Vater-Kind-Beziehungen anzuordnen, die den Beteiligten aufenthaltsrechtliche Vorteile bringen. Vielmehr steht ihm ein politischer Spielraum zu, sich auf Konstellationen zu beschränken, in denen er besonderen Handlungsbedarf sieht. Offenbar hat der Gesetzgeber den Handlungsbedarf bei einer durch Aufenthaltsehe begründeten Vaterschaft für geringer gehalten als bei auf Anerkennung beruhender Vaterschaft. Dabei ist der Gesetzgeber auch bezüglich aufenthaltsrechtlich motivierter Ehen nicht untätig geblieben, sondern hat, wie gesehen, die Aufenthaltsehe behördlicher Aufhebung unterworfen. Freilich hat er darauf verzichtet, auch die durch diese aufgehobene Ehe vermittelte Vaterschaft für Kinder des ausländischen Elternteils der Anfechtung zu unterwerfen.

116

Dass der Gesetzgeber sich darauf konzentriert hat, die Aufhebung der Aufenthaltsehe zu ermöglichen, nicht aber dadurch etwa vermittelte Vaterschaften aufheben wollte, ist hinreichend plausibel und darum verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die auf einer Ehe beruhende Vaterschaft hat im Vergleich zur durch Anerkennung begründeten Vaterschaft quantitativ ein deutlich geringeres Potenzial, anderen Personen einen besseren Aufenthaltsstatus zu vermitteln: Ein Mann kann in Deutschland gleichzeitig nur mit einer Frau die Ehe eingehen; er kann aber jederzeit für zahlreiche Kinder die Vaterschaft anerkennen. Zudem kann im Wege der Ehe nur künftig auf die Welt kommenden Kindern die Vaterschaft vermittelt werden, wohingegen die Anerkennung der Vaterschaft auch für früher geborene Kinder möglich ist. Ein einzelner Mann kann darum mittels Vaterschaftsanerkennung sehr viel mehr Personen zu einer aufenthaltsrechtlich vorteilhaften Position verhelfen als ihm durch Eingehung einer Ehe möglich wäre.

(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:

1.
der Mann, dessen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 besteht,
2.
der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben,
3.
die Mutter und
4.
das Kind.

(2) Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 2 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und seinem Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat und dass der Anfechtende leiblicher Vater des Kindes ist.

(3) Eine sozial-familiäre Beziehung nach Absatz 2 besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.

(4) Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen.

(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.

(2) Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden. Durch Gesetz kann eine abweichende Regelung für Auslieferungen an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder an einen internationalen Gerichtshof getroffen werden, soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind.

(1) Über den Aufenthalt von Ausländern wird auf der Grundlage der im Bundesgebiet bekannten Umstände und zugänglichen Erkenntnisse entschieden. Über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 entscheidet die Ausländerbehörde auf der Grundlage der ihr vorliegenden und im Bundesgebiet zugänglichen Erkenntnisse und, soweit es im Einzelfall erforderlich ist, der den Behörden des Bundes außerhalb des Bundesgebiets zugänglichen Erkenntnisse.

(2) Beantragt ein Ausländer, gegen den wegen des Verdachts einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit ermittelt wird, die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels, ist die Entscheidung über den Aufenthaltstitel bis zum Abschluss des Verfahrens, im Falle einer gerichtlichen Entscheidung bis zu deren Rechtskraft auszusetzen, es sei denn, über den Aufenthaltstitel kann ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens entschieden werden.

(3) Wird ein Aufenthaltstitel gemäß § 36a Absatz 1 zum Zwecke des Familiennachzugs zu einem Ausländer beantragt,

1.
gegen den ein Strafverfahren oder behördliches Verfahren wegen einer der in § 27 Absatz 3a genannten Tatbestände eingeleitet wurde,
2.
gegen den ein Strafverfahren wegen einer oder mehrerer der in § 36a Absatz 3 Nummer 2 genannten Straftaten eingeleitet wurde, oder
3.
bei dem ein Widerrufs- oder Rücknahmeverfahren nach § 73b des Asylgesetzes eingeleitet wurde,
ist die Entscheidung über die Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 36a Absatz 1 bis zum Abschluss des jeweiligen Verfahrens, im Falle einer gerichtlichen Entscheidung bis zu ihrer Rechtskraft, auszusetzen, es sei denn, über den Aufenthaltstitel gemäß § 36a Absatz 1 kann ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens entschieden werden. Im Fall von Satz 1 Nummer 3 ist bei einem Widerruf oder einer Rücknahme der Zuerkennung des subsidiären Schutzes auf das Verfahren zur Entscheidung über den Widerruf des Aufenthaltstitels des Ausländers nach § 52 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 abzustellen.

(4) Beantragt ein Ausländer, gegen den wegen des Verdachts einer Straftat ermittelt wird, die Erteilung oder Verlängerung einer Beschäftigungsduldung, ist die Entscheidung über die Beschäftigungsduldung bis zum Abschluss des Verfahrens, im Falle einer gerichtlichen Entscheidung bis zu deren Rechtskraft, auszusetzen, es sei denn, über die Beschäftigungsduldung kann ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens entschieden werden.

(5) Beantragt ein Ausländer, gegen den wegen einer Straftat öffentliche Klage erhoben wurde, die Erteilung einer Ausbildungsduldung, ist die Entscheidung über die Ausbildungsduldung bis zum Abschluss des Verfahrens, im Falle einer gerichtlichen Entscheidung bis zu deren Rechtskraft, auszusetzen, es sei denn, über die Ausbildungsduldung kann ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens entschieden werden.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind:

1.
der Mann, dessen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 besteht,
2.
der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben,
3.
die Mutter und
4.
das Kind.

(2) Die Anfechtung nach Absatz 1 Nr. 2 setzt voraus, dass zwischen dem Kind und seinem Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat und dass der Anfechtende leiblicher Vater des Kindes ist.

(3) Eine sozial-familiäre Beziehung nach Absatz 2 besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.

(4) Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert.

(1a) Ein Familiennachzug wird nicht zugelassen, wenn

1.
feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, oder
2.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass einer der Ehegatten zur Eingehung der Ehe genötigt wurde.

(2) Für die Herstellung und Wahrung einer lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft im Bundesgebiet finden die Absätze 1a und 3, § 9 Abs. 3, § 9c Satz 2, die §§ 28 bis 31, 36a, 51 Absatz 2 und 10 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(3) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs kann versagt werden, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfindet, für den Unterhalt von anderen Familienangehörigen oder anderen Haushaltsangehörigen auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist. Von § 5 Abs. 1 Nr. 2 kann abgesehen werden.

(3a) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs ist zu versagen, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfinden soll,

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuches bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuches vorbereitet oder vorbereitet hat,
2.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
3.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
4.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs darf längstens für den Gültigkeitszeitraum der Aufenthaltserlaubnis des Ausländers erteilt werden, zu dem der Familiennachzug stattfindet. Sie ist für diesen Zeitraum zu erteilen, wenn der Ausländer, zu dem der Familiennachzug stattfindet, eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 38a besitzt, eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt oder sich gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet aufhält. Im Übrigen ist die Aufenthaltserlaubnis erstmals für mindestens ein Jahr zu erteilen.

(5) (weggefallen)

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 8. Dezember 2004 - 11 K 3431/04 - wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, die den Prüfungsauftrag des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO begrenzen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12.4.2002 - 7 S 653/02 -, NVwZ 2002, 883 und Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 146 RdNr. 41), rechtfertigen es nicht, den angefochtenen Beschluss zu ändern und den Antragstellern den begehrten vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren. Das Vorbringen der Antragsteller im Beschwerdeverfahren ist nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts hervorzurufen.
Mit dem Beschwerdevorbringen wird allerdings vom Antragsteller zu Recht geltend gemacht, dass das mit seinem Hauptantrag erfolgte Begehren, die aufschiebende Wirkung gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 72 Abs. 1 AuslG 1990 bzw. § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) und die ebenfalls vollziehbare Abschiebungsandrohung (§ 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. § 12 LVwVG) anzuordnen, insgesamt statthaft und zulässig ist. Das Verwaltungsgericht hat zwar nicht verkannt, dass grundsätzlich die Fiktion des erlaubten Aufenthalts auch dann eintritt, wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, dem nicht von Amts wegen eine Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen war, - wie vorliegend - erst nach Ablauf der Antragsfrist des § 69 Abs. 1 Satz 2 AuslG 1990 gestellt wurde (vgl. insoweit auch BVerwG, Urteil vom 1.2.2000 - 1 C 14/99 -, InfAuslR 2000, 274). Es ist jedoch, wie der Antragsteller zu Recht rügt, zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 4.6.2004 die Fiktion des als erlaubt geltenden Aufenthalts im Hinblick auf die in § 69 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AuslG 1990 getroffene, durch § 81 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ersetzte Regelung nicht hat auslösen können. Hiernach trat die Fiktion des erlaubten Aufenthalts dann nicht ein, wenn ein Ausländer „ausgewiesen oder aufgrund eines sonstigen Verwaltungsaktes ausreisepflichtig war und noch nicht ausgereist war“. Das Verwaltungsgericht hat die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm für erfüllt angesehen, weil die Antragsgegnerin den Antragsteller bereits mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 20.1.2004 zur Ausreise aufgefordert und ihm unter Fristsetzung bis zum 17.2.2004 für den Fall der nicht freiwilligen Ausreise die Abschiebung nach Ghana angedroht hatte. Dem vermag der Senat jedoch nicht zu folgen. Entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Ansicht ist die ausländerrechtliche Abschiebungsandrohung nämlich kein „sonstiger Verwaltungsakt“ im Sinne von § 69 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AuslG 1990; sie setzt bereits die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht voraus, stellt allenfalls das Bestehen der Ausreisepflicht und deren Vollziehbarkeit fest und kann damit kein „sonstiger Verwaltungsakt“ im Sinne von § 69 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 AuslG sein, „aufgrund“ dessen ein Ausländer ausreisepflichtig ist (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 19.11.1993 - Bs VII 199/92 -, DÖV 1999, 968; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10.2.1999 - 11 B 10148/99 -, DÖV 1999, 968; Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Aufenthalts- und Ausländerrecht Bd. 1, § 69 AuslG 1990 RdNr. 14; GK-AuslR 1990, § 42 RdNr. 48).
Der auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 22.7.2004 gerichtete Antrag des Antragstellers nach § 80 Abs. 5 VwGO ist hiernach insgesamt statthaft und auch im übrigen zulässig. Er ist jedoch nicht begründet. Auch unter Berücksichtigung des Vortrags des Antragstellers im Beschwerdeverfahren kann nicht davon ausgegangen werden, dass sein Widerspruch gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 22.7.2004 sowie eine sich hieran anschließende Klage Aussicht auf Erfolg hat. Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug des angefochtenen Bescheids der Antragsgegnerin überwiegt daher das private Interesse des Antragstellers, hiervon vorläufig verschont zu bleiben.
Rechtlicher Prüfungsmaßstab für Fälle, in denen - wie vorliegend - das Verwaltungsverfahren noch unter der Geltung des Ausländergesetzes 1990 eingeleitet, aber wegen der noch ausstehenden Widerspruchsbescheidung noch nicht abgeschlossen ist, sind die Regelungen des am 1.1.2005 in Kraft getretenen Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländer im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG -) vom 30.6.2004 (BGBl. I S. 1950). Die im Aufenthaltsgesetz getroffenen Übergangsregelungen (§§ 102 ff.), wonach das Ausländergesetz 1990 in bestimmten Fallkonstellationen über den 1.1.2005 hinaus Anwendung findet, erfassen den vorliegenden Fall eines vor diesem Zeitpunkt gestellten, aber noch im Vorverfahrensstadium befindlichen Antrags auf Verlängerung bzw. Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis nicht. Der Senat hat daher die seit dem 1.1.2005 geltende Rechtslage zugrunde zu legen. Die hiernach erforderliche Prüfung ergibt, dass der Antragsteller aller Voraussicht nach keinen Anspruch auf einen Aufenthaltstitel nach dem Aufenthaltsgesetz hat; insbesondere scheidet sowohl § 32 AufenthG als auch § 33 AufenthG als Anspruchsgrundlage für das Begehren des Antragstellers aus. Dahinstehen kann dabei, ob überhaupt die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Kindernachzug nach diesen Vorschriften erfüllt sind, und ebenso, ob § 33 Abs. 1 Satz 1 AufenthG im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG deshalb verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, weil nach dieser Bestimmung nur Mütter nach der Geburt des Kindes diesem ein Aufenthaltsrecht vermitteln können (vgl. insoweit zum nahezu wortgleichen § 21 Satz 1 AuslG 1990 das Senatsurteil vom 12.5.2004 - 13 S 2833/02 -, InfAuslR 2004, 385 m.N.). Denn die Tatsache, dass Herr A., ein Ausländer ghanaischer Nationalität mit unbefristeter Aufenthaltserlaubnis, am 29.3.2004 formwirksam die Vaterschaft für den Antragsteller anerkannt hat, vermag diesem aus dem nach § 1592 Nr. 2 BGB bestehenden rechtlichen Kindschaftsverhältnis zu Herrn A. nichts für sein Begehren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu vermitteln. Es spricht nämlich alles dafür, dass die Vaterschaftsanerkennung durch Herrn A. in kollusivem Zusammenwirken mit der Antragstellerin, deren Verhalten sich der Antragsteller zurechnen lassen muss (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.4.1997 - 1 B 74/97 -, zitiert nach juris und Urteil vom 9.9.2003 - 1 C 6.03 -, InfAuslR 2004, 77), erfolgt ist, um der Antragstellerin und dem Antragsteller den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist Herr A. nicht der biologische Vater des am 12.7.2001 in Sindelfingen geborenen Antragstellers. Zweifel an der biologischen Vaterschaft bestehen auf Seiten der Antragsgegnerin und des Regierungspräsidiums Stuttgart bereits seit längerer Zeit. So hat die Antragstellerin offenbar noch bis zum Spätjahr 2003 gegenüber den Behörden - u.a. auch bei einer Anhörung vor der ghanaischen Botschaft - angegeben, ein Landsmann von ihr mit Namen K. sei der Kindsvater. Hiermit stimmt auch die Erklärung der früheren Pflegemutter des Antragstellers vom 8.6.2004 gegenüber einer Sachbearbeiterin der Ausländerbehörde der Antragsgegnerin zumindest insoweit überein, als hier nach jedenfalls Herr A. nicht als biologischer Vater in Betracht kommt. Denn die Pflegemutter des Antragstellers hat damals ausdrücklich angegeben, Herr A. sei keinesfalls der Kindsvater, der wahre Kindsvater sei ihr jedoch bekannt. Äußerte das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss hiernach schon zu Recht erhebliche Zweifel daran, dass Herr A. tatsächlich der biologische Vater des Antragstellers ist, so haben sich diese Zweifel nach Ansicht des Senats im Laufe des Beschwerdeverfahrens so verdichtet, dass nahezu mit Gewissheit angenommen werden kann, dass die Vaterschaftsanerkennung durch Herrn A. bewusst wahrheitswidrig erfolgt ist. Hierfür spricht auch, dass Herr K. im Strafverfahren 8 Ds 36 Js 94868/02, das beim Amtsgericht Böblingen anhängig gewesen ist, seine Vaterschaft nicht in Frage gestellt hat (vgl. S. 5 des Urteils des Amtsgerichts Böblingen vom 29.4.2003).
Nach der Darstellung der Antragstellerin soll der am 12.7.2001 geborene Antragsteller aus einer Liebesbeziehung mit Herrn A. stammen und in Ghana gezeugt worden sein. Mutet diese Darstellung schon deshalb wenig glaubhaft an, weil die Antragstellerin zunächst Herrn K. als Kindsvater benannt hat und erst später hiervon mit der Behauptung abgewichen ist, sie wisse nicht, wer der Vater ihres Kindes sei, so könnte Herr A. angesichts des Geburtsdatums des Antragstellers ohnehin nur unter der Voraussetzung biologischer Kindsvater sein, dass er in der gesetzlichen Empfängniszeit (vgl. § 1593 BGB) in Ghana gewesen ist. Von der Anwesenheit des Herrn A. in Ghana konnte sich der Senat jedoch nicht überzeugen. Zur Überprüfung der Richtigkeit der Angaben der Antragstellerin hat der Berichterstatter die Antragsteller mit Verfügung vom 24.1.2005 aufgefordert, eine vollständige Kopie des Passes von Herrn A. vorzulegen. Mit weiterer Verfügung vom 10.2.2005 erinnerte der Berichterstatter die Antragsteller um umgehende Erledigung seiner Verfügung vom 24.1.2005, wobei er ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass die Vorlage der gewünschten Kopien zur Klärung der Frage erforderlich sei, ob Herr A. der biologische Vater des Antragstellers sei. Auf diese Verfügungen haben die Antragsteller in keiner Weise reagiert; sie haben insbesondere auch nicht geltend gemacht, dass sie die Kopien aufgrund einer Weigerung von Herrn A. nicht vorlegen könnten (was im übrigen ohnehin nicht glaubhaft gewesen wäre). Da sich aus den im Pass von Herrn A. befindlichen Ein- und Ausreisestempeln der ghanaischen Einwanderungsbehörde ohne weiteres entnehmen lässt, ob dieser in der gesetzlichen Empfängniszeit in Ghana gewesen ist, wollen die Antragsteller offenbar durch die Nichtvorlage der gewünschten Kopien einen für sie nachteiligen Ausgang des gerichtlichen Verfahrens vermeiden. Bei dieser Sachlage spricht jedoch, gerade auch bei Berücksichtigung der früheren Angaben der Antragstellerin über den Vater des Antragstellers angesichts der Tatsache, dass sich Herr A. entgegen seinen Behauptungen offenbar so gut wie gar nicht um den Antragsteller kümmert (vgl. den Bericht des Zentralen Ermittlungsdienstes des Amts für öffentliche Ordnung der Stadt Stuttgart vom 19.1.2005), alles dafür, dass die Vaterschaftsanerkennung durch Herrn A. bewusst wahrheitswidrig erfolgt ist. Dem steht auch nicht die eidesstattliche Erklärung von Herrn A. vom 13.1.2005 entgegen, da dieser angesichts der oben beschriebenen Umstände wenig Beweiswert zukommt, und ebenso nicht der Umstand, dass mit der Vaterschaftsanerkennung auch Pflichten, insbesondere Unterhaltspflichten, verbunden sind. Denn Herr A. war und ist aufgrund seines geringen Einkommens ohnehin nicht in der Lage, Unterhalt für den Antragsteller zu leisten. Dieser bezieht demgemäß auch, wie eine Anfrage des Berichterstatters beim Landkreis Böblingen ergeben hat, den vollen Satz an Unterstützungsleistungen nach dem SGB XII.
Es bestehen auch gravierende Anhaltspunkte dafür, dass die Vaterschaftsanerkennung von Herrn A. - wie es neuerdings häufig geschieht (vgl. insoweit FAZ Nr. 50 vom 1.3.2005 - „Scheinvater werden ist nicht schwer“) - in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit der Antragstellerin erfolgt ist, um dieser und ihrem Sohn, dem Antragsteller, auf diese Weise zu einem sonst nicht erreichbaren Aufenthaltstitel zu verhelfen. Hierfür spricht schon allein der zeitliche Ablauf des Geschehens. Denn die Antragstellerin ist mit bestandskräftig gewordener Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 25.11.2003 ausgewiesen worden und stand kurz vor der Abschiebung in ihr Heimatland. Anfänglich hat sie auch ihre Bereitschaft bekundet, freiwillig dorthin zurückzukehren. Aus einem Schreiben ihres früheren Prozessvertreters vom 3.2.2004 geht z.B. hervor, dass sie bereits ihre gesamte Habe nach Ghana habe verschiffen lassen. Im Laufe des Frühjahrs 2004 trat jedoch bei der Antragstellerin - aus welchen Gründen auch immer - ein Sinneswandel ein; nunmehr hatte sie nicht mehr die Absicht die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen. Gleichzeitig berief sie sich darauf, dass Herr A. der (biologische) Vater des Antragstellers ist, wobei sie wusste, dass Herr A. im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis war. Wenig später, nämlich am 29.3.2004 kam es dann auch zu der formalen Vaterschaftsanerkennung durch Herrn A..
Aber nicht nur der zeitliche Zusammenhang legt schon den Verdacht nahe, dass die Vaterschaftsanerkennung durch Herrn A. bewusst wahrheitswidrig war und mit ihr allein der Zweck verfolgt wurde, der Antragstellerin und dem Antragsteller den - weiteren - Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Gravierend ins Gewicht fällt insoweit zu Lasten der Antragsteller zusätzlich, dass die Antragstellerin und Herr A. trotz gegenteiliger Erklärungen offenbar niemals die Absicht hatten, die Ehe einzugehen; Indiz hierfür ist u.a., dass die Antragstellerin und Herr A. „trotz Wohnungssuche“ seit Juni 2004 noch immer keinen gemeinsamen Haushalt führen und dass von den Antragstellern auch keinerlei Bemühungen glaubhaft gemacht worden sind, die den Schluss auf das Bestehen einer Eheschließungsabsicht zulassen könnten. Dies rechtfertigt die Annahme, dass die die Heirat betreffenden Absichtserklärungen der Antragstellerin und des Herrn A. nur erfolgt sind, um die Ausländerbehörden über den wahren Hintergrund des Geschehens zu täuschen und den Vortrag über die biologische Vaterschaft von Herrn A. glaubwürdiger erscheinen zu lassen.
Ist hiernach nach den gesamten Umständen davon auszugehen, dass die Vaterschaftsanerkennung durch Herrn A. bewusst wahrheitswidrig erfolgt ist, um den Antragstellern den weiteren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland zu ermöglichen, so ändert dies zwar nichts daran, dass von der familienrechtlichen Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung auszugehen ist (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 11.12.2001 - 1 W 193/01 -, FamRZ 2002, 1725; Palandt, BGB, 64. Aufl., § 1598 RdNrn. 1 und 2); gleichwohl ist es dem Antragsteller verwehrt, ausländerrechtliche Ansprüche auf diese Vaterschaftsanerkennung zu stützen. Denn seine Mutter, die Antragstellerin, deren Verhalten er sich, wie bereits dargelegt, zurechnen lassen muss, hat in bewusstem Zusammenwirken mit Herrn A. das Institut der Vaterschaftsanerkennung missbraucht, um sich und dem Antragsteller letztlich gestützt auf Art. 6 GG auf diese Weise unter Umgehung einfachrechtlicher Aufenthaltsbestimmungen den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu sichern. Dieser offensichtliche Missbrauch des § 1598 BGB gebietet es, dass der Antragsteller und seine Mutter aus dem rein formalen Vaterschaftsanerkennen von Herrn A. für sich keinen aufenthaltsrechtlichen Nutzen ziehen dürfen, da sie ansonsten in den Genuss von Rechtspositionen kämen, auf die sie von Rechts wegen keinen Anspruch hätten (vgl. insoweit die Rechtsprechung zur sog. „Scheinehe“, u.a. Urteil des Senats vom 26.3.1984 - 13 S 2912/83 -, VBlBW 1984, 284 und BVerwG, Urteil vom 23.3.1982 - 1 C 20/81 -, BVerwGE 65, 174). Ausländerrechtliche Ansprüche des Antragstellers und seiner Mutter lassen sich daher auf die Vaterschaftsanerkennung nicht stützen.
10 
Hat hiernach die Antragsgegnerin die Erteilung eines Aufenthaltstitels an den Antragsteller im Ergebnis zu Recht abgelehnt, so ist dieser aller Voraussicht nach auch vollziehbar ausreisepflichtig (§ 50 Abs. 1 und 2, 59 AufenthG) und besteht auch kein Anlass die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Abschiebungsandrohung anzuordnen. Das Verwaltungsgericht hat hiernach im Ergebnis zu Recht den Hauptantrag des Antragstellers abgelehnt.
11 
Auch mit seinem Hilfsantrag kann der Antragsteller nicht durchdringen; dieser ist bereits nicht statthaft (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO). Er wäre jedoch auch mangels zu sichernden Anspruchs auf einen aufenthaltsrechtlichen Titel nicht begründet, wie sich aus obigen Ausführungen ergibt.
12 
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch den Antrag der Antragstellerin abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihren weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu dulden. Fraglich ist bereits, ob im Hinblick auf die Passlosigkeit der Antragstellerin überhaupt ein Anordnungsgrund für die begehrte Regelung im vorläufigen Rechtsschutz besteht. Dies kann jedoch offen bleiben. Denn jedenfalls hat die Antragstellerin, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, da sie aus dem Vaterschaftsanerkenntnis von Herrn A. keine Rechte, insbesondere auch nicht aus Art. 6 GG, für sich herleiten kann.
13 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
14 
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 und 2, 52 Abs. 1, 39 Abs. 1 GKG.
15 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) In Rechtsmittelverfahren des gewerblichen Rechtsschutzes (§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 14) und in Verfahren über Ansprüche nach dem Patentgesetz, dem Gebrauchsmustergesetz, dem Markengesetz, dem Designgesetz, dem Halbleiterschutzgesetz und dem Sortenschutzgesetz ist der Wert nach billigem Ermessen zu bestimmen.

(2) In Verfahren über Ansprüche nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und nach dem Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(3) Ist die Bedeutung der Sache für den Beklagten erheblich geringer zu bewerten als der nach Absatz 2 ermittelte Streitwert, ist dieser angemessen zu mindern. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts hinsichtlich des Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruchs keine genügenden Anhaltspunkte, ist insoweit ein Streitwert von 1 000 Euro anzunehmen. Dieser Wert ist auch anzunehmen, wenn die dem Rechtsstreit zugrunde liegende Zuwiderhandlung angesichts ihrer Art, ihres Ausmaßes und ihrer Folgen die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern oder sonstigen Marktteilnehmern in nur unerheblichem Maße beeinträchtigt. Der nach Satz 2 oder Satz 3 anzunehmende Wert ist auch maßgebend, wenn in den dort genannten Fällen die Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung nebeneinander geltend gemacht werden.

(4) Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist der sich aus den Absätzen 2 und 3 ergebende Wert in der Regel unter Berücksichtigung der geringeren Bedeutung gegenüber der Hauptsache zu ermäßigen.

(5) Die Vorschriften über die Anordnung der Streitwertbegünstigung (§ 12 Absatz 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, § 144 des Patentgesetzes, § 26 des Gebrauchsmustergesetzes, § 142 des Markengesetzes, § 54 des Designgesetzes, § 22 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen) sind anzuwenden.