Verwaltungsgericht Trier Urteil, 20. Jan. 2015 - 1 K 1811/14.TR

ECLI:ECLI:DE:VGTRIER:2015:0120.1K1811.14.TR.0A
bei uns veröffentlicht am20.01.2015

Tenor

Die Klagen werden abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren die Feststellung, dass die räumliche Verlegung des Kundgebungsortes der Versammlung am 3. September 2014 rechtswidrig war.

2

Der Kläger zu 1) meldete für die Klägerin zu 2) am 31. August 2014 beim Ordnungsamt Trier eine Kundgebung für den 3. September 2014 im Bereich des Porta Nigra Vorplatzes in Trier an, an der voraussichtlich 10 Personen teilnehmen sollten. Zeit und Thema der Versammlung wurden im Rahmen des vor der Versammlung geführten Kooperationsgesprächs dahingehend geändert, dass Gegenstand der Anmeldung eine Versammlung für den 3. September 2014 ab 15:00 Uhr mit dem Thema „Gegen das herrschende Machtkartell und Fremdbestimmung – Für Volkssouveränität und freie Wahlen ohne staatliche Manipulation!“ sein sollte. Als Versammlungsort war der Bereich der Commerzbank in der Simeonstraße/Ecke Margarethengässchen vorgesehen. Anlass der Versammlung war der zum gleichen Zeitpunkt geplante Besuch des Bundespräsidenten Gauck in Trier, der zusammen mit der Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz und dem Oberbürgermeister der Stadt Trier die Porta Nigra besuchen wollte. Im Kooperationsgespräch zwischen dem Kläger zu 1) als Vertreter der Klägerin zu 2) und der Stadt Trier machte ersterer deutlich, dass die Veranstalterin den Bundespräsidenten mit politischen Forderungen, sowie seiner Bezeichnung der NPD-Mitglieder als „Spinner“ im Bundestagswahlkampf 2013 und den Oberbürgermeister mit dem Vorwurf der städtischen Einflussnahme auf die Trierer Ratswahl vom 25. Mai 2014 konfrontieren wolle.

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Bereits am 1. Februar 2014 fand eine Versammlung der NPD im anvisierten Kundgebungsbereich der Commerzbank statt, bei der es zu körperlichen Auseinandersetzungen zwischen Versammlungsteilnehmern und Gegendemonstranten kam. Aus der polizeilichen Einsatzdokumentation ergibt sich, dass die Gegendemonstranten auf Distanz gehalten worden sind, jedoch sukzessiven Zulauf erfuhren und auf ca. 50 Personen anwuchsen. Es kam zu einer Auseinandersetzung zwischen den zwei Gruppen, als eine 5-köpfige Personengruppe zu der Versammlung der NPD hinzustoßen wollte. Daraufhin verließen mehrere Personen dieser Kundgebung den Versammlungsbereich und beteiligten sich an der Auseinandersetzung. Durch starken Polizeieinsatz konnten die Personen getrennt werden, wobei ein Versammlungsteilnehmer der NPD verletzt wurde.

4

Mit Bescheid vom 2. September 2014 untersagte die Beklagte gegenüber der Klägerin zu 2) die Durchführung der Versammlung sowohl auf dem ursprünglich geplanten Bereich des Porta Nigra Vorplatzes, als auch im Bereich der Commerzbank in der Simeonstraße/Ecke Margarethengässchen. Stattdessen wurde die Versammlung in den Bereich des Simeonstiftplatzes verlegt. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Versammlung an dem beantragten Ort nicht durchgeführt werden könne. Der Bundespräsident sei mit der höchsten Sicherheitseinstufung zu schützen, so dass Versammlungen im „inneren Sicherheitsbereich“, d.h. dem vom Bundespräsidenten und seiner Begleitung unmittelbar zu passierenden Straßenraum, aus Sicherheitsgründen nicht zugelassen werden könnten. Die derzeitige Einsatzkonzeption der Polizeidirektion Trier, die für die Einsatzmaßnahmen im Stadtgebiet Trier verantwortlich sei, sehe vor, die Porta Nigra und ihr Umfeld, insbesondere die Zu- und Abfahrten der Kolonne des Bundespräsidenten besonders zu schützen.

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In der Vergangenheit hätten Anmeldungen des NPD-Kreisverbandes regelmäßig Proteste hervorgerufen, die sich in offiziell angemeldeten Kundgebungen, aber auch in unorganisierten und stets sehr heftigen Protesten geäußert hätten. Seien bei der NPD zwischen 10 bis maximal 30 Kundgebungsteilnehmer zu erwarten, so seien im gegnerischen Lager regelmäßig mindestens 50 bis zu 100 Teilnehmer festzustellen. Inzwischen sei eine Versammlungsanmeldung des Vereins „Für ein buntes Trier, gemeinsam gegen Rechts e.V.“ eingegangen. Die Polizei rechne mit einer erheblichen Mobilisierung von Teilnehmern im dreistelligen Bereich. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass regelmäßig gewalttätige Auseinandersetzungen stattfänden, die von der NPD zumindest billigend in Kauf in genommen, wenn nicht gar provoziert worden seien. Dies habe sich am 1. Februar 2014 im Rahmen der Gegenkundgebung zu einer NPD Mahnwache letztmalig sehr massiv vor der Commerzbankfiliale in der Simeonstraße gezeigt.

6

Auch am 14. September 2013 seien im Rahmen eines Aufzugs der NPD Versammlungsteilnehmer mit Quarzhandschuhen bewaffnet sowie alkoholisiert festgestellt worden. Die Einwirkungsmöglichkeiten des Klägers zu 1) auf die eigenen Teilnehmer seien damals stark eingeschränkt gewesen. Während der Versammlung sei von Seiten der Polizei festgestellt worden, dass der Kläger zu 1) damals auch selbst Bier konsumiert habe. Diese Erfahrungswerte könnten prognostisch auch auf die angemeldete Kundgebung der NPD und zu erwartender Protestaktionen Anwendung finden.

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Würde die angemeldete NPD Mahnwache auf dem Porta Nigra Vorplatz durchgeführt werden, so könne daher der für den Schutz des Bundespräsidenten erforderliche Sicherheitsbereich nicht eingerichtet werden. Es sei dann zu erwarten, dass sich Proteste auf engem Raum zwischen Porta Nigra und Eingang Fußgängerzone möglicherweise unkontrolliert entladen würden und die Situation damit insgesamt unbeherrschbar werde.

8

Dies gelte zunächst unabhängig davon, ob eine Gegendemonstration stattfinde oder nicht. Nach der Stellungnahme der Polizei sei der Bereich zwingend von jeglichen Versammlungen freizuhalten. Der Umstand, dass eine Gegendemonstration stattfinden werde, führe lediglich zu einer Verschärfung der Situation. Unter diesen Umständen könne die Sicherheit des Bundespräsidenten nicht gewährleistet werden, denn die Konflikte würden im unmittelbaren Bewegungsbereich des Präsidenten ausgetragen. Aus polizeilicher Sicht müsse bei der Wahl einer alternativen Örtlichkeit eine Entfernung zum Aufenthaltsort des Bundespräsidenten eingehalten werden, der größer als die Entfernung, die mit einem Wurfgegenstand überbrückt werden könne, sein müsse. Da sich der Bundespräsident auf dem Vorplatz der Porta Nigra bewegen werde, scheide der angrenzende Bereich für jegliche Kundgebung absolut aus. Zu diesem Bereich gehöre auch der Bereich vor der Commerzbank, der lediglich durch einen kleinen Gebäudevorsprung von dem Porta Nigra Vorplatz getrennt sei und ca. 15 m entfernt liege. Die einzige adäquate Örtlichkeit in räumlicher Nähe sei der Simeonstiftplatz.

9

Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet.

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Am 2. September 2014 legte die Klägerin zu 2) Widerspruch gegen den Bescheid ein und stellte beim erkennenden Gericht einen Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Beklagten vom 2. September wiederherzustellen. Zur Begründung führte sie aus, dass die Versammlung Bezug nehme auf den Besuch des Bundespräsidenten. Die NPD lege Wert auf eine Versammlung im Blickfeld der Porta Nigra. Sie wolle sichtbar ihren Protest gegen Äußerungen des Bundespräsidenten sowie Wahlbeeinflussung durch den Oberbürgermeister der Stadt Trier zur Schau tragen. Gewalttätige Auseinandersetzungen in der Vergangenheit seien niemals von ihren Teilnehmern an der Versammlung ausgegangen.

11

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Trier vom 3. September 2014, Az.: 1 L 611/14.TR, wurde der Antrag mit einer Klarstellung zum genau zugewiesenen Versammlungsort abgelehnt.

12

Gegen diesen Beschluss richtete sich die Beschwerde der Klägerin zu 2) vom 3. September 2014. Mit Beschluss vom gleichen Tag - 7 B 10838/14.OVG – wies das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz die Beschwerde zurück. Es führte aus, dass sich nicht feststellen lasse, ob die angefochtene räumliche Verlegung offensichtlich rechtmäßig oder rechtswidrig sei. Es sei fraglich, ob angenommen werden könne, dass hinreichend belegt sei, dass von der Versammlung der Klägerin zu 2) eine Gefahr ausgehe. Die vorzunehmende Interessenabwägung falle aufgrund des Gewichts des Schutzes von Leib und Leben des Bundespräsidenten, der nach Einschätzung der Polizeidirektion nicht gewährleistet werden könne, zu Lasten der Klägerin aus.

13

Der Kläger zu 1) hat im Namen der Klägerin zu 2) am 2. Oktober 2014 und mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2014 auch im eigenen Namen Klage erhoben. Zur Begründung führen sie ergänzend aus, dass die Kundgebung außerhalb der Seh- und Hörweite des Bundespräsidenten stattgefunden habe. Der vorgeschlagene Alternativstandort vor der Commerzbank sei sicherheitstechnisch vom Bundespräsidenten weit genug entfernt gewesen. Da der NPD-Kreisverband Trier auch in Zukunft Aktionen gegen Politiker plane, die sich öffentlich gegen die NPD aussprächen, bestehe auch Wiederholungsgefahr und damit ein Feststellungsinteresse. Zur Frage der Klagebefugnis trägt der Kläger zu 1) ergänzend vor, dass er die Klage auch als Privatperson erhoben habe, da die Bescheide ihn als Anmelder, Organisator, Teilnehmer und Hauptredner in seinem Recht, seine Meinung in Sichtweite des Bundespräsidenten kund zu tun, verletzt habe.

14

Die Kläger beantragen,

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festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 2. September 2014 rechtswidrig war.

16

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

18

Die Klage sei bereits unzulässig, da der Kläger zu 1) des vorliegenden Verfahrens keinen Bescheid seitens der Stadt erhalten habe. Adressat des Bescheides vom 2. September 2014 sei die Klägerin zu 2) gewesen.

19

Des Weiteren seien die Anforderungen an die Inanspruchnahme der Nichtstörer erfüllt. Aufgrund der räumlichen Enge der Innenstadt und aufgrund der Vielzahl der Besucher habe die Polizei die erforderliche Trennung der Kundgebungsteilnehmer von den Gegendemonstranten im Bereich Simeonstraße polizeilich als nicht herstellbar angesehen, ohne Rechtsgüter unbeteiligter Dritter erheblich zu beeinträchtigen. Des Weiteren sei zu berücksichtigen gewesen, dass bei der An- bzw. Abreise, die über die Simeonstraße habe stattfinden müssen, der Bundespräsident, seine Begleiter bzw. Passanten hätten verletzt oder Fahrzeuge hätten beschädigt werden könnten. Ergänzend wird auf die Stellungnahme der Polizeidirektion Trier vom 2. September 2014 vollinhaltlich Bezug genommen. In der mündlichen Verhandlung konkretisierte die Beklagte ihre Ausführungen zum „inneren Sicherheitsbereich“ mit den notwendigen Zu- und Abfahrtswegen dahingehend, dass nach dem Sicherheitskonzept der Polizei, auf das die Ordnungsbehörde keinen Einfluss gehabt habe, zum Zeitpunkt des Bescheides vorgesehen gewesen sei, dass die Wagenkolonne des Bundespräsidenten im Bereich der Commerzbank stehen und der Bundespräsident nach dem Empfang von dort abfahren sollte. Diese Planung sei im Rahmen des Kooperationsgesprächs angesprochen worden.

20

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen der Beteiligten sowie der Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte 1 L 1611/14.TR. Die genannten Unterlagen lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die Klage des Klägers zu 1) ist bereits unzulässig, die Klage der Klägerin zu 2) ist zulässig jedoch unbegründet.

22

Die Klagen sind als Fortsetzungsfeststellungsklagen entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO - statthaft. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in den Fällen der Erledigung eines Verwaltungsaktes vor Klageerhebung - wie hier - entsprechende Anwendung findet (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2008 – 6 C 21/07 –, BVerwGE 131, 216-234 m.w.N., juris).

23

Die Klägerin zu 2) ist in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO als Adressatin der streitgegenständlichen Verfügung klagebefugt.

24

Eine Klagebefugnis des Klägers zu 1) ist jedoch zu verneinen. Die Klagebefugnis setzt voraus, dass eine Verletzung von Rechten möglich ist, die (abstrakt) auch dem Schutz Dritter in der Situation des Klägers zu dienen bestimmt sind (Kopp/Schenke, VwGO, 20. Auflage 2014, § 42 Rn. 66). Die Klagebefugnis liegt danach nicht vor, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte bestehen oder ihm (als subjektives Recht) zustehen können (BeckOK VwGO/Schmidt-Kötters, VwGO, § 42 Rn. 175).

25

Aus dem Vortrag des Klägers zu 1) ergibt sich nicht die Möglichkeit einer subjektiven Rechtsverletzung, da durch die örtliche Verlegung der durch die Klägerin zu 2) angemeldeten Versammlung subjektive Rechte des Klägers zu 1) als Anmelder, Organisator, Teilnehmer und Redner der Versammlung nicht berührt werden. Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz - GG - schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 – 1 BvR 699/06 –, BVerfGE 128, 226-278, Rn. 63 f. juris). Damit die Bürger selbst entscheiden können, wann, wo und unter welchen Modalitäten sie ihr Anliegen am wirksamsten zur Geltung bringen können, gewährleistet Art. 8 Abs. 1 GG nicht nur die Freiheit, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fern zu bleiben, sondern umfasst zugleich ein Selbstbestimmungsrecht über die Durchführung der Versammlung, die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 –, BVerfGE 69, 315-372; BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 – 1 BvR 699/06 –, BVerfGE 128, 226-278, Rn. 64, juris).

26

Durch die streitgegenständliche Verlegung des Kundgebungsortes ist nicht das Recht des Klägers zu 1) auf Teilnahme an einer Versammlung berührt, sondern das Selbstbestimmungsrecht über die Durchführung der Versammlung, die Wahl des Versammlungsortes. Auf dieses Recht kann sich die Klägerin zu 2) als Veranstalterin berufen. Die Veranstalterin bestimmt durch ihre Anmeldung die Rahmenbedingungen der Versammlung für alle potentiellen Versammlungsteilnehmer und übt das beschriebene Selbstbestimmungsrecht aus. Dem Kläger zu 1) stand das Recht zu, an der Versammlung der Klägerin zu 2), so wie sie durch diese durchgeführt wurde, teilzunehmen und zu reden. Angemeldet und organisiert hat er die Versammlung als Kreisvorsitzender des NPD Kreisverbandes und nicht als Privatperson. Sein Rede- und Teilnahmerecht wird durch die örtliche Verlegung nicht tangiert. Der Bescheid der Beklagten stellt keinen drittbelastenden Verwaltungsakt für alle potenziellen Versammlungsteilnehmer dar, sondern nur für die Veranstalterin der Versammlung, die Klägerin zu 2).

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Die Klägerin zu 2) hat auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, weil angesichts des Vorbringens der Beteiligten ein Eingriff in den Schutzbereich der von Art. 8 Abs. 1 GG geschützten Versammlungsfreiheit durch die streitige Verfügung nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet das in Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz, die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung in Fällen "tiefgreifender" oder "gewichtiger" Grundrechtseingriffe zu eröffnen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 – 1 BvR 461/03 –, BVerfGE 110, 77-94). Solche Eingriffe können durch Beeinträchtigungen des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) bewirkt werden, gegen die Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren in dem dafür verfügbaren Zeitraum typischerweise nicht erreichbar ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03. März 2004 – 1 BvR 461/03 –, BVerfGE 110, 77-94, Rn. 28, juris; OVG Koblenz, Urteil vom 6. Dezember 2012 - 7 A 10821/12.OVG -). Danach ist hier ein Feststellungsinteresse zu bejahen, da ein schwerwiegender Grundrechtseingriff in die Versammlungsfreiheit durch die örtliche Verlegung der Versammlung nicht von vornherein auszuschließen ist. Den Angaben der Klägerin zu 2) zufolge kam es ihr für das mit der Versammlung verfolgte Anliegen gerade darauf an, diese in örtlicher Nähe zum Besuch des Bundespräsidenten, der sich auf dem Porta Nigra Vorplatz aufhielt, durchzuführen, um einen Kommunikationszusammenhang herstellen zu können. Es kann demnach dahinstehen, ob ein Feststellungsinteresse der Klägerin zu 2) auch unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr besteht.

28

Die damit zulässige Klage der Klägerin zu 2) hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 2. September 2014 war rechtmäßig und verletzte die Klägerin zu 2) nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.

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Die Verlegung des Kundgebungsortes von dem Vorplatz der Commerzbank, Ecke Simeonstraße/Margaretengässchen, auf den Simeonstiftplatz, war rechtmäßig. Die Voraussetzungen nach § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz - VersG – lagen vor. Zwar konnte weder aufgrund einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit durch die Versammlung der NPD selbst (II.), noch unter den Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes (III.) die Verlegung des Versammlungsortes gerechtfertigt werden, jedoch war aufgrund des notwendig einzurichtenden Sicherheitsbereichs für den Bundespräsidenten (IV.) eine Versammlung an dem vorgesehenen Ort nicht möglich.

I.

30

Dass die von der Klägerin angemeldete Veranstaltung eine Versammlung im Sinne von Art. 8 Abs. 1 GG und damit des § 1 Abs. 1 VersG war, ist vorliegend nicht zweifelhaft (vgl. zum Versammlungsbegriff z. B. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 – 6 C 23/06 –, BVerwGE 129, 42). Auch die Wahl des Versammlungsortes ist vom Schutz der Versammlungsfreiheit des Art. 8 Abs. 1 GG umfasst (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 –, BVerfGE 69, 315-372; BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 20. Dezember 2012 – 1 BvR 2794/10 –, Rn. 16, juris). Der Verweis der Beklagten in der mündlichen Verhandlung darauf, dass es nicht geschützt sei „in die emotionalisierende Nähe eines politischen Besuchers zu gelangen“, verkennt, dass die Verlagerung von Demonstrationen in einen Bereich außerhalb der eigentlichen Sicht- und Hörweite, das Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG nach der Rechtsprechung nur dann nicht berühren soll, wenn der kommunikative Zweck der Versammlung, nicht verfehlt oder auch erheblich beeinträchtigt wird (Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 31. Mai 2007 – 3 M 53/07 –, Rn. 42, juris). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden, da der Kommunikationszusammenhang für die Klägerin zu 2) im Vordergrund stand, und der Zweck der Versammlung war, den Bundespräsidenten durch Redebeiträge direkt anzusprechen.

31

Nach § 15 VersG kann die zuständige Behörde die Versammlung verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder – in Ausnahmefällen - Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Danach kann im Einzelfall geboten sein, dass die Versammlung an einem anderen Ort als dem in der Anmeldung angegebenen stattzufinden hat. Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde allerdings keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus (BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81, 1 BvR 31 BvR 341/81 –, BVerfGE 69, 315-372, Rn. 80, juris; vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 2012 – 1 BvR 2794/10 –, juris, Rn. 17 m.w.N). Vielmehr ist für die Gefahrenprognose ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit für den Schadenseintritt erforderlich. Allerdings müssen an den Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen gestellt werden, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1974 – I C 31.72 –, BVerwGE 45, 51, Rn. 41. juris). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde (BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 2012 – 1 BvR 2794/10 –, Rn. 17, juris).

II.

32

Unter Anwendung dieser Maßstäbe konnte die angestellte Gefahrenprognose, in Bezug auf die hier angeführte öffentliche Sicherheit, nicht auf ein gefährdendes Verhalten der NPD Versammlungsteilnehmer selber gestützt werden. Konkrete, über die Gefährdungsstufe 1 des Bundespräsidenten hinausgehende, von früheren Versammlungen der Klägerin zu 2) ausgehende Gefahrenmomente wurden nicht aufgezeigt. Mehr als bloße Verdachtsmomente lagen hier nicht vor.

33

Allgemeine Anhaltspunkte, die auf eine Gefährdung von Leib oder Leben des Bundespräsidenten hindeuteten, lagen der Polizei hier nur insoweit vor, als dass dieser aufgrund seiner politischen Stellung in die Gefährdungsstufe 1 eingestuft worden war. Allein diese Einstufung genügte jedoch nicht, um konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte für eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu ersetzen, vielmehr führt diese Einstufung dazu, dass an den Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts aufgrund des Rangs des bedrohten Rechtsguts geringere Anforderungen zu stellen sind.

34

Die Vorkommnisse im September 2013, eine angebliche Alkoholisierung des Klägers zu 1) und einzelner Teilnehmer, begründete für sich genommen keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Es wurde nicht dargetan, dass es im September 2013 zu Gefährdungen, durch Personen die der Klägerin zu 2) zuzurechnen waren, gekommen ist. Allein die Alkoholisierung, als wahr unterstellt, konnte eine Prognose dahingehend, dass von der Versammlung eine Gefahr ausging, nicht stützen, und wurde durch die Beklagte auch nicht weiter ausgeführt. Auch eine angebliche Bewaffnung eines Ordners mit Quarzhandschuhen konnte die Prognose nicht stützen. Bei Quarzhandschuhen handelt es sich nicht um Waffen im strafrechtlichen Sinn (BGH, Urteil vom 26. 4. 2012 - 4 StR 51/12 -).

35

Auch nicht gerechtfertigt werden konnte die örtliche Verlegung mit den sicherheitsrechtlichen Bedenken der Beklagten hinsichtlich befürchteter gewalttätiger Auseinandersetzungen aufgrund der Erfahrungen am 1. Februar 2014. Es fehlte an konkreten und nachvollziehbaren Angaben zum Anteil zu gewaltbereiten Demonstranten und Gegendemonstranten (vgl. dazu BayVGH, Beschluss vom 29. April 2010 – 10 CS 10.1040 -), ebenso wie an der Benennung konkreter tragfähiger Erkenntnisse aus der Vergangenheit, nach denen davon hätte ausgegangen werden können, dass eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit bestand, die durch das Verhalten der Versammlungsteilnehmer verursacht wurde, und der nur durch die räumliche Verlegung Rechnung getragen werden konnte. Die Vorkommnisse am 1. Februar 2014, die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Gegendemonstranten, begründeten keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, der nicht durch Fernhalten der Gegendemonstranten von der kleinen – ca. 10 Personen umfassenden - und überschaubaren Gruppe der Demonstranten begegnet werden konnte.

36

Zunächst wurde seitens der Beklagten darauf abgestellt, dass die NPD gewalttätige Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten billigend in Kauf nehme oder gar provoziere. Dieser Vortrag stellt eine bloße Behauptung dar und konnte sich nicht auf eine hinreichende Tatsachengrundlage stützen. Insbesondere ergab sich eine solche Sachlage nicht aus dem vorgelegten Einsatzprotokoll der Polizei zu den Vorkommnissen am 1. Februar 2014. An diesem Tag kam es zu körperlichen Auseinandersetzungen zwischen nachrückenden Demonstranten der NPD und sich in deren Nähe gruppierender Gegendemonstranten. Das Einsatzprotokoll der Polizei belegt nicht, dass von der Demonstration der NPD selber eine Provokation ausging, mehr spricht dafür, dass diese von der Gegendemonstranten ausging, da diese eine Nachrücken anderer Versammlungsteilnehmer der Klägerin zu 2) verhinderten, woraufhin erst auch NPD-Versammlungsteilnehmer durch Verlassen der Versammlung die Auseinandersetzung suchten. In dieser Konstellation ist es jedoch Aufgabe der Polizei den störungsfreien Zugang zu der Versammlung zu gewährleisten bzw. Straftaten nach § 21 VersG, der die Verhinderung nicht verbotener Versammlungen unter Strafe stellt, zu verhindern. Allein der Demonstration der NPD konnte dieser Gefährdungsgrad damit nicht zugerechnet werden.

37

Des Weiteren belegt das Einsatzprotokoll auch, dass durch einen Polizeieinsatz die verschiedenen Lager getrennt werden konnten, ohne unbeteiligte Dritte zu gefährden. In Kenntnis dieser Gefährdungslage ist es Aufgabe der Polizei die Durchführung der Versammlung zu gewährleisten, indem sie erfahrungsgemäß mit Gewalt verbundene Gegendemonstrationen fernhält. Nur unter den engen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes darf gegen die Versammlung selber vorgegangen werden. Ansonsten könnten Gegendemonstranten durch die beschriebene Vorgehensweise und das damit heraufbeschworene Gefährdungspotential unliebsame Demonstrationen rechtswidrig verhindern. Die Beklagte hat nicht hinreichend dargelegt, dass eine Abschirmung der sehr kleinen und überschaubaren Gruppe der Demonstranten der NPD gegenüber Gegendemonstranten nicht möglich war und auch nunmehr nicht möglich sein sollte.

38

Auch in Bezug auf die geforderte Entfernung – eine Wurfweite vom Bundespräsidenten – bestanden keinerlei Anhaltspunkte für die Gefahr des Einsatzes von Wurfgeschossen, und damit die Rechtfertigung der einzuhaltenden örtlichen Distanz. Die Beklagte konnte keine Vorkommnisse der Vergangenheit anführen, aus der sich die Gefahr des Einsatzes von Wurfgeschossen gegen den Bundespräsidenten hätte herleiten können. Ein allgemeiner Verweis auf die Gefahr des Einsatzes von Wurfgeschossen, ohne dass diese Gefährdung sich auf eine Gefahrenprognose, abgeleitet aus konkreten Anhaltspunkten, stützen kann, würde dazu führen, dass im engeren Kommunikationszusammenhang mit dem Bundespräsidenten generell keine Versammlungen mehr durchgeführt werden könnten. Insofern genügte der Verweis auf das Sicherheitsbedürfnis in Wurfentfernung als solches nicht, um das gegen die Klägerin zu 2) gerichtete Verbot der Durchführung der beabsichtigten Versammlung an diesem Ort zu rechtfertigen.

39

Der Klägerin zu 2) stand daher im Ausgangspunkt das Recht zu, an dem angemeldeten Kundgebungsort zu demonstrieren.

III.

40

Soweit sich die Beklagte auf gewalttätige Gegendemonstrationen bezog, konnte auch dieser Umstand die Verlegung, unter Annahme eines polizeilichen Notstandes, nicht rechtfertigen.

41

Soweit sich der Veranstalter und die Versammlungsteilnehmer grundsätzlich friedlich verhalten und Störungen der öffentlichen Sicherheit vorwiegend aufgrund des Verhaltens Dritter - insbesondere von Gegendemonstrationen - zu befürchten sind, ist die Durchführung der Versammlung zu schützen und sind behördliche Maßnahmen primär gegen die Störer zu richten (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 20. Dezember 2012 – 1 BvR 2794/10 –, Rn. 17, juris; OVG Koblenz, Beschluss vom 29. April 2009 – 7 B 10414/09.OVG -; BayVGH, Beschluss vom 29. April 2010 – 10 CS 10.1040 –, Rn. 15, juris). Gegen die friedliche Versammlung selbst kann dann nur unter den besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden. Dies setzt voraus, dass die Versammlungsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anderenfalls wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und trotz des Bemühens, gegebenenfalls externe Polizeikräfte hinzuzuziehen, zum Schutz der von dem Antragsteller angemeldeten Versammlung nicht in der Lage wäre; eine pauschale Behauptung dieses Inhalts reicht allerdings nicht (OVG Koblenz, Beschluss vom 29. April 2009 – 7 B 10414/09.OVG -).

42

Nach diesen Grundsätzen ist die Beschränkung der Versammlungsfreiheit aus dem Gesichtspunkt des polizeilichen Notstands zwar grundsätzlich möglich, dies ist jedoch nur unter den beschriebenen engen Voraussetzungen rechtsstaatlich hinnehmbar. Drohen Gewalttaten als Gegenreaktion auf Versammlungen, so ist es Aufgabe der zum Schutz der rechtsstaatlichen Ordnung berufenen Polizei, in unparteiischer Weise auf die Verwirklichung des Versammlungsrechts hinzuwirken. Eine Inanspruchnahme der Klägerin zu 2) als Nichtstörerin wäre nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dann in Betracht gekommen, wenn festgestanden hätte, dass die Versammlungsbehörde wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und trotz des Bemühens, gegebenenfalls externe Polizeikräfte hinzuzuziehen, zum Schutz der angemeldeten Versammlung nicht in der Lage gewesen wäre. Eine solche Feststellung kann den Angaben des Polizeipräsidiums nicht entnommen werden. Zu der Frage des polizeilichen Notstandes hat die Beklagte nicht weiter substantiiert vorgetragen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Beklagte vom Vorliegen einer Notstandssituation ausgegangen ist, da die Verfügung diesbezüglich – vor allem zu der Frage der Kapazitäten der Einsatzkräfte - keine Ausführungen enthielt. Über einen pauschalen Hinweis gingen die Ausführungen nicht hinaus. Zudem hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung an dem Vortrag der Nichtbewältigung des potenziellen Konflikts durch die Polizei nicht mehr festgehalten.

IV.

43

Auch wenn damit, entgegen den Ausführungen der Beklagten, von einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit durch die Kundgebung der NPD auf dem Vorplatz der Commerzbank nicht ausgegangen werden konnte, so war es dennoch rechtmäßig, die Versammlung an diesem Ort nicht zuzulassen, da aufgrund der Notwendigkeit der Einhaltung eines Sicherheitsbereichs für den Besuch des Bundespräsidenten dieser Bereich frei zu halten war.

44

1. Grundsätzlich ist es möglich bei Personen der Gefährdungsstufe 1 einen Sicherheitsbereich per Allgemeinverfügung einzurichten, der generell von Versammlungen freizuhalten ist. Bei der Festlegung eines solchen Bereiches sind jedoch potentielle Versammlungen in die Abwägung der Festlegung des Bereiches einzubeziehen (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 24. September 2011 – 1 L 302.11 – zur Festlegung eines Schutzraumes für gefährdete Staatsgäste; BVerfG, Ablehnung eA vom 6. Juni 2006 – 1 BvR 1423/07 – zur Verbotszone). Ein solcher Sicherheitsbereich, der den zu schützenden Raum genau bezeichnet, die Zu- und Abfahrtswege benennt und den frei zu haltenden Umkreis festlegt, wurde jedoch hier im Vorfeld nicht verfügt.

45

Im Grundsatz stößt es daher auf verfassungsrechtliche Bedenken, ein Versammlungsverbot bzw. eine versammlungsrechtliche Auflage im Wesentlichen unter Verweis auf Sicherheitsbedenken der Polizei und einen nicht näher räumlich definierten Sicherheitsbereich zu rechtfertigen. Die Überlegungen, die diesem nicht näher konkretisierten Sicherheitskonzept zugrunde liegen, tragen dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit nicht hinreichend Rechnung. Die Annahme eines Schutzbereichs, muss sich auf bisherige Erfahrungen stützen können, und bei dessen Festlegung Art. 8 GG Rechnung tragen. Die Beklagte hat jedoch nicht den Weg beschritten, eine Sicherheitszone im Umkreis des Bundespräsidenten per Allgemeinverfügung festzulegen.

46

2. Dennoch dufte die Beklagte in der konkreten Situation einen „inneren Sicherheitsbereich“ für den Bundespräsidenten festlegen, der sich nach den Darlegungen der Beklagten nachvollziehbar daraus herleitete, dass sich der Bundespräsident und seine Begleitungen konkret dort aufhalten sollten und die angegebenen Zu- und Abfahrtswege gewährleistet sein sollten. Danach gehörten zu diesem Bereich zumindest der Vorplatz der Porta Nigra und der unmittelbar zu passierende Straßenraum. Aufgrund des erforderlichen Platzbedarfs zur Absicherung des Bewegungsbereichs des Bundespräsidenten, seiner Begleitungen sowie der Fahrzeugkolonne, waren Versammlungen in diesem Bereich nicht möglich. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, war nach dem für den Besuch des Bundespräsidenten vorgegebenen Sicherheitskonzept der Bereich Simeonstraße/Ecke Margarethengässchen neben der Commerzbank für die Fahrzeugkolonne des Bundespräsidenten und dessen späterer Zustieg an dieser Stelle geplant. In diesem Bereich wäre es zu einem unmittelbaren Kontakt mit der Versammlung der Klägerin zu 2) gekommen, und daher der für eine Person der Gefährdungsstufe 1 erforderliche Sicherheitsabstand nicht einzuhalten gewesen. Unschädlich ist, dass der Bereich der Commerzbank später nicht als Zustiegsort genutzt wurde, da sich die von der Beklagten anzustellende Gefahrenprognose auf eine zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung zu treffende ex ante Prognose stützt. Die Beklagte hat daher nachvollziehbar ausgeführt, dass aus diesem Grund der Bereich der Commerzbank zum „inneren Sicherheitsbereich“, dem Bereich, in dem sich der Bundespräsident unmittelbar aufhielt, zu zählen, und damit eine Kundgebung an diesem Ort nicht möglich war. Ein gleichzeitiger Aufenthalt der Demonstranten, mit der erforderlichen Abschirmung gegen potenziell gewaltbereite Gegendemonstranten, und der Fahrzeugkolonne und deren sicherheitstechnischer Abschirmung, wäre nur unter nicht hinnehmbaren Risiken zu realisieren gewesen. Daher wäre auch bei Betrachtung der Verlegung der Versammlung als (Teil-) Verbot dieses gerechtfertigt und auch ermessensfehlerfrei gewesen.

V.

47

Der Klage ist daher mit der Kostenfolge der §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

48

Gründe, die Berufung zuzulassen, sind nicht gegeben (§§ 124, 124a VwGO).

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Trier Urteil, 20. Jan. 2015 - 1 K 1811/14.TR

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Trier Urteil, 20. Jan. 2015 - 1 K 1811/14.TR

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
Verwaltungsgericht Trier Urteil, 20. Jan. 2015 - 1 K 1811/14.TR zitiert 13 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Zivilprozessordnung - ZPO | § 100 Kosten bei Streitgenossen


(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen. (2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Ma

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 8


(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgericht Trier Urteil, 20. Jan. 2015 - 1 K 1811/14.TR zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Trier Urteil, 20. Jan. 2015 - 1 K 1811/14.TR zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2012 - 4 StR 51/12

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 51/12 vom 26. April 2012 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. wegen gefährlicher Körperverletzung Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. April 2012, an der teilge

Verwaltungsgericht Trier Beschluss, 03. Sept. 2014 - 1 L 1611/14.TR

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Tenor 1. Der Antrag wird mit der -zum Teil klarstellenden- Maßgabe abgelehnt, dass der Antragstellerin gestattet ist, am 3. September 2014 in der Zeit von 15.00 Uhr bis 17.00 Uhr ihre Versammlung (Mahnwache) auf dem A... unmittelbar im Bereic

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 20. Dez. 2012 - 1 BvR 2794/10

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Tenor 1. Die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 15. Oktober 2010 - 3 L 1556/10 - und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 15. Oktober 2010 - 3 B 307/10 - verletzen die Beschwerde

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 31. Mai 2007 - 3 M 53/07

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Tenor I. Auf die Beschwerden der Antragsteller und der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 25.05.2007 geändert. 1. Der Antrag der Antragsteller auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspru

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Tenor

1. Der Antrag wird mit der -zum Teil klarstellenden- Maßgabe abgelehnt, dass der Antragstellerin gestattet ist, am 3. September 2014 in der Zeit von 15.00 Uhr bis 17.00 Uhr ihre Versammlung (Mahnwache) auf dem A... unmittelbar im Bereich vor der nach Südwesten ausgerichteten Giebelwand des länglichen Gebäudes, in dem sich die Gaststätte „B...“ befindet, einschließlich des dort angrenzenden Durchgangs zum Vorplatz der C... bis zu einer Entfernung von 70 Metern von der äußeren Grenze des Vorplatzes durchzuführen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag, der darauf gerichtet ist, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Verfügung vom 2. September 2014 wiederherzustellen, ist zulässig. Er führt mit der sich aus dem Tenor ergebenden Maßgabe jedoch nicht zum Erfolg.

2

Die Abwägung der auf beiden Seiten betroffenen hochwertigen Rechtsgüter führt zu dem Ergebnis, dass die angemeldete Versammlung nicht auf dem D... -auf diesen Versammlungsort hat die Antragstellerin in der Antragsbegründung zwischenzeitlich auch verzichtet- und auch nicht im Bereich vor der E... stattfinden kann. Einer Versammlung in dem im Tenor bezeichneten Bereich stehen dagegen keine rechtlich tragfähigen Gesichtspunkte entgegen, mit denen das von der Verfassung gewährleistete Versammlungsrecht der Antragstellerin eingeschränkt werden kann. Dieser Versammlungsort gewährleistet auch noch hinreichend die rechtlich geschützte kommunikative Nähe zu der Veranstaltung, die die Antragstellerin in Wahrnehmung ihres Versammlungsrechts in Bezug nehmen möchte. Eine weniger einschneidende Maßnahme ist wegen der örtlichen Gegebenheiten im Hinblick auf das Sicherheitskonzept der Polizei nicht ersichtlich.

3

Die rechtlichen Voraussetzungen für die Einschränkung des Versammlungsrechts sind den Beteiligten aus den vorangegangenen Verfahren bekannt. Gemäß § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz – VersG – kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs unmittelbar gefährdet ist.

4

Zu einem vergleichbaren Fall („Sternmarsch Heiligendamm“) hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass es eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit darstellt, wenn die Versammlung nur in einer Weise durchgeführt werden kann, die einem Verbot nahe kommt, etwa indem sie in ihrem spezifischen Charakter so verändert werden muss, dass die Verwirklichung des besonderen kommunikativen Anliegens wesentlich erschwert wird. Die Verlagerung von Demonstrationen in einen Bereich außerhalb der eigentlichen Sicht- und Hörweite einer Veranstaltung, auf die der Protest Bezug nimmt, so das Bundesverfassungsgericht, greift im Ansatz unverhältnismäßig in das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters über Zeitpunkt und Ort der Veranstaltung und über Vorkehrungen zur Erreichung der beabsichtigten Wirkungen ein. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit schützt das Interesse des Veranstalters, auf einen Beachtungserfolg nach seinen Vorstellungen zu zielen. Das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters umfasst auch das Interesse zur Konzentration der öffentlichen Aufmerksamkeit. Dem können allenfalls Belange der öffentlichen Sicherheit entgegengehalten werden.

5

Tragfähiges Ziel eines Eingriffs in das Versammlungsrecht kann die Durchführung einer Veranstaltung des Staates und dabei insbesondere der Schutz von Leib und Leben der Teilnehmer an dieser Veranstaltung sein. Dass insofern entsprechende Schutzräume zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit geschaffen werden, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Dabei ist jedoch grundsätzlich in einem Sicherheitskonzept für eine solche Veranstaltung auch das Anliegen der Durchführbarkeit von Demonstrationen einzustellen. Ein bloß allgemeiner Verweis auf sicherheitsrechtliche Bedenken reicht für eine erheblich in die betroffenen Rechte eingreifende Entscheidung nicht aus. Es ist eine sorgfältige Abwägung aller Interessen und eine intensive Prüfung der Verhältnismäßigkeit erforderlich (BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 2007 – 1 BvR 1423/07 – m. w. N.).

6

Ausgehend hiervon wäre ein Eingriff in die Rechte der Antragstellerin dergestalt, dass sie vom kommunikativen Zusammenhang mit der staatlichen Veranstaltung förmlich abgeschnitten wird, nicht verhältnismäßig. Das wäre aber der Fall, wenn die Versammlung auf dem A... an der Längsseite des genannten Gebäudes im hinteren nordöstlich gelegenen Eckbereich stattfinden müsste. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass in der ursprünglichen Anmeldung der Veranstaltung lediglich angekündigt wurde, dass im Verlauf der Veranstaltung eine Verfassungsbeschwerde gegen die von der Antragstellerin behauptete städtische Einflussnahme auf die Wahl des Stadtrats der Stadt F...vom 25. Mai 2014 verlesen werden soll, woraus sich nicht ohne weiteres ein Zusammenhang mit dem gleichzeitig stattfindenden Besuch des Staatsoberhauptes und der Ministerpräsidentin ergibt. Im Nachgang hierzu hat die Antragstellerin im Kooperationsgespräch ausgeführt, dass man sich auch zum Staatsoberhaupt positionieren wolle. Das wurde zwischenzeitlich in der Antragsbegründung bekräftigt. Der dadurch zulässigerweise geschaffene inhaltliche Zusammenhang darf nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht in unverhältnismäßiger Weise unterbrochen werden.

7

Dass vorliegend von der Antragsgegnerin überhaupt in das Versammlungsrecht eingegriffen wird, unterliegt keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie hat unter Bezugnahme auf die Gefahreneinschätzung der Polizei substantiiert dargelegt, dass gewisse Einschränkungen des Versammlungsrechts aus Gründen der öffentlichen Sicherheit erforderlich und angemessen sind. Der Schutz von Leib und Leben des Bundespräsidenten, er ist als Verfassungsorgan in die Gefährdungsstufe 1 eingestuft und es sind Schutzmaßnahmen der Stufe 1 angeordnet, und der Ministerpräsidentin genießen allerhöchste Priorität. Das macht es ausweislich der Mitteilung der Polizeidirektion F... an die Antragsgegnerin erforderlich, dass der unmittelbare Bewegungsbereich des Staatsoberhauptes auf dem Vorplatz der C... freigehalten wird. Damit kam dieser Ort für die Durchführung der Versammlung von vornherein nicht in Betracht.

8

Aus polizeilicher Sicht muss auch in jedem Fall eine Entfernung zu den Aufenthaltsorten des Bundespräsidenten eingehalten werden, die größer ist als die Entfernung, die mit einem Wurfgegenstand überbrückt werden kann, auch wenn dieser Gegenstand nicht gezielt oder in Richtung des Bundespräsidenten eingesetzt wird. Diese Einschätzung ist nach den Ausführungen der Polizei ohne weiteres nachvollziehbar. Hiernach scheidet der Platz vor der E... als Versammlungsort aus. Ungeachtet dessen, dass das Geschäftslokal innerhalb der Öffnungszeiten förmlich vom Publikumsverkehr abgeschnitten wäre, zählt der Bereich vor der Bank zu der Zone, aus der Wurfgeschosse in den Bereich des Vorplatzes geworfen werden können. Dabei ist ausschlaggebend, dass die Wurfrichtung vom Platz vor der E... zum Vorplatz der C... von oben nach unten verläuft. Das ist in dem Bereich, der im Tenor bezeichnet ist, nicht der Fall. Gleichzeitig ist diese Fläche wegen der Schneise zwischen den Gebäuden in Hörweite des D...es gelegen. Die Antragstellerin kann dort wahrgenommen werden, weil ihr ausdrücklich die Benutzung eines Lautsprecherfahrzeuges bzw. Megafonen gestattet ist. Hierdurch ist in noch zumutbarer Weise gleichzeitig gewährleistet, dass die interessierte Öffentlichkeit auch auf die Spruchbänder/Plakate aufmerksam gemacht wird. Wegen der nur geringen Zahl an angekündigten Teilnehmern an der Versammlung (ca. 10 Personen) kann die Versammlung auch an der betreffenden Örtlichkeit unproblematisch durchgeführt werden.

9

Es ist bei alledem hinreichend belegt, dass auch von der Versammlung der Antragstellerin gewisse Gefahren ausgehen können, die im Hinblick auf den drohenden bedeutenden Schaden schon im Ansatz vermieden werden müssen. Im Februar 2014 kam es nach den Ausführungen der Polizei anlässlich einer Mahnwache zu unkontrollierten körperlichen Auseinandersetzungen, die polizeilich unterbunden werden mussten. Zwar kann ein gegebenenfalls mitursächliches Verhalten von Gegendemonstranten nicht ohne weiteres der Antragstellerin zugerechnet werden. Gehen Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung lediglich von Gegendemonstranten aus, so müssen sich polizeiliche Maßnahmen primär gegen die störende Gegendemonstration richten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2010 -1 BvR 2636/04-; juris). Hier tritt jedoch die staatliche Veranstaltung, bei der hochwertige Rechtsgüter zu schützen sind, neben die reine Zurechnung von Ursache und Wirkung bei sonstigen Demonstrationen. Es sind auch nur geringste Gefahren auszuschließen. Solche ergeben sich jedoch im Hinblick auf die Antragstellerin auch daraus, dass die am vorliegenden Verfahren nicht unmittelbar beteiligte Polizei in ihrer an die Antragsgegnerin gerichteten Lageeinschätzung vom 2. September 2014 ausgeführt hat, dass im September 2013 bei einer von der Antragstellerin durchgeführten Demonstration einige ihrer Teilnehmer alkoholisiert waren, wobei die Einwirkungsmöglichkeiten der verantwortlichen Person stark eingeschränkt gewesen seien. Dem ist die Antragstellerin nicht substantiiert begegnet. Sie hat in der Antragsbegründung lediglich ausgeführt, dass ihr Vorsitzender niemals alkoholisiert eine Versammlung geleitet habe. Vergleichbares Verhalten kann in einer Gemengelage, wie sie sich hier abzeichnet, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durchaus zu einem der Antragstellerin zurechenbaren Verhalten führen, das im gewünschten Bereich des Platzes vor der E... Gefahren für die zu schützende staatliche Veranstaltung verursachen kann.

10

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

11

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Ziffer 45.4 und 1.5 des Streitwertkataloges. Dabei ist wegen der faktischen Vorwegnahme der Hauptsache der sich hieraus ergebende volle Streitwert festzusetzen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Tenor

1. Die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 15. Oktober 2010 - 3 L 1556/10 - und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 15. Oktober 2010 - 3 B 307/10 - verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 8 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Kostenentscheidungen der Beschlüsse werden aufgehoben. Das Verfahren wird insoweit an das Sächsische Oberverwaltungsgericht zur erneuten Entscheidung über die Kosten des Verfahrens zurückverwiesen.

3. ...

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die verwaltungsgerichtliche Versagung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine versammlungsrechtliche Auflage.

I.

2

1. Die Beschwerdeführer meldeten Anfang September 2010 bei der Stadt L. ihr Vorhaben an, am 16. Oktober 2010 (von 12.00 Uhr bis 20.00 Uhr) in L. eine Versammlung unter freiem Himmel durchzuführen. Die geplante Versammlung sollte aus drei Aufzügen und einer Abschlusskundgebung in der Innenstadt von L. bestehen. Die Teilnehmerzahl wurde von den Beschwerdeführern bei der Anmeldung auf 600 Personen geschätzt. Das Motto der geplanten Versammlung lautete "Recht auf Zukunft". Es bezog sich auf eine am 17. Oktober 2009 in L. von der Beschwerdeführerin zu 4), einer Unterorganisation der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), veranstaltete Versammlung, bei der es im Zusammenhang mit einer Versammlungsblockade durch Gegendemonstranten zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und letztlich zu einer polizeilichen Auflösung der Versammlung kam.

3

Angesichts dieser Vorgeschichte und der Anmeldung von zahlreichen Gegendemonstrationen kam es zwischen der Anmeldung und der Durchführung der geplanten Versammlung zu umfangreichen Verhandlungen zwischen den Beschwerdeführern und der Stadt L., die unter anderem in Kooperationsgesprächen am 4., am 6. und am 13. Oktober 2010 eingehend die polizeilich sicherbare Anzahl der geplanten Aufzüge und die konkrete Streckenführung erörterten. In einer Gefährdungsanalyse am 4. Oktober 2010 bekundete die Polizeidirektion L. dabei laut den tatsächlichen Feststellungen des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, dass der Schutz von zwei der angemeldeten Aufzüge mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften gewährleistet werden könne. Am 11. Oktober 2010 teilte der Beschwerdeführer zu 1) der Stadt schließlich mit, dass am 16. Oktober 2010 nunmehr lediglich ein einziger Aufzug stattfinden solle. Am 12. Oktober 2010 ergänzte die Polizeidirektion L. ihre Gefahrprognose insofern, dass nunmehr nur eine maximal vierstündige stationäre Kundgebung durchführbar sei, weil nach den Erfahrungen des Versammlungsgeschehens vom 17. Oktober 2009 mit einer höheren als der angemeldeten Teilnehmerzahl zu rechnen sei und jeweils ca. 10 bis 20 % der Teilnehmer der angemeldeten Demonstration und der Gegendemonstrationen als gewaltbereit einzustufen seien.

4

2. Mit Bescheid vom 13. Oktober 2010 untersagte die Stadt L. die Durchführung der Versammlung als Aufzug, verfügte die Durchführung als stationäre Kundgebung in der Zeit von 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr in einem Bereich am L. Hauptbahnhof und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Auflage an. Die Polizeidirektion L. habe in ihrer Gefahrprognose vom 12. Oktober 2010 dargelegt, dass im Zeitraum vom 15. bis zum 17. Oktober 2010 aufgrund von zahlreichen Versammlungsanmeldungen widerstreitender politischer Lager eine latente Gefährdungssituation vorhanden sei, die einen außerordentlich hohen Kräfteeinsatz der Polizei erfordere. Es sei davon auszugehen, dass sich die Teilnehmer der Aufzüge bei Angriffen durch Personen der linksextremistischen Klientel provozieren ließen und darauf entsprechend reagierten. Die Polizei habe glaubhaft dargelegt, dass sie kräftetechnisch außerstande sei, einen Aufzug zu begleiten, da trotz bundesweiter Anfragen nur 29 der für erforderlich gehaltenen 44 Polizeihundertschaften, also nur 66 % der geplanten Polizeikräfte, zur Verfügung stünden. Die Ausübung der Versammlungsfreiheit werde trotz der Beschränkungen nicht vereitelt, da der zugewiesene Ort eine hinreichende Öffentlichkeitswirksamkeit und eine räumliche Trennung der gegensätzlichen politischen Lager gewährleiste.

5

3. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer noch am gleichen Tag Widerspruch und stellten beim Verwaltungsgericht Leipzig die Anträge, die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die Auflage, nur eine stationäre Kundgebung durchzuführen, wiederherzustellen sowie im Wege einer einstweiligen Anordnung ein Verbot sämtlicher Versammlungen in einem Umkreis von 300 m um die angemeldeten Aufzugstrecken anzuordnen. Das Verwaltungsgericht Leipzig lehnte die Eilanträge mit Beschluss vom 15. Oktober 2010 ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Bescheid vom 13. Oktober 2010 rechtmäßig sei und somit das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des Bescheids die Interessen der Beschwerdeführer überwiege. Die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens, die Stadt L., sei auf der Grundlage der Einschätzung der Polizeidirektion L. nachvollziehbar davon ausgegangen, dass infolge zahlreicher Gegenaktionen und -demonstrationen bei Durchführung des im Zuge der Kooperation der Beschwerdeführer zuletzt noch geplanten einzigen Aufzuges eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bestehe. Bei der Vielzahl der angemeldeten und geplanten Veranstaltungen am 16.10.2010, unter anderem ein Fußballspiel, und in Anbetracht der beschriebenen begrenzten Kräftelage der Polizei sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit einhergehenden Personen- und Sachschäden zu rechnen, denen nur mit der Beschränkung auf eine stationäre Kundgebung begegnet werden könne. Dieser Gefahr könne in Anbetracht der besonderen Veranstaltungssituation am 16. Oktober 2010 auch nicht durch Maßnahmen gegen potentielle Störer begegnet werden.

6

4. Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts legten die Beschwerdeführer Beschwerde ein. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Beschluss vom 15. Oktober 2010 zurück. Ob ein polizeilicher Notstand vorliege, sei im Rahmen der summarischen Prüfung nicht abschließend zu beurteilen. Der Einschätzung der Polizeidirektion lasse sich entnehmen, dass aufgrund des Versammlungsgeschehens im Vorjahr mit gewalttätigen Auseinandersetzungen einer Anzahl von 10 bis 20 % der Teilnehmer sowohl auf Seiten der Beschwerdeführer wie auf Seiten linker Demonstranten gerechnet werde. Zwar erschließe sich dem Gericht nicht, wodurch sich das Gefährdungspotential innerhalb kurzer Zeit so erhöht haben solle, dass statt der zwei Aufzüge, die die Polizeidirektion ursprünglich noch mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften für sicherbar gehalten habe, nunmehr nur noch eine stationäre Kundgebung möglich sein solle. Wegen der fehlenden Überprüfungsmöglichkeit sei aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden. Danach sei die Beschwerde zurückzuweisen, weil für den Antragsteller die mit der Durchführung einer nur stationären Kundgebung verbundenen Beeinträchtigungen hinnehmbar seien.

7

5. Die Beschwerdeführer beantragten sodann beim Bundesverfassungsgericht zunächst den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Diesen Antrag hat die Kammer aufgrund der besonderen Voraussetzungen der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch das Bundesverfassungsgericht abgelehnt, dabei jedoch zugleich auf die Möglichkeit der Klärung der aufgeworfenen Fragen in einem verfassungsgerichtlichen Hauptsachverfahren hingewiesen (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. Oktober 2010 - 1 BvQ 39/10 -, juris).

8

6. Hieraufhin erhoben die Beschwerdeführer gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts fristgemäß Verfassungsbeschwerde mit der Rüge, durch die angegriffenen Entscheidungen in ihren Rechten aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG verletzt zu sein.

9

7. Das Bundesverfassungsgericht hat der Stadt L. als Gegnerin des Ausgangsverfahrens, dem Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Europa sowie der Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

10

Nach Auffassung des Rechtsamtes der Stadt L. liegen die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde nicht vor. Das Sächsische Staatsministerium hat von einer Stellungnahme abgesehen. Die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts hat eine Stellungnahme des unter anderem für das Versammlungsrecht zuständigen 6. Revisionssenats übersandt, in der dieser Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Entscheidungen äußert.

II.

11

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung von Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen bereits entschieden (vgl. insbesondere BVerfGE 69, 315 <340 ff.>; 110, 77 <83 ff.>). Nach diesen Maßstäben ist die Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts zulässig und begründet.

12

1. Der Zulässigkeit der Rüge der Verletzung des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG steht weder der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde noch das Erfordernis eines Rechtsschutzinteresses entgegen.

13

a) Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde verlangt die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache nur, soweit die geltend gemachte Verletzung von Freiheitsrechten oder von Art. 19 Abs. 4 GG durch die Entscheidung der Gerichte in der Hauptsache noch ausgeräumt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Hier rügen die Beschwerdeführer allerdings gerade die Missachtung der Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG bei der Zurückweisung ihres Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz, die im Hauptsacheverfahren nicht mehr behandelt werden würde.

14

b) Auch ein Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführer besteht, obwohl der Demonstrationstermin verstrichen und damit der Sofortvollzug der strittigen Auflagen gegenstandslos geworden ist. Sind verfassungsrechtliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht (mehr) zu klären, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis auch nach Erledigung des ursprünglichen Begehrens im Falle einer Wiederholungsgefahr, also wenn ein Gericht die bereits herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Maßstäbe nicht beachtet hat und bei hinreichend bestimmter Gefahr einer gleichartigen Entscheidung bei gleichartiger Sach- und Rechtslage zu befürchten ist, dass es diese auch in Zukunft verkennt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Hier führten die Beschwerdeführer bereits konflikthafte Versammlungen in L. durch und planen auch in Zukunft die Durchführung von Versammlungen in L., bei denen sie mit ähnlichen Konfliktsituationen rechnen und gegebenenfalls gleichartige Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts befürchten müssten.

15

2. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG.

16

a) Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen (vgl. BVerfGE 104, 92 <104>; 128, 226 <250>). Als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe, die auch und vor allem andersdenkenden Minderheiten zugutekommt, ist die Versammlungsfreiheit für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend (vgl. BVerfGE 69, 315 <344 f.>; 128, 226 <250>) und wird im Vertrauen auf die Kraft der freien öffentlichen Auseinandersetzung grundsätzlich auch den Gegnern der Freiheit gewährt (vgl. BVerfGE 124, 300 <320>). Damit die Bürger selbst entscheiden können, wann, wo und unter welchen Modalitäten sie ihr Anliegen am wirksamsten zur Geltung bringen können, gewährleistet Art. 8 Abs. 1 GG nicht nur die Freiheit, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fern zu bleiben, sondern umfasst zugleich ein Selbstbestimmungsrecht über die Durchführung der Versammlung als Aufzug, die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung (vgl. BVerfGE 69, 315 <343> oder <355 ff.>; 128, 226 <250 f.>).

17

Beschränkungen der Versammlungsfreiheit bedürfen gemäß Art. 8 Abs. 2 GG zu ihrer Rechtfertigung einer gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerfGE 69, 315 <350 f.>; BVerfGK 17, 303 <307>). Nach § 15 des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) vom 24. Juli 1953 in der Fassung vom 8. Dezember 2008 (BGBl I S. 2366; im Folgenden: VersG) kann die zuständige Behörde die Versammlung von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Danach kann im Einzelfall auch die Festlegung geboten sein, dass eine ursprünglich als Aufzug angemeldete Versammlung nur als ortsfeste Versammlung durchgeführt werden darf (vgl. BVerfGK 2, 1 <8>). Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde allerdings auch bei dem Erlass von Auflagen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus (BVerfGE 69, 315 <353 f.>; BVerfGK 17, 303 <307>). Ferner gilt, dass, soweit sich der Veranstalter und die Versammlungsteilnehmer grundsätzlich friedlich verhalten und Störungen der öffentlichen Sicherheit vorwiegend aufgrund des Verhaltens Dritter - insbesondere von Gegendemonstrationen - zu befürchten sind, die Durchführung der Versammlung zu schützen ist und behördliche Maßnahmen primär gegen die Störer zu richten sind (vgl. BVerfGE 69, 315 <360 f.>; BVerfGK 8, 79 <81>; BVerfG , Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 1. September 2000 - 1 BvQ 24/00, NVwZ 2000, S. 1406 <1407>). Gegen die friedliche Versammlung selbst kann dann nur unter den besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden (vgl. BVerfGE 69, 315 <360 f.>; BVerfGK 17, 303 <308>). Dies setzt voraus, dass die Versammlungsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anderenfalls wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und trotz des Bemühens, gegebenenfalls externe Polizeikräfte hinzuzuziehen, zum Schutz der von dem Antragsteller angemeldeten Versammlung nicht in der Lage wäre; eine pauschale Behauptung dieses Inhalts reicht allerdings nicht (vgl. BVerfGK 8, 79 <82>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2001 - 1 BvQ 13/01 -, NJW 2001, S. 2069 <2072>). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde (vgl. BVerfGK 17, 303 <308>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. September 2009 - 1 BvR 2147/09 -, NJW 2010, S. 141 <142>).

18

b) Art. 19 Abs. 4 GG garantiert einen effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; 96, 27 <39>). Im Verfahren auf Wiederherstellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs, das für den Regelfall sicherstellt, dass die Verwaltungsbehörden keine irreparablen Maßnahmen durchführen, bevor die Gerichte deren Rechtmäßigkeit geprüft haben, ist der Rechtsschutzanspruch des Bürgers umso stärker, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung wiegt und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken (vgl. BVerfGE 35, 382 <401 f.>; 69, 315 <363>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Insbesondere im Bereich des Versammlungsrechts muss das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren angesichts der Zeitgebundenheit von Versammlungen zum Teil Schutzfunktionen übernehmen, die sonst das Hauptsacheverfahren erfüllt (vgl. BVerfGE 69, 315 <363 f.>; 110, 77 <87>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 23. März 2004 - 1 BvR 745/01 -, juris, Rn. 13). Die einstweilige Anordnung im verfassungsgerichtlichen Verfahren als außerhalb der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG liegender Rechtsbehelf kann die primäre Rechtsschutzfunktion der Fachgerichte ebenfalls nicht übernehmen. Angesichts der Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts und im Hinblick auf die weitreichenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung auslösen kann, ist hierbei zudem ein strenger, von den verwaltungsgerichtlichen Kriterien grundsätzlich unterschiedener Maßstab anzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 16. Oktober 2010 - 1 BvQ 39/10 -, juris, Rn. 4). Daher müssen die Verwaltungsgerichte zum Schutz von Versammlungen, die auf einen einmaligen Anlass bezogen sind, schon im Eilverfahren durch eine intensivere Prüfung dem Umstand Rechnung tragen, dass der Sofortvollzug der umstrittenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form führt. Soweit möglich, ist als Grundlage der gebotenen Interessenabwägung die Rechtmäßigkeit der Maßnahme in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht nur summarisch zu prüfen (vgl. BVerfGE 69, 315 <363 f.>; 110, 77 <87>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Sofern dies nicht möglich ist, haben die Fachgerichte jedenfalls eine sorgfältige Folgenabwägung vorzunehmen und diese hinreichend substantiiert zu begründen, da ansonsten eine Umgehung der beschriebenen strengen Voraussetzungen für Beschränkungen der Versammlungsfreiheit möglich erschiene.

19

3. Diese Maßstäbe haben das Verwaltungsgericht Leipzig und das Sächsische Oberverwaltungsgericht bei den ihnen obliegenden Entscheidungen über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht hinreichend berücksichtigt. Beide Entscheidungen werden den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG im Hinblick auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen versammlungsbeschränkende behördliche Maßnahmen nicht gerecht.

20

a) Die vom Verwaltungsgericht Leipzig herangezogenen Umstände sind nicht geeignet, die Annahme einer von der Versammlung selbst ausgehenden unmittelbaren Gefährdung für die öffentliche Sicherheit zu tragen, die die Verhinderung der Versammlung in Form eines Aufzugs hätte rechtfertigen können. Das Verwaltungsgericht legt insofern bereits nicht hinreichend deutlich dar, ob seiner Auffassung nach auch von der Versammlung selbst eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht oder diese Gefahr ausschließlich aufgrund der zahlreichen Gegendemonstrationen und den hieraus zu erwartenden Störungen der Versammlung besteht. Dass das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung zur Begründung seines Standpunktes im Wesentlichen lediglich auf die Einschätzung der Polizeidirektion L., die ohne nähere Erläuterung 10 bis 20 % der Teilnehmer der angemeldeten Demonstration dem gewaltbereiten Klientel zurechnete, verweist, genügt den Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG insofern jedenfalls nicht.

21

Auch im Hinblick auf eine Inanspruchnahme der Veranstalter als Nichtstörer im Wege des polizeilichen Notstandes genügen die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts den Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht. Das Verwaltungsgericht weist insofern zur Begründung des Vorliegens einer nicht durch Maßnahmen gegen potentielle Störer abwendbaren Gefahr, insbesondere auf die besondere Veranstaltungssituation am 16. Oktober 2010 und die deswegen nur begrenzt zur Verfügung stehenden Polizeikräfte, hin und beruft sich dabei pauschal auf die Einschätzung der Polizeidirektion L. vom 13. Oktober 2010. Berücksichtigt man aber den Umstand, dass die Polizeidirektion in ihrer Gefährdungsanalyse vom 4. Oktober 2010 offenbar noch zwei der angemeldeten Aufzüge mit den ihr voraussichtlich zur Verfügung stehenden Kräften für sicherbar hielt, erfüllt diese pauschale Bezugnahme auf die Einschätzung der Polizeidirektion vom 13. Oktober 2010 nicht die den Anforderungen an die entsprechend obigen Maßstäben bereits im Eilverfahren gebotene intensivere Rechtmäßigkeitsprüfung. Vielmehr hätte die kurzfristige Änderung der polizeilichen Einschätzung, die sich nicht ohne weiteres erschließt, das Verwaltungsgericht zu einer substantiierteren Prüfung der veränderten polizeilichen Einschätzung und zur Nachfrage einer genaueren Begründung ihrer Entscheidung veranlassen müssen. Dass dies vorliegend aus zeitlichen Gründen nicht möglich gewesen wäre, ist nicht erkennbar. Auch im Übrigen hätte es dezidierterer Feststellungen bedurft, aufgrund welcher konkreter Gefahren für die öffentliche Sicherheit und aufgrund welcher konkreter, vorrangig zu schützender sonstiger Veranstaltungen keine ausreichenden Polizeikräfte mehr zum Schutz der angemeldeten Versammlung und der Rechtsgüter Dritter zur Verfügung gestanden hätten. Die behauptete Bindung von Polizeikräften durch die zeitgleich stattfindenden Gegendemonstrationen kann nach obigen Maßstäben jedenfalls nicht ohne weiteres als hinreichendes Argument dafür herangezogen werden. Auch die Bindung von Polizeikräften aufgrund eines parallel stattfindenden Fußballspiels und sonstiger Veranstaltungen, deren vorrangige Schutzwürdigkeit sich nicht ohne weiteres erschließt, reicht hierfür nicht aus.

22

b) Die angegriffene Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts hält den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG ebenfalls nicht stand. Zwar hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht deutliche Bedenken am Vorliegen der Voraussetzungen eines für die Rechtfertigung der versammlungsrechtlichen Auflage erforderlichen polizeilichen Notstandes geäußert und nachvollziehbar dargelegt, dass sich ihm nicht erschließe, wodurch sich das Gefährdungspotential innerhalb des kurzen Zeitraumes zwischen der Gefährdungsanalyse der Polizeidirektion L. vom 4. Oktober 2010 und dem Erlass der Auflage am 13. Oktober 2010 so erhöht haben soll, dass statt der zwei Aufzüge, die ursprünglich noch mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften für sicherbar gehalten wurden, nunmehr nur noch eine stationäre Kundgebung möglich sein solle. Auch erscheint es nachvollziehbar, dass dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht in der Kürze der ihm zur Verfügung stehenden Zeit die Vornahme der hier grundsätzlich gebotenen und soweit als möglich nicht lediglich summarischen Rechtmäßigkeitskontrolle der behördlichen Auflage nicht mehr möglich war. Allerdings hätte es dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht in dieser Konstellation, um der Freiheitsvermutung zugunsten der Versammlungsfreiheit zumindest in der Sache Rechnung zu tragen, oblegen, eine besonders sorgfältige Folgenabwägung vorzunehmen und diese in der Begründung seiner Entscheidung hinreichend offenzulegen. Vorliegend hat sich das Sächsische Oberverwaltungsgericht in der Begründung seiner Entscheidung jedoch im Wesentlichen darauf beschränkt, auf die vermeintlich geringe Beeinträchtigung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit hinzuweisen, ohne auch nur ansatzweise ausreichend auf das Bestehen einer die Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit überwiegenden potentiellen Beeinträchtigung anderer Rechtsgüter einzugehen.

23

4. Demgemäß ist festzustellen, dass sowohl der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig als auch der angegriffene Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG verletzen. Einer Aufhebung der Entscheidungen und Zurückverweisung zur erneuten Entscheidung bedarf es darüberhinausgehend nur bezüglich der Kostenentscheidungen, da in der Sache selbst Erledigung eingetreten ist (vgl. Schemmer, in: Umbach/Clemens/Dollinger, 2. Aufl. 2005, BVerfGG, § 93c Rn. 33).

24

5. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Tenor

I. Auf die Beschwerden der Antragsteller und der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 25.05.2007 geändert.

1. Der Antrag der Antragsteller auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die am 17.05.2007 bekanntgegebene Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin wird abgelehnt.

2. Der Antrag der Antragsteller auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Verbotsverfügung der Antragsgegnerin vom 16.05.2007 wird mit folgender Maßgabe abgelehnt:

a. Den Antragstellern wird gestattet, eine Versammlung auf den im Kooperationsgespräch am 10.05.2007 von der Versammlungsbehörde vorgeschlagenen Ersatzstrecken 1. Kröpelin - B 105 - Reddelich - Bad Doberan und 2. Retschow - Stülow - Bad Doberan durchzuführen.

b. Die Antragsgegnerin ist ermächtigt, gemäß § 15 Abs. 1 VersG weitere Modalitäten der somit gestatteten Versammlung unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch Auflagenbescheid selbst zu regeln.

c. Die Entscheidung ergeht unbeschadet privater Rechte Dritter.

II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.

III. Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller haben für den 07.06.2007 eine Versammlung in Form eines Sternmarsches zum G 8-Gipfel in H angemeldet. Diese wurde mit Verfügung der Antragsgegnerin vom 16.05.2007 verboten. Mit am 17.05.2007 bekannt gegebener Allgemeinverfügung vom 16.05.2007 hat die Antragsgegnerin weiter alle öffentlichen Versammlungen u.a. in einem Gebiet innerhalb der sog. technischen Sperre um H zuzüglich 200 m (Zone I) für den Zeitraum vom 30.05.2007 bis 08.06.2007 sowie im Gebiet um H (Zone II) alle unangemeldeten öffentlichen Versammlungen für den Zeitraum vom 30.05.2007 bis 08.06.2007 und alle öffentlichen Versammlungen für den Zeitraum vom 05.06.2007 bis 08.06.2007 untersagt.

2

Auf den Antrag der Antragsteller hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die Verbotsverfügung vom 16.05.2007 und die Allgemeinverfügung mit Auflagen teilweise wiederhergestellt. Danach darf der Sternmarsch auf vier Routen bis 200 m vor der technischen Sperre stattfinden.

3

Hiergegen wenden sich die Antragsteller und die Antragsgegnerin mit ihren Beschwerden.

4

Die Antragsteller halten in ihrer Beschwerde zunächst die Zuständigkeit der Antragsgegnerin für nicht gegeben. Sie wenden sich gegen die Allgemeinverfügung und die darauf gestützte Untersagungsverfügung, die an sie selbst gerichtet ist, inhaltlich in mehrerlei Hinsicht: Sie begehren in erster Linie, dass der Sternmarsch mit Abschlusskundgebung in H durchgeführt werden kann. Hilfsweise begehren sie im wesentlichen, dass andere als die vom Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss gebilligten vier Routen für die einzelnen Aufzüge möglich bleiben, die Aufzüge nicht 200 m sondern 50 m vor der technischen Sperre enden dürfen und dass sich innerhalb der Zone I maximal 600 Demonstranten vor dem Tagungsgebäude versammeln können.

5

Sie beantragen im Beschwerdeverfahren,

6

unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts ihren Anträgen stattzugeben mit der Maßgabe, dass die Allgemeinverfügung lediglich für die Durchführung des "Sternmarsches" angefochten wird,

7

hilfsweise

8

den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts wie folgt zu zu ändern:

9

Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die Verbotsverfügung der Antragsgegnerin vom 16.05.2007 sowie gegen die Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 16.05.2007 wird für die Durchführung des von den Antragstellern angemeldeten Sternmarsches am 07.06.2007 mit folgenden Maßgaben wiederhergestellt:

1.

10

Es sind folgende 5 Routen einzuhalten

11

(1) K Marktplatz – R – S – H

12

(2) Bad D Kamp Pavillon – Neue Reihe – B Weg – V – K Landweg (L12)

13

(3) N – O wanderweg – B – J Schleuse

14

(4) K B Platz – Strandpromenade an der Ostsee – K

15

(5) K über L12 – H nach H

2.

16

Die Demonstrationszüge enden 50 m vor dem Sperrzaun, dort finden die Abschlusskundgebungen statt.

17

Darüber hinaus darf ein Teil der Teilnehmer, insgesamt maximal 600 Personen (je 100 Personen für die Themen, die ursprünglich für die 6 Sternrouten angemeldet waren), und zwar je 200 über FKK-Kinderstrand, über J Schleuse und über den Durchlass H stellvertretend für den gesamten Protestmarsch den "Protest nach H tragen" bis vor das K Grand Hotel.

3.

18

Die Veranstalter geben den Teilnehmern des Demonstrationszuges von K entlang der Ostsee zu Beginn der Versammlung und bei der Abschlusskundgebung bekannt, dass die Gleisanlage der "M-Bahn" nicht betreten werden darf, dass der Bahnbetrieb nicht gestört werden darf und dass der Zugang für die mit der M-Bahn zum Tagungsort anreisenden legitimierten Personen und deren Zugang über die Kontrollstelle K nicht behindert werden darf.

19

Die Veranstalter sind verpflichtet, eine in das Ermessen des Gerichtes gestellte Anzahl von Ordnern bereitzustellen und diese anzuweisen, auf die Einhaltung dieser Auflage hinzuwirken.

20

Die Antragsgegnerin beantragt als Beschwerdeführerin,

21

den Beschluss des Verwaltungsgerichts aufzuheben und den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Allgemeinverfügung sowie der Verbotsverfügung vom 16.05.2007 in vollem Umfang zurückzuweisen.

22

Sie wendet sich mit ihrer Beschwerde insoweit gegen den angefochtenen Beschluss, als die Allgemeinverfügung hinsichtlich des auch für die Zone II verfügten generellen Versammlungsverbots für die Zeit vom 05. bis 08.06.2007 ausgesetzt wird. Das Verwaltungsgericht habe die von ihr, der Antragsgegnerin, festgestellte Gefahrenprognose nur unzureichend gewürdigt. Sie beruft sich auf polizeilichen Notstand für den gesamten durch die Allgemeinverfügung beschriebenen Korridor.

23

Am 30.05.2007 wurde ein Erörterungstermin vor dem Senat durchgeführt. Zu dessen Inhalt wird auf das Protokoll verwiesen.

II.

24

Die Beschwerden sind jeweils nach Maßgabe des Vorbringens in den Beschwerdeschriften gemäß § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO zu beurteilen (vgl. BVerfG, B. v. 27.1.2006 – 1 BvQ 4/06).

25

1. Bei Versammlungen, die auf einen einmaligen Anlass oder einen bestimmten Zeitpunkt oder Zeitraum bezogen sind, haben die Verwaltungsgerichte im Interesse des effektiven Schutzes der Versammlungsfreiheit schon im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO durch eine im Rahmen des Möglichen hinreichend intensive Prüfung der Rechtmäßigkeit der im Streit befindlichen behördlichen Maßnahme sowie des Sofortvollzugs dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Letzterer in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Weise führt (BVerfG, U. v. 03.03.2004 – 1 BvR 461/03).

26

Bei Anwendung dieser Grundsätze erweisen sich sowohl die Allgemeinverfügung, soweit sie die von den Antragstellern angemeldete Versammlung betrifft, als auch die inhaltlich darauf aufbauende Verbotsverfügung vom 16.05.2007 als rechtmäßig, so dass die Anträge der Antragsteller auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der dagegen gerichteten Widersprüche im wesentlichen keinen Erfolg haben und der dem entgegenstehende Beschluss des Verwaltungsgerichts auf die Beschwerde der Antragsgegnerin insoweit zu ändern ist.

27

2. Die Antragsteller sind zu Unrecht der Auffassung, dass die Antragsgegnerin für den Erlass der angefochtenen Verfügungen nicht zuständig ist. Die Zuständigkeit der Antragsgegnerin ergibt sich aus § 2 a der Landesverordnung über die zuständigen Behörden nach dem Versammlungsgesetz (VersG-ZustVO) vom 21.07.1994 – GVOBl. M-V 1994, S. 804 i.d.F. der Verordnung vom 19.1.2007 – GVOBl. M-V 2007, S. 30. Diese Vorschrift ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Dies ergibt sich aus der Chronologie der Zuständigkeitsregelungen für das Versammlungsgesetz.

28

Mit Wirkung vom 21.06.1994 bestimmte Artikel 7 des Gesetzes über die Funktionalreform vom 05.05.1994 – GVOBl. M-V 1994, S. 566, dass die Aufgaben nach dem Versammlungsgesetz auf die Landkreise und die kreisfreien Städte übertragen werden, soweit nicht durch das Versammlungsgesetz oder durch Rechtsverordnung bestimmte Aufgaben staatlichen Behörden vorbehalten werden. Diese Aufgabendelegation erfolgte in den übertragenen Wirkungskreis der kommunalen Körperschaften. Von deren Inanspruchnahme im eigenen Wirkungskreis (pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben) oder in Form der Organleihe, wonach die Landräte bzw. die Oberbürgermeister (Bürgermeister) der kreisfreien Städte als untere staatliche Behörden bestimmt werden, wurde abgesehen (LT-Drs. 1/3835 S. 2). Damit stellt § 2 der Landesverordnung über die zuständigen Behörden nach dem Versammlungsgesetz (VersG-ZustVO) vom 21.07.1994 – GVOBl. M-V 1994, S. 804, der, gestützt auf § 1 Abs. 1 des Zuständigkeitsneuregelungsgesetzes vom 20.12.1990 – GVOBl. M-V S. 2, bestimmt, dass die Landräte und die Oberbürgermeister der kreisfreien Städte als Kreisordnungsbehörden die nach dem Versammlungsgesetz sachlich zuständigen Behörden sind, lediglich eine Wiederholung des Grundsatzes von Artikel 7 des Gesetzes über die Funktionalreform dar.

29

Artikel 7 des Gesetzes über die Funktionalreform enthält keine eigenständige Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung. Er bestimmt vielmehr, dass die Übertragung auf die Selbstverwaltungskörperschaften unter dem Vorbehalt steht, dass nicht bestimmte Aufgaben auf staatliche Behörde durch das Versammlungsgesetz oder Rechtsverordnung übertragen werden. Dies ist durch § 2a VersG-ZustVO geschehen. Ermächtigungsgrundlage dieser Regelung ist § 14 Abs. 1 S. 1 des Organisationsgesetzes für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Landesorganisationsgesetz – LOG M-V) vom 14.03.2005 – GVOBl. M-V 2005, S. 98. Danach kann die Landesregierung durch Rechtsverordnung die zuständige Behörde bestimmen, wenn zur Ausführung von Bundesrecht eine Behörde nicht bestimmt ist. Eine solche Bestimmung trifft Artikel 7 des Gesetzes über die Funktionalreform indes nicht, da er auf eine anderweitige Regelung durch Rechtsverordnung verweist. Nach Abs. 2 sind bei der Zuständigkeitszuweisung die Maßgaben des § 3 zu beachten; mit der Zuständigkeitszuweisung wird zugleich die Aufgabe übertragen. § 14 Abs. 1 LOG M-V genügt den Anforderungen nach Art. 57 Abs. 1 Satz 2 Landesverfassung M-V (LV). Danach müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen im Gesetz bestimmt werden. Das Parlament soll sich seiner Verantwortung als gesetzgebende Körperschaft nicht dadurch entäußern können, dass es einen Teil der Gesetzgebungsmacht der Exekutive überträgt, ohne die Grenzen dieser Kompetenzen bedacht und diese nach Tendenz und Programm so genau umrissen zu haben, dass schon aus der Ermächtigung erkennbar und vorhersehbar ist, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll. Die Ermächtigung muss in ihrem Wortlaut nicht so genau wie irgend möglich gefasst sein; sie hat nur hinreichend bestimmt zu sein. Dazu genügt es, wenn sich die dort geforderte Bestimmtheit durch Auslegung nach den allgemein gültigen Auslegungsmethoden ermitteln lässt. Auch die Entstehungsgeschichte der Norm kann herangezogen werden. Welche Bestimmtheitsanforderungen im Einzelnen erfüllt sein müssen, ist von den Besonderheiten des jeweiligen Regelungsgegenstandes sowie der Intensität der Maßnahme abhängig. Die Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm muss vor allem der Grundrechtsrelevanz der Regelung entsprechen, zu der ermächtigt wird. Greift die Regelung erheblich in die Rechtsstellung des Betroffenen ein, so müssen höhere Anforderungen an die Bestimmtheit der Ermächtigung gestellt werden, als wenn es sich um einen Regelungsbereich handelt, der die Grundrechtsausübung weniger tangiert (vgl. BVerfG, B. v. 18.07.2005 – 2 BvF 2/01 – BVerfGE 113, 167 = NVwZ 2006, 559).

30

Danach ist § 14 Abs. 1 LOG M-V wegen des Umstandes, dass er lediglich zu Regelungen der Zuständigkeit ermächtigt, hinreichend bestimmt, da nur eine eng begrenzte Ermächtigung ausgesprochen wird, die für sich genommen nicht geeignet ist, eine Verordnung mit Ermächtigung zu Maßnahmen zu erlassen. Dies gilt auch für § 14 Abs. 2 S. 2 LOG M-V, wonach mit der Zuständigkeitszuweisung auch die Aufgabe übertragen wird. Bei beiden Normen ist auch zu beachten, dass sich der Umfang der Zuständigkeit und der übertragenen Aufgabe durch das jeweilige Bundesgesetz ergibt.

31

§ 2a VersG-ZustVO ist auch mit dem gesetzlichen Vorbehalt des Artikel 7 des Gesetzes über die Funktionalreform vereinbar, weil er "bestimmte Aufgaben" nach dem Versammlungsgesetz betrifft. Die Regelung soll eine generelle Verlagerung der Zuständigkeit durch Rechtsverordnung ausschließen. Als bestimmte Aufgabe kann aber auch die Regelung der Zuständigkeit im Zusammenhang mit einem Großereignis wie im vorliegenden Fall angesehen werden. Der Aspekt der Bündelungsfunktion als Regelungsinhalt des Artikels 7 des Gesetzes über die Funktionalreform wird nicht zuletzt aus der Begründung des Gesetzentwurfes, LT-Drs. 1/3835 S. 26, deutlich. Es erscheint ausgeschlossen anzunehmen, dass der Gesetzgeber eine Regelung hat treffen wollen, nach der eine solche Bündelung auch bei einem möglicherweise sehr viel kurzfristiger angesetzten Großereignis durch Änderung der Zuständigkeiten nur durch Gesetz möglich sein sollte.

32

Das Zitiergebot nach Art. 57 Abs. 1 S. 3 LV ist beachtet. Der Einleitungssatz der "Erste(n) Landesverordnung zur Änderung der Landesverordnung über die zuständigen Behörden nach dem Versammlungsgesetz" vom 19.01.2007 enthält den Hinweis auf § 14 Abs. 1 S. 1 LOG M-V. Nicht erforderlich ist, dass Artikel 1 dieser Verordnung, der die Änderungsbefehle für die VersG-ZustVO enthält, seinerseits – nochmals – § 14 Abs. 1 S. 1 LOG M-V zitiert. Die Pflicht zur Bezeichnung der Rechtsgrundlage bezieht sich gemäß Art. 57 Abs. 1 S. 1 LV auf alle Normen, die – nicht sachwidrig – jeweils zu einer Rechtsverordnung als rechtstechnische Einheit zusammengefasst werden. Dies entspricht der Staatspraxis (Nierhaus in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 80 Abs. 1 Rn. 323). Demgemäß entspricht es auch der Staatspraxis, dass bei dem Erlass oder der Änderung mehrerer Rechtsverordnungen in der Präambel der Mantelverordnung die jeweiligen Ermächtigungsgrundlagen für die nachfolgenden, jeweils einen einzelnen Artikel zugewiesenen Rechtsverordnungen genannt werden (Schneider: Gesetzgebung, 3. Auflage 2002, Rn. 241 Fußnote 21). Dass im vorliegenden Fall ein Hinweis auf Artikel 1 in der Präambel nicht enthalten ist, erklärt sich daraus, dass Artikel 2 lediglich die Inkrafttretens-Regelung der Änderungsverordnung enthält und somit keine dem Zitiergebot unterliegende eigenständige Regelung beinhaltet.

33

3. Mit dem Verwaltungsgericht hält auch der Senat die Beschränkungen der Versammlungsfreiheit in der Zone I durch die Verbotsverfügung und die Allgemeinverfügung, soweit sie die Versammlung der Antragsteller betrifft, für rechtmäßig.

34

a. Rechtsgrundlage der Allgemeinverfügung ist § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz. Danach kann die zuständige Behörde die Versammlung oder den Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei der Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs unmittelbar gefährdet ist. Es kann dahinstehen, ob diese Vorschrift ein sogenanntes "Flächenverbot" rechtfertigt (ablehnend Dietel/Gintzel/Kniesel: Demonstrations- und Versammlungsfreiheit, 14. Aufl. § 15 Rn. 16; Köhler/Dürig-Friedl: Demonstrations- und Versammlungsrecht 4. Aufl. § 15 Rn. 6). Ein solches Flächenverbot steht hier nicht in Rede. Es liegt nur dann vor, wenn jedwede Versammlung unabhängig von Anlass und Zeitpunkt an einem bestimmten Ort untersagt wird (Kniesel/Poscher in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, Rn. J 364). Hier beinhaltet die Allgemeinverfügung kein generelles Verbot zur Abhaltung von Versammlungen im Bereich der Zonen I oder II, sondern nur ein zeitlich beschränktes und auf einen bestimmten Anlass bezogenes generelles Verbot. Die Allgemeinverfügung verbietet nicht die Durchführung von Versammlungen zu den von den Antragstellern verfolgten Zwecken, beschränkt aber für einen bestimmten Zeitraum die Modalitäten der Durchführung solcher Versammlungen in örtlicher Hinsicht. Auf diese Weise wird das Recht zur Bestimmung des Orts einer Versammlung beschränkt.

35

Entgegen der Ansicht der Antragsteller steht der Allgemeinverfügung nicht entgegen, dass es sich nicht um eine Verfügung im Sinne von § 35 S. 2 zweite oder dritte Alternative VwVfG M-V handelt. Nach der hier allein in Betracht kommenden ersten Alternative dieser Vorschrift ist eine Allgemeinverfügung ein Verwaltungsakt auch dann, wenn er sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet. Es ist anerkannt, dass eine solche Allgemeinverfügung, die sich an eine Vielzahl von Veranstaltern richtet, im Sinne von § 35 Satz 2 Alt. 1 VwVfG M-V als Verbot an alle, die es angeht, auf § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz gestützt werden kann. Voraussetzung hierfür ist ein nach objektiven Merkmalen bestimmbares Gesamtgeschehen (Dietel/Gintzel/Kniesel, a.a.O. § 15 Rn. 17; Hättrich: Versammlungsrecht in der kommunalen Praxis Rn. 208). Im vorliegenden Fall wird durch die Allgemeinverfügung – lediglich – das Selbstbestimmungsrecht der Veranstalter auf die Bestimmung des Orts der Versammlung tangiert, soweit es um Versammlungen im konkreten Zusammenhang mit dem so genannten G 8 – Gipfel geht.

36

b. Das durch die Antragsgegnerin verhängte Versammlungsverbot stellt für die von den Antragstellern angemeldete Versammlung ein Totalverbot dar. Als solches begegnet es keinen rechtlichen Bedenken.

37

Die grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit hat zum einen nur dann zurückzutreten, wenn eine Güterabwägung unter Berücksichtigung der Bedeutung des Freiheitsrechts ergibt, dass dies zum Schutz anderer gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist. Die behördliche Eingriffsbefugnis wird zum anderen dadurch begrenzt, dass Verbote und Auflösungen nur bei einer "unmittelbaren Gefährdung" der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung statthaft sind. Durch das Erfordernis der Unmittelbarkeit werden die Eingriffsvoraussetzungen stärker als im allgemeinen Polizeirecht eingeengt. Erforderlich ist im konkreten Fall jeweils eine Gefahrenprognose. Diese enthält zwar stets ein Wahrscheinlichkeitsurteil; dessen Grundlagen können und müssen aber ausgewiesen werden. Demgemäß bestimmt das Gesetz, dass es auf "erkennbaren Umständen" beruhen muss, also auf Tatsachen, Sachverhalten und sonstigen Einzelheiten; bloßer Verdacht oder Vermutungen können nicht ausreichen. Unter Berücksichtigung der grundlegenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde insbesondere bei Erlass eines vorbeugenden Verbotes keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen, zumal ihr bei irriger Einschätzung noch die Möglichkeit einer späteren Auflösung verbleibt. Insgesamt ist § 15 VersG jedenfalls dann mit Art 8 GG vereinbar, wenn bei seiner Auslegung und Anwendung sichergestellt bleibt, dass Verbote und Auflösungen nur zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und nur bei einer unmittelbaren, aus erkennbaren Umständen herleitbaren Gefährdung dieser Rechtsgüter erfolgen (BVerfG, B. v. 14.05.1985 – 1 BvR 233/81 u.a. –, BVerfGE 69, 315 <352>).

38

aa. In einem ersten Schritt sind die Rechtsgüter und deren Gewicht zu ermitteln, die mit dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit kollidieren.

39

Eines dieser Rechtsgüter sind die Beziehungen des Bundes zu auswärtigen Staaten. Deren Pflege ist gem. Art. 32 Abs. 1 GG Sache des Bundes. Wenn – wie hier – der Besuch ausländischer Staatsoberhäupter und Regierungschefs in der Bundesrepublik Deutschland nach der gerichtlich nicht zu überprüfenden Einschätzung der zuständigen Organe des Bundes der Wahrung der guten Beziehungen zu ausländischen Staaten dient, ist dieser gemäß Art. 32 GG verfassungsrechtlich geschützte Belang Teil der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (vgl. BVerfG 1. Senat 2. Kammer, B. v. 10.09.1987 – 1 BvR 1112/87 – NJW 1987, 3245; Rojahn in: von Münch/Kunig: Grundgesetzkommentar, 5. Aufl. Bd. II Art. 32 Rn. 28). Das Gewicht dieses Belanges kann nicht dadurch infrage gestellt oder gemindert werden, dass die Veranstalter der Versammlungen die Legitimität der Konferenz und deren Anliegen bezweifeln. Dies würde auf eine unzulässige politische Bewertung durch das Gericht hinauslaufen. Eine etwaige politische Einschätzung der Veranstalter können sie vielmehr im Rahmen der nach Art. 8 Abs. 1 GG garantierten Versammlungsfreiheit nach Maßgabe der oben dargelegten Abwägungsgrundsätze mit Wirkung für die Öffentlichkeit äußern. Soweit auswärtige Beziehungen durch Demonstrationen und Kundgebungen gegenüber fremden Staaten, die eine Duldung derartiger Vorgänge als unfreundlichen Akt empfinden, belastet werden, können daher die zuständigen Behörden – unter Beachtung von Art. 8 GG – eingreifen (Rojahn a.a.O.). Zu den relevanten außenpolitischen Gesichtspunkten zählt nach Auffassung des Senats auch die Frage der persönlichen Sicherheit der Staatsgäste. Eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit im Hinblick auf den Ort einer Veranstaltung ist daher im vorliegenden Zusammenhang nicht erst dann gerechtfertigt, wenn die konkrete Gefahr für Leib oder Leben eines der Staatsgäste oder der Delegationen dargelegt ist. Vielmehr darf die Antragsgegnerin grundsätzlich davon ausgehen, dass es im außenpolitischen Interesse liegt, wenn Gefahren bereits im Vorfeld einer konkreten Gefährdung nach Möglichkeit abgewendet werden. Insoweit verweist die Allgemeinverfügung in ihrer Begründung S. 3 unter II. 1 Abs. 1 rechtlich unangreifbar auch auf das Ansehen der Bundesrepublik, die als Gastgeberstaat für den Schutz der Staatsgäste verantwortlich ist. Wie die Vertreter der Antragsgegnerin im Erörterungstermin dargelegt haben, legen die Mitglieder der Delegationen größten Wert darauf, dass die Zone I ein uneingeschränktes Sicherheitsfeld darstellt und sich dort nur überprüfte Personen aufhalten dürfen.

40

Als weiteres Rechtsgut ist das in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verankerte Recht auf körperliche Unversehrtheit zu berücksichtigen. Unmittelbar verfassungsgeboten ist danach auch die Gefahrenvorsorge durch Rechtsetzung und weitere Maßnahmen staatlicher Steuerung (vgl. Kunig in Münch/Kunig, a.a.O., Bd. I Art. 2 Rn. 68). Diese lassen vorliegend für die in der Zone I anwesenden Personen (neben den Staatsgästen etwa deren Delegationsmitglieder, Sicherheits- und Servicepersonal und nicht zuletzt die Einwohner von H) eine ausreichende Vorsorge gegenüber gewalttätigen Übergriffen wie auch das Vorhalten ausreichender Rettungs- und medizinischen Versorgungsmöglichkeiten, wie sie dem unter unter 4. näher dargelegten Sicherheitskonzept der Antragsgegnerin zugrunde liegen, für erforderlich erscheinen.

41

Auf der anderen Seite ist das Gewicht des Grundrechtes aus Art. 8 Abs. 1 GG einzustellen. Art. 8 GG schützt allerdings ein Selbstbestimmungsrecht über die Art der kommunikativen Äußerung nicht, soweit durch sie Rechtsgüter anderer beeinträchtigt werden. Diese Beschränkung betrifft auch die Verwirklichung des von Art. 5 und 8 GG grundsätzlich miterfassten Anliegens, mit der Äußerung Aufmerksamkeit bei Anwesenden (und in den Medien) zu erzielen (vgl. BVerfG, 1. Senat 1. Kammer, B. v. 26.03.2001, a.a.O.). Die Versammlungsfreiheit ist als wesentliches Element der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung geschützt (vgl. BVerfG, B. v. 14.05.1985 – 1 BvR 233/81 u.a. –, BVerfGE 69, 315) und kann grundsätzlich nicht für die Durchsetzung einer unmittelbaren persönlichen Meinungsäußerung gegenüber dem politischen Gegner herangezogen werden.

42

Bei der Gewichtung der Interessen der Veranstaltung von Versammlungen ist in diesem Zusammenhang folgendes zu berücksichtigen: Es ist nicht von vornherein unverhältnismäßig zu verhindern, dass Demonstranten in emotionalisierende Nähe eines politischen Besuchers gelangen. Die Verlagerung von Demonstrationen in einen Bereich außerhalb der eigentlichen Sicht- und Hörweite, in dem der Staatsbesuch stattfindet, berührt das Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG jedenfalls dann nicht, wenn der kommunikative Zweck der Versammlung, der sich an die Öffentlichkeit richtet, nicht verfehlt oder auch erheblich beeinträchtigt wird (vgl. BVerfG, 1. Senat 1. Kammer, B. v. 26.03.2001 a.a.O).

43

bb. Zwischen den Belangen, das heißt den so umschriebenen außenpolitischen Interessen, dem Recht auf körperliche Unversehrtheit und dem ebenfalls fundamentalen Grundrecht der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 GG ist auch im konkreten Fall eine praktische Konkordanz herzustellen. Daraus ergibt sich, dass die Berufung auf Art. 8 Abs. 1 GG nur solange zulässig ist, als die Staatsveranstaltung in ihrer Durchführung nicht wesentlich beeinträchtigt wird (Kniesel in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts 3. Aufl. Kap. H Rn. 18). Dies wiederum setzt eine Prognose voraus, ob bestimmte Ereignisse eintreten können und diese geeignet sind, die Durchführung der Staatsveranstaltung wesentlich zu beeinträchtigen. Damit ist zugleich gesagt, dass ein gänzliches Zurücktreten der Demonstrationsfreiheit verfassungsrechtlich unzulässig ist.

44

cc. Die von der Antragsgegnerin dargelegten abstrakten Gefahren für die Staatsgäste sind für den Senat im Bereich der Zone I nachvollziehbar. Bei dem oben angeführten allgemeinen Interesse der Bundesrepublik Deutschland kommt es hierbei nicht darauf an, ob insoweit konkrete Gefahren nachweisbar sind. Aus den Darlegungen der Antragsgegnerin in der angefochtenen Allgemeinverfügung wie auch aus den Darlegungen im Erörterungstermin vor dem Senat ergeben sich hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass im Interesse der Sicherheit der Staatsgäste der Raum innerhalb des bereits errichteten Zauns zunächst einmal von einer großen Anzahl von Demonstranten freigehalten werden muss. Die Antragsgegnerin hat schlüssig dargelegt, dass die Sicherheit der Staatsgäste nicht zu gewährleisten ist, wenn eine große Anzahl von Demonstrationsteilnehmern in die Nähe des Veranstaltungsortes kommen kann, ohne dass die Polizei in der Lage ist, Personenkontrollen vorzunehmen. Dies räumen die Antragsteller in ihrer Beschwerdeschrift im übrigen ausdrücklich ein.

45

c. Soweit die Antragsteller in der Beschwerdeschrift nunmehr geltend machen, es müsse ermöglicht werden, dass ein kleiner Kreis von Demonstrationsteilnehmern (im dreistelligen Bereich) in die Nähe des Versammlungsortes gelangen dürfe, um dort ihr Anliegen in einer Versammlung geltend zu machen, erscheint dies nach der dargelegten Sicherheitslage nur dann vertretbar, wenn die Antragsgegnerin in der Lage wäre, zuvor hinreichende Personenkontrollen vorzunehmen. Zudem müsste innerhalb der Zone I innerhalb einer festgelegten Entfernung zum eigentlichen Veranstaltungsort ein Platz für die Durchführung der Versammlung zur Verfügung stehen. Dies ist für die von den Antragstellern angestrebte Zahl von 600 Teilnehmern weder dargelegt noch sonst ersichtlich.

46

Ungeachtet dessen haben die Vertreter der Antragsgegnerin im Erörterungstermin gegen die Durchführung einer derartigen Versammlungen für den Senat nachvollziehbar deutlich gemacht, dass die Mitglieder der Delegationen größten Wert auf die Einhaltung eines uneingeschränkten Sicherheitsfeldes in der Zone I legen. Dem Senat ist bekannt, dass von nicht mehr zuzuordnenden Bewegungen in unmittelbarer Nähe insbesondere des amerikanischen Präsidenten die Gefahr von Missverständnissen und damit der Gefährdung von Personen ausgehen kann. Der Ablauf der Veranstaltung des Staates wäre ersichtlich gefährdet, wenn sich Demonstranten auf Grund der räumlichen Verhältnisse so nahe insbesondere in der Nähe des amerikanischen Präsidenten aufhalten könnten, so dass dieser angesichts der Gefährdungsstufe 1 objektiv Anlass hätte, um seine Sicherheit besorgt zu sein (vgl. Senatsbeschluss vom 12.07.2006 – 3 M 74/06 –).

47

Es ist im übrigen nicht unverhältnismäßig zu verhindern, dass Demonstranten in emotionalisierende Nähe eines politischen Besuchers gelangen. Der von dem Antragstellern angestrebte besondere Beachtungserfolg, der eine Versammlung unmittelbar in Sichtweite der Staatsgäste bewirkt, ist verfassungsrechtlich nicht gewährleistet (vgl. BVerfG 1. Senat 2. Kammer, B. v. 10.09.1987 – a.a.O.). Die Verlagerung von Demonstrationen in einen Bereich außerhalb der eigentlichen Sicht- und Hörweite, in dem der Staatsbesuch stattfindet, führt im übrigen nicht dazu, dass der kommunikative Zweck der Versammlung, der sich an die Öffentlichkeit richtet, verfehlt oder auch nur erheblich beeinträchtigt wird. Es ist Veranstaltern einer Versammlung somit zumutbar, bei deren Planung auf den in der Allgemeinverfügung beschriebenen Bereich Rücksicht zu nehmen.

48

Der Verweis der Versammlung auf einen anderen als den durch die Verfügungen festgelegten Verbotsbereich erscheint im vorliegenden Fall selbst unter Berücksichtigung der von den Antragstellern angeführten angeblich mangelhaften Kooperationsbereitschaft der Antragsgegnerin als zumutbar. Die Antragsteller haben die Versammlung zwar bereits am 30.10.2006 unter dem Vorbehalt der Präzisierung bezüglich Strecken, Zwischenkundgebungen und Zeitpunkten angemeldet. Diese Präzisierung erfolgte nach schriftlicher Aufforderung der Antragsgegnerin vom 06.03.2007 mit Schreiben des Antragstellers zu 1. vom 25.04.2007, der zu einem Kooperationsgespräch am 03.05.2007 einlud, welches dann am 10.05.2007 stattfand. Das mit den angefochtenen Verfügungen erlassene Versammlungsverbot erweist sich für die Antragsteller und die von ihnen angemeldete Versammlung aber deshalb nicht als unzumutbar, weil das Sicherheitskonzept der Antragsgegnerin mit der technischen Sperre und den zwei Zonen bereits am 21.09.2006 und damit vor der Anmeldung durch die Antragsteller vorgestellt worden war und dies von dem Dissentnetzwerk , mit dem das Sternmarschbündnis seine Versammlung koordiniert hat, ausweislich einer Internetmeldung (vgl. http://de.indymedia.org/2006/09/157630) auch zur Kenntnis genommen worden war.

49

4. Entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts rechtfertigt die besondere Situation in der weiteren Umgebung von H nach Auffassung des Senats auch das für die Zone II verhängte Versammlungsverbot, jedenfalls soweit es die hilfsweise beantragte Versammlung der Antragsteller betrifft. Diese besondere Situation wird deutlich durch die Darstellung der örtlichen Gegebenheiten und dem zu erwartenden Protestgeschehen in der angefochtenen Allgemeinverfügung, den Ausführungen in der Beschwerdebegründung und das im Erörterungstermin mit Bildern untersetzte näher dargelegte Sicherheitskonzept der Antragsgegnerin.

50

a. Ausgehend von dem oben unter 3. als rechtmäßig erachteten Versammlungsverbot für die Zone I kann die ursprüngliche Form der von den Antragstellern angemeldeten Versammlung nicht mehr durchgeführt werden. Mit dem Wegfall von H als dem Ort des Zusammentreffens der "Strahlen" des Sternmarsches bleiben lediglich einzelne Teilmärsche ohne gemeinsamen Ausgangs- bzw. Endpunkt. Diese "Restmärsche" sind damit vergleichbar mit den im Kooperationsgespräch vom 10.05.2007 von der Antragsgegnerin vorgeschlagenen Ersatzstrecken, so dass sich das Versammlungsverbot für die Zone II bezogen auf die Versammlung der Antragsteller (lediglich) auf den Versammlungsort auswirkt.

51

b. Das von der Versammlungsfreiheit miterfasste Bestimmungsrecht von Ort und Zeit von Versammlungen erlaubt es dem Veranstalter, eigenständig zu konkretisieren, wie er sein Versammlungsinteresse umsetzen möchte. Kollidiert sein Grundrecht der Versammlungsfreiheit mit anderen Rechtsgütern, steht ihm aber nicht auch ein Bestimmungsrecht darüber zu, wie gewichtig diese Rechtsgüter in die Abwägung einzubringen sind und wie die Interessenkollision rechtlich bewältigt werden kann. Insoweit bleibt ihm die Möglichkeit, seine Vorstellungen im Zuge von Kooperationsgesprächen mit der Verwaltungsbehörde in das Verfahren einzubringen. Dies ist vorliegend geschehen und es ist nicht erkennbar, dass die Versammlungsbehörde die Vorstellungen der Antragsteller nicht in ihre Erwägungen einbezogen hat. Die anschließende Abwägung, ob und wieweit gegenläufige Interessen die Einschränkung der Versammlungsfreiheit rechtfertigen, obliegt der Versammlungsbehörde und den mit der rechtlichen Überprüfung befassten Gerichten (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, B. v. 26.01.2001 – 1 BvQ 9/01 –; 26.03.2001 – 1 BvQ 15/01 – DVBl 2001, 797 = NJW 2001, 1411).

52

Die Allgemeinverfügung muss auf der Einschätzung aufbauen, die Durchführung von Versammlungen in dem von der Allgemeinverfügung erfassten Bereich führe zu unmittelbaren Gefährdungen beziehungsweise Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Die entsprechenden Schutzgüter müssen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Beschränkungen der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 2 GG rechtfertigen. Dabei ist auch hier zu berücksichtigen, dass die Allgemeinverfügung nicht die Durchführung von Versammlungen zu den von den Antragstellern verfolgten Zwecken verbietet, sie aber für einen bestimmten Zeitraum die Modalitäten der Durchführung solcher Versammlungen in örtlicher Hinsicht beschränkt.

53

c. Das Sicherheitskonzept der Antragsgegnerin geht zunächst von der technischen Sperre mit zwei Zugangsmöglichkeiten aus, die zum einen den Zugang für die Einwohner von Heiligendamm gewährleisten und zum anderen dem Zugang der Delegationen und des Zulieferverkehrs dienen. Die räumliche Ausdehnung der Zone II dient der Absicherung der Landesstraße L 12, neben der nur unzureichend befahrbare Wege zur Verfügung stehen. Der Zustand der neben der L 12 vorhandenen Straßen und Wege wird durch das von der Antragsgegnerin vorgelegte Bildmaterial belegt. Hieraus wird deutlich, dass diese Wege sowohl für die nach den Darlegungen der Antragsgegnerin erforderliche schnelle Verlegung von Polizeikräften zur Reaktion auf Versammlungsgeschehen als auch zur Vorhaltung von Rettungswegen für eine größere Zahl von Fahrzeugen und wegen der mangelnden Befahrbarkeit mit schwereren Fahrzeugen und höherer Geschwindigkeit ungeeignet erscheinen. Von daher ist es nicht zu beanstanden, wenn die räumliche Bemessung der Zone II sich an den außerhalb der technischen Sperre nächstgelegenen, für die genannten Zwecke geeigneten Straßenverbindungen orientiert. Die flächenmäßig erhebliche Ausdehnung der so festgelegten Zone II ist nachvollziehbar schlicht dem Umstand geschuldet, dass sich die entsprechenden Verbindungen erst in relativ großer Entfernung zur technischen Sperre befinden. In diesem Sinne rechtfertigen die topografischen Gegebenheiten um H die räumliche Festlegung der Zone II. Dazu kommen die polizeitaktischen Erwägungen der Antragsgegnerin, nach denen die Zone II auch deshalb erforderlich ist, um ein Ausbrechen von Versammlungsteilnehmern in Richtung der technischen Sperre und ein Herandrängen der Polizeikräfte an diese zu verhindern.

54

Soweit die Antragsteller diesem Sicherheitskonzept entgegenhalten, dass es der permanenten Freihaltung der Zufahrtsstraßen und -wege in der Zone II nicht bedürfe und die Durchführung der Versammlung etwa bei Freihaltung der L 12 als Rettungs- und Verbindungsweg möglich sei, trägt dies dem Sicherheitskonzept der Antragsgegnerin nicht hinreichend Rechnung. So muss dieses etwa auch dem Verlangen von Sicherheitskräften ausländischer Staatsgäste nach mindesten zwei alternativen Rettungswegen nachkommen, wenn dieses Verlangen – wie hier – jedenfalls erkennbar nicht der Verhinderung von Demonstrationen dient sondern begründeten Sicherheitsbelangen Rechnung trägt.

55

Zu berücksichtigen ist auch die – wenn nach Angaben der Antragsteller auch nicht beabsichtigte – rein faktische Blockadewirkung von Versammlungsmärschen bei der beschriebenen topografischen Situation. Wie die Ausführungen der Antragsgegnerin in der Beschwerdebegründung zu den vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss genannten vier Routen und auch die Erörterung alternativer Versammlungsrouten im Erörterungstermin gezeigt hat, fehlt es innerhalb der Zone II an für die erwartete Teilnehmerzahl von insgesamt 8.000 - 11.000 ausreichenden Straßen, Wegen und öffentlichen Flächen, die etwa eine Abschlusskundgebung oder auch nur den geordneten An- und Abmarsch der Teilnehmer und das Wenden der Lautsprecherwagen ermöglichen, ohne dass das Sicherheitskonzept der Antragsgegnerin nachhaltig in Frage gestellt wäre. Zwar sind mit der Ausübung des Versammlungsrechts häufig unvermeidbar gewisse nötigende Wirkungen in Gestalt von Behinderungen Dritter verbunden. Derartige Behinderungen Dritter und Zwangswirkungen sind durch Art. 8 GG (nur) gerechtfertigt, soweit sie als sozial-adäquate Nebenfolge mit rechtmäßigen Demonstrationen verbunden sind und sich durch zumutbare Auflagen nicht vermeiden lassen (BVerfG, U. v. 11.11.1986 – 1 BvR 713/83 u.a. –, BVerfGE 73, 206 <250>). Eine Versammlung, die eine unerwünschte Tätigkeit durch eine Blockade der Verkehrswege verhindern will, ist in der Realisierung der Blockade nicht durch Art. 8 GG geschützt (Hoffmann-Riem in AK-GG, Art. 8 Rn. 55 m.w.N.). Die objektive Blockadewirkung der beantragten Demonstrationszüge erscheint vorliegend deshalb nicht als reine sozial-adäquate Nebenfolge im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, weil die einer Versammlung zuzusprechende öffentliche Beachtungswirkung im vorliegenden Fall nicht zwingend mit den beantragten Demonstrationszügen verbunden ist. Eine gleichwertige Beachtungswirkung könnte auch durch eine stationäre Veranstaltung oder einen Demonstrationsmarsch in der näheren Umgebung bewirkt werden. Dies gilt hier insbesondere deshalb, weil sich das wesentliche Element des Zusammentreffens des Sternmarsches in der Zone I nach obigen Ausführungen nicht verwirklichen läßt. Ein solcher Verweis auf eine andere Versammlungsform ist mit Art. 8 GG jedenfalls dann vereinbar, wenn diese nicht aus inhaltlichen Gründen des Demonstrationsanliegens gewählt ist, so das etwa durch einen Wechsel des Ortes kein schwerer Nachteil entstehen kann (vgl. BVerfG, B. v. 02.12.2005 – 1 BvQ 35/05 –, EuGRZ 2006, 303). Vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit ist nur ein Verhalten erfasst, das die Meinungsbildung in der betreffenden Angelegenheit ermöglichen soll, nicht etwa die unmittelbare Durchsetzung des von den Versammlungsteilnehmern eingenommenen Standpunktes selbst (Hoffmann-Riem, a.a.O.).

56

Entsteht eine derartige faktische Blockadewirkung bereits durch eine friedlich verlaufende Versammlung, kommt es entscheidungserheblich nicht darauf an, ob die Blockadewirkung beabsichtigt und wem die daraus resultierende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit möglicherweise zuzurechnen ist.

57

Da sich das in der Allgemeinverfügung auch für die Zone II verfügte Versammlungsverbot als rechtmäßig erweist, bedarf es auch keiner weiteren Ausführungen zum dem innerhalb dieser Zone liegenden 200 m – Streifen vor der technischen Sperre und der Frage, wie weit die Demonstrationszüge an diese heranreichen dürfen. Gleichfalls sind weitergehende Ausführungen zu den vom Verwaltungsgericht dargelegten, in der Zone II befindlichen Alternativrouten nicht erforderlich.

58

Diese Erwägungen gelten gleichermaßen für die angefochtene Verbotsverfügung vom 16.05.2007.

59

5. Die unter Ziff. 2. des Beschlusstenors verfügte Maßgabe der Durchführung der Versammlung der Antragsteller ist zur Umsetzung des oben dargestellten Sicherheitskonzepts erforderlich und erweist sich in Bezug auf die von den Antragstellern angemeldete Versammlung auch als das mildeste Mittel. Die im Kooperationsgespräch vom 10.05.2007 von der Versammlungsbehörde vorgeschlagenen Ersatzstrecken außerhalb der Zone II würden ohne vergleichbar erhebliche Gefährdung der oben dargestellten Belange eine ähnliche, jedenfalls ausreichende mediale Wirkung im Sinne eines Beachtungserfolges entfalten, soweit es die hilfsweise beantragten Ersatzrouten in der Zone II betrifft. Da die Antragsteller Alternativrouten oder stationäre Versammlungen außerhalb der Zone II nach der Erklärung ihrer Bevollmächtigten im Erörterungstermin indes ablehnen, braucht der Senat dem nicht weiter nachzugehen (vgl. OVG Hamburg, B. v. 26.05.2007 – 4 Bs 130/07 –) und kann die nähere Beauflagung der mit den Örtlichkeiten vertrauten Versammlungsbehörde überlassen.

60

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.

61

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 51/12
vom
26. April 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. April
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt in der Verhandlung,
Staatsanwalt bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten zu 1.,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten zu 2.,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten zu 3.,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin der Angeklagten zu 4.,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Stendal vom 6. Oktober 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen verurteilt; bei den Angeklagten P. , W. und S. hat es die Vollstreckung der Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt. Mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen beanstandet die Staatsanwaltschaft mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts insbesondere die Verneinung der Tatvarianten des § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils saßen die Angeklagten mit B. am Abend des 6. April 2011 in der Wohnung der Angeklagten S. in G. zusammen. Der Angeklagte W. ärgerte sich über früheres Verhalten B. und entschloss sich gegen 23.15 Uhr, B. einen „Denkzettel“ zu verpassen. Er versetzte B. unvermittelt sechs oder sieben Faustschläge gegen Kopf und Oberkörper, warf eine halbgefüllte Bierflasche nach ihm, die B. verfehlte und an der Wand zerschellte und versetzte ihm zwei weitere Faustschläge gegen den Kopf. Die Angeklagte S. äußerte sich lautstark beifällig zu dem Geschehen. Angestachelt dadurch kamen alle vier Angeklagten stillschweigend überein, den „Denkzettel“ für B. zu intensivieren und ihm weitere Verletzungen zuzufü- gen.
3
Die Angeklagte S. versetzte B. eine Ohrfeige. Der Angeklagte P. schlug und stieß ihn mehrfach mit Fäusten und seinem Knie. Der Angeklagte W. schlug zweimal peitschenartig mit einer Hundeleine aus Nylongewebe zu, so dass B. von dem metallenen Karabinerhaken am Ende der Leine an Kopf und Rücken getroffen wurde. Der Angeklagte M. versetzte B. mehrere Faustschläge gegen den Kopf. B. rutschte infolgedessen vom Sofa. Die Angeklagte S. , die ihm gegenüber saß, stießihn mit der Ferse gegen die linke Gesichtshälfte. Auf ihre Aufforderung versuchte der völlig eingeschüchterte B. , sein auf Sofa und Fußboden getropftes Blut mit einem Handtuch aufzuwischen. Unter weiteren Beschimpfungen schlug ihm die Angeklagte S. eine gefüllte Bierflasche auf den Kopf. Der Angeklagte P. versetzte ihm mehrere Schläge, und der Angeklagte M. trat ihm mehrmals gegen den Kopf.
4
Der Angeklagte P. zog nun die Angeklagten M. und S. von B. weg und half ihm aufzustehen. B. begab sich ins Bad, wo ersich das Blut abwusch und um 23.55 Uhr per Handy die Polizei zur Hilfe rief. Als B. zurück ins Wohnzimmer ging, wurde er vom Angeklagten M. , der sich Quarzhandschuhe angezogen hatte, zweimal mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Gegen Mitternacht klingelten Polizeibeamte an der Wohnungstür. Aus Verärgerung stieß die Angeklagte S. B. heftig gegen eine Schrankwand. Sein Kopf prallte gegen die Schrankwand und schlug dann auf dem Boden auf. Er blieb auf dem Boden liegen und gab schnarchartige Geräusche von sich. Nach dem Eintreffen von Verstärkung verschafften sich die Polizeibeamten um 0.55 Uhr Zutritt zu der Wohnung, wo sie B. bewusstlos vorfanden und sofort Rettungsmaßnahmen einleiteten. B. erlitt durch die Tat eine ausgedehnte Blutung unter der Hirnhaut, einen Bruch der linken Augenhöhle , einen Rippenbruch und Hautunterblutungen im Gesicht und am Oberkörper. Im Universitätsklinikum H. wurde im Wege einer Notoperation die Schädeldecke eröffnet, um die Blutung unter der Hirnhaut zu entleeren. Ohne ärztliche Hilfe wäre es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer irreparablen Hirnschädigung, möglicherweise sogar zum Tod gekommen.
5
Das Landgericht hat alle Angeklagten einer gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB für schuldig befunden, die Angeklagten W. und S. darüber hinaus der gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB wegen der Verwendung der Hundeleine und der gefüllten Bierflasche. Die Verwendung dieser Gegenstände hat es den jeweils anderen Mitangeklagten nicht zugerechnet, weil dies vom gemeinsamen Tatentschluss nicht umfasst gewesen sei, es sich mithin um Exzesshandlungen einzelner Angeklagter gehandelt habe. Zu Gunsten des Angeklagten M. ist es davon ausgegangen, dass die - nicht sichergestellten - Quarzhandschuhe lediglich dem Passivschutz des Trägers dienten und deshalb nicht als gefährliches Werkzeug im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB anzusehen seien. Auch eine gefährliche Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB hat das Landgericht nicht festgestellt. Jeder der Angeklagten habe unwiderlegbar angegeben, die eigenen Tritte und Schläge nicht besonders kraftvoll ausgeführt und diejenigen der Mittäter nicht ununterbrochen beobachtet zu haben. Diejenigen Tathandlungen, die sie beobachtet hätten, hätten sie nicht als lebensgefährdend eingeschätzt. Aus diesen Erwägungen hat das Landgericht auch bei keinem der Angeklagten einen Tötungsvorsatz festgestellt.

II.


6
1. Die vom Landgericht zu § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB und zur subjektiven Tatseite des § 212 StGB getroffenen Feststellungen beruhen allein auf den Einlassungen der Angeklagten, die das Landgericht als glaubhaft angesehen hat. Diese Bewertung hält der sachlich-rechtlichen Prüfung nicht stand.
7
Entlastende Angaben eines Angeklagten, für die keine zureichenden Anhaltspunkte bestehen und deren Wahrheitsgehalt fraglich ist, darf der Tatrichter nicht ohne weiteres seiner Entscheidung zugrunde legen, nur weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Beweise gibt. Die Zurückweisung einer Einlassung erfordert auch nicht, dass sich ihr Gegenteil positiv feststellen lässt. Vielmehr muss sich der Tatrichter aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme seine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Einlassung bilden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 16. August 1995 - 2 StR 94/95, BGHR StPO § 261 Einlassung 6; Beschluss vom 25. April 2007 - 1 StR 159/07, BGHSt 51, 324, 325; Urteil vom 14. Januar 2009 - 1 StR 158/08, BGHSt 53, 145, 163 Rn. 51). Dies gilt umso mehr, wenn objektive Beweisanzeichen festgestellt sind, die mit Gewicht gegen die Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten sprechen.
8
Die danach gebotene Gesamtwürdigung hat das Landgericht nicht vor- genommen. Die von ihm als „nachvollziehbar“ bezeichnete Darstellung aller Angeklagten, die Tätlichkeiten der jeweiligen Mittäter nicht ununterbrochen beobachtet zu haben, widerspricht dem Umstand, dass die Mitangeklagten nach den Urteilsausführungen die Tatbeiträge der Angeklagten S. stimmig übereinstimmend geschildert haben, worauf insoweit die Feststellungen auch beruhen. Im Übrigen hat der unbeteiligte Zeuge K. Pe. die Tatbeiträge der Angeklagten und die Reihenfolge der einzelnen Übergriffe glaubhaft bekundet. Dass Mitangeklagte, die sich in demselben Raum aufhielten, durch Fernseher oder Telefonate so vom Tatgeschehen abgelenkt wurden, dass sie anders als der Zeuge Verletzungshandlungen durch Mittäter nicht bemerkten, liegt nicht nahe und hätte vom Landgericht näher begründet werden müssen.
9
Das Landgericht hätte auch die Einlassung der Angeklagten, sie selbst hätten jeweils nicht kraftvoll zugeschlagen und die beobachteten Tathandlungen der Mittäter nicht für lebensgefährdend gehalten, einer näheren Prüfung unterziehen müssen. Das Tatopfer B. wurde mit einer gefüllten Bierflasche auf den Kopf geschlagen und gegen den Kopf getreten. Jedenfalls den Schlag der Angeklagten S. mit der Bierflasche haben die Mitangeklagten gesehen. Dass eine derartige Behandlung, wie auch Tritte gegen den Kopf, generell potentiell lebensgefährdend ist (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 224 Rn. 12b mwN), ist allgemein bekannt. Für die Massivität der Verletzungshandlungen insgesamt sprechen hier bereits die Knochenbrüche des Opfers. Darauf, dass B. dennoch weiter ansprechbar und handlungsfähig war, eine konkrete Lebensgefahr mithin möglicherweise noch nicht eingetreten war, kommt es nicht an (vgl. Fischer aaO Rn. 12 mwN).
10
Das Landgericht hat aus denselben fehlerhaften Erwägungen heraus auch einen Tötungsvorsatz der Angeklagten verneint. Aus diesem Grunde führt der Rechtsfehler zur Aufhebung des Schuldspruchs insgesamt.
11
2. Auch der vom Landgericht mit einer pauschalen Begründung bejahte Mittäterexzess der Angeklagten W. und S. in Bezug auf § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar kann einem Mittäter das Handeln eines anderen Mittäters, das über das gemeinsam Gewollte hinausgeht, nicht zugerechnet werden (BGH, Urteil vom 25. Juli 1989 - 1 StR 479/88, BGHSt 36, 231, 234; Fischer aaO § 25 Rn. 20 mwN). Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Zurechnung keine ins Einzelne gehende Vorstellung von den Handlungen des anderen Tatbeteiligten erfordert. Regelmäßig werden die Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Falles gerechnet werden musste, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er sie sich nicht besonders vorgestellt hat (BGH, Urteil vom 1. September 1999 - 2 StR 94/99, NStZ 2000, 29 f.; BGH, Urteil vom 15. September 2004 - 2 StR 242/04, NStZ 2005, 261 f.). Dasselbe gilt, wenn ihm die Handlungsweise des Mittäters gleichgültig ist (BGH, Urteil vom 27. Mai 1998 - 3 StR 66/98, NStZ 1998, 511 f.; BGH, Urteil vom 28. Oktober 2009 - 1 StR 205/09 Rn. 101).
12
Alle vier Angeklagten entschlossen sich hier, den „Denkzettel“ zu intensivieren , nachdem bereits der Angeklagte W. mit einer teilweise gefüllten Bierflasche nach B. geworfen hatte. Dies kann ein Indiz dafür sein, dass sie mit der Verwendung vorgefundener Gegenstände gegen B. einverstanden waren oder ihnen dies zumindest gleichgültig war. Alle haben auch weiter selbst auf B. eingeschlagen, nachdem ihn W. mit der Hundeleine geschlagen hatte, ohne sich von dem Werkzeugeinsatz zu distanzieren. Auf der Grundlage der Feststellungen liegt die Annahme eines Mittäterexzesses daher eher fern. Jedenfalls hätten seine Bejahung näherer Begründung und der Ausschluss einer vom Schwurgericht nicht angesprochenen sukzessiven Mittäterschaft der Erörterung bedurft.
13
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
14
a) Quarzhandschuhe sind in der Regel gefährliche Werkzeuge im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Ein gefährliches Werkzeug ist ein solches, das nach seiner objektiven Beschaffenheit geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen auszuführen. Eingenähter Sand in Handschuhen verstärkt deren Schlagwirkung und hat eine solche Wirkung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. September 1997 - 4 StR 438/97 und vom 10. Januar 2011 - 5 StR 515/10, NStZ-RR 2011, 111 f.; vgl. auch Urteil vom 13. Januar 2005 - 4 StR 469/04 zu mit Plastik verstärkten Bikerhandschuhen).
15
b) Der neue Tatrichter wird auch zu klären haben, ob das von den Angeklagten S. und M. bei ihren Tritten gegen den Kopf des Opfers getragene Schuhwerk als gefährliches Werkzeug zu bewerten ist (vgl. dazu BGH, Urteil vom 15. September 2010 - 2 StR 395/10).
16
c) Der Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB setzt einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftaten verursachten Folgen gerichtet sein muss; das einseitige Wiedergutmachungsbestreben ohne den Versuch einer Einbeziehung des Opfers genügt nicht. Regelmäßig sind dazu Feststellungen erforderlich, wie sich das Opfer zu den Bemühungen des Täters gestellt hat und wie sicher die Erfüllung der über den bisher gezahlten Betrag hinausgehenden weiteren Schmerzensgeldzahlungsverpflichtung ist (vgl. BGH, Urteile vom 27. August 2002 - 1 StR 204/02, BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 6, und vom 9. September 2004 - 4 StR 199/04). Ein erfolgreicher Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne von § 46a Nr. 1 StGB setzt grundsätzlich voraus, dass das Opfer die erbrachten Leistungen oder Bemühungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert. Dagegen könnte hier sprechen, dass eine Vereinbarung über den Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch nicht getroffen war und der Angeklagte P. die 200 € - die angesichts der schweren Verletzungen des Tatopfers zum Ausgleich des immateriellen Schadens völlig unzureichend sind - bei seiner Verteidigerin hinterlegt hat.
Ernemann Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

Tenor

1. Die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 15. Oktober 2010 - 3 L 1556/10 - und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 15. Oktober 2010 - 3 B 307/10 - verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 8 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Kostenentscheidungen der Beschlüsse werden aufgehoben. Das Verfahren wird insoweit an das Sächsische Oberverwaltungsgericht zur erneuten Entscheidung über die Kosten des Verfahrens zurückverwiesen.

3. ...

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die verwaltungsgerichtliche Versagung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine versammlungsrechtliche Auflage.

I.

2

1. Die Beschwerdeführer meldeten Anfang September 2010 bei der Stadt L. ihr Vorhaben an, am 16. Oktober 2010 (von 12.00 Uhr bis 20.00 Uhr) in L. eine Versammlung unter freiem Himmel durchzuführen. Die geplante Versammlung sollte aus drei Aufzügen und einer Abschlusskundgebung in der Innenstadt von L. bestehen. Die Teilnehmerzahl wurde von den Beschwerdeführern bei der Anmeldung auf 600 Personen geschätzt. Das Motto der geplanten Versammlung lautete "Recht auf Zukunft". Es bezog sich auf eine am 17. Oktober 2009 in L. von der Beschwerdeführerin zu 4), einer Unterorganisation der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), veranstaltete Versammlung, bei der es im Zusammenhang mit einer Versammlungsblockade durch Gegendemonstranten zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und letztlich zu einer polizeilichen Auflösung der Versammlung kam.

3

Angesichts dieser Vorgeschichte und der Anmeldung von zahlreichen Gegendemonstrationen kam es zwischen der Anmeldung und der Durchführung der geplanten Versammlung zu umfangreichen Verhandlungen zwischen den Beschwerdeführern und der Stadt L., die unter anderem in Kooperationsgesprächen am 4., am 6. und am 13. Oktober 2010 eingehend die polizeilich sicherbare Anzahl der geplanten Aufzüge und die konkrete Streckenführung erörterten. In einer Gefährdungsanalyse am 4. Oktober 2010 bekundete die Polizeidirektion L. dabei laut den tatsächlichen Feststellungen des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, dass der Schutz von zwei der angemeldeten Aufzüge mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften gewährleistet werden könne. Am 11. Oktober 2010 teilte der Beschwerdeführer zu 1) der Stadt schließlich mit, dass am 16. Oktober 2010 nunmehr lediglich ein einziger Aufzug stattfinden solle. Am 12. Oktober 2010 ergänzte die Polizeidirektion L. ihre Gefahrprognose insofern, dass nunmehr nur eine maximal vierstündige stationäre Kundgebung durchführbar sei, weil nach den Erfahrungen des Versammlungsgeschehens vom 17. Oktober 2009 mit einer höheren als der angemeldeten Teilnehmerzahl zu rechnen sei und jeweils ca. 10 bis 20 % der Teilnehmer der angemeldeten Demonstration und der Gegendemonstrationen als gewaltbereit einzustufen seien.

4

2. Mit Bescheid vom 13. Oktober 2010 untersagte die Stadt L. die Durchführung der Versammlung als Aufzug, verfügte die Durchführung als stationäre Kundgebung in der Zeit von 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr in einem Bereich am L. Hauptbahnhof und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Auflage an. Die Polizeidirektion L. habe in ihrer Gefahrprognose vom 12. Oktober 2010 dargelegt, dass im Zeitraum vom 15. bis zum 17. Oktober 2010 aufgrund von zahlreichen Versammlungsanmeldungen widerstreitender politischer Lager eine latente Gefährdungssituation vorhanden sei, die einen außerordentlich hohen Kräfteeinsatz der Polizei erfordere. Es sei davon auszugehen, dass sich die Teilnehmer der Aufzüge bei Angriffen durch Personen der linksextremistischen Klientel provozieren ließen und darauf entsprechend reagierten. Die Polizei habe glaubhaft dargelegt, dass sie kräftetechnisch außerstande sei, einen Aufzug zu begleiten, da trotz bundesweiter Anfragen nur 29 der für erforderlich gehaltenen 44 Polizeihundertschaften, also nur 66 % der geplanten Polizeikräfte, zur Verfügung stünden. Die Ausübung der Versammlungsfreiheit werde trotz der Beschränkungen nicht vereitelt, da der zugewiesene Ort eine hinreichende Öffentlichkeitswirksamkeit und eine räumliche Trennung der gegensätzlichen politischen Lager gewährleiste.

5

3. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer noch am gleichen Tag Widerspruch und stellten beim Verwaltungsgericht Leipzig die Anträge, die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die Auflage, nur eine stationäre Kundgebung durchzuführen, wiederherzustellen sowie im Wege einer einstweiligen Anordnung ein Verbot sämtlicher Versammlungen in einem Umkreis von 300 m um die angemeldeten Aufzugstrecken anzuordnen. Das Verwaltungsgericht Leipzig lehnte die Eilanträge mit Beschluss vom 15. Oktober 2010 ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Bescheid vom 13. Oktober 2010 rechtmäßig sei und somit das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des Bescheids die Interessen der Beschwerdeführer überwiege. Die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens, die Stadt L., sei auf der Grundlage der Einschätzung der Polizeidirektion L. nachvollziehbar davon ausgegangen, dass infolge zahlreicher Gegenaktionen und -demonstrationen bei Durchführung des im Zuge der Kooperation der Beschwerdeführer zuletzt noch geplanten einzigen Aufzuges eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bestehe. Bei der Vielzahl der angemeldeten und geplanten Veranstaltungen am 16.10.2010, unter anderem ein Fußballspiel, und in Anbetracht der beschriebenen begrenzten Kräftelage der Polizei sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit einhergehenden Personen- und Sachschäden zu rechnen, denen nur mit der Beschränkung auf eine stationäre Kundgebung begegnet werden könne. Dieser Gefahr könne in Anbetracht der besonderen Veranstaltungssituation am 16. Oktober 2010 auch nicht durch Maßnahmen gegen potentielle Störer begegnet werden.

6

4. Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts legten die Beschwerdeführer Beschwerde ein. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Beschluss vom 15. Oktober 2010 zurück. Ob ein polizeilicher Notstand vorliege, sei im Rahmen der summarischen Prüfung nicht abschließend zu beurteilen. Der Einschätzung der Polizeidirektion lasse sich entnehmen, dass aufgrund des Versammlungsgeschehens im Vorjahr mit gewalttätigen Auseinandersetzungen einer Anzahl von 10 bis 20 % der Teilnehmer sowohl auf Seiten der Beschwerdeführer wie auf Seiten linker Demonstranten gerechnet werde. Zwar erschließe sich dem Gericht nicht, wodurch sich das Gefährdungspotential innerhalb kurzer Zeit so erhöht haben solle, dass statt der zwei Aufzüge, die die Polizeidirektion ursprünglich noch mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften für sicherbar gehalten habe, nunmehr nur noch eine stationäre Kundgebung möglich sein solle. Wegen der fehlenden Überprüfungsmöglichkeit sei aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden. Danach sei die Beschwerde zurückzuweisen, weil für den Antragsteller die mit der Durchführung einer nur stationären Kundgebung verbundenen Beeinträchtigungen hinnehmbar seien.

7

5. Die Beschwerdeführer beantragten sodann beim Bundesverfassungsgericht zunächst den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Diesen Antrag hat die Kammer aufgrund der besonderen Voraussetzungen der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch das Bundesverfassungsgericht abgelehnt, dabei jedoch zugleich auf die Möglichkeit der Klärung der aufgeworfenen Fragen in einem verfassungsgerichtlichen Hauptsachverfahren hingewiesen (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. Oktober 2010 - 1 BvQ 39/10 -, juris).

8

6. Hieraufhin erhoben die Beschwerdeführer gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts fristgemäß Verfassungsbeschwerde mit der Rüge, durch die angegriffenen Entscheidungen in ihren Rechten aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG verletzt zu sein.

9

7. Das Bundesverfassungsgericht hat der Stadt L. als Gegnerin des Ausgangsverfahrens, dem Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Europa sowie der Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

10

Nach Auffassung des Rechtsamtes der Stadt L. liegen die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde nicht vor. Das Sächsische Staatsministerium hat von einer Stellungnahme abgesehen. Die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts hat eine Stellungnahme des unter anderem für das Versammlungsrecht zuständigen 6. Revisionssenats übersandt, in der dieser Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Entscheidungen äußert.

II.

11

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung von Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen bereits entschieden (vgl. insbesondere BVerfGE 69, 315 <340 ff.>; 110, 77 <83 ff.>). Nach diesen Maßstäben ist die Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Leipzig und des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts zulässig und begründet.

12

1. Der Zulässigkeit der Rüge der Verletzung des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG steht weder der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde noch das Erfordernis eines Rechtsschutzinteresses entgegen.

13

a) Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde verlangt die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache nur, soweit die geltend gemachte Verletzung von Freiheitsrechten oder von Art. 19 Abs. 4 GG durch die Entscheidung der Gerichte in der Hauptsache noch ausgeräumt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Hier rügen die Beschwerdeführer allerdings gerade die Missachtung der Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG bei der Zurückweisung ihres Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz, die im Hauptsacheverfahren nicht mehr behandelt werden würde.

14

b) Auch ein Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführer besteht, obwohl der Demonstrationstermin verstrichen und damit der Sofortvollzug der strittigen Auflagen gegenstandslos geworden ist. Sind verfassungsrechtliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht (mehr) zu klären, besteht ein Rechtsschutzbedürfnis auch nach Erledigung des ursprünglichen Begehrens im Falle einer Wiederholungsgefahr, also wenn ein Gericht die bereits herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Maßstäbe nicht beachtet hat und bei hinreichend bestimmter Gefahr einer gleichartigen Entscheidung bei gleichartiger Sach- und Rechtslage zu befürchten ist, dass es diese auch in Zukunft verkennt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Hier führten die Beschwerdeführer bereits konflikthafte Versammlungen in L. durch und planen auch in Zukunft die Durchführung von Versammlungen in L., bei denen sie mit ähnlichen Konfliktsituationen rechnen und gegebenenfalls gleichartige Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts befürchten müssten.

15

2. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG.

16

a) Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen (vgl. BVerfGE 104, 92 <104>; 128, 226 <250>). Als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe, die auch und vor allem andersdenkenden Minderheiten zugutekommt, ist die Versammlungsfreiheit für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend (vgl. BVerfGE 69, 315 <344 f.>; 128, 226 <250>) und wird im Vertrauen auf die Kraft der freien öffentlichen Auseinandersetzung grundsätzlich auch den Gegnern der Freiheit gewährt (vgl. BVerfGE 124, 300 <320>). Damit die Bürger selbst entscheiden können, wann, wo und unter welchen Modalitäten sie ihr Anliegen am wirksamsten zur Geltung bringen können, gewährleistet Art. 8 Abs. 1 GG nicht nur die Freiheit, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fern zu bleiben, sondern umfasst zugleich ein Selbstbestimmungsrecht über die Durchführung der Versammlung als Aufzug, die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung (vgl. BVerfGE 69, 315 <343> oder <355 ff.>; 128, 226 <250 f.>).

17

Beschränkungen der Versammlungsfreiheit bedürfen gemäß Art. 8 Abs. 2 GG zu ihrer Rechtfertigung einer gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerfGE 69, 315 <350 f.>; BVerfGK 17, 303 <307>). Nach § 15 des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge (Versammlungsgesetz) vom 24. Juli 1953 in der Fassung vom 8. Dezember 2008 (BGBl I S. 2366; im Folgenden: VersG) kann die zuständige Behörde die Versammlung von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Danach kann im Einzelfall auch die Festlegung geboten sein, dass eine ursprünglich als Aufzug angemeldete Versammlung nur als ortsfeste Versammlung durchgeführt werden darf (vgl. BVerfGK 2, 1 <8>). Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit darf die Behörde allerdings auch bei dem Erlass von Auflagen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose stellen. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich; bloße Verdachtsmomente oder Vermutungen reichen hierzu nicht aus (BVerfGE 69, 315 <353 f.>; BVerfGK 17, 303 <307>). Ferner gilt, dass, soweit sich der Veranstalter und die Versammlungsteilnehmer grundsätzlich friedlich verhalten und Störungen der öffentlichen Sicherheit vorwiegend aufgrund des Verhaltens Dritter - insbesondere von Gegendemonstrationen - zu befürchten sind, die Durchführung der Versammlung zu schützen ist und behördliche Maßnahmen primär gegen die Störer zu richten sind (vgl. BVerfGE 69, 315 <360 f.>; BVerfGK 8, 79 <81>; BVerfG , Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 1. September 2000 - 1 BvQ 24/00, NVwZ 2000, S. 1406 <1407>). Gegen die friedliche Versammlung selbst kann dann nur unter den besonderen Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes eingeschritten werden (vgl. BVerfGE 69, 315 <360 f.>; BVerfGK 17, 303 <308>). Dies setzt voraus, dass die Versammlungsbehörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anderenfalls wegen der Erfüllung vorrangiger staatlicher Aufgaben und trotz des Bemühens, gegebenenfalls externe Polizeikräfte hinzuzuziehen, zum Schutz der von dem Antragsteller angemeldeten Versammlung nicht in der Lage wäre; eine pauschale Behauptung dieses Inhalts reicht allerdings nicht (vgl. BVerfGK 8, 79 <82>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2001 - 1 BvQ 13/01 -, NJW 2001, S. 2069 <2072>). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Auflage liegt grundsätzlich bei der Behörde (vgl. BVerfGK 17, 303 <308>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. September 2009 - 1 BvR 2147/09 -, NJW 2010, S. 141 <142>).

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b) Art. 19 Abs. 4 GG garantiert einen effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; 96, 27 <39>). Im Verfahren auf Wiederherstellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs, das für den Regelfall sicherstellt, dass die Verwaltungsbehörden keine irreparablen Maßnahmen durchführen, bevor die Gerichte deren Rechtmäßigkeit geprüft haben, ist der Rechtsschutzanspruch des Bürgers umso stärker, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung wiegt und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken (vgl. BVerfGE 35, 382 <401 f.>; 69, 315 <363>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Insbesondere im Bereich des Versammlungsrechts muss das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren angesichts der Zeitgebundenheit von Versammlungen zum Teil Schutzfunktionen übernehmen, die sonst das Hauptsacheverfahren erfüllt (vgl. BVerfGE 69, 315 <363 f.>; 110, 77 <87>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 23. März 2004 - 1 BvR 745/01 -, juris, Rn. 13). Die einstweilige Anordnung im verfassungsgerichtlichen Verfahren als außerhalb der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG liegender Rechtsbehelf kann die primäre Rechtsschutzfunktion der Fachgerichte ebenfalls nicht übernehmen. Angesichts der Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts und im Hinblick auf die weitreichenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung auslösen kann, ist hierbei zudem ein strenger, von den verwaltungsgerichtlichen Kriterien grundsätzlich unterschiedener Maßstab anzulegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 16. Oktober 2010 - 1 BvQ 39/10 -, juris, Rn. 4). Daher müssen die Verwaltungsgerichte zum Schutz von Versammlungen, die auf einen einmaligen Anlass bezogen sind, schon im Eilverfahren durch eine intensivere Prüfung dem Umstand Rechnung tragen, dass der Sofortvollzug der umstrittenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form führt. Soweit möglich, ist als Grundlage der gebotenen Interessenabwägung die Rechtmäßigkeit der Maßnahme in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht nur summarisch zu prüfen (vgl. BVerfGE 69, 315 <363 f.>; 110, 77 <87>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senat vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 -, NVwZ 1998, S. 834 <835>). Sofern dies nicht möglich ist, haben die Fachgerichte jedenfalls eine sorgfältige Folgenabwägung vorzunehmen und diese hinreichend substantiiert zu begründen, da ansonsten eine Umgehung der beschriebenen strengen Voraussetzungen für Beschränkungen der Versammlungsfreiheit möglich erschiene.

19

3. Diese Maßstäbe haben das Verwaltungsgericht Leipzig und das Sächsische Oberverwaltungsgericht bei den ihnen obliegenden Entscheidungen über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht hinreichend berücksichtigt. Beide Entscheidungen werden den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG im Hinblick auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen versammlungsbeschränkende behördliche Maßnahmen nicht gerecht.

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a) Die vom Verwaltungsgericht Leipzig herangezogenen Umstände sind nicht geeignet, die Annahme einer von der Versammlung selbst ausgehenden unmittelbaren Gefährdung für die öffentliche Sicherheit zu tragen, die die Verhinderung der Versammlung in Form eines Aufzugs hätte rechtfertigen können. Das Verwaltungsgericht legt insofern bereits nicht hinreichend deutlich dar, ob seiner Auffassung nach auch von der Versammlung selbst eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht oder diese Gefahr ausschließlich aufgrund der zahlreichen Gegendemonstrationen und den hieraus zu erwartenden Störungen der Versammlung besteht. Dass das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung zur Begründung seines Standpunktes im Wesentlichen lediglich auf die Einschätzung der Polizeidirektion L., die ohne nähere Erläuterung 10 bis 20 % der Teilnehmer der angemeldeten Demonstration dem gewaltbereiten Klientel zurechnete, verweist, genügt den Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG insofern jedenfalls nicht.

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Auch im Hinblick auf eine Inanspruchnahme der Veranstalter als Nichtstörer im Wege des polizeilichen Notstandes genügen die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts den Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht. Das Verwaltungsgericht weist insofern zur Begründung des Vorliegens einer nicht durch Maßnahmen gegen potentielle Störer abwendbaren Gefahr, insbesondere auf die besondere Veranstaltungssituation am 16. Oktober 2010 und die deswegen nur begrenzt zur Verfügung stehenden Polizeikräfte, hin und beruft sich dabei pauschal auf die Einschätzung der Polizeidirektion L. vom 13. Oktober 2010. Berücksichtigt man aber den Umstand, dass die Polizeidirektion in ihrer Gefährdungsanalyse vom 4. Oktober 2010 offenbar noch zwei der angemeldeten Aufzüge mit den ihr voraussichtlich zur Verfügung stehenden Kräften für sicherbar hielt, erfüllt diese pauschale Bezugnahme auf die Einschätzung der Polizeidirektion vom 13. Oktober 2010 nicht die den Anforderungen an die entsprechend obigen Maßstäben bereits im Eilverfahren gebotene intensivere Rechtmäßigkeitsprüfung. Vielmehr hätte die kurzfristige Änderung der polizeilichen Einschätzung, die sich nicht ohne weiteres erschließt, das Verwaltungsgericht zu einer substantiierteren Prüfung der veränderten polizeilichen Einschätzung und zur Nachfrage einer genaueren Begründung ihrer Entscheidung veranlassen müssen. Dass dies vorliegend aus zeitlichen Gründen nicht möglich gewesen wäre, ist nicht erkennbar. Auch im Übrigen hätte es dezidierterer Feststellungen bedurft, aufgrund welcher konkreter Gefahren für die öffentliche Sicherheit und aufgrund welcher konkreter, vorrangig zu schützender sonstiger Veranstaltungen keine ausreichenden Polizeikräfte mehr zum Schutz der angemeldeten Versammlung und der Rechtsgüter Dritter zur Verfügung gestanden hätten. Die behauptete Bindung von Polizeikräften durch die zeitgleich stattfindenden Gegendemonstrationen kann nach obigen Maßstäben jedenfalls nicht ohne weiteres als hinreichendes Argument dafür herangezogen werden. Auch die Bindung von Polizeikräften aufgrund eines parallel stattfindenden Fußballspiels und sonstiger Veranstaltungen, deren vorrangige Schutzwürdigkeit sich nicht ohne weiteres erschließt, reicht hierfür nicht aus.

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b) Die angegriffene Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts hält den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG ebenfalls nicht stand. Zwar hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht deutliche Bedenken am Vorliegen der Voraussetzungen eines für die Rechtfertigung der versammlungsrechtlichen Auflage erforderlichen polizeilichen Notstandes geäußert und nachvollziehbar dargelegt, dass sich ihm nicht erschließe, wodurch sich das Gefährdungspotential innerhalb des kurzen Zeitraumes zwischen der Gefährdungsanalyse der Polizeidirektion L. vom 4. Oktober 2010 und dem Erlass der Auflage am 13. Oktober 2010 so erhöht haben soll, dass statt der zwei Aufzüge, die ursprünglich noch mit den zur Verfügung stehenden Einsatzkräften für sicherbar gehalten wurden, nunmehr nur noch eine stationäre Kundgebung möglich sein solle. Auch erscheint es nachvollziehbar, dass dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht in der Kürze der ihm zur Verfügung stehenden Zeit die Vornahme der hier grundsätzlich gebotenen und soweit als möglich nicht lediglich summarischen Rechtmäßigkeitskontrolle der behördlichen Auflage nicht mehr möglich war. Allerdings hätte es dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht in dieser Konstellation, um der Freiheitsvermutung zugunsten der Versammlungsfreiheit zumindest in der Sache Rechnung zu tragen, oblegen, eine besonders sorgfältige Folgenabwägung vorzunehmen und diese in der Begründung seiner Entscheidung hinreichend offenzulegen. Vorliegend hat sich das Sächsische Oberverwaltungsgericht in der Begründung seiner Entscheidung jedoch im Wesentlichen darauf beschränkt, auf die vermeintlich geringe Beeinträchtigung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit hinzuweisen, ohne auch nur ansatzweise ausreichend auf das Bestehen einer die Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit überwiegenden potentiellen Beeinträchtigung anderer Rechtsgüter einzugehen.

23

4. Demgemäß ist festzustellen, dass sowohl der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig als auch der angegriffene Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG verletzen. Einer Aufhebung der Entscheidungen und Zurückverweisung zur erneuten Entscheidung bedarf es darüberhinausgehend nur bezüglich der Kostenentscheidungen, da in der Sache selbst Erledigung eingetreten ist (vgl. Schemmer, in: Umbach/Clemens/Dollinger, 2. Aufl. 2005, BVerfGG, § 93c Rn. 33).

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5. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.

(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.

(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.