Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2012 - 4 StR 51/12

bei uns veröffentlicht am26.04.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 51/12
vom
26. April 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. April
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer,
Dr. Quentin
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt in der Verhandlung,
Staatsanwalt bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten zu 1.,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten zu 2.,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten zu 3.,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin der Angeklagten zu 4.,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Stendal vom 6. Oktober 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen verurteilt; bei den Angeklagten P. , W. und S. hat es die Vollstreckung der Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt. Mit ihren zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen beanstandet die Staatsanwaltschaft mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts insbesondere die Verneinung der Tatvarianten des § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils saßen die Angeklagten mit B. am Abend des 6. April 2011 in der Wohnung der Angeklagten S. in G. zusammen. Der Angeklagte W. ärgerte sich über früheres Verhalten B. und entschloss sich gegen 23.15 Uhr, B. einen „Denkzettel“ zu verpassen. Er versetzte B. unvermittelt sechs oder sieben Faustschläge gegen Kopf und Oberkörper, warf eine halbgefüllte Bierflasche nach ihm, die B. verfehlte und an der Wand zerschellte und versetzte ihm zwei weitere Faustschläge gegen den Kopf. Die Angeklagte S. äußerte sich lautstark beifällig zu dem Geschehen. Angestachelt dadurch kamen alle vier Angeklagten stillschweigend überein, den „Denkzettel“ für B. zu intensivieren und ihm weitere Verletzungen zuzufü- gen.
3
Die Angeklagte S. versetzte B. eine Ohrfeige. Der Angeklagte P. schlug und stieß ihn mehrfach mit Fäusten und seinem Knie. Der Angeklagte W. schlug zweimal peitschenartig mit einer Hundeleine aus Nylongewebe zu, so dass B. von dem metallenen Karabinerhaken am Ende der Leine an Kopf und Rücken getroffen wurde. Der Angeklagte M. versetzte B. mehrere Faustschläge gegen den Kopf. B. rutschte infolgedessen vom Sofa. Die Angeklagte S. , die ihm gegenüber saß, stießihn mit der Ferse gegen die linke Gesichtshälfte. Auf ihre Aufforderung versuchte der völlig eingeschüchterte B. , sein auf Sofa und Fußboden getropftes Blut mit einem Handtuch aufzuwischen. Unter weiteren Beschimpfungen schlug ihm die Angeklagte S. eine gefüllte Bierflasche auf den Kopf. Der Angeklagte P. versetzte ihm mehrere Schläge, und der Angeklagte M. trat ihm mehrmals gegen den Kopf.
4
Der Angeklagte P. zog nun die Angeklagten M. und S. von B. weg und half ihm aufzustehen. B. begab sich ins Bad, wo ersich das Blut abwusch und um 23.55 Uhr per Handy die Polizei zur Hilfe rief. Als B. zurück ins Wohnzimmer ging, wurde er vom Angeklagten M. , der sich Quarzhandschuhe angezogen hatte, zweimal mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Gegen Mitternacht klingelten Polizeibeamte an der Wohnungstür. Aus Verärgerung stieß die Angeklagte S. B. heftig gegen eine Schrankwand. Sein Kopf prallte gegen die Schrankwand und schlug dann auf dem Boden auf. Er blieb auf dem Boden liegen und gab schnarchartige Geräusche von sich. Nach dem Eintreffen von Verstärkung verschafften sich die Polizeibeamten um 0.55 Uhr Zutritt zu der Wohnung, wo sie B. bewusstlos vorfanden und sofort Rettungsmaßnahmen einleiteten. B. erlitt durch die Tat eine ausgedehnte Blutung unter der Hirnhaut, einen Bruch der linken Augenhöhle , einen Rippenbruch und Hautunterblutungen im Gesicht und am Oberkörper. Im Universitätsklinikum H. wurde im Wege einer Notoperation die Schädeldecke eröffnet, um die Blutung unter der Hirnhaut zu entleeren. Ohne ärztliche Hilfe wäre es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer irreparablen Hirnschädigung, möglicherweise sogar zum Tod gekommen.
5
Das Landgericht hat alle Angeklagten einer gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB für schuldig befunden, die Angeklagten W. und S. darüber hinaus der gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB wegen der Verwendung der Hundeleine und der gefüllten Bierflasche. Die Verwendung dieser Gegenstände hat es den jeweils anderen Mitangeklagten nicht zugerechnet, weil dies vom gemeinsamen Tatentschluss nicht umfasst gewesen sei, es sich mithin um Exzesshandlungen einzelner Angeklagter gehandelt habe. Zu Gunsten des Angeklagten M. ist es davon ausgegangen, dass die - nicht sichergestellten - Quarzhandschuhe lediglich dem Passivschutz des Trägers dienten und deshalb nicht als gefährliches Werkzeug im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB anzusehen seien. Auch eine gefährliche Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB hat das Landgericht nicht festgestellt. Jeder der Angeklagten habe unwiderlegbar angegeben, die eigenen Tritte und Schläge nicht besonders kraftvoll ausgeführt und diejenigen der Mittäter nicht ununterbrochen beobachtet zu haben. Diejenigen Tathandlungen, die sie beobachtet hätten, hätten sie nicht als lebensgefährdend eingeschätzt. Aus diesen Erwägungen hat das Landgericht auch bei keinem der Angeklagten einen Tötungsvorsatz festgestellt.

II.


6
1. Die vom Landgericht zu § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB und zur subjektiven Tatseite des § 212 StGB getroffenen Feststellungen beruhen allein auf den Einlassungen der Angeklagten, die das Landgericht als glaubhaft angesehen hat. Diese Bewertung hält der sachlich-rechtlichen Prüfung nicht stand.
7
Entlastende Angaben eines Angeklagten, für die keine zureichenden Anhaltspunkte bestehen und deren Wahrheitsgehalt fraglich ist, darf der Tatrichter nicht ohne weiteres seiner Entscheidung zugrunde legen, nur weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Beweise gibt. Die Zurückweisung einer Einlassung erfordert auch nicht, dass sich ihr Gegenteil positiv feststellen lässt. Vielmehr muss sich der Tatrichter aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme seine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Einlassung bilden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 16. August 1995 - 2 StR 94/95, BGHR StPO § 261 Einlassung 6; Beschluss vom 25. April 2007 - 1 StR 159/07, BGHSt 51, 324, 325; Urteil vom 14. Januar 2009 - 1 StR 158/08, BGHSt 53, 145, 163 Rn. 51). Dies gilt umso mehr, wenn objektive Beweisanzeichen festgestellt sind, die mit Gewicht gegen die Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten sprechen.
8
Die danach gebotene Gesamtwürdigung hat das Landgericht nicht vor- genommen. Die von ihm als „nachvollziehbar“ bezeichnete Darstellung aller Angeklagten, die Tätlichkeiten der jeweiligen Mittäter nicht ununterbrochen beobachtet zu haben, widerspricht dem Umstand, dass die Mitangeklagten nach den Urteilsausführungen die Tatbeiträge der Angeklagten S. stimmig übereinstimmend geschildert haben, worauf insoweit die Feststellungen auch beruhen. Im Übrigen hat der unbeteiligte Zeuge K. Pe. die Tatbeiträge der Angeklagten und die Reihenfolge der einzelnen Übergriffe glaubhaft bekundet. Dass Mitangeklagte, die sich in demselben Raum aufhielten, durch Fernseher oder Telefonate so vom Tatgeschehen abgelenkt wurden, dass sie anders als der Zeuge Verletzungshandlungen durch Mittäter nicht bemerkten, liegt nicht nahe und hätte vom Landgericht näher begründet werden müssen.
9
Das Landgericht hätte auch die Einlassung der Angeklagten, sie selbst hätten jeweils nicht kraftvoll zugeschlagen und die beobachteten Tathandlungen der Mittäter nicht für lebensgefährdend gehalten, einer näheren Prüfung unterziehen müssen. Das Tatopfer B. wurde mit einer gefüllten Bierflasche auf den Kopf geschlagen und gegen den Kopf getreten. Jedenfalls den Schlag der Angeklagten S. mit der Bierflasche haben die Mitangeklagten gesehen. Dass eine derartige Behandlung, wie auch Tritte gegen den Kopf, generell potentiell lebensgefährdend ist (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 224 Rn. 12b mwN), ist allgemein bekannt. Für die Massivität der Verletzungshandlungen insgesamt sprechen hier bereits die Knochenbrüche des Opfers. Darauf, dass B. dennoch weiter ansprechbar und handlungsfähig war, eine konkrete Lebensgefahr mithin möglicherweise noch nicht eingetreten war, kommt es nicht an (vgl. Fischer aaO Rn. 12 mwN).
10
Das Landgericht hat aus denselben fehlerhaften Erwägungen heraus auch einen Tötungsvorsatz der Angeklagten verneint. Aus diesem Grunde führt der Rechtsfehler zur Aufhebung des Schuldspruchs insgesamt.
11
2. Auch der vom Landgericht mit einer pauschalen Begründung bejahte Mittäterexzess der Angeklagten W. und S. in Bezug auf § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar kann einem Mittäter das Handeln eines anderen Mittäters, das über das gemeinsam Gewollte hinausgeht, nicht zugerechnet werden (BGH, Urteil vom 25. Juli 1989 - 1 StR 479/88, BGHSt 36, 231, 234; Fischer aaO § 25 Rn. 20 mwN). Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Zurechnung keine ins Einzelne gehende Vorstellung von den Handlungen des anderen Tatbeteiligten erfordert. Regelmäßig werden die Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Falles gerechnet werden musste, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er sie sich nicht besonders vorgestellt hat (BGH, Urteil vom 1. September 1999 - 2 StR 94/99, NStZ 2000, 29 f.; BGH, Urteil vom 15. September 2004 - 2 StR 242/04, NStZ 2005, 261 f.). Dasselbe gilt, wenn ihm die Handlungsweise des Mittäters gleichgültig ist (BGH, Urteil vom 27. Mai 1998 - 3 StR 66/98, NStZ 1998, 511 f.; BGH, Urteil vom 28. Oktober 2009 - 1 StR 205/09 Rn. 101).
12
Alle vier Angeklagten entschlossen sich hier, den „Denkzettel“ zu intensivieren , nachdem bereits der Angeklagte W. mit einer teilweise gefüllten Bierflasche nach B. geworfen hatte. Dies kann ein Indiz dafür sein, dass sie mit der Verwendung vorgefundener Gegenstände gegen B. einverstanden waren oder ihnen dies zumindest gleichgültig war. Alle haben auch weiter selbst auf B. eingeschlagen, nachdem ihn W. mit der Hundeleine geschlagen hatte, ohne sich von dem Werkzeugeinsatz zu distanzieren. Auf der Grundlage der Feststellungen liegt die Annahme eines Mittäterexzesses daher eher fern. Jedenfalls hätten seine Bejahung näherer Begründung und der Ausschluss einer vom Schwurgericht nicht angesprochenen sukzessiven Mittäterschaft der Erörterung bedurft.
13
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
14
a) Quarzhandschuhe sind in der Regel gefährliche Werkzeuge im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Ein gefährliches Werkzeug ist ein solches, das nach seiner objektiven Beschaffenheit geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen auszuführen. Eingenähter Sand in Handschuhen verstärkt deren Schlagwirkung und hat eine solche Wirkung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. September 1997 - 4 StR 438/97 und vom 10. Januar 2011 - 5 StR 515/10, NStZ-RR 2011, 111 f.; vgl. auch Urteil vom 13. Januar 2005 - 4 StR 469/04 zu mit Plastik verstärkten Bikerhandschuhen).
15
b) Der neue Tatrichter wird auch zu klären haben, ob das von den Angeklagten S. und M. bei ihren Tritten gegen den Kopf des Opfers getragene Schuhwerk als gefährliches Werkzeug zu bewerten ist (vgl. dazu BGH, Urteil vom 15. September 2010 - 2 StR 395/10).
16
c) Der Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB setzt einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftaten verursachten Folgen gerichtet sein muss; das einseitige Wiedergutmachungsbestreben ohne den Versuch einer Einbeziehung des Opfers genügt nicht. Regelmäßig sind dazu Feststellungen erforderlich, wie sich das Opfer zu den Bemühungen des Täters gestellt hat und wie sicher die Erfüllung der über den bisher gezahlten Betrag hinausgehenden weiteren Schmerzensgeldzahlungsverpflichtung ist (vgl. BGH, Urteile vom 27. August 2002 - 1 StR 204/02, BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 6, und vom 9. September 2004 - 4 StR 199/04). Ein erfolgreicher Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne von § 46a Nr. 1 StGB setzt grundsätzlich voraus, dass das Opfer die erbrachten Leistungen oder Bemühungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert. Dagegen könnte hier sprechen, dass eine Vereinbarung über den Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch nicht getroffen war und der Angeklagte P. die 200 € - die angesichts der schweren Verletzungen des Tatopfers zum Ausgleich des immateriellen Schadens völlig unzureichend sind - bei seiner Verteidigerin hinterlegt hat.
Ernemann Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2012 - 4 StR 51/12

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2012 - 4 StR 51/12

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins
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Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Strafgesetzbuch - StGB | § 46a Täter-Opfer-Ausgleich, Schadenswiedergutmachung


Hat der Täter 1. in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder2. in einem Fall, in welchem die

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(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 159/07
vom
25. April 2007
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja zu Nr. 2
Veröffentlichung: ja
____________________________
Behauptet der Transporteur von Betäubungsmitteln, sein Tatbeitrag habe sich
darin erschöpft, die Betäubungsmittel im Auftrag eines Dritten zu transportieren,
und individualisiert er seinen Auftraggeber nicht, so ist der Tatrichter nicht auf
Grund des Zweifelssatzes gehalten, diese auf eine Beihilfe zum Handeltreiben
abzielende Einlassung zugrunde zu legen, wenn keine zuverlässigen Anhaltspunkte
für Auftrag und Person des Auftraggebers vorliegen.
BGH, Beschl. vom 25. April 2007 - 1 StR 159/07 - LG Nürnberg-Fürth
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringerMenge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. April 2007 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8. Dezember 2006 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen. Ergänzend bemerkt der Senat: 1. Das Landgericht hat den Angeklagten im Ergebnis zu Recht wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge und mit einer Waffe, verurteilt. Zwar ist die bewaffnete Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ein unselbständiger Teilakt des bewaffneten Handeltreibens in nicht geringer Menge, wenn sie im Rahmen ein- und desselben Güterumsatzes erfolgt; dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG: "wer... ohne Handel zu treiben, einführt" (BGH NStZ 2003, 440; Urteil vom 24. Juni 2003 - 1 StR 25/03 jew. m.w.N.). Soweit das erworbene Heroin gewinnbringend verkauft werden sollte, ist hier deshalb die Tatbestandsalternative der Einfuhr ausgeschlossen. Der Angeklagte hat jedoch 40 g der erworbenen Menge (Wirkstoffgehalt 59,4 = 60 %) zum Eigenverbrauch bestimmt. Insoweit ist in Tateinheit zum Handeltreiben auch der Tatbestand der Einfuhr, jeweils in nicht geringer Menge und mit einer Waffe, erfüllt, da diese Teilmenge nicht von der Tatbestandsalternative des Handeltreibens erfasst wird (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2000 - 3 StR 22/00; Beschluss vom 28. Januar 2005 - 2 StR 555/04). 2. Die Verurteilung wegen täterschaftlichen Handeltreibens und nicht wegen Beihilfe ist - auch im Lichte neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Kuriertätigkeiten (vgl. zusammenfassend BGH NJW 2007, 1220) - ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Angeklagte hat erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet. Er war unmittelbar mit Eigeninitiative am Erwerb beteiligt; insbesondere konnte er, nachdem ihm in Holland eine Kontaktaufnahme zu dem Drogenhändler "P. " nicht gelungen war, eigenverantwortlich entscheiden, das Heroin mit dem von seinem Auftraggeber zur Verfügung gestellten Geld bei einem "A. " zu erwerben. Er hatte auch darüber hinaus ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts , weil ihm für die Betäubungsmittelbeschaffung eine erhebliche Entlohnung in Form eines Schuldenerlasses in Höhe von 1.000 € in Aussicht gestellt war und er von den zu erwerbenden 300 g Heroin 40 g für den Eigenkonsum behalten sollte. Im Übrigen wäre das Landgericht nicht gehalten gewesen, die Einlassung des Angeklagten, er habe die Betäubungsmittel lediglich im Auftrag eines Drogenhändlers, dessen Name er nicht nennen wolle, von Holland nach Bayern transportiert, den Urteilsfeststellungen als unwiderlegbar zugrunde zu legen. Die Strafkammer hat für einen solchen Auftrag und für die Person des Auftraggebers keine konkreten Anhaltspunkte festgestellt. Bei ei- ner solchen Sachlage muss der Tatrichter nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGH NStZ 2002, 48). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 8. November 2006 - 2 BvR 1378/06; BGH NStZ-RR 2003, 371 LS; NStZ 2004, 35, 36). Dies führt auch hinsichtlich des insoweit schweigenden Angeklagten nicht zu einer mit dem Schuldprinzip kollidierenden Beweislastumkehr, sondern ist notwendige Folge der Verpflichtung des Gerichts, gemäß § 261 StPO seine Überzeugung aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung zu schöpfen (BVerfG aaO). Nack Wahl Kolz Hebenstreit Elf
51
a) Die Feststellung der Strafkammer, die Angeklagten K. , F. und He. seien von einem im Rahmen der militärischen Ausbildung sozial adäquaten Tun und von keiner vorschrifts- oder befehlswidrigen Ausbildung ausgegangen, beruht auf den Einlassungen dieser Angeklagten, die die Kammer , ohne dass es dafür tatsächliche, objektive Anhaltspunkte gegeben hätte, als unwiderlegt angesehen hat. Da an die Bewertung der Einlassung eines Angeklagten aber die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie an die Beurteilung von Beweismitteln, darf der Tatrichter diese seiner Entscheidung nur dann zu Grunde legen, wenn er in seine Überzeugungsbildung auch die Beweisergebnisse einbezogen hat, die gegen die Richtigkeit der Einlassung sprechen können (vgl. BGH NJW 2006, 522, 527 - insofern nicht abgedruckt in BGHSt 50, 331 ff.). Dies hat die Kammer nicht getan.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

101
a) Ob ein Tatbeteiligter eine Tat als Mittäter begeht, ist nach den gesamten Umständen des konkreten Falles in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte hierfür sind der Grad des eigenen Tatinteresses, der Umfang der Tatbeteiligung sowie die Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille hierzu, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (st. Rspr. - vgl. nur BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 13 m.w.N.). Zwar haftet jeder Mittäter für das Handeln der anderen nur im Rahmen seines - zumindest bedingten - Vorsatzes; er ist also für den Erfolg nur insoweit verantwortlich, als sein Wille reicht, so dass ihm ein Exzess der anderen nicht zur Last fällt. Jedoch werden Handlungen eines anderen Tatbeteiligten, mit denen nach den Umständen des Einzelfalles gerechnet werden muss, vom Willen des Mittäters umfasst, auch wenn er diese sich nicht besonders vorgestellt hat. Ebenso ist er für jede Ausführungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich , wenn ihm die Handlungsweise seiner Tatgenossen gleichgültig ist (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 32 m.w.N.). Dabei kann bei einem mehraktigen Geschehen Täter auch derjenige sein, welcher nicht sämtliche Akte selbst erfüllt. Es genügt, wenn er auf der Grundlage gemeinsamen Wollens einen die Tatbestandsverwirklichung fördernden Beitrag leistet (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Willensübereinstimmung 3). Diese Maßstäbe hat die Strafkammer ihrer rechtlichen Beurteilung nicht zu Grunde gelegt.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

5 StR 515/10

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 10. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2011

beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 3. Juni 2010 gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben
a) hinsichtlich der Angeklagten R. und E. jeweils im Schuldspruch, wobei die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten bleiben;
b) hinsichtlich des Angeklagten S. im Strafausspruch.
2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden als unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen, bezüglich des Angeklagten S. jedoch mit der Klarstellung, dass er wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt ist.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen „gemeinschaftlicher versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung“ zu Freiheitsstrafen von neun Jahren (S. ) sowie von jeweils sechs Jahren und sechs Monaten (R. und E. ) verurteilt. Die An- geklagten wenden sich gegen die Verurteilung und machen die Verletzung formellen (S. und E. ) und materiellen Rechts geltend. Die Revisionen erzielen den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Nach den Feststellungen suchten die mehrfach, auch einschlägig vorbestraften Angeklagten am 1. Februar 2010 den Nebenkläger B. in seiner Wohnung auf; der Angeklagte S. beabsichtigte, den Nebenkläger aus Verärgerung über eine frühere Bemerkung „zu schlagen und Geld von ihm zu verlangen“ (UA S. 8). R. und E. hatte er „zur Unterstützung und Einschüchterung“ (UA S. 9) zu dem Treffen mitgenommen. Indes vermochte die Strafkammer nicht festzustellen, dass diese um das geplante Vorgehen wussten. Seinem Vorhaben entsprechend versetzte der Angeklagte S. dem Nebenkläger unter Verwendung von „Quarzhandschuhen“ mehrere Faustschläge ins Gesicht. Während der Schläge saßen R. und E. auf der Couch „gleich links neben der Tür“ des etwa zwölf Quadratmeter großen Zimmers des Nebenklägers und beobachteten das Geschehen. Immer noch verärgert nahm S. ein Messer von der Ablage unter dem Couchtisch und stach den Nebenkläger in die linke Schulter und den rechten Oberschenkel. Er forderte von B. „einen Schein“, womit er die Zahlung von 1.000 Euro meinte, „oder ihm würden die Finger abgeschnitten. Zur Untermauerung seiner Forderung ergriff er die Hand B. s, legte sie auf den Schreibtisch und setzte das Messer so an die Finger des Nebenklägers, als wenn er sie abschneiden wollte“ (UA S. 10). Dies veranlasste R. , S. vom Nebenkläger wegzuziehen, während E. dem S. das Messer abnahm. Um den Nebenkläger herumstehend, fragten ihn nun alle drei Angeklagten, ob er zahlen werde. Aus Angst vor weiteren Misshandlungen schlug der Nebenkläger eine Zahlung am 16. Februar 2010 vor, weil er dann erst wieder Geld erhalte, und zeigte gleichzeitig eine bis auf wenige Cent leere Geldbörse vor. Die Fragen von S. und R. , ob er irgendwo anders noch Geld habe, verneinte er. S. ließ sich auf eine spätere Zahlung ein und betonte drohend , dass er wisse, wo die Mutter und die Schwester des Nebenklägers wohnten. E. und R. „untermauerten“ die Forderung des S. , indem sie äußerten, B. solle lieber zahlen, „weil ihm andernfalls die Finger abgeschnitten würden“ und auch seine Mutter und seine Schwester zu leiden haben würden (UA S. 11). Zu einer Geldübergabe kam es letztlich nicht, weil der Nebenkläger die Polizei informierte.
3
2. Die Verurteilung der Angeklagten E. und R. wegen mittäterschaftlicher Beteiligung an den Straftaten hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
4
Das Landgericht nimmt sukzessive Mittäterschaft an: E. und R. hätten die Körperverletzungshandlungen des S. gesehen und dessen von Drohungen begleitete Geldforderung vernommen. Nach ihrem Einschreiten , das lediglich der Verhinderung des Abschneidens der Finger des Nebenklägers gegolten habe, hätten sie die Forderung des S. „untermauert“. Insoweit hätten sie „mehrere Tatbeiträge geleistet, um den Angeklagten S. zu Unrecht zu bereichern“ (UA S. 23).
5
a) Diese Erwägungen tragen ersichtlich nicht die Annahme einer mittäterschaftlichen Beteiligung der Angeklagten E. und R. an der Körperverletzung. Sukzessive Mittäterschaft ist nur gegeben, wenn jemand in Kenntnis und Billigung des von einem anderen begonnenen Handelns in das tatbestandsmäßige Geschehen als Mittäter eingreift und er sich – auch stillschweigend – mit dem anderen vor Beendigung der Tat zu gemeinschaftlicher weiterer Ausführung verbindet (BGH, Urteil vom 22. April 1999 – 4 StR 3/99, NStZ 1999, 452, 453 mwN). Die Körperverletzungshandlungen zum Nachteil des Nebenklägers waren indes – wozu R. und E. durch ihr Eingreifen beigetragen hatten – im Zeitpunkt ihres Tätigwerdens zur verbalen Verstärkung der Geldforderung des S. bereits beendet.
6
Die Tatbeiträge von E. und R. zu der Körperverletzung könnten allenfalls in einer psychischen Unterstützung des S. liegen. Die Strafkammer hat insoweit festgestellt, dass sich der Nebenkläger auch durch die Angeklagten E. und R. bedroht gefühlt habe. „Er sah sie im Lager des Angeklagten S. , zumal sie weder verbal noch sonst Anstalten machten, S. von den Schlägen abzuhalten“ (UA S. 10). Erstreckt sich der Gehilfenbeitrag jedoch – wie vorliegend – auf bloßes „Dabeisein“, bedarf es sorgfältiger und genauer Feststellungen darüber, dass dadurch die Tatbegehung in ihrer konkreten Gestalt objektiv gefördert oder erleichtert wurde und dass der Gehilfe sich dessen bewusst war (BGH, Beschluss vom 13. Januar 1993 – 3 StR 516/92, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Unterlassen 5). Insbesondere zur subjektiven Seite verhält sich das Urteil indes nicht, so dass eine entsprechende Abänderung des Schuldspruchs durch den Senat nicht möglich war.
7
b) Auch die Annahme einer Mittäterschaft von E. und R. an der räuberischen Erpressung – wobei ihnen der im Zeitpunkt ihrer Unterstützungshandlungen bereits beendete Einsatz des Messers nicht zuzurechnen wäre – wird von den Feststellungen nicht getragen. Ob ein Tatbeteiligter als Mittäter eine Tat begeht, ist nach den gesamten Umständen, die von der Verurteilung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte für die Beurteilung können gefunden werden im Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, im Umfang der Tatbeteiligung und in der Tatherrschaft oder wenigstens im Willen zur Tatherrschaft, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 1993 – 1 StR 742/93, BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 14 st. Rspr.).
8
Aus den Feststellungen ergibt sich indes, dass E. und R. kein eigenes Interesse an der Tat hatten, deren „Nutznießer“ alleine S. sein sollte (UA S. 26). Dieser hatte auch die Idee zur Tat und bestimmte deren „Ob“. Auf das „Wie“ der Tat machten E. und R. nur insoweit einen maßgeblichen gestalterischen Einfluss geltend, als sie den weiteren Mes- sereinsatz verhinderten. Auch hinsichtlich der versuchten räuberischen Erpressung hatten sie damit weder Tatherrschaft noch den Willen dazu. Bei der bloßen verbalen „Untermauerung“ der Geldforderung des Angeklagten S. handelt es sich vielmehr um eine typische Beihilfehandlung.
9
3. Die Aufhebung des Schuldspruchs gegen die Angeklagten E. und R. führt hier auch zur Aufhebung des Strafausspruchs bezüglich des Angeklagten S. . Die Strafkammer hat in seiner Person strafschärfend berücksichtigt, dass „er durch seine Tat zwei Straftaten jeweils in mehreren Alternativen verwirklicht hat“. Hinsichtlich der begangenen Körperverletzung bezog sich die Strafkammer dabei auch auf die Variante der gemeinschaftlichen Begehung, welche durch die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen nicht begründet ist.
10
Rechtlichen Bedenken begegnet insbesondere auch, dass die Strafkammer hinsichtlich der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung von der fakultativen Möglichkeit der Strafrahmenverschiebung nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB keinen Gebrauch gemacht hat. Die Wahl des Strafrahmens – die revisionsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist – hat aufgrund aller schuldrelevanten Umstände zu erfolgen, wobei den wesentlich versuchsbezogenen besonderes Gewicht zukommt, namentlich der Nähe zur Tatvollendung, der Gefährlichkeit des Versuchs und der eingesetzten kriminellen Energie (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 23 Rn. 4 mwN). Die Strafkammer hat in diesem Zusammenhang ausgeführt: „Zur Nähe der Tatvollendung war zu berücksichtigen, dass dem Geschädigten zwar eine Zahlungsfrist von zwei Wochen gewährt worden war, zwei Wochen Zeit zur Beschaffung von 1.000 Euro für einen Auszubildenden jedoch sehr kurzfristig ist, so dass hier durchaus von einer geringen Nähe zur Tatvollendung gesprochen werden kann“ (UA S. 29). Diese Begründung ist unschlüssig. Sie stellt auf die persönlichen Umstände des Nebenklägers ab, die gerade dagegen sprechen, dass er das Geld innerhalb der gesetzten Frist hätte aufbringen können und es somit zur Vollendung der Tat gekommen wäre. Nachdem sich eine unmittelbare Verwirklichung des Tatziels aufgrund der finanziellen Verhältnisse des Geschädigten nicht realisieren ließ und die Angeklagten die Wohnung verlassen hatten, lag eine Vollendung des Erpressungstatbestandes vielmehr fern. Daneben vermag der Senat nicht auszuschließen, dass die Strafkammer aufgrund der rechtlich unzutreffenden Würdigung der Teilnahmebeiträge der Angeklagten E. und R. von einer übersteigerten kriminellen Intensität der Tat ausgegangen ist und sich dies in der Versagung einer Strafmilderung ebenfalls ausgewirkt hat.
11
Aufgrund der vorliegenden Wertungsfehler bedurfte es keiner Aufhebungen der Feststellungen bezüglich des Angeklagten S. . Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie den bislang getroffenen nicht widersprechen.
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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 469/04
vom
13. Januar 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen schweren Raubes mit Todesfolge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Januar
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Sch. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten W. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten B. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 19. Dezember 2003 in den Strafaussprüchen mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten und die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.
3. Die Staatskasse trägt die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die hierdurch den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Angeklagten, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten Sch. des schweren Raubes mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie des Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen für schuldig befunden und ihn zu einer Jugendstrafe von neun Jahren verurteilt. Den Angeklagten W. hat es wegen schweren Raubes mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung eines Urteils des Amtsgerichts Naumburg vom 27. Februar 2003 zu einer Einheitsjugendstrafe von acht Jahren sechs Monaten und den Angeklagten B. wegen schweren Raubes mit Todesfolge in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie weiter wegen Unterschlagung unter Einbeziehung eines Urteils des Amtsgerichts Naumburg vom 27. Februar 2003 zu einer Einheitsjugendstrafe von acht Jahren neun Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen , mit denen sie die Verletzung sachlichen Rechts, die Angeklagten Sch. undB. auch die Verletzung formellen Rechts rügen. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer zu Ungunsten der drei Angeklagten eingelegten, auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision, daß das Landgericht die Angeklagten im Fall II. 3 der Urteilsgründe nicht wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts verurteilt hat. Die Rechtsmittel der Angeklagten haben zu den Strafaussprüchen Erfolg; dagegen erweisen sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft insgesamt als unbegründet.

I.


Das Landgericht hat festgestellt:
Die Angeklagten gehörten zu einer Clique von Jugendlichen aus vorwiegend sozial schwierigen Verhältnissen in Naumburg, die sich gemeinsam mit Alkohol und Haschisch ihre Langeweile vertrieben. Das spätere Tatopfer, Andreas Oe., wohnte mit dem Angeklagten B. im selben Haus. Oe. war homosexuell veranlagt und geistig behindert. B. erzählte in der Clique, zu der gelegentlich auch die wesentlich älteren Brüder Be. stießen, Oe. suche sexuelle Kontakte zu Jugendlichen und bezahle dafür. Dies ließ unter den Angeklagten und weiteren Mitgliedern der Clique den Entschluß reifen, die Neigung des Oe. auszunutzen, um ihn bei einer solchen Gelegenheit zu überfallen und zu berauben.
Mit diesem Entschluß suchten die Angeklagten am Abend des 20. März 2003 Oe. auf, der jedoch nur die Angeklagten W. und Sch. in seine Wohnung ließ. Dort täuschteSch. dem Oe. vor, dieser dürfe ihn gegen Bezahlung oral befriedigen. Als sich Oe. darauf vor Sch. hinkniete, trat ihm der Angeklagte W. absprachegemäß mit dem beschuhten Fuß mit voller Wucht ins Gesicht, wodurch Oe. zu Boden ging. Beide Angeklagte traten nunmehr gemeinsam auf Oe. ein, der schließlich hilflos mit starkem Nasenbluten liegen blieb, nachdem ihm bereits durch den ersten Tritt zwei Schneidezähne herausgebrochen waren. Die AngeklagtenSch. und W. zogen ihm sodann die Geldbörse mit 14,50 Euro aus der Hosentasche und verließen fluchtartig die Wohnung (Fall II. 1 der Urteilsgründe).
Am späten Nachmittag des folgenden Tages (21. März 2003) trafen sich die Angeklagten Sch. und B. wiederum mit ihrer Clique. Sie berichteten von dem Geschehen des Vortages. Auch wurde darüber gesprochen, Oe. mißbrauche auch Kinder und müsse deshalb "bestraft" werden; zudem sei bei ihm "etwas zu holen" und er könne leicht ausgeraubt werden. Sch. und B. sowie die Brüder Be. und zwei weitere aus der Clique begaben sich daraufhin zur Wohnung des Oe. und verschafften sich gewaltsam Zutritt. Nachdem zunächst Silko Be. auf Oe. eingeschlagen und ihn ins Schlafzimmer gedrängt hatte, schlugen und traten dort beide Brüder Be. weiter auf den Geschädigten ein. "Auch die Angeklagten Sch. und B. schlugen und traten zu, wer genau welchen Tritt und Schlag ausführte, ließ sich nicht mehr mit Sicherheit feststellen". Während Oe. von den Be. -Brüdern im Schlafzimmer noch weiter "traktiert" wurde, durchsuchten die Angeklagten Sch. und B. sowie die übrigen anwesenden Mitglieder der Clique die Wohnung nach mitnehmenswerten Gegenständen. Sch. nahm die Geldbörse des Geschädigten mit ca. 6 Euro und auch die Wohnungsschlüssel an sich, während sie im übrigen noch Lautsprecherboxen, eine Videocassette und 10 bis 15 Flaschen Bier mitnahmen und damit die Wohnung verließen (Fall II. 2 der Urteilsgründe).
Anschließend kam die Gruppe an ihrem üblichen Treffpunkt zusammen, wo auch der AngeklagteW. hinzustieß. Dort entschlossen sie sich, den Geschädigten erneut aufzusuchen, da dieser "noch nicht genug geschlagen worden" sei und sich in seiner Wohnung noch weiteres Bier und andere mitnehmenswerte Gegenstände befänden. Die drei Angeklagten sowie die beiden Brüder Be. begaben sich daraufhin erneut zu der Wohnung des Oe. Die Be. -Brüder hatten sich jeder einen sog. Bikerhandschuh angezogen, deren Handrücken und Innenflächen mit Plastikteilen verstärkt waren, "um wirkungs-
voller auf Andreas Oe. einschlagen zu können". Die Angeklagten und die Be. -Brüder gelangten mit Hilfe des von dem Angeklagten Sch. zuvor entwendeten Schlüssels in die Wohnung. Sie fanden Oe. mit völlig verschwollenem Gesicht, blutverschmiert und hilflos im Schlafzimmer liegend vor. Er konnte sich nicht mehr wehren. Die Brüder Be. schlossen die Tür zum Schlafzimmer und begannen sofort, erneut auf ihn einzuschlagen und einzutreten. „Derweil" durchsuchten die Angeklagten die Wohnung nach weiteren mitnehmenswerten Gegenständen. Ob sie auch dieses Mal selbst auf Oe. "einwirkten", ließ sich nicht feststellen. Jedenfalls nahmen sie die Stereoanlage des Geschädigten und weitere Bierflaschen mit und verließen die Wohnung, nachdem "alle noch einmal einen Blick auf den zu der Zeit bäuchlings vor seinem Bett liegenden und sich nicht mehr rührenden, offensichtlich schwer verletzten Herrn Oe. geworfen hatten. Sie ließen ihn liegen, obwohl ihnen bewußt war, daß er aufgrund seiner schweren Verletzungen sterben könnte". Oe. erlitt massive Frakturen und weitere Verletzungen im Kopf- und Gesichtsbereich. Insbesondere eine Halsmarkzerrung mit Zerreißung des Bandapparates zwischen Wirbelsäule und Schädel führte "kurz danach" zum Tod des Geschädigten. Ob Oe. schon verstarb, als die Angeklagten noch in der Wohnung waren oder kurz nach ihrem Verlassen der Wohnung, konnte nicht geklärt werden. Jedenfalls hätte er nach Beibringung der Halsmarkzerrung nicht mehr gerettet werden können (Fall II. 3 der Urteilsgründe).
Die anschließende Nacht verbrachten die Angeklagten in der Wohnung eines der beiden Brüder Be. . Sie unterhielten sich darüber, daß Oe. "wohl nicht überleben werde". Auch am nächsten Morgen wurde wieder darüber geredet , daß Oe. "bestimmt tot" sei. Der Angeklagte B. und ein weiteres Mitglied der Clique suchten nunmehr erneut die Wohnung des Oe. auf. Dort fan-
den sie ihn tot auf dem Boden liegend vor. Sie durchsuchten die Wohnung wiederum , nahmen den Fernseher und ein Videogerät des Oe. mit und begaben sich zurück in die Wohnung des Be. (Fall II. 4 der Urteilsgründe).
Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat die Jugendkammer im Fall II. 1 die Angeklagten Sch. und W. sowie im Fall II. 2 die Angeklagten Sch. und B. jeweils des gemeinschaftlich begangenen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§§ 249 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB), im Fall II. 3 alle drei Angeklagten des gemeinschaftlich begangenen schweren Raubes mit Todesfolge (§ 251 i.V.m. § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a) und b) StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB) und im Fall II. 4 den Angeklagten B. der Unterschlagung (§ 246 Abs. 1 StGB) für schuldig befunden.

II.


Revisionen der Angeklagten
A. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen der Angeklagten hat zu den Schuldsprüchen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
1. Die Angeklagten Sch. und B. dringen mit den von ihnen erhobenen Verfahrensrügen zum Schuldspruch nicht durch.

a) Sowohl der Angeklagte Sch. als auch der Angeklagte B. beanstanden , ihren in der Hauptverhandlung anwesenden Müttern als ihren ge-
setzlichen Vertreterinnen sei entgegen § 67 Abs. 1 JGG i.V.m. § 258 Abs. 2 Halbsatz 2 StPO das letzte Wort nicht erteilt worden. Es kann dahinstehen, ob die von dem Angeklagten B. erhobene Rüge schon deshalb unzulässig ist (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil dieser Beschwerdeführer verschweigt, daß die Beweisaufnahme jeweils in Anwesenheit seiner Mutter nicht nur am letzten Hauptverhandlungstag, dem 19. Dezember 2003, sondern bereits zuvor zunächst am 4. Dezember und sodann ein weiteres Mal am 15. Dezember 2003 geschlossen worden war und jeweils Schlußanträge gestellt worden waren. Jedenfalls könnte diese von den beiden Beschwerdeführern erhobene Rüge nur zur – schon aus sachlichrechtlichen Gründen gebotenen (s.u. II. B) – Aufhebung der sie betreffenden Strafaussprüche führen, weil die Schuldsprüche auf ihm nicht beruhen können. Die Angeklagten haben sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache eingelassen; ihre Mütter waren bei dem Tatgeschehen nicht anwesend; deshalb ist auszuschließen, daß sie bei Erteilung des letzten Wortes Ausführungen hätten machen können, die Einfluß auf die Schuldsprüche hätten haben können (vgl. BGHR JGG § 67 Erziehungsberechtigter 3 m.w.N.).

b) Die von dem Angeklagten Sch. erhobene Rüge, das Landgericht habe eine Wahrunterstellung nicht eingehalten, ist jedenfalls unbegründet. Das Urteil setzt sich mit der unter Beweis gestellten Behauptung, der Arzt Dr. T. habe am 21. März 2003 am Körper und im Gesicht des Geschädigten, der sich bei ihm für eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgestellt habe, aus einem Meter Entfernung keinerlei Verletzungen am Körper oder im Gesicht, insbesondere auch keine Zahnlücken erkannt, nicht in Widerspruch.

c) Die weitere, ebenfalls allein von dem Angeklagten Sch. erhobene Rüge, das Landgericht habe entgegen dem von der Verteidigung in der Hauptverhandlung erklärten Widerspruch die Zeugin S. , vernehmende Richterin im Ermittlungsverfahren, über die Vernehmung des Angeklagten bei seiner Verhaftung vernommen und ihre Aussage verwertet, obwohl weder die Mutter des Angeklagten als Erziehungsberechtigte noch der bereits bestellte Verteidiger bei der Vernehmung anwesend und sie auch von dem Termin nicht unterrichtet worden seien, ist nicht zulässig ausgeführt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Insoweit hätte es der vollständigen Mitteilung des bei der richterlichen Vernehmung dem Angeklagten vorgelesenen und von ihm bestätigten Protokolls seiner polizeilichen Vernehmung vom 24. März 2003 bedurft (vgl. Kuckein in KK 5. Aufl. § 344 Rdn. 39). Daran fehlt es. Der Senat kann deshalb dahingestellt sein lassen, ob diese Rüge auch in der Sache deshalb keinen Erfolg haben könnte, weil nicht bewiesen ist, daß die Mutter des Angeklagten und der von der Ermittlungsrichterin vor Beginn der Vernehmung bestellte Verteidiger von dem Vernehmungstermin nicht unterrichtet waren. Daß sie bei der Vernehmung nicht anwesend waren, begründet für sich keinen Verfahrensverstoß. Im übrigen erscheint zweifelhaft, ob § 168 c Abs. 5 Satz 1 StPO unter den hier gegebenen Umständen eine Pflicht für die Ermittlungsrichterin begründete, den Verteidiger vor Eintritt in die Vernehmung zu benachrichtigen. Der Wortlaut der Vorschrift („vorher“) und ihr Sinn und Zweck legen nahe, daß die Benachrichtigungspflicht nur in der Zukunft liegende Termine erfaßt. Daran fehlt es jedoch, wenn – wie hier – die Vorführung bereits stattfindet und erst während dieses Termins durch die Bestellung des Verteidigers dessen Berechtigung zur Teilnahme begründet wird. Ob Grundsätze des fairen Verfahrens in einem solchen Fall es gebieten, mit der förmlichen Vernehmung innezuhalten, bis der Verteidiger Gelegenheit hatte zu erscheinen, ist eine Frage des Einzelfalls, die hier
nicht zu entscheiden ist, weil der Beschwerdeführer hierauf seine Rüge nicht gestützt hat.

d) Soweit der Angeklagte Sch. schließlich rügt, die Jugendkammer habe eine Vielzahl von Zeugen vernommen, ohne sich mit deren Aussage im Urteil auseinanderzusetzen, ist die Rüge ebenfalls schon deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil der Inhalt der Aussagen der im einzelnen genannten Zeugen nicht mitgeteilt wird. Im übrigen dienen die schriftlichen Urteilsgründe nicht dazu, die gesamte Beweisaufnahme im einzelnen wiederzugeben. Der Tatrichter muß sich im Urteil nur mit den für die Entscheidung maßgebenden Umständen auseinandersetzen. Bleibt ein Beweismittel unerwähnt , so ist deshalb daraus nicht zu schließen, daß es übersehen worden ist (vgl. Meyer-Goßner StPO 47. Aufl. § 267 Rdn. 12 m.w.N.).
2. Die Schuldsprüche halten auch der sachlich-rechtlichen Nachprüfung stand. Die getroffenen Feststellungen beruhen auf einer ausreichenden Beweisgrundlage. Die Beschwerdeführer erheben insoweit auch keine Einwendungen. Die Angeklagten haben sich in der Hauptverhandlung zwar nicht zur Sache eingelassen. Die Jugendkammer hat ihre Überzeugung vom Tatgeschehen und der Beteiligung der Angeklagten aber – rechtlich unbedenklich – auf die durch Angaben von Zeugen bestätigten geständigen Einlassungen der Angeklagten bei ihren Vernehmungen durch die Polizei und die Haftrichterin gestützt. Der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe läßt erkennen, daß die Angeklagten im Ermittlungsverfahren das äußere Tatgeschehen im Umfang der Feststellungen auch hinsichtlich der Fälle II. 2 und 3 der Urteilsgründe nicht in Abrede gestellt haben. Von den Feststellungen zum äußeren Sachverhalt wird auch die im Rahmen der rechtlichen Würdigung getroffene Wertung getragen,
für jeden Anwesenden sei "bei Anspannung der zur Verfügung stehenden intellektuellen und geistigen Möglichkeiten klar ersichtlich" und "jedem vernünftig Denkenden" sei klar gewesen, daß durch die Verletzungen für den Geschädigten die Gefahr des Todes bestand.
B. Dagegen können die Strafaussprüche nicht bestehen bleiben. Sie begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Zwar ist nicht zu beanstanden, daß die Jugendkammer gegen die Angeklagten Jugendstrafen sowohl wegen schädlicher Neigungen als auch wegen der Schwere der Schuld verhängt hat. Auch ist aus Rechtsgründen nichts dagegen zu erinnern, daß die Jugendkammer gemeint hat, die zu verhängenden Strafen müßten „äquivalent“ zur Tatschuld „im oberen Bereich“ des Strafrahmens festgesetzt werden, „um den erzieherischen Effekt zu erzielen, daß die Angeklagten endlich über ihre große Schuld nachdenken“. Das Landgericht hat jedoch die Höhe der erkannten Strafen nur unzureichend begründet. Zumal angesichts dessen, daß die Strafen dem gesetzlichen Höchstmaß nahe kommen , hätte es eingehenderer Erörterung und Darlegung bedurft, weshalb die Strafen in dieser Höhe zur Nachreifung der Angeklagten aus erzieherischen Gründen erforderlich sind (vgl. BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 3, 7 , 8, 10). Das von den Angeklagten in der Hauptverhandlung gezeigte „völlig coole und überheblich-arrogante Verhalten“ läßt nicht ohne weiteres auf eine grundsätzlich rechtsfeindliche Gesinnung schließen, sondern kann auch Ausdruck der noch fehlenden Reife und eines gewissen gruppendynamischen Drucks sein. Schließlich läßt der – nach dem Gesamtzusammenhang im Rahmen der Strafzumessungserwägungen ersichtlich allein den Fall II. 3 der Urteilsgründe betreffende – Klammerzusatz auf UA 30: „(wobei die Kammer bis zuletzt erhebli-
che Zweifel behalten hat, ob nicht auch bei den Taten am Freitag die Angeklagten sich selbst an den Tätlichkeiten beteiligten)“ besorgen, daß die Jugendkammer den auch für die Strafzumessung uneingeschränkt geltenden Grundsatz in dubio pro reo (st. Rspr.; vgl. BGHSt 43, 195, 209; BGH StV 1986,
5) verkannt hat. Ebenfalls nicht unbedenklich erscheint in diesem Zusammenhang , daß die Jugendkammer den Angeklagten moralisierend anlastet, daß sie Oe. „schließlich voraussehbar töteten“, obwohl es nach den Feststellungen nicht die Angeklagten, sondern die Brüder Be. waren, die – nicht ausschließbar hinter der geschlossenen Schlafzimmertür, d.h. ohne daß die Angeklagten unmittelbare Zeugen des Geschehens waren – dem Geschädigten die letztlich todesursächlichen Verletzungen beibrachten.
Über die Strafen ist deshalb neu zu befinden. Dabei wird der neue Tatrichter den Eindruck zu vermeiden haben, er laste den Angeklagten auch an, daß sie in der Hauptverhandlung von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht haben. Soweit es den Angeklagten Sch. betrifft, wird der neue Tatrichter auch die im angefochtenen Urteil versehentlich unterbliebene Einbeziehung des noch nicht erledigten Urteils vom 27. Februar 2003 (vgl. UA 31) nachholen können.

III.


Revisionen der Staatsanwaltschaft
Ohne Erfolg wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren Revisionen dagegen, daß das Landgericht (im Fall II. 3 der Urteilsgründe) die Angeklagten nicht wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts verurteilt hat.
1. Das Landgericht hat einen - auch nur bedingten - Tötungsvorsatz der drei Angeklagten trotz der Brutalität und Rücksichtslosigkeit des Vorgehens nicht mit letzter Sicherheit festzustellen vermocht. Die Jugendkammer hat hierbei "das Alter, die mangelnde Lebenserfahrung, die hohen Defizite der Angeklagten auf ethischem Gebiet und die sonstigen Persönlichkeitsakzentuierungen" berücksichtigt. Diese Wertung hält sich noch im Rahmen der dem Tatrichter obliegenden Würdigung und ist deshalb vom Revisionsgericht hinzunehmen , zumal da es – wie ausgeführt – nicht die Angeklagten, sondern die Brüder Be. waren, die dem Geschädigten die letztlich todesursächlichen Verletzungen beibrachten. Entgegen der Auffassung der Revision ist auch nicht zu besorgen, daß das Landgericht überhöhte Anforderungen an die Feststellung eines (bedingten) Tötungsvorsatzes gestellt hat. Die Wendung im Urteil, "ein ausdrückliches Bekenntnis, daß er bei den Handlungen das Risiko [erg.: eines tödlichen Erfolges] bewußt einkalkuliert habe", habe keiner der Angeklagten abgegeben, gibt keinen Anlaß zu der Annahme, die Jugendkammer mache allgemein die Feststellung eines bedingten Tötungsvorsatzes von einem Geständnis zur subjektiven Tatseite abhängig. Vielmehr hat sie dadurch lediglich zum Ausdruck gebracht, daß in einem solchen Fall erhöhte Anforderungen an die Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu stellen sind. Das läßt Rechtsfehler nicht erkennen.
2. Allerdings hat - worauf der Generalbundesanwalt bereits in seiner Antragsschrift vom 18. Oktober 2004 zutreffend hingewiesen hat - das Landgericht nicht erkennbar geprüft, ob den Angeklagten nicht zumindest bedingter Tötungsvorsatz für den Zeitpunkt zur Last fällt, in dem sie im Fall II. 3 der Urteilsgründe durch die wieder offen stehende Schlafzimmertür den "sich nicht mehr rührenden, offensichtlich schwer verletzten" Oe. bäuchlings vor seinem
Bett liegen sahen und sie ihn in diesem Zustand ohne Hilfe in der Wohnung zurückließen, "obwohl ihnen bewußt war, daß er aufgrund seiner schweren Verletzungen sterben könnte". Doch führt dies hier nicht zu einem Erfolg der Revisionen der Staatsanwaltschaft, auch wenn die Angeklagten eine Garantenpflicht aus Ingerenz traf und sie deshalb für das Leben des Oe. einzustehen hatten.
Vollendeter Totschlag durch Unterlassen (vgl. zu dieser Sachverhaltskonstellation BGHSt 44, 196, 201) käme hier nach den Feststellungen schon deshalb nicht in Betracht, weil der Geschädigte nicht ausschließbar bereits tot war, als die Angeklagten noch in der Wohnung waren. Die Feststellungen ergeben aber auch nicht, daß die Angeklagten sich zumindest des versuchten Totschlags durch Unterlassen schuldig gemacht haben. Tatsächlich war - wie das Landgericht aufgrund des Ergebnisses des rechtsmedizinischen Gutachtens festgestellt hat - das Leben des Geschädigten bereits aufgrund der ihm von den Brüdern Be. beigebrachten Halsmarkzerrung nicht mehr zu retten. Insoweit käme, bezogen auf die Angeklagten, lediglich ein untauglicher Versuch des Totschlags durch Unterlassen in Betracht. Das setzte aber die Feststellung voraus, daß die Angeklagten, als sie die Wohnung verließen, die Vorstellung hatten, das Leben des Oe. könne noch durch ihnen mögliche Maßnahmen gerettet oder in rechtlich erheblicher Weise verlängert werden. Dafür ist jedoch nichts hervorgetreten.
Tepperwien Maat z Athing
Ernemann Sost-Scheible

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 204/02
vom
27. August 2002
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. August
2002, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Nack
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 29. Januar 2002 wird verworfen. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes, wegen schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes jeweils in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Schutzbefohlenen in vier Fällen sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision die Verletzung sachlichen Rechts. Sie erstrebt im Ergebnis eine höhere, zu vollstreckende Strafe. Ihr Rechtsmittel bleibt erfolglos.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts streichelte der Angeklagte im Jahr 1987 seine aus erster Ehe stammende, in seinem Haushalt lebende
damals 13jährige Tochter N. im Bereich der Vagina, führte für wenige Sekunden einen Finger leicht in die Scheide ein und ließ N. kurz sein entblößtes , erigiertes Glied anfassen. Er onanierte sodann vor dem Kind bis zum Samenerguß und zeigte die Samenflüssigkeit seiner Tochter mit den Worten: "Schau' mal, wie sich das anfühlt!" (Fall II. 1., sexueller Mißbrauch eines Kindes nach § 176 Abs. 1 StGB aF; die Gesetzesverletzung nach § 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB war verjährt). Im Juli oder August 1998 veranlaßte der Angeklagte die seinerzeit 8jährige Tochter I. seiner nunmehrigen Lebensgefährtin J. K. , sein nicht erigiertes Glied für wenige Sekunden in den Mund zu nehmen und daran zu lutschen, als er I. zu Bett brachte. Er war in diesem Zeitraum auch mit der Erziehung des Kindes befaßt. Ein bis zwei Wochen später wiederholte sich dieser Vorgang. Etwa ein bis drei Wochen darauf führte der Angeklagte einen Finger in die Scheide des Mädchens ein und bewegte ihn. Aufforderungsgemäß leckte das Kind den Finger sodann ab. Er streichelte es schließlich im Bereich der Scheide und küßte diese. Wenige Tage später kam es erneut zu den gleichen Handlungen; zudem gab der Angeklagte jetzt dem Kind einen Zungenkuß (Fälle II. 2. a) bis d), schwerer sexueller Mißbrauch eines Kindes in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Schutzbefohlenen, § 176 Abs. 1, § 176a Abs. 1 Nr. 1, § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Am 18. Juni 2000 würgte der Angeklagte seine Lebensgefährtin J. K. im Zuge der Trennung beider, so daß diese zwei Tage lang unter Schluckbeschwerden litt (Fall II. 3., vorsätzliche Körperverletzung, § 223 Abs. 1 StGB). 2. Das Landgericht hat für die erste Tat - zum Nachteil von N. , Fall II.1. - eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, für die vier Taten zum
Nachteil von I. - Fälle II. 2. - je eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und für die Körperverletzung zum Nachteil der J. K. - Fall II.3. - eine Geldstrafe ! "! $# % & von 120 Tagessätzen á 40 sstrafe von zwei Jahren gebildet. Deren Vollstreckung hat es zur Bewährung ausgesetzt. In den ersten beiden Komplexen (zum Nachteil N. und I. ) hat es jeweils minder schwere Fälle angenommen und dabei ausdrücklich darauf abgestellt, daß die Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a Nr. 1 StGB erfüllt seien. Bei der Bemessung der Geldstrafe für das Körperverletzungsdelikt hat es ebenso die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB bejaht und den Strafrahmen über § 49 Abs. 1 StGB gemildert. Die Strafkammer hat dies damit begründet, daß der Angeklagte in der Hauptverhandlung an sei- %' )(+*, "- . / '10 / ' 2 354 6 '1 1*, 7 98/4 70 ne Tochter N. 260 zivilrechtlichen Verjährung eines im Adhäsionsverfahren anhängigen Schmerzensgeldanspruchs ausgegangen war. Zur Abgeltung weiterer, ebenfalls im Adhäsionsverfahren geltend gemachter Ansprüche der Geschädigten I. und J. K. hat er sich im Wege eines in der Hauptverhandlung protokol- # 0 1;: ,< = *, 8/4 ?> lierten Vergleichs zur Zahlung von 3.000 ver- 6@ pflichtet, die bei ratenweiser Zahlung in Höhe von insgesamt 2.000 zehn Monaten als vollständig erfüllt gelten sollten. J. K. hat er im Vergleichswege sämtliche im ehemals gemeinsamen Haushalt verbliebenen gemeinschaftlichen Möbel und Hausratsgegenstände zu Alleineigentum überlassen ; diese ging dabei von einem Wert der Gegenstände in Höhe von 3.500 aus. Der Angeklagte bezog zuletzt Übergangsgeld vom Arbeitsamt; er hat Unterhaltsverpflichtungen und ist hoch verschuldet.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet. 1. Die Bejahung der Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs (gemäß § 46a Nr. 1 StGB) durch das Landgericht begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) § 46a Nr. 1 StGB verlangt, daß der Täter im Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat "ganz oder zum überwiegenden Teil" wiedergutgemacht hat; es ist aber auch ausreichend, daß der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt. Das Bemühen des Täters setzt grundsätzlich einen kommunikativen Prozeß zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden , friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt sein muß. Das einseitige Wiedergutmachungsbestreben ohne den Versuch der Einbeziehung des Opfers genügt dazu nicht (BGH NStZ 1995, 492; NJW 2001, 2557; NStZ 2002, 29). Wenngleich ein "Wiedergutmachungserfolg" nicht zwingende Voraussetzung ist (BGH aaO), so muß sich doch das Opfer auf freiwilliger Grundlage zu einem Ausgleich bereit finden und sich auf ihn einlassen. Ebensowenig wie allein die Erfüllung von Schadensersatzansprüchen genügt, ist andererseits bei einem auf Ausgleich angelegten Verhalten des Täters, das sich als "Ausdruck der Übernahme von Verantwortung" erweist, die vollständige Erfüllung der bestehenden Ersatzansprüche erforderlich ; die strafrechtliche Wiedergutmachung im Sinne von § 46a StGB darf mit dem zivilrechtlichen Schadensersatz nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden (so zu § 46a Nr. 2 StGB: BGH NJW 2001, 2557). Der Anwendbarkeit steht zudem nicht von vornherein entgegen, daß der Täter den finanziellen Ausgleich durch seinen Verteidiger und etwa erst zu einem Zeitpunkt veranlaßt hat oder sich dazu verpflichtet hat, zudem ihn das Opfer bereits auf Zahlung in An-
spruch genommen hat (BGH StV 2000, 129 = NStZ-RR 2000, 364; StV 1999, 89; NStZ 1995, 284). Regelmäßig sind aber tatrichterliche Feststellungen dazu erforderlich, wie sich das Opfer zu den Bemühungen des Täters gestellt hat, wie sicher die Erfüllung einer etwaigen Schmerzensgeldzahlungsverpflichtung ist und welche Folgen diese Verpflichtung für den Täter haben wird (BGH NStZ 2002, 29; BGH, Beschluß vom 22. Januar 2002 - 1 StR 500/01). Auf dieser Grundlage hat der Tatrichter in "wertender Betrachtung" und schließlich nach Ermessensgesichtspunkten zu entscheiden, ob er die Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs annimmt und danach von der so eröffneten Milderungsmöglichkeit Gebrauch macht. Dabei gilt es, das gesetzgeberische Anliegen im Blick zu behalten, mit der Vorschrift für den Täter einen als "vertypten Strafmilderungsgrund" ausgestalteten Anreiz für entsprechende Ausgleichsbemühungen zu schaffen. Das verbietet nach Auffassung des Senats ein allzu enges Verständnis der Vorschrift jedenfalls in denjenigen Fällen, in denen ein kommunikativer Prozeß zwischen Täter und Opfer stattgefunden hat; dies wird vornehmlich für Taten im Familienverbund oder innerhalb sonstiger persönlicher Beziehungen zu gelten haben.
b) Das Landgericht hat diese Maßstäbe im Ergebnis beachtet. Die Urteilsgründe belegen in ihrem Zusammenhang noch hinreichend die Voraussetzungen eines stattgefundenen Täter-Opfer-Ausgleichs, den die Beschwerdeführerin namentlich hinsichtlich der ersten beiden Tatkomplexe (Taten zum Nachteil der Kinder) in Frage stellt. Die Feststellungen ergeben, daß der Angeklagte versucht hat, die Tatopfer in seine Ausgleichsbemühungen einzubeziehen und daß ein friedensstiftender "kommunikativer Prozeß" stattgefunden hat. So nahm der Angeklagte im zweiten Fallkomplex (zum Nachteil von I. ) nach Offenlegung des Kindesmißbrauchs durch die Geschädigte gegenüber ihrer Mutter um die Jahreswende 1998/99 mit der Telefonseelsorge Kontakt
auf; die Mutter ließ sich ebenfalls beraten. In Absprache mit der Mutter kam es danach zu einem - ersichtlich auch von der Beratungsstelle für sinnvoll erachteten - Gespräch zwischen Angeklagtem und dem Kind. Im Einvernehmen des Angeklagten, des Kindes und der Mutter lebten alle drei mit einer weiteren, jüngeren Tochter der Mutter seit Frühjahr 1999 wieder zusammen und zogen im Herbst 1999 gemeinsam nach Ku. , wo der Angeklagte und seine Lebensgefährtin ein Haus kauften (UA S. 13). Daß dieser ersichtlich einstweilen erfolgreiche Versuch einer "Aufarbeitung" der Taten zeitlich vor der Einleitung des Ermittlungsverfahrens lag, hindert den Tatrichter nicht, ihn - jedenfalls im Ergebnis - mit in Betracht zu ziehen. Ähnlich lag es auch beim ersten Fall (zum Nachteil von N. ). Nachdem sich das Opfer seiner Stiefmutter, der zweiten Ehefrau des Angeklagten, anvertraut und diese dem Angeklagten deshalb Vorhaltungen gemacht hatte, gab der Angeklagte die Tat zu. Da er N. versprach , derartiges nie mehr zu tun, hielt diese auch in der Folgezeit weiter Kontakt zu ihm. Dies blieb so, bis im Jahr 2000 die Vorwürfe des Mißbrauchs von I. bekannt wurden. Aus Empörung darüber brach N. nun den Kontakt mit ihrem Vater ab und erstattete ihrerseits Anzeige. Daß der Angeklagte in der Hauptverhandlung ein Schmerzensgeld an N. gezahlt hat und im übrigen im Wege eines protokollierten Vergleichs entsprechende Verpflichtungen zur Ersatzleistung eingegangen ist (UA S. 7, 8/9, 11), belegt unter diesen Umständen noch genügend, daß die Ausgleichsbemühungen auch in der Folge jedenfalls eine gewisse friedensstiftende Wirkung gezeitigt oder jedenfalls angebahnt haben; die Annahme der Vergleiche und der vergleichsweisen Zahlung setzt eine entsprechende Bereitschaft seitens der Opfer voraus. Ein gerichtlich protokollierter Vergleich ist ein Vollstrekkungstitel (vgl. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Auswirkungen der erfolgten und der zu erbringenden Zahlungen für den hoch verschuldeten Angeklagten erge-
ben sich noch genügend aus dem Zusammenhang mit den Feststellungen zu seinen finanziellen und persönlichen Verhältnissen. Unter all diesen Umständen ist jedenfalls von Rechts wegen nichts dagegen zu erinnern, daß die Strafkammer die Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs in wertender Betrachtung für alle Fälle bejaht und von ihrer Straffindungskompetenz in revisionsrechtlich hinzunehmender Weise Gebrauch gemacht hat. Im ersten Fall steht der ersichtlichen Annahme "überwiegender Wiedergutmachung" von Rechts wegen nicht die eher geringe Höhe des gezahlten Schmerzensgeldes entgegen. Denn die Tat lag lange zurück. Die Geschädigte hatte nach Aussprache weiter Kontakt mit dem Angeklagten, ihrem Vater, gepflegt, und fortdauernde erhebliche psychische Folgen des Tatgeschehens sind im Urteil nicht festgestellt. Sie liegen angesichts des Zeitablaufs und des Lebensalters der Geschädigten zur Tatzeit sowie zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung auch nicht nahe.
c) Aus den Urteilsgründen ergibt sich schließlich auch kein Anhalt dafür, daß die Geschädigten den Täter-Opfer-Ausgleich etwa nicht "ernsthaft mitgetragen" und nicht als friedensstiftende Konfliktregelung "innerlich akzeptiert" hätten. Deshalb kann der Senat dahinstellen, ob ein solcher innerer Vorbehalt des Opfers der Annahme der Voraussetzungen eines Ausgleichs entgegenstünde (so der 2. Strafsenat, Urteil vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02).
2. Die Revisionsbegründung der Beschwerdeführerin zeigt auch sonst einen Rechtsfehler nicht auf. Nack Wahl Boetticher Schluckebier Kolz

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 199/04
vom
9. September 2004
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. September
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Nebenkläger-Vertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 26. November 2003 im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere - allgemeine -Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten der gefährlichen K örperverletzung , begangen zum Nachteil des Nebenklägers Dirk K. für , schuldig befunden und ihn zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mi t ihrer auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision, die sie wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Das - vom Generalbundesanwalt vertretene - Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


1. Nach den Feststellungen traf der - bereits alkoholisierte - Angeklagte in der Nacht zum 1. Juni 2003 in der Diskothek "M. " auf den mit ihm
flüchtig bekannten Nebenkläger, der sich in Begleitung seiner Nachbarin Katrin H. befand. Der Nebenkläger war in sie verliebt und reagierte entsprechend eifersüchtig, als er im Laufe des Abends bemerkte, daß es zwischen dem Angeklagten und Katrin H. „gefunkt“ hatte. Er verließ deshalb zunächst die Diskothek, tauchte aber einige Zeit später wieder auf, worauf es zwischen beiden zu einer verbalen Auseinandersetzung kam, obwohl der Angeklagte keinen Streit wollte. Beide trennten sich schließlich und der Angeklagte fuhr mit dem Taxi nach Hause. Dort überkam ihn wegen des Geschehens plötzlich eine "ungeheure Wut". Er nahm sich aus der Küche drei Messer mit Klingenlängen zwischen 11 und 20 cm und ging, mit diesen Messern bewaffnet, zur Wohnung des Nebenklägers. Dort wartete er auf der gegenüberliegenden Straßenseite, bis der Nebenkläger mit einem Taxi erschien. Als dieser ausstieg , näherte sich ihm der Angeklagte, dessen BAK in diesem Zeitpunkt 2,43 ‰ betrug, unbemerkt. "In diesem Augenblick wollte er Dirk K. töten. Er rief nur 'Dirk'. K. drehte sich um. Sofort stach der Angeklagte auf ihn ein" (UA 10). Der Nebenkläger war durch den Stich zwar verletzt, fühlte aber noch keinen Schmerz und bewegte sich rückwärts in Richtung einer Trinkhalle. Der Angeklagte verfolgte ihn über 50 Meter und stach dabei weiter auf ihn ein. Dabei äußerte er: "Ich stech' Dich ab, das wird meine Perle". Schließlich ließ der Angeklagte von ihm ab und gab seinen Tötungsvorsatz auf. Dirk K. war schwer verletzt. Der Angeklagte erkannte das nicht, weil dieser wegrannte.
Dem Nebenkläger gelang es, mit seinem Mobiltelefon de n Polizeinotruf zu betätigen. Die darauf erschienenen Polizeibeamten fanden auf einen Hinweis des Nebenklägers auch den Angeklagten in der Nähe auf einer Mauerbegrenzung sitzend vor, von wo aus er die Beamten auf sich aufmerksam machte; er war "fassungslos über sein eigenes Verhalten".
Der Nebenkläger erlitt drei lebensgefährliche Stichverletzungen in Bauch und Brust. Er konnte nur durch eine Notoperation gerettet werden. Insgesamt waren drei Operationen erforderlich. Der Nebenkläger befand sich drei Wochen in stationärer Behandlung im Krankenhaus und anschließend zur Weiterbehandlung in einer Reha-Klinik. Er ist immer noch stark belastet und nicht arbeitsfähig.
2. Das Landgericht hat einen strafbefreienden Rücktritt vom unbeendeten Versuch eines Tötungsdelikts angenommen und den Angeklagten deshalb lediglich der gefährlichen Körperverletzung nach den Tatvarianten der Nummern 2 und 5 des § 224 Abs. 1 StGB für schuldig befunden. Es hat - sachverständig beraten - eine alkoholbedingt erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bejaht und deshalb bei der Strafbemessung den Regelstrafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert. Diesen so gemilderten Strafrahmen hat es sodann ein weiteres Mal gemäß §§ 46 a Nr. 2, 49 Abs. 1 StGB gemildert, weil der Angeklagte, der "den Prozeß dazu nutzen (wollte), sich bei Dirk K. zu entschuldigen", "ein Darlehen in Höhe von 5.000 Euro bei seiner Mutter aufgenommen und dieses Geld im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs als Erstzahlung an K. gezahlt" hat (UA 12).

II.


1. Der Strafausspruch hat keinen Bestand, weil die dopp elte Strafrahmenmilderung durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer Revision zu Recht, daß die Voraussetzungen für einen
erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich (§ 46 a StGB) nicht hinreichend dargetan sind.

a) Das Landgericht geht davon aus, daß die Voraussetzunge n des § 46 a Nr. 2 StGB gegeben seien, weil der Angeklagte 5.000 Euro gezahlt und damit , "auch wenn dies noch keine vollständige Leistung auf den Schmerzensgeldanspruch ist" (UA 19), angesichts seiner sonstigen hohen Verschuldung eine erhebliche persönliche Leistung erbracht habe, zumal er für die Zahlung an den Geschädigten einen zurückzuzahlenden "Kredit bei seiner Mutter" habe aufnehmen müssen. Die Erfüllung von Schadensersatzansprüchen allein genügt jedoch nicht, um die durch § 46 a StGB eröffnete Strafrahmenmilderung zu rechtfertigen (BGHR StGB § 46 a Wiedergutmachung 5). Das gilt hier umso mehr, als die Zahlung von 5.000 Euro angesichts der Schwere der Verletzungen und der Folgen der Tat für das Opfer dessen berechtigten Ansprüchen auch nicht annähernd gerecht wird und diese Art der Schadenswiedergutmachung schon deshalb eine friedensstiftende Wirkung, wie sie § 46 a StGB voraussetzt , nicht entfalten kann.

b) Im übrigen hat das Landgericht nicht bedacht, daß § 46 a Nr. 2 StGB den materiellen Schadensersatz betrifft, während sich der für eine Strafrahmenmilderung erforderliche Ausgleich der immateriellen Folgen einer Straftat, um die es hier vor allem geht (Schmerzensgeldanspruch), jedenfalls vorrangig nach Nr. 1 des § 46 a StGB bestimmt (vgl. BGHR StGB § 46 a Nr. 1 Ausgleich 1). Diese Vorschrift setzt einen kommunikativen Prozeß zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftaten verursachten Folgen gerichtet sein muß; das einseitige Wiedergutmachungsbestreben ohne den Versuch einer Einbeziehung des Opfers genügt nicht
(BGHSt 48, 134, 142 f.; BGHR StGB § 46 a Nr. 1 Ausgleich 5). Regelmäßig sind dazu Feststellungen erforderlich, wie sich das Opfer zu den Bemühungen des Täters gestellt hat und wie sicher die Erfüllung der über den bisher gezahlten Betrag hinausgehenden weiteren Schmerzensgeldzahlungsverpflichtung ist (BGHR aaO Ausgleich 6). Derartige Feststellungen hat das Landgericht nicht getroffen. Sie waren auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Denn ein erfolgreicher Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne von § 46 a Nr. 1 StGB setzt grundsätzlich voraus, daß das Opfer die erbrachten Leistungen oder Bemühungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert. Daß dies hier der Fall ist, kann auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnommen werden. Dagegen könnte sogar sprechen, daß sich das vom Angeklagten gezahlte Geld nicht bei dem Nebenkläger, sondern auf einem Treuhandkonto seines Prozeßbevollmächtigten befindet.
Über den Strafausspruch ist deshalb erneut zu befinden.
2. Im übrigen deckt die Überprüfung des Urteils zum Strafausspruch einen Rechtsfehler weder zu Gunsten noch – was der Senat gemäß § 301 StPO zu beachten hat – zum Nachteil des Angeklagten auf. Insbesondere hat das Schwurgericht entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin neben den Tatmodalitäten der Nrn. 2 und 5 des § 224 Abs. 1 StGB zu Recht nicht auch die Nr. 3 der Vorschrift ("mittels eines hinterlistigen Überfalls") angewandt. Hinterlist setzt voraus, daß der Täter planmäßig in einer auf Verdeckung seiner wahren Absicht berechneten Weise vorgeht, um dadurch dem Gegner die Abwehr des nicht erwarteten Angriffs zu erschweren und die Vorbereitung auf seine Verteidigung nach Möglichkeit auszuschließen (st. Rspr.; BGHR StGB § 223 a StGB Hinterlist 1 m.w.N.; BGH NStZ 2004, 93). Ein solches planmäßig
auf Verdeckung ausgerichtetes Verhalten des Angeklagten kann den vom Landgericht getroffenen Feststellungen nicht entnommen werden. Indem der Angeklagte sich K. „unbemerkt von hinten oder seitlich (näherte)“ (UA 10) und auf ihn sofort einstach, nachdem sich dieser auf seinen Zuruf umgedreht hatte, hat der Angeklagte für den Angriff lediglich das Überraschungsmoment ausgenutzt. Das genügt aber für Hinterlist im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht (st. Rspr.; Senatsurteil vom 4. März 2004 – 4 StR 377/03; Stree in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 224 Rn. 10 m.w.N.).

III.


Der Senat verweist die Sache an eine allgemeine Straf kammer des Landgerichts zurück, nachdem das Verfahren nicht mehr eine die Zuständigkeit des Schwurgerichts betreffende Straftat zum Gegenstand hat.
Tepperwien Maatz Kuckein
Athing Sost-Scheible

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.