Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 10. Okt. 2011 - 2 S 1369/11

bei uns veröffentlicht am10.10.2011

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 31. März 2011 - 6 K 303/09 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über die Versorgung des Klägers mit einem Elektromobil (Cityliner 412).
Der Kläger ist Beamter der Bundesfinanzverwaltung der Bundesrepublik Deutschland und für sich und seine Ehefrau mit einem Bemessungssatz von jeweils 70 Prozent beihilfeberechtigt. Die Ehefrau des Klägers leidet an Multipler Sklerose (MS) und ist stark gehbehindert (Merkmal „aG“). Nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten erhält sie seit dem 01.08.2001 von der Beihilfestelle anteilige Pflegeleistungen der Stufe III (Pflegegeld für häusliche Pflege).
Unter dem 30.11.2008 beantragte der Kläger unter anderem Beihilfe für das für seine Ehefrau im September 2008 angeschaffte „behindertengerechte Elektromobil Cityliner 412“. Laut Rechnung der Firma R. belaufen sich die Kosten hierfür auf 3.928,57 EUR. In der ärztlichen Bescheinigung des Dr. med. J. vom 01.04.2008 wird sinngemäß die medizinische Notwendigkeit für ein „Elektrokrankenfahrzeug“ attestiert und ausgeführt, die Ehefrau des Klägers wohne an einem Berghang und ohne ein Elektrokrankenfahrzeug könne sie sich nicht fortbewegen.
Mit Bescheid vom 03.12.2008 lehnte die Beklagte die Ausstattung der Ehefrau des Klägers mit einem Elektromobil mit der Begründung ab, es handele sich nicht um ein beihilfefähiges Hilfsmittel. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers, den er damit begründete, im Jahre 2003 sei für den Kauf eines behindertengerechten Elektromobils Beihilfe gewährt worden, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2009 zurück. Zur Begründung führte die Behörde unter anderem aus, nach Nr. 1 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfevorschriften des Bundes seien Krankenfahrstühle mit Zubehör beihilfefähig. Nicht beihilfefähig seien dagegen die unter Nr. 9 der Anlage 3 aufgeführten Gegenstände, wozu auch Elektrofahrzeuge, d.h. auch das hier zu beurteilende Elektromobil gehörten.
Der Kläger hat am 02.03.2009 beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben mit dem sinngemäßen Antrag, die Beklagte zu verpflichten, ihm Beihilfe in Höhe von 70 Prozent für die Anschaffung eines Elektromobils Cityliner 412 zu gewähren und die entgegenstehenden Bescheide der Beklagten vom 03.12.2008 und 03.02.2009 aufzuheben.
Das Verwaltungsgericht Freiburg hat mit Urteil vom 31.03.2011 die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Bei dem vom Kläger angeschafften Elektromobil handele es sich ersichtlich nicht um einen Krankenfahrstuhl im Sinne von Nr. 1 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfevorschriften des Bundes, sondern um ein Elektrofahrzeug im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3. Dieses Fahrzeug sei so gebaut, dass es schon von seinem optischen Eindruck her niemandem einfallen werde, dieses Fahrzeug als Krankenfahrstuhl zu bezeichnen. Wegen seiner Konstruktion und seinen Ausmaßen sei das Fahrzeug auch nicht dazu geeignet, in Wohnungen als Ersatz für einen Stuhl zu dienen. Das Elektromobil sei zur Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr gedacht und entsprechend sei es auch ausgestattet mit Beleuchtung, Blinker, Bremslichtern und Warnblinklicht. Dafür, dass es sich nicht um einen Krankenfahrstuhl handele, spreche im Übrigen auch die Internet-Präsentation der Herstellerfirma. Diese präsentiere das Elektromobil unter dem Oberbegriff „Scooter“ und nicht unter dem Oberbegriff „Rollstühle“, unter dem sie unter anderem auch elektrisch betriebene Rollstühle anbiete.
Die Anschaffung des Elektromobils sei nicht beihilfefähig, weil der Gegenstand der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sei. Es handele sich nicht um ein Hilfsmittel, das speziell auf die Nutzung durch kranke oder behinderte Menschen zugeschnitten sei. Ein Elektromobil spreche einen breiteren Personenkreis an, der keines Rollstuhls bedürfe, aber seine Mobilität erhöhen wolle. Es könne unabhängig von bestimmten Krankheitszuständen auch im Rahmen der allgemeinen Lebenshaltung etwa von älteren, nicht krankheitsbedingt in der Gehfähigkeit eingeschränkten, aber allgemein körperlich schwächeren Menschen benutzt werden. Der allgemeinen Lebenshaltung dienten diejenigen Hilfsmittel, die üblicherweise herangezogen würden, um die „Unbequemlichkeiten“ des Lebens zu erleichtern, und die aufgrund der objektiven Eigenart und Beschaffenheit des Gegenstandes keinen unmittelbaren Bezug zu dem festgestellten Krankheitsbild hätten.
Der Umstand, dass die Beklagte früher Beihilfe für ein ähnliches Gerät gewährt habe, begründe auch keinen Vertrauensschutz. Die Abrechnung der Beihilfestellen habe Einzelfallcharakter und enthalte keine darüber hinausgehende positive Feststellung oder Festlegung zur Beihilfefähigkeit künftiger Anträge. Selbst wenn die früher für ein ähnliches Gerät bewilligte Beihilfe rechtswidrig gewesen wäre, sei die Beklagte nicht verpflichtet, diese rechtswidrige Praxis fortzusetzen.
Die Fürsorgepflicht gebiete ebenfalls nicht die Gewährung einer weiteren Beihilfe. Die Beihilfevorschriften stellten eine für den Regelfall grundsätzlich abschließende Konkretisierung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen dar. Weitergehende Beihilfeansprüche könnten allenfalls begründet sein, wenn die Fürsorgepflicht in einem Einzelfall gleichwohl noch in ihrem Wesenskern verletzt wäre. Daran wäre etwa zu denken, wenn die Ehefrau des Klägers erst durch ein Elektromobil die ihren Grundbedürfnissen zuzuordnende Bewegungsfreiheit erhielte; diese Bewegungsfreiheit könnte sie aber bereits durch einen - beihilfefähigen - Krankenfahrstuhl erhalten.
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Gegen das ihm am 08.04.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.05.2011 (einem Montag) - die vom Verwaltungsgericht zugelassene - Berufung beim Verwaltungsgerichtshof eingelegt. Nachdem der Kläger am 09.05.2011 darauf hingewiesen worden war, dass die Berufung beim Verwaltungsgericht einzulegen ist, hat er am 20.05.2011 beim Verwaltungsgericht (nochmals) Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung dieses Antrags macht der Kläger geltend: Die Rechtsanwaltsfachangestellte des Bevollmächtigten habe in die Berufungsschrift als Adressaten den Verwaltungsgerichtshof eingetragen. Sie habe am 09.05.2011 gegen 11.00 Uhr dem Bevollmächtigten die Berufungsschrift vorgelegt. Der Bevollmächtigte habe kurzfristig wegen der Erkrankung seines Sohnes um ungefähr 12.00 Uhr die Kanzlei verlassen müssen. Zuvor habe er die Berufungsschrift unterzeichnet und die Rechtsanwaltsfachangestellte darauf hingewiesen, dass die erste Seite der Berufungsschrift noch ausgetauscht werden müsse, weil die Berufung beim Verwaltungsgericht einzureichen sei. Die Rechtsanwaltsfachangestellte habe den Berufungsschriftsatz in der alten Form - also adressiert an den Verwaltungsgerichtshof - um 12.19 Uhr gefaxt. Hierbei habe sie vergessen, dass der Adressat in dem Berufungsschriftsatz noch habe ausgetauscht werden müssen. Die Rechtsanwaltsfachangestellte sei eine ausgesprochen erfahrene und zuverlässige Kraft mit zwölfjähriger Berufserfahrung. Deshalb habe der Bevollmächtigte bei Verlassen der Kanzlei auch davon ausgehen dürfen, dass der Adressat der Berufungsschrift seinen Anweisungen entsprechend geändert werde.
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In der Sache trägt der Kläger zur Begründung der Berufung unter anderem Folgendes vor: Das angeschaffte Elektromobil sei als Krankenfahrstuhl im Sinne der Anlage 3 Nr. 1 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfevorschriften des Bundes anzusehen. Es sei mit einem Elektrokrankenstuhl in jeder Hinsicht vergleichbar. Das Elektromobil könne auch nicht als Gegenstand der allgemeinen Lebenshaltung angesehen werden. Es sei speziell für behinderte und in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkte Personen entwickelt worden. Dem Verwaltungsgericht sei zwar insoweit Recht zu geben, als das Elektromobil auch von älteren, körperlich geschwächten Personen genutzt werden könne. Dies gelte jedoch auch für Rollstühle im herkömmlichen Sinne.
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Ein Anspruch lasse sich darüber hinaus auch aus der grundgesetzlich garantierten Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten ableiten. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts könne die Ehefrau des Klägers die ihren Grundbedürfnissen zuzuordnende Bewegungsfreiheit nicht bereits durch einen Krankenfahrstuhl erhalten. Ihre Mobilität sei durch das angeschaffte Elektromobil deutlich gestiegen. Hierdurch sei es ihr auch alleine möglich, sich außerhalb der Wohnung fortzubewegen.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 31. März 2011 - 6 K 303/09 - zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 09.12.2008 und 03.02.2009 zu verpflichten, ihm eine Beihilfe in Höhe von 70 Prozent zu den Kosten für die Anschaffung eines Elektromobils in Höhe von 3.928,57 EUR zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie erwidert: In Nr. 9 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfevorschriften des Bundes seien Gegenstände aufgeführt, die der allgemeinen Lebenshaltung unterlägen und die deshalb von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen seien. Dort seien Elektrofahrzeuge (= Elektromobile) namentlich genannt. Die Versorgung mit einem der Erkrankung der Ehefrau des Klägers entsprechenden - medizinisch notwendigen - Fortbewegungsmittel werde mit einem Krankenfahrstuhl, der unter Nr. 1 der Anlage 3 als beihilfefähiges Hilfsmittel aufgeführt sei, gewährleistet. Hierzu gehörten auch Elektrorollstühle, zu deren Anschaffungskosten von der Beihilfestelle eine anteilige Beihilfe gewährt worden wäre. Dadurch wäre dem Anspruch der Ehefrau des Klägers auf Bewegungsfreiheit ausreichend Genüge getan. Die Versorgung mit einem Elektromobil gehe dagegen über den Maßstab des medizinisch Notwendigen hinaus.
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Das hier zu beurteilende Elektromobil könne - entgegen der Auffassung des Klägers - auch nicht als Krankenfahrstuhl im Sinne der Anlage 3 Nr. 1 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfevorschriften des Bundes angesehen werden. Auch bei wohlwollender Auslegung sei das Elektromobil, das ersichtlich für die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr konstruiert und hierfür ausgestattet sei, hingegen für die Nutzung innerhalb einer Wohnung aufgrund seiner Abmessungen und seines Wendekreises völlig ungeeignet sei, nicht mit einem speziell zum Ausgleich von Behinderungen konzipierten Krankenfahrstuhl vergleichbar. In der Bedienungsanleitung für das vom Kläger angeschaffte Elektromobil werde darauf hingewiesen, dass als Voraussetzung für dessen Nutzung die grundsätzliche Eignung des Fahrers zur Teilnahme am Straßenverkehr gewährleistet sein müsse. Zudem werde mehrmals auf die durch den Gebrauch des Fahrzeugs möglichen Gefahren (Unfall-, Kurzschluss-, Verletzungs-, Kippgefahr, Überschreitung der Sicherheitsgrenzen bei Geschwindigkeit und Gefälle) aufmerksam gemacht. Nutzungseinschränkungen und -gefahren dieses Umfangs seien mit der Bezeichnung Krankenfahrstuhl, die nach der Definition ausschließlich eine Benutzung durch kranke und behinderte Personen ermöglichen solle, nicht vereinbar. Sie gäben vielmehr Hinweis darauf, dass die Nutzung hauptsächlich durch gesunde, allenfalls in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkte Personen erfolgen könne.
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Im häuslichen Bereich sei die Ehefrau des Klägers mit einem „normalen“ Rollstuhl versorgt. Zudem erhalte sie seit dem 01.08.2001 von der Beihilfestelle anteilige Pflegeleistungen der Stufe III (Pflegegeld für häusliche Pflege). Dieses Pflegegeld diene auch zur Verbesserung der Bewegungsfreiheit (Mobilität) der Ehefrau des Klägers. Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass die Pflegeperson - bei einem Betreuungsbedarf „rund um die Uhr“, wie er der Pflegestufe III zugrundezulegen sei - dafür Sorge zu tragen habe, dass der Ehefrau des Klägers die Teilnahme am allgemeinen Leben ermöglicht werde. Hierzu könne mit Hilfe der Pflegeperson der bereits vorhandene Rollstuhl verwendet werden. Eine zusätzliche Versorgung mit einem Elektromobil sei daher nicht erforderlich.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Akten sowie die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
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Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
I.
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Die Berufung des Klägers ist zulässig.
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Die vom Verwaltungsgericht in seinem Urteil zugelassene Berufung (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist zwar beim Verwaltungsgericht erst nach Ablauf der einmonatigen Berufungsfrist des § 124 a Abs. 2 Satz 1 VwGO und damit verspätet eingelegt worden. Wegen der versäumten Frist ist dem Kläger jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§§ 125 Abs. 1, 60 VwGO), da er ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist für die Einlegung der Berufung verhindert war. Nach dem Vorbringen des Klägers hat die Rechtsanwaltsfachangestellte seines Prozessbevollmächtigten am letzten Tag der Berufungsfrist - am Montag, dem 09.05.2011 - die Berufung entgegen der ausdrücklichen Anweisung des Bevollmächtigten beim Verwaltungsgerichtshof und nicht beim Verwaltungsgericht eingereicht. Der Kläger hat diese Darstellung durch eine eidesstattliche Versicherung der Angestellten hinreichend glaubhaft gemacht. Das danach anzunehmende Verschulden des Büropersonals seines Bevollmächtigten ist dem Kläger nicht zuzurechnen. Soweit ein Bevollmächtigter seinem Personal - wie hier - Weisungen erteilt hat, darf er grundsätzlich darauf vertrauen, dass sein sonst zuverlässiges Personal seine Weisungen befolgt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 60 RdNr. 21). Danach hat der Bevollmächtigte des Klägers hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Versäumung der Berufungsfrist auf einem Versehen seiner sonst zuverlässigen Kanzleiangestellten beruhte. Der Wiedereinsetzungsantrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden und erfüllt damit auch die weiteren, sich aus § 60 Abs. 2 Satz 1 1 Hs. VwGO ergebenden Voraussetzungen.
II.
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Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage, mit der der Kläger die Gewährung einer Beihilfe für die Anschaffung eines Elektromobils beansprucht, zu Recht abgewiesen.
25 
1. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.). Ob und inwieweit der Kläger Anspruch auf Beihilfe für das für seine Ehefrau angeschaffte Elektromobil hat, bestimmt sich danach auf der Grundlage der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften des Bundes für Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften - BhV -) in der im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden Fassung vom 01.11.2001. Zwar genügen die Beihilfevorschriften nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts, sie waren jedoch für eine Übergangszeit weiterhin anwendbar (vgl. BVerwG, Urteile vom 17.06.2004 - 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103 und vom 26.08.2009 - 2 C 62.08 - NVwZ-RR 2010, 366). Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend angenommen, dass die Frist, bis zu deren Ablauf die Beihilfevorschriften übergangsweise weiterhin anzuwenden waren, im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über den Beihilfeantrag des Klägers noch nicht abgelaufen war. Die Vorschriften sind erst seit Inkrafttreten der Beihilfeverordnung des Bundes (BBhV, BGBl. I 2009, 326) nicht mehr anwendbar (BVerwG, Urteil vom 26.08.2009, aaO).
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2. Die Aufwendungen für die Anschaffung des hier zu beurteilenden Elektromobils sind dem Grunde nach nicht notwendig und damit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV nicht beihilfefähig.
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a) Gemäß der genannten Vorschrift sind beihilfefähig nach den folgenden Bestimmungen Aufwendungen, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. § 6 BhV trifft nähere Regelungen über die beihilfefähigen Aufwendungen aus Anlass einer Krankheit. Nach Abs. 1 Nr. 4 dieser Vorschrift sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen u.a. für die Anschaffung der vom Arzt schriftlich verordneten Hilfsmittel. Voraussetzungen und Umfang der Beihilfefähigkeit bestimmen sich nach der Anlage 3. Nach Nr. 1 der Anlage 3 sind die notwendigen und angemessenen Aufwendungen für die Anschaffung der Hilfsmittel - gegebenenfalls im Rahmen der Höchstbeträge - beihilfefähig, wenn sie vom Arzt schriftlich verordnet und nachstehend aufgeführt sind. Dazu gehört ein „Krankenfahrstuhl mit Zubehör“. In Nr. 9 der Anlage 3 wird weiter bestimmt, dass zu den Hilfsmitteln nicht Gegenstände gehören, die nicht notwendig und angemessen (§ 5 Abs. 1 BhV), von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis (§ 6 Abs. 4 Nr. 3) sind oder der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen; daran anschließend sind im Einzelnen Gegenstände aufgeführt, die nicht zu den Hilfsmitteln gehören (sog. Negativkatalog). Durch die Formulierung „insbesondere“ wird in diesem Zusammenhang klargestellt, dass dieser Katalog nicht abschließend ist; in diesem Negativkatalog ist unter anderem aufgeführt „Elektrofahrzeuge (z.B. LARK, Graf Carello)“. Vor dem Hintergrund dieser Systematik in der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV ist eine Gesamtabwägung vorzunehmen, ob die Aufwendungen für den zu beurteilenden Gegenstand unter Berücksichtigung der genannten Beispielsfälle notwendig und angemessen sind, oder ob sie im Hinblick auf die genannten Ausschlussgründe - insbesondere weil die Gegenstände der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen - von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.09.2011 - 2 S 825/11).
28 
b) Das Verwaltungsgericht hat - ausgehend von den dargestellten Rechtsvorschriften - das vom Kläger angeschaffte Elektromobil nicht als „Krankenfahrstuhl“ im Sinne der Nr. 1 der Anlage 3, sondern als „Elektrofahrzeug“ nach Nr. 9 der Anlage eingestuft und dementsprechend die Beihilfefähigkeit des Gegenstand verneint. Diese Einschätzung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
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aa) Nach der nicht zu beanstandenden Auslegung der Beklagten unterfallen dem Begriff „Krankenfahrstuhl“ sowohl Rollstühle ohne Antrieb als auch Elektrorollstühle, jedoch nicht Elektromobile wie das hier zu beurteilende Fahrzeug. Bereits der Wortlaut „Krankenfahrstuhl“ legt die Einbeziehung von Elektromobilen bzw. Scootern in diese „Hilfsmittelgruppe“ nicht nahe. Zudem ist - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt - für einen Krankenfahrstuhl charakteristisch, dass er gerade auch in Gebäuden, d.h. in Wohnungen oder sonstigen Aufenthaltsbereichen, genutzt wird; seine Konstruktion als fahrbarer Stuhl mit entsprechenden Abmessungen und entsprechendem Wenderadius ermöglicht es seinem Benutzer, sich in Wohnungen von Raum zu Raum zu bewegen und z.B. auch an Tische heranzufahren. Das hier zu beurteilende Elektromobil ist dagegen ersichtlich für die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr konstruiert und entsprechend ausgestattet; für eine Nutzung innerhalb einer Wohnung ist es aufgrund seiner Abmessungen und seines Wendekreises völlig ungeeignet. Vor diesem Hintergrund ist es mit einem speziell zum Ausgleich von Behinderungen konzipierten Krankenfahrstuhl nicht vergleichbar. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber durch die Auflistung von „Elektrofahrzeugen“ unter Nr. 9 der Anlage 3 ausdrücklich klargestellt, dass Geräte wie das hier zu beurteilende gerade nicht dem Begriff eines „Krankenfahrstuhls“ i.S.v. Nr. 1 der Anlage 3 unterfallen. Die unter dem Begriff „Elektrofahrzeuge“ beispielhaft aufgeführten Marken LARK und Graf Carello sind nach ihrem Aussehen und ihrer Funktion ohne weiteres mit dem vom Kläger angeschafften Elektromobil Cityliner 412 vergleichbar. Der Gesetzgeber hat danach eine eindeutige Abgrenzung zwischen „Krankenfahrstuhl mit Zubehör“ einerseits und „Elektrofahrzeugen“ andererseits vorgenommen, die eine erweiternde Auslegung des Begriffs „Krankenfahrstuhl“ und eine Einbeziehung des Cityliners 412 unter diese Rubrik ausschließt.
30 
Soweit das OVG Bremen ein Elektromobil in die Rubrik „Krankenfahrstuhl“ in Nr. 1 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV eingestuft hat (Urteil vom 15.12.1999 - 2 A 112/99 - NordÖR 2000, 247), kann dieser Auffassung im Hinblick auf die dargelegte Systematik nicht gefolgt werden. Das OVG Bremen vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, ein Elektromobil könne nicht als Gegenstand, der der allgemeinen Lebenshaltung unterliegt, im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3 angesehen werden, sondern müsse als beihilfefähiges Hilfsmittel eingestuft werden. Mit dieser Begründung wendet sich das OVG Bremen im Hinblick auf Elektromobile im Kern gegen die Rechtmäßigkeit der maßgeblichen Beihilfevorschriften des Bundes und leitet aus übergeordneten Gesichtspunkten entgegen dem Wortlaut der Vorschriften einen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil ab. Mit dieser Begründung kann jedoch ein unmittelbarer Anspruch des Beihilfeberechtigten auf Versorgung mit einem Elektromobil bereits nach den einschlägigen Rechtsvorschriften des Bundes nicht angenommen werden.
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bb) Die danach in Nr. 9 der Anlage 3 getroffene Entscheidung des Gesetzgebers, Elektromobile grundsätzlich nicht als erforderliche Hilfsmittel und damit nicht als beihilfefähig anzusehen, hält einer rechtlichen Überprüfung stand.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Hilfsmittel erforderlich, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören danach das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die (elementare) Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie das Erschließen eines körperlichen Freiraums im Nahbereich der Wohnung und das Bedürfnis bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufzusuchen. Das im Fall der Klägerin einschlägige Grundbedürfnis des Erschließens eines gewissen körperlichen Freiraums ist nur im Sinne eines Basisausgleichs und nicht als vollständiges Gleichziehen mit den letztlich unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten des Gesunden zu verstehen. Der Basisausgleich umfasst insoweit die Fähigkeit, sich in der Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang in die frische Luft zu gelangen oder die Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte, zu denen das Einkaufen von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens gehört, zu erledigen sind (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 24.05.2006 - B 3 KR16/05 R -SozR 4-2500 § 33 Nr. 12). Die Benutzung eines Kraftfahrzeugs, sei es als Fahrer oder Mitfahrer, zählt jedoch nicht zu den Grundbedürfnissen, die durch die Leistungen der Krankenversicherung zu befriedigen sind. Auf diese zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung entwickelten Grundsätze kann auch im Rahmen entsprechender beihilferechtlicher Entscheidungen zurückgegriffen werden, da sie den Verpflichtungen des Dienstherrn entsprechen, die diesem aus seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamten erwachsen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ, Urt. v. 24.04.1996 - 4 S 3208/94 - DÖD 1997, 37).
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Das hier zu beurteilende Elektromobil Cityliner 412 erweist sich danach zur Überzeugung des Senats nicht als notwendig i.S.d. § 5 Abs. 1 BhV. Ist - wie hier - das allgemeine Grundbedürfnis der „Bewegungsfreiheit“ betroffen, so richtet sich die Notwendigkeit eines Hilfsmittels in erster Linie danach, ob dadurch der Bewegungsradius in einem Umfang erweitert wird, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Ehefrau des Klägers die Bewegung im Nahbereich der Wohnung wegen ihrer MS-Erkrankung nicht mehr in ausreichendem Umfang möglich ist. Sie bedarf daher zur Erschließung des erforderlichen körperlichen Freiraums - dies ist ebenfalls unstreitig - eines Hilfsmittels. Die Beklagte kommt bei dieser Sachlage ihren Verpflichtungen, die ihr aus der Fürsorgepflicht gegenüber ihren Beamten erwächst, in ausreichendem Maße nach, wenn sie entsprechend ihren Vorschriften die Aufwendungen für die Anschaffung eines „Krankenfahrstuhls“ übernimmt. Dies kann bedeuten, dass der Kranke bzw. Behinderte unter Berücksichtigung der besonderen Umstände seines Einzelfalles gegebenenfalls Anspruch auf die Übernahme der Kosten eines Elektrorollstuhls hat, um ihm auf diesem Weg den erforderlichen körperlichen Freiraum zu verschaffen. Ein - darüber hinausgehender - Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil bzw. ein Wahlrecht des Beihilfeberechtigten, ihm entweder einen Elektrorollstuhl oder ein Elektromobil zur Verfügung zu stellen, besteht hingegen nicht.
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In Fällen wie dem hier zu beurteilenden gewährleistet regelmäßig ein Hilfsmittel in Form eines Elektrorollstuhls das allgemeine Grundbedürfnis des Kranken bzw. des Behinderten auf „Bewegungsfreiheit“. Dieses Hilfsmittel sorgt für die erforderliche Mobilität des Kranken bzw. Behinderten sowohl in Wohnungen und sonstigen Aufenthaltsräumen als auch außerhalb der Wohnung in einem Nahbereich, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht. So ermöglicht es die Konstruktion des Elektrorollstuhls mit entsprechenden Abmessungen und Wenderadius seinem Benutzer, sich in Wohnungen von Raum zu Raum zu bewegen und z.B. auch an Tische heranzufahren. Der Elektrorollstuhl stellt ferner bei Einkäufen im Nahbereich und bei der Aufsuchung von Ärzten und Therapeuten sicher, dass der Benutzer sich in den entsprechenden Räumlichkeiten fortbewegen kann und insoweit mobil ist. Ein Elektromobil ist hingegen nicht geeignet, die erforderliche Mobilität des Benutzers in Wohnungen oder sonstigen Aufenthaltsräumen sicherzustellen. Aufgrund seiner Abmessungen und seines Wendekreises ist es - wie dargelegt - nur für die Benutzung auf der Straße geeignet. Der Kranke bzw. der Behinderte kann damit nur den Weg zu den Einkaufsgeschäften und den Praxisräumen seiner Ärzte und Therapeuten zurücklegen, im Geschäft und in der Praxis selbst ist er jedoch auf weitere Hilfestellung bzw. ein weiteres Hilfsmittel angewiesen. So wäre es der Ehefrau des Klägers etwa unmöglich, mit dem von ihr angeschafften Elektromobil einen (kleineren) Supermarkt aufzusuchen und dort auch selbständig durch die Geschäftsräume zu fahren, um die Waren auszusuchen. Bei dieser Sachlage stellt sich die Entscheidung des Gesetzgebers, stark Gehbehinderten wie der Ehefrau des Klägers bei typisierender Betrachtung einen Elektrorollstuhl im Rahmen der Hilfsmittelversorgung zur Verfügung zu stellen - nicht jedoch ein Elektromobil - als sachgerecht dar. Das Hilfsmittel eines Elektrorollstuhls sichert das Grundbedürfnis der „Bewegungsfreiheit“ in umfassender Weise und stellt im Vergleich zum Elektromobil das zielgerichtetere bzw. das zielgenauere Hilfsmittel dar. Ist danach das Elektromobil kein gleichermaßen geeignetes Hilfsmittel, steht dem Beihilfeberechtigten auch kein Wahlrecht zwischen Elektrorollstuhl und Elektromobil zu und es kommt auf die Frage, welches Hilfsmittel wirtschaftlicher ist, nicht an.
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Dem Umstand, dass das Elektromobil im Vergleich zum Elektrorollstuhl dem Kranken bzw. Behinderten eine schnellere Fortbewegung und auch das Zurücklegen größerer Strecken ermöglicht, kommt in diesem Zusammenhang keine maßgebliche Bedeutung zu. Auch der Elektrorollstuhl sichert die Mobilität im Nahbereich der Wohnung in ausreichendem Maße. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass ein gesunder Fußgänger sich den Nahbereich einer Wohnung wesentlich schneller erschließen kann als dies für einen Behinderten mit Hilfe eines Elektrorollstuhls möglich ist. Ziel des Basisausgleichs ist es gerade nicht, ein vollständiges Gleichziehen mit Gesunden zu ermöglichen. Unerheblich ist schließlich auch, dass mit Hilfe eines Elektromobils weitaus größere Entfernungen zurückgelegt werden können und dementsprechend sich der Behinderte einen größeren Bewegungsradius verschaffen kann. Auch hier gilt, dass die Hilfsmittelversorgung nur den Nahbereich der Wohnung erschließen soll, jedoch nicht einen Bereich, den ein Gesunder üblicherweise mit dem Fahrrad, einem Elektrobike oder gar einem Kraftfahrzeug aufsucht.
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cc) Ob es unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht des Dienstherrn im Einzelfall ausnahmsweise geboten sein kann, von der generellen Entscheidung des Gesetzgebers abzuweichen, wonach lediglich Elektrorollstühle, jedoch keine Elektromobile beihilfefähig sind, bedarf hier keiner Entscheidung. Im Fall der Ehefrau des Klägers sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die ausnahmsweise einen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil begründen könnten. Das der Ehefrau des Klägers von der Beklagten früher zur Verfügung gestellte Elektromobil hatte zwar die Mobilität der Ehefrau des Klägers deutlich erhöht und es ihr - nach eigenem Vortrag - ermöglicht, sich alleine außerhalb der Wohnung fortzubewegen. Die erforderliche Mobilität kann jedoch - wie dargelegt - grundsätzlich durch die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl sichergestellt werden. Die Ehefrau des Klägers hat auch keine Besonderheiten vorgetragen, die in ihrem Fall die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl als nicht ausreichend erscheinen ließen.
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Soweit sich die Beklagte im Berufungsverfahren sinngemäß darauf berufen hat, der Ehefrau des Klägers sei Pflegegeld der Stufe III zuerkannt worden und die entsprechende Pflegeperson habe mit Hilfe des bereits vorhandenen Rollstuhls die Teilnahme der Ehefrau des Klägers am allgemeinen Leben zu ermöglichen, braucht diesem Vortrag nicht weiter nachgegangen zu werden. Ob die Ehefrau des Klägers Anspruch auf die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl hat, ist nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens, zumal sie einen entsprechenden Antrag bislang nicht gestellt hat.
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dd) Da nach alledem das von der Ehefrau des Klägers angeschaffte Elektromobil nicht notwendig i.S.d. § 5 Abs. 1 BhV ist, bedarf es auch keiner Entscheidung, ob Elektromobile darüber hinaus im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV als Gegenstände anzusehen sind, die der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen und - auch deshalb - von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 03.11.1999 - B 3 KR 16/99 R - FEVS 51, 395) ist ein Elektromobil kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB V, weil es nur von Personen benutzt wird, die durch Krankheit oder Behinderung in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt sind, jedoch nicht in nennenswertem Umfang auch von gesunden Menschen (so wohl auch OVG Bremen, Urteil vom 15.12.1999, aaO). Im Gegensatz dazu vertritt das OVG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 07.07.1998 - 12 A 5885/96 - Juris) die Auffassung, bei einem Elektromobil handele es sich um ein Fortbewegungsmittel, das der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sei. Dafür lässt sich - so zu Recht das Verwaltungsgericht - anführen, dass ein Elektromobil auch einen breiteren Personenkreis anspricht, der keines Rollstuhls bedarf, aber seine Mobilität erhöhen will. Ein Elektromobil kann - unabhängig von bestimmten Krankheitszuständen oder Behinderungen - auch etwa von älteren, nicht krankheitsbedingt in der Gehfähigkeit eingeschränkten, aber allgemein körperlich schwächeren Menschen benutzt werden. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund begegnet die Annahme des Bundessozialgerichts, Elektromobile würden ausschließlich von Kranken oder Behinderten benutzt, gewissen Zweifeln. Mangels Entscheidungserheblichkeit braucht der Senat jedoch der Frage, in welchem Umfang Elektromobile auch von gesunden (älteren) Menschen benutzt werden, nicht weiter nachzugehen.
39 
3. Schließlich vermittelt auch der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG der Ehefrau des Klägers keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil. Sie beruft sich in diesem Zusammenhang darauf, dass die Beklagte ihr im Jahre 2003 Beihilfe für die Anschaffung eines vergleichbaren Elektromobils gewährt habe. Sollte die Beklagte der Ehefrau des Klägers in der Vergangenheit aufgrund individueller Besonderheiten die Beihilfe zu Recht gewährt haben, würde es nunmehr an einem vergleichbaren Sachverhalt fehlen; nach den obigen Ausführungen sind im Zeitpunkt dieser Entscheidung keine Besonderheiten gegeben, die einen Anspruch der Ehefrau des Klägers begründen könnten. Sollte die Beklagte dagegen in der Vergangenheit unter Verstoß gegen die Beihilfevorschriften des Bundes der Ehefrau des Klägers einen Anspruch auf Beihilfe für die Anschaffung eines Elektromobils zuerkannt haben, ließe sich aus dem Gleichheitsgrundsatz ein Anspruch, ihr gegenüber nochmals eine solche (rechtswidrige) Entscheidung zu treffen, nicht herleiten. Die Verwaltung ist nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Diese Bindung entfällt nicht deshalb, weil eine Behörde diese Bindung während eines bestimmten Zeitraums nicht hinreichend beachtet hat. Deshalb kann die Verletzung des Gleichheitssatzes mit Erfolg, d.h. mit dem Anspruch auf Einräumung einer Begünstigung nur rügen, wer nach der maßgebenden objektiven Rechtslage einen Anspruch auf die von ihm begehrte Gleichbehandlung hat. Gebietet die Rechtslage die erstrebte Behandlung nicht bzw. schließt sie sie aus, so ist der Gleichheitssatz auch dann nicht verletzt, wenn eine Behandlung entgegen der objektiven Rechtslage in anderen (gleichgelagerten) Fällen gewährt worden ist (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26.02.1993 - 8 C 20.92 - BVerwGE 92, 153; Urteil vom 10.12.1969 - VIII C 104.69 - BVerwGE 34, 278; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.09.2011 - 2 S 1202/10 -).
40 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
41 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
42 
Beschluss vom 10. Oktober 2011
43 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 2.750,-- EUR festgesetzt.
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
21 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
I.
22 
Die Berufung des Klägers ist zulässig.
23 
Die vom Verwaltungsgericht in seinem Urteil zugelassene Berufung (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist zwar beim Verwaltungsgericht erst nach Ablauf der einmonatigen Berufungsfrist des § 124 a Abs. 2 Satz 1 VwGO und damit verspätet eingelegt worden. Wegen der versäumten Frist ist dem Kläger jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§§ 125 Abs. 1, 60 VwGO), da er ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist für die Einlegung der Berufung verhindert war. Nach dem Vorbringen des Klägers hat die Rechtsanwaltsfachangestellte seines Prozessbevollmächtigten am letzten Tag der Berufungsfrist - am Montag, dem 09.05.2011 - die Berufung entgegen der ausdrücklichen Anweisung des Bevollmächtigten beim Verwaltungsgerichtshof und nicht beim Verwaltungsgericht eingereicht. Der Kläger hat diese Darstellung durch eine eidesstattliche Versicherung der Angestellten hinreichend glaubhaft gemacht. Das danach anzunehmende Verschulden des Büropersonals seines Bevollmächtigten ist dem Kläger nicht zuzurechnen. Soweit ein Bevollmächtigter seinem Personal - wie hier - Weisungen erteilt hat, darf er grundsätzlich darauf vertrauen, dass sein sonst zuverlässiges Personal seine Weisungen befolgt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 60 RdNr. 21). Danach hat der Bevollmächtigte des Klägers hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Versäumung der Berufungsfrist auf einem Versehen seiner sonst zuverlässigen Kanzleiangestellten beruhte. Der Wiedereinsetzungsantrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden und erfüllt damit auch die weiteren, sich aus § 60 Abs. 2 Satz 1 1 Hs. VwGO ergebenden Voraussetzungen.
II.
24 
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage, mit der der Kläger die Gewährung einer Beihilfe für die Anschaffung eines Elektromobils beansprucht, zu Recht abgewiesen.
25 
1. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.). Ob und inwieweit der Kläger Anspruch auf Beihilfe für das für seine Ehefrau angeschaffte Elektromobil hat, bestimmt sich danach auf der Grundlage der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften des Bundes für Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften - BhV -) in der im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden Fassung vom 01.11.2001. Zwar genügen die Beihilfevorschriften nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts, sie waren jedoch für eine Übergangszeit weiterhin anwendbar (vgl. BVerwG, Urteile vom 17.06.2004 - 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103 und vom 26.08.2009 - 2 C 62.08 - NVwZ-RR 2010, 366). Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend angenommen, dass die Frist, bis zu deren Ablauf die Beihilfevorschriften übergangsweise weiterhin anzuwenden waren, im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über den Beihilfeantrag des Klägers noch nicht abgelaufen war. Die Vorschriften sind erst seit Inkrafttreten der Beihilfeverordnung des Bundes (BBhV, BGBl. I 2009, 326) nicht mehr anwendbar (BVerwG, Urteil vom 26.08.2009, aaO).
26 
2. Die Aufwendungen für die Anschaffung des hier zu beurteilenden Elektromobils sind dem Grunde nach nicht notwendig und damit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV nicht beihilfefähig.
27 
a) Gemäß der genannten Vorschrift sind beihilfefähig nach den folgenden Bestimmungen Aufwendungen, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. § 6 BhV trifft nähere Regelungen über die beihilfefähigen Aufwendungen aus Anlass einer Krankheit. Nach Abs. 1 Nr. 4 dieser Vorschrift sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen u.a. für die Anschaffung der vom Arzt schriftlich verordneten Hilfsmittel. Voraussetzungen und Umfang der Beihilfefähigkeit bestimmen sich nach der Anlage 3. Nach Nr. 1 der Anlage 3 sind die notwendigen und angemessenen Aufwendungen für die Anschaffung der Hilfsmittel - gegebenenfalls im Rahmen der Höchstbeträge - beihilfefähig, wenn sie vom Arzt schriftlich verordnet und nachstehend aufgeführt sind. Dazu gehört ein „Krankenfahrstuhl mit Zubehör“. In Nr. 9 der Anlage 3 wird weiter bestimmt, dass zu den Hilfsmitteln nicht Gegenstände gehören, die nicht notwendig und angemessen (§ 5 Abs. 1 BhV), von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis (§ 6 Abs. 4 Nr. 3) sind oder der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen; daran anschließend sind im Einzelnen Gegenstände aufgeführt, die nicht zu den Hilfsmitteln gehören (sog. Negativkatalog). Durch die Formulierung „insbesondere“ wird in diesem Zusammenhang klargestellt, dass dieser Katalog nicht abschließend ist; in diesem Negativkatalog ist unter anderem aufgeführt „Elektrofahrzeuge (z.B. LARK, Graf Carello)“. Vor dem Hintergrund dieser Systematik in der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV ist eine Gesamtabwägung vorzunehmen, ob die Aufwendungen für den zu beurteilenden Gegenstand unter Berücksichtigung der genannten Beispielsfälle notwendig und angemessen sind, oder ob sie im Hinblick auf die genannten Ausschlussgründe - insbesondere weil die Gegenstände der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen - von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.09.2011 - 2 S 825/11).
28 
b) Das Verwaltungsgericht hat - ausgehend von den dargestellten Rechtsvorschriften - das vom Kläger angeschaffte Elektromobil nicht als „Krankenfahrstuhl“ im Sinne der Nr. 1 der Anlage 3, sondern als „Elektrofahrzeug“ nach Nr. 9 der Anlage eingestuft und dementsprechend die Beihilfefähigkeit des Gegenstand verneint. Diese Einschätzung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
29 
aa) Nach der nicht zu beanstandenden Auslegung der Beklagten unterfallen dem Begriff „Krankenfahrstuhl“ sowohl Rollstühle ohne Antrieb als auch Elektrorollstühle, jedoch nicht Elektromobile wie das hier zu beurteilende Fahrzeug. Bereits der Wortlaut „Krankenfahrstuhl“ legt die Einbeziehung von Elektromobilen bzw. Scootern in diese „Hilfsmittelgruppe“ nicht nahe. Zudem ist - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt - für einen Krankenfahrstuhl charakteristisch, dass er gerade auch in Gebäuden, d.h. in Wohnungen oder sonstigen Aufenthaltsbereichen, genutzt wird; seine Konstruktion als fahrbarer Stuhl mit entsprechenden Abmessungen und entsprechendem Wenderadius ermöglicht es seinem Benutzer, sich in Wohnungen von Raum zu Raum zu bewegen und z.B. auch an Tische heranzufahren. Das hier zu beurteilende Elektromobil ist dagegen ersichtlich für die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr konstruiert und entsprechend ausgestattet; für eine Nutzung innerhalb einer Wohnung ist es aufgrund seiner Abmessungen und seines Wendekreises völlig ungeeignet. Vor diesem Hintergrund ist es mit einem speziell zum Ausgleich von Behinderungen konzipierten Krankenfahrstuhl nicht vergleichbar. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber durch die Auflistung von „Elektrofahrzeugen“ unter Nr. 9 der Anlage 3 ausdrücklich klargestellt, dass Geräte wie das hier zu beurteilende gerade nicht dem Begriff eines „Krankenfahrstuhls“ i.S.v. Nr. 1 der Anlage 3 unterfallen. Die unter dem Begriff „Elektrofahrzeuge“ beispielhaft aufgeführten Marken LARK und Graf Carello sind nach ihrem Aussehen und ihrer Funktion ohne weiteres mit dem vom Kläger angeschafften Elektromobil Cityliner 412 vergleichbar. Der Gesetzgeber hat danach eine eindeutige Abgrenzung zwischen „Krankenfahrstuhl mit Zubehör“ einerseits und „Elektrofahrzeugen“ andererseits vorgenommen, die eine erweiternde Auslegung des Begriffs „Krankenfahrstuhl“ und eine Einbeziehung des Cityliners 412 unter diese Rubrik ausschließt.
30 
Soweit das OVG Bremen ein Elektromobil in die Rubrik „Krankenfahrstuhl“ in Nr. 1 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV eingestuft hat (Urteil vom 15.12.1999 - 2 A 112/99 - NordÖR 2000, 247), kann dieser Auffassung im Hinblick auf die dargelegte Systematik nicht gefolgt werden. Das OVG Bremen vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, ein Elektromobil könne nicht als Gegenstand, der der allgemeinen Lebenshaltung unterliegt, im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3 angesehen werden, sondern müsse als beihilfefähiges Hilfsmittel eingestuft werden. Mit dieser Begründung wendet sich das OVG Bremen im Hinblick auf Elektromobile im Kern gegen die Rechtmäßigkeit der maßgeblichen Beihilfevorschriften des Bundes und leitet aus übergeordneten Gesichtspunkten entgegen dem Wortlaut der Vorschriften einen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil ab. Mit dieser Begründung kann jedoch ein unmittelbarer Anspruch des Beihilfeberechtigten auf Versorgung mit einem Elektromobil bereits nach den einschlägigen Rechtsvorschriften des Bundes nicht angenommen werden.
31 
bb) Die danach in Nr. 9 der Anlage 3 getroffene Entscheidung des Gesetzgebers, Elektromobile grundsätzlich nicht als erforderliche Hilfsmittel und damit nicht als beihilfefähig anzusehen, hält einer rechtlichen Überprüfung stand.
32 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Hilfsmittel erforderlich, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören danach das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die (elementare) Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie das Erschließen eines körperlichen Freiraums im Nahbereich der Wohnung und das Bedürfnis bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufzusuchen. Das im Fall der Klägerin einschlägige Grundbedürfnis des Erschließens eines gewissen körperlichen Freiraums ist nur im Sinne eines Basisausgleichs und nicht als vollständiges Gleichziehen mit den letztlich unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten des Gesunden zu verstehen. Der Basisausgleich umfasst insoweit die Fähigkeit, sich in der Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang in die frische Luft zu gelangen oder die Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte, zu denen das Einkaufen von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens gehört, zu erledigen sind (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 24.05.2006 - B 3 KR16/05 R -SozR 4-2500 § 33 Nr. 12). Die Benutzung eines Kraftfahrzeugs, sei es als Fahrer oder Mitfahrer, zählt jedoch nicht zu den Grundbedürfnissen, die durch die Leistungen der Krankenversicherung zu befriedigen sind. Auf diese zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung entwickelten Grundsätze kann auch im Rahmen entsprechender beihilferechtlicher Entscheidungen zurückgegriffen werden, da sie den Verpflichtungen des Dienstherrn entsprechen, die diesem aus seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamten erwachsen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ, Urt. v. 24.04.1996 - 4 S 3208/94 - DÖD 1997, 37).
33 
Das hier zu beurteilende Elektromobil Cityliner 412 erweist sich danach zur Überzeugung des Senats nicht als notwendig i.S.d. § 5 Abs. 1 BhV. Ist - wie hier - das allgemeine Grundbedürfnis der „Bewegungsfreiheit“ betroffen, so richtet sich die Notwendigkeit eines Hilfsmittels in erster Linie danach, ob dadurch der Bewegungsradius in einem Umfang erweitert wird, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Ehefrau des Klägers die Bewegung im Nahbereich der Wohnung wegen ihrer MS-Erkrankung nicht mehr in ausreichendem Umfang möglich ist. Sie bedarf daher zur Erschließung des erforderlichen körperlichen Freiraums - dies ist ebenfalls unstreitig - eines Hilfsmittels. Die Beklagte kommt bei dieser Sachlage ihren Verpflichtungen, die ihr aus der Fürsorgepflicht gegenüber ihren Beamten erwächst, in ausreichendem Maße nach, wenn sie entsprechend ihren Vorschriften die Aufwendungen für die Anschaffung eines „Krankenfahrstuhls“ übernimmt. Dies kann bedeuten, dass der Kranke bzw. Behinderte unter Berücksichtigung der besonderen Umstände seines Einzelfalles gegebenenfalls Anspruch auf die Übernahme der Kosten eines Elektrorollstuhls hat, um ihm auf diesem Weg den erforderlichen körperlichen Freiraum zu verschaffen. Ein - darüber hinausgehender - Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil bzw. ein Wahlrecht des Beihilfeberechtigten, ihm entweder einen Elektrorollstuhl oder ein Elektromobil zur Verfügung zu stellen, besteht hingegen nicht.
34 
In Fällen wie dem hier zu beurteilenden gewährleistet regelmäßig ein Hilfsmittel in Form eines Elektrorollstuhls das allgemeine Grundbedürfnis des Kranken bzw. des Behinderten auf „Bewegungsfreiheit“. Dieses Hilfsmittel sorgt für die erforderliche Mobilität des Kranken bzw. Behinderten sowohl in Wohnungen und sonstigen Aufenthaltsräumen als auch außerhalb der Wohnung in einem Nahbereich, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht. So ermöglicht es die Konstruktion des Elektrorollstuhls mit entsprechenden Abmessungen und Wenderadius seinem Benutzer, sich in Wohnungen von Raum zu Raum zu bewegen und z.B. auch an Tische heranzufahren. Der Elektrorollstuhl stellt ferner bei Einkäufen im Nahbereich und bei der Aufsuchung von Ärzten und Therapeuten sicher, dass der Benutzer sich in den entsprechenden Räumlichkeiten fortbewegen kann und insoweit mobil ist. Ein Elektromobil ist hingegen nicht geeignet, die erforderliche Mobilität des Benutzers in Wohnungen oder sonstigen Aufenthaltsräumen sicherzustellen. Aufgrund seiner Abmessungen und seines Wendekreises ist es - wie dargelegt - nur für die Benutzung auf der Straße geeignet. Der Kranke bzw. der Behinderte kann damit nur den Weg zu den Einkaufsgeschäften und den Praxisräumen seiner Ärzte und Therapeuten zurücklegen, im Geschäft und in der Praxis selbst ist er jedoch auf weitere Hilfestellung bzw. ein weiteres Hilfsmittel angewiesen. So wäre es der Ehefrau des Klägers etwa unmöglich, mit dem von ihr angeschafften Elektromobil einen (kleineren) Supermarkt aufzusuchen und dort auch selbständig durch die Geschäftsräume zu fahren, um die Waren auszusuchen. Bei dieser Sachlage stellt sich die Entscheidung des Gesetzgebers, stark Gehbehinderten wie der Ehefrau des Klägers bei typisierender Betrachtung einen Elektrorollstuhl im Rahmen der Hilfsmittelversorgung zur Verfügung zu stellen - nicht jedoch ein Elektromobil - als sachgerecht dar. Das Hilfsmittel eines Elektrorollstuhls sichert das Grundbedürfnis der „Bewegungsfreiheit“ in umfassender Weise und stellt im Vergleich zum Elektromobil das zielgerichtetere bzw. das zielgenauere Hilfsmittel dar. Ist danach das Elektromobil kein gleichermaßen geeignetes Hilfsmittel, steht dem Beihilfeberechtigten auch kein Wahlrecht zwischen Elektrorollstuhl und Elektromobil zu und es kommt auf die Frage, welches Hilfsmittel wirtschaftlicher ist, nicht an.
35 
Dem Umstand, dass das Elektromobil im Vergleich zum Elektrorollstuhl dem Kranken bzw. Behinderten eine schnellere Fortbewegung und auch das Zurücklegen größerer Strecken ermöglicht, kommt in diesem Zusammenhang keine maßgebliche Bedeutung zu. Auch der Elektrorollstuhl sichert die Mobilität im Nahbereich der Wohnung in ausreichendem Maße. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass ein gesunder Fußgänger sich den Nahbereich einer Wohnung wesentlich schneller erschließen kann als dies für einen Behinderten mit Hilfe eines Elektrorollstuhls möglich ist. Ziel des Basisausgleichs ist es gerade nicht, ein vollständiges Gleichziehen mit Gesunden zu ermöglichen. Unerheblich ist schließlich auch, dass mit Hilfe eines Elektromobils weitaus größere Entfernungen zurückgelegt werden können und dementsprechend sich der Behinderte einen größeren Bewegungsradius verschaffen kann. Auch hier gilt, dass die Hilfsmittelversorgung nur den Nahbereich der Wohnung erschließen soll, jedoch nicht einen Bereich, den ein Gesunder üblicherweise mit dem Fahrrad, einem Elektrobike oder gar einem Kraftfahrzeug aufsucht.
36 
cc) Ob es unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht des Dienstherrn im Einzelfall ausnahmsweise geboten sein kann, von der generellen Entscheidung des Gesetzgebers abzuweichen, wonach lediglich Elektrorollstühle, jedoch keine Elektromobile beihilfefähig sind, bedarf hier keiner Entscheidung. Im Fall der Ehefrau des Klägers sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die ausnahmsweise einen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil begründen könnten. Das der Ehefrau des Klägers von der Beklagten früher zur Verfügung gestellte Elektromobil hatte zwar die Mobilität der Ehefrau des Klägers deutlich erhöht und es ihr - nach eigenem Vortrag - ermöglicht, sich alleine außerhalb der Wohnung fortzubewegen. Die erforderliche Mobilität kann jedoch - wie dargelegt - grundsätzlich durch die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl sichergestellt werden. Die Ehefrau des Klägers hat auch keine Besonderheiten vorgetragen, die in ihrem Fall die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl als nicht ausreichend erscheinen ließen.
37 
Soweit sich die Beklagte im Berufungsverfahren sinngemäß darauf berufen hat, der Ehefrau des Klägers sei Pflegegeld der Stufe III zuerkannt worden und die entsprechende Pflegeperson habe mit Hilfe des bereits vorhandenen Rollstuhls die Teilnahme der Ehefrau des Klägers am allgemeinen Leben zu ermöglichen, braucht diesem Vortrag nicht weiter nachgegangen zu werden. Ob die Ehefrau des Klägers Anspruch auf die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl hat, ist nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens, zumal sie einen entsprechenden Antrag bislang nicht gestellt hat.
38 
dd) Da nach alledem das von der Ehefrau des Klägers angeschaffte Elektromobil nicht notwendig i.S.d. § 5 Abs. 1 BhV ist, bedarf es auch keiner Entscheidung, ob Elektromobile darüber hinaus im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV als Gegenstände anzusehen sind, die der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen und - auch deshalb - von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 03.11.1999 - B 3 KR 16/99 R - FEVS 51, 395) ist ein Elektromobil kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB V, weil es nur von Personen benutzt wird, die durch Krankheit oder Behinderung in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt sind, jedoch nicht in nennenswertem Umfang auch von gesunden Menschen (so wohl auch OVG Bremen, Urteil vom 15.12.1999, aaO). Im Gegensatz dazu vertritt das OVG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 07.07.1998 - 12 A 5885/96 - Juris) die Auffassung, bei einem Elektromobil handele es sich um ein Fortbewegungsmittel, das der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sei. Dafür lässt sich - so zu Recht das Verwaltungsgericht - anführen, dass ein Elektromobil auch einen breiteren Personenkreis anspricht, der keines Rollstuhls bedarf, aber seine Mobilität erhöhen will. Ein Elektromobil kann - unabhängig von bestimmten Krankheitszuständen oder Behinderungen - auch etwa von älteren, nicht krankheitsbedingt in der Gehfähigkeit eingeschränkten, aber allgemein körperlich schwächeren Menschen benutzt werden. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund begegnet die Annahme des Bundessozialgerichts, Elektromobile würden ausschließlich von Kranken oder Behinderten benutzt, gewissen Zweifeln. Mangels Entscheidungserheblichkeit braucht der Senat jedoch der Frage, in welchem Umfang Elektromobile auch von gesunden (älteren) Menschen benutzt werden, nicht weiter nachzugehen.
39 
3. Schließlich vermittelt auch der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG der Ehefrau des Klägers keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil. Sie beruft sich in diesem Zusammenhang darauf, dass die Beklagte ihr im Jahre 2003 Beihilfe für die Anschaffung eines vergleichbaren Elektromobils gewährt habe. Sollte die Beklagte der Ehefrau des Klägers in der Vergangenheit aufgrund individueller Besonderheiten die Beihilfe zu Recht gewährt haben, würde es nunmehr an einem vergleichbaren Sachverhalt fehlen; nach den obigen Ausführungen sind im Zeitpunkt dieser Entscheidung keine Besonderheiten gegeben, die einen Anspruch der Ehefrau des Klägers begründen könnten. Sollte die Beklagte dagegen in der Vergangenheit unter Verstoß gegen die Beihilfevorschriften des Bundes der Ehefrau des Klägers einen Anspruch auf Beihilfe für die Anschaffung eines Elektromobils zuerkannt haben, ließe sich aus dem Gleichheitsgrundsatz ein Anspruch, ihr gegenüber nochmals eine solche (rechtswidrige) Entscheidung zu treffen, nicht herleiten. Die Verwaltung ist nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Diese Bindung entfällt nicht deshalb, weil eine Behörde diese Bindung während eines bestimmten Zeitraums nicht hinreichend beachtet hat. Deshalb kann die Verletzung des Gleichheitssatzes mit Erfolg, d.h. mit dem Anspruch auf Einräumung einer Begünstigung nur rügen, wer nach der maßgebenden objektiven Rechtslage einen Anspruch auf die von ihm begehrte Gleichbehandlung hat. Gebietet die Rechtslage die erstrebte Behandlung nicht bzw. schließt sie sie aus, so ist der Gleichheitssatz auch dann nicht verletzt, wenn eine Behandlung entgegen der objektiven Rechtslage in anderen (gleichgelagerten) Fällen gewährt worden ist (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26.02.1993 - 8 C 20.92 - BVerwGE 92, 153; Urteil vom 10.12.1969 - VIII C 104.69 - BVerwGE 34, 278; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.09.2011 - 2 S 1202/10 -).
40 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
41 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
42 
Beschluss vom 10. Oktober 2011
43 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 2.750,-- EUR festgesetzt.
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 10. Okt. 2011 - 2 S 1369/11

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 10. Okt. 2011 - 2 S 1369/11

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 10. Okt. 2011 - 2 S 1369/11 zitiert 10 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 125


(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung. (2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 33 Hilfsmittel


(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen od

Referenzen - Urteile

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 10. Okt. 2011 - 2 S 1369/11 zitiert oder wird zitiert von 14 Urteil(en).

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 10. Okt. 2011 - 2 S 1369/11 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 26. Sept. 2011 - 2 S 825/11

bei uns veröffentlicht am 26.09.2011

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. Dezember 2009 - 6 K 3555/09 - geändert.Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids ihrer Bezirksstelle Dortmund vom 18.11.2008 und des Widerspruchsbesch

Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 31. März 2011 - 6 K 303/09

bei uns veröffentlicht am 31.03.2011

Tenor Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.Die Berufung wird zugelassen. Tatbestand   1 Der Kläger begehrt Beihilfe für die Anschaffung eines (behindertengerechten) Elektromobils (Cityliner 412 der Firma X).
12 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 10. Okt. 2011 - 2 S 1369/11.

Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 12. Feb. 2019 - RO 12 K 17.2008

bei uns veröffentlicht am 12.02.2019

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Die Beteiligten streiten über die Voranerke

Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 01. Apr. 2014 - 1 K 13.01949

bei uns veröffentlicht am 01.04.2014

Tenor 1. Der Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Finanzen, Dienststelle ..., Bezügestelle Beihilfe 1, vom 18. September 2013 und unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 2. Okt

Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 31. Jan. 2017 - 3 K 3061/15

bei uns veröffentlicht am 31.01.2017

Tenor Die Beklagte wird verpflichtet, auf den Antrag des Klägers vom 24.03.2015 eine weitere Beihilfe i.H. v. 27.152,12 EUR zu bewilligen. Der Bescheid vom 21.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.08.2015 wird aufgehoben, soweit er

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 19. Jan. 2017 - 2 S 1592/13

bei uns veröffentlicht am 19.01.2017

Tenor Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 05.03.2013 - 6 K 631/12 - geändert und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 07.01.2011 sowie des Widerspruchsbescheids der Widerspruchsstelle vom

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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt Beihilfe für die Anschaffung eines (behindertengerechten) Elektromobils (Cityliner 412 der Firma X).
Der Kläger ist Beamter der Bundesfinanzverwaltung der Bundesrepublik Deutschland und als solcher für sich und seine Ehefrau beihilfeberechtigt zu jeweils 70%. Mit Antrag vom 30.11.2008 beantragte er u.a. Beihilfe zu den Kosten in Höhe von 3.928,57 EUR für das für seine Ehefrau angeschaffte, o.g. Elektromobil.
Mit Bescheid vom 03.12.2008 lehnte die Bundesfinanzdirektion Südwest - Service-Center-ZEFIR - die Bewilligung von Beihilfe insoweit ab mit der Begründung, Elektromobile für den Straßenverkehr bzw. Außenbereich seien keine beihilfefähigen Hilfsmittel (hier Elektromobil mit Beleuchtung, Blinker usw.).
Am 09.12.2008 erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, beim Kauf eines gleichen behindertengerechten Elektromobils sei ihm im Jahr 2003 Beihilfe gewährt worden. Des Weiteren führte er mit Schreiben vom 06.01.2009 aus, seine Frau leide unter multipler Sklerose und sei stark gehbehindert (Merkmal „AG“ im Schwerbehindertenausweis). Die Notwendigkeit ergebe sich aus der beigefügten ärztlichen Verordnung. Es handle sich bei dem Hilfsmittel um ein behindertengerechtes Elektrokrankenfahrzeug.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2009 wies die Bundesfinanzdirektion Südwest den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Behörde u.a. aus, nach Nr. 1 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV seien Krankenfahrstühle mit Zubehör beihilfefähig. Nicht beihilfefähig seien hingegen die unter Nr. 9 der Anlage 3 erfassten Hilfsmittel, deren Anschaffung der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sei; dort seien unter anderem Elektrofahrzeuge genannt. Bei dem vom Kläger beschafften Modell handle es sich um ein Elektrofahrzeug (Elektromobil). Das Modell weise sämtliche Merkmale (Beleuchtung, Blinker) auf, die für die Teilnahme am Straßenverkehr erforderlich seien und sei offensichtlich nicht für den Innenbereich geeignet. Es könne demnach üblicherweise auch von einem Gesunden benutzt werden.
Am 02.03.2009 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung macht sein Prozessbevollmächtigter geltend, der Kläger habe einen Anspruch auf die begehrte Beihilfegewährung aufgrund der Fürsorgepflicht seines Dienstherrn. Die Ehefrau des Klägers sei mit einer rollstuhlbedürftigen Person vollständig vergleichbar. Eine Fortbewegung sei nur durch das beantragte Elektrokrankenfahrzeug möglich. Das Elektrofahrzeug diene dem gleichen Zweck wie ein Elektrokrankenfahrstuhl. Im Übrigen habe der Erlass des Bundesministeriums für Finanzen keinerlei Rechtsbindung.
Der Kläger beantragt (sachdienlich ausgelegt),
zu den Kosten von 3.928,57 EUR für die Anschaffung eines Elektromobils Beihilfe in Höhe von 70 % zu bewilligen und den Beihilfebescheid der Bundesfinanzdirektion Südwest vom 03.12.2008, soweit er entgegensteht, sowie deren Widerspruchsbescheid vom 03.02.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
10 
die Klage abzuweisen.
11 
Ergänzend führt sie aus, ein Elektromobil sei - anders als ein Elektrokrankenfahrstuhl - der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen. Es komme nicht darauf an, ob im Einzelfall ein Gegenstand ohne die Erkrankung nicht angeschafft worden wäre. Maßgebend sei, ob das Hilfsmittel auch von einem Gesunden im Rahmen der allgemeinen Lebenshaltung üblicherweise genutzt werden könne. Die Ablehnung der Beihilfegewährung verstoße auch nicht gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn.
12 
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung des Berichterstatters ohne mündliche Verhandlung (§§ 87a, 101 Abs. 2 VwGO) einverstanden.
13 
Dem Gericht liegt die einschlägige Akte der Bundesfinanzdirektion Südwest vor. Auf sie und die Gerichtsakte wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 03.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.02.2009 ist, auch soweit er die Bewilligung von Beihilfe für die Anschaffung eines Elektromobils ablehnt, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte Beihilfe (§ 113 Abs. 5 VwGO).
15 
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtsmäßigkeit des angegriffenen Beihilfebescheids ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die eine Beihilfe begehrt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 -, ZBR 2006, 195).
16 
Somit ist hier die Sach- und Rechtslage zum 30.09.2008 (Datum der Rechnung) maßgeblich. Zu diesem Zeitpunkt galten die Beihilfevorschriften des Bundes (BhV) i.d.F. v. 01.11.2001 - GMBl S. 918 -, zuletzt geändert durch Art. 1 der 28. Änderungsverwaltungsvorschrift (28. ÄndVwV) vom 30.01.2004 - GMBl S. 379, trotz ihrer Nichtigkeit übergangsweise noch bis zum Ende der Legislaturperiode des 16. Deutschen Bundestags (also bis 27.10.2009) (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.05.2008 - 2 C 24/07 -, DVBl 2008, 1193 = ZPR 2009, 41 = NVwZ 2008, 1378).
17 
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen für die Anschaffung der vom Arzt schriftlich verordneten Hilfsmittel; Voraussetzungen und Umfang der Beihilfefähigkeit bestimmen sich nach Anlage 3 dieser Vorschrift. Nach Nr. 1 der Anlage sind, wenn sie vom Arzt schriftlich verordnet wurden, beihilfefähig u.a. die Aufwendungen für einen Krankenfahrstuhl mit Zubehör. Nicht zu den Hilfsmitteln zählen nach Nr. 9 der Anlage u.a. Gegenstände, die der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen, insbesondere Elektrofahrzeuge (vgl. nunmehr § 25 i.V.m. Anlagen 5 und 6 der Bundesbeihilfeverordnung - BBhV - vom 13.02.2009 - BGBl I 2009,326 - ).
18 
Ob die ärztliche Bescheinigung des Dr. J. vom 01.04.2008 eine Verordnung im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV darstellt, kann dahinstehen. Auch im Falle einer Verordnung als Hilfsmittel wären die Kosten nicht beihilfefähig.
19 
Das vom Kläger beschaffte Elektromobil ist kein Krankenfahrstuhl im Sinne der o.g. Beihilfevorschrift.
20 
Charakteristisch für einen Krankenfahrstuhl im Sinne der Beihilfevorschriften ist angesichts der Wortwahl - Krankenfahrstuhl, nicht etwa Krankenfahrzeug - zunächst, dass in diesem Hilfsmittel ungeachtet seiner konkreten Ausgestaltung immer noch die Grundstruktur eines (fahrbaren) Stuhls erkennbar ist. Diese ist durch eine auf vier Beinen ruhende Sitzfläche, eine Rückenlehne und ggf. Armlehnen geprägt. Entsprechend den Zwecken, denen der Krankenfahrstuhl dient, ist er mit Rädern ausgerüstet (die ihrerseits wieder unterschiedlich gestaltet sind je nachdem, ob das Gerät von einem Dritten geschoben oder durch seinen Nutzer selbst bewegt werden soll), hat besondere Arm- oder Rückenlehnen, Abstellflächen für die Füße, Vorrichtungen, um den Rumpf oder einzelne Gliedmaßen zu schützen oder zu fixieren. Wie auch immer indes der Krankenfahrstuhl im Einzelfall im Hinblick auf die Behinderungen des jeweiligen Nutzers und die konkreten Zwecke, denen der Fahrstuhl dient, konstruiert ist, so wird im Regelfall doch sichtbar, dass dem Gerät ein für besondere Zwecke um- und ausgerüsteter Stuhl zugrunde liegt (vgl. Abb. links). Dem Betrachter ist ohne Weiteres erkennbar, dass dieses Gerät, der Krankenfahrstuhl, bauartbedingt auf die Nutzung durch einen behinderten Menschen zugeschnitten und speziell zur Beförderung von Behinderten gebaut ist (vgl. auch niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 31.01.2008 - 16 K 355/06 -, Juris Rn. 21). Charakteristisch ist weiterhin, dass ein Krankenfahrstuhl gerade auch dafür gedacht ist, im Gebäude, d.h. in Wohnungen oder sonstigen Aufenthaltsbereichen, genutzt zu werden. Seine Konstruktion als fahrbarer Stuhl mit entsprechenden Abmessungen und Wenderadius ermöglicht es seinem Benutzer, sich in Wohnungen von Raum zu Raum zu bewegen und auch z.B. an Tische heranzufahren. Da der Krankenfahrstuhl von seiner Konstruktion her ausgesprochen auf den Ausgleich von Behinderungen ausgerichtet ist, ist seine Benutzung für Menschen ohne entsprechende Behinderungen uninteressant; er bietet Menschen ohne erhebliche Gehbehinderung regelmäßig keine Vorteile (vgl. Finanzgericht Düsseldorf, EuGH-Vorlage vom 28.12.2009 - 4 K 2025/09 Z, EU -, Juris Rn. 19).
21 
Bei dem vom Kläger angeschafften Elektormobil (s. Abb.) handelt es sich ersichtlich nicht um einen Krankenfahrstuhl i.S. von Nr.1 der Anlage 3 (zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BHV), sondern um ein Elektrofahrzeug im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3. Dieses Fahrzeug ist so gebaut, dass es schon von seinem optischen Eindruck her niemandem einfallen wird, dieses Fahrzeug als Krankenfahr-"stuhl" zu bezeichnen. Wegen seiner Konstruktion und seinen Ausmaßen ist das Fahrzeug auch gar nicht dazu geeignet, in Wohnungen als Ersatz für einen Stuhl zu dienen. Das Elektromobil ist zur Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr gedacht und entsprechend ist es auch ausgestattet mit Beleuchtung nach der StVO incl. Blinker, Bremslichtern und Warnblinklicht. Der an der Lenksäule angebrachte Einkaufskorb belegt ebenfalls, dass das Elektromobil für den außerhäuslichen Einsatz bestimmt ist. Dafür, dass es sich nicht um einen Krankenfahrstuhl handelt, spricht im Übrigen auch die Internetpräsentation der Herstellerfirma. Diese präsentiert dieses Elektromobil unter dem Oberbegriff "Scooter“ und nicht unter dem Oberbegriff "Rollstühle", unter dem sie u.a. auch elektrisch betriebene Rollstühle anbietet.
22 
Die Anschaffung des Elektromobils ist nicht beihilfefähig, da die Anschaffung der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen ist. Bei dem vom Kläger beschafften Elektromobil - vom Anbieter „Scooter“ genannt - handelt es sich ungeachtet dessen, dass es als behindertengerecht bezeichnet wird und je nach Art und Ausmaß der Behinderungen auch von einem behinderten Menschen genutzt werden kann, nicht um ein Hilfsmittel, das speziell auf die Nutzung durch kranke oder behinderte Menschen zugeschnitten ist. Ein Elektromobil spricht einen breiteren Personenkreis an, der keines Rollstuhls bedarf, aber seine Mobilität erhöhen will. Es kann unabhängig von bestimmten Krankheitszuständen auch im Rahmen der allgemeinen Lebenshaltung, etwa von älteren, nicht krankheitsbedingt in der Gehfähigkeit eingeschränkten, aber allgemein körperlich schwächeren Menschen benutzt werden. Der allgemeinen Lebenshaltung dienen diejenigen Hilfsmittel, die üblicherweise herangezogen werden, um die "Unbequemlichkeiten" des Lebens zu erleichtern, und die aufgrund der objektiven Eigenart und Beschaffenheit des Gegenstandes keinen unmittelbaren Bezug zu dem festgestellten Krankheitsbild haben. Es kommt nicht darauf an, ob im Einzelfall ein Gegenstand ohne die Erkrankung nicht angeschafft würde oder worden wäre. Maßgebend ist vielmehr, ob das Hilfsmittel - von einer krankheitsentsprechenden Ausstattung abgesehen - auch von einem Gesunden im Rahmen der allgemeinen Lebenshaltung üblicherweise genutzt werden kann (vgl. OVG Nordrhein-Westf., Beschluss vom 07.07.1998 - 12 A 5885/96 -, Juris Rn. 14 ff). Bei dem vom Kläger beschafften Elektromobil handelt es sich jedoch um ein Fahrzeug, dessen (möglicher) Benutzerkreis sich nicht auf Kranke und Behinderte beschränkt, sondern das nach seiner objektiven Eigenart und Beschaffenheit auch für solche Personen gedacht ist, deren Gehfähigkeit jedenfalls noch nicht derart eingeschränkt ist, dass sie eines Krankenfahrstuhls zwingend bedürften (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 25.09.1996 - 10 K 12672/94 -). Es wird kein Zusammenhang zu einem krankheitsbedingten Bedarf hergestellt und ein notwendiger Zusammenhang ist auch nicht ersichtlich (vgl. OVG Nordrhein-Westf., Beschluss vom 07.07.1998, a.a.O., Rn. 19). Das Elektromobil verfügt über keinerlei Einrichtungen, die es gerade für die Benutzung durch Behinderte bestimmen (vgl. Finanzgericht Düsseldorf, EuGH-Vorlage vom 28.12.2009 - 4 K 2025/09 Z, EU -, Juris Rn. 19). Dass das Elektromobil der Ehefrau des Klägers als Hilfsmittel zum Ausgleich ihrer eingeschränkten körperlichen Belastbarkeit dient, ändert nichts daran, dass es objektiv der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen ist.
23 
Der Kläger hat auch nicht etwa unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes Anspruch auf die Beihilfegewährung für dieses Elektromobil. Der Umstand, dass der Beklagte früher Beihilfe für ein ähnliches Gerät gewährt hat, begründet keinen Vertrauensschutz. Die Kammer hat in einem anderen Verfahren schon ausgeführt, dass es sich von selbst verstehe, dass die Abrechnung der Beihilfestellen Einzelfallcharakter hat und keine darüber hinausgehende positive Feststellung oder Festlegung zur Beihilfefähigkeit künftiger Anträge enthält (vgl. Urteil vom 11.02.2004 - 6 K 1205/03 -). Selbst wenn die früher für ein ähnliches Gerät bewilligte Beihilfe rechtswidrig gewesen sein sollte, ist die Beklagte selbstverständlich nicht verpflichtet, diese rechtswidrige Praxis fortzusetzen.
24 
Die Fürsorgepflicht gebietet hier ebenfalls nicht die Gewährung einer weiteren Beihilfe. Die Beihilfevorschriften stellen eine für den Regelfall grundsätzlich abschließende Konkretisierung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen dar. Weitergehende Beihilfeansprüche können allenfalls dann begründet sein, wenn die Fürsorgepflicht in einem Einzelfall gleichwohl noch in ihrem Wesenskern verletzt wäre. Von Verfassungs wegen fordert die Fürsorgepflicht nicht den Ausgleich jeglicher aus Anlass von Krankheitsfällen entstandener Aufwendungen und auch nicht deren Erstattung in jeweils vollem Umfang (ständige Rechtsprechung, BVerfG, Beschluss vom 13.11.1990, BVerfGE 83, 89, und Beschluss vom 07.11.2002, NVwZ 2003, 720; BVerwG, Urteil vom 03.07.2003, BVerwGE 118, 277; Beschluss vom 11.12.1997 - 2 B 72/97 -, Urteil vom 14.03.1991 - 2 C 23/89 -, zitiert nach Juris). Daran wäre etwa zu denken, wenn die Ehefrau des Klägers erst durch ein Elektromobil die ihren Grundbedürfnissen zuzuordnende Bewegungsfreiheit erhielte; diese Bewegungsfähigkeit könnte sie aber bereits durch einen Krankenfahrstuhl erhalten.
25 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
26 
Die Zulassung der Berufung beruht auf §§ 124 a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

Gründe

 
14 
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 03.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.02.2009 ist, auch soweit er die Bewilligung von Beihilfe für die Anschaffung eines Elektromobils ablehnt, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte Beihilfe (§ 113 Abs. 5 VwGO).
15 
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtsmäßigkeit des angegriffenen Beihilfebescheids ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die eine Beihilfe begehrt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 -, ZBR 2006, 195).
16 
Somit ist hier die Sach- und Rechtslage zum 30.09.2008 (Datum der Rechnung) maßgeblich. Zu diesem Zeitpunkt galten die Beihilfevorschriften des Bundes (BhV) i.d.F. v. 01.11.2001 - GMBl S. 918 -, zuletzt geändert durch Art. 1 der 28. Änderungsverwaltungsvorschrift (28. ÄndVwV) vom 30.01.2004 - GMBl S. 379, trotz ihrer Nichtigkeit übergangsweise noch bis zum Ende der Legislaturperiode des 16. Deutschen Bundestags (also bis 27.10.2009) (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.05.2008 - 2 C 24/07 -, DVBl 2008, 1193 = ZPR 2009, 41 = NVwZ 2008, 1378).
17 
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen für die Anschaffung der vom Arzt schriftlich verordneten Hilfsmittel; Voraussetzungen und Umfang der Beihilfefähigkeit bestimmen sich nach Anlage 3 dieser Vorschrift. Nach Nr. 1 der Anlage sind, wenn sie vom Arzt schriftlich verordnet wurden, beihilfefähig u.a. die Aufwendungen für einen Krankenfahrstuhl mit Zubehör. Nicht zu den Hilfsmitteln zählen nach Nr. 9 der Anlage u.a. Gegenstände, die der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen, insbesondere Elektrofahrzeuge (vgl. nunmehr § 25 i.V.m. Anlagen 5 und 6 der Bundesbeihilfeverordnung - BBhV - vom 13.02.2009 - BGBl I 2009,326 - ).
18 
Ob die ärztliche Bescheinigung des Dr. J. vom 01.04.2008 eine Verordnung im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV darstellt, kann dahinstehen. Auch im Falle einer Verordnung als Hilfsmittel wären die Kosten nicht beihilfefähig.
19 
Das vom Kläger beschaffte Elektromobil ist kein Krankenfahrstuhl im Sinne der o.g. Beihilfevorschrift.
20 
Charakteristisch für einen Krankenfahrstuhl im Sinne der Beihilfevorschriften ist angesichts der Wortwahl - Krankenfahrstuhl, nicht etwa Krankenfahrzeug - zunächst, dass in diesem Hilfsmittel ungeachtet seiner konkreten Ausgestaltung immer noch die Grundstruktur eines (fahrbaren) Stuhls erkennbar ist. Diese ist durch eine auf vier Beinen ruhende Sitzfläche, eine Rückenlehne und ggf. Armlehnen geprägt. Entsprechend den Zwecken, denen der Krankenfahrstuhl dient, ist er mit Rädern ausgerüstet (die ihrerseits wieder unterschiedlich gestaltet sind je nachdem, ob das Gerät von einem Dritten geschoben oder durch seinen Nutzer selbst bewegt werden soll), hat besondere Arm- oder Rückenlehnen, Abstellflächen für die Füße, Vorrichtungen, um den Rumpf oder einzelne Gliedmaßen zu schützen oder zu fixieren. Wie auch immer indes der Krankenfahrstuhl im Einzelfall im Hinblick auf die Behinderungen des jeweiligen Nutzers und die konkreten Zwecke, denen der Fahrstuhl dient, konstruiert ist, so wird im Regelfall doch sichtbar, dass dem Gerät ein für besondere Zwecke um- und ausgerüsteter Stuhl zugrunde liegt (vgl. Abb. links). Dem Betrachter ist ohne Weiteres erkennbar, dass dieses Gerät, der Krankenfahrstuhl, bauartbedingt auf die Nutzung durch einen behinderten Menschen zugeschnitten und speziell zur Beförderung von Behinderten gebaut ist (vgl. auch niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 31.01.2008 - 16 K 355/06 -, Juris Rn. 21). Charakteristisch ist weiterhin, dass ein Krankenfahrstuhl gerade auch dafür gedacht ist, im Gebäude, d.h. in Wohnungen oder sonstigen Aufenthaltsbereichen, genutzt zu werden. Seine Konstruktion als fahrbarer Stuhl mit entsprechenden Abmessungen und Wenderadius ermöglicht es seinem Benutzer, sich in Wohnungen von Raum zu Raum zu bewegen und auch z.B. an Tische heranzufahren. Da der Krankenfahrstuhl von seiner Konstruktion her ausgesprochen auf den Ausgleich von Behinderungen ausgerichtet ist, ist seine Benutzung für Menschen ohne entsprechende Behinderungen uninteressant; er bietet Menschen ohne erhebliche Gehbehinderung regelmäßig keine Vorteile (vgl. Finanzgericht Düsseldorf, EuGH-Vorlage vom 28.12.2009 - 4 K 2025/09 Z, EU -, Juris Rn. 19).
21 
Bei dem vom Kläger angeschafften Elektormobil (s. Abb.) handelt es sich ersichtlich nicht um einen Krankenfahrstuhl i.S. von Nr.1 der Anlage 3 (zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BHV), sondern um ein Elektrofahrzeug im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3. Dieses Fahrzeug ist so gebaut, dass es schon von seinem optischen Eindruck her niemandem einfallen wird, dieses Fahrzeug als Krankenfahr-"stuhl" zu bezeichnen. Wegen seiner Konstruktion und seinen Ausmaßen ist das Fahrzeug auch gar nicht dazu geeignet, in Wohnungen als Ersatz für einen Stuhl zu dienen. Das Elektromobil ist zur Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr gedacht und entsprechend ist es auch ausgestattet mit Beleuchtung nach der StVO incl. Blinker, Bremslichtern und Warnblinklicht. Der an der Lenksäule angebrachte Einkaufskorb belegt ebenfalls, dass das Elektromobil für den außerhäuslichen Einsatz bestimmt ist. Dafür, dass es sich nicht um einen Krankenfahrstuhl handelt, spricht im Übrigen auch die Internetpräsentation der Herstellerfirma. Diese präsentiert dieses Elektromobil unter dem Oberbegriff "Scooter“ und nicht unter dem Oberbegriff "Rollstühle", unter dem sie u.a. auch elektrisch betriebene Rollstühle anbietet.
22 
Die Anschaffung des Elektromobils ist nicht beihilfefähig, da die Anschaffung der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen ist. Bei dem vom Kläger beschafften Elektromobil - vom Anbieter „Scooter“ genannt - handelt es sich ungeachtet dessen, dass es als behindertengerecht bezeichnet wird und je nach Art und Ausmaß der Behinderungen auch von einem behinderten Menschen genutzt werden kann, nicht um ein Hilfsmittel, das speziell auf die Nutzung durch kranke oder behinderte Menschen zugeschnitten ist. Ein Elektromobil spricht einen breiteren Personenkreis an, der keines Rollstuhls bedarf, aber seine Mobilität erhöhen will. Es kann unabhängig von bestimmten Krankheitszuständen auch im Rahmen der allgemeinen Lebenshaltung, etwa von älteren, nicht krankheitsbedingt in der Gehfähigkeit eingeschränkten, aber allgemein körperlich schwächeren Menschen benutzt werden. Der allgemeinen Lebenshaltung dienen diejenigen Hilfsmittel, die üblicherweise herangezogen werden, um die "Unbequemlichkeiten" des Lebens zu erleichtern, und die aufgrund der objektiven Eigenart und Beschaffenheit des Gegenstandes keinen unmittelbaren Bezug zu dem festgestellten Krankheitsbild haben. Es kommt nicht darauf an, ob im Einzelfall ein Gegenstand ohne die Erkrankung nicht angeschafft würde oder worden wäre. Maßgebend ist vielmehr, ob das Hilfsmittel - von einer krankheitsentsprechenden Ausstattung abgesehen - auch von einem Gesunden im Rahmen der allgemeinen Lebenshaltung üblicherweise genutzt werden kann (vgl. OVG Nordrhein-Westf., Beschluss vom 07.07.1998 - 12 A 5885/96 -, Juris Rn. 14 ff). Bei dem vom Kläger beschafften Elektromobil handelt es sich jedoch um ein Fahrzeug, dessen (möglicher) Benutzerkreis sich nicht auf Kranke und Behinderte beschränkt, sondern das nach seiner objektiven Eigenart und Beschaffenheit auch für solche Personen gedacht ist, deren Gehfähigkeit jedenfalls noch nicht derart eingeschränkt ist, dass sie eines Krankenfahrstuhls zwingend bedürften (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 25.09.1996 - 10 K 12672/94 -). Es wird kein Zusammenhang zu einem krankheitsbedingten Bedarf hergestellt und ein notwendiger Zusammenhang ist auch nicht ersichtlich (vgl. OVG Nordrhein-Westf., Beschluss vom 07.07.1998, a.a.O., Rn. 19). Das Elektromobil verfügt über keinerlei Einrichtungen, die es gerade für die Benutzung durch Behinderte bestimmen (vgl. Finanzgericht Düsseldorf, EuGH-Vorlage vom 28.12.2009 - 4 K 2025/09 Z, EU -, Juris Rn. 19). Dass das Elektromobil der Ehefrau des Klägers als Hilfsmittel zum Ausgleich ihrer eingeschränkten körperlichen Belastbarkeit dient, ändert nichts daran, dass es objektiv der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen ist.
23 
Der Kläger hat auch nicht etwa unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes Anspruch auf die Beihilfegewährung für dieses Elektromobil. Der Umstand, dass der Beklagte früher Beihilfe für ein ähnliches Gerät gewährt hat, begründet keinen Vertrauensschutz. Die Kammer hat in einem anderen Verfahren schon ausgeführt, dass es sich von selbst verstehe, dass die Abrechnung der Beihilfestellen Einzelfallcharakter hat und keine darüber hinausgehende positive Feststellung oder Festlegung zur Beihilfefähigkeit künftiger Anträge enthält (vgl. Urteil vom 11.02.2004 - 6 K 1205/03 -). Selbst wenn die früher für ein ähnliches Gerät bewilligte Beihilfe rechtswidrig gewesen sein sollte, ist die Beklagte selbstverständlich nicht verpflichtet, diese rechtswidrige Praxis fortzusetzen.
24 
Die Fürsorgepflicht gebietet hier ebenfalls nicht die Gewährung einer weiteren Beihilfe. Die Beihilfevorschriften stellen eine für den Regelfall grundsätzlich abschließende Konkretisierung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen dar. Weitergehende Beihilfeansprüche können allenfalls dann begründet sein, wenn die Fürsorgepflicht in einem Einzelfall gleichwohl noch in ihrem Wesenskern verletzt wäre. Von Verfassungs wegen fordert die Fürsorgepflicht nicht den Ausgleich jeglicher aus Anlass von Krankheitsfällen entstandener Aufwendungen und auch nicht deren Erstattung in jeweils vollem Umfang (ständige Rechtsprechung, BVerfG, Beschluss vom 13.11.1990, BVerfGE 83, 89, und Beschluss vom 07.11.2002, NVwZ 2003, 720; BVerwG, Urteil vom 03.07.2003, BVerwGE 118, 277; Beschluss vom 11.12.1997 - 2 B 72/97 -, Urteil vom 14.03.1991 - 2 C 23/89 -, zitiert nach Juris). Daran wäre etwa zu denken, wenn die Ehefrau des Klägers erst durch ein Elektromobil die ihren Grundbedürfnissen zuzuordnende Bewegungsfreiheit erhielte; diese Bewegungsfähigkeit könnte sie aber bereits durch einen Krankenfahrstuhl erhalten.
25 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
26 
Die Zulassung der Berufung beruht auf §§ 124 a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.

(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. Dezember 2009 - 6 K 3555/09 - geändert.

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids ihrer Bezirksstelle Dortmund vom 18.11.2008 und des Widerspruchsbescheids ihrer Widerspruchsstelle vom 19.08.2009 verpflichtet, dem Kläger die Genehmigung zur Anschaffung eines DAISY-Abspielgeräts - Victor Reader Classic X - zu erteilen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Genehmigung zur Anschaffung eines DAISY-Abspielgeräts.
Der 1950 geborene Kläger ist bei der Beklagten als A-Mitglied krankenversichert. Er ist aufgrund einer Augenerkrankung beidseitig erblindet. Mit Schreiben vom 27.10.2008 beantragte er unter Vorlage einer augenärztlichen Verordnung sowie eines Kostenvoranschlags der Firma T. vom 15.10.2008 die Übernahme der Kosten für ein DAISY-Abspielgerät - Victor Reader Classic X - zum Preis von 355,-- EUR. Nach der Beschreibung handelt es sich um ein Abspielgerät für Hörbücher, mit dem neben Büchern in einem besonderen, mit den Buchstaben DAISY (für Digital Accessible Information System) bezeichneten Format auch herkömmliche Hörbücher im Audio und MP3-Format abgespielt werden können; die Nutzung erfolgt über eine besonders einfach zu bedienende Tastatur.
Mit Bescheid vom 18.11.2008 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme für das DAISY-Abspielgerät ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Widerspruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 19.08.2009 zurück. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, das DAISY-Abspielgerät sei in der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfeverordnung des Bundes unter Nr. 1, also bei den beihilfefähigen Gegenständen, nicht aufgeführt. Somit sei es von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen und den Gegenständen des täglichen Lebens zugeordnet.
Der Kläger hat am 17.09.2009 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben mit dem sinngemäßen Antrag, die Beklagte zu verpflichten, ihm die Genehmigung zur Anschaffung eines DAISY-Abspielgeräts zu erteilen und die entgegenstehenden Bescheide der Beklagten vom 18.11.2008 und 19.08.2009 aufzuheben.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 10.12.2009 die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Das DAISY-Abspielgerät gehöre nicht zu den Hilfsmitteln, für deren Anschaffung die Beklagte Kassenleistungen zu gewähren habe. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfevorschriften in Verbindung mit Anlage 3 Nr. 9 gehörten zu den Hilfsmitteln unter anderem nicht Gegenstände, die der allgemeinen Lebenshaltung unterlägen. Für die Einordnung als - beihilfefähiges - Hilfsmittel komme es in diesem Zusammenhang auf die objektive Eigenart und Beschaffenheit des betreffenden Gegenstands an, nicht dagegen darauf, ob im Einzelfall der Gegenstand auch ohne Erkrankung überhaupt und in gleich teurerer Ausführung beschafft worden wäre. Maßgeblich sei allein, ob der Gegenstand nach seiner objektiven Eigenart und Beschaffenheit - von einer krankheitsentsprechenden Ausstattung abgesehen - auch von einem Gesunden im Rahmen der allgemeinen Lebenshaltung üblicherweise benutzt werden könne. Das sei hier der Fall. Nach der Produktbeschreibung im Internet handele es sich bei dem DAISY-Abspielgerät um ein Produkt der Unterhaltungselektronik. Es könnten sowohl DAISY-Hörbücher als auch normale Hörbücher aus dem Buchhandel und Musik-CDs abgespielt werden. Es handele sich um ein Abspielgerät mit einfachster Bedienung, das auch von Gesunden benutzt werden könne.
Zur Begründung der mit Beschluss des Senats vom 15.03.2011 zugelassenen Berufung trägt der Kläger unter anderem Folgendes vor: Zur Ermittlung des Vorliegens der Eigenschaft eines Hilfsmittels der Krankenversicherung sei allein auf die Zweckbestimmung des Gegenstands abzustellen, die einerseits aus der Sicht der Hersteller, andererseits aus der Sicht der tatsächlichen Benutzer zu bestimmen sei. Geräte, die für die speziellen Bedürfnisse Kranker oder Behinderter hergestellt worden seien und die ausschließlich oder ganz überwiegend auch von diesem Personenkreis benutzt würden, seien nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen. Die DAISY-Player seien von den Herstellern im Hinblick auf die Bedürfnisse blinder bzw. sehbehinderter Menschen entwickelt worden, um diesen einen strukturierten Zugriff auf unterschiedliche schriftliche Medien zu ermöglichen. Zwar sei heutzutage auch bei nicht blinden oder nicht sehbehinderten Menschen die Nutzung von Hörbüchern weit verbreitet. Diese nutzten hierfür jedoch regelmäßig MP-3- oder CD-Player, benötigten keine gesonderten Funktionen und hörten auch keine Zeitschriften oder Lexika an, sondern gegebenenfalls Belletristik oder Sachbücher.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. Dezember 2009 - 6 K 3555/09 - zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 18.11.2008 und des Widerspruchsbescheids vom 19.08.2009 zu verpflichten, ihm die Genehmigung zur Anschaffung eines DAISY-Abspielgeräts - Victor Reader Classic X - zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
10 
die Berufung zurückzuweisen.
11 
Sie erwidert: Das DAISY-Abspielgerät könne auch von Gesunden benutzt werden. Es sei den Gegenständen des täglichen Lebens zugeordnet und damit von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen.
12 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Akten sowie die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
13 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
14 
Die Berufung des Klägers ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage, mit der der Kläger die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der vorherigen Genehmigung für die Anschaffung eines DAISY-Abspielgeräts nach § 35 Abs. 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten begehrt, zu Unrecht abgewiesen.
15 
1. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten haben die Mitglieder für sich und die mitversicherten Angehörigen Anspruch auf die in den §§ 31 bis 48 festgelegten Leistungen. Nach § 30 Abs. 1 Satz 2 der Satzung sind erstattungsfähig im Sinne dieser Bestimmungen Aufwendungen, wenn sie beihilfefähig und Leistungen dafür in der Satzung vorgesehen sind. § 35 Abs. 1 der Satzung bestimmt in diesem Zusammenhang weiter, dass Aufwendungen für Anschaffung, Reparatur, Betrieb und Unterhaltung der vom Arzt schriftlich verordneten Hilfsmittel in dem für die Anwendung der Beihilfevorschriften des Bundes vom 01.01.2004 geltenden Rahmen erstattungsfähig sind. Gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 der Satzung bedarf die Anschaffung von Hilfsmitteln grundsätzlich der vorherigen Genehmigung durch die Beklagte. Eine solche Genehmigung ist zu erteilen, wenn dem A-Mitglied ein Anspruch auf Kassenleistungen nach §§ 30 Abs. 1, 35 Abs. 1 der Satzung für das anzuschaffende Hilfsmittel zusteht. Das ist hier der Fall.
16 
2. Bei dem DAISY-Abspielgeräte handelt es sich um ein Hilfsmittel, das im Rahmen der Beihilfevorschriften des Bundes beihilfefähig wäre und damit nach der Satzung der Beklagten erstattungsfähig ist.
17 
a) Die Beurteilung der Beihilfefähigkeit des DAISY-Abspielgeräts richtet sich nach den Beihilfevorschriften des Bundes vom 01.01.2004. Danach sind gemäß § 5 i.V.m. § 6 BhV anlässlich einer Krankheit entstandene Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie in der Höhe angemessen sind. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV sind aus Anlass einer Krankheit die Aufwendungen für die Anschaffung der vom Arzt schriftlich verordneten Hilfsmittel beihilfefähig. Voraussetzungen und Umfang der Beihilfefähigkeit bestimmen sich nach der Anlage 3. Nach Nr. 1 der Anlage 3 sind die notwendigen und angemessenen Aufwendungen für die Anschaffung der Hilfsmittel - gegebenenfalls im Rahmen der Höchstbeträge - beihilfefähig, wenn sie vom Arzt schriftlich verordnet und nachstehend aufgeführt sind. Ergänzend zu Nr. 1 der Anlage 3 gilt Nr. 9 (sog. Negativkatalog), in dem Gegenstände aufgeführt werden, die nicht zu den Hilfsmitteln gehören. Durch die Formulierung „insbesondere“ wird in diesem Zusammenhang klargestellt, dass dieser Katalog nicht abschließend ist; danach gehören generell solche Gegenstände nicht zu den Hilfsmitteln, die nicht notwendig und angemessen (§ 5 Abs. 1), von geringem oder umstrittenen therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis (§ 6 Abs. 4 Nr. 3) sind oder der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen.
18 
Vor dem Hintergrund dieser Systematik in der Anlage 3 ist eine Gesamtabwägung vorzunehmen, ob die Aufwendungen für den zu beurteilenden Gegenstand unter Berücksichtigung der genannten Beispielsfälle notwendig und angemessen sind oder ob sie im Hinblick auf die genannten Ausschlussgründe - insbesondere weil die Gegenstände der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen - von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind. Allein der Umstand, dass der zu beurteilende Gegenstand nicht ausdrücklich unter Nr. 1 der Anlage 3 aufgelistet ist, schließt die Einordnung des Gegenstands zu den Hilfsmitteln nicht aus (BVerwG, Urteil vom 28.05.2008 - 2 C 9.07 - NVwZ-RR 2008, 711). Wenn ein Gegenstand nicht unter Nr. 1 der Anlage 3 aufgelistet ist, kann dies zwar als Indiz für den Ausschluss der Beihilfefähigkeit angesehen werden. Angesichts der Vielzahl der möglichen Erkrankungen und der Vielzahl der in diesem Zusammenhang zur Verfügung stehenden „Hilfsmittel“ kommt es jedoch auch in diesem Fall maßgeblich darauf an, ob der Gegenstand im Hinblick auf die jeweilige Erkrankung bzw. Behinderung notwendig und angemessen ist. Dies wird bestätigt durch die Regelung in Nr. 10 Satz 1 der Anlage 3. Danach entscheidet über die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Hilfsmittel, die weder in dieser Anlage aufgeführt noch mit den aufgeführten Gegenständen vergleichbar sind, die oberste Dienstbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern. Dies bedeutet zugleich, dass zunächst vorrangig zu prüfen ist, ob die zu beurteilenden Hilfsmittel in der Anlage 3 genannt oder mit den dort aufgeführten vergleichbar sind. Maßstab des Vergleichs sind die Schwere der Erkrankung und der Einsatzzweck des Gegenstands (BVerwG, Urteil vom 28.05.2008, aaO).
19 
b) Das hier zu beurteilende DAISY-Abspielgerät ist unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe als - beihilfefähiges - Hilfsmittel anzusehen. Im Ausschlusskatalog der Nr. 9 zur Anlage 3 ist das Gerät nicht aufgeführt. Darüber hinaus kann es entgegen der Ansicht der Beklagten und des Verwaltungsgerichts auch nicht als Gegenstand qualifiziert werden, der der allgemeinen Lebenshaltung unterliegt. Für die Abgrenzung kommt es darauf an, ob der Gegenstand bzw. das Mittel spezifisch der Bekämpfung einer Krankheit oder dem Ausgleich einer Behinderung dient. Gegenstände, die regelmäßig auch von Gesunden benutzt werden, sind auch bei hohen Kosten grundsätzlich nicht beihilfefähig bzw. fallen nicht in die Leistungspflicht der Beklagten. Für die Einordnung als Hilfsmittel kommt es danach auf die objektive Eigenart und die Beschaffenheit des betreffenden Gegenstands an, nicht dagegen darauf, ob im Einzelfall der Gegenstand auch ohne Erkrankung überhaupt und in gleich teurerer Ausführung beschafft worden wäre (BVerwG, Urteil vom 14.03.1991 - 2 C 23.89 - DÖD 1991, 203). Danach sind Geräte, die für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelt sowie hergestellt worden sind und die ausschließlich oder ganz überwiegend von diesem Personenkreis benutzt werden, jedenfalls nicht als Gegenstände anzusehen, die der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen (vgl. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom18.02.2010 - L 5 KR 146/09 - juris zur entsprechenden Regelung für gesetzlich Krankenversicherte nach § 33 Abs. 1 SGB V).
20 
DAISY-Abspielgeräte wurden von den Herstellern gerade im Hinblick auf die Bedürfnisse blinder bzw. sehbehinderter Menschen entwickelt, um diesen einen strukturierten interaktiven Zugriff auf unterschiedliche schriftliche Medien in einem besonderen, von Blindenbüchereien entwickelten Standard zu ermöglichen. Kennzeichen des DAISY-Hörbuchs sind umfassende hierarchische Navigationsfunktionen. Der Benutzer kann nicht nur von Kapitel zu Kapitel eines Textes springen, sondern über mehrere Hierarchiestufen vom Kapitel über die Seitenzahl bis zum einzelnen Satz oder einer Fußnote und wieder zurück gelangen. Der Benutzer kann beliebig viele Buchzeichen platzieren, das DAISY-Abspielgerät zeigt die markierten Textstellen wieder an. Daneben kann der Benutzer Anmerkungen in ein Mikrofon sprechen, die von dem Gerät aufgenommen werden, und sich so gewissermaßen Notizen zu dem gelesenen Text machen. Mit dem DAISY-Standard können die Sehbehinderten nicht nur die auf dem Markt befindlichen digitalen Hörbücher nutzen, sondern darüber hinaus auch digitale Zeitungen und Zeitschriften und sogar Lexika. Auch die Handhabung der DAISY-Abspielgeräte ist speziell auf die Bedürfnisse blinder Nutzer abgestimmt. Die Tasten sind großflächig, mit größerem Abstand zueinander angeordnet und unterschiedlich gestaltet, so dass die zur Verfügung stehenden Funktionen anhand der Tastenposition und der Tastenform besonders gut zu „erfühlen“ sind. Hinzu kommen sprachliche Hilfs-, Info-Ansagen und Klänge, die über die jeweilige Funktion Auskunft erteilen (vgl. zum Ganzen: Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.02.2010, aaO und Sozialgericht des Saarlands, Urteil vom 14.12.2009 - S 23 KR 416/09 - juris).
21 
Der Umstand, dass das DAISY-Abspielgerät auch von Gesunden benutzt werden kann, stellt entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts die Einordnung als Hilfsmittel nicht in Frage. Das Gleiche gilt auch für andere Hilfsmittel, wie etwa Rollstühle und Krücken, die nach Nr. 1 der Anlage 3 unstreitig beihilfefähig sind. In diesem Zusammenhang kann es nicht allein darauf ankommen, ob der Gegenstand möglicherweise von einem Gesunden benutzt werden kann. Entscheidend ist vielmehr, ob der Gegenstand von einem Gesunden üblicherweise benutzt wird, d.h. dass es sich bei typisierender Betrachtung um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens auch für Gesunde handelt.
22 
Unerheblich ist auch der Umstand, dass Hörbücher nicht nur von blinden bzw. sehbehinderten Menschen benutzt werden, sondern dies auch bei gesunden Menschen heutzutage allgemein verbreitet ist. Gesunde nutzen hierfür üblicherweise MP-3- oder CD-Player, da sie die besonderen Funktionen von DAISY nicht benötigen. Sie nutzen im Regelfall auf diesem Wege auch keine Zeitschriften oder gar Lexika.
23 
3. Die einen Anspruch auf Kassenleistungen der Beklagten auslösende Hilfsmitteleigenschaft des DAISY-Abspielgeräts setzt demzufolge allein voraus, dass seine Anschaffung, für die der Kläger die Genehmigung erstrebt, notwendig und angemessen i.S.d. § 5 Abs. 1 BhV ist. Auch davon ist im vorliegenden Fall auszugehen.
24 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Hilfsmittel erforderlich, wenn sein Einsatz zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird. Zu den allgemeinen Grundbedürfnissen ist dabei auch ein gewisser körperlicher und geistiger Freiraum zu rechnen, der die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben umfasst; dazu gehört etwa die Aufnahme von Informationen und die Kommunikation mit anderen zur Vermeidung von Vereinsamung. Maßstab ist stets der gesunde Mensch, zu dessen Grundbedürfnissen der kranke oder behinderte Mensch durch die medizinische Rehabilitation oder mit Hilfe der von der Krankenkasse gelieferten Hilfsmittel wieder aufschließen soll (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 07.03.1990 - 3 RK 15/89 - BSGE 66, 245). Auf diese zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung entwickelten Grundsätze kann auch im Rahmen entsprechender beihilferechtlicher Entscheidungen und demzufolge auch bei der Auslegung von § 35 Abs. 1 der Satzung der Beklagten zurückgegriffen werden. Sie entsprechen den Verpflichtungen des Dienstherrn, die diesem aus seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamten erwachsen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.04.1996 - 4 S 3208/94 - DÖD 1997, 37).
25 
a) Das DAISY-Abspielgerät erweist sich danach zur Überzeugung des Senats als notwendig. Durch das Geräte wird der Kläger in die Lage versetzt, selbständig aus einer Vielzahl von Publikationen (Belletristik, klassische Literatur, Sachbücher, Lexika, Zeitschriften und Informationen unterschiedlicher Verbände) auszuwählen, die im DAISY-Format zur Verfügung stehen und insbesondere über Blindenbüchereien kostenlos (wie z.B. Bücher) bzw. gegen geringe Entgelte (wie z.B. Zeitschriften) zur Verfügung gestellt werden. Hierdurch wird sein als elementares Grundbedürfnis des täglichen Lebens zu wertendes Bedürfnis nach Kommunikation und Information (vgl. dazu BSG, Urteil vom 16.04.1998 - B 3 KR 6/97 R - SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 26) erheblich umfassender befriedigt als dies ohne dieses Hilfsmittel bislang der Fall ist.
26 
b) Es ist ferner von der Angemessenheit des Hilfsmittels auszugehen. Der Kläger muss sich insbesondere nicht auf die Nutzung eines handelsüblichen MP-3- oder CD-Players verweisen lassen. Solche Geräte sind nur geeignet, ein durchgängiges Abspielen der Informationen zu leisten, und sie können nicht gezielt nach Informationen im Text suchen, Abschnitte überspringen oder in sonstiger Weise in den Texten navigieren. Aufgrund der geringen Größe solcher Geräte ist ferner deren Bedienung für blinde oder hochgradig sehbehinderte Menschen äußerst schwierig. Insgesamt erweist sich der Nutzen eines DAISY-Abspielgeräts für den Kläger gerade durch die angesprochenen speziell auf die Bedürfnisse blinder bzw. hochgradig sehbehinderter Menschen ausgerichteten Zusatzfunktionen als so hoch, dass auch in Abwägung mit den Kosten in einer Größenordnung von 350,-- bis 400,-- EUR ein entsprechender Versorgungsanspruch besteht.
27 
Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger auf die Anschaffung eines günstigeren Abspielgeräts eines anderen Herstellers verwiesen werden könnte. Auch die Beklagte hat nicht behauptet, dass eine solche billigere Variante existiere.
28 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
29 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
30 
Beschluss vom 26. September 2011
31 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 355,-- EUR festgesetzt.
32 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
13 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
14 
Die Berufung des Klägers ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage, mit der der Kläger die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der vorherigen Genehmigung für die Anschaffung eines DAISY-Abspielgeräts nach § 35 Abs. 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten begehrt, zu Unrecht abgewiesen.
15 
1. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten haben die Mitglieder für sich und die mitversicherten Angehörigen Anspruch auf die in den §§ 31 bis 48 festgelegten Leistungen. Nach § 30 Abs. 1 Satz 2 der Satzung sind erstattungsfähig im Sinne dieser Bestimmungen Aufwendungen, wenn sie beihilfefähig und Leistungen dafür in der Satzung vorgesehen sind. § 35 Abs. 1 der Satzung bestimmt in diesem Zusammenhang weiter, dass Aufwendungen für Anschaffung, Reparatur, Betrieb und Unterhaltung der vom Arzt schriftlich verordneten Hilfsmittel in dem für die Anwendung der Beihilfevorschriften des Bundes vom 01.01.2004 geltenden Rahmen erstattungsfähig sind. Gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 der Satzung bedarf die Anschaffung von Hilfsmitteln grundsätzlich der vorherigen Genehmigung durch die Beklagte. Eine solche Genehmigung ist zu erteilen, wenn dem A-Mitglied ein Anspruch auf Kassenleistungen nach §§ 30 Abs. 1, 35 Abs. 1 der Satzung für das anzuschaffende Hilfsmittel zusteht. Das ist hier der Fall.
16 
2. Bei dem DAISY-Abspielgeräte handelt es sich um ein Hilfsmittel, das im Rahmen der Beihilfevorschriften des Bundes beihilfefähig wäre und damit nach der Satzung der Beklagten erstattungsfähig ist.
17 
a) Die Beurteilung der Beihilfefähigkeit des DAISY-Abspielgeräts richtet sich nach den Beihilfevorschriften des Bundes vom 01.01.2004. Danach sind gemäß § 5 i.V.m. § 6 BhV anlässlich einer Krankheit entstandene Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie in der Höhe angemessen sind. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV sind aus Anlass einer Krankheit die Aufwendungen für die Anschaffung der vom Arzt schriftlich verordneten Hilfsmittel beihilfefähig. Voraussetzungen und Umfang der Beihilfefähigkeit bestimmen sich nach der Anlage 3. Nach Nr. 1 der Anlage 3 sind die notwendigen und angemessenen Aufwendungen für die Anschaffung der Hilfsmittel - gegebenenfalls im Rahmen der Höchstbeträge - beihilfefähig, wenn sie vom Arzt schriftlich verordnet und nachstehend aufgeführt sind. Ergänzend zu Nr. 1 der Anlage 3 gilt Nr. 9 (sog. Negativkatalog), in dem Gegenstände aufgeführt werden, die nicht zu den Hilfsmitteln gehören. Durch die Formulierung „insbesondere“ wird in diesem Zusammenhang klargestellt, dass dieser Katalog nicht abschließend ist; danach gehören generell solche Gegenstände nicht zu den Hilfsmitteln, die nicht notwendig und angemessen (§ 5 Abs. 1), von geringem oder umstrittenen therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis (§ 6 Abs. 4 Nr. 3) sind oder der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen.
18 
Vor dem Hintergrund dieser Systematik in der Anlage 3 ist eine Gesamtabwägung vorzunehmen, ob die Aufwendungen für den zu beurteilenden Gegenstand unter Berücksichtigung der genannten Beispielsfälle notwendig und angemessen sind oder ob sie im Hinblick auf die genannten Ausschlussgründe - insbesondere weil die Gegenstände der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen - von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind. Allein der Umstand, dass der zu beurteilende Gegenstand nicht ausdrücklich unter Nr. 1 der Anlage 3 aufgelistet ist, schließt die Einordnung des Gegenstands zu den Hilfsmitteln nicht aus (BVerwG, Urteil vom 28.05.2008 - 2 C 9.07 - NVwZ-RR 2008, 711). Wenn ein Gegenstand nicht unter Nr. 1 der Anlage 3 aufgelistet ist, kann dies zwar als Indiz für den Ausschluss der Beihilfefähigkeit angesehen werden. Angesichts der Vielzahl der möglichen Erkrankungen und der Vielzahl der in diesem Zusammenhang zur Verfügung stehenden „Hilfsmittel“ kommt es jedoch auch in diesem Fall maßgeblich darauf an, ob der Gegenstand im Hinblick auf die jeweilige Erkrankung bzw. Behinderung notwendig und angemessen ist. Dies wird bestätigt durch die Regelung in Nr. 10 Satz 1 der Anlage 3. Danach entscheidet über die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Hilfsmittel, die weder in dieser Anlage aufgeführt noch mit den aufgeführten Gegenständen vergleichbar sind, die oberste Dienstbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern. Dies bedeutet zugleich, dass zunächst vorrangig zu prüfen ist, ob die zu beurteilenden Hilfsmittel in der Anlage 3 genannt oder mit den dort aufgeführten vergleichbar sind. Maßstab des Vergleichs sind die Schwere der Erkrankung und der Einsatzzweck des Gegenstands (BVerwG, Urteil vom 28.05.2008, aaO).
19 
b) Das hier zu beurteilende DAISY-Abspielgerät ist unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe als - beihilfefähiges - Hilfsmittel anzusehen. Im Ausschlusskatalog der Nr. 9 zur Anlage 3 ist das Gerät nicht aufgeführt. Darüber hinaus kann es entgegen der Ansicht der Beklagten und des Verwaltungsgerichts auch nicht als Gegenstand qualifiziert werden, der der allgemeinen Lebenshaltung unterliegt. Für die Abgrenzung kommt es darauf an, ob der Gegenstand bzw. das Mittel spezifisch der Bekämpfung einer Krankheit oder dem Ausgleich einer Behinderung dient. Gegenstände, die regelmäßig auch von Gesunden benutzt werden, sind auch bei hohen Kosten grundsätzlich nicht beihilfefähig bzw. fallen nicht in die Leistungspflicht der Beklagten. Für die Einordnung als Hilfsmittel kommt es danach auf die objektive Eigenart und die Beschaffenheit des betreffenden Gegenstands an, nicht dagegen darauf, ob im Einzelfall der Gegenstand auch ohne Erkrankung überhaupt und in gleich teurerer Ausführung beschafft worden wäre (BVerwG, Urteil vom 14.03.1991 - 2 C 23.89 - DÖD 1991, 203). Danach sind Geräte, die für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelt sowie hergestellt worden sind und die ausschließlich oder ganz überwiegend von diesem Personenkreis benutzt werden, jedenfalls nicht als Gegenstände anzusehen, die der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen (vgl. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom18.02.2010 - L 5 KR 146/09 - juris zur entsprechenden Regelung für gesetzlich Krankenversicherte nach § 33 Abs. 1 SGB V).
20 
DAISY-Abspielgeräte wurden von den Herstellern gerade im Hinblick auf die Bedürfnisse blinder bzw. sehbehinderter Menschen entwickelt, um diesen einen strukturierten interaktiven Zugriff auf unterschiedliche schriftliche Medien in einem besonderen, von Blindenbüchereien entwickelten Standard zu ermöglichen. Kennzeichen des DAISY-Hörbuchs sind umfassende hierarchische Navigationsfunktionen. Der Benutzer kann nicht nur von Kapitel zu Kapitel eines Textes springen, sondern über mehrere Hierarchiestufen vom Kapitel über die Seitenzahl bis zum einzelnen Satz oder einer Fußnote und wieder zurück gelangen. Der Benutzer kann beliebig viele Buchzeichen platzieren, das DAISY-Abspielgerät zeigt die markierten Textstellen wieder an. Daneben kann der Benutzer Anmerkungen in ein Mikrofon sprechen, die von dem Gerät aufgenommen werden, und sich so gewissermaßen Notizen zu dem gelesenen Text machen. Mit dem DAISY-Standard können die Sehbehinderten nicht nur die auf dem Markt befindlichen digitalen Hörbücher nutzen, sondern darüber hinaus auch digitale Zeitungen und Zeitschriften und sogar Lexika. Auch die Handhabung der DAISY-Abspielgeräte ist speziell auf die Bedürfnisse blinder Nutzer abgestimmt. Die Tasten sind großflächig, mit größerem Abstand zueinander angeordnet und unterschiedlich gestaltet, so dass die zur Verfügung stehenden Funktionen anhand der Tastenposition und der Tastenform besonders gut zu „erfühlen“ sind. Hinzu kommen sprachliche Hilfs-, Info-Ansagen und Klänge, die über die jeweilige Funktion Auskunft erteilen (vgl. zum Ganzen: Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.02.2010, aaO und Sozialgericht des Saarlands, Urteil vom 14.12.2009 - S 23 KR 416/09 - juris).
21 
Der Umstand, dass das DAISY-Abspielgerät auch von Gesunden benutzt werden kann, stellt entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts die Einordnung als Hilfsmittel nicht in Frage. Das Gleiche gilt auch für andere Hilfsmittel, wie etwa Rollstühle und Krücken, die nach Nr. 1 der Anlage 3 unstreitig beihilfefähig sind. In diesem Zusammenhang kann es nicht allein darauf ankommen, ob der Gegenstand möglicherweise von einem Gesunden benutzt werden kann. Entscheidend ist vielmehr, ob der Gegenstand von einem Gesunden üblicherweise benutzt wird, d.h. dass es sich bei typisierender Betrachtung um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens auch für Gesunde handelt.
22 
Unerheblich ist auch der Umstand, dass Hörbücher nicht nur von blinden bzw. sehbehinderten Menschen benutzt werden, sondern dies auch bei gesunden Menschen heutzutage allgemein verbreitet ist. Gesunde nutzen hierfür üblicherweise MP-3- oder CD-Player, da sie die besonderen Funktionen von DAISY nicht benötigen. Sie nutzen im Regelfall auf diesem Wege auch keine Zeitschriften oder gar Lexika.
23 
3. Die einen Anspruch auf Kassenleistungen der Beklagten auslösende Hilfsmitteleigenschaft des DAISY-Abspielgeräts setzt demzufolge allein voraus, dass seine Anschaffung, für die der Kläger die Genehmigung erstrebt, notwendig und angemessen i.S.d. § 5 Abs. 1 BhV ist. Auch davon ist im vorliegenden Fall auszugehen.
24 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Hilfsmittel erforderlich, wenn sein Einsatz zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird. Zu den allgemeinen Grundbedürfnissen ist dabei auch ein gewisser körperlicher und geistiger Freiraum zu rechnen, der die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben umfasst; dazu gehört etwa die Aufnahme von Informationen und die Kommunikation mit anderen zur Vermeidung von Vereinsamung. Maßstab ist stets der gesunde Mensch, zu dessen Grundbedürfnissen der kranke oder behinderte Mensch durch die medizinische Rehabilitation oder mit Hilfe der von der Krankenkasse gelieferten Hilfsmittel wieder aufschließen soll (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 07.03.1990 - 3 RK 15/89 - BSGE 66, 245). Auf diese zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung entwickelten Grundsätze kann auch im Rahmen entsprechender beihilferechtlicher Entscheidungen und demzufolge auch bei der Auslegung von § 35 Abs. 1 der Satzung der Beklagten zurückgegriffen werden. Sie entsprechen den Verpflichtungen des Dienstherrn, die diesem aus seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamten erwachsen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.04.1996 - 4 S 3208/94 - DÖD 1997, 37).
25 
a) Das DAISY-Abspielgerät erweist sich danach zur Überzeugung des Senats als notwendig. Durch das Geräte wird der Kläger in die Lage versetzt, selbständig aus einer Vielzahl von Publikationen (Belletristik, klassische Literatur, Sachbücher, Lexika, Zeitschriften und Informationen unterschiedlicher Verbände) auszuwählen, die im DAISY-Format zur Verfügung stehen und insbesondere über Blindenbüchereien kostenlos (wie z.B. Bücher) bzw. gegen geringe Entgelte (wie z.B. Zeitschriften) zur Verfügung gestellt werden. Hierdurch wird sein als elementares Grundbedürfnis des täglichen Lebens zu wertendes Bedürfnis nach Kommunikation und Information (vgl. dazu BSG, Urteil vom 16.04.1998 - B 3 KR 6/97 R - SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 26) erheblich umfassender befriedigt als dies ohne dieses Hilfsmittel bislang der Fall ist.
26 
b) Es ist ferner von der Angemessenheit des Hilfsmittels auszugehen. Der Kläger muss sich insbesondere nicht auf die Nutzung eines handelsüblichen MP-3- oder CD-Players verweisen lassen. Solche Geräte sind nur geeignet, ein durchgängiges Abspielen der Informationen zu leisten, und sie können nicht gezielt nach Informationen im Text suchen, Abschnitte überspringen oder in sonstiger Weise in den Texten navigieren. Aufgrund der geringen Größe solcher Geräte ist ferner deren Bedienung für blinde oder hochgradig sehbehinderte Menschen äußerst schwierig. Insgesamt erweist sich der Nutzen eines DAISY-Abspielgeräts für den Kläger gerade durch die angesprochenen speziell auf die Bedürfnisse blinder bzw. hochgradig sehbehinderter Menschen ausgerichteten Zusatzfunktionen als so hoch, dass auch in Abwägung mit den Kosten in einer Größenordnung von 350,-- bis 400,-- EUR ein entsprechender Versorgungsanspruch besteht.
27 
Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger auf die Anschaffung eines günstigeren Abspielgeräts eines anderen Herstellers verwiesen werden könnte. Auch die Beklagte hat nicht behauptet, dass eine solche billigere Variante existiere.
28 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
29 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
30 
Beschluss vom 26. September 2011
31 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 355,-- EUR festgesetzt.
32 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.

(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. Dezember 2009 - 6 K 3555/09 - geändert.

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids ihrer Bezirksstelle Dortmund vom 18.11.2008 und des Widerspruchsbescheids ihrer Widerspruchsstelle vom 19.08.2009 verpflichtet, dem Kläger die Genehmigung zur Anschaffung eines DAISY-Abspielgeräts - Victor Reader Classic X - zu erteilen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Genehmigung zur Anschaffung eines DAISY-Abspielgeräts.
Der 1950 geborene Kläger ist bei der Beklagten als A-Mitglied krankenversichert. Er ist aufgrund einer Augenerkrankung beidseitig erblindet. Mit Schreiben vom 27.10.2008 beantragte er unter Vorlage einer augenärztlichen Verordnung sowie eines Kostenvoranschlags der Firma T. vom 15.10.2008 die Übernahme der Kosten für ein DAISY-Abspielgerät - Victor Reader Classic X - zum Preis von 355,-- EUR. Nach der Beschreibung handelt es sich um ein Abspielgerät für Hörbücher, mit dem neben Büchern in einem besonderen, mit den Buchstaben DAISY (für Digital Accessible Information System) bezeichneten Format auch herkömmliche Hörbücher im Audio und MP3-Format abgespielt werden können; die Nutzung erfolgt über eine besonders einfach zu bedienende Tastatur.
Mit Bescheid vom 18.11.2008 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme für das DAISY-Abspielgerät ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Widerspruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 19.08.2009 zurück. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, das DAISY-Abspielgerät sei in der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfeverordnung des Bundes unter Nr. 1, also bei den beihilfefähigen Gegenständen, nicht aufgeführt. Somit sei es von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen und den Gegenständen des täglichen Lebens zugeordnet.
Der Kläger hat am 17.09.2009 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben mit dem sinngemäßen Antrag, die Beklagte zu verpflichten, ihm die Genehmigung zur Anschaffung eines DAISY-Abspielgeräts zu erteilen und die entgegenstehenden Bescheide der Beklagten vom 18.11.2008 und 19.08.2009 aufzuheben.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 10.12.2009 die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Das DAISY-Abspielgerät gehöre nicht zu den Hilfsmitteln, für deren Anschaffung die Beklagte Kassenleistungen zu gewähren habe. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfevorschriften in Verbindung mit Anlage 3 Nr. 9 gehörten zu den Hilfsmitteln unter anderem nicht Gegenstände, die der allgemeinen Lebenshaltung unterlägen. Für die Einordnung als - beihilfefähiges - Hilfsmittel komme es in diesem Zusammenhang auf die objektive Eigenart und Beschaffenheit des betreffenden Gegenstands an, nicht dagegen darauf, ob im Einzelfall der Gegenstand auch ohne Erkrankung überhaupt und in gleich teurerer Ausführung beschafft worden wäre. Maßgeblich sei allein, ob der Gegenstand nach seiner objektiven Eigenart und Beschaffenheit - von einer krankheitsentsprechenden Ausstattung abgesehen - auch von einem Gesunden im Rahmen der allgemeinen Lebenshaltung üblicherweise benutzt werden könne. Das sei hier der Fall. Nach der Produktbeschreibung im Internet handele es sich bei dem DAISY-Abspielgerät um ein Produkt der Unterhaltungselektronik. Es könnten sowohl DAISY-Hörbücher als auch normale Hörbücher aus dem Buchhandel und Musik-CDs abgespielt werden. Es handele sich um ein Abspielgerät mit einfachster Bedienung, das auch von Gesunden benutzt werden könne.
Zur Begründung der mit Beschluss des Senats vom 15.03.2011 zugelassenen Berufung trägt der Kläger unter anderem Folgendes vor: Zur Ermittlung des Vorliegens der Eigenschaft eines Hilfsmittels der Krankenversicherung sei allein auf die Zweckbestimmung des Gegenstands abzustellen, die einerseits aus der Sicht der Hersteller, andererseits aus der Sicht der tatsächlichen Benutzer zu bestimmen sei. Geräte, die für die speziellen Bedürfnisse Kranker oder Behinderter hergestellt worden seien und die ausschließlich oder ganz überwiegend auch von diesem Personenkreis benutzt würden, seien nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen. Die DAISY-Player seien von den Herstellern im Hinblick auf die Bedürfnisse blinder bzw. sehbehinderter Menschen entwickelt worden, um diesen einen strukturierten Zugriff auf unterschiedliche schriftliche Medien zu ermöglichen. Zwar sei heutzutage auch bei nicht blinden oder nicht sehbehinderten Menschen die Nutzung von Hörbüchern weit verbreitet. Diese nutzten hierfür jedoch regelmäßig MP-3- oder CD-Player, benötigten keine gesonderten Funktionen und hörten auch keine Zeitschriften oder Lexika an, sondern gegebenenfalls Belletristik oder Sachbücher.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. Dezember 2009 - 6 K 3555/09 - zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 18.11.2008 und des Widerspruchsbescheids vom 19.08.2009 zu verpflichten, ihm die Genehmigung zur Anschaffung eines DAISY-Abspielgeräts - Victor Reader Classic X - zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
10 
die Berufung zurückzuweisen.
11 
Sie erwidert: Das DAISY-Abspielgerät könne auch von Gesunden benutzt werden. Es sei den Gegenständen des täglichen Lebens zugeordnet und damit von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen.
12 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Akten sowie die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
13 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
14 
Die Berufung des Klägers ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage, mit der der Kläger die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der vorherigen Genehmigung für die Anschaffung eines DAISY-Abspielgeräts nach § 35 Abs. 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten begehrt, zu Unrecht abgewiesen.
15 
1. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten haben die Mitglieder für sich und die mitversicherten Angehörigen Anspruch auf die in den §§ 31 bis 48 festgelegten Leistungen. Nach § 30 Abs. 1 Satz 2 der Satzung sind erstattungsfähig im Sinne dieser Bestimmungen Aufwendungen, wenn sie beihilfefähig und Leistungen dafür in der Satzung vorgesehen sind. § 35 Abs. 1 der Satzung bestimmt in diesem Zusammenhang weiter, dass Aufwendungen für Anschaffung, Reparatur, Betrieb und Unterhaltung der vom Arzt schriftlich verordneten Hilfsmittel in dem für die Anwendung der Beihilfevorschriften des Bundes vom 01.01.2004 geltenden Rahmen erstattungsfähig sind. Gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 der Satzung bedarf die Anschaffung von Hilfsmitteln grundsätzlich der vorherigen Genehmigung durch die Beklagte. Eine solche Genehmigung ist zu erteilen, wenn dem A-Mitglied ein Anspruch auf Kassenleistungen nach §§ 30 Abs. 1, 35 Abs. 1 der Satzung für das anzuschaffende Hilfsmittel zusteht. Das ist hier der Fall.
16 
2. Bei dem DAISY-Abspielgeräte handelt es sich um ein Hilfsmittel, das im Rahmen der Beihilfevorschriften des Bundes beihilfefähig wäre und damit nach der Satzung der Beklagten erstattungsfähig ist.
17 
a) Die Beurteilung der Beihilfefähigkeit des DAISY-Abspielgeräts richtet sich nach den Beihilfevorschriften des Bundes vom 01.01.2004. Danach sind gemäß § 5 i.V.m. § 6 BhV anlässlich einer Krankheit entstandene Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie in der Höhe angemessen sind. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV sind aus Anlass einer Krankheit die Aufwendungen für die Anschaffung der vom Arzt schriftlich verordneten Hilfsmittel beihilfefähig. Voraussetzungen und Umfang der Beihilfefähigkeit bestimmen sich nach der Anlage 3. Nach Nr. 1 der Anlage 3 sind die notwendigen und angemessenen Aufwendungen für die Anschaffung der Hilfsmittel - gegebenenfalls im Rahmen der Höchstbeträge - beihilfefähig, wenn sie vom Arzt schriftlich verordnet und nachstehend aufgeführt sind. Ergänzend zu Nr. 1 der Anlage 3 gilt Nr. 9 (sog. Negativkatalog), in dem Gegenstände aufgeführt werden, die nicht zu den Hilfsmitteln gehören. Durch die Formulierung „insbesondere“ wird in diesem Zusammenhang klargestellt, dass dieser Katalog nicht abschließend ist; danach gehören generell solche Gegenstände nicht zu den Hilfsmitteln, die nicht notwendig und angemessen (§ 5 Abs. 1), von geringem oder umstrittenen therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis (§ 6 Abs. 4 Nr. 3) sind oder der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen.
18 
Vor dem Hintergrund dieser Systematik in der Anlage 3 ist eine Gesamtabwägung vorzunehmen, ob die Aufwendungen für den zu beurteilenden Gegenstand unter Berücksichtigung der genannten Beispielsfälle notwendig und angemessen sind oder ob sie im Hinblick auf die genannten Ausschlussgründe - insbesondere weil die Gegenstände der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen - von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind. Allein der Umstand, dass der zu beurteilende Gegenstand nicht ausdrücklich unter Nr. 1 der Anlage 3 aufgelistet ist, schließt die Einordnung des Gegenstands zu den Hilfsmitteln nicht aus (BVerwG, Urteil vom 28.05.2008 - 2 C 9.07 - NVwZ-RR 2008, 711). Wenn ein Gegenstand nicht unter Nr. 1 der Anlage 3 aufgelistet ist, kann dies zwar als Indiz für den Ausschluss der Beihilfefähigkeit angesehen werden. Angesichts der Vielzahl der möglichen Erkrankungen und der Vielzahl der in diesem Zusammenhang zur Verfügung stehenden „Hilfsmittel“ kommt es jedoch auch in diesem Fall maßgeblich darauf an, ob der Gegenstand im Hinblick auf die jeweilige Erkrankung bzw. Behinderung notwendig und angemessen ist. Dies wird bestätigt durch die Regelung in Nr. 10 Satz 1 der Anlage 3. Danach entscheidet über die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Hilfsmittel, die weder in dieser Anlage aufgeführt noch mit den aufgeführten Gegenständen vergleichbar sind, die oberste Dienstbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern. Dies bedeutet zugleich, dass zunächst vorrangig zu prüfen ist, ob die zu beurteilenden Hilfsmittel in der Anlage 3 genannt oder mit den dort aufgeführten vergleichbar sind. Maßstab des Vergleichs sind die Schwere der Erkrankung und der Einsatzzweck des Gegenstands (BVerwG, Urteil vom 28.05.2008, aaO).
19 
b) Das hier zu beurteilende DAISY-Abspielgerät ist unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe als - beihilfefähiges - Hilfsmittel anzusehen. Im Ausschlusskatalog der Nr. 9 zur Anlage 3 ist das Gerät nicht aufgeführt. Darüber hinaus kann es entgegen der Ansicht der Beklagten und des Verwaltungsgerichts auch nicht als Gegenstand qualifiziert werden, der der allgemeinen Lebenshaltung unterliegt. Für die Abgrenzung kommt es darauf an, ob der Gegenstand bzw. das Mittel spezifisch der Bekämpfung einer Krankheit oder dem Ausgleich einer Behinderung dient. Gegenstände, die regelmäßig auch von Gesunden benutzt werden, sind auch bei hohen Kosten grundsätzlich nicht beihilfefähig bzw. fallen nicht in die Leistungspflicht der Beklagten. Für die Einordnung als Hilfsmittel kommt es danach auf die objektive Eigenart und die Beschaffenheit des betreffenden Gegenstands an, nicht dagegen darauf, ob im Einzelfall der Gegenstand auch ohne Erkrankung überhaupt und in gleich teurerer Ausführung beschafft worden wäre (BVerwG, Urteil vom 14.03.1991 - 2 C 23.89 - DÖD 1991, 203). Danach sind Geräte, die für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelt sowie hergestellt worden sind und die ausschließlich oder ganz überwiegend von diesem Personenkreis benutzt werden, jedenfalls nicht als Gegenstände anzusehen, die der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen (vgl. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom18.02.2010 - L 5 KR 146/09 - juris zur entsprechenden Regelung für gesetzlich Krankenversicherte nach § 33 Abs. 1 SGB V).
20 
DAISY-Abspielgeräte wurden von den Herstellern gerade im Hinblick auf die Bedürfnisse blinder bzw. sehbehinderter Menschen entwickelt, um diesen einen strukturierten interaktiven Zugriff auf unterschiedliche schriftliche Medien in einem besonderen, von Blindenbüchereien entwickelten Standard zu ermöglichen. Kennzeichen des DAISY-Hörbuchs sind umfassende hierarchische Navigationsfunktionen. Der Benutzer kann nicht nur von Kapitel zu Kapitel eines Textes springen, sondern über mehrere Hierarchiestufen vom Kapitel über die Seitenzahl bis zum einzelnen Satz oder einer Fußnote und wieder zurück gelangen. Der Benutzer kann beliebig viele Buchzeichen platzieren, das DAISY-Abspielgerät zeigt die markierten Textstellen wieder an. Daneben kann der Benutzer Anmerkungen in ein Mikrofon sprechen, die von dem Gerät aufgenommen werden, und sich so gewissermaßen Notizen zu dem gelesenen Text machen. Mit dem DAISY-Standard können die Sehbehinderten nicht nur die auf dem Markt befindlichen digitalen Hörbücher nutzen, sondern darüber hinaus auch digitale Zeitungen und Zeitschriften und sogar Lexika. Auch die Handhabung der DAISY-Abspielgeräte ist speziell auf die Bedürfnisse blinder Nutzer abgestimmt. Die Tasten sind großflächig, mit größerem Abstand zueinander angeordnet und unterschiedlich gestaltet, so dass die zur Verfügung stehenden Funktionen anhand der Tastenposition und der Tastenform besonders gut zu „erfühlen“ sind. Hinzu kommen sprachliche Hilfs-, Info-Ansagen und Klänge, die über die jeweilige Funktion Auskunft erteilen (vgl. zum Ganzen: Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.02.2010, aaO und Sozialgericht des Saarlands, Urteil vom 14.12.2009 - S 23 KR 416/09 - juris).
21 
Der Umstand, dass das DAISY-Abspielgerät auch von Gesunden benutzt werden kann, stellt entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts die Einordnung als Hilfsmittel nicht in Frage. Das Gleiche gilt auch für andere Hilfsmittel, wie etwa Rollstühle und Krücken, die nach Nr. 1 der Anlage 3 unstreitig beihilfefähig sind. In diesem Zusammenhang kann es nicht allein darauf ankommen, ob der Gegenstand möglicherweise von einem Gesunden benutzt werden kann. Entscheidend ist vielmehr, ob der Gegenstand von einem Gesunden üblicherweise benutzt wird, d.h. dass es sich bei typisierender Betrachtung um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens auch für Gesunde handelt.
22 
Unerheblich ist auch der Umstand, dass Hörbücher nicht nur von blinden bzw. sehbehinderten Menschen benutzt werden, sondern dies auch bei gesunden Menschen heutzutage allgemein verbreitet ist. Gesunde nutzen hierfür üblicherweise MP-3- oder CD-Player, da sie die besonderen Funktionen von DAISY nicht benötigen. Sie nutzen im Regelfall auf diesem Wege auch keine Zeitschriften oder gar Lexika.
23 
3. Die einen Anspruch auf Kassenleistungen der Beklagten auslösende Hilfsmitteleigenschaft des DAISY-Abspielgeräts setzt demzufolge allein voraus, dass seine Anschaffung, für die der Kläger die Genehmigung erstrebt, notwendig und angemessen i.S.d. § 5 Abs. 1 BhV ist. Auch davon ist im vorliegenden Fall auszugehen.
24 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Hilfsmittel erforderlich, wenn sein Einsatz zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird. Zu den allgemeinen Grundbedürfnissen ist dabei auch ein gewisser körperlicher und geistiger Freiraum zu rechnen, der die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben umfasst; dazu gehört etwa die Aufnahme von Informationen und die Kommunikation mit anderen zur Vermeidung von Vereinsamung. Maßstab ist stets der gesunde Mensch, zu dessen Grundbedürfnissen der kranke oder behinderte Mensch durch die medizinische Rehabilitation oder mit Hilfe der von der Krankenkasse gelieferten Hilfsmittel wieder aufschließen soll (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 07.03.1990 - 3 RK 15/89 - BSGE 66, 245). Auf diese zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung entwickelten Grundsätze kann auch im Rahmen entsprechender beihilferechtlicher Entscheidungen und demzufolge auch bei der Auslegung von § 35 Abs. 1 der Satzung der Beklagten zurückgegriffen werden. Sie entsprechen den Verpflichtungen des Dienstherrn, die diesem aus seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamten erwachsen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.04.1996 - 4 S 3208/94 - DÖD 1997, 37).
25 
a) Das DAISY-Abspielgerät erweist sich danach zur Überzeugung des Senats als notwendig. Durch das Geräte wird der Kläger in die Lage versetzt, selbständig aus einer Vielzahl von Publikationen (Belletristik, klassische Literatur, Sachbücher, Lexika, Zeitschriften und Informationen unterschiedlicher Verbände) auszuwählen, die im DAISY-Format zur Verfügung stehen und insbesondere über Blindenbüchereien kostenlos (wie z.B. Bücher) bzw. gegen geringe Entgelte (wie z.B. Zeitschriften) zur Verfügung gestellt werden. Hierdurch wird sein als elementares Grundbedürfnis des täglichen Lebens zu wertendes Bedürfnis nach Kommunikation und Information (vgl. dazu BSG, Urteil vom 16.04.1998 - B 3 KR 6/97 R - SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 26) erheblich umfassender befriedigt als dies ohne dieses Hilfsmittel bislang der Fall ist.
26 
b) Es ist ferner von der Angemessenheit des Hilfsmittels auszugehen. Der Kläger muss sich insbesondere nicht auf die Nutzung eines handelsüblichen MP-3- oder CD-Players verweisen lassen. Solche Geräte sind nur geeignet, ein durchgängiges Abspielen der Informationen zu leisten, und sie können nicht gezielt nach Informationen im Text suchen, Abschnitte überspringen oder in sonstiger Weise in den Texten navigieren. Aufgrund der geringen Größe solcher Geräte ist ferner deren Bedienung für blinde oder hochgradig sehbehinderte Menschen äußerst schwierig. Insgesamt erweist sich der Nutzen eines DAISY-Abspielgeräts für den Kläger gerade durch die angesprochenen speziell auf die Bedürfnisse blinder bzw. hochgradig sehbehinderter Menschen ausgerichteten Zusatzfunktionen als so hoch, dass auch in Abwägung mit den Kosten in einer Größenordnung von 350,-- bis 400,-- EUR ein entsprechender Versorgungsanspruch besteht.
27 
Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger auf die Anschaffung eines günstigeren Abspielgeräts eines anderen Herstellers verwiesen werden könnte. Auch die Beklagte hat nicht behauptet, dass eine solche billigere Variante existiere.
28 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
29 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
30 
Beschluss vom 26. September 2011
31 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 355,-- EUR festgesetzt.
32 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
13 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
14 
Die Berufung des Klägers ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage, mit der der Kläger die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der vorherigen Genehmigung für die Anschaffung eines DAISY-Abspielgeräts nach § 35 Abs. 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten begehrt, zu Unrecht abgewiesen.
15 
1. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten haben die Mitglieder für sich und die mitversicherten Angehörigen Anspruch auf die in den §§ 31 bis 48 festgelegten Leistungen. Nach § 30 Abs. 1 Satz 2 der Satzung sind erstattungsfähig im Sinne dieser Bestimmungen Aufwendungen, wenn sie beihilfefähig und Leistungen dafür in der Satzung vorgesehen sind. § 35 Abs. 1 der Satzung bestimmt in diesem Zusammenhang weiter, dass Aufwendungen für Anschaffung, Reparatur, Betrieb und Unterhaltung der vom Arzt schriftlich verordneten Hilfsmittel in dem für die Anwendung der Beihilfevorschriften des Bundes vom 01.01.2004 geltenden Rahmen erstattungsfähig sind. Gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 der Satzung bedarf die Anschaffung von Hilfsmitteln grundsätzlich der vorherigen Genehmigung durch die Beklagte. Eine solche Genehmigung ist zu erteilen, wenn dem A-Mitglied ein Anspruch auf Kassenleistungen nach §§ 30 Abs. 1, 35 Abs. 1 der Satzung für das anzuschaffende Hilfsmittel zusteht. Das ist hier der Fall.
16 
2. Bei dem DAISY-Abspielgeräte handelt es sich um ein Hilfsmittel, das im Rahmen der Beihilfevorschriften des Bundes beihilfefähig wäre und damit nach der Satzung der Beklagten erstattungsfähig ist.
17 
a) Die Beurteilung der Beihilfefähigkeit des DAISY-Abspielgeräts richtet sich nach den Beihilfevorschriften des Bundes vom 01.01.2004. Danach sind gemäß § 5 i.V.m. § 6 BhV anlässlich einer Krankheit entstandene Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie in der Höhe angemessen sind. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV sind aus Anlass einer Krankheit die Aufwendungen für die Anschaffung der vom Arzt schriftlich verordneten Hilfsmittel beihilfefähig. Voraussetzungen und Umfang der Beihilfefähigkeit bestimmen sich nach der Anlage 3. Nach Nr. 1 der Anlage 3 sind die notwendigen und angemessenen Aufwendungen für die Anschaffung der Hilfsmittel - gegebenenfalls im Rahmen der Höchstbeträge - beihilfefähig, wenn sie vom Arzt schriftlich verordnet und nachstehend aufgeführt sind. Ergänzend zu Nr. 1 der Anlage 3 gilt Nr. 9 (sog. Negativkatalog), in dem Gegenstände aufgeführt werden, die nicht zu den Hilfsmitteln gehören. Durch die Formulierung „insbesondere“ wird in diesem Zusammenhang klargestellt, dass dieser Katalog nicht abschließend ist; danach gehören generell solche Gegenstände nicht zu den Hilfsmitteln, die nicht notwendig und angemessen (§ 5 Abs. 1), von geringem oder umstrittenen therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis (§ 6 Abs. 4 Nr. 3) sind oder der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen.
18 
Vor dem Hintergrund dieser Systematik in der Anlage 3 ist eine Gesamtabwägung vorzunehmen, ob die Aufwendungen für den zu beurteilenden Gegenstand unter Berücksichtigung der genannten Beispielsfälle notwendig und angemessen sind oder ob sie im Hinblick auf die genannten Ausschlussgründe - insbesondere weil die Gegenstände der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen - von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind. Allein der Umstand, dass der zu beurteilende Gegenstand nicht ausdrücklich unter Nr. 1 der Anlage 3 aufgelistet ist, schließt die Einordnung des Gegenstands zu den Hilfsmitteln nicht aus (BVerwG, Urteil vom 28.05.2008 - 2 C 9.07 - NVwZ-RR 2008, 711). Wenn ein Gegenstand nicht unter Nr. 1 der Anlage 3 aufgelistet ist, kann dies zwar als Indiz für den Ausschluss der Beihilfefähigkeit angesehen werden. Angesichts der Vielzahl der möglichen Erkrankungen und der Vielzahl der in diesem Zusammenhang zur Verfügung stehenden „Hilfsmittel“ kommt es jedoch auch in diesem Fall maßgeblich darauf an, ob der Gegenstand im Hinblick auf die jeweilige Erkrankung bzw. Behinderung notwendig und angemessen ist. Dies wird bestätigt durch die Regelung in Nr. 10 Satz 1 der Anlage 3. Danach entscheidet über die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Hilfsmittel, die weder in dieser Anlage aufgeführt noch mit den aufgeführten Gegenständen vergleichbar sind, die oberste Dienstbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern. Dies bedeutet zugleich, dass zunächst vorrangig zu prüfen ist, ob die zu beurteilenden Hilfsmittel in der Anlage 3 genannt oder mit den dort aufgeführten vergleichbar sind. Maßstab des Vergleichs sind die Schwere der Erkrankung und der Einsatzzweck des Gegenstands (BVerwG, Urteil vom 28.05.2008, aaO).
19 
b) Das hier zu beurteilende DAISY-Abspielgerät ist unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe als - beihilfefähiges - Hilfsmittel anzusehen. Im Ausschlusskatalog der Nr. 9 zur Anlage 3 ist das Gerät nicht aufgeführt. Darüber hinaus kann es entgegen der Ansicht der Beklagten und des Verwaltungsgerichts auch nicht als Gegenstand qualifiziert werden, der der allgemeinen Lebenshaltung unterliegt. Für die Abgrenzung kommt es darauf an, ob der Gegenstand bzw. das Mittel spezifisch der Bekämpfung einer Krankheit oder dem Ausgleich einer Behinderung dient. Gegenstände, die regelmäßig auch von Gesunden benutzt werden, sind auch bei hohen Kosten grundsätzlich nicht beihilfefähig bzw. fallen nicht in die Leistungspflicht der Beklagten. Für die Einordnung als Hilfsmittel kommt es danach auf die objektive Eigenart und die Beschaffenheit des betreffenden Gegenstands an, nicht dagegen darauf, ob im Einzelfall der Gegenstand auch ohne Erkrankung überhaupt und in gleich teurerer Ausführung beschafft worden wäre (BVerwG, Urteil vom 14.03.1991 - 2 C 23.89 - DÖD 1991, 203). Danach sind Geräte, die für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelt sowie hergestellt worden sind und die ausschließlich oder ganz überwiegend von diesem Personenkreis benutzt werden, jedenfalls nicht als Gegenstände anzusehen, die der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen (vgl. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom18.02.2010 - L 5 KR 146/09 - juris zur entsprechenden Regelung für gesetzlich Krankenversicherte nach § 33 Abs. 1 SGB V).
20 
DAISY-Abspielgeräte wurden von den Herstellern gerade im Hinblick auf die Bedürfnisse blinder bzw. sehbehinderter Menschen entwickelt, um diesen einen strukturierten interaktiven Zugriff auf unterschiedliche schriftliche Medien in einem besonderen, von Blindenbüchereien entwickelten Standard zu ermöglichen. Kennzeichen des DAISY-Hörbuchs sind umfassende hierarchische Navigationsfunktionen. Der Benutzer kann nicht nur von Kapitel zu Kapitel eines Textes springen, sondern über mehrere Hierarchiestufen vom Kapitel über die Seitenzahl bis zum einzelnen Satz oder einer Fußnote und wieder zurück gelangen. Der Benutzer kann beliebig viele Buchzeichen platzieren, das DAISY-Abspielgerät zeigt die markierten Textstellen wieder an. Daneben kann der Benutzer Anmerkungen in ein Mikrofon sprechen, die von dem Gerät aufgenommen werden, und sich so gewissermaßen Notizen zu dem gelesenen Text machen. Mit dem DAISY-Standard können die Sehbehinderten nicht nur die auf dem Markt befindlichen digitalen Hörbücher nutzen, sondern darüber hinaus auch digitale Zeitungen und Zeitschriften und sogar Lexika. Auch die Handhabung der DAISY-Abspielgeräte ist speziell auf die Bedürfnisse blinder Nutzer abgestimmt. Die Tasten sind großflächig, mit größerem Abstand zueinander angeordnet und unterschiedlich gestaltet, so dass die zur Verfügung stehenden Funktionen anhand der Tastenposition und der Tastenform besonders gut zu „erfühlen“ sind. Hinzu kommen sprachliche Hilfs-, Info-Ansagen und Klänge, die über die jeweilige Funktion Auskunft erteilen (vgl. zum Ganzen: Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.02.2010, aaO und Sozialgericht des Saarlands, Urteil vom 14.12.2009 - S 23 KR 416/09 - juris).
21 
Der Umstand, dass das DAISY-Abspielgerät auch von Gesunden benutzt werden kann, stellt entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts die Einordnung als Hilfsmittel nicht in Frage. Das Gleiche gilt auch für andere Hilfsmittel, wie etwa Rollstühle und Krücken, die nach Nr. 1 der Anlage 3 unstreitig beihilfefähig sind. In diesem Zusammenhang kann es nicht allein darauf ankommen, ob der Gegenstand möglicherweise von einem Gesunden benutzt werden kann. Entscheidend ist vielmehr, ob der Gegenstand von einem Gesunden üblicherweise benutzt wird, d.h. dass es sich bei typisierender Betrachtung um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens auch für Gesunde handelt.
22 
Unerheblich ist auch der Umstand, dass Hörbücher nicht nur von blinden bzw. sehbehinderten Menschen benutzt werden, sondern dies auch bei gesunden Menschen heutzutage allgemein verbreitet ist. Gesunde nutzen hierfür üblicherweise MP-3- oder CD-Player, da sie die besonderen Funktionen von DAISY nicht benötigen. Sie nutzen im Regelfall auf diesem Wege auch keine Zeitschriften oder gar Lexika.
23 
3. Die einen Anspruch auf Kassenleistungen der Beklagten auslösende Hilfsmitteleigenschaft des DAISY-Abspielgeräts setzt demzufolge allein voraus, dass seine Anschaffung, für die der Kläger die Genehmigung erstrebt, notwendig und angemessen i.S.d. § 5 Abs. 1 BhV ist. Auch davon ist im vorliegenden Fall auszugehen.
24 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Hilfsmittel erforderlich, wenn sein Einsatz zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird. Zu den allgemeinen Grundbedürfnissen ist dabei auch ein gewisser körperlicher und geistiger Freiraum zu rechnen, der die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben umfasst; dazu gehört etwa die Aufnahme von Informationen und die Kommunikation mit anderen zur Vermeidung von Vereinsamung. Maßstab ist stets der gesunde Mensch, zu dessen Grundbedürfnissen der kranke oder behinderte Mensch durch die medizinische Rehabilitation oder mit Hilfe der von der Krankenkasse gelieferten Hilfsmittel wieder aufschließen soll (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 07.03.1990 - 3 RK 15/89 - BSGE 66, 245). Auf diese zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung entwickelten Grundsätze kann auch im Rahmen entsprechender beihilferechtlicher Entscheidungen und demzufolge auch bei der Auslegung von § 35 Abs. 1 der Satzung der Beklagten zurückgegriffen werden. Sie entsprechen den Verpflichtungen des Dienstherrn, die diesem aus seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamten erwachsen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.04.1996 - 4 S 3208/94 - DÖD 1997, 37).
25 
a) Das DAISY-Abspielgerät erweist sich danach zur Überzeugung des Senats als notwendig. Durch das Geräte wird der Kläger in die Lage versetzt, selbständig aus einer Vielzahl von Publikationen (Belletristik, klassische Literatur, Sachbücher, Lexika, Zeitschriften und Informationen unterschiedlicher Verbände) auszuwählen, die im DAISY-Format zur Verfügung stehen und insbesondere über Blindenbüchereien kostenlos (wie z.B. Bücher) bzw. gegen geringe Entgelte (wie z.B. Zeitschriften) zur Verfügung gestellt werden. Hierdurch wird sein als elementares Grundbedürfnis des täglichen Lebens zu wertendes Bedürfnis nach Kommunikation und Information (vgl. dazu BSG, Urteil vom 16.04.1998 - B 3 KR 6/97 R - SozR 3 - 2500 § 33 Nr. 26) erheblich umfassender befriedigt als dies ohne dieses Hilfsmittel bislang der Fall ist.
26 
b) Es ist ferner von der Angemessenheit des Hilfsmittels auszugehen. Der Kläger muss sich insbesondere nicht auf die Nutzung eines handelsüblichen MP-3- oder CD-Players verweisen lassen. Solche Geräte sind nur geeignet, ein durchgängiges Abspielen der Informationen zu leisten, und sie können nicht gezielt nach Informationen im Text suchen, Abschnitte überspringen oder in sonstiger Weise in den Texten navigieren. Aufgrund der geringen Größe solcher Geräte ist ferner deren Bedienung für blinde oder hochgradig sehbehinderte Menschen äußerst schwierig. Insgesamt erweist sich der Nutzen eines DAISY-Abspielgeräts für den Kläger gerade durch die angesprochenen speziell auf die Bedürfnisse blinder bzw. hochgradig sehbehinderter Menschen ausgerichteten Zusatzfunktionen als so hoch, dass auch in Abwägung mit den Kosten in einer Größenordnung von 350,-- bis 400,-- EUR ein entsprechender Versorgungsanspruch besteht.
27 
Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger auf die Anschaffung eines günstigeren Abspielgeräts eines anderen Herstellers verwiesen werden könnte. Auch die Beklagte hat nicht behauptet, dass eine solche billigere Variante existiere.
28 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
29 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
30 
Beschluss vom 26. September 2011
31 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 355,-- EUR festgesetzt.
32 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.