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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 16.10.2001 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums F. vom 09.12.2002 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Rechtsgrundlage der Verfügung vom 16.10.2001, mit der der Klägerin - in hinreichend bestimmter Form - aufgegeben wurde, den auf ihrem Grundstück neben der Zufahrt bzw. dem ebenfalls gepflasterten Weg zur Eingangstür ihres Gebäudes angelegten Stellplatz zurückzubauen und die Pflasterung zu entfernen, ist § 65 Satz 1 LBO. Danach kann der teilweise oder vollständige Abbruch einer Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, angeordnet werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor (dazu unter I.); ein Ermessensfehler der Behörde ist nicht erkennbar (II.).
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1. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. nur VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.06.2003 - 3 S 2436/02 - , BRS 66 Nr. 195, m.w.N.) setzt der Erlass einer Abbruchverfügung voraus, dass das betreffende Vorhaben nicht durch eine Baugenehmigung oder eine Zustimmung (§ 70 LBO) gedeckt ist (sog. formelle Baurechtswidrigkeit) und seit seiner Errichtung fortlaufend im Widerspruch zum materiellen Baurecht steht (materielle Baurechtswidrigkeit). Das ist hier der Fall.
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Die Klägerin bedurfte zur Pflasterung der etwa 22,5 qm großen Fläche südlich der Zufahrt zur Garage bzw. dem Weg zur Haustür, die unstreitig als Stellplatzfläche genutzt werden soll, zwar keiner Baugenehmigung (vgl. §§ 49 Abs. 1, 50 Abs. 1 i.V.m. Nr. 64 des Anhangs zu § 50 LBO). Der Stellplatz, der ein Vorhaben im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB darstellt (vgl. dazu Krautzberger in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: 01.09.2004, § 29 Rd.-Nrn. 28 und 50 ff., m.w.N.), widerspricht jedoch Bauplanungsrecht und ist damit materiell-rechtlich unzulässig. Seine planungsrechtliche Zulässigkeit richtet sich nach § 30 Abs. 1 BauGB, sofern und soweit vom Bestehen eines einfachen oder qualifizierten Bebauungsplans auszugehen ist, ansonsten bzw. gegebenenfalls ergänzend nach § 34 BauGB (vgl. § 30 Abs. 3 BauGB). Er verstößt gegen Festsetzungen eines Ortsstraßenplans der Beklagten aus dem Jahr 1888, der als übergeleiteter einfacher - Bebauungsplan weiterhin anzuwenden ist (dazu unter a). Im Übrigen wäre er auch bei einer Beurteilung nach § 34 BauGB nicht zulässig, weil er sich nicht in die nähere Umgebung einfügt (b).
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a) Der Stellplatz widerspricht der 1888 in einem Ortsstraßenplan festgesetzten Bauflucht, die zur Folge hatte und auch noch heute hat, dass der Bereich zwischen straßenseitiger Grundstücksgrenze und der östlich davon, entlang der westlichen Außenwand des heutigen Hauptgebäudes, verlaufenden Bauflucht nicht überbaubar ist.
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aa) Nach den von der Beklagten vorgelegten Akten des Tiefbauamts „der Hauptstadt F.“ über „Straßen und Wege, W., H.- Gebiet“ aus den Jahren 1887 bis 1908 ist davon auszugehen, dass unter Geltung des Badischen Ortsstraßengesetzes - Bad. OStrG - vom 20.02.1868 (Großherzogliches Regierungsblatt S. 286 ff.) in der Fassung vom 03.03.1880 (Gesetz- und Verordnungsblatt = G. u. V.O.B., S. 47 ff.) jedenfalls für die östlich der G.- Straße und zwischen M.- Straße sowie L.- Straße gelegenen Grundstücke in einer Entfernung von zunächst 4,5 m, später - nach Verlegung der Straßenkante bzw. -flucht durch Entscheidung vom 28.11.1895 - von 6 m von der Straßenkante, eine von Norden nach Süden verlaufende Bauflucht festgesetzt worden ist. Dabei kann offen bleiben, ob einer oder mehrere der in den Akten enthaltenen Pläne mit der betreffenden Bauflucht das Original des Ortsstraßenplans darstellen oder nur Abschriften. Allein der Verlust eines Bebauungsplandokuments kann nämlich nicht zur Annahme der Unwirksamkeit oder dem Außerkrafttreten des betreffenden Plans führen (BVerwG, Beschl. v. 01.04.1997 - 4 B 206.96 -, NVwZ 1997, 890; Urt. v. 17.06.1993 - 4 C 7.91 - NVwZ 1994, 281; ebenso VGH Bad.-Württ., Urt. v. 23.01.1998 - 8 S 2430/97 - und v. 04.12.2003 - 5 S 1746/02 -, BauR 2004, 1498 [Ls.], juris). Vielmehr kann das Bestehen einer planerischen Festsetzung auch mit Hilfe anderer Unterlagen nachgewiesen werden, die die betreffende Festsetzung enthalten oder beschreiben. Das ist hier der Fall. Die Bauflucht östlich der G.- Straße ist Gegenstand diverser in den vorliegenden Akten enthaltener Dokumente (Abschrift der Bekanntmachung des Erkenntnisses des Bezirksrats vom 26.07.1988 über Festsetzung der Bauflucht in einer Entfernung von 4,5 m von der Straßenkante, VAS. 59; Ausfertigung einer Entscheidung des Bezirksrats vom 28.11.1895 „die Abänderung der Bauflucht an der G.- Straße betreffend“, VAS. 198; vgl. auch VAS. 181 ff., 199, 337, 347 ff.) und ist in mehreren Plänen als „beantragte Bauflucht“ (VAS. 115), als Bauflucht (VAS. 61, 65, 91, 151) bzw. als „amtlich genehmigte und beibehaltene Bauflucht“ (VAS. 191, 207) eingezeichnet. Sie ist zudem in einem Übersichtsplan neueren Datums über die in der weiteren Umgebung der G.- Straße genehmigten Straßenkanten und Baufluchten (Anlage zur Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 26.04.2005 in diesem Verfahren) enthalten.
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Anhaltspunkte dafür, dass die Festsetzung unwirksam gewesen wäre, bestehen nicht. Insbesondere kann nicht allein wegen des Fehlens weiterer Unterlagen über das Feststellungsverfahren (z.B. des Großherzoglich Badischen Bezirksrats) mehr oder weniger spekulativ die Möglichkeit von Mängeln im Rechtssetzungsverfahren unterstellt werden (BVerwG, Beschl. v. 01.04.1997 - 4 B 206.96 -, a.a.O.).
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bb) Die nach dem Badischen Ortsstraßengesetz festgesetzte Bauflucht entsprach im Wesentlichen einer Baulinie nach heutigem Recht (vgl. § 23 Abs. 1, 2 und 5 BauNVO). Sie hat zur Folge, dass der Bereich zwischen straßenseitiger Grundstücksgrenze und der östlich davon, entlang der westlichen Außenwand des Gebäudes auf dem Grundstück der Klägerin, verlaufenden Bauflucht nicht überbaubar ist.
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Die Festsetzung einer Bauflucht in einem Ortsstraßenplan nach dem Badischen Ortsstraßengesetz (vom 20.02.1868, vom 03.03.1880, vom 26.06.1890, vom 06.07.1896, vom 20.08.1904, vom 15.10.1908 oder später) hatte - wie heute die Festsetzung einer Baulinie (vgl. § 23 Abs. 2 BauNVO) - die Folge, dass Gebäude mit ihrer zur Straße gerichteten Gebäudewand entlang dieser Linie errichtet werden mussten. Sie durften die Linie dabei nämlich nicht nur - wie das bei Baugrenzen nach heutigem Recht der Fall ist (vgl. § 23 Abs. 3 BauNVO) - nicht überschreiten, sondern auch - wie bei Baulinien nach heutigem Recht (vgl. § 23 Abs. 2 BauNVO) - nicht hinter dieser zurückbleiben (so genannte positive Funktion der Bauflucht). Dem Wortlaut der entsprechenden Vorschriften nach (vgl. aber Walz, Badisches Ortsstraßenrecht, 1900, Art. 7, S. 119, 121; Flad, Das badische Ortsstraßengesetz, 1909, S. 214) galt diese Verpflichtung zunächst wohl nur für Gebäude und Gebäudeteile, die über die Straßenoberfläche hinausragten, und auch später nur für Gebäude. So bestimmten Art. 7 Bad. OStrG 1868 und 1880 (abgedruckt bei Walz, a.a.O.): „Den Bauunternehmern gegenüber hat die Feststellung des Bauplans die Wirkung, dass für die auszuführenden Bauten die festgesetzte Straßenhöhe und für die nach der Ortsstraße gerichtete Seite eines Gebäudes, soweit sie über die Straßenfläche hervorragt, die festgestellte Bauflucht maßgebend ist.“ § 9 Bad. OStrG 1908 (abgedruckt bei Flad, a.a.O.) lautete: „Für Bauten auf dem an die geplanten Ortsstraßen angrenzenden Gelände hat die Feststellung des Ortsstraßenplans die Wirkung, dass dafür die festgesetzte Straßenhöhe und für die nach der Ortsstraße gerichtete Gebäudeseite mit der aus Abs. 3 und 4 sich ergebenden Einschränkung die festgestellte Bauflucht maßgeblich ist“.
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Darüber hinaus führte eine solche, nicht mit der Straßenkante bzw. Straßenflucht zusammenfallende, Bauflucht aber dazu, dass für den zwischen Straßenflucht und Bauflucht gelegenen Bereich (der als so genannte „Vorgartenfläche“ dem Straßenkörper zuzurechnen war) grundsätzlich ein Bauverbot bestand (so genannte negative Funktion). Auch nach heutigem Recht gibt es neben der in § 23 Abs. 2 BauNVO im Wesentlichen nur die für Gebäude bzw. Gebäudeteile geregelten positiven Funktion einer Baulinie diese weitere Rechtsfolge (§ 23 Abs. 1 und 5 BauNVO; vgl. hierzu Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Aufl. 2002, § 23 Rd.-Nrn. 12.2 und 20; Bielenberg, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., Band 5, § 23 BauNVO Rd.-Nr. 55). Mit der Festsetzung einer Bauflucht nach dem Badischen Ortsstraßengesetz konnte nicht nur eine Fläche für eine mögliche Straßenverbreiterung freigehalten werden; vielmehr diente sie bei Wohnstraßen auch bzw. allein der Verschönerung des Straßenbilds und der Verbesserung der Licht- und Luftverhältnisse (Walz, a.a.O., S. 41 f.; vgl. auch Roth, Badische LBO, II. Aufl. 1909, S. 66 f., 242 f.). Diese negative Funktion der Straßenpläne war zwar in dem Badischen Ortsstraßengesetz zunächst nicht ausdrücklich geregelt, wurde aber in anderen Vorschriften stillschweigend vorausgesetzt. So bestimmte Art. 17 Bad. OStrG 1868, dass Eigentümer, die „einer angeordneten Vorgartenanlage wegen“ genötigt werden, „einen Teil ihres Geländes unüberbaut liegen zu lassen“, keine Entschädigung verlangen können (ähnlich § 28 Bad. OStrG 1896; vgl. zum Ganzen ausführlich Walz, a.a.O., Art. 7 , S. 114 ff., Art. 28, S. 297 ff.; Flad, a.a.O, S. 75 f., 213). In § 9 Abs. 2 Bad. OStrG 1908 wurde erstmals ausdrücklich geregelt, dass die Planfeststellung unter anderem „hinsichtlich des Vorgartengeländes die Wirkung“ hat, „dass die Überbauung sowie der Um- und Ausbau daselbst bestehender Gebäude .... untersagt ist“. Die Geltung dieses Bauverbots war dabei weder auf Gebäude noch etwa auf Bauten im Sinne der jeweils geltenden Badischen Landesbauordnung beschränkt; vielmehr erfasste es alle Maßnahmen baulicher Art, einschließlich unterirdischer, wie zum Beispiel Keller. Das „Vorgartengelände“ war insgesamt nicht überbaubar (vgl. dazu ausführlich Walz, a.a.O., Art. 28, 299 ff.; ähnlich heute: vgl. § 23 Abs. 5 BauNVO, vgl. Bielenberg, a.a.O., BauNVO, § 23 Rd.-Nr. 55). Ausgenommen waren anfänglich allenfalls Einfriedigungen oder solche Bauten, die mit der Bestimmung einer Ortsstraße vereinbar oder geradezu als „Zubehör“ einer solchen anzusehen seien, z.B. Anschlagsäulen, Bedürfnisanstalten, öffentliche Denkmäler, Ruhebänke, Marktstände (so Walz, a.a.O., Art. 28, S. 303 ff., 318). Ab Inkrafttreten des Ortsstraßengesetzes vom 15.10.1908 konnten außerdem unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen gestattet werden (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 Bad. OStrG 1908).
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cc) Der Ortsstraßenplan aus dem Jahr 1888 mit der über das Grundstück der Klägerin führenden Bauflucht ist mit den angeführten Rechtsfolgen nach § 173 des Bundesbaugesetzes - BBauG - 1960 wirksam übergeleitet worden und heute noch als so genannter einfacher Bebauungsplan zu beachten.
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Nach § 173 Abs. 3 BBauG 1960 gelten bei Inkrafttreten des Gesetzes (gemeint ist das Inkrafttreten des Ersten bis Dritten Teils des BBauG 1960 am 29.06.1961) bestehende baurechtliche Vorschriften und festgestellte städtebauliche Pläne als Bebauungspläne fort, soweit sie verbindliche Regelungen der in § 9 BBauG 1960 bezeichneten Art enthalten, also einen Inhalt hatten, der nach § 9 BBauG 1960 Inhalt eines Bebauungsplans sein kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.10.1972 - IV C 14.71 -, BVerwGE 41, 67). Das ist bei der im Ortsstraßenplan festsetzten Bauflucht der Fall (vgl. § 9 Abs. 1 b BBauG 1960).
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Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Plan deshalb nicht wirksam übergeleitet worden wäre, weil er zum Zeitpunkt seiner Feststellung - nach den damals geltenden Anforderungen - oder aber zum Zeitpunkt der Überleitung nicht dem Gebot gerechter Abwägung der berührten Belange entsprochen hätte (vgl. zu den Anforderungen im Einzelnen BVerwG, Urt. v. 20.10.1972 - IV C 14.71 -, a.a.O., und v. 11.05.1973 - IV C 39.70 -, Buchholz 406.11 § 173 BBauG Nr. 12). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an den Abwägungsvorgang und das Abwägungsergebnis nicht den Maßstäben des Bundesbaugesetzes 1960 oder des Baugesetzbuchs entsprechen können und müssen (BVerwG, Beschl. v. 29.12.1988 und v. 20.10.1972, a.a.O.). Da bei übergeleiteten alten Plänen der Abwägungsvorgang regelmäßig - und so auch im vorliegenden Fall - nicht mehr nachvollzogen werden kann, weil er nicht oder nicht vollständig dokumentiert ist oder weil eine solche Dokumentation untergegangen ist, kommt dem im Inhalt des Plans zum Ausdruck kommenden Abwägungsergebnis die maßgebliche Bedeutung für die Beurteilung einer rechtsstaatlichen Abwägung zu. Eine Überleitung kommt hiernach (nur) dann nicht in Betracht, wenn sich aus den konkreten Festsetzungen des betreffenden Plans ergibt, dass der Ausgleich der konkurrierenden Interessen außer Verhältnis zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange steht bzw. stand (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.10.1972, a.a.O.). Das ist hier nicht ersichtlich. Insbesondere kann nicht allein aufgrund der Tatsache, dass Stellplätze für Kraftfahrzeuge zum Zeitpunkt der Festsetzung der Bauflucht nicht bekannt waren und deren planerische Bedeutung nicht nur wegen der Zunahme des Verkehrs, sondern auch wegen der bauordnungsrechtlichen Stellplatzpflicht erst später immer mehr zunahm, auf einen relevanten Abwägungsfehler geschlossen werden. Abgesehen davon, dass es auch Ende des 19. Jahrhunderts bereits Abstellplätze bzw. Remisen für Droschken und Kutschen gegeben haben dürfte, ist es bauplanerischen Festsetzungen immanent, dass bei ihrem Erlass nicht immer jede zukünftige Entwicklung vorhergesehen und in die Abwägung einbezogen werden kann. Auch zum Zeitpunkt der Überleitung 1960 erscheint die Festsetzung von ihrem Ergebnis her nicht abwägungsfehlerhaft. Schließlich ist zu bedenken, dass im rückwärtigen Bereich der Grundstücke in der Regel genügend Raum für Stellplätze und Garagen vorhanden war und dieser offensichtlich auch als solcher genutzt wurde (nach den vorliegenden Kopien alter Pläne für die etwa 1908 bis 1910 errichtete Villa des Klägers war bereits damals im Keller ein „Automobilraum“ mit einer Zufahrt von Westen her vorhanden, vgl. AS. 49 der Baugenehmigungsakten).
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Der danach wirksam übergeleitete Plan gilt gemäß § 233 Abs. 3 BauGB weiter fort. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist er auch nicht wegen Funktionslosigkeit außer Kraft getreten. Allein das Verstreichen eines langen Zeitraums führt nicht zum Unwirksamwerden einer bauplanungsrechtlichen Festsetzung. Funktionslos kann ein Plan oder können einzelne Festsetzungen eines Plans zwar werden, wenn die Festsetzungen auf unabsehbare Zeit schlechterdings nicht mehr realisiert werden können, ihre sinnvolle Durchsetzung mithin gänzlich unmöglich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.04.1977 - IV C 39.75 -, BRS 32 Nr. 28). Die tatsächliche Bebauung entlang der G.- Straße hat sich aber hier nicht in einer solchen Weise entwickelt, dass die festgesetzte, östlich der G.- Straße von der M.- Straße bis zur L.- Straße führende Bauflucht erkennbar aufgegeben worden wäre oder sich nicht mehr verwirklichen ließe.
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Die Auswirkungen der Festsetzungen aus den Jahren 1888 auf die Anordnung der vorhandenen Gebäude und baulichen Anlagen sind im Gegenteil sehr deutlich erkennbar. Die Kammer hat bei der Inaugenscheinnahme des Grundstücks der Klägerin und der näheren Umgebung in der mündlichen Verhandlung festgestellt, dass - abgesehen von untergeordneten Gebäudeteilen wie Erkern - alle Hauptgebäude mit ihrer straßenseitigen Gebäudewand einen Abstand von etwa 5,50 m zur Grenze des Grundstücks zum angrenzenden Gehweg einhalten. Warum der Abstand nicht 6 m beträgt, wie im Ortsstraßenplan in der Fassung von 1895 vorgesehen, kann hier offen bleiben; möglicherweise wurde wegen des Gehwegs eine Verbreiterung der Straßenfläche erforderlich.
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Die Bauflucht ist im Übrigen auch hinsichtlich ihrer weiteren Rechtsfolge eines Bauverbots für den Bereich zwischen Bauflucht und Straßenkante - heute Grundstücksgrenze - ersichtlich weiter relevant. Dieser Bereich ist bei allen östlich der G.- Straße zwischen der M.- Straße und der L.- Straße gelegenen Grundstücken als Vorgarten angelegt und genutzt (G.- Straße …, …, …, … und …) bzw. begrünt (nicht bebautes, im rückwärtigen Bereich als Parkplatz genutztes Grundstück Flst.-Nr. …). Die in der „Vorzone“ vorhandenen Einfriedigungen und Zufahrten zu hinter der Bauflucht gelegenen Stellplätzen und die Zugänge zu den Hauseingängen konnten wohl - wie ausgeführt - als Ausnahmen zugelassen werden .(z.B. nach § 9 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Bad. OStrG 1908). Ihr Vorhandensein beeinträchtigt jedenfalls - im Gegensatz zu Stellplätzen für Kraftfahrzeuge - das mit der Festsetzung einer Bauflucht ebenfalls verfolgte Ziel der Verschönerung des Straßenbilds nur unerheblich und führt daher nicht zur Funktionslosigkeit der Bauflucht.
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Auch die Tatsache, dass im hier zu betrachtenden Abschnitt zwischen der M.- Straße und der L.- Straße auf einem Grundstück, dem Grundstück Flst.-Nr. …, G.- Straße …, einer der Stellplätze etwa einen halben bis einen Meter in diese „Vorgartenzone“ hineinragt, bedeutet nicht, dass das durch die Bauflucht bewirkte Bauverbot insgesamt unwirksam geworden wäre.
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dd) Der danach weiter zu beachtenden Bauflucht widerspricht der auf dem Grundstück der Klägerin bereits angelegte Stellplatz, weil er vor dieser und damit auf einer nicht überbaubaren Fläche errichtet wurde. Wie ausgeführt, galt und gilt das als Folge der Bauflucht bestehende Bauverbot für die Fläche zwischen Bauflucht und Straßenkante grundsätzlich für jede bauliche Anlage, vor allem auch für einen Stellplatz. Dabei ist nicht nur die mit Pflastersteinen oder mit anderen Materialien befestigte Erdoberfläche in den Blick zu nehmen, sondern auch dessen bestimmungsgemäße Nutzung zum regelmäßigen Abstellen eines Kraftfahrzeugs zu berücksichtigen (vgl. § 2 Abs. 8 Satz 1 LBO, Sauter, LBO, Stand: Dez. 2004, § 2 Rd.-Nr. 104).
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b) Die Beklagte hat im Übrigen zu Recht darauf abgestellt, dass der Stellplatz selbst dann als planungsrechtlich unzulässig anzusehen wäre, wenn der Ortsstraßenplan mit der Bauflucht aus dem 19. Jahrhundert wegen anfänglicher Unwirksamkeit, fehlender Überleitung oder nachträglichem Außerkrafttreten nicht anzuwenden wäre. Er wäre dann insgesamt nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen. Der Stellplatz fügt sich jedoch hinsichtlich der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, nicht ein im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB.
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Nach dieser Vorschrift ist innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Zur näheren Umgebung zu rechnen sind dabei nach Auffassung der Kammer bei der hier streitigen Frage, ob die Errichtung eines Stellplatzes hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche im Bereich zwischen Straße und Hauptgebäude bauplanungsrechtlich zulässig ist, nur die östlich der G.- Straße gelegenen Grundstücke G.- Straße …, …, … und … . Nach Westen hin stellt die G.- Straße insoweit eine deutlich Zäsur da, nach Norden das Wegegrundstück Flst.-Nr. … (auf dem früher eine Bahnlinie verlief) und das unbebaute Grundstück Flst.-Nr. … . Die danach maßgebliche Umgebungsbebauung entspricht der, die sich bei Festsetzung einer Baulinie nach heutigem Recht ergäbe (vgl. zu „faktischen Baugrenzen oder Baulinien“: BVerwG, Urt. v. 21.11.1980 - 4 C 30.78 -, DVBl 1981, 100; Beschl. v. 23.11.1998 - 4 B 29.98 -, NVwZ-RR 1999, 364 u.v. 06.11.1997 - 4 B 172.97 -, NVwZ-RR 1998, 539; Söfker, a.a.O., § 34 Rd.-Nr. 47). Wie ausgeführt, befinden sich die straßenseitigen Außenwände der vorhandenen Gebäude in einer Entfernung von etwa 5,50 m zum Gehweg. Die Vorgärten bzw. der Bereich vor dieser Linie sind jeweils als Garten angelegt und bei allen Grundstücken - bis auf die Einfriedigungen an der straßenseitigen Grundstücksgrenze und die Zufahrten zu Stellplätzen oder Garagen im hinteren Bereich der Grundstücke sowie die Fußwege zu den Gebäuden - frei von baulichen Anlagen. In die so geprägte nähere Umgebung fügt sich ein Stellplatz im Vorgarten hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche nicht ein. Dabei ist auch insoweit nicht allein die Pflasterung maßgeblich, sondern die Nutzung als Abstellplatz. Wie ausgeführt, ist ein Stellplatz nämlich zur Nutzung zum regelmäßigen Abstellen eines Kraftfahrzeugs bestimmt und unterscheidet sich dadurch maßgeblich von den Zufahrten, selbst wenn darauf ab und zu vorübergehend Kraftfahrzeuge, zum Beispiel von Besuchern, geparkt werden sollten.
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Die Kammer weist ergänzend darauf hin, dass der Stellplatz auf dem Grundstück der Klägerin selbst dann nicht nach § 34 BauGB planungsrechtlich zulässig wäre, wenn man zur maßgeblichen Umgebungsbebauung zudem die westlich der G.- Straße gelegenen Grundstücke G.- Straße …, …, …, … und … rechnen würde. Auch auf diesen Grundstücken ist die Bauflucht deutlich zu erkennen. Allerdings befindet sich auf dem Grundstück G.- Straße … direkt hinter dem straßenseitigen Zaun ein Stellplatz. Dieser ist jedoch nach dem Vortrag der Beklagten weder genehmigt noch will sie ihn dulden. Der Eigentümer des Grundstücks wurde bereits zur Frage einer Beseitigung angehört. Der Vertreter der Klägerin hat zwar in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass dem Bauordnungsamt vom Eigentümer des Grundstücks G.- Straße … bereits 1982 im Zusammenhang mit einem Antrag auf Abgeschlossenheitsbescheinigung Pläne und Photos mit dem Stellplatz vorgelegt worden seien und ausweislich eines Vermerks damals eine Ortsbesichtigung durchgeführt worden sei, so dass das Bauordnungsamt Kenntnis von dem Stellplatz gehabt habe. Nicht genehmigte und nicht genehmigungsfähige bauliche Anlagen sind jedoch nur zu berücksichtigen, wenn sie von den zuständigen Behörden in einer Weise geduldet werden, die keinen Zweifel daran lässt, dass sie sich mit dem Vorhandensein der betreffenden Anlage abgefunden haben (BVerwG, Urt. v. 06.11.1968 - 4 C 31.66 -, BVerwGE 31, 22; Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., § 34 Rd.-Nr. 35 m.w.N.). Davon kann hier wohl eher nicht ausgegangen werden. Letztlich kann diese Frage hier aber offen bleiben. Abgesehen davon steht der Stellplatz auf dem Grundstück G.- Straße … nämlich in einem solchen Kontrast zu der übrigen Bebauung, dass er als Fremdkörper unbeachtlich wäre (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.02.2000 - 4 B 1.00 -, BRS 63 Nr. 102, m.w.N.).
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2. Es ist nicht erkennbar, dass auf andere Weise als durch eine Beseitigung des Stellplatzes wieder rechtmäßige Zustände hergestellt werden können (§ 65 Satz 1 LBO).
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Ein bloße Nutzungsuntersagung wäre kaum kontrollierbar und daher kein geeignetes Mittel zur Schaffung rechtmäßiger Zustände. Geht man von der Geltung der 1888 festgestellten Bauflucht als übergeleitete planerische Festsetzung aus, käme zwar neben einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB (vgl. dazu unten) eine Genehmigung des Stellplatzes unter Erteilung einer Ausnahme in Betracht. Die Erteilung einer solchen Ausnahme hat die Beklagte auch inzident geprüft, aber abgelehnt. Diese Entscheidung lässt sich rechtlich nicht beanstanden. Dabei kann offen bleiben, ob eine entsprechende ausnahmsweise Zulassung in entsprechender Anwendung von Art. 7 Abs. 2 Bad. OStrG 1868/1880/1890, nach § 9 Abs. 4 Bad. OStrG 1908 oder nach § 23 Abs. 5 BauNVO (i.d.F. v. 26.06.192 oder in der heute geltenden Fassung) und ob die jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Denn nach all diesen Vorschriften steht die Bewilligung einer Ausnahme im Ermessen der Behörde (zu Art. 7 Abs. 2 Bad. OStrG 1896 vgl. Walz, a.a.O., Art. 7, S. 126 f.; im Übrigen ergibt sich das aus dem Wortlaut der jeweiligen Vorschrift) und sind bei der Entscheidung vergleichbare Kriterien heranzuziehen. Die entsprechenden Ermessenserwägungen der Beklagten zu § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO lassen sich nicht beanstanden. Die Beklagte hat das städtebauliche (öffentliche) Interesse an der Einhaltung des Bauverbots für den Vorgartenbereich - das gegebenenfalls in Einklang steht mit den Interessen anderer Straßenanlieger, welche in Beachtung der festgesetzten Bauflucht auf eine Bebauung ihres Grundstücks über die Bauflucht hinaus verzichtet haben und welche die durch die Baulinie geschaffene Vorgartenzone erhalten wissen wollen - gegen das Interesse der Klägerin an der Errichtung des Stellplatzes ermessensfehlerfrei abgewogen. Dabei durfte sie insbesondere darauf abstellen, dass der Stellplatz trotz seiner Unauffälligkeit eine „negative Vorbildwirkung“ ausüben würde, weil dann auch ähnliche andere Vorhaben genehmigt (oder zumindest geduldet) werden müssten, was zu einem grundlegenden Wandel des Erscheinungsbilds der G.- Straße führen würde. In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Beklagten verdeutlicht, dass demgegenüber dem - mit dem privaten Interesse der Klägerin an der Herstellung auf ihrem Grundstück einher gehenden - öffentlichen Interesse an der Entlastung des öffentlichen Verkehrsraums vom ruhenden Verkehr weniger Bedeutung beigemessen werde. Tatsächlich kommt diesem Interesse auch seit der Novellierung der Landesbauordnung im Jahr 1995 ein anderer (geringerer) Stellenwert zu, als das früher der Fall war (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.11.1978, BauR 1979, 219 ). So hat die (neue) Regelung in § 37 Abs. 1 LBO - trotz (bekanntermaßen) weiterhin gestiegener Kfz-Zulassungen pro Haushalt - eine Reduzierung der Zahl der notwendigen Stellplätze pro Wohnung bewirkt und bei sonstigen Stellplätzen hat der Gesetzgeber den Gemeinden in § 74 Abs. 2 Nrn. 3, 5 und 6 LBO ein Instrumentarium zur Einschränkung der Stellplätze auf Privatgrundstücken an die Hand gegeben, um u. a. aus städtebaulichen Gründen Anreize zur Verminderung des Individualverkehrs zu setzen (vgl. Sauter, a.a.O., § 74 Rd.-Nrn. 70 f.).
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Die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB liegen aus den von der Beklagten im Bescheid vom 16.10.2001 angeführten Gründen nicht vor. Abgesehen davon, dass durch eine Befreiung wohl die Grundzüge der Planung berührt wären, erfordern weder Gründe des Wohls der Allgemeinheit eine Befreiung (§ 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB) noch führt das wegen der Bauflucht für die Vorzone geltende Bauverbot zu einer offenbar nicht beabsichtigte Härte (§ 31 Abs. 2 Nr. 3 BauGB). Eine Abweichung wäre wegen der angeführten negativen Vorbildwirkung auch nicht städtebaulich vertretbar (§ 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB).
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Die Beseitigungsanordnung ist ermessensfehlerfrei erfolgt.
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Sie verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Es ist schon kein tatsächlich gleich gelagerter Fall bekannt oder von Seiten der Klägerin vorgetragen, in dem die Beklagte einen Stellplatz genehmigt oder in einer Weise geduldet hat, dass dessen Beseitigung nicht mehr verlangt werden könnte. Bezüglich des schräg gegenüber dem Grundstück der Klägerin auf dem Grundstück G.- Straße … vorhandenen Stellplatzes ist ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit eingeleitet worden, das lediglich im Hinblick auf das vorliegende Verfahren ruht. Abgesehen davon wurde er nach den Angaben der Klägerin bereits 1963 errichtet. Bei der Entscheidung über den Erlass einer Abbruch- bzw. Beseitigungsverfügung kann aber der Zeitpunkt der Errichtung der betreffenden baulichen Anlage ein maßgeblicher Gesichtspunkt sein. Insoweit besteht ein wesentlicher Unterschied zum vorliegenden Fall. Soweit die Klägerin auf Stellplätze in der weiteren Umgebung ihres Grundstücks oder gar im gesamten Stadtgebiet abhebt, verkennt sie, dass diese sich von dem ihren von der Sach- und von der Rechtslage her ebenfalls unterscheiden dürften. So gibt es zum Beispiel Straßen, entlang derer die Gebäude zwar eine Bauflucht einhalten, davor aber keine durchgehend grüne Vorgartenzone mehr besteht, weil diese ganz oder teilweise bebaut oder befestigt wurde. In solchen Fällen kann die Errichtung eines Stellplatzes durchaus materiell-rechtlich zulässig sein. Selbst wenn die Beklagte aber in der Vergangenheit - etwa wegen einer anderen Gewichtung der Bedeutung von unbebauten „Vorzonen“ - einzelne Stellplätze genehmigt oder geduldet haben sollte, würde dies im Übrigen nicht bedeuten, dass sie nicht im Hinblick auf geänderte Konzepte oder tatsächliche Umstände, wie etwa die Schaffung von Anliegerparkplätzen, nicht mehr gegen rechtswidrige Stellplatzflächen vorgehen dürfte.
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Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte noch in den letzten Jahren in vergleichbaren Fällen entsprechende Stellplätze entlang von Straßen mit einer festgesetzten Bauflucht nach dem Badischen Ortsstraßengesetz oder einer Baulinie nach heutigem Recht und im wesentlichen noch durchgehend begrünten Vorgärten zugelassen hätte. Der Vertreter der Beklagten hat vielmehr deutlich gemacht, dass es ein besonderes Anliegen der Beklagten sei, die noch intakten Vorgärten als solche zu erhalten und zu schützen. Deswegen sei schon seit mehr als zwei Jahrzehnten vorgesehen, eine „Vorgartensatzung“ zu erlassen, nach der unter Anderem die Errichtung von Stellplätzen im „Vorgartenbereich“, also unabhängig davon, ob eine Baulinie/Bauflucht besteht - verboten werden solle. Im September 2004 sei ein entsprechender Entwurf Tagesordnungspunkt einer Bauausschusssitzung gewesen, jedoch im Hinblick auf die streitige Frage, welche Stadtteile in den Geltungsbereich einbezogen werden sollten, abgesetzt worden. Das Vorhaben, eine solche entsprechende Satzung zu erlassen, sei aber damit nicht aufgegeben worden.
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Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist auch nicht deswegen anzunehmen, weil der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht ausschließen konnte, dass es im Stadtgebiet weitere, dem Bauordnungsamt jedoch nicht bekannte Stellplätze geben könnte, deren Beseitigung verlangt werden müsste, und erläuterte, dass man nicht über genügend Personal verfüge, um diesbezüglich regelmäßige Kontrollen durchzuführen. Es liegt nämlich auf der Hand, dass es der Baurechtsbehörde nicht möglich ist, in regelmäßigen Abständen sämtliche baulichen Anlagen in ihrem Zuständigkeitsbereich auf ihre formelle und materielle Baurechtswidrigkeit zu überprüfen. Es verstößt daher nicht gegen das Willkürverbot, wenn sie sich grundsätzlich darauf beschränkt, bei konkretem Anlass, zum Beispiel nach einer Feststellung anlässlich einer Ortsbesichtigung, einem Baugenehmigungsverfahren o. Ä., eine Überprüfung einzuleiten (vgl. dazu Sauter, a.a.O., § 65 Rd.-Nrn. 54 ff., m.w.N.). Das ist den Angaben des Vertreters der Beklagten nach der Fall. Sobald bekannt werde, dass ein baurechtlich nicht zulässiger Stellplatz in ähnlichen Fällen im Vorgartenbereich errichtet worden sei oder errichtet werde, schreite das Bauordnungsamt dagegen ein bzw. leite eine Überprüfung ein.
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Auch im Übrigen sind keine Ermessensfehler ersichtlich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Baurechtsbehörde grundsätzlich in Übereinstimmung mit dem Zweck der Ermächtigung und damit rechtmäßig handelt, wenn sie die Beseitigung einer im Widerspruch zum materiellen Baurecht errichteten Anlage anordnet. Es entspricht regelmäßig ordnungsgemäßer Ermessensbetätigung, unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und zur Vermeidung von Präzedenzfällen die Beseitigung eines formell und materiell illegalen Bauvorhabens anzuordnen. Die Duldung eines rechtswidrigen Zustands kann nur veranlasst sein, wenn ganz konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, ihn ausnahmsweise in Kauf zu nehmen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.06.2003 - 3 S 2436/02 -, BRS 66 Nr. 195, m.w.N.; Sauter, a.a.O., § 65 Rd.-Nr. 44 m.w.N.).
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Es ist daher insgesamt nicht zu beanstanden und insbesondere mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu vereinbaren, dass die Beklagte dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung einer unbebauten Vorgartenzone und dem „harmonischen Gesamtbild der Umgebung“ (Bescheid v. 16.10.2001) größeres Gewicht beigemessen hat als dem der Klägerin an der Errichtung eines Stellplatzes. Dabei dürfte der Vorzone entlang der G.- Straße eine besondere Bedeutung zuzumessen sein, weil der Charakter dieser Straße nicht nur durch die Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts errichteten auffallenden Villen und Gebäude, sondern auch durch die begrünten Vorgärten maßgeblich bestimmt wird.
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Die Zulassung der Berufung beruht darauf, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Frage, ob eine nach dem Badischen Ortsstraßengesetz festgesetzte und übergeleitete Bauflucht die Folge hat, dass die Errichtung eines Stellplatzes im Bereich zwischen Straßenflucht und Bauflucht planungsrechtlich unzulässig ist, in der (ober- und höchstrichterlichen) Rechtsprechung nicht hinreichend geklärt ist.
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