Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 04. Aug. 2016 - 8 S 136/14
Tenor
Auf die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. Juni 2012 - 11 K 2502/11 - geändert.
Die Klagen werden insgesamt abgewiesen.
Die Kostenentscheidung wird wie folgt neu gefasst: Die Kläger zu 1, zu 2, zu 3 und zu 6 tragen jeweils ein Fünftel, die Kläger zu 4 und zu 5 als Gesamtschuldner ebenfalls ein Fünftel der Kosten des Berufungsverfahrens und des Verfahrens beim Verwaltungsgericht, jeweils einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
|
| |||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
|
| |||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
|
| |||||||||||||||||||
|
| |||||||||||||||||||
|
| |||||||||||||||||||
|
| |||||||||||||||||||
|
| |||||||||||||||||||
|
| |||||||||||||||||||
|
| |||||||||||||||||||
|
| |||||||||||||||||||
|
| |||||||||||||||||||
|
| |||||||||||||||||||
|
| |||||||||||||||||||
|
| |||||||||||||||||||
|
| |||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
|
| |||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
|
| |||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
|
| |||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
| ||||||||||||||||||||
|
Entscheidungsgründe
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
|
Gründe
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
| |||
|
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 04. Aug. 2016 - 8 S 136/14
Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 04. Aug. 2016 - 8 S 136/14
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 04. Aug. 2016 - 8 S 136/14 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.
(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.
(1) Die Bundesregierung erlässt nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) mit Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen des Bundes allgemeine Verwaltungsvorschriften, insbesondere über
- 1.
Immissionswerte, die zu dem in § 1 genannten Zweck nicht überschritten werden dürfen, - 2.
Emissionswerte, deren Überschreiten nach dem Stand der Technik vermeidbar ist, - 3.
das Verfahren zur Ermittlung der Emissionen und Immissionen, - 4.
die von der zuständigen Behörde zu treffenden Maßnahmen bei Anlagen, für die Regelungen in einer Rechtsverordnung nach § 7 Absatz 2 oder 3 vorgesehen werden können, unter Berücksichtigung insbesondere der dort genannten Voraussetzungen, - 5.
äquivalente Parameter oder äquivalente technische Maßnahmen zu Emissionswerten, - 6.
angemessene Sicherheitsabstände gemäß § 3 Absatz 5c.
(1a) Nach jeder Veröffentlichung einer BVT-Schlussfolgerung ist unverzüglich zu gewährleisten, dass für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie bei der Festlegung von Emissionswerten nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 die Emissionen unter normalen Betriebsbedingungen die in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten nicht überschreiten. Im Hinblick auf bestehende Anlagen ist innerhalb eines Jahres nach Veröffentlichung von BVT-Schlussfolgerungen zur Haupttätigkeit eine Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der Verwaltungsvorschrift vorzunehmen.
(1b) Abweichend von Absatz 1a
- 1.
können in der Verwaltungsvorschrift weniger strenge Emissionswerte festgelegt werden, wenn - a)
wegen technischer Merkmale der betroffenen Anlagenart die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre und dies begründet wird oder - b)
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden, oder
- 2.
kann in der Verwaltungsvorschrift bestimmt werden, dass die zuständige Behörde weniger strenge Emissionsbegrenzungen festlegen kann, wenn - a)
wegen technischer Merkmale der betroffenen Anlagen die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre oder - b)
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden.
(2) (weggefallen)
Tenor
Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 4. August 2015 rechtswidrig war, soweit darin dem Beigeladenen die Betriebszeit der Außenbewirtschaftung über 24 Uhr hinaus erlaubt worden ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin und die Beklagte dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung und Hinterlegung in Höhe von festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebes sowie einer immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung.
- 2
Die Klägerin wohnt auf dem mit einem Wohngebäude bebauten Grundstück Flurstück-Nr. …, „A-Straße ...“ in Neustadt an der Weinstraße, Ortsteil Haardt. Der Beigeladene ist Eigentümer der beiden nördlich der A-Straße gelegenen Grundstücke Flurstück-Nrn. … und …, die im Westen an die B-Straße angrenzen. Das Grundstück Flurstück-Nr. … ist mit einem Wohnhaus bebaut, in dem der Beigeladene auch sein ... Geschäft betreibt. Das südlich sich anschließende Grundstück Flurstück-Nr. … besteht aus einer Grünfläche mit mehreren Bäumen und Rasen. Östlich der beiden Grundstücke des Beigeladenen steht die protestantische Kirche. Zur Veranschaulichung der örtlichen Verhältnisse mag die nachfolgende Luftaufnahme des betroffenen Straßenabschnitts dienen (rot = Grundstück der Klägerin, gelb = Grundstücke des Beigeladenen):
- 3
Es folgt die Luftbildaufnahme
- 4
Im Ortsteil Haardt findet jährlich Anfang Mai das „Haardter Weinfest auf der Straße“ mit dem „Schubkarrenrennen“ statt. Am ersten Septemberwochenende veranstaltet die Beklagte die Haardter „Woi- und Quetschekuche-Kerwe“, bei dem Stücke eines überdimensionierten Zwetschgenkuchens verkauft werden und das „Quetschekern-Zielspucken“ angeboten wird. Während der beiden Veranstaltungen werden auf der etwa 850 m langen Kerwemeile entlang des Mandelrings an verschiedenen Plätzen Musik und Pfälzische Spezialitäten angeboten.
- 5
Der Beigeladene beteiligt sich an den beiden Festen mit einer Ausschankstelle auf seinen Grundstücken Flurstück-Nrn. … und …. Auf dem Grundstück Flurstück-Nr. … stehen während des Festes mehrere Bierzeltgarnituren, vereinzelte Stehtische und die Ausschankstelle. Die zwei an der Hauswand des Gebäudes auf dem Grundstück Flurstück-Nr. … angebrachten Lautsprecher sind vom Wohnhaus der Klägerin etwa knapp 35 m entfernt.
- 6
Für das „Haardter Weinfest auf der Straße“ im Mai 2015 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen neben der Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebes nach dem Gaststättengesetz am 8. Mai 2015 auch eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für das Abspielen von CD-Musik sowie Live-Musik an insgesamt sechs Tagen im Zeitraum 8. Mai 2015 bis 14. Mai 2015 bis maximal 24 Uhr. Gestattet wurde die Benutzung von Lautsprechern, Tonwiedergabegeräten, Musikinstrumenten und ähnlichen Geräten. Die Genehmigung wurde mit mehreren Nebenbestimmungen versehen.
- 7
Da sich die Klägerin in der Vergangenheit bei der Beklagten mehrfach über von der Ausschankstelle des Beigeladenen ausgehende starke Lärmbelästigungen beschwert hatte, vereinbarte die Beklagte mit ihr die Durchführung von Lärmmessungen. Diese ergaben am 8. Mai 2015 um 21.30 Uhr am Anwesen der Klägerin 59 dB(A), am 9. Mai 2015 um 21 Uhr im Haus der Klägerin bei geöffnetem Fenster 64 dB(A), um 21.30 Uhr vor dem Haus 62 dB(A) und um 22.30 Uhr vor dem Haus 67 dB(A).
- 8
Mit Bescheid vom 4. August 2015 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen anlässlich der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe für den Zeitraum vom 4. September 2015 bis zum 8. September 2015 im Rahmen der Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebes die Erlaubnis, bis auf Widerruf alkoholische Getränke auf dem Platz vor der (protestantischen) Kirche zu verabreichen. Die Erlaubnis enthielt u.a. die folgende Auflage:
- 9
„Die Betriebszeit der Außenbewirtschaftung endet um 1 Uhr, in der Nacht von Freitag auf Samstag sowie in der Nacht von Samstag auf Sonntag sowie in den Nächten auf einen gesetzlichen Feiertag um 2 Uhr. Ab 22 Uhr – Beginn der Nachtruhe – muss darauf geachtet werden, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten.“
- 10
Die sofortige Vollziehung der mit Bescheid vom 4. August 2015 erteilten Gestattung wurde mit Verfügung vom 31. August 2015 angeordnet.
- 11
Mit weiterem Bescheid vom 20. August 2015 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auch eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zur Benutzung von Lautsprechern und Tonwiedergabegeräten zum Abspielen von Musik (CD) an seiner Ausschankstelle anlässlich der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe. Das Abspielen von CD-Musik wurde unter I. des Bescheides für folgende Tage bis maximal 24 Uhr gestattet: Freitag, 4. September 2015, Samstag, 5. September 2015, Sonntag, 6. September und Montag, 7. September 2015. Die Genehmigung enthielt unter II. u.a. folgende Auflagen:
- 12
„1. Zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen sind die Geräuschemissionen der Verstärkeranlagen so zu begrenzen, dass der Beurteilungspegel vor den Fenstern (im Freien) nächstgelegener Wohngebäude bzw. in angrenzenden Wohngebieten folgende Werte nicht überschreitet: In den unter Ziffer I. dieser Verfügung genehmigten Zeiten 70 dB(A), Geräuschspitzen sollen die Werte von 90 dB(A) tags einhalten. Zum Immissionsort wurde folgendes geregelt: Maßgeblicher Immissionsort für die Einhaltung des Grenzwertes ist entsprechend der schutzwürdigen Nutzung in der Nachbarschaft vor dem Fenster des Anwesens 67433 Neustadt, A-Straße …, sofern sich die Anwohnerin mit einer Lärmmessung vor Ort einverstanden erklärt, ansonsten vor dem Anwesen 67433 Neustadt, A-Straße …
- 13
2. Die Beschallungstechnik ist so auszurichten, dass das Anwesen Am Bürgergarten 2 so wenig wie möglich beschallt wird. Insbesondere ist auf eine Reduzierung der abgestrahlten tiefen Frequenzanteile hinzuwirken (z.B. durch Minimierung einzelner nicht relevanter Terzen).
- 14
3. Vor Beginn der Veranstaltungen ist die Beschallungsanlage so einzupegeln, dass der o. g. Immissionsrichtwert (Ziffer II Nr. 1) eingehalten wird. Bei Überschreitung des zulässigen Beurteilungspegels bzw. Spitzenpegels sind die Pegel der Lautsprecheranlage schnellstmöglich zu senken. Die ermittelten Schalldruckpegel und Beurteilungspegel sind zu dokumentieren.
- 15
4. Um sicherzustellen, dass der Immissionsrichtwert eingehalten wird, hat die für die Veranstaltung verantwortliche Person während den Veranstaltungen stündliche Messungen am Emissionsort vorzunehmen. Als Emissionsort wird der Standort in 1 Meter Abstand zur hauptangesteuerten Lautsprecherbox festgelegt. Welcher Grenzwert am Emissionsort einzuhalten ist, wird dem Veranstalter in Abstimmung mit der Einmessung durch den Kommunalen Vollzugsdienst vorgegeben. Bei Überschreitung des zulässigen Beurteilungspegels bzw. Spitzenpegels sind die Pegel der Lautsprecheranlage schnellstmöglich zu senken.“
- 16
Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe sei von besonderer kommunaler Bedeutung und durch den örtlichen Bezug sowie die Standortgebundenheit und zahlenmäßig eng begrenzte Durchführung solcher Ereignisse als seltene Veranstaltung privilegiert. Im Rahmen einer Sonderfallbeurteilung sei für die Musikdarbietungen bis 23 Uhr bzw. 24 Uhr ein Immissionsrichtwert von durchgehend 70 dB(A) bezogen auf den Beurteilungszeitraum für den Tag zugelassen worden.
- 17
Am 27. August 2015 legte die Klägerin gegen die dem Beigeladenen erteilten Genehmigungen vom 4. und 20. August 2015 Widerspruch mit der Begründung ein, der Ausschank an dieser Örtlichkeit in unmittelbarer Nähe zum allgemeinen Wohngebiet führe mit und ohne Musik stets zu unangemessenen Lärmbelästigungen. Ihr Anwesen sei am stärksten von den Lärmbelästigungen betroffen. Der Beigeladene halte sich auch nicht an die vorgegebenen Zeiten. Auch beim Weinfest 2015 habe der Beigeladene die zugelassenen Zeiten überzogen. Der Ansicht der Beklagten, Weinfeste und Kerwen gehörten zu den sehr seltenen Festen, sei zu widersprechen. Laut Freizeitlärmrichtlinie seien Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß zu beschränken. Es gebe zahlreiche Ausschankstellen beim Haardter Weinfest und der Woi- und Quetschekuchekerwe. Eine Unvermeidbarkeit sei nicht gegeben. Da die Beklagte den Ausschank des Beigeladenen erneut genehmigt habe, möge sie begründen, warum hierauf im Bereich der Kirche nicht verzichtet werden könne.
- 18
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2015, der Klägerin zugestellt am 7. November 2015, wies der Stadtrechtsausschuss die Widersprüche der Klägerin als offensichtlich unzulässig zurück, da die Verwaltungsakte sich erledigt hätten.
- 19
Die Klägerin hat am 7. Dezember 2015 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, dass die Ausnahmegenehmigung auch mit den Nebenbestimmungen zum Schutz der Nachbarschaft rechtswidrig sei. Es sei nicht dafür Sorge getragen worden, dass die Musikwiedergabe zu den angegebenen Zeiten tatsächlich enden würde.
- 20
Zwar erkenne die Rechtsprechung in einzelnen Fällen bestimmter Ereignisse als „sehr seltene“ Ereignisse wegen Herkömmlichkeit, Bedeutung für die örtliche Gemeinschaft und sozialer Adäquanz trotz der damit verbundenen Belästigungen für die Nachbarschaft als zumutbar an. Die Zahl dieser sehr seltenen Ereignisse dürfe aber fünf pro Jahr nicht übersteigen. Auch seien die maximal zugelassenen Ereignisse innerhalb eines Ortes aufzuteilen und auf die zehn seltenen Ereignisse pro Jahr seien diese fünf sehr seltenen Ereignisse anzurechnen. Durch das Weinfest vom 8. bis 14. Mai 2015 und durch die Quetschekuchekerwe vom 4. bis 7. September 2015 seien schon zehn Tage erreicht worden. Zu diesen zehn Tagen seien noch Tage für Aufbau und Abbau von jeweils einem Tag hinzuzurechnen, da auch diese Tage mit Musikdarbietungen untermauert worden seien. Ebenfalls hinzugerechnet werden müssten das Sommernachtsfest und andere Veranstaltungen. Alle diese Feste seien konzentriert auf den Bereich von Gemeindezentrum und protestantischer Kirche. Die maximal zulässigen zehn Ereignisse seien weit überschritten, was bei der Entscheidung im Hinblick auf die Ausnahmegenehmigung und die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung nicht bedacht worden sei.
- 21
Entgegen dem Verlangen der Rechtsprechung sei auch keine Entscheidung darüber getroffen worden, ob möglicherweise Ausweichstandorte für die Veranstaltungen zur Verfügung stünden. Dass entsprechende Prüfungen stattgefunden haben, lasse sich dem Bescheid nicht entnehmen. Es müsse dargelegt werden, welche anderen Standorte man in die Prüfung einbezogen habe. Auch sei nicht in Betracht gezogen worden, dass es bei dem ausgewählten Standort zu erheblichen Reflektionen an der Schlossbergmauer und der Kirche kommen könne. Eine solche Reflektion führe zur Verstärkung der Richtwerte und mache die Veranstaltung unzulässig. Es sei davon auszugehen, dass die im Bescheid festgelegten 70 dB(A) nicht eingehalten werden könnten, weshalb die Ausnahmegenehmigung bereits nichtig, zumindest aber rechtswidrig sei.
- 22
Die Klägerin beantragt,
- 23
festzustellen, dass die Bescheide der Beklagten vom 4. August 2015 und vom 20. August 2015 rechtswidrig waren.
- 24
Die Beklagte beantragt,
- 25
die Klage abzuweisen.
- 26
Sie verweist zur Begründung auf die ergangenen Ausgangsbescheide.
- 27
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
- 28
Zu den Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Verwaltungsakten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 29
Die Klage ist zulässig (1.), in der Sache aber nur teilweise begründet (2.).
- 30
1. Die Klage ist zulässig.
- 31
1.1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – statthaft. Die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten vom 4. August 2015 und vom 20. August 2015 haben sich durch Zeitablauf vor Klageerhebung erledigt. Die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe 2015 fand bereits in der Zeit vom 4. bis 8. September 2015 statt. Nur hierauf bezogen sich die vorübergehende Gestattung und die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung.
- 32
1.2. Die Klägerin ist auch im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO analog klagebefugt, da sie durch die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung nach § 12 Abs. 1 Gaststättengesetz – GastG – und durch die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung nach § 6 Abs. 5 Landesimmissionsschutzgesetz – LImSchG – zumindest möglicherweise in drittschützenden Rechten verletzt ist. Im Hinblick auf die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung folgt dies daraus, dass eine solche von Nachbarn erfolgreich angefochten werden kann, wenn die enthaltenen Regelungen nicht verhindern, dass vom Gaststättenbetrieb schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz – BImSchG – ausgehen (vgl. VG München, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – M 16 E 15.2911 –, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris). Die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 lässt Ausnahmen von dem Verbot im Hinblick auf den Schutz der Nachtruhe nach § 4 Abs. 1 LImSchG und der Regelung nach § 6 Abs. 1 LImSchG in Bezug auf die Verwendung von Tongeräten zu. Insoweit schützen die §§ 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 LImSchG nicht nur die Allgemeinheit, sondern dienen auch dem Nachbarschutz, auf den sich die Klägerin hier berufen kann (vgl. VG Mainz, Urteil vom 26. Februar 2016 – 3 K 433/15.MZ –).
- 33
Auf die in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2016 aufgeworfene Frage, ob die Klägerin – wie ursprünglich angegeben – Miteigentümerin des Grundstücks Flurstück-Nr. … oder nur Besitzerin ist, kommt es hier nicht an, denn auch nur obligatorisch Berechtigte sind befugt, sich auf den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG zu berufen. Diese Vorschrift verweist auf den immissionsschutzrechtlichen Begriff der Nachbarschaft, der auch Anwohner umfasst, die keine Eigentümer der von ihnen bewohnten oder genutzten Grundstücke sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1982 – 7 C 50/78 –, GewArch 1983, 101; Hess. VGH, Urteil vom 25. Februar 2005 – 2 UE 2890/04 –, GewArch 2005, 437).
- 34
1.3. Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Feststellungsinteresse an der begehrten gerichtlichen Entscheidung unter dem Aspekt der konkreten Wiederholungsgefahr. Eine solche ist anzunehmen, wenn die berechtigte Erwartung besteht, dass gleichartige, die Klägerin im Wesentlichen in ähnlicher Weise belastende Verwaltungsakte unter weitgehend gleichen Umständen künftig wieder erlassen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 2006 – 4 C 12/04 –, juris). Davon ist hier angesichts der Praxis der Vorjahre und weil der Beigeladene seine Ausschankstelle mit CD-Musik auf der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe auch künftig betreiben will, ohne Weiteres auszugehen.
- 35
2. In der Sache hat die Fortsetzungsfeststellungsklage jedoch nur teilweise Erfolg.
- 36
Zunächst kann offen bleiben, ob die Beklagte vorliegend berechtigt war, für die Ausschankstelle des Beigeladenen und das Abspielen von CD-Musik sowohl eine vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung als auch eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zu erteilen (2.1.). Die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 verletzt die Klägerin nicht in ihren materiellen Rechten (2.2.). Dagegen verstößt die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung vom 4. August 2015 zum Teil gegen das in § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 37 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – verankerte Bestimmtheitsgebot in seiner nachbarlichen Ausprägung (2.3.).
- 37
2.1. In der hier gegeben Situation der Drittanfechtung von den Beigeladenen begünstigenden Verwaltungsakten kommt es ausschließlich darauf an, ob die beiden Bescheide vom 4. und 20. August 2015 subjektiv-öffentliche Rechte der drittbetroffenen Klägerin verletzt haben (vgl. VG Neustadt, Urteil vom 22. Juli 2013 – 5 K 894/12.NW –, LKRZ 2013, 442). Infolgedessen geht die Kammer nicht näher darauf ein, ob die Beklagte formal überhaupt befugt war, neben der am 4. August 2015 erteilten vorübergehenden gaststättenrechtliche Gestattung eine eigenständige immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zu erlassen oder ob die Beklagte die Frage nach der Zulässigkeit des Abspielens von CD-Musik umfassend und abschließend in der gaststättenrechtliche Gestattung hätte regeln müssen, weil das Gaststättengesetz als Bundesgesetz für eine Ausgliederung der mit dem Betrieb verbundenen Musikdarbietungen nach landesrechtlichen Bestimmungen keinen Raum lässt (so VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris). Abgesehen davon, dass die Beklagte hier gemäß § 1 Satz 1 Gaststättenverordnung – GastVO – sowohl zuständige Behörde für die Erteilung der gaststättenrechtlichen Gestattung als auch gemäß § 15 Abs. 1 LImSchG zuständige Behörde für den Erlass der immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung war, kommt es nach Auffassung der Kammer für den Erfolg der Klage der Klägerin allein darauf an, ob diese durch die in den beiden Bescheiden getroffenen Regelungen in ihrem Zusammenspiel materiell-rechtlich beschwert ist, also entweder durch den von der Musikanlage des Beigeladenen oder von den Gästen der Ausschankstelle des Beigeladenen ausgehenden Lärm unzumutbar beeinträchtigt wurde (vgl. auch zur Unbeachtlichkeit der fehlenden Zuständigkeit der Behörde bei Drittanfechtungen OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14. August 2012 – 8 B 10627/12.OVG –; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. April 2006 – 3 S 547/06 –, NVwZ-RR 2007, 82; VG Neustadt, Urteil vom 18. April 2016 – 3 K 818/14.NW –). Dies war nur teilweise der Fall.
- 38
2.2. Die streitgegenständliche immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 war rechtmäßig.
- 39
2.2.1. Die von dem Beigeladenen anlässlich der Durchführung der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe betriebene Ausschankstelle inklusive Tongeräten ist eine Anlage im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG, die keiner Genehmigung bedarf und daher in den Anwendungsbereich der §§ 22, 23 BImSchG fällt. Nach § 22 Abs. 2 BImSchG bleiben weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften unberührt. Zu diesen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zählen sowohl § 4 Abs. 1 LImSchG als auch § 6 Abs. 1 LImSchG. Nach § 4 Abs. 1 LImSchG sind von 22 Uhr bis 6 Uhr Betätigungen verboten, die zu einer Störung der Nachtruhe führen können. Nach § 6 Abs. 1 LImSchG dürfen Geräte, die der Erzeugung oder Wiedergabe von Schall oder Schallzeichen dienen (Tongeräte), insbesondere Lautsprecher, Tonwiedergabegeräte, Musikinstrumente und ähnliche Geräte, nur in solcher Lautstärke benutzt werden, dass unbeteiligte Personen nicht erheblich belästigt werden oder die natürliche Umwelt nicht beeinträchtigt werden kann.
- 40
2.2.2. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 1 LImSchG kann die zuständige Behörde im Einzelfall auf Antrag Ausnahmen von dem Verbot der Störung der Nachtruhe (§ 4 Abs. 1 LImSchG) bzw. von dem Verbot der erheblichen Belästigung Dritter durch Tonwiedergabegeräte (§ 6 Abs. 1 LImSchG) bei einem öffentlichen oder überwiegenden privaten Interesse zulassen. Die Ausnahme soll gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 LImSchG und § 6 Abs. 5 Satz 2 LImSchG unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden. Ferner kann die zuständige Behörde nach § 4 Abs. 4 Satz 1 und 2 LImSchG für die Außengastronomie allgemein oder auf Antrag für den Einzelfall den Beginn der Nachtzeit um eine Stunde und bei Vorliegen eines öffentlichen oder eines berechtigten privaten Interesses um mehr als eine Stunde hinausschieben. Schließlich kann die zuständige Behörde gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 LImSchG bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse u.a. für Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen einschließlich der damit verbundenen Außengastronomie allgemeine Ausnahmen von dem Verbot nach § 4 Abs. 1 LImSchG zulassen. Ein öffentliches Bedürfnis liegt in der Regel vor, wenn eine Veranstaltung der Pflege des historischen oder kulturellen Brauchtums dient oder sonst von besonderer kommunaler Bedeutung ist und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung der Veranstaltung gegenüber dem Interesse der Nachbarschaft an ungestörter Nachtruhe überwiegt.
- 41
2.2.3. Die Erteilung einer Ausnahme nach den genannten Vorschriften erfordert eine Güterabwägung auf der Grundlage der konkreten Umstände des Einzelfalles. Dabei ist die Lärmsituation unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit der angestrebten Betätigung und des Schutzbedürfnisses der von Störungen betroffenen Nachbarn eingehend und sorgfältig zu würdigen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Juni 1987 – 21 A 1136/87 –, NVwZ 1988, 178). Hierbei steht der Behörde ein Ermessensspielraum zu (VG Mainz, Urteil vom 24. Februar 2016 – 3 K 433/15.MZ –). Diesen Anforderungen genügt die verfahrensgegenständliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015.
- 42
2.2.3.1. Zunächst ist ein besonderes Interesse des Beigeladenen an der Teilnahme an der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe mit einer eigenen Ausschankstelle unter Nutzung von Tongeräten im Rahmen seiner vorübergehenden Betriebsführung anzuerkennen. Es steht außer Frage, dass die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe als „Weinkerwe“ ebenso wie das Haardter Weinfest auf der Straße ein traditionelles örtliches Fest mit Brauchtumscharakter ist (vgl. VG Neustadt, Urteil vom 22. Juli 2013 – 5 K 894/12.NW –, juris zur Jakobuskerwe in Neustadt-Hambach). Bei den in der Pfalz stattfindenden und sich regelmäßig großem Zuspruch des Publikums erfreuenden „Weinkerwen“ stehen die Ausschankstellen von Weingütern, Winzergenossenschaften, Vereinen und Privatleuten im Mittelpunkt. Ohne diese Ausschankstellen, die häufig auch Live- oder CD-Musik im Programm haben, wäre die Durchführung einer „Weinkerwe“ nicht denkbar. Insofern erfüllen diese eine „soziale Funktion“ (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 20. April 1995 – 22 B 93.1948 –, juris zu Biergärten in Bayern).
- 43
2.2.3.2. Trotz dieser sozialen Funktion ist der Betrieb einer Ausschankstelle auf einer Weinkerwe in der Pfalz nicht von der Rücksichtnahme auf die benachbarte Wohnbebauung freigestellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1989 – 7 C 77/87 –, NJW 1989, 1291 zur Problematik des Sportlärms und der sozialen Funktion des Sports; Bay. VGH, Urteil vom 20. April 1995 – 22 B 93.1948 –, juris zur sozialen Funktion von Biergärten). Ob das besondere Interesse des Beigeladenen an der Teilnahme an der Weinkerwe das in die Abwägung einzustellende Interesse der Klägerin an einer ungestörten Nachtruhe und daran, durch Tongeräte auch während des Tages nicht erheblich belästigt zu werden, überwiegt, beurteilt sich daher maßgeblich danach, ob die Immissionen der Klägerin zumutbar sind.
- 44
Die durch das Abspielen von CD-Musik an der Ausschankstelle des Beigeladenen entstehenden Lärmimmissionen sind für die Klägerin dann unzumutbar, wenn sie schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 1 Abs. 1 LImSchG i. V. m. § 3 Abs. 1 BImSchG verursachen. Für dieses Verständnis spricht der Zweck der im Landesimmissionsschutzgesetz getroffenen Regelung. Wann Geräusche als schädliche Umwelteinwirkungen anzusehen sind, d. h. als Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 BImSchG), ist im Kontext der §§ 4 und 6 LImSchG ebenso wie im Rahmen des § 22 Abs. 1 BImSchG anhand der Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2003 – 4 B 55/03 –, NJW 2003, 3360). Die Zumutbarkeit bestimmt sich grundsätzlich nach der Lage des beeinträchtigten Objekts bzw. der dort ausgeübten Nutzung; die Art des Gebiets, in dem sich die Liegenschaft des Rechtsschutzsuchenden befindet bzw. eine grundstücksbezogene Nutzung ausgeübt wird, bestimmt maßgeblich den Grad der zuzubilligenden Schutzwürdigkeit (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 17. September 2014 – 22 CS 14.2013 – , juris). Sowohl nach der verwaltungsgerichtlichen als auch nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung wird als erhebliche Belästigung alles angesehen, was einem verständigen Durchschnittsmenschen auch unter Würdigung anderer öffentlicher oder privater Belange billigerweise nicht mehr zuzumuten ist (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 2009 – 8 B 13/09 –, juris und BGH, Urteil vom 16. Januar 2015 – V ZR 110/14 –, NJW 2015, 2023).
- 45
Vorliegend bezieht sich die Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 auf die Benutzung von Tongeräten i. S. d. § 6 LImSchG (Lautsprecher und Tonwiedergabegeräte). In Übereinstimmung mit § 4 Abs. 3 Satz 2 LImSchG und § 6 Abs. 5 Satz 2 LImSchG erteilte die Beklagte die Ausnahmegenehmigung unter Auflagen und zwar mit dem Inhalt, dass das Abspielen von CD-Musik an der Ausschankstelle des Beigeladenen an vier Tagen (von Freitag, dem 4. September 2015 bis Montag, dem 7. September 2015) bis maximal 24 Uhr am maßgeblichen Immissionsort (Bürgergarten 2, Anwesen der Klägerin) ein Beurteilungspegel von 70 dB(A) nicht überschritten werden darf. Ferner enthielt die Ausnahmegenehmigung weitere Auflagen zur Sicherstellung der Einhaltung der erlaubten Beurteilungspegel wie die Ausrichtung der Beschallungstechnik und die Einpegelung der Beschallungsanlage.
- 46
2.2.3.3. Diese Auflagen waren geeignet und ausreichend, um die Klägerin vor unzumutbaren Lärmimmissionen zu schützen.
- 47
2.2.3.3.1. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Geräuschimmissionen der Musikveranstaltungen im Rahmen des vorübergehenden Gaststättenbetriebs des Beigeladenen hat die Beklagte sich in nicht zu beanstandender Weise an der von der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) herausgegebenen Freizeitlärm-Richtlinie vom 6. März 2015 (im Folgenden 3. Freizeitlärm-Richtlinie) orientiert, die nach dem Rundschreiben des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten vom 22. Juli 2015 von den rheinland-pfälzischen Immissionsschutzbehörden bei der Ermittlung und Beurteilung von Freizeitlärm herangezogen werden soll. Die von Sachverständigen ausgearbeitete 3. Freizeitlärm-Richtlinie hat zwar keinen Normcharakter, kann aber auch von Behörden und Gerichten als Entscheidungshilfe mit Indiz-Charakter zugrunde gelegt werden (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2001 – 7 C 16/00 –, NVwZ 2001, 1167 und BGH, Urteil vom 26. September 2003 – V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699). Die Regelungen der Freizeitlärm-Richtlinie bieten eine Orientierungshilfe insbesondere für Grundstücke, auf denen in Zelten oder im Freien Live- oder CD-Musik, Platzkonzerte oder Volksfeste dargeboten werden. Gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG kommt im Einzelfall der Dauer und der Häufigkeit solcher Immissionen besondere Bedeutung zu.
- 48
2.2.3.3.2. Die Kammer hat sich mit den Bewertungsgrundsätzen der 3. Freizeitlärm-Richtlinie, welche nach den früheren Fassungen von 1987 bzw. von 1997 (letztere im Folgenden 2. Freizeitlärm-Richtlinie) erneut in der Fassung vom 6. März 2015 überarbeitet worden sind, befasst und hält diese grundsätzlich für gut geeignet, über Konflikte zwischen einerseits dem Ruhebedürfnis der Wohnbevölkerung und den Bedürfnissen der Allgemeinheit an Freizeitveranstaltungen insbesondere im Freien während des Sommerhalbjahres zu entscheiden (so auch Hess. VGH, Beschluss vom 28. August 2015 – 9 B 1586/15 –, juris zum Frankfurter Museumsuferfest und VG Wiesbaden, Urteil vom 17. Februar 2016 – 4 K 1275/15.WI –, juris zum Kulturfestival „Folklore“ in Wiesbaden).
- 49
2.2.3.3.3. Die 3. Freizeitlärm-Richtlinie sieht in Ziffer 4.1 für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden für allgemeine Wohngebiete – vom Vorliegen eines solchen Gebiets geht die Kammer zugunsten der Klägerin hier aus – einen Immissionsrichtwert tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeit von 55 dB (A), tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeit und an Sonn- und Feiertagen von 50 dB(A) sowie nachts von 40 dB(A) vor. Die Genehmigung vom 20. August 2015 geht über diese Richtwerte deutlich hinaus. Allerdings trifft die Nr. 4.4 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie für seltene Veranstaltungen eine Sonderfallbeurteilung. Ausgehend von dem Umstand, dass bei Veranstaltungen im Freien und/oder in Zelten die unter Ziffer 4.1 bis 4.3 genannten Immissionsrichtwerte mitunter trotz aller verhältnismäßigen technischen und organisatorischen Lärmminderungsmaßnahmen nicht eingehalten werden können, können in Sonderfällen solche Veranstaltungen gleichwohl zulässig sein, wenn sie eine hohe Standortgebundenheit oder soziale Adäquanz und Akzeptanz aufweisen und zudem zahlenmäßig eng begrenzt durchgeführt werden (Ziffer 4.4.1). Eine hohe Standortgebundenheit ist bei besonderem örtlichem oder regionalem Bezug gegeben. Hierunter können auch Feste mit kommunaler Bedeutung wie die örtliche Kirmes fallen. Von sozialer Adäquanz und Akzeptanz ist auszugehen, wenn die Veranstaltung eine soziale Funktion und Bedeutung hat. Gemäß Ziffer 4.4.2 soll in derartigen Sonderfällen die zuständige Behörde zunächst die Unvermeidbarkeit und Zumutbarkeit der zu erwartenden Immissionen prüfen. In Bezug auf die Zumutbarkeit gibt die 3. Freizeitlärm-Richtlinie vom 6. März 2015 folgende Hinweise:
- 50
„Voraussetzung ist die Zumutbarkeit der Immissionen unter Berücksichtigung von Schutzwürdigkeit und Sensibilität des Einwirkungsbereichs.
- 51
a) Sofern bei seltenen Veranstaltungen Überschreitungen des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) tags und/oder 55 dB(A) nachts zu erwarten sind, ist deren Zumutbarkeit explizit zu begründen.
- 52
b) Überschreitungen eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24 Uhr sollten vermieden werden.
- 53
c) In besonders gelagerten Fällen kann eine Verschiebung der Nachtzeit von bis zu zwei Stunden zumutbar sein.
- 54
d) Die Anzahl der Tage (24 Stunden-Zeitraum) mit seltenen Veranstaltungen soll 18 pro Kalenderjahr nicht überschreiten.
- 55
e) Geräuschspitzen sollen die Werte von 90 dB(A) tags und 65 dB(A) nachts einhalten.
- 56
Die Unvermeidbarkeit und Zumutbarkeit der zu erwartenden Immissionen ist schriftlich nachvollziehbar zu begründen. Da das Spektrum derjenigen Veranstaltungen, die die Immissionsrichtwerte der Ziffern 4.1 bis 4.3 nicht einhalten können, groß ist und vom Dorffest bis zu überregionalen Großereignissen reicht, gilt:
- 57
In je größerem Umfang die Abweichungen der Immissionsrichtwerte nach Ziffern 4.1 bis 4.3 in Anspruch genommen werden sollen und an je mehr Tagen (24 Stunden-Zeitraum) seltene Veranstaltungen stattfinden sollen, desto intensiver hat die zuständige Behörde die in dieser Ziffer genannten Voraussetzungen zu prüfen, zu bewerten und zu begründen. Bei herausragenden Veranstaltungen sind in der Begründung gerade der sozialen Adäquanz und Akzeptanz besondere Bedeutung beizumessen.“
- 58
2.2.3.3.4. Die Freizeitlärm-Richtlinie vom 6. März 2015 unterscheidet sich von der 2. Freizeitlärm-Richtlinie aus dem Jahre 1997 (s. NVwZ 1997, 469) in mehreren Punkten. Die 2. Freizeitlärm-Richtlinie sah in Ziffer 4.4. ebenfalls Besonderheiten bei seltenen Störereignissen vor. Unter Bezugnahme auf die Nr. 2.3.5 der Verwaltungsvorschrift zur Ermittlung, Beurteilung und Verminderung von Geräuschemmissionen wurden die seltenen Störereignisse auf zehn pro Jahr begrenzt (vgl. auch die Ziffern 6.3 und 7.2 der Technischen Anleitung Lärm 1998). Bei den seltenen Ereignissen sollten die Beurteilungspegel vor den Fenstern (im Freien) die nachfolgenden Werte nicht überschreiten: tags außerhalb der Ruhezeit 70 dB(A), tags innerhalb der Ruhezeit 65 dB(A) und nachts 55 dB(A). Geräuschspitzen sollten die vorgenannten Werte tagsüber um nicht mehr als 20 dB(A) und nachts um nicht mehr als 10 dB(A) überschreiten.
- 59
2.2.3.3.5. Nach der Rechtsprechung (s. insbesondere OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. September 2004 – 6 A 10949/04.OVG –, GewArch 2004, 494 – und Hess. VGH, Urteil vom 25. Februar 2005 – 2 UE 2890/04 –, GewArch 2005, 437; vgl. auch BGH, Urteil vom 26. September – 20 V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699) galt darüber hinaus Folgendes: Konnten bei einer Veranstaltung die für seltene Störereignisse in der 2. Freizeitlärm-Richtlinie festgelegten Immissionsrichtwerte voraussichtlich nicht eingehalten werden, durfte sie immissionsschutz- und gaststättenrechtlich dennoch gestattet werden, wenn sie als „sehr seltenes Ereignis“ wegen ihrer Herkömmlichkeit, ihrer Bedeutung für die örtliche Gemeinschaft oder ihrer sozialen Adäquanz trotz der mit ihr verbundenen Belästigungen den Nachbarn zumutbar war. Gelangte die zuständige Behörde aufgrund ihrer prognostischen Bewertung zu dem Ergebnis, dass es sich bei einer Feier um eine Brauchtumsveranstaltung oder eine solche von besonderer kommunaler Bedeutung handelt, hatte sie in eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Beteiligten einzutreten. Das OVG Rheinland-Pfalz (s. Urteil vom 14. September 2004 – 6 A 10949/04.OVG –, GewArch 2004, 494) hielt Musikdarbietungen in der Regel bis 24 Uhr für zulässig und zwar auch an Tagen, an denen der Folgetag nicht allgemein arbeitsfrei war. In Bezug auf die Anzahl der „sehr seltenen Ereignisse“ führte das OVG Rheinland-Pfalz wörtlich aus: „Ausgehend davon, dass als seltene Ereignisse solche definiert sind, die an nicht mehr als zehn Tagen oder Nächten eines Kalenderjahres und in diesem Rahmen an nicht mehr als zwei aufeinander folgenden Wochenenden die niedrigeren Regelwerte überschreiten, kann nach Auffassung des Senats von sehr seltenen Ereignissen nur dann die Rede sein, wenn deren Anzahl deutlich niedriger als bei seltenen Ereignissen liegt. In aller Regel werden deshalb allenfalls fünf sehr seltene Ereignisse an einem Veranstaltungsort pro Jahr zugelassen werden dürfen. Des Weiteren hält der Senat mit dem Bundesgerichtshof (Urteil vom 26. September 2003 – V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699) eine Begrenzung der Immissionsrichtwerte auf 70 dB(A) für solche sehr seltenen Ereignisse für erforderlich.“
- 60
2.2.3.3.6. Im Unterschied zur 2. Freizeitlärm-Richtlinie, die noch von zehn seltenen „Störereignissen“ pro Kalenderjahr ausging, hält die 3. Freizeitlärm-Richtlinie nunmehr bis zu 18 „seltene Veranstaltungen“ pro Kalenderjahr für zumutbar (vgl. auch § 5 Abs. 5 i.V.m. mit der Nr. 1.5 der Achtzehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Sportanlagenlärmschutzverordnung) – 18. BImSchV –). Während die 2. Freizeitlärm-Richtlinie noch vorsah, dass bei seltenen Ereignissen der Beurteilungspegel vor den Fenstern tags außerhalb der Ruhezeit den Wert von 70 db(A) und innerhalb der Ruhezeit den Wert von 65 db(A) sowie nachts den Wert von 55 dB(A) nicht überschreiten sollte, ist nach der 3. Freizeitlärm-Richtlinie, wie insbesondere das Zusammenspiel in Ziffer 4.4.2 a), b) und d) zeigt, die Einhaltung des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) bis 22 Uhr ohne nähere Begründung sowie eine Überschreitung des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) bis 22 Uhr und von 55 dB(A) jedenfalls in der Zeit von 22 bis 24 Uhr den Nachbarn zuzumuten, sofern die Zumutbarkeit explizit begründet wird. Daraus, dass es erst im Falle einer Überschreitung der in Ziffer 4.4.2 a) genannten Beurteilungspegel von 70 dB(A) tags und 55 dB(A) nachts einer expliziten Begründung der Zumutbarkeit bedarf, ist zu folgern, dass diese Werte grundsätzlich als zumutbar zu erachten sind (s. auch Hess. VGH, Beschluss vom 28. August 2015 – 9 B 1586/15 –, juris). Die angesprochene Begründungspflicht der Behörde hat umso intensiver auszufallen, in je größerem Umfang die Abweichungen der Immissionsrichtwerte nach Ziffern 4.1 bis 4.3 in Anspruch genommen werden sollen und an je mehr Tagen seltene Veranstaltungen stattfinden sollen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die reine Zahl der Veranstaltungen bzw. Veranstaltungstage in der Gesamtbetrachtung nur einen Aspekt neben insbesondere der Intensität der Veranstaltungen und dem Schutzniveau des Gebiets abbildet (vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 15. September 2015 – AN 4 S 15.01487 u.a. –, juris).
- 61
Die 3. Freizeitlärm-Richtlinie hat damit zwar nicht den in der Rechtsprechung entwickelten Begriff des „sehr seltenen Ereignisses“ eingeführt. Sie hat aber offensichtlich die in der Vergangenheit ergangene Rechtsprechung zur Zumutbarkeit von Immissionen bei Sonderfreizeitveranstaltungen gewürdigt und berücksichtigt, dass die in der 2. Freizeitlärm-Richtlinie aufgeführten zumutbaren Immissionsrichtwerte in Bezug auf Sonderveranstaltungen im Freien mit hoher Standortgebundenheit oder sozialer Adäquanz und Akzeptanz in der Lebenswirklichkeit nicht (immer) einzuhalten sind. Die zuvor in der Rechtsprechung erfolgte Unterscheidung zwischen „seltenen Ereignissen“ und „sehr seltenen Ereignissen“ hat damit nach Auffassung der Kammer an Bedeutung verloren. War nach der oben zitierten Rechtsprechung zu den „sehr seltenen Ereignissen“ an bis zu fünf Tagen pro Kalenderjahr über die Regelungen der 2. Freizeitlärm-Richtlinie hinaus eine Begrenzung der Immissionsrichtwerte auf 70 dB(A) bis 24 Uhr zumutbar, so hält die 3. Freizeitlärm-Richtlinie diesen Beurteilungspegel sogar an 18 Tagen im Kalenderjahr bis 24 Uhr für grundsätzlich zumutbar. Im Falle einer expliziten und intensiven Begründung ist darüber hinaus sogar eine Immissionsrichtwertbegrenzung auf mehr als 70 dB(A) nicht ausgeschlossen. Angesichts der in Ziffer 4.4 getroffenen Hinweise in der 3. Freizeitlärm-Richtlinie bedarf es daher nach Ansicht der Kammer prinzipiell nicht mehr des Rückgriffs auf die Rechtsfigur des sog. „sehr seltenen Ereignisses“.
- 62
2.2.3.3.7. Hiernach waren die von der Beklagten dem Beigeladenen erteilten Auflagen geeignet und ausreichend, um die Klägerin vor unzumutbaren Lärmimmissionen zu schützen.
- 63
Die Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 erlaubte dem Beigeladenen von Freitag, dem 4. September 2015 bis zum Montag, dem 7. September 2015 an insgesamt vier Tagen CD-Musikdarbietungen unter Begrenzung der Schallpegel auf 70 dB(A) bis maximal 24 Uhr. Die in Ziffer 4.4.2 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie genannte Zumutbarkeitsgrenze für die Klägerin von 70 dB(A) wurde damit nicht überschritten. Addiert man hinzu, dass die Beklagte dem Beigeladenen auch für das Haardter Weinfest auf der Straße im Mai 2015 eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für das Abspielen von Musik an seiner Ausschankstelle für insgesamt sechs Termine im Zeitraum 8. Mai 2015 bis 14. Mai 2015 mit einem einzuhaltenden Immissionsrichtwert von 70 dB(A) gewährt hatte, ergeben sich insgesamt zehn immissionsrelevante „seltene Veranstaltungen pro Kalenderjahr“ im Sinne der 3. Freizeitlärm-Richtlinie.
- 64
Selbst wenn man das von der Klägerin genannte von der Liedertafel Neustadt veranstaltete Sommernachtsfest am 4. Juli 2015 im Haardter Schlosspark, der etwa 150 m Luftlinie vom Anwesen der Klägerin entfernt ist, als weiteres „seltenes Ereignis“ hinzuzählen würde, ergeben sich insgesamt elf einzelne Ereignisse, die nach Ziffer 4.4.2 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie und unter Berücksichtigung der sozialen Funktion der Weinkerwen in der Pfalz in der genehmigten Intensität und Zahl über zwei Halbjahre verteilt einem Nachbarn und damit auch der Klägerin zumutbar sind. Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung liegt die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle jedenfalls für Wohngebiete bei 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. November 2013 – 7 A 28/12, 7 A 28/12 (7 A 22/12) –, NVwZ 2014, 730). Allerdings ist nichts dafür ersichtlich, dass die durch den angefochtenen Bescheid vom 20. August 2015 im Zusammenspiel mit der Ausnahmegenehmigung für das Haardter Weinfest im Mai 2015 zugelassenen Immissionen von 70 dB(A) bis maximal 24 Uhr von solcher Intensität hätten sein können, dass mit Gesundheitsschäden (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz – GG –) bei den in der Nachbarschaft wohnenden Personen zu rechnen gewesen wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 1987 – 1 B 124/87 –, NVwZ 1989, 755). Derartiges hat die Klägerin auch nicht behauptet. Ihren Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2016 war vielmehr zu entnehmen, dass sie die Weinkerwe als solche ablehnt. Das Interesse der Allgemeinheit am geselligen Zusammensein an der von Musik begleiteten Ausschankstelle des Beigeladenen auf der Weinkerwe überwiegt daher insoweit das Schutzbedürfnis der Klägerin.
- 65
Die Beklagte hat die Zumutbarkeit in der Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 auch explizit und ausreichend begründet. Zutreffend hat die Beklagte unter Bezugnahme auf die 3. Freizeitlärm-Richtlinie darauf abgestellt, die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe sei von besonderer kommunaler Bedeutung und durch den örtlichen Bezug als seltene Veranstaltung privilegiert. Unter Berücksichtigung der Möglichkeit des passiven Lärmschutzes und der technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Schutz der Nachbarschaft vor Lärm in Form von Auflagen sei im Rahmen einer Sonderfallbeurteilung für die Musikdarbietungen bis maximal 24 Uhr ein Immissionsrichtwert von durchgehend 70 dB(A) zulässig. Damit dieser Wert eingehalten wird, hat die Beklagte in Übereinstimmung mit den Ziffern 4.4.2 c) und 4.4.3 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie sowie mit § 4 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 LImSchG mehrere Auflagen in die Genehmigung aufgenommen. So war die Beklagte befugt, nach Ziffer 4.4.2 c) und Ziffer 4.4.3 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie für die Veranstaltungen am Freitag, dem 4. September 2015 und am Samstag, dem 5. September 2015 die Nachtzeit von 22 Uhr auf 24 Uhr zu verschieben. Ebenso wenig ist die Verschiebung der Nachtzeit am Sonntag, dem 6. September und am Montag, dem 7. September 2015 um jeweils eine Stunde auf 23 Uhr rechtlich zu beanstanden. Während die zuständige Behörde gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 LImSchG bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse für Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen einschließlich der damit verbundenen Außengastronomie allgemeine Ausnahmen von dem Verbot nach Absatz 1 zulassen kann, bestimmt § 4 Abs. 4 Satz 1 LImSchG, dass die zuständige Behörde für die Außengastronomie allgemein oder auf Antrag für den Einzelfall den Beginn der Nachtzeit um eine Stunde hinausschieben kann.
- 66
Dem besonderen öffentlichen Interesse an der Musikveranstaltung des Beigeladenen ist die Beklagte in der streitgegenständlichen Ausnahmegenehmigung mit Nebenbestimmungen zum Schutz auch der Klägerin vor unzumutbarem Lärm begegnet. So hat die Beklagte dem Beigeladenen Maßnahmen der Eigenüberwachung in Form von Einpegelungen, Ausrichtung der Beschallungstechnik und stündlichen Messungen mit Dokumentation aufgegeben (s. Ziffer 4.4.3 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie). Darüber hinaus hat die Beklagte dem Beigeladenen die Benennung einer auf der Veranstaltung anwesenden verantwortlichen Person auferlegt, die in der Lage ist, die behördlichen Anordnungen gegenüber Mitwirkenden und Publikum durchzusetzen.
- 67
Anhaltspunkte dafür, dass die in der Ausnahmegenehmigung enthaltenen Regelungen und Nebenbestimmungen zur Einhaltung eines Beurteilungspegels von 70 dB(A) von vornherein ungeeignet sind, sind nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung moniert hat, der Beigeladene habe sich nicht an die vorgegebenen Zeiten gehalten und möglicherweise die genehmigten Immissionsrichtwerte nicht eingehalten, kann sie damit im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden. Eventuelle Verstöße gegen die in einer Genehmigung enthaltenen Nebenbestimmungen lassen regelmäßig die Rechtmäßigkeit der Genehmigung unberührt und betreffen zunächst allein die Frage der Vollzugskontrolle (vgl. Bay.VGH, Beschluss vom 12. April 2012 – 1 ZB 09.247 –, juris; VG Mainz, Urteil vom 26. Februar 2016 – 3 K 433/15.MZ –). Allenfalls dann, wenn auch Kontrollen der zuständigen Überwachungsbehörden sich als ungeeignet zur Einhaltung des zulässigen Beurteilungspegels darstellten, könnte von einer zur Rechtwidrigkeit der Genehmigung führenden Ungeeignetheit führen. Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden. Die Messungen der Beklagten anlässlich des Haardter Weinfestes ergaben am 8. Mai 2015 um 21.30 Uhr am Anwesen der Klägerin 59 dB(A), am 9. Mai 2015 um 21 Uhr im Haus der Klägerin bei geöffnetem Fenster 64 dB(A), um 21.30 Uhr vor dem Haus 62 dB(A) und um 22.30 Uhr vor dem Haus 67 dB(A). Die weitere Messung der Beklagten während der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe im September 2015 ergab einen Wert von 67 dB(A), wurde aber nach dem Vermerk vom 7. September 2015 abgebrochen, weil die Klägerin die Messung gestört habe.
- 68
Die genannten Messungen, gegen die die Klägerin keine substantiierten Einwendungen erhoben hat, erfassten nicht nur den von der Beschallungsanlage des Beigeladenen ausgehenden Lärm, sondern auch den von den Gästen des Beigeladenen verursachten und diesem zurechenbaren Geräusche sowie das dem Beigeladenen nicht zurechenbare sog. „Kerwegrundgeräusch“ (s. dazu VG Neustadt, Urteil vom 22. Juli 2013 – 5 K 894/12.NW –, juris) und führten nicht zu einer Überschreitung des für die Musik genehmigten Beurteilungspegels von 70 dB(A).
- 69
Schließlich begegnet die streitgegenständliche Ausnahmegenehmigung auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil die Lautsprecher unmittelbar am Gebäude des Beigeladenen in der B-Straße … und damit in einem Abstand von weniger als 35 m zu dem Anwesen der Klägerin angebracht sind. Im Rahmen ihrer Ermessensbetätigung hat die Beklagte zwar auch mögliche Alternativstandorte in den Blick zu nehmen; hierbei darf sie sich neben weiteren Gesichtspunkten auch vom Ziel der Veranstaltung und deren Adressatenkreis leiten lassen. Angesichts dieser Grundsätze ist die Zulassung der Tongeräte unmittelbar am Haus des Beigeladenen ohnehin die für die Klägerin schonendste Variante. Wie der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen dargelegt hat, war die Beschallungsanlage bis vor einigen Jahren direkt an der Ausschankstelle und damit deutlich näher zum Anwesen der Klägerin montiert. Von der angewandten „architektonischen Selbsthilfe“ des Beigeladenen hat die Klägerin insoweit profitiert. Ein anderer lokal geeigneter Ausweichort für den Beigeladenen außerhalb seines eigenen Grundstücks scheidet von vornherein aus. Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch darauf, dass der Beigeladene an seiner Ausschankstelle überhaupt auf Musik verzichtet.
- 70
2.3. Allerdings ist die dem Beigeladenen gemäß § 12 GastG erteilte vorübergehende gaststättenrechtliche Erlaubnis vom 4. August 2015 zum Ausschank alkoholischer Getränke insoweit rechtlich zu beanstanden und nachbarrechtsverletzend, als dem Beigeladenen eine Betriebszeit bis 1 oder 2 Uhr gestattet wurde, ohne verbindlich festzuschreiben, dass der Beigeladene nach 24 Uhr die für die Klägerin zumutbaren Immissionsrichtwerte einzuhalten hat.
- 71
Gemäß § 12 Abs. 1, 3 GastG kann aus besonderem Anlass der Betrieb eines erlaubnispflichtigen Gaststättengewerbes unter erleichterten Voraussetzungen vorübergehend auf Widerruf gestattet werden; die Gestattung kann mit Auflagen verbunden werden, die insbesondere auch einen erforderlichen Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen sicherstellen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG). Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach § 3 Abs. 1 BImSchG solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Im Zusammenhang mit der Erteilung einer gaststättenrechtlichen Gestattung muss die zuständige Behörde die subjektiven Rechte der von dem vorübergehenden Gaststättenbetrieb betroffenen Nachbarn berücksichtigen und darf insbesondere nur zumutbare Lärmimmissionen erlauben (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. September 2004 – 6 A 10949/04.OVG –, GewArch 2004, 494).
- 72
Allerdings kann Nachbarn bei der vorübergehenden Gestattung eines Gaststättenbetriebs gemäß § 12 Abs. 1 GastG eine höhere Belastung durch Lärmimmissionen zugemutet werden als im Falle eines ständigen Gaststättenbetriebs (VG München, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – M 16 E 15.2911 –, juris m.w.N.). Die „erleichterten Voraussetzungen“ im Sinne dieser Vorschrift bedeuten in diesem Zusammenhang, dass bei der Bestimmung der Erheblichkeits- bzw. Zumutbarkeitsschwelle die Seltenheit des Anlasses und seine Besonderheit – d.h. seine Bewertung unter den Gesichtspunkten der Herkömmlichkeit, der Sozialadäquanz und der allgemeinen Akzeptanz – zu berücksichtigen ist (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 17. September 2014 – 22 CS 14.2013 –, GewArch 2014, 485).
- 73
Da die Beklagte die Zumutbarkeit des von der Musikanlage des Beigeladenen ausgehenden Lärms in der gesondert ergangenen immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 geregelt hat – und dies nach den Ausführungen in 2.2. rechtlich nicht zu beanstanden war –, war im Rahmen der vorübergehenden Gestattung des Gaststättenbetriebs noch über die Zumutbarkeit der von den Gästen des Beigeladenen verursachten und diesem zurechenbaren Geräusche zu befinden. Hierzu findet sich in dem Bescheid vom 4. August 2015 die folgende Regelung:
- 74
„Die Betriebszeit der Außenbewirtschaftung endet um 1 Uhr, in der Nacht von Freitag auf Samstag sowie in der Nacht von Samstag auf Sonntag sowie in den Nächten auf einen gesetzlichen Feiertag um 2 Uhr. Ab 22 Uhr – Beginn der Nachtruhe – muss darauf geachtet werden, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten.“
- 75
Die Beklagte entschied sich in Bezug auf die Festlegung der Betriebszeit somit nicht für eine zeitliche Einschränkung der vorübergehenden Gaststättenerlaubnis nach § 18 GastG i. V. m. § 18 Abs. 2, § 19 und 20 GastVO, wonach die Sperrzeit für Volksfeste, die um 22 Uhr beginnt und um 6 Uhr endet, bei einem öffentlichen Bedürfnis oder besonderen örtlichen Verhältnissen u.a. allgemein oder für einzelne Betriebe verkürzt werden kann, sondern für den Erlass einer Auflage nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG, wonach die Erlaubnis jederzeit mit Auflagen u. a. zum Schutz der Nachbarn versehen werden kann. Hierzu war die Beklagte berechtigt, denn die genannten Bestimmungen stehen nicht in einem Ausschließlichkeitsverhältnis. Vielmehr sind sie nebeneinander anwendbar, soweit die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 20. April 1995 – 22 B 93.1948 –, NVwZ 1995, 1021 zum Verhältnis von § 5 und § 18 GastG; VG Neustadt, Urteil vom 6. April 2006 – 4 K 1919/05.NW –; ebenso Michel/Kienzle, Das Gaststättengesetz, 14. Auflage 2003, § 5 Rn. 4).
- 76
In Fällen von Nutzungskonflikten mit Nachbarn bedarf nicht nur eine nach § 2 GastG erforderliche Gaststättenerlaubnis, sondern auch eine vorübergehende Gestattung nach § 12 GastG gegebenenfalls einer weitergehenden Konkretisierung durch Aufnahme von Auflagen (s. § 12 Abs. 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG) im Hinblick auf nachbarrechtsrelevante Merkmale, um dem Bestimmtheitsgrundsatz des § 1 LVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG Genüge zu tun (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. Januar 2016 – 2 A 2423/15 –, juris und VG Neustadt, Urteil vom 14. Januar 2016 – 4 K 396/15.NW -, juris jeweils zur Baugenehmigung). Inhalt, Reichweite und Umfang der mit der vorübergehenden Gestattung nach § 12 GastG getroffenen Regelungen und Feststellungen müssen so eindeutig bestimmt sein, dass der Gastwirt die Bandbreite der für ihn legalen Nutzungen und drittbetroffene Nachbarn das Maß der für sie aus der vorübergehenden Gestattung erwachsenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen können (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Juni 2012 – 1 A 10878/22.OVG –, juris zur Baugenehmigung).
- 77
Dem gesetzlichen Regelungsauftrag wird die Gestattung vom 8. August 2015 im Zusammenspiel mit der immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 nicht gerecht. Die nach § 12 Abs. 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG erlassene Auflage, die Betriebszeit auf 1 bzw. 2 Uhr zu beschränken und die Aufforderung an den Beigeladenen, jeweils ab 22 Uhr darauf zu achten, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten, ist, soweit der Zeitraum von 24 Uhr bis 2 Uhr betroffen ist, rechtswidrig.
- 78
Was die Zeit bis 24 Uhr anbetrifft, fehlt es nach Auffassung der Kammer nicht an der erforderlichen Bestimmtheit, da für die betroffenen Tage im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 unter Bezugnahme auf die 3. Freizeitlärm-Richtlinie die Auflage ergangen ist, bis 24 Uhr einen Beurteilungspegel von 70 dB(A) einzuhalten. Dies war der Klägerin, wie oben ausgeführt, zumutbar; auf diese Lautstärke musste sie sich einstellen. Zwar war Regelungsinhalt der genannten Ausnahmegenehmigung „nur“ der von der Musikanlage ausgehende Lärm. Es versteht sich aber von selbst, dass die von den Gästen zusätzlich zur Musik verursachten Geräusche vom einzuhaltenden Beurteilungspegel von 70 dB(A) umfasst ist (s. dazu auch die von der Beklagten vorgenommenen Messungen).
- 79
Da das unter Auflagen genehmigte Abspielen von Musik an der Ausschankstelle des Beigeladenen aber nur bis maximal 24 Uhr begrenzt war und die vorübergehende Gestattung darüber hinaus einen Gaststättenbetrieb bis längstens 2 Uhr erlaubte, musste die Beklagte indessen eine verbindlichen Regelung dazu treffen, welchen Kommunikationslärm sie in Bezug auf die Nachbarn und damit auf die Klägerin nach Beendigung der Musikdarbietungen um spätestens 24 Uhr über diesen Zeitpunkt hinaus für zulässig hält (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris). Ohne näher darauf einzugehen, ob die Betriebszeit von seltenen Veranstaltungen, die – wie hier – mehr als zehnmal pro Kalenderjahr stattfinden, überhaupt über 24 Uhr hinaus für die Nachbarn zumutbar sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 1987 – 1 B 124/87 –, NVwZ 1989, 755 und OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Juni 1987 - 21 A 1136/87 -, NVwZ 1988, 178 zu einem auf drei Tage beschränkten Schützenfest, bei dem die Veranstaltungszeit über 24 Uhr hinaus festgesetzt wurde; vgl. auch VG Gera, Urteil vom 12. Februar 2015 – 5 K 1399/12 Ge –, juris, wonach eine Verschiebung der Nachtzeit auf 1 Uhr in sehr seltenen Fällen wie z.B. beim Maibaumsetzen in Betracht kommt), führt die Ziffer 4.4.2 b) der 3. Freizeitlärm-Richtlinie hierzu aus, Überschreitungen eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24 Uhr sollten vermieden werden. Selbst wenn die Überschreitung eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24 Uhr nach dieser Formulierung im Einzelfall nicht gänzlich ausgeschlossen sein soll, hätte die Beklagte einen genauen Beurteilungspegel, der nicht überschritten werden darf, in dem Bescheid vom 4. August festschreiben und nachvollziehbar begründen müssen, dass der genannte Wert für die Klägerin nach Mitternacht zumutbar ist. Dies galt umso mehr, als die Beklagte mit dem Haardter Weinfest im Mai 2015 und der Woi- und Quetschekuchekerwe im September 2015 insgesamt zehn seltene Veranstaltungen im Kalenderjahr 2015 zugelassen hatte, die Prüfung der Zumutbarkeit von Immissionen nach 24 Uhr folglich besonders intensiv ausfallen musste. Derartige Erwägungen finden sich in dem Bescheid vom 4. August 2015 jedoch nicht. Die in den der vorübergehenden gaststättenrechtlichen Gestattung beigefügten Auflagen aufgeführte Formulierung, ab 22 Uhr müsse darauf geachtet werden, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten, ist nicht geeignet, dem Schutzbedürfnis der Anwohner und damit auch der Klägerin nach 24 Uhr hinreichend Rechnung zu tragen. Die genannte Auflage genügt nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz nach § 1 LVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG in seiner nachbarlichen Ausgestaltung, um eine Begrenzung der Belastung der Klägerin nach 24 Uhr zu gewährleisten (vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 15. September 2015 – AN 4 S 15.01487 u.a. –, juris; VG Münster, Beschluss vom 9. Februar 2009 – 10 L 39/09 –, juris). Durch die Nebenbestimmung wird in keiner Weise deutlich, welche maximale Lautstärke von dem Kommunikationslärm zwischen 24 Uhr und 2 Uhr ausgehen durfte. Die Klägerin konnte damit das Maß der für sie aus der vorübergehenden Gestattung erwachsenden Betroffenheit nicht zweifelsfrei feststellen; sie war insoweit durch die Regelung schutzlos gestellt. Es ist mit der Pflicht der Beklagten, den Schutz vor schädlichen Umweltbeeinträchtigungen zu gewährleisten, auch nicht vereinbar, dass die Entscheidungen hinsichtlich des Verbots solcher Immissionen keinerlei Vollziehung ermöglichen. Eine effektive Regelung ist in der Regel nur dann gewährleistet, wenn für den Fall des Verstoßes gegen exakt festgesetzte Immissionsrichtwerte wirksam Zwangsmittel angedroht werden und so der ernsthafte Wille, Umweltbelange auch durchzusetzen, bekräftigt wird (s. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris).
- 80
Auf die Festsetzung von Immissionsrichtwerten nach 24 Uhr konnte hier auch nicht deshalb verzichtet werden, weil, wie der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2016 angegeben hat, die Gäste nach 24 Uhr nahezu vollständig die Veranstaltung verlassen und die Ausschankstelle daher regelmäßig bereits um 24 Uhr geschlossen werde. Für die Frage, ob eine Veranstaltung den Nachbarn zugemutet werden darf, ist grundsätzlich von dem der Genehmigung zugrundeliegenden Nutzungsumfang auszugehen, nicht aber lediglich von einer möglicherweise hinter diesem Umfang zurückbleibenden tatsächlichen Nutzung (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juni 1992 – 3 S 829/92 –, UPR 1993, 308). Etwas anderes gilt nur dann, wenn aufgrund zuverlässig feststehender, gleichbleibender Umstände davon ausgegangen werden kann, dass die Anlage dauerhaft in einem geringeren Umfang als genehmigt genutzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1974 – IV C 77.73 –, GewArch 1975, 69). Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Es steht zum einen dem Beigeladenen frei, zukünftig eine kürzere Betriebszeit zu beantragen. Zum anderen wird die Beklagte, will sie auch zukünftig eine Bewirtung über 24 Uhr hinaus zulassen, für die Zeit nach 24 Uhr einen verbindlichen Immissionsrichtwert festschreiben müssen, dessen Einhaltung im Übrigen bei Bedarf auch überwacht werden muss.
- 81
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 155 Abs. 1, 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
- 82
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.
- 83
Beschluss
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.
(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.
(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.
(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.
(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.
(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.
(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.
(1) Die Bundesregierung erlässt nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) mit Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen des Bundes allgemeine Verwaltungsvorschriften, insbesondere über
- 1.
Immissionswerte, die zu dem in § 1 genannten Zweck nicht überschritten werden dürfen, - 2.
Emissionswerte, deren Überschreiten nach dem Stand der Technik vermeidbar ist, - 3.
das Verfahren zur Ermittlung der Emissionen und Immissionen, - 4.
die von der zuständigen Behörde zu treffenden Maßnahmen bei Anlagen, für die Regelungen in einer Rechtsverordnung nach § 7 Absatz 2 oder 3 vorgesehen werden können, unter Berücksichtigung insbesondere der dort genannten Voraussetzungen, - 5.
äquivalente Parameter oder äquivalente technische Maßnahmen zu Emissionswerten, - 6.
angemessene Sicherheitsabstände gemäß § 3 Absatz 5c.
(1a) Nach jeder Veröffentlichung einer BVT-Schlussfolgerung ist unverzüglich zu gewährleisten, dass für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie bei der Festlegung von Emissionswerten nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 die Emissionen unter normalen Betriebsbedingungen die in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten nicht überschreiten. Im Hinblick auf bestehende Anlagen ist innerhalb eines Jahres nach Veröffentlichung von BVT-Schlussfolgerungen zur Haupttätigkeit eine Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der Verwaltungsvorschrift vorzunehmen.
(1b) Abweichend von Absatz 1a
- 1.
können in der Verwaltungsvorschrift weniger strenge Emissionswerte festgelegt werden, wenn - a)
wegen technischer Merkmale der betroffenen Anlagenart die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre und dies begründet wird oder - b)
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden, oder
- 2.
kann in der Verwaltungsvorschrift bestimmt werden, dass die zuständige Behörde weniger strenge Emissionsbegrenzungen festlegen kann, wenn - a)
wegen technischer Merkmale der betroffenen Anlagen die Anwendung der in den BVT-Schlussfolgerungen genannten Emissionsbandbreiten unverhältnismäßig wäre oder - b)
in Anlagen Zukunftstechniken für einen Gesamtzeitraum von höchstens neun Monaten erprobt oder angewendet werden sollen, sofern nach dem festgelegten Zeitraum die Anwendung der betreffenden Technik beendet wird oder in der Anlage mindestens die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionsbandbreiten erreicht werden.
(2) (weggefallen)
Tenor
Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 4. August 2015 rechtswidrig war, soweit darin dem Beigeladenen die Betriebszeit der Außenbewirtschaftung über 24 Uhr hinaus erlaubt worden ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin und die Beklagte dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung und Hinterlegung in Höhe von festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebes sowie einer immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung.
- 2
Die Klägerin wohnt auf dem mit einem Wohngebäude bebauten Grundstück Flurstück-Nr. …, „A-Straße ...“ in Neustadt an der Weinstraße, Ortsteil Haardt. Der Beigeladene ist Eigentümer der beiden nördlich der A-Straße gelegenen Grundstücke Flurstück-Nrn. … und …, die im Westen an die B-Straße angrenzen. Das Grundstück Flurstück-Nr. … ist mit einem Wohnhaus bebaut, in dem der Beigeladene auch sein ... Geschäft betreibt. Das südlich sich anschließende Grundstück Flurstück-Nr. … besteht aus einer Grünfläche mit mehreren Bäumen und Rasen. Östlich der beiden Grundstücke des Beigeladenen steht die protestantische Kirche. Zur Veranschaulichung der örtlichen Verhältnisse mag die nachfolgende Luftaufnahme des betroffenen Straßenabschnitts dienen (rot = Grundstück der Klägerin, gelb = Grundstücke des Beigeladenen):
- 3
Es folgt die Luftbildaufnahme
- 4
Im Ortsteil Haardt findet jährlich Anfang Mai das „Haardter Weinfest auf der Straße“ mit dem „Schubkarrenrennen“ statt. Am ersten Septemberwochenende veranstaltet die Beklagte die Haardter „Woi- und Quetschekuche-Kerwe“, bei dem Stücke eines überdimensionierten Zwetschgenkuchens verkauft werden und das „Quetschekern-Zielspucken“ angeboten wird. Während der beiden Veranstaltungen werden auf der etwa 850 m langen Kerwemeile entlang des Mandelrings an verschiedenen Plätzen Musik und Pfälzische Spezialitäten angeboten.
- 5
Der Beigeladene beteiligt sich an den beiden Festen mit einer Ausschankstelle auf seinen Grundstücken Flurstück-Nrn. … und …. Auf dem Grundstück Flurstück-Nr. … stehen während des Festes mehrere Bierzeltgarnituren, vereinzelte Stehtische und die Ausschankstelle. Die zwei an der Hauswand des Gebäudes auf dem Grundstück Flurstück-Nr. … angebrachten Lautsprecher sind vom Wohnhaus der Klägerin etwa knapp 35 m entfernt.
- 6
Für das „Haardter Weinfest auf der Straße“ im Mai 2015 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen neben der Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebes nach dem Gaststättengesetz am 8. Mai 2015 auch eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für das Abspielen von CD-Musik sowie Live-Musik an insgesamt sechs Tagen im Zeitraum 8. Mai 2015 bis 14. Mai 2015 bis maximal 24 Uhr. Gestattet wurde die Benutzung von Lautsprechern, Tonwiedergabegeräten, Musikinstrumenten und ähnlichen Geräten. Die Genehmigung wurde mit mehreren Nebenbestimmungen versehen.
- 7
Da sich die Klägerin in der Vergangenheit bei der Beklagten mehrfach über von der Ausschankstelle des Beigeladenen ausgehende starke Lärmbelästigungen beschwert hatte, vereinbarte die Beklagte mit ihr die Durchführung von Lärmmessungen. Diese ergaben am 8. Mai 2015 um 21.30 Uhr am Anwesen der Klägerin 59 dB(A), am 9. Mai 2015 um 21 Uhr im Haus der Klägerin bei geöffnetem Fenster 64 dB(A), um 21.30 Uhr vor dem Haus 62 dB(A) und um 22.30 Uhr vor dem Haus 67 dB(A).
- 8
Mit Bescheid vom 4. August 2015 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen anlässlich der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe für den Zeitraum vom 4. September 2015 bis zum 8. September 2015 im Rahmen der Gestattung eines vorübergehenden Gaststättenbetriebes die Erlaubnis, bis auf Widerruf alkoholische Getränke auf dem Platz vor der (protestantischen) Kirche zu verabreichen. Die Erlaubnis enthielt u.a. die folgende Auflage:
- 9
„Die Betriebszeit der Außenbewirtschaftung endet um 1 Uhr, in der Nacht von Freitag auf Samstag sowie in der Nacht von Samstag auf Sonntag sowie in den Nächten auf einen gesetzlichen Feiertag um 2 Uhr. Ab 22 Uhr – Beginn der Nachtruhe – muss darauf geachtet werden, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten.“
- 10
Die sofortige Vollziehung der mit Bescheid vom 4. August 2015 erteilten Gestattung wurde mit Verfügung vom 31. August 2015 angeordnet.
- 11
Mit weiterem Bescheid vom 20. August 2015 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auch eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zur Benutzung von Lautsprechern und Tonwiedergabegeräten zum Abspielen von Musik (CD) an seiner Ausschankstelle anlässlich der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe. Das Abspielen von CD-Musik wurde unter I. des Bescheides für folgende Tage bis maximal 24 Uhr gestattet: Freitag, 4. September 2015, Samstag, 5. September 2015, Sonntag, 6. September und Montag, 7. September 2015. Die Genehmigung enthielt unter II. u.a. folgende Auflagen:
- 12
„1. Zur Vermeidung schädlicher Umwelteinwirkungen sind die Geräuschemissionen der Verstärkeranlagen so zu begrenzen, dass der Beurteilungspegel vor den Fenstern (im Freien) nächstgelegener Wohngebäude bzw. in angrenzenden Wohngebieten folgende Werte nicht überschreitet: In den unter Ziffer I. dieser Verfügung genehmigten Zeiten 70 dB(A), Geräuschspitzen sollen die Werte von 90 dB(A) tags einhalten. Zum Immissionsort wurde folgendes geregelt: Maßgeblicher Immissionsort für die Einhaltung des Grenzwertes ist entsprechend der schutzwürdigen Nutzung in der Nachbarschaft vor dem Fenster des Anwesens 67433 Neustadt, A-Straße …, sofern sich die Anwohnerin mit einer Lärmmessung vor Ort einverstanden erklärt, ansonsten vor dem Anwesen 67433 Neustadt, A-Straße …
- 13
2. Die Beschallungstechnik ist so auszurichten, dass das Anwesen Am Bürgergarten 2 so wenig wie möglich beschallt wird. Insbesondere ist auf eine Reduzierung der abgestrahlten tiefen Frequenzanteile hinzuwirken (z.B. durch Minimierung einzelner nicht relevanter Terzen).
- 14
3. Vor Beginn der Veranstaltungen ist die Beschallungsanlage so einzupegeln, dass der o. g. Immissionsrichtwert (Ziffer II Nr. 1) eingehalten wird. Bei Überschreitung des zulässigen Beurteilungspegels bzw. Spitzenpegels sind die Pegel der Lautsprecheranlage schnellstmöglich zu senken. Die ermittelten Schalldruckpegel und Beurteilungspegel sind zu dokumentieren.
- 15
4. Um sicherzustellen, dass der Immissionsrichtwert eingehalten wird, hat die für die Veranstaltung verantwortliche Person während den Veranstaltungen stündliche Messungen am Emissionsort vorzunehmen. Als Emissionsort wird der Standort in 1 Meter Abstand zur hauptangesteuerten Lautsprecherbox festgelegt. Welcher Grenzwert am Emissionsort einzuhalten ist, wird dem Veranstalter in Abstimmung mit der Einmessung durch den Kommunalen Vollzugsdienst vorgegeben. Bei Überschreitung des zulässigen Beurteilungspegels bzw. Spitzenpegels sind die Pegel der Lautsprecheranlage schnellstmöglich zu senken.“
- 16
Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe sei von besonderer kommunaler Bedeutung und durch den örtlichen Bezug sowie die Standortgebundenheit und zahlenmäßig eng begrenzte Durchführung solcher Ereignisse als seltene Veranstaltung privilegiert. Im Rahmen einer Sonderfallbeurteilung sei für die Musikdarbietungen bis 23 Uhr bzw. 24 Uhr ein Immissionsrichtwert von durchgehend 70 dB(A) bezogen auf den Beurteilungszeitraum für den Tag zugelassen worden.
- 17
Am 27. August 2015 legte die Klägerin gegen die dem Beigeladenen erteilten Genehmigungen vom 4. und 20. August 2015 Widerspruch mit der Begründung ein, der Ausschank an dieser Örtlichkeit in unmittelbarer Nähe zum allgemeinen Wohngebiet führe mit und ohne Musik stets zu unangemessenen Lärmbelästigungen. Ihr Anwesen sei am stärksten von den Lärmbelästigungen betroffen. Der Beigeladene halte sich auch nicht an die vorgegebenen Zeiten. Auch beim Weinfest 2015 habe der Beigeladene die zugelassenen Zeiten überzogen. Der Ansicht der Beklagten, Weinfeste und Kerwen gehörten zu den sehr seltenen Festen, sei zu widersprechen. Laut Freizeitlärmrichtlinie seien Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß zu beschränken. Es gebe zahlreiche Ausschankstellen beim Haardter Weinfest und der Woi- und Quetschekuchekerwe. Eine Unvermeidbarkeit sei nicht gegeben. Da die Beklagte den Ausschank des Beigeladenen erneut genehmigt habe, möge sie begründen, warum hierauf im Bereich der Kirche nicht verzichtet werden könne.
- 18
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2015, der Klägerin zugestellt am 7. November 2015, wies der Stadtrechtsausschuss die Widersprüche der Klägerin als offensichtlich unzulässig zurück, da die Verwaltungsakte sich erledigt hätten.
- 19
Die Klägerin hat am 7. Dezember 2015 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, dass die Ausnahmegenehmigung auch mit den Nebenbestimmungen zum Schutz der Nachbarschaft rechtswidrig sei. Es sei nicht dafür Sorge getragen worden, dass die Musikwiedergabe zu den angegebenen Zeiten tatsächlich enden würde.
- 20
Zwar erkenne die Rechtsprechung in einzelnen Fällen bestimmter Ereignisse als „sehr seltene“ Ereignisse wegen Herkömmlichkeit, Bedeutung für die örtliche Gemeinschaft und sozialer Adäquanz trotz der damit verbundenen Belästigungen für die Nachbarschaft als zumutbar an. Die Zahl dieser sehr seltenen Ereignisse dürfe aber fünf pro Jahr nicht übersteigen. Auch seien die maximal zugelassenen Ereignisse innerhalb eines Ortes aufzuteilen und auf die zehn seltenen Ereignisse pro Jahr seien diese fünf sehr seltenen Ereignisse anzurechnen. Durch das Weinfest vom 8. bis 14. Mai 2015 und durch die Quetschekuchekerwe vom 4. bis 7. September 2015 seien schon zehn Tage erreicht worden. Zu diesen zehn Tagen seien noch Tage für Aufbau und Abbau von jeweils einem Tag hinzuzurechnen, da auch diese Tage mit Musikdarbietungen untermauert worden seien. Ebenfalls hinzugerechnet werden müssten das Sommernachtsfest und andere Veranstaltungen. Alle diese Feste seien konzentriert auf den Bereich von Gemeindezentrum und protestantischer Kirche. Die maximal zulässigen zehn Ereignisse seien weit überschritten, was bei der Entscheidung im Hinblick auf die Ausnahmegenehmigung und die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung nicht bedacht worden sei.
- 21
Entgegen dem Verlangen der Rechtsprechung sei auch keine Entscheidung darüber getroffen worden, ob möglicherweise Ausweichstandorte für die Veranstaltungen zur Verfügung stünden. Dass entsprechende Prüfungen stattgefunden haben, lasse sich dem Bescheid nicht entnehmen. Es müsse dargelegt werden, welche anderen Standorte man in die Prüfung einbezogen habe. Auch sei nicht in Betracht gezogen worden, dass es bei dem ausgewählten Standort zu erheblichen Reflektionen an der Schlossbergmauer und der Kirche kommen könne. Eine solche Reflektion führe zur Verstärkung der Richtwerte und mache die Veranstaltung unzulässig. Es sei davon auszugehen, dass die im Bescheid festgelegten 70 dB(A) nicht eingehalten werden könnten, weshalb die Ausnahmegenehmigung bereits nichtig, zumindest aber rechtswidrig sei.
- 22
Die Klägerin beantragt,
- 23
festzustellen, dass die Bescheide der Beklagten vom 4. August 2015 und vom 20. August 2015 rechtswidrig waren.
- 24
Die Beklagte beantragt,
- 25
die Klage abzuweisen.
- 26
Sie verweist zur Begründung auf die ergangenen Ausgangsbescheide.
- 27
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
- 28
Zu den Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Verwaltungsakten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 29
Die Klage ist zulässig (1.), in der Sache aber nur teilweise begründet (2.).
- 30
1. Die Klage ist zulässig.
- 31
1.1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – statthaft. Die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten vom 4. August 2015 und vom 20. August 2015 haben sich durch Zeitablauf vor Klageerhebung erledigt. Die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe 2015 fand bereits in der Zeit vom 4. bis 8. September 2015 statt. Nur hierauf bezogen sich die vorübergehende Gestattung und die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung.
- 32
1.2. Die Klägerin ist auch im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO analog klagebefugt, da sie durch die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung nach § 12 Abs. 1 Gaststättengesetz – GastG – und durch die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung nach § 6 Abs. 5 Landesimmissionsschutzgesetz – LImSchG – zumindest möglicherweise in drittschützenden Rechten verletzt ist. Im Hinblick auf die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung folgt dies daraus, dass eine solche von Nachbarn erfolgreich angefochten werden kann, wenn die enthaltenen Regelungen nicht verhindern, dass vom Gaststättenbetrieb schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz – BImSchG – ausgehen (vgl. VG München, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – M 16 E 15.2911 –, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris). Die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 lässt Ausnahmen von dem Verbot im Hinblick auf den Schutz der Nachtruhe nach § 4 Abs. 1 LImSchG und der Regelung nach § 6 Abs. 1 LImSchG in Bezug auf die Verwendung von Tongeräten zu. Insoweit schützen die §§ 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 LImSchG nicht nur die Allgemeinheit, sondern dienen auch dem Nachbarschutz, auf den sich die Klägerin hier berufen kann (vgl. VG Mainz, Urteil vom 26. Februar 2016 – 3 K 433/15.MZ –).
- 33
Auf die in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2016 aufgeworfene Frage, ob die Klägerin – wie ursprünglich angegeben – Miteigentümerin des Grundstücks Flurstück-Nr. … oder nur Besitzerin ist, kommt es hier nicht an, denn auch nur obligatorisch Berechtigte sind befugt, sich auf den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG zu berufen. Diese Vorschrift verweist auf den immissionsschutzrechtlichen Begriff der Nachbarschaft, der auch Anwohner umfasst, die keine Eigentümer der von ihnen bewohnten oder genutzten Grundstücke sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1982 – 7 C 50/78 –, GewArch 1983, 101; Hess. VGH, Urteil vom 25. Februar 2005 – 2 UE 2890/04 –, GewArch 2005, 437).
- 34
1.3. Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Feststellungsinteresse an der begehrten gerichtlichen Entscheidung unter dem Aspekt der konkreten Wiederholungsgefahr. Eine solche ist anzunehmen, wenn die berechtigte Erwartung besteht, dass gleichartige, die Klägerin im Wesentlichen in ähnlicher Weise belastende Verwaltungsakte unter weitgehend gleichen Umständen künftig wieder erlassen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 2006 – 4 C 12/04 –, juris). Davon ist hier angesichts der Praxis der Vorjahre und weil der Beigeladene seine Ausschankstelle mit CD-Musik auf der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe auch künftig betreiben will, ohne Weiteres auszugehen.
- 35
2. In der Sache hat die Fortsetzungsfeststellungsklage jedoch nur teilweise Erfolg.
- 36
Zunächst kann offen bleiben, ob die Beklagte vorliegend berechtigt war, für die Ausschankstelle des Beigeladenen und das Abspielen von CD-Musik sowohl eine vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung als auch eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zu erteilen (2.1.). Die immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 verletzt die Klägerin nicht in ihren materiellen Rechten (2.2.). Dagegen verstößt die vorübergehende gaststättenrechtliche Gestattung vom 4. August 2015 zum Teil gegen das in § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 37 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – verankerte Bestimmtheitsgebot in seiner nachbarlichen Ausprägung (2.3.).
- 37
2.1. In der hier gegeben Situation der Drittanfechtung von den Beigeladenen begünstigenden Verwaltungsakten kommt es ausschließlich darauf an, ob die beiden Bescheide vom 4. und 20. August 2015 subjektiv-öffentliche Rechte der drittbetroffenen Klägerin verletzt haben (vgl. VG Neustadt, Urteil vom 22. Juli 2013 – 5 K 894/12.NW –, LKRZ 2013, 442). Infolgedessen geht die Kammer nicht näher darauf ein, ob die Beklagte formal überhaupt befugt war, neben der am 4. August 2015 erteilten vorübergehenden gaststättenrechtliche Gestattung eine eigenständige immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zu erlassen oder ob die Beklagte die Frage nach der Zulässigkeit des Abspielens von CD-Musik umfassend und abschließend in der gaststättenrechtliche Gestattung hätte regeln müssen, weil das Gaststättengesetz als Bundesgesetz für eine Ausgliederung der mit dem Betrieb verbundenen Musikdarbietungen nach landesrechtlichen Bestimmungen keinen Raum lässt (so VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris). Abgesehen davon, dass die Beklagte hier gemäß § 1 Satz 1 Gaststättenverordnung – GastVO – sowohl zuständige Behörde für die Erteilung der gaststättenrechtlichen Gestattung als auch gemäß § 15 Abs. 1 LImSchG zuständige Behörde für den Erlass der immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung war, kommt es nach Auffassung der Kammer für den Erfolg der Klage der Klägerin allein darauf an, ob diese durch die in den beiden Bescheiden getroffenen Regelungen in ihrem Zusammenspiel materiell-rechtlich beschwert ist, also entweder durch den von der Musikanlage des Beigeladenen oder von den Gästen der Ausschankstelle des Beigeladenen ausgehenden Lärm unzumutbar beeinträchtigt wurde (vgl. auch zur Unbeachtlichkeit der fehlenden Zuständigkeit der Behörde bei Drittanfechtungen OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14. August 2012 – 8 B 10627/12.OVG –; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. April 2006 – 3 S 547/06 –, NVwZ-RR 2007, 82; VG Neustadt, Urteil vom 18. April 2016 – 3 K 818/14.NW –). Dies war nur teilweise der Fall.
- 38
2.2. Die streitgegenständliche immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 war rechtmäßig.
- 39
2.2.1. Die von dem Beigeladenen anlässlich der Durchführung der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe betriebene Ausschankstelle inklusive Tongeräten ist eine Anlage im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG, die keiner Genehmigung bedarf und daher in den Anwendungsbereich der §§ 22, 23 BImSchG fällt. Nach § 22 Abs. 2 BImSchG bleiben weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften unberührt. Zu diesen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zählen sowohl § 4 Abs. 1 LImSchG als auch § 6 Abs. 1 LImSchG. Nach § 4 Abs. 1 LImSchG sind von 22 Uhr bis 6 Uhr Betätigungen verboten, die zu einer Störung der Nachtruhe führen können. Nach § 6 Abs. 1 LImSchG dürfen Geräte, die der Erzeugung oder Wiedergabe von Schall oder Schallzeichen dienen (Tongeräte), insbesondere Lautsprecher, Tonwiedergabegeräte, Musikinstrumente und ähnliche Geräte, nur in solcher Lautstärke benutzt werden, dass unbeteiligte Personen nicht erheblich belästigt werden oder die natürliche Umwelt nicht beeinträchtigt werden kann.
- 40
2.2.2. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 5 Satz 1 LImSchG kann die zuständige Behörde im Einzelfall auf Antrag Ausnahmen von dem Verbot der Störung der Nachtruhe (§ 4 Abs. 1 LImSchG) bzw. von dem Verbot der erheblichen Belästigung Dritter durch Tonwiedergabegeräte (§ 6 Abs. 1 LImSchG) bei einem öffentlichen oder überwiegenden privaten Interesse zulassen. Die Ausnahme soll gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 LImSchG und § 6 Abs. 5 Satz 2 LImSchG unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden. Ferner kann die zuständige Behörde nach § 4 Abs. 4 Satz 1 und 2 LImSchG für die Außengastronomie allgemein oder auf Antrag für den Einzelfall den Beginn der Nachtzeit um eine Stunde und bei Vorliegen eines öffentlichen oder eines berechtigten privaten Interesses um mehr als eine Stunde hinausschieben. Schließlich kann die zuständige Behörde gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 LImSchG bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse u.a. für Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen einschließlich der damit verbundenen Außengastronomie allgemeine Ausnahmen von dem Verbot nach § 4 Abs. 1 LImSchG zulassen. Ein öffentliches Bedürfnis liegt in der Regel vor, wenn eine Veranstaltung der Pflege des historischen oder kulturellen Brauchtums dient oder sonst von besonderer kommunaler Bedeutung ist und deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung der Veranstaltung gegenüber dem Interesse der Nachbarschaft an ungestörter Nachtruhe überwiegt.
- 41
2.2.3. Die Erteilung einer Ausnahme nach den genannten Vorschriften erfordert eine Güterabwägung auf der Grundlage der konkreten Umstände des Einzelfalles. Dabei ist die Lärmsituation unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit der angestrebten Betätigung und des Schutzbedürfnisses der von Störungen betroffenen Nachbarn eingehend und sorgfältig zu würdigen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Juni 1987 – 21 A 1136/87 –, NVwZ 1988, 178). Hierbei steht der Behörde ein Ermessensspielraum zu (VG Mainz, Urteil vom 24. Februar 2016 – 3 K 433/15.MZ –). Diesen Anforderungen genügt die verfahrensgegenständliche Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015.
- 42
2.2.3.1. Zunächst ist ein besonderes Interesse des Beigeladenen an der Teilnahme an der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe mit einer eigenen Ausschankstelle unter Nutzung von Tongeräten im Rahmen seiner vorübergehenden Betriebsführung anzuerkennen. Es steht außer Frage, dass die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe als „Weinkerwe“ ebenso wie das Haardter Weinfest auf der Straße ein traditionelles örtliches Fest mit Brauchtumscharakter ist (vgl. VG Neustadt, Urteil vom 22. Juli 2013 – 5 K 894/12.NW –, juris zur Jakobuskerwe in Neustadt-Hambach). Bei den in der Pfalz stattfindenden und sich regelmäßig großem Zuspruch des Publikums erfreuenden „Weinkerwen“ stehen die Ausschankstellen von Weingütern, Winzergenossenschaften, Vereinen und Privatleuten im Mittelpunkt. Ohne diese Ausschankstellen, die häufig auch Live- oder CD-Musik im Programm haben, wäre die Durchführung einer „Weinkerwe“ nicht denkbar. Insofern erfüllen diese eine „soziale Funktion“ (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 20. April 1995 – 22 B 93.1948 –, juris zu Biergärten in Bayern).
- 43
2.2.3.2. Trotz dieser sozialen Funktion ist der Betrieb einer Ausschankstelle auf einer Weinkerwe in der Pfalz nicht von der Rücksichtnahme auf die benachbarte Wohnbebauung freigestellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1989 – 7 C 77/87 –, NJW 1989, 1291 zur Problematik des Sportlärms und der sozialen Funktion des Sports; Bay. VGH, Urteil vom 20. April 1995 – 22 B 93.1948 –, juris zur sozialen Funktion von Biergärten). Ob das besondere Interesse des Beigeladenen an der Teilnahme an der Weinkerwe das in die Abwägung einzustellende Interesse der Klägerin an einer ungestörten Nachtruhe und daran, durch Tongeräte auch während des Tages nicht erheblich belästigt zu werden, überwiegt, beurteilt sich daher maßgeblich danach, ob die Immissionen der Klägerin zumutbar sind.
- 44
Die durch das Abspielen von CD-Musik an der Ausschankstelle des Beigeladenen entstehenden Lärmimmissionen sind für die Klägerin dann unzumutbar, wenn sie schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 1 Abs. 1 LImSchG i. V. m. § 3 Abs. 1 BImSchG verursachen. Für dieses Verständnis spricht der Zweck der im Landesimmissionsschutzgesetz getroffenen Regelung. Wann Geräusche als schädliche Umwelteinwirkungen anzusehen sind, d. h. als Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 BImSchG), ist im Kontext der §§ 4 und 6 LImSchG ebenso wie im Rahmen des § 22 Abs. 1 BImSchG anhand der Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 2003 – 4 B 55/03 –, NJW 2003, 3360). Die Zumutbarkeit bestimmt sich grundsätzlich nach der Lage des beeinträchtigten Objekts bzw. der dort ausgeübten Nutzung; die Art des Gebiets, in dem sich die Liegenschaft des Rechtsschutzsuchenden befindet bzw. eine grundstücksbezogene Nutzung ausgeübt wird, bestimmt maßgeblich den Grad der zuzubilligenden Schutzwürdigkeit (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 17. September 2014 – 22 CS 14.2013 – , juris). Sowohl nach der verwaltungsgerichtlichen als auch nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung wird als erhebliche Belästigung alles angesehen, was einem verständigen Durchschnittsmenschen auch unter Würdigung anderer öffentlicher oder privater Belange billigerweise nicht mehr zuzumuten ist (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 2009 – 8 B 13/09 –, juris und BGH, Urteil vom 16. Januar 2015 – V ZR 110/14 –, NJW 2015, 2023).
- 45
Vorliegend bezieht sich die Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 auf die Benutzung von Tongeräten i. S. d. § 6 LImSchG (Lautsprecher und Tonwiedergabegeräte). In Übereinstimmung mit § 4 Abs. 3 Satz 2 LImSchG und § 6 Abs. 5 Satz 2 LImSchG erteilte die Beklagte die Ausnahmegenehmigung unter Auflagen und zwar mit dem Inhalt, dass das Abspielen von CD-Musik an der Ausschankstelle des Beigeladenen an vier Tagen (von Freitag, dem 4. September 2015 bis Montag, dem 7. September 2015) bis maximal 24 Uhr am maßgeblichen Immissionsort (Bürgergarten 2, Anwesen der Klägerin) ein Beurteilungspegel von 70 dB(A) nicht überschritten werden darf. Ferner enthielt die Ausnahmegenehmigung weitere Auflagen zur Sicherstellung der Einhaltung der erlaubten Beurteilungspegel wie die Ausrichtung der Beschallungstechnik und die Einpegelung der Beschallungsanlage.
- 46
2.2.3.3. Diese Auflagen waren geeignet und ausreichend, um die Klägerin vor unzumutbaren Lärmimmissionen zu schützen.
- 47
2.2.3.3.1. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Geräuschimmissionen der Musikveranstaltungen im Rahmen des vorübergehenden Gaststättenbetriebs des Beigeladenen hat die Beklagte sich in nicht zu beanstandender Weise an der von der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) herausgegebenen Freizeitlärm-Richtlinie vom 6. März 2015 (im Folgenden 3. Freizeitlärm-Richtlinie) orientiert, die nach dem Rundschreiben des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten vom 22. Juli 2015 von den rheinland-pfälzischen Immissionsschutzbehörden bei der Ermittlung und Beurteilung von Freizeitlärm herangezogen werden soll. Die von Sachverständigen ausgearbeitete 3. Freizeitlärm-Richtlinie hat zwar keinen Normcharakter, kann aber auch von Behörden und Gerichten als Entscheidungshilfe mit Indiz-Charakter zugrunde gelegt werden (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2001 – 7 C 16/00 –, NVwZ 2001, 1167 und BGH, Urteil vom 26. September 2003 – V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699). Die Regelungen der Freizeitlärm-Richtlinie bieten eine Orientierungshilfe insbesondere für Grundstücke, auf denen in Zelten oder im Freien Live- oder CD-Musik, Platzkonzerte oder Volksfeste dargeboten werden. Gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG kommt im Einzelfall der Dauer und der Häufigkeit solcher Immissionen besondere Bedeutung zu.
- 48
2.2.3.3.2. Die Kammer hat sich mit den Bewertungsgrundsätzen der 3. Freizeitlärm-Richtlinie, welche nach den früheren Fassungen von 1987 bzw. von 1997 (letztere im Folgenden 2. Freizeitlärm-Richtlinie) erneut in der Fassung vom 6. März 2015 überarbeitet worden sind, befasst und hält diese grundsätzlich für gut geeignet, über Konflikte zwischen einerseits dem Ruhebedürfnis der Wohnbevölkerung und den Bedürfnissen der Allgemeinheit an Freizeitveranstaltungen insbesondere im Freien während des Sommerhalbjahres zu entscheiden (so auch Hess. VGH, Beschluss vom 28. August 2015 – 9 B 1586/15 –, juris zum Frankfurter Museumsuferfest und VG Wiesbaden, Urteil vom 17. Februar 2016 – 4 K 1275/15.WI –, juris zum Kulturfestival „Folklore“ in Wiesbaden).
- 49
2.2.3.3.3. Die 3. Freizeitlärm-Richtlinie sieht in Ziffer 4.1 für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden für allgemeine Wohngebiete – vom Vorliegen eines solchen Gebiets geht die Kammer zugunsten der Klägerin hier aus – einen Immissionsrichtwert tags an Werktagen außerhalb der Ruhezeit von 55 dB (A), tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeit und an Sonn- und Feiertagen von 50 dB(A) sowie nachts von 40 dB(A) vor. Die Genehmigung vom 20. August 2015 geht über diese Richtwerte deutlich hinaus. Allerdings trifft die Nr. 4.4 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie für seltene Veranstaltungen eine Sonderfallbeurteilung. Ausgehend von dem Umstand, dass bei Veranstaltungen im Freien und/oder in Zelten die unter Ziffer 4.1 bis 4.3 genannten Immissionsrichtwerte mitunter trotz aller verhältnismäßigen technischen und organisatorischen Lärmminderungsmaßnahmen nicht eingehalten werden können, können in Sonderfällen solche Veranstaltungen gleichwohl zulässig sein, wenn sie eine hohe Standortgebundenheit oder soziale Adäquanz und Akzeptanz aufweisen und zudem zahlenmäßig eng begrenzt durchgeführt werden (Ziffer 4.4.1). Eine hohe Standortgebundenheit ist bei besonderem örtlichem oder regionalem Bezug gegeben. Hierunter können auch Feste mit kommunaler Bedeutung wie die örtliche Kirmes fallen. Von sozialer Adäquanz und Akzeptanz ist auszugehen, wenn die Veranstaltung eine soziale Funktion und Bedeutung hat. Gemäß Ziffer 4.4.2 soll in derartigen Sonderfällen die zuständige Behörde zunächst die Unvermeidbarkeit und Zumutbarkeit der zu erwartenden Immissionen prüfen. In Bezug auf die Zumutbarkeit gibt die 3. Freizeitlärm-Richtlinie vom 6. März 2015 folgende Hinweise:
- 50
„Voraussetzung ist die Zumutbarkeit der Immissionen unter Berücksichtigung von Schutzwürdigkeit und Sensibilität des Einwirkungsbereichs.
- 51
a) Sofern bei seltenen Veranstaltungen Überschreitungen des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) tags und/oder 55 dB(A) nachts zu erwarten sind, ist deren Zumutbarkeit explizit zu begründen.
- 52
b) Überschreitungen eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24 Uhr sollten vermieden werden.
- 53
c) In besonders gelagerten Fällen kann eine Verschiebung der Nachtzeit von bis zu zwei Stunden zumutbar sein.
- 54
d) Die Anzahl der Tage (24 Stunden-Zeitraum) mit seltenen Veranstaltungen soll 18 pro Kalenderjahr nicht überschreiten.
- 55
e) Geräuschspitzen sollen die Werte von 90 dB(A) tags und 65 dB(A) nachts einhalten.
- 56
Die Unvermeidbarkeit und Zumutbarkeit der zu erwartenden Immissionen ist schriftlich nachvollziehbar zu begründen. Da das Spektrum derjenigen Veranstaltungen, die die Immissionsrichtwerte der Ziffern 4.1 bis 4.3 nicht einhalten können, groß ist und vom Dorffest bis zu überregionalen Großereignissen reicht, gilt:
- 57
In je größerem Umfang die Abweichungen der Immissionsrichtwerte nach Ziffern 4.1 bis 4.3 in Anspruch genommen werden sollen und an je mehr Tagen (24 Stunden-Zeitraum) seltene Veranstaltungen stattfinden sollen, desto intensiver hat die zuständige Behörde die in dieser Ziffer genannten Voraussetzungen zu prüfen, zu bewerten und zu begründen. Bei herausragenden Veranstaltungen sind in der Begründung gerade der sozialen Adäquanz und Akzeptanz besondere Bedeutung beizumessen.“
- 58
2.2.3.3.4. Die Freizeitlärm-Richtlinie vom 6. März 2015 unterscheidet sich von der 2. Freizeitlärm-Richtlinie aus dem Jahre 1997 (s. NVwZ 1997, 469) in mehreren Punkten. Die 2. Freizeitlärm-Richtlinie sah in Ziffer 4.4. ebenfalls Besonderheiten bei seltenen Störereignissen vor. Unter Bezugnahme auf die Nr. 2.3.5 der Verwaltungsvorschrift zur Ermittlung, Beurteilung und Verminderung von Geräuschemmissionen wurden die seltenen Störereignisse auf zehn pro Jahr begrenzt (vgl. auch die Ziffern 6.3 und 7.2 der Technischen Anleitung Lärm 1998). Bei den seltenen Ereignissen sollten die Beurteilungspegel vor den Fenstern (im Freien) die nachfolgenden Werte nicht überschreiten: tags außerhalb der Ruhezeit 70 dB(A), tags innerhalb der Ruhezeit 65 dB(A) und nachts 55 dB(A). Geräuschspitzen sollten die vorgenannten Werte tagsüber um nicht mehr als 20 dB(A) und nachts um nicht mehr als 10 dB(A) überschreiten.
- 59
2.2.3.3.5. Nach der Rechtsprechung (s. insbesondere OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. September 2004 – 6 A 10949/04.OVG –, GewArch 2004, 494 – und Hess. VGH, Urteil vom 25. Februar 2005 – 2 UE 2890/04 –, GewArch 2005, 437; vgl. auch BGH, Urteil vom 26. September – 20 V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699) galt darüber hinaus Folgendes: Konnten bei einer Veranstaltung die für seltene Störereignisse in der 2. Freizeitlärm-Richtlinie festgelegten Immissionsrichtwerte voraussichtlich nicht eingehalten werden, durfte sie immissionsschutz- und gaststättenrechtlich dennoch gestattet werden, wenn sie als „sehr seltenes Ereignis“ wegen ihrer Herkömmlichkeit, ihrer Bedeutung für die örtliche Gemeinschaft oder ihrer sozialen Adäquanz trotz der mit ihr verbundenen Belästigungen den Nachbarn zumutbar war. Gelangte die zuständige Behörde aufgrund ihrer prognostischen Bewertung zu dem Ergebnis, dass es sich bei einer Feier um eine Brauchtumsveranstaltung oder eine solche von besonderer kommunaler Bedeutung handelt, hatte sie in eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Beteiligten einzutreten. Das OVG Rheinland-Pfalz (s. Urteil vom 14. September 2004 – 6 A 10949/04.OVG –, GewArch 2004, 494) hielt Musikdarbietungen in der Regel bis 24 Uhr für zulässig und zwar auch an Tagen, an denen der Folgetag nicht allgemein arbeitsfrei war. In Bezug auf die Anzahl der „sehr seltenen Ereignisse“ führte das OVG Rheinland-Pfalz wörtlich aus: „Ausgehend davon, dass als seltene Ereignisse solche definiert sind, die an nicht mehr als zehn Tagen oder Nächten eines Kalenderjahres und in diesem Rahmen an nicht mehr als zwei aufeinander folgenden Wochenenden die niedrigeren Regelwerte überschreiten, kann nach Auffassung des Senats von sehr seltenen Ereignissen nur dann die Rede sein, wenn deren Anzahl deutlich niedriger als bei seltenen Ereignissen liegt. In aller Regel werden deshalb allenfalls fünf sehr seltene Ereignisse an einem Veranstaltungsort pro Jahr zugelassen werden dürfen. Des Weiteren hält der Senat mit dem Bundesgerichtshof (Urteil vom 26. September 2003 – V ZR 41/03 –, NJW 2003, 3699) eine Begrenzung der Immissionsrichtwerte auf 70 dB(A) für solche sehr seltenen Ereignisse für erforderlich.“
- 60
2.2.3.3.6. Im Unterschied zur 2. Freizeitlärm-Richtlinie, die noch von zehn seltenen „Störereignissen“ pro Kalenderjahr ausging, hält die 3. Freizeitlärm-Richtlinie nunmehr bis zu 18 „seltene Veranstaltungen“ pro Kalenderjahr für zumutbar (vgl. auch § 5 Abs. 5 i.V.m. mit der Nr. 1.5 der Achtzehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Sportanlagenlärmschutzverordnung) – 18. BImSchV –). Während die 2. Freizeitlärm-Richtlinie noch vorsah, dass bei seltenen Ereignissen der Beurteilungspegel vor den Fenstern tags außerhalb der Ruhezeit den Wert von 70 db(A) und innerhalb der Ruhezeit den Wert von 65 db(A) sowie nachts den Wert von 55 dB(A) nicht überschreiten sollte, ist nach der 3. Freizeitlärm-Richtlinie, wie insbesondere das Zusammenspiel in Ziffer 4.4.2 a), b) und d) zeigt, die Einhaltung des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) bis 22 Uhr ohne nähere Begründung sowie eine Überschreitung des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) bis 22 Uhr und von 55 dB(A) jedenfalls in der Zeit von 22 bis 24 Uhr den Nachbarn zuzumuten, sofern die Zumutbarkeit explizit begründet wird. Daraus, dass es erst im Falle einer Überschreitung der in Ziffer 4.4.2 a) genannten Beurteilungspegel von 70 dB(A) tags und 55 dB(A) nachts einer expliziten Begründung der Zumutbarkeit bedarf, ist zu folgern, dass diese Werte grundsätzlich als zumutbar zu erachten sind (s. auch Hess. VGH, Beschluss vom 28. August 2015 – 9 B 1586/15 –, juris). Die angesprochene Begründungspflicht der Behörde hat umso intensiver auszufallen, in je größerem Umfang die Abweichungen der Immissionsrichtwerte nach Ziffern 4.1 bis 4.3 in Anspruch genommen werden sollen und an je mehr Tagen seltene Veranstaltungen stattfinden sollen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die reine Zahl der Veranstaltungen bzw. Veranstaltungstage in der Gesamtbetrachtung nur einen Aspekt neben insbesondere der Intensität der Veranstaltungen und dem Schutzniveau des Gebiets abbildet (vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 15. September 2015 – AN 4 S 15.01487 u.a. –, juris).
- 61
Die 3. Freizeitlärm-Richtlinie hat damit zwar nicht den in der Rechtsprechung entwickelten Begriff des „sehr seltenen Ereignisses“ eingeführt. Sie hat aber offensichtlich die in der Vergangenheit ergangene Rechtsprechung zur Zumutbarkeit von Immissionen bei Sonderfreizeitveranstaltungen gewürdigt und berücksichtigt, dass die in der 2. Freizeitlärm-Richtlinie aufgeführten zumutbaren Immissionsrichtwerte in Bezug auf Sonderveranstaltungen im Freien mit hoher Standortgebundenheit oder sozialer Adäquanz und Akzeptanz in der Lebenswirklichkeit nicht (immer) einzuhalten sind. Die zuvor in der Rechtsprechung erfolgte Unterscheidung zwischen „seltenen Ereignissen“ und „sehr seltenen Ereignissen“ hat damit nach Auffassung der Kammer an Bedeutung verloren. War nach der oben zitierten Rechtsprechung zu den „sehr seltenen Ereignissen“ an bis zu fünf Tagen pro Kalenderjahr über die Regelungen der 2. Freizeitlärm-Richtlinie hinaus eine Begrenzung der Immissionsrichtwerte auf 70 dB(A) bis 24 Uhr zumutbar, so hält die 3. Freizeitlärm-Richtlinie diesen Beurteilungspegel sogar an 18 Tagen im Kalenderjahr bis 24 Uhr für grundsätzlich zumutbar. Im Falle einer expliziten und intensiven Begründung ist darüber hinaus sogar eine Immissionsrichtwertbegrenzung auf mehr als 70 dB(A) nicht ausgeschlossen. Angesichts der in Ziffer 4.4 getroffenen Hinweise in der 3. Freizeitlärm-Richtlinie bedarf es daher nach Ansicht der Kammer prinzipiell nicht mehr des Rückgriffs auf die Rechtsfigur des sog. „sehr seltenen Ereignisses“.
- 62
2.2.3.3.7. Hiernach waren die von der Beklagten dem Beigeladenen erteilten Auflagen geeignet und ausreichend, um die Klägerin vor unzumutbaren Lärmimmissionen zu schützen.
- 63
Die Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 erlaubte dem Beigeladenen von Freitag, dem 4. September 2015 bis zum Montag, dem 7. September 2015 an insgesamt vier Tagen CD-Musikdarbietungen unter Begrenzung der Schallpegel auf 70 dB(A) bis maximal 24 Uhr. Die in Ziffer 4.4.2 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie genannte Zumutbarkeitsgrenze für die Klägerin von 70 dB(A) wurde damit nicht überschritten. Addiert man hinzu, dass die Beklagte dem Beigeladenen auch für das Haardter Weinfest auf der Straße im Mai 2015 eine immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für das Abspielen von Musik an seiner Ausschankstelle für insgesamt sechs Termine im Zeitraum 8. Mai 2015 bis 14. Mai 2015 mit einem einzuhaltenden Immissionsrichtwert von 70 dB(A) gewährt hatte, ergeben sich insgesamt zehn immissionsrelevante „seltene Veranstaltungen pro Kalenderjahr“ im Sinne der 3. Freizeitlärm-Richtlinie.
- 64
Selbst wenn man das von der Klägerin genannte von der Liedertafel Neustadt veranstaltete Sommernachtsfest am 4. Juli 2015 im Haardter Schlosspark, der etwa 150 m Luftlinie vom Anwesen der Klägerin entfernt ist, als weiteres „seltenes Ereignis“ hinzuzählen würde, ergeben sich insgesamt elf einzelne Ereignisse, die nach Ziffer 4.4.2 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie und unter Berücksichtigung der sozialen Funktion der Weinkerwen in der Pfalz in der genehmigten Intensität und Zahl über zwei Halbjahre verteilt einem Nachbarn und damit auch der Klägerin zumutbar sind. Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung liegt die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle jedenfalls für Wohngebiete bei 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. November 2013 – 7 A 28/12, 7 A 28/12 (7 A 22/12) –, NVwZ 2014, 730). Allerdings ist nichts dafür ersichtlich, dass die durch den angefochtenen Bescheid vom 20. August 2015 im Zusammenspiel mit der Ausnahmegenehmigung für das Haardter Weinfest im Mai 2015 zugelassenen Immissionen von 70 dB(A) bis maximal 24 Uhr von solcher Intensität hätten sein können, dass mit Gesundheitsschäden (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz – GG –) bei den in der Nachbarschaft wohnenden Personen zu rechnen gewesen wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 1987 – 1 B 124/87 –, NVwZ 1989, 755). Derartiges hat die Klägerin auch nicht behauptet. Ihren Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2016 war vielmehr zu entnehmen, dass sie die Weinkerwe als solche ablehnt. Das Interesse der Allgemeinheit am geselligen Zusammensein an der von Musik begleiteten Ausschankstelle des Beigeladenen auf der Weinkerwe überwiegt daher insoweit das Schutzbedürfnis der Klägerin.
- 65
Die Beklagte hat die Zumutbarkeit in der Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 auch explizit und ausreichend begründet. Zutreffend hat die Beklagte unter Bezugnahme auf die 3. Freizeitlärm-Richtlinie darauf abgestellt, die Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe sei von besonderer kommunaler Bedeutung und durch den örtlichen Bezug als seltene Veranstaltung privilegiert. Unter Berücksichtigung der Möglichkeit des passiven Lärmschutzes und der technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Schutz der Nachbarschaft vor Lärm in Form von Auflagen sei im Rahmen einer Sonderfallbeurteilung für die Musikdarbietungen bis maximal 24 Uhr ein Immissionsrichtwert von durchgehend 70 dB(A) zulässig. Damit dieser Wert eingehalten wird, hat die Beklagte in Übereinstimmung mit den Ziffern 4.4.2 c) und 4.4.3 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie sowie mit § 4 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 LImSchG mehrere Auflagen in die Genehmigung aufgenommen. So war die Beklagte befugt, nach Ziffer 4.4.2 c) und Ziffer 4.4.3 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie für die Veranstaltungen am Freitag, dem 4. September 2015 und am Samstag, dem 5. September 2015 die Nachtzeit von 22 Uhr auf 24 Uhr zu verschieben. Ebenso wenig ist die Verschiebung der Nachtzeit am Sonntag, dem 6. September und am Montag, dem 7. September 2015 um jeweils eine Stunde auf 23 Uhr rechtlich zu beanstanden. Während die zuständige Behörde gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 LImSchG bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse für Volksfeste und ähnliche Veranstaltungen einschließlich der damit verbundenen Außengastronomie allgemeine Ausnahmen von dem Verbot nach Absatz 1 zulassen kann, bestimmt § 4 Abs. 4 Satz 1 LImSchG, dass die zuständige Behörde für die Außengastronomie allgemein oder auf Antrag für den Einzelfall den Beginn der Nachtzeit um eine Stunde hinausschieben kann.
- 66
Dem besonderen öffentlichen Interesse an der Musikveranstaltung des Beigeladenen ist die Beklagte in der streitgegenständlichen Ausnahmegenehmigung mit Nebenbestimmungen zum Schutz auch der Klägerin vor unzumutbarem Lärm begegnet. So hat die Beklagte dem Beigeladenen Maßnahmen der Eigenüberwachung in Form von Einpegelungen, Ausrichtung der Beschallungstechnik und stündlichen Messungen mit Dokumentation aufgegeben (s. Ziffer 4.4.3 der 3. Freizeitlärm-Richtlinie). Darüber hinaus hat die Beklagte dem Beigeladenen die Benennung einer auf der Veranstaltung anwesenden verantwortlichen Person auferlegt, die in der Lage ist, die behördlichen Anordnungen gegenüber Mitwirkenden und Publikum durchzusetzen.
- 67
Anhaltspunkte dafür, dass die in der Ausnahmegenehmigung enthaltenen Regelungen und Nebenbestimmungen zur Einhaltung eines Beurteilungspegels von 70 dB(A) von vornherein ungeeignet sind, sind nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung moniert hat, der Beigeladene habe sich nicht an die vorgegebenen Zeiten gehalten und möglicherweise die genehmigten Immissionsrichtwerte nicht eingehalten, kann sie damit im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden. Eventuelle Verstöße gegen die in einer Genehmigung enthaltenen Nebenbestimmungen lassen regelmäßig die Rechtmäßigkeit der Genehmigung unberührt und betreffen zunächst allein die Frage der Vollzugskontrolle (vgl. Bay.VGH, Beschluss vom 12. April 2012 – 1 ZB 09.247 –, juris; VG Mainz, Urteil vom 26. Februar 2016 – 3 K 433/15.MZ –). Allenfalls dann, wenn auch Kontrollen der zuständigen Überwachungsbehörden sich als ungeeignet zur Einhaltung des zulässigen Beurteilungspegels darstellten, könnte von einer zur Rechtwidrigkeit der Genehmigung führenden Ungeeignetheit führen. Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden. Die Messungen der Beklagten anlässlich des Haardter Weinfestes ergaben am 8. Mai 2015 um 21.30 Uhr am Anwesen der Klägerin 59 dB(A), am 9. Mai 2015 um 21 Uhr im Haus der Klägerin bei geöffnetem Fenster 64 dB(A), um 21.30 Uhr vor dem Haus 62 dB(A) und um 22.30 Uhr vor dem Haus 67 dB(A). Die weitere Messung der Beklagten während der Haardter Woi- und Quetschekuchekerwe im September 2015 ergab einen Wert von 67 dB(A), wurde aber nach dem Vermerk vom 7. September 2015 abgebrochen, weil die Klägerin die Messung gestört habe.
- 68
Die genannten Messungen, gegen die die Klägerin keine substantiierten Einwendungen erhoben hat, erfassten nicht nur den von der Beschallungsanlage des Beigeladenen ausgehenden Lärm, sondern auch den von den Gästen des Beigeladenen verursachten und diesem zurechenbaren Geräusche sowie das dem Beigeladenen nicht zurechenbare sog. „Kerwegrundgeräusch“ (s. dazu VG Neustadt, Urteil vom 22. Juli 2013 – 5 K 894/12.NW –, juris) und führten nicht zu einer Überschreitung des für die Musik genehmigten Beurteilungspegels von 70 dB(A).
- 69
Schließlich begegnet die streitgegenständliche Ausnahmegenehmigung auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil die Lautsprecher unmittelbar am Gebäude des Beigeladenen in der B-Straße … und damit in einem Abstand von weniger als 35 m zu dem Anwesen der Klägerin angebracht sind. Im Rahmen ihrer Ermessensbetätigung hat die Beklagte zwar auch mögliche Alternativstandorte in den Blick zu nehmen; hierbei darf sie sich neben weiteren Gesichtspunkten auch vom Ziel der Veranstaltung und deren Adressatenkreis leiten lassen. Angesichts dieser Grundsätze ist die Zulassung der Tongeräte unmittelbar am Haus des Beigeladenen ohnehin die für die Klägerin schonendste Variante. Wie der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen dargelegt hat, war die Beschallungsanlage bis vor einigen Jahren direkt an der Ausschankstelle und damit deutlich näher zum Anwesen der Klägerin montiert. Von der angewandten „architektonischen Selbsthilfe“ des Beigeladenen hat die Klägerin insoweit profitiert. Ein anderer lokal geeigneter Ausweichort für den Beigeladenen außerhalb seines eigenen Grundstücks scheidet von vornherein aus. Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch darauf, dass der Beigeladene an seiner Ausschankstelle überhaupt auf Musik verzichtet.
- 70
2.3. Allerdings ist die dem Beigeladenen gemäß § 12 GastG erteilte vorübergehende gaststättenrechtliche Erlaubnis vom 4. August 2015 zum Ausschank alkoholischer Getränke insoweit rechtlich zu beanstanden und nachbarrechtsverletzend, als dem Beigeladenen eine Betriebszeit bis 1 oder 2 Uhr gestattet wurde, ohne verbindlich festzuschreiben, dass der Beigeladene nach 24 Uhr die für die Klägerin zumutbaren Immissionsrichtwerte einzuhalten hat.
- 71
Gemäß § 12 Abs. 1, 3 GastG kann aus besonderem Anlass der Betrieb eines erlaubnispflichtigen Gaststättengewerbes unter erleichterten Voraussetzungen vorübergehend auf Widerruf gestattet werden; die Gestattung kann mit Auflagen verbunden werden, die insbesondere auch einen erforderlichen Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen sicherstellen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG). Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach § 3 Abs. 1 BImSchG solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Im Zusammenhang mit der Erteilung einer gaststättenrechtlichen Gestattung muss die zuständige Behörde die subjektiven Rechte der von dem vorübergehenden Gaststättenbetrieb betroffenen Nachbarn berücksichtigen und darf insbesondere nur zumutbare Lärmimmissionen erlauben (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. September 2004 – 6 A 10949/04.OVG –, GewArch 2004, 494).
- 72
Allerdings kann Nachbarn bei der vorübergehenden Gestattung eines Gaststättenbetriebs gemäß § 12 Abs. 1 GastG eine höhere Belastung durch Lärmimmissionen zugemutet werden als im Falle eines ständigen Gaststättenbetriebs (VG München, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – M 16 E 15.2911 –, juris m.w.N.). Die „erleichterten Voraussetzungen“ im Sinne dieser Vorschrift bedeuten in diesem Zusammenhang, dass bei der Bestimmung der Erheblichkeits- bzw. Zumutbarkeitsschwelle die Seltenheit des Anlasses und seine Besonderheit – d.h. seine Bewertung unter den Gesichtspunkten der Herkömmlichkeit, der Sozialadäquanz und der allgemeinen Akzeptanz – zu berücksichtigen ist (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 17. September 2014 – 22 CS 14.2013 –, GewArch 2014, 485).
- 73
Da die Beklagte die Zumutbarkeit des von der Musikanlage des Beigeladenen ausgehenden Lärms in der gesondert ergangenen immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 geregelt hat – und dies nach den Ausführungen in 2.2. rechtlich nicht zu beanstanden war –, war im Rahmen der vorübergehenden Gestattung des Gaststättenbetriebs noch über die Zumutbarkeit der von den Gästen des Beigeladenen verursachten und diesem zurechenbaren Geräusche zu befinden. Hierzu findet sich in dem Bescheid vom 4. August 2015 die folgende Regelung:
- 74
„Die Betriebszeit der Außenbewirtschaftung endet um 1 Uhr, in der Nacht von Freitag auf Samstag sowie in der Nacht von Samstag auf Sonntag sowie in den Nächten auf einen gesetzlichen Feiertag um 2 Uhr. Ab 22 Uhr – Beginn der Nachtruhe – muss darauf geachtet werden, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten.“
- 75
Die Beklagte entschied sich in Bezug auf die Festlegung der Betriebszeit somit nicht für eine zeitliche Einschränkung der vorübergehenden Gaststättenerlaubnis nach § 18 GastG i. V. m. § 18 Abs. 2, § 19 und 20 GastVO, wonach die Sperrzeit für Volksfeste, die um 22 Uhr beginnt und um 6 Uhr endet, bei einem öffentlichen Bedürfnis oder besonderen örtlichen Verhältnissen u.a. allgemein oder für einzelne Betriebe verkürzt werden kann, sondern für den Erlass einer Auflage nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG, wonach die Erlaubnis jederzeit mit Auflagen u. a. zum Schutz der Nachbarn versehen werden kann. Hierzu war die Beklagte berechtigt, denn die genannten Bestimmungen stehen nicht in einem Ausschließlichkeitsverhältnis. Vielmehr sind sie nebeneinander anwendbar, soweit die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 20. April 1995 – 22 B 93.1948 –, NVwZ 1995, 1021 zum Verhältnis von § 5 und § 18 GastG; VG Neustadt, Urteil vom 6. April 2006 – 4 K 1919/05.NW –; ebenso Michel/Kienzle, Das Gaststättengesetz, 14. Auflage 2003, § 5 Rn. 4).
- 76
In Fällen von Nutzungskonflikten mit Nachbarn bedarf nicht nur eine nach § 2 GastG erforderliche Gaststättenerlaubnis, sondern auch eine vorübergehende Gestattung nach § 12 GastG gegebenenfalls einer weitergehenden Konkretisierung durch Aufnahme von Auflagen (s. § 12 Abs. 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG) im Hinblick auf nachbarrechtsrelevante Merkmale, um dem Bestimmtheitsgrundsatz des § 1 LVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG Genüge zu tun (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. Januar 2016 – 2 A 2423/15 –, juris und VG Neustadt, Urteil vom 14. Januar 2016 – 4 K 396/15.NW -, juris jeweils zur Baugenehmigung). Inhalt, Reichweite und Umfang der mit der vorübergehenden Gestattung nach § 12 GastG getroffenen Regelungen und Feststellungen müssen so eindeutig bestimmt sein, dass der Gastwirt die Bandbreite der für ihn legalen Nutzungen und drittbetroffene Nachbarn das Maß der für sie aus der vorübergehenden Gestattung erwachsenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen können (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Juni 2012 – 1 A 10878/22.OVG –, juris zur Baugenehmigung).
- 77
Dem gesetzlichen Regelungsauftrag wird die Gestattung vom 8. August 2015 im Zusammenspiel mit der immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 nicht gerecht. Die nach § 12 Abs. 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG erlassene Auflage, die Betriebszeit auf 1 bzw. 2 Uhr zu beschränken und die Aufforderung an den Beigeladenen, jeweils ab 22 Uhr darauf zu achten, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten, ist, soweit der Zeitraum von 24 Uhr bis 2 Uhr betroffen ist, rechtswidrig.
- 78
Was die Zeit bis 24 Uhr anbetrifft, fehlt es nach Auffassung der Kammer nicht an der erforderlichen Bestimmtheit, da für die betroffenen Tage im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung vom 20. August 2015 unter Bezugnahme auf die 3. Freizeitlärm-Richtlinie die Auflage ergangen ist, bis 24 Uhr einen Beurteilungspegel von 70 dB(A) einzuhalten. Dies war der Klägerin, wie oben ausgeführt, zumutbar; auf diese Lautstärke musste sie sich einstellen. Zwar war Regelungsinhalt der genannten Ausnahmegenehmigung „nur“ der von der Musikanlage ausgehende Lärm. Es versteht sich aber von selbst, dass die von den Gästen zusätzlich zur Musik verursachten Geräusche vom einzuhaltenden Beurteilungspegel von 70 dB(A) umfasst ist (s. dazu auch die von der Beklagten vorgenommenen Messungen).
- 79
Da das unter Auflagen genehmigte Abspielen von Musik an der Ausschankstelle des Beigeladenen aber nur bis maximal 24 Uhr begrenzt war und die vorübergehende Gestattung darüber hinaus einen Gaststättenbetrieb bis längstens 2 Uhr erlaubte, musste die Beklagte indessen eine verbindlichen Regelung dazu treffen, welchen Kommunikationslärm sie in Bezug auf die Nachbarn und damit auf die Klägerin nach Beendigung der Musikdarbietungen um spätestens 24 Uhr über diesen Zeitpunkt hinaus für zulässig hält (vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris). Ohne näher darauf einzugehen, ob die Betriebszeit von seltenen Veranstaltungen, die – wie hier – mehr als zehnmal pro Kalenderjahr stattfinden, überhaupt über 24 Uhr hinaus für die Nachbarn zumutbar sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Oktober 1987 – 1 B 124/87 –, NVwZ 1989, 755 und OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25. Juni 1987 - 21 A 1136/87 -, NVwZ 1988, 178 zu einem auf drei Tage beschränkten Schützenfest, bei dem die Veranstaltungszeit über 24 Uhr hinaus festgesetzt wurde; vgl. auch VG Gera, Urteil vom 12. Februar 2015 – 5 K 1399/12 Ge –, juris, wonach eine Verschiebung der Nachtzeit auf 1 Uhr in sehr seltenen Fällen wie z.B. beim Maibaumsetzen in Betracht kommt), führt die Ziffer 4.4.2 b) der 3. Freizeitlärm-Richtlinie hierzu aus, Überschreitungen eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24 Uhr sollten vermieden werden. Selbst wenn die Überschreitung eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) nach 24 Uhr nach dieser Formulierung im Einzelfall nicht gänzlich ausgeschlossen sein soll, hätte die Beklagte einen genauen Beurteilungspegel, der nicht überschritten werden darf, in dem Bescheid vom 4. August festschreiben und nachvollziehbar begründen müssen, dass der genannte Wert für die Klägerin nach Mitternacht zumutbar ist. Dies galt umso mehr, als die Beklagte mit dem Haardter Weinfest im Mai 2015 und der Woi- und Quetschekuchekerwe im September 2015 insgesamt zehn seltene Veranstaltungen im Kalenderjahr 2015 zugelassen hatte, die Prüfung der Zumutbarkeit von Immissionen nach 24 Uhr folglich besonders intensiv ausfallen musste. Derartige Erwägungen finden sich in dem Bescheid vom 4. August 2015 jedoch nicht. Die in den der vorübergehenden gaststättenrechtlichen Gestattung beigefügten Auflagen aufgeführte Formulierung, ab 22 Uhr müsse darauf geachtet werden, dass sich die Gäste besonders ruhig verhalten, ist nicht geeignet, dem Schutzbedürfnis der Anwohner und damit auch der Klägerin nach 24 Uhr hinreichend Rechnung zu tragen. Die genannte Auflage genügt nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz nach § 1 LVwVfG i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG in seiner nachbarlichen Ausgestaltung, um eine Begrenzung der Belastung der Klägerin nach 24 Uhr zu gewährleisten (vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 15. September 2015 – AN 4 S 15.01487 u.a. –, juris; VG Münster, Beschluss vom 9. Februar 2009 – 10 L 39/09 –, juris). Durch die Nebenbestimmung wird in keiner Weise deutlich, welche maximale Lautstärke von dem Kommunikationslärm zwischen 24 Uhr und 2 Uhr ausgehen durfte. Die Klägerin konnte damit das Maß der für sie aus der vorübergehenden Gestattung erwachsenden Betroffenheit nicht zweifelsfrei feststellen; sie war insoweit durch die Regelung schutzlos gestellt. Es ist mit der Pflicht der Beklagten, den Schutz vor schädlichen Umweltbeeinträchtigungen zu gewährleisten, auch nicht vereinbar, dass die Entscheidungen hinsichtlich des Verbots solcher Immissionen keinerlei Vollziehung ermöglichen. Eine effektive Regelung ist in der Regel nur dann gewährleistet, wenn für den Fall des Verstoßes gegen exakt festgesetzte Immissionsrichtwerte wirksam Zwangsmittel angedroht werden und so der ernsthafte Wille, Umweltbelange auch durchzusetzen, bekräftigt wird (s. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 19 K 4431/14 –, juris).
- 80
Auf die Festsetzung von Immissionsrichtwerten nach 24 Uhr konnte hier auch nicht deshalb verzichtet werden, weil, wie der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2016 angegeben hat, die Gäste nach 24 Uhr nahezu vollständig die Veranstaltung verlassen und die Ausschankstelle daher regelmäßig bereits um 24 Uhr geschlossen werde. Für die Frage, ob eine Veranstaltung den Nachbarn zugemutet werden darf, ist grundsätzlich von dem der Genehmigung zugrundeliegenden Nutzungsumfang auszugehen, nicht aber lediglich von einer möglicherweise hinter diesem Umfang zurückbleibenden tatsächlichen Nutzung (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juni 1992 – 3 S 829/92 –, UPR 1993, 308). Etwas anderes gilt nur dann, wenn aufgrund zuverlässig feststehender, gleichbleibender Umstände davon ausgegangen werden kann, dass die Anlage dauerhaft in einem geringeren Umfang als genehmigt genutzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1974 – IV C 77.73 –, GewArch 1975, 69). Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Es steht zum einen dem Beigeladenen frei, zukünftig eine kürzere Betriebszeit zu beantragen. Zum anderen wird die Beklagte, will sie auch zukünftig eine Bewirtung über 24 Uhr hinaus zulassen, für die Zeit nach 24 Uhr einen verbindlichen Immissionsrichtwert festschreiben müssen, dessen Einhaltung im Übrigen bei Bedarf auch überwacht werden muss.
- 81
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 155 Abs. 1, 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
- 82
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.
- 83
Beschluss
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.
(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.
(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.
(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.
(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.
(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.