EU-Insolvenz: Zur internationalen Zuständigkeit für insolvenzrechtliche Annexverfahren
published on 10/08/2012 12:33
EU-Insolvenz: Zur internationalen Zuständigkeit für insolvenzrechtliche Annexverfahren
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Der EuGH hat mit dem Urteil vom 19.04.2012 (Az: C-213/10) folgendes entschieden:
Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass eine Klage, die gegen einen Dritten von einem Anspruchsteller auf der Grundlage einer durch den im Rahmen eines Insolvenzverfahrens bestellten Verwalter erfolgten Forderungsabtretung erhoben wird, deren Gegenstand das Insolvenzanfechtungsrecht ist, das diesem Verwalter nach dem für das Insolvenzverfahren geltenden nationalen Recht zusteht, unter den Begriff der Zivil- und Handelssachen im Sinne dieser Bestimmung fällt.
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. L 160, S. 1) sowie von Art. 1 Abs. 2 Buchst. b und Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der F-Tex SIA (im Folgenden: F-Tex) und der Lietuvos-Anglijos UAB „Jadecloud-Vilma“ (im Folgenden: Jadecloud-Vilma) wegen der Rückzahlung von 523 700,20 LTL zuzüglich Zinsen, die die Neo Personal Light Clothing GmbH (im Folgenden: NPLC) zu einem Zeitpunkt, zu dem sie bereits zahlungsunfähig war, an Jadecloud-Vilma gezahlt hatte.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung Nr. 1346/2000
Nach ihrem sechsten Erwägungsgrund beschränkt sich die Verordnung Nr. 1346/2000 auf „Vorschriften ..., die die Zuständigkeit für die Eröffnung von Insolvenzverfahren und für Entscheidungen regeln, die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen“.
Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000, der die internationale Zuständigkeit regelt, stellt dafür folgende Grundregel auf:
„Für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Bei Gesellschaften und juristischen Personen wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen der Ort des satzungsmäßigen Sitzes ist.“
Art. 25 der Verordnung Nr. 1346/2000, der die Anerkennung und Vollstreckbarkeit sonstiger Entscheidungen regelt, bestimmt in seinen Abs. 1 und 2:
„(1) Die zur Durchführung und Beendigung eines Insolvenzverfahrens ergangenen Entscheidungen eines Gerichts, dessen Eröffnungsentscheidung nach Artikel 16 anerkannt wird, sowie ein von einem solchen Gericht bestätigter Vergleich werden ebenfalls ohne weitere Förmlichkeiten anerkannt. Diese Entscheidungen werden nach den Artikeln 31 bis 51 (mit Ausnahme von Artikel 34 Absatz 2) des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der durch die Beitrittsübereinkommen zu diesem Übereinkommen geänderten Fassung vollstreckt.
Unterabsatz 1 gilt auch für Entscheidungen, die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen, auch wenn diese Entscheidungen von einem anderen Gericht getroffen werden.
...
(2) Die Anerkennung und Vollstreckung der anderen als der in Absatz 1 genannten Entscheidungen unterliegen dem Übereinkommen nach Absatz 1, soweit jenes Übereinkommen anwendbar ist.“
Verordnung Nr. 44/2001
Die Verordnung Nr. 44/2001 tritt im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten an die Stelle des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen.
Der siebte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 lautet: „Der sachliche Anwendungsbereich dieser Verordnung sollte sich, von einigen genau festgelegten Rechtsgebieten abgesehen, auf den wesentlichen Teil des Zivil- und Handelsrechts erstrecken.“
Art. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 definiert deren Anwendungsbereich wie folgt:
„(1) Diese Verordnung ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. Sie erfasst insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten.
(2) Sie ist nicht anzuwenden auf:
...
b) Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren;
...“
Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 stellt für die Zuständigkeit folgende Grundregel auf:
„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.“
Art. 60 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 lautet:
„Gesellschaften und juristische Personen haben für die Anwendung dieser Verordnung ihren Wohnsitz an dem Ort, an dem sich
a) ihr satzungsmäßiger Sitz,
b) ihre Hauptverwaltung oder
c) ihre Hauptniederlassung
befindet.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
NPLC, deren satzungsmäßiger Sitz sich in Deutschland befindet, zahlte von Februar bis Juni 2001, obwohl sie zahlungsunfähig war, 523 700,20 LTL an Jadecloud-Vilma, deren satzungsmäßiger Sitz sich in Litauen befindet.
Am 24. Januar 2005 eröffnete das Landgericht Duisburg (Deutschland) über das Vermögen von NPLC das Insolvenzverfahren. Nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts war einzige Gläubigerin F-Tex, deren satzungsmäßiger Sitz sich in Lettland befindet.
Mit Vertrag vom 28. August 2007 trat der im Insolvenzverfahren über das Vermögen der NPLC bestellte Insolvenzverwalter alle diesem Unternehmen gegen Dritte zustehenden Forderungen an F-Tex ab, einschließlich des Anspruchs gegen Jadecloud-Vilma auf Rückzahlung der Beträge, die diese von Februar bis Juni 2001 erhalten hatte. Die Abtretung erfolgte ohne jede Gewährleistung des Insolvenzverwalters für Inhalt, Höhe oder tatsächliche und rechtliche Durchsetzbarkeit der Ansprüche. F-Tex war rechtlich nicht verpflichtet, die Einziehung der abgetretenen Forderungen zu betreiben. Für den Fall, dass sie sich dazu entschließen sollte, war vereinbart, dass sie 33 % des Erlöses an den Insolvenzverwalter abführen würde.
Mit Beschluss vom 19. August 2009 wies der Vilniaus apygardos teismas (Litauen) die bei ihm erhobene Klage von F-Tex ab, die darauf gerichtet war, dass Jadecloud-Vilma an sie den von NPLC erhaltenen Betrag von 523 700,20 LTL zuzüglich Zinsen zurückzahlt. Das Gericht vertrat die Auffassung, für diese Klage seien die deutschen Gerichte zuständig, da in Deutschland das Insolvenzverfahren über das Vermögen von NPLC eröffnet worden sei.
Auf die Berufung von F-Tex hob der Lietuvos apeliacinis teismas (Litauen) am 5. November 2009 die Entscheidung des Vilniaus apygardos teismas auf und verwies die Sache an ihn zurück. Der Lietuvos apeliacinis teismas vertrat die Auffassung, bei der Zuständigkeit gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 für eine Insolvenzanfechtungsklage handele es sich nicht um eine ausschließliche Zuständigkeit; nach den Umständen des Falles sei über eine solche Klage am satzungsmäßigen Sitz der Beklagten zu entscheiden.
Mit Entscheidung vom 25. November 2009 stellte das Landgericht Duisburg fest, dass es für die bei ihm erhobene Klage von F-Tex gegen Jadecloud-Vilma nicht zuständig sei, und begründete dies u. a. damit, dass sich der satzungsgemäße Sitz der Beklagten nicht in Deutschland befinde; es wies F-Tex darauf hin, dass ihre Klage voraussichtlich als unzulässig abgewiesen werde. F-Tex nahm die Klage zurück.
Der mit einem Rechtsmittel von Jadecloud-Vilma gegen die Entscheidung des Lietuvos apeliacinis teismas vom 5. November 2009 befasste Lietuvos Aukšciausiasis Teismas hat beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Sind Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 und Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 44/2001 unter Berücksichtigung der Urteile des Gerichtshofs vom 22. Februar 1979, Gourdain (133/78), und vom 12. Februar 2009, Seagon (C-339/07), dahin auszulegen, dass
a) ein nationales Gericht, bei dem ein Insolvenzverfahren anhängig ist, für eine actio Pauliana ausschließlich zuständig ist, die sich unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren herleitet oder in engem Zusammenhang damit steht, und Ausnahmen von dieser Zuständigkeit nur auf andere Bestimmungen der Verordnung Nr. 1346/2000 gestützt werden können;
b) eine actio Pauliana, die vom einzigen Gläubiger eines Unternehmens, über dessen Vermögen in einem Mitgliedstaat ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist,
– in einem anderen Mitgliedstaat erhoben wird,
– auf einer Forderung gegen einen Dritten beruht, die der Insolvenzverwalter dem Gläubiger vertraglich gegen Entgelt abgetreten hat, so dass dadurch der Umfang der Ansprüche des Insolvenzverwalters im ersten Mitgliedstaat eingeschränkt wird, und
– etwaige andere Gläubiger nicht gefährdet,
als Zivil- und Handelssache im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 einzustufen ist?
2. Ist das Recht eines Klägers auf einen gerichtlichen Rechtsbehelf, das der Gerichtshof als allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts anerkannt hat und das durch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantiert ist, dahin zu verstehen und auszulegen, dass
a) sich die nationalen Gerichte, die für eine actio Pauliana (je nachdem, ob ein Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren besteht oder nicht) entweder gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 oder gemäß Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 zuständig sind, nicht beide für unzuständig erklären dürfen;
b) in Fällen, in denen ein Gericht eines Mitgliedstaats eine actio Pauliana wegen Unzuständigkeit für unzulässig erklärt hat, ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats, um das Recht des Klägers auf ein Gericht zu gewährleisten, seine Zuständigkeit von sich aus bejahen darf, obwohl die unionsrechtlichen Vorschriften über die internationale Zuständigkeit dies nicht zulassen?
Zu den Vorlagefragen
Zum zweiten Teil der ersten Frage
Mit dem zuerst zu prüfenden zweiten Teil der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die vom Gläubiger eines Schuldners, über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, auf der Grundlage einer Forderungsabtretung durch den in diesem Verfahren bestellten Insolvenzverwalter gegen einen Dritten erhobene Klage in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1346/2000 fällt, weil sich eine solche Klage unmittelbar aus diesem Verfahren herleitet und in engem Zusammenhang damit steht, oder in den der Verordnung Nr. 44/2001, weil sie unter den Begriff der Zivil- oder Handelssache fällt.
Vorbemerkungen
Zunächst ist der jeweilige Anwendungsbereich der Verordnungen Nrn. 44/2001 und 1346/2000 zu bestimmen.
– Verordnung Nr. 44/2001
Nach Art. 1 Abs. 1 des Brüsseler Übereinkommens, an dessen Stelle die Verordnung Nr. 44/2001 getreten ist, war dieses Übereinkommen in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankam. In Art. 1 Abs. 2 des Übereinkommens wurden bestimmte besondere Angelegenheiten ausgeschlossen, u. a. in Nr. 2 „Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren“.
Sowohl im Bericht zu dem Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen von P. Jenard (ABl. 1979, C 59, S. 1) als auch im Bericht zu dem Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zum Brüsseler Übereinkommen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof von P. Schlosser (ABl. 1979, C 59, S. 71) wurde darauf hingewiesen, dass der von diesem Ausschluss erfasste Bereich unter ein besonderes Übereinkommen fallen müsse. In Nr. 53 des Berichts von Herrn Schlosser heißt es, dass die Anwendungsbereiche der beiden Übereinkommen so abzugrenzen seien, dass keine Lücken und keine Qualifikationsfragen aufträten.
In dem im Rahmen des Brüsseler Übereinkommens ergangenen Urteil Gourdain hat der Gerichtshof die Tragweite des in Rede stehenden Ausschlusses eingegrenzt. Er hat in Randnr. 4 dieses Urteils festgestellt, dass Entscheidungen, die sich auf ein Insolvenzverfahren beziehen, nur dann vom Anwendungsbereich des Brüsseler Übereinkommens ausgeschlossen sind, wenn sie unmittelbar aus diesem Verfahren hervorgehen und sich eng innerhalb des Rahmens eines Konkurs- oder Vergleichsverfahrens halten.
In dem nach Inkrafttreten der Verordnung Nr. 44/2001 ergangenen Urteil vom 2. Juli 2009, SCT Industri (C-111/08), hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Auslegung des Brüsseler Übereinkommens, da diese Verordnung an seine Stelle getreten ist, auch für sie gilt, soweit die in Rede stehenden Vorschriften als gleichbedeutend angesehen werden können, was bei Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung und Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 des Brüsseler Übereinkommens, die den gleichen Wortlaut haben, der Fall ist. Unter Rückgriff auf das Kriterium, dass eine Klage an ein Konkursverfahren anknüpft, wenn sie unmittelbar aus diesem hervorgeht und sich eng innerhalb des Rahmens eines Konkurs- oder Vergleichsverfahrens hält, hat der Gerichtshof klargestellt, dass die Enge des Zusammenhangs, der im Sinne des Urteils Gourdain zwischen einer gerichtlichen Klage und dem Konkursverfahren besteht, entscheidend dafür ist, ob der genannte Ausschluss Anwendung findet.
– Verordnung Nr. 1346/2000
Die Verordnung Nr. 1346/2000 übernimmt wörtlich die Bestimmungen des am 23. November 1995 in Brüssel zur Unterzeichnung durch die Mitgliedstaaten aufgelegten Übereinkommens über Insolvenzverfahren.
Wie das vorlegende Gericht ausführt, hat der Gerichtshof im Urteil Seagon geprüft, anhand welcher Kriterien sich ermitteln lässt, ob eine Klage in den Anwendungsbereich von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 fällt.
In Randnr. 20 dieses Urteils hat der Gerichtshof hervorgehoben, dass im sechsten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1346/2000 zur Abgrenzung ihres Gegenstands gerade auf das im Urteil Gourdain aufgestellte Kriterium abgestellt wird. Nach diesem Erwägungsgrund sollte sich die Verordnung nämlich auf Vorschriften beschränken, die die Zuständigkeit für die Eröffnung von Insolvenzverfahren und für Entscheidungen regeln, die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen.
Der Gerichtshof hat daraus gefolgert, dass in Ansehung dieser Absicht des Gesetzgebers und der praktischen Wirksamkeit der genannten Verordnung ihr Art. 3 Abs. 1 dahin auszulegen ist, dass er den Gerichten des für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zuständigen Mitgliedstaats eine internationale Zuständigkeit auch für Klagen zuweist, die unmittelbar aus diesem Verfahren hervorgehen und in engem Zusammenhang damit stehen.
Hinzuzufügen ist, dass dieses doppelte Kriterium auch in Art. 25 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 verwendet wird, der die Anerkennung und Vollstreckbarkeit der zur Durchführung und Beendigung eines Insolvenzverfahrens ergangenen Entscheidungen regelt. Nach Abs. 1 Unterabs. 2 gilt Unterabs. 1 auch für Entscheidungen, die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen, auch wenn diese Entscheidungen von einem anderen Gericht getroffen werden. Nach Art. 25 Abs. 2 unterliegen andere als die in Abs. 1 genannten Entscheidungen der Verordnung Nr. 44/2001, soweit diese anwendbar ist.
– Zum Verhältnis zwischen den Verordnungen Nrn. 1346/2000 und 44/2001
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich erstens, dass Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 44/2001 vom Anwendungsbereich dieser Verordnung, die nach ihrem siebten Erwägungsgrund, von einigen genau festgelegten Rechtsgebieten abgesehen, auf das gesamte Zivil- und Handelsrecht Anwendung finden soll, nur Klagen ausschließt, die sich unmittelbar aus einem Insolvenzverfahren herleiten und in engem Zusammenhang damit stehen. Aus denselben Erwägungen ergibt sich zweitens, dass nur Klagen, die sich unmittelbar aus einem Insolvenzverfahren herleiten und in engem Zusammenhang damit stehen, in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1346/2000 fallen.
Zur Beantwortung des zweiten Teils der ersten Frage ist somit zu prüfen, ob dieses doppelte Kriterium in Anbetracht der Feststellungen des vorlegenden Gerichts bei der Klage des Ausgangsverfahrens als erfüllt anzusehen ist.
Zum Zusammenhang zwischen der Klage des Ausgangsverfahrens einerseits und der Insolvenz der Schuldnerin und dem Insolvenzverfahren andererseits
Mit der Klage des Ausgangsverfahrens wird von der Beklagten die Rückzahlung von Beträgen verlangt, die sie von einer Schuldnerin erhalten hatte, bevor über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens stützt ihre Klage auf die Abtretung der Forderung durch den im Rahmen dieses Verfahrens bestellten Insolvenzverwalter. Gegenstand dieser Abtretung war das Insolvenzanfechtungsrecht, das dem Insolvenzverwalter nach der deutschen Insolvenzordnung in Bezug auf alle vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommenen und die Insolvenzgläubiger benachteiligenden Rechtshandlungen zusteht.
Aus den Akten geht hervor, dass die im deutschen Recht in den §§ 129 ff. der Insolvenzordnung geregelte Insolvenzanfechtungsklage nur vom Insolvenzverwalter erhoben werden kann, und zwar ausschließlich zur Wahrnehmung der Interessen der Gesamtheit der Gläubiger. Nach den Angaben der deutschen Regierung kann das Insolvenzanfechtungsrecht aber abgetreten werden, vorausgesetzt, es wird zugunsten der Gesamtheit der Gläubiger eine als gleichwertig angesehene Gegenleistung erbracht.
Hierzu ist festzustellen, dass der Gerichtshof im Urteil Seagon im Zusammenhang mit einer Klage, mit der der Insolvenzverwalter im Wege einer auf die Insolvenz des Schuldners gestützten Anfechtungsklage die Rückzahlung eines von diesem gezahlten Betrags verlangte, entschieden hat, dass eine solche Klage unter Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 fällt.
Außerdem hat der Gerichtshof im Urteil SCT Industri zur Anerkennung einer Entscheidung, mit der die Unwirksamkeit einer Abtretung durch den im Rahmen eines Insolvenzverfahrens bestellten Verwalter festgestellt wurde, weil er nicht befugt gewesen sei, über den abgetretenen Vermögenswert zu verfügen, entschieden, dass eine solche Frage unter den Begriff des Konkurses im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 44/2001 fällt.
Der vorliegende Ausgangsrechtsstreit unterscheidet sich jedoch von den Sachverhalten, zu denen diese Urteile ergangen sind.
Anders als der Kläger in der Rechtssache Seagon handelt die Klägerin des Ausgangsverfahrens nämlich nicht als Insolvenzverwalter, d. h. als Organ eines Insolvenzverfahrens, sondern als Zessionarin einer Forderung.
Überdies ist, anders als in der Rechtssache SCT Industri, Gegenstand des vorliegenden Ausgangsverfahrens nicht die Gültigkeit der vom Insolvenzverwalter vorgenommenen Abtretung, und dessen Befugnis, sein Insolvenzanfechtungsrecht abzutreten, ist unstreitig.
Somit ist zu prüfen, ob die von der Klägerin des Ausgangsverfahrens erhobene Klage in Anbetracht ihrer besonderen Merkmale unmittelbar mit der Insolvenz der Schuldnerin zusammenhängt und in engem Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren steht.
In ihren dem Gerichtshof unterbreiteten Erklärungen machen Jadecloud-Vilma und die Europäische Kommission geltend, die Klage der Zessionarin entspreche nach Ursprung und Inhalt im Wesentlichen einer vom Insolvenzverwalter erhobenen Klage.
Zwar lässt sich nicht bestreiten, dass der Anspruch, auf den die Klägerin des Ausgangsverfahrens ihre Klage stützt, mit der Insolvenz der Schuldnerin zusammenhängt; er geht nämlich auf das Insolvenzanfechtungsrecht zurück, das dem Insolvenzverwalter nach den nationalen Rechtsvorschriften über das Insolvenzverfahren zusteht. Gleichwohl ist fraglich, ob die abgetretene Forderung, nachdem sie Bestandteil des Vermögens der Zessionarin geworden ist, weiter unmittelbar mit der Insolvenz der Schuldnerin zusammenhängt.
Dies kann jedoch dahinstehen, sofern die Geltendmachung des abgetretenen Anspruchs durch die Zessionarin jedenfalls nicht in engem Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren steht.
Hierzu ist festzustellen, dass – worauf F-Tex sowie die litauische und die deutsche Regierung hinweisen – für die Geltendmachung der an einen Zessionar abgetretenen Forderung andere Regeln gelten als im Rahmen eines Insolvenzverfahrens.
Erstens kann der Zessionar im Unterschied zum Insolvenzverwalter, der grundsätzlich verpflichtet ist, im Interesse der Gläubiger zu handeln, frei entscheiden, ob er die abgetretene Forderung geltend machen will. Wie das vorlegende Gericht festgestellt hat, war F-Tex rechtlich nicht verpflichtet, die Einziehung der abgetretenen Forderung zu betreiben.
Zweitens handelt der Zessionar, wenn er sich entschließt, seine Forderung geltend zu machen, in seinem eigenen Interesse und zu seinem persönlichen Vorteil. Wie die Forderung, auf die er die Klage stützt, wird der Erlös aus der Klage, die er erhebt, Bestandteil seines Vermögens. Die Folgen seiner Klage unterscheiden sich somit von denen einer vom Insolvenzverwalter erhobenen Anfechtungsklage, mit der das Ziel verfolgt wird, die Aktiva des Unternehmens, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, zu vermehren.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sich F-Tex im Ausgangsverfahren verpflichtet hat, als Gegenleistung für die Abtretung des Anfechtungsrechts durch den Insolvenzverwalter einen Teil des Erlöses aus der abgetretenen Forderung abzuführen, da es sich dabei lediglich um eine Zahlungsmodalität handelt. Eine solche Vertragsbestimmung ist eine Ausprägung der Vertragsfreiheit, denn es stand dem Insolvenzverwalter und der Zessionarin unstreitig frei, deren Gegenleistung so zu gestalten, dass sie einen Pauschalbetrag oder einen Prozentsatz der gegebenenfalls wiedererlangten Beträge zahlt.
Überdies hat nach deutschem Recht, das im Ausgangsverfahren auf das Insolvenzverfahren anwendbar ist, die Beendigung dieses Verfahrens keinen Einfluss auf die Geltendmachung des abgetretenen Insolvenzanfechtungsrechts durch den Zessionar. Nach den Angaben der deutschen Regierung kann dieses Recht vom Zessionar auch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden.
Aufgrund ihrer Merkmale steht die Klage des Ausgangsverfahrens also nicht in engem Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren.
Daher ist, ohne dass darüber entschieden zu werden braucht, ob diese Klage unmittelbar mit der Insolvenz des Schuldners zusammenhängt, festzustellen, dass sie nicht in den Anwendungsbereich von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 fällt und infolgedessen auch nicht unter den Begriff des Konkurses im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 44/2001 fällt.
Auf den zweiten Teil der ersten Frage ist somit zu antworten, dass Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass eine Klage, die gegen einen Dritten von einem Anspruchsteller auf der Grundlage einer durch den im Rahmen eines Insolvenzverfahrens bestellten Verwalter erfolgten Forderungsabtretung erhoben wird, deren Gegenstand das Insolvenzanfechtungsrecht ist, das diesem Verwalter nach dem für das Insolvenzverfahren geltenden nationalen Recht zusteht, unter den Begriff der Zivil- und Handelssachen im Sinne dieser Bestimmung fällt.
Zum ersten Teil der ersten Frage
Mit dem ersten Teil der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es sich bei der mit der Verordnung Nr. 1346/2000 nach deren Auslegung durch den Gerichtshof den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, eingeräumten Zuständigkeit für die Entscheidung über Klagen, die sich unmittelbar aus diesem Verfahren herleiten und in engem Zusammenhang damit stehen, um eine ausschließliche Zuständigkeit handelt.
In Anbetracht der Antwort auf den zweiten Teil der ersten Frage ist der erste Teil dieser Frage nicht zu beantworten.
Zur zweiten Frage
Mit der zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das durch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf es den nationalen Gerichten eines Mitgliedstaats, bei denen eine Klage anhängig ist, für die sie nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 nicht zuständig wären, verbietet, sich für unzuständig zu erklären, wenn sich bereits die nationalen Gerichte eines anderen Mitgliedstaats nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 für unzuständig erklärt haben.
Diese Frage wäre im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits nur dann erheblich, wenn die litauischen Gerichte ihre Zuständigkeit nicht auf eine Bestimmung des Unionsrechts stützen könnten.
Da sich aus der Antwort auf die erste Frage aber ergibt, dass der Ausgangsrechtsstreit in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 44/2001 fällt, folgt die Zuständigkeit der litauischen Gerichte aus den Art. 2 Abs. 1 und 60 Abs. 1 dieser Verordnung, da sie die Gerichte des Mitgliedstaats sind, in dessen Hoheitsgebiet das beklagte Unternehmen seinen Sitz hat.
Die zweite Frage ist daher nicht zu beantworten.
Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass eine Klage, die gegen einen Dritten von einem Anspruchsteller auf der Grundlage einer durch den im Rahmen eines Insolvenzverfahrens bestellten Verwalter erfolgten Forderungsabtretung erhoben wird, deren Gegenstand das Insolvenzanfechtungsrecht ist, das diesem Verwalter nach dem für das Insolvenzverfahren geltenden nationalen Recht zusteht, unter den Begriff der Zivil- und Handelssachen im Sinne dieser Bestimmung fällt.
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. L 160, S. 1) sowie von Art. 1 Abs. 2 Buchst. b und Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der F-Tex SIA (im Folgenden: F-Tex) und der Lietuvos-Anglijos UAB „Jadecloud-Vilma“ (im Folgenden: Jadecloud-Vilma) wegen der Rückzahlung von 523 700,20 LTL zuzüglich Zinsen, die die Neo Personal Light Clothing GmbH (im Folgenden: NPLC) zu einem Zeitpunkt, zu dem sie bereits zahlungsunfähig war, an Jadecloud-Vilma gezahlt hatte.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung Nr. 1346/2000
Nach ihrem sechsten Erwägungsgrund beschränkt sich die Verordnung Nr. 1346/2000 auf „Vorschriften ..., die die Zuständigkeit für die Eröffnung von Insolvenzverfahren und für Entscheidungen regeln, die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen“.
Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000, der die internationale Zuständigkeit regelt, stellt dafür folgende Grundregel auf:
„Für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Bei Gesellschaften und juristischen Personen wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen der Ort des satzungsmäßigen Sitzes ist.“
Art. 25 der Verordnung Nr. 1346/2000, der die Anerkennung und Vollstreckbarkeit sonstiger Entscheidungen regelt, bestimmt in seinen Abs. 1 und 2:
„(1) Die zur Durchführung und Beendigung eines Insolvenzverfahrens ergangenen Entscheidungen eines Gerichts, dessen Eröffnungsentscheidung nach Artikel 16 anerkannt wird, sowie ein von einem solchen Gericht bestätigter Vergleich werden ebenfalls ohne weitere Förmlichkeiten anerkannt. Diese Entscheidungen werden nach den Artikeln 31 bis 51 (mit Ausnahme von Artikel 34 Absatz 2) des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der durch die Beitrittsübereinkommen zu diesem Übereinkommen geänderten Fassung vollstreckt.
Unterabsatz 1 gilt auch für Entscheidungen, die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen, auch wenn diese Entscheidungen von einem anderen Gericht getroffen werden.
...
(2) Die Anerkennung und Vollstreckung der anderen als der in Absatz 1 genannten Entscheidungen unterliegen dem Übereinkommen nach Absatz 1, soweit jenes Übereinkommen anwendbar ist.“
Verordnung Nr. 44/2001
Die Verordnung Nr. 44/2001 tritt im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten an die Stelle des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen.
Der siebte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 lautet: „Der sachliche Anwendungsbereich dieser Verordnung sollte sich, von einigen genau festgelegten Rechtsgebieten abgesehen, auf den wesentlichen Teil des Zivil- und Handelsrechts erstrecken.“
Art. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 definiert deren Anwendungsbereich wie folgt:
„(1) Diese Verordnung ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. Sie erfasst insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten.
(2) Sie ist nicht anzuwenden auf:
...
b) Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren;
...“
Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 stellt für die Zuständigkeit folgende Grundregel auf:
„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.“
Art. 60 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 lautet:
„Gesellschaften und juristische Personen haben für die Anwendung dieser Verordnung ihren Wohnsitz an dem Ort, an dem sich
a) ihr satzungsmäßiger Sitz,
b) ihre Hauptverwaltung oder
c) ihre Hauptniederlassung
befindet.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
NPLC, deren satzungsmäßiger Sitz sich in Deutschland befindet, zahlte von Februar bis Juni 2001, obwohl sie zahlungsunfähig war, 523 700,20 LTL an Jadecloud-Vilma, deren satzungsmäßiger Sitz sich in Litauen befindet.
Am 24. Januar 2005 eröffnete das Landgericht Duisburg (Deutschland) über das Vermögen von NPLC das Insolvenzverfahren. Nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts war einzige Gläubigerin F-Tex, deren satzungsmäßiger Sitz sich in Lettland befindet.
Mit Vertrag vom 28. August 2007 trat der im Insolvenzverfahren über das Vermögen der NPLC bestellte Insolvenzverwalter alle diesem Unternehmen gegen Dritte zustehenden Forderungen an F-Tex ab, einschließlich des Anspruchs gegen Jadecloud-Vilma auf Rückzahlung der Beträge, die diese von Februar bis Juni 2001 erhalten hatte. Die Abtretung erfolgte ohne jede Gewährleistung des Insolvenzverwalters für Inhalt, Höhe oder tatsächliche und rechtliche Durchsetzbarkeit der Ansprüche. F-Tex war rechtlich nicht verpflichtet, die Einziehung der abgetretenen Forderungen zu betreiben. Für den Fall, dass sie sich dazu entschließen sollte, war vereinbart, dass sie 33 % des Erlöses an den Insolvenzverwalter abführen würde.
Mit Beschluss vom 19. August 2009 wies der Vilniaus apygardos teismas (Litauen) die bei ihm erhobene Klage von F-Tex ab, die darauf gerichtet war, dass Jadecloud-Vilma an sie den von NPLC erhaltenen Betrag von 523 700,20 LTL zuzüglich Zinsen zurückzahlt. Das Gericht vertrat die Auffassung, für diese Klage seien die deutschen Gerichte zuständig, da in Deutschland das Insolvenzverfahren über das Vermögen von NPLC eröffnet worden sei.
Auf die Berufung von F-Tex hob der Lietuvos apeliacinis teismas (Litauen) am 5. November 2009 die Entscheidung des Vilniaus apygardos teismas auf und verwies die Sache an ihn zurück. Der Lietuvos apeliacinis teismas vertrat die Auffassung, bei der Zuständigkeit gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 für eine Insolvenzanfechtungsklage handele es sich nicht um eine ausschließliche Zuständigkeit; nach den Umständen des Falles sei über eine solche Klage am satzungsmäßigen Sitz der Beklagten zu entscheiden.
Mit Entscheidung vom 25. November 2009 stellte das Landgericht Duisburg fest, dass es für die bei ihm erhobene Klage von F-Tex gegen Jadecloud-Vilma nicht zuständig sei, und begründete dies u. a. damit, dass sich der satzungsgemäße Sitz der Beklagten nicht in Deutschland befinde; es wies F-Tex darauf hin, dass ihre Klage voraussichtlich als unzulässig abgewiesen werde. F-Tex nahm die Klage zurück.
Der mit einem Rechtsmittel von Jadecloud-Vilma gegen die Entscheidung des Lietuvos apeliacinis teismas vom 5. November 2009 befasste Lietuvos Aukšciausiasis Teismas hat beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Sind Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 und Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 44/2001 unter Berücksichtigung der Urteile des Gerichtshofs vom 22. Februar 1979, Gourdain (133/78), und vom 12. Februar 2009, Seagon (C-339/07), dahin auszulegen, dass
a) ein nationales Gericht, bei dem ein Insolvenzverfahren anhängig ist, für eine actio Pauliana ausschließlich zuständig ist, die sich unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren herleitet oder in engem Zusammenhang damit steht, und Ausnahmen von dieser Zuständigkeit nur auf andere Bestimmungen der Verordnung Nr. 1346/2000 gestützt werden können;
b) eine actio Pauliana, die vom einzigen Gläubiger eines Unternehmens, über dessen Vermögen in einem Mitgliedstaat ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist,
– in einem anderen Mitgliedstaat erhoben wird,
– auf einer Forderung gegen einen Dritten beruht, die der Insolvenzverwalter dem Gläubiger vertraglich gegen Entgelt abgetreten hat, so dass dadurch der Umfang der Ansprüche des Insolvenzverwalters im ersten Mitgliedstaat eingeschränkt wird, und
– etwaige andere Gläubiger nicht gefährdet,
als Zivil- und Handelssache im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 einzustufen ist?
2. Ist das Recht eines Klägers auf einen gerichtlichen Rechtsbehelf, das der Gerichtshof als allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts anerkannt hat und das durch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantiert ist, dahin zu verstehen und auszulegen, dass
a) sich die nationalen Gerichte, die für eine actio Pauliana (je nachdem, ob ein Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren besteht oder nicht) entweder gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 oder gemäß Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 zuständig sind, nicht beide für unzuständig erklären dürfen;
b) in Fällen, in denen ein Gericht eines Mitgliedstaats eine actio Pauliana wegen Unzuständigkeit für unzulässig erklärt hat, ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats, um das Recht des Klägers auf ein Gericht zu gewährleisten, seine Zuständigkeit von sich aus bejahen darf, obwohl die unionsrechtlichen Vorschriften über die internationale Zuständigkeit dies nicht zulassen?
Zu den Vorlagefragen
Zum zweiten Teil der ersten Frage
Mit dem zuerst zu prüfenden zweiten Teil der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die vom Gläubiger eines Schuldners, über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, auf der Grundlage einer Forderungsabtretung durch den in diesem Verfahren bestellten Insolvenzverwalter gegen einen Dritten erhobene Klage in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1346/2000 fällt, weil sich eine solche Klage unmittelbar aus diesem Verfahren herleitet und in engem Zusammenhang damit steht, oder in den der Verordnung Nr. 44/2001, weil sie unter den Begriff der Zivil- oder Handelssache fällt.
Vorbemerkungen
Zunächst ist der jeweilige Anwendungsbereich der Verordnungen Nrn. 44/2001 und 1346/2000 zu bestimmen.
– Verordnung Nr. 44/2001
Nach Art. 1 Abs. 1 des Brüsseler Übereinkommens, an dessen Stelle die Verordnung Nr. 44/2001 getreten ist, war dieses Übereinkommen in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankam. In Art. 1 Abs. 2 des Übereinkommens wurden bestimmte besondere Angelegenheiten ausgeschlossen, u. a. in Nr. 2 „Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren“.
Sowohl im Bericht zu dem Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen von P. Jenard (ABl. 1979, C 59, S. 1) als auch im Bericht zu dem Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zum Brüsseler Übereinkommen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof von P. Schlosser (ABl. 1979, C 59, S. 71) wurde darauf hingewiesen, dass der von diesem Ausschluss erfasste Bereich unter ein besonderes Übereinkommen fallen müsse. In Nr. 53 des Berichts von Herrn Schlosser heißt es, dass die Anwendungsbereiche der beiden Übereinkommen so abzugrenzen seien, dass keine Lücken und keine Qualifikationsfragen aufträten.
In dem im Rahmen des Brüsseler Übereinkommens ergangenen Urteil Gourdain hat der Gerichtshof die Tragweite des in Rede stehenden Ausschlusses eingegrenzt. Er hat in Randnr. 4 dieses Urteils festgestellt, dass Entscheidungen, die sich auf ein Insolvenzverfahren beziehen, nur dann vom Anwendungsbereich des Brüsseler Übereinkommens ausgeschlossen sind, wenn sie unmittelbar aus diesem Verfahren hervorgehen und sich eng innerhalb des Rahmens eines Konkurs- oder Vergleichsverfahrens halten.
In dem nach Inkrafttreten der Verordnung Nr. 44/2001 ergangenen Urteil vom 2. Juli 2009, SCT Industri (C-111/08), hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Auslegung des Brüsseler Übereinkommens, da diese Verordnung an seine Stelle getreten ist, auch für sie gilt, soweit die in Rede stehenden Vorschriften als gleichbedeutend angesehen werden können, was bei Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung und Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 des Brüsseler Übereinkommens, die den gleichen Wortlaut haben, der Fall ist. Unter Rückgriff auf das Kriterium, dass eine Klage an ein Konkursverfahren anknüpft, wenn sie unmittelbar aus diesem hervorgeht und sich eng innerhalb des Rahmens eines Konkurs- oder Vergleichsverfahrens hält, hat der Gerichtshof klargestellt, dass die Enge des Zusammenhangs, der im Sinne des Urteils Gourdain zwischen einer gerichtlichen Klage und dem Konkursverfahren besteht, entscheidend dafür ist, ob der genannte Ausschluss Anwendung findet.
– Verordnung Nr. 1346/2000
Die Verordnung Nr. 1346/2000 übernimmt wörtlich die Bestimmungen des am 23. November 1995 in Brüssel zur Unterzeichnung durch die Mitgliedstaaten aufgelegten Übereinkommens über Insolvenzverfahren.
Wie das vorlegende Gericht ausführt, hat der Gerichtshof im Urteil Seagon geprüft, anhand welcher Kriterien sich ermitteln lässt, ob eine Klage in den Anwendungsbereich von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 fällt.
In Randnr. 20 dieses Urteils hat der Gerichtshof hervorgehoben, dass im sechsten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1346/2000 zur Abgrenzung ihres Gegenstands gerade auf das im Urteil Gourdain aufgestellte Kriterium abgestellt wird. Nach diesem Erwägungsgrund sollte sich die Verordnung nämlich auf Vorschriften beschränken, die die Zuständigkeit für die Eröffnung von Insolvenzverfahren und für Entscheidungen regeln, die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen.
Der Gerichtshof hat daraus gefolgert, dass in Ansehung dieser Absicht des Gesetzgebers und der praktischen Wirksamkeit der genannten Verordnung ihr Art. 3 Abs. 1 dahin auszulegen ist, dass er den Gerichten des für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zuständigen Mitgliedstaats eine internationale Zuständigkeit auch für Klagen zuweist, die unmittelbar aus diesem Verfahren hervorgehen und in engem Zusammenhang damit stehen.
Hinzuzufügen ist, dass dieses doppelte Kriterium auch in Art. 25 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 verwendet wird, der die Anerkennung und Vollstreckbarkeit der zur Durchführung und Beendigung eines Insolvenzverfahrens ergangenen Entscheidungen regelt. Nach Abs. 1 Unterabs. 2 gilt Unterabs. 1 auch für Entscheidungen, die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen, auch wenn diese Entscheidungen von einem anderen Gericht getroffen werden. Nach Art. 25 Abs. 2 unterliegen andere als die in Abs. 1 genannten Entscheidungen der Verordnung Nr. 44/2001, soweit diese anwendbar ist.
– Zum Verhältnis zwischen den Verordnungen Nrn. 1346/2000 und 44/2001
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich erstens, dass Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 44/2001 vom Anwendungsbereich dieser Verordnung, die nach ihrem siebten Erwägungsgrund, von einigen genau festgelegten Rechtsgebieten abgesehen, auf das gesamte Zivil- und Handelsrecht Anwendung finden soll, nur Klagen ausschließt, die sich unmittelbar aus einem Insolvenzverfahren herleiten und in engem Zusammenhang damit stehen. Aus denselben Erwägungen ergibt sich zweitens, dass nur Klagen, die sich unmittelbar aus einem Insolvenzverfahren herleiten und in engem Zusammenhang damit stehen, in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1346/2000 fallen.
Zur Beantwortung des zweiten Teils der ersten Frage ist somit zu prüfen, ob dieses doppelte Kriterium in Anbetracht der Feststellungen des vorlegenden Gerichts bei der Klage des Ausgangsverfahrens als erfüllt anzusehen ist.
Zum Zusammenhang zwischen der Klage des Ausgangsverfahrens einerseits und der Insolvenz der Schuldnerin und dem Insolvenzverfahren andererseits
Mit der Klage des Ausgangsverfahrens wird von der Beklagten die Rückzahlung von Beträgen verlangt, die sie von einer Schuldnerin erhalten hatte, bevor über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens stützt ihre Klage auf die Abtretung der Forderung durch den im Rahmen dieses Verfahrens bestellten Insolvenzverwalter. Gegenstand dieser Abtretung war das Insolvenzanfechtungsrecht, das dem Insolvenzverwalter nach der deutschen Insolvenzordnung in Bezug auf alle vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommenen und die Insolvenzgläubiger benachteiligenden Rechtshandlungen zusteht.
Aus den Akten geht hervor, dass die im deutschen Recht in den §§ 129 ff. der Insolvenzordnung geregelte Insolvenzanfechtungsklage nur vom Insolvenzverwalter erhoben werden kann, und zwar ausschließlich zur Wahrnehmung der Interessen der Gesamtheit der Gläubiger. Nach den Angaben der deutschen Regierung kann das Insolvenzanfechtungsrecht aber abgetreten werden, vorausgesetzt, es wird zugunsten der Gesamtheit der Gläubiger eine als gleichwertig angesehene Gegenleistung erbracht.
Hierzu ist festzustellen, dass der Gerichtshof im Urteil Seagon im Zusammenhang mit einer Klage, mit der der Insolvenzverwalter im Wege einer auf die Insolvenz des Schuldners gestützten Anfechtungsklage die Rückzahlung eines von diesem gezahlten Betrags verlangte, entschieden hat, dass eine solche Klage unter Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 fällt.
Außerdem hat der Gerichtshof im Urteil SCT Industri zur Anerkennung einer Entscheidung, mit der die Unwirksamkeit einer Abtretung durch den im Rahmen eines Insolvenzverfahrens bestellten Verwalter festgestellt wurde, weil er nicht befugt gewesen sei, über den abgetretenen Vermögenswert zu verfügen, entschieden, dass eine solche Frage unter den Begriff des Konkurses im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 44/2001 fällt.
Der vorliegende Ausgangsrechtsstreit unterscheidet sich jedoch von den Sachverhalten, zu denen diese Urteile ergangen sind.
Anders als der Kläger in der Rechtssache Seagon handelt die Klägerin des Ausgangsverfahrens nämlich nicht als Insolvenzverwalter, d. h. als Organ eines Insolvenzverfahrens, sondern als Zessionarin einer Forderung.
Überdies ist, anders als in der Rechtssache SCT Industri, Gegenstand des vorliegenden Ausgangsverfahrens nicht die Gültigkeit der vom Insolvenzverwalter vorgenommenen Abtretung, und dessen Befugnis, sein Insolvenzanfechtungsrecht abzutreten, ist unstreitig.
Somit ist zu prüfen, ob die von der Klägerin des Ausgangsverfahrens erhobene Klage in Anbetracht ihrer besonderen Merkmale unmittelbar mit der Insolvenz der Schuldnerin zusammenhängt und in engem Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren steht.
In ihren dem Gerichtshof unterbreiteten Erklärungen machen Jadecloud-Vilma und die Europäische Kommission geltend, die Klage der Zessionarin entspreche nach Ursprung und Inhalt im Wesentlichen einer vom Insolvenzverwalter erhobenen Klage.
Zwar lässt sich nicht bestreiten, dass der Anspruch, auf den die Klägerin des Ausgangsverfahrens ihre Klage stützt, mit der Insolvenz der Schuldnerin zusammenhängt; er geht nämlich auf das Insolvenzanfechtungsrecht zurück, das dem Insolvenzverwalter nach den nationalen Rechtsvorschriften über das Insolvenzverfahren zusteht. Gleichwohl ist fraglich, ob die abgetretene Forderung, nachdem sie Bestandteil des Vermögens der Zessionarin geworden ist, weiter unmittelbar mit der Insolvenz der Schuldnerin zusammenhängt.
Dies kann jedoch dahinstehen, sofern die Geltendmachung des abgetretenen Anspruchs durch die Zessionarin jedenfalls nicht in engem Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren steht.
Hierzu ist festzustellen, dass – worauf F-Tex sowie die litauische und die deutsche Regierung hinweisen – für die Geltendmachung der an einen Zessionar abgetretenen Forderung andere Regeln gelten als im Rahmen eines Insolvenzverfahrens.
Erstens kann der Zessionar im Unterschied zum Insolvenzverwalter, der grundsätzlich verpflichtet ist, im Interesse der Gläubiger zu handeln, frei entscheiden, ob er die abgetretene Forderung geltend machen will. Wie das vorlegende Gericht festgestellt hat, war F-Tex rechtlich nicht verpflichtet, die Einziehung der abgetretenen Forderung zu betreiben.
Zweitens handelt der Zessionar, wenn er sich entschließt, seine Forderung geltend zu machen, in seinem eigenen Interesse und zu seinem persönlichen Vorteil. Wie die Forderung, auf die er die Klage stützt, wird der Erlös aus der Klage, die er erhebt, Bestandteil seines Vermögens. Die Folgen seiner Klage unterscheiden sich somit von denen einer vom Insolvenzverwalter erhobenen Anfechtungsklage, mit der das Ziel verfolgt wird, die Aktiva des Unternehmens, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, zu vermehren.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sich F-Tex im Ausgangsverfahren verpflichtet hat, als Gegenleistung für die Abtretung des Anfechtungsrechts durch den Insolvenzverwalter einen Teil des Erlöses aus der abgetretenen Forderung abzuführen, da es sich dabei lediglich um eine Zahlungsmodalität handelt. Eine solche Vertragsbestimmung ist eine Ausprägung der Vertragsfreiheit, denn es stand dem Insolvenzverwalter und der Zessionarin unstreitig frei, deren Gegenleistung so zu gestalten, dass sie einen Pauschalbetrag oder einen Prozentsatz der gegebenenfalls wiedererlangten Beträge zahlt.
Überdies hat nach deutschem Recht, das im Ausgangsverfahren auf das Insolvenzverfahren anwendbar ist, die Beendigung dieses Verfahrens keinen Einfluss auf die Geltendmachung des abgetretenen Insolvenzanfechtungsrechts durch den Zessionar. Nach den Angaben der deutschen Regierung kann dieses Recht vom Zessionar auch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden.
Aufgrund ihrer Merkmale steht die Klage des Ausgangsverfahrens also nicht in engem Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren.
Daher ist, ohne dass darüber entschieden zu werden braucht, ob diese Klage unmittelbar mit der Insolvenz des Schuldners zusammenhängt, festzustellen, dass sie nicht in den Anwendungsbereich von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 fällt und infolgedessen auch nicht unter den Begriff des Konkurses im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 44/2001 fällt.
Auf den zweiten Teil der ersten Frage ist somit zu antworten, dass Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass eine Klage, die gegen einen Dritten von einem Anspruchsteller auf der Grundlage einer durch den im Rahmen eines Insolvenzverfahrens bestellten Verwalter erfolgten Forderungsabtretung erhoben wird, deren Gegenstand das Insolvenzanfechtungsrecht ist, das diesem Verwalter nach dem für das Insolvenzverfahren geltenden nationalen Recht zusteht, unter den Begriff der Zivil- und Handelssachen im Sinne dieser Bestimmung fällt.
Zum ersten Teil der ersten Frage
Mit dem ersten Teil der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es sich bei der mit der Verordnung Nr. 1346/2000 nach deren Auslegung durch den Gerichtshof den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, eingeräumten Zuständigkeit für die Entscheidung über Klagen, die sich unmittelbar aus diesem Verfahren herleiten und in engem Zusammenhang damit stehen, um eine ausschließliche Zuständigkeit handelt.
In Anbetracht der Antwort auf den zweiten Teil der ersten Frage ist der erste Teil dieser Frage nicht zu beantworten.
Zur zweiten Frage
Mit der zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das durch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf es den nationalen Gerichten eines Mitgliedstaats, bei denen eine Klage anhängig ist, für die sie nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 nicht zuständig wären, verbietet, sich für unzuständig zu erklären, wenn sich bereits die nationalen Gerichte eines anderen Mitgliedstaats nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1346/2000 für unzuständig erklärt haben.
Diese Frage wäre im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits nur dann erheblich, wenn die litauischen Gerichte ihre Zuständigkeit nicht auf eine Bestimmung des Unionsrechts stützen könnten.
Da sich aus der Antwort auf die erste Frage aber ergibt, dass der Ausgangsrechtsstreit in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 44/2001 fällt, folgt die Zuständigkeit der litauischen Gerichte aus den Art. 2 Abs. 1 und 60 Abs. 1 dieser Verordnung, da sie die Gerichte des Mitgliedstaats sind, in dessen Hoheitsgebiet das beklagte Unternehmen seinen Sitz hat.
Die zweite Frage ist daher nicht zu beantworten.
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