Lohnsteuer: Getrennte Veranlagung auch bei der Steuerklassenkombination III und V

bei uns veröffentlicht am21.12.2012

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors
Die Wahl der Lohnsteuerklassenkombination III und V geht zwar von einer Zusammenveranlagung aus, schließt eine getrennte Veranlagung aber nicht aus.
Steuerpflichtige können grundsätzlich auch dann die getrennte Veranlagung wählen, wenn der Lohnsteuerabzug nach den Steuerklassen III und V durchgeführt wurde. Dies hat das Finanzgericht Münster aktuell entschieden.

Im Streitfall wurde der Lohnsteuerabzug der verheirateten Steuerpflichtigen nach den von ihnen vor etwa 20 Jahren gewählten Lohnsteuerklassen III und V vorgenommen. Nachdem über das Vermögen des Ehemanns das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, beantragten sie mit Abgabe ihrer Einkommensteuererklärung eine getrennte Veranlagung. Das Finanzamt hielt dies für eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung und führte eine Zusammenveranlagung durch. Eine getrennte Veranlagung sei, so das Finanzamt, nur deshalb gewählt worden, da die hieraus folgende Einkommensteuer-Nachzahlungsverpflichtung des Ehemanns wegen dessen Insolvenz nicht durchsetzbar sei. Hiergegen klagte das Ehepaar und erhielt vor dem Finanzgericht Münster Recht.

Die Wahl der Lohnsteuerklassenkombination III und V geht zwar von einer Zusammenveranlagung aus, schließt eine getrennte Veranlagung aber nicht aus, so das Finanzgericht.

Einen Gestaltungsmissbrauch sahen die Richter vorliegend nicht. Zwar war die getrennte Veranlagung insbesondere deshalb sinnvoll, weil die gegenüber dem Ehemann festgesetzte Einkommensteuer wegen des Insolvenzverfahrens nicht beizutreiben war. Das Finanzgericht sah aber auch außersteuerliche Gründe für die Wahl der getrennten Veranlagung. Vor dem Hintergrund, dass die Ehefrau im Streitjahr drei minderjährige Kinder zu versorgen hatte, war es für das Finanzgericht nachvollziehbar, dass sie ihre Vermögensverhältnisse von denen ihres insolventen Ehemannes getrennt wissen wollte.

Hinweis: Auch aus einem Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg ergibt sich nach Ansicht des Finanzgerichts Münster nichts Gegenteiliges. Dort hatte das Gericht einen Antrag auf getrennte Veranlagung der Ehefrau nach der Eröffnung eines Nachlasskonkursverfahrens über das Vermögen ihres verstorbenen Ehemannes als Gestaltungsmissbrauch angesehen. Der Sachverhalt ist, so das Finanzgericht Münster, nicht vergleichbar, weil dort zunächst Zusammenveranlagungen beantragt und durchgeführt wurden und die Ehefrau sodann Anträge auf getrennte Veranlagungen stellte. Insofern wurden von der Ehefrau Wahlrechte wiederholt und widersprüchlich ausgeübt.

Weiterführende Hinweise: Ab dem Veranlagungszeitraum 2013 wird das Veranlagungswahlrecht für Eheleute vereinfacht, sodass u.a. die getrennte Veranlagung entfällt.

Wählt einer der Ehegatten zukünftig die Einzelveranlagung, bemisst sich die Steuer - wie bei der getrennten Veranlagung - nach der Grundtabelle. Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen und Steuerermäßigungen werden dem Ehegatten zugerechnet, der die Aufwendungen wirtschaftlich getragen hat. Auf gemeinsamen Antrag der Eheleute ist auch eine hälftige Zurechnung der Aufwendungen möglich (FG Münster, 6 K 3016/10 E; FG Baden-Württemberg, 3 K 839/09, Rev. BFH, Az. III R 40/10).

Urteile

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Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 06. Mai 2010 - 3 K 839/09

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Referenzen

Tatbestand

 
Streitig ist, ob Anträge auf getrennte Veranlagung rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 Abgabenordnung (AO) sind.
Die Klägerin und ihr am .. Februar 1996 verstorbener Ehemann (E) waren seit dem .. September 1970 verheiratet. In den Streitjahren 1988 - 1991 war E als .... selbständig tätig, die Klägerin erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Beide bezogen zudem Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie Vermietung und Verpachtung. Sie wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Auf Antrag der Klägerin (und Miterbin nach E) vom 02. Mai 1996 wurde mit Beschluss des Amtsgerichts X vom 08. August 1996 über den Nachlass des E das Nachlasskonkursverfahren eröffnet. Die von dem Beklagten (Finanzamt -FA-) angemeldeten (bevorrechtigten) Steuerforderungen (im Wesentlichen Einkommensteuer 1992 - 1995; Einkommensteuervorauszahlungen 1996) in Höhe von 513.369 EUR wurden im Rahmen des Nachlasskonkursverfahrens in Höhe von 72.447 EUR befriedigt. Am 18. November 2004 wurde das Konkursverfahren aufgehoben.
Für die Streitjahre erklärten die Klägerin und E folgende Einkünfte:
        
1988
DM   
1989
DM   
1990
DM   
1991
DM   
Einkünfte § 18 EStG (E)
333.776
367.601
189.782
240.963
Einkünfte § 19 EStG (Klägerin)
32.200
38.900
43.400
53.400
Einkünfte § 20 EStG (E)
697
2.452
6.495
7.430
Einkünfte § 20 EStG (Klägerin)
1.029
1.264
1.650
3.512
Einkünfte § 21 EStG (E)
- 25.368
- 18.793
- 26.481
- 41.371
Einkünfte § 21 EStG (Klägerin)
- 12.542
- 7.043
- 3.370
11.239
Sie wurden antragsgemäß nach § 26 Einkommensteuergesetz (EStG) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Einkommensteuerbescheide 1988 - 1991 wurden bestandskräftig, ergingen jedoch im Hinblick auf anhängige Verfassungsbeschwerden wegen der Höhe der Freistellung des Existenzminimums eines Kindes vorläufig nach § 165 Abs. 1 AO. Ausfertigungen der Einkommensteuerbescheide 1988 - 1991 liegen sowohl dem Beklagten als auch der Klägerin und dem Prozessbevollmächtigten nicht mehr vor. Am 13. Februar 2001 erließ das FA für die Streitjahre auf der Grundlage des § 165 Abs. 2 AO i.V.m. § 53 EStG Einkommensteueränderungsbescheide zur Steuerfreistellung des Existenzminimums des Kindes der Eheleute.
Mit diesen Bescheiden wurden im Rahmen der Zusammenveranlagung für die Eheleute als Gesamtschuldner Steuern in folgender Höhe festgesetzt.
        
1988
DM   
1989
DM   
1990
DM   
1991
DM   
Einkommensteuer
122.653,00
160.208,00
52.233,00
86.818,00
Solidaritätszuschlag
                          
3.255,76
Kirchensteuer
9.716,24
12.720,64
4.230,64
6.921,44
Nach Abzug der anzurechnenden Lohn- und Kapitalertragsteuern sowie der bereits geleisteten Steuerzahlungen ergab sich jeweils eine Erstattung.
10 
Die Anrechnungsverfügungen der Bescheide weisen Steuerzahlungen in folgender Höhe aus:
11 
        
1988
DM   
1989
DM   
1990
DM   
1991
DM   
Einkommensteuer
121.238,00
157.539,00
48.765
80.702,00
Solidaritätszuschlag
                          
3..031,89
Kirchensteuer
9.705,00
13.162,00
3.880,00
6.444,00
12 
Wegen der weiteren Einzelheiten der Einkommensteueränderungsbescheide wird auf die vom Prozessbevollmächtigten vorgelegten Kopien der Bescheide verwiesen (Gerichtsakte 2 K 217/05, Bl. 37 - 45).
13 
Mit Schreiben vom 06. März 2001 legte der Prozessbevollmächtigte gegen die Änderungsbescheide Einspruch ein. Den Einspruch begründete er ausschließlich mit den in selbigem Schreiben (erstmals) beantragten getrennten Veranlagungen der Klägerin. Er bat um Ruhen des Einspruchsverfahrens bis zur Entscheidung über die Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide 1992 - 1995.
14 
Mit Einspruchsentscheidung vom 19. September 2005 wies das FA die Anträge auf getrennte Veranlagung zurück, da diese rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 AO und daher unbeachtlich seien. Daraufhin erhob die Klägerin am 11. Oktober 2005 Klage. Das Gericht verwies mit Senatsbeschluss vom 09. Juni 2008 2 K 217/05 (Gerichtsakte 2 K 217/05, Bl. 61ff.) die Klage nach § 45 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) an das FA. Das FA wies die nunmehr als Einspruch gegen die Ablehnung der Anträge auf Durchführung der getrennten Veranlagung für die Veranlagungszeiträume 1988, 1989, 1990 und 1991 behandelte „Klage“ mit Einspruchsentscheidung vom 15. Januar 2009 als unbegründet zurück. Es hielt an seiner Auffassung fest, dass im Streitfall die Anträge auf Durchführung einer getrennten Veranlagung für die Jahre 1988 - 1991 rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 AO seien. Mit den Anträgen auf Durchführung von getrennten Veranlagungen verfolge die Klägerin allein den Zweck, dass sich bei ihr -unter Berücksichtigung der vom Bundesfinanzhof (BFH) aufgestellten Rechtsgrundsätze zur Erstattungsberechtigung bei Ehegatten nach Köpfen- aus den von E geleisteten Steuerzahlungen Ansprüche auf beträchtliche Steuererstattungen ergeben würden, die höheren Nachzahlungen bei E wegen des abgeschlossenen Nachlasskonkursverfahrens jedoch nicht mehr beigetrieben könnten. Da eine Zusammenveranlagung im Streitfall zu einer insgesamt niedrigeren Steuerfestsetzung führe als die Durchführung getrennter Veranlagungen, sei nach den wirtschaftlichen Vorgängen die Zusammenveranlagung angemessen.
15 
Auf die dem Gericht übersandten Berechnungsblätter zur getrennten Veranlagung wird Bezug genommen (Gerichtsakte, Bl. 54 - 77). Danach ergeben sich folgende Beträge:
16 
        
1988
DM   
1989
DM   
1990
DM   
1991
DM   
ESt getrennte Veranlagung E
143.570
169.978
54.467
78.637
ESt getrennte Veranlagung Klägerin
0
2.922
5.379
13.118
ESt Zusammenveranlagung
122.653
160.208
52.233
86.818
Differenz
20.917
12.692
7.613
4.937
17 
Am 10. Februar 2009 erhob die Klägerin Klage wegen des Abrechnungsbescheides über Vorauszahlungen zur Einkommensteuer 1988 bis 1991. Aus der Klagebegründung ergibt sich, dass sich das Begehren der Klägerin dahin geht, entsprechend ihrer Wahl getrennt zur Einkommensteuer veranlagt zu werden, wobei die von ihrem verstorbenen Ehemann für die Jahre 1988 bis 1991 entrichteten Einkommensteuervorauszahlungen hälftig zu ihren Gunsten auf die festzusetzende Einkommensteuer anzurechnen wären.
18 
Die Klägerin habe die Anträge auf getrennte Veranlagung im Rechtsbehelfsverfahren gegen die erst am 13. Februar 2001 endgültig ergangenen Einkommensteuerbescheide 1988 bis 1991 stellen können. Ihr Recht auf Wahl der getrennten Veranlagung sei weder durch die zuvor getroffene Wahl der Zusammenveranlagung noch durch die lange Zeitdauer bis zur Klärung der Frage der angemessenen Berücksichtigung von Kindern bei der Einkommensbesteuerung ausgeschlossen gewesen. In diesem Verfahren gehe es allein um das Recht der Klägerin zur Wahl der getrennten Veranlagung. Dem Steuererhebungs- und Vollstreckungsverfahren gegen den verstorbenen Ehemann komme im vorliegenden Verfahren keine Bedeutung zu. Es gebe weder eine rechtliche noch eine moralische Verpflichtung der Klägerin noch eine Pflicht aus vorangegangenem Tun, ihr Wahlrecht zur Veranlagungsart in der vom FA gewünschten Richtung auszuüben.
19 
Das Recht der Ehegatten, die getrennte Veranlagung zu wählen, sei nach dem Wortlaut des § 26 Abs. 1 EStG an keine Voraussetzung gebunden. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sei das Wahlrecht zur getrennten Veranlagung nur für den Ehegatten ausgeschlossen, der selbst keine positiven oder negativen Einkünfte habe oder diese so gering seien, dass sie weder einem Steuerabzug unterlägen noch zur Einkommensteuerveranlagung führen könnten. Die Anträge der Klägerin seien weder steuerlich noch wirtschaftlich sinnlos. Ihr komme es darauf an, von den sich aus der Zusammenveranlagung ergebenden hohen (Gesamt)Schulden befreit zu werden. Selbst wenn man wie das FA verlange, dass bei Ausübung der Wahl zur getrennten Veranlagung die Erhebung der höheren Steuer beim nicht wählenden Ehegatten gewährleistet sein müsse, sei dies kein Grund die getrennten Veranlagungen abzulehnen. Die Klägerin habe den Antrag mit Einspruchsschreiben vom 06. März 2001 gestellt. Zu diesem Zeitpunkt hätten sich noch verwertbare Vermögensgegenstände in der Nachlasskonkursmasse von E befunden. Die Ausübung des Wahlrechts durch die Klägerin entspreche dem Regelfall, der unter die erklärte Absicht des Gesetzgebers passe. Der Gesetzgeber habe gewollt, dass auch nach Einführung des Splittingverfahrens die Option zur getrennten Veranlagung möglich bleibe. Der Klägerin könne auch nicht vorgeworfen werden, dass sie den Halbteilungsgrundsatz bei den sich ergebenden Erstattungen der vom Ehemann allein gezahlten Einkommensteuervorausauszahlungen rechtsmissbräuchlich in Anspruch nehme. Der Halbteilungsgrundsatz diene der Vereinfachung des Erstattungsverfahrens in Zusammenveranlagungsfällen. Er vermeide aufwendige Untersuchungen in Fällen, in denen der Mehrverdienende unter den Ehegatten die anfallenden Vorauszahlungen allein für beide Ehepartner geleistet habe. Er sei der Grundsatzregel des § 430 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bei mehreren Gläubigern nachgebildet. Es sei kein Grund ersichtlich, diese Vereinfachung bei der Klägerin nicht anzuwenden. Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten vom 09. Februar und 29. April 2009 verwiesen.
20 
Die Klägerin beantragt, das FA zu verpflichten, getrennte Veranlagungen für die Streitjahre durchzuführen; hilfsweise die Revision zuzulassen.
21 
Das FA beantragt, die Klage abzuweisen; hilfsweise die Revision zuzulassen.
22 
Es hält an der in der Einspruchsentscheidung vertretenen Auffassung fest.
23 
Dem Senat lagen bei seiner Entscheidung die vom FA übersandten Akten (Rechtsbehelfsakte, 3 Bd. Vollstreckungsakten, Konkursakte, 4 Bd. Einkommensteuerakten 1992 - 1996) vor. Die Gerichtsakten der Verfahren 2 K 217/05 (Einkommensteuer 1988 - 1991) und 2 K 73/06 (Abrechnungsbescheid über Vorauszahlungen zur Einkommensteuer 1992 und 1995) wurden beigezogen. Das Verfahren wegen Abrechnungsbescheid über Vorauszahlungen zur Einkommensteuer1988 - 1991 wurde abgetrennt und nach Klagerücknahme eingestellt.

Entscheidungsgründe

 
24 
1. Die Klage ist zulässig. Der Senat legt die am 10. Februar 2009 bei Gericht eingereichte Klageschrift rechtsschutzgewährend (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 23. April 2009 IV R 24/08, BFH/NV 2009, 1427) dahin gehend aus, dass die Klägerin hiermit (auch) eine Verpflichtungsklage mit dem Ziel der Durchführung getrennter Veranlagungen für die Streitjahre erhoben hat. Dieses Begehren ergibt sich zweifelsfrei aus dem in der Klageschrift unter Nr. 2 hilfsweise gestellten Antrag sowie der Klagebegründung.
25 
2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Das FA ist nicht verpflichtet, die Klägerin getrennt zur Einkommensteuer zu veranlagen. Die erstmalige Wahl der getrennten Veranlagung durch die Klägerin nach Anfechtung der im Rahmen der Zusammenveranlagung gemäß § 165 Abs. 2 AO i.V.m. § 53 EStG ergangenen Einkommensteueränderungsbescheide 1988 – 1991 ist in Anbetracht der Gesamtumstände des Streitfalles rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 AO.
26 
a) Ehegatten, die beide unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, können zwischen getrennter Veranlagung (§ 26a EStG) und Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) wählen (§ 26 Abs. 1 Satz 1 EStG). Bei getrennter Veranlagung sind jedem Ehegatten die von ihm bezogenen Einkünfte zuzurechnen. Die tarifliche Einkommensteuer bemisst sich nach § 32a Abs.1 (Grundtarif). Bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten beträgt die tarifliche Einkommensteuer nach § 32a Abs. 5 EStG das Zweifache des Steuerbetrages, der sich für die Hälfte ihres gemeinsam zu versteuernden Einkommens ergibt (Splittingtarif). Wenn -wie im Streitfall- Einkünfte in unterschiedlicher Höhe erzielt werden, bringt die Wahl der Zusammenveranlagung für Ehegatten wegen des progressiven Einkommensteuertarifs regelmäßig Vorteile. Aus Gründen der Gleichbehandlung mit nicht miteinander verheirateten Steuerpflichtigen wird ihnen jedoch auch das Recht auf getrennte Veranlagung zugebilligt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 III R 66/98, BFH/NV 2005, 186). Bei dem eingeräumten Wahlrecht handelt es sich nicht um eine Steuervergünstigung zur Minimierung der Steuer. Vielmehr handelt es sich um einen sachgerechten Kompromiss zwischen dem Schutz der ehelichen Privatsphäre und der grundsätzlich gebotenen Individualbesteuerung (BFH-Urteil vom 19. Mai 2004 III R 18/02, BStBl II 2004, 980; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 17. Januar 1957 1 BvL 4/54, BStBl I 1957, 193 zum Verbot der Schlechterstellung von Eheleuten durch die Zusammenveranlagung).
27 
Nach § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG werden die Ehegatten getrennt veranlagt, wenn einer der Ehegatten die getrennte Veranlagung wählt. Dieses Wahlrecht wird weder durch den Wortlaut des § 26 EStG noch durch die Regelung in § 26a und § 26b EStG beschränkt. Nach der Rechtsprechung kann es unbefristet -bis zur Unanfechtbarkeit eines Einkommensteuerbescheides- ausgeübt und eine einmal getroffene Wahl der Veranlagungsart (auch mehrfach) geändert werden (vgl. BFH in BStBl II 2004, 980). Das Wahlrecht lebt wieder auf, wenn ein Änderungsbescheid z.B. nach § 10 d EStG (BFH-Urteil vom 19. Mai 1999 XI R 97/94, BStBl II 1999, 762), § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO (BFH-Urteil vom 20. Januar 1999 XI R 31/96, BFH/NV 1999, 1333) oder auch nach § 165 Abs. 2 AO i.V.m. § 53 EStG ergeht. Danach stand es der Klägerin frei, im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen die Einkommensteueränderungsbescheide vom 13. Februar 2001die getrennte Veranlagung zu wählen. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob die Einkommensteueränderungsbescheide auch gegenüber dem Konkursverwalter mit Wirkung für E wirksam bekannt gegeben worden sind. Denn nach § 155 Abs. 3 Satz 1 AO handelt es sich bei Einkommensteuer-Zusammenveranlagungsbescheiden nicht um einen einheitlichen Verwaltungsakt, sondern zwei zusammengefasste Bescheide handelt.
28 
Mit der Wahl der getrennten Veranlagung nach zuvor durchgeführter Zusammenveranlagung ist für jeden der Ehegatten ein neues Veranlagungsverfahren durchzuführen. Getrennte Veranlagung und Zusammenveranlagung stellen jeweils wesensverschiedene Veranlagungsverfahren dar (BFH-Urteil vom 03. März 2005 III R 60/03, BStBl II 2005, 564).
29 
Der Antrag eines Ehegatten statt der bisherigen Zusammenveranlagung eine getrennte Veranlagung durchzuführen, ist ein rückwirkendes Ereignis i. S. des § 175 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 AO. Der ergangene Zusammenveranlagungsbescheid ist gegenüber beiden Ehegatten aufzuheben. Der Ablauf der Festsetzungsverjährung ist gemäß § 171 Abs. 3 AO so lange gehemmt, bis über einen innerhalb der Festsetzungsfrist gestellten Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung unanfechtbar entschieden worden ist (BFH-Urteil vom 28.07.2005 III R 48/03, BStBl II 2005, 865).
30 
b) Die (einseitige) Wahl der getrennten Veranlagung durch die Klägerin war nicht willkürlich. Im Verhältnis der Ehegatten untereinander ist das Recht auf Wahl der getrennten Veranlagung nach der Rechtsprechung des BFH insoweit eingeschränkt, als sich ein Ehegatte nicht einseitig von der bisherigen Zusammenveranlagung lösen darf, sofern dafür keine wirtschaftlich verständlichen und vernünftigen Gründe vorliegen. Dies wird dann angenommen, wenn der antragstellende Ehegatte keine eigenen positiven oder negativen Einkünfte hat oder diese so gering sind, dass sie weder einem Steuerabzug unterlegen haben noch zur Einkommensteuerveranlagung führen können (BFH-Urteil vom 03.03.2005 III R 22/02, BStBl II 2005, 690). Da die Klägerin in den Streitjahren sowohl negative als auch positive Einkünfte, die dem Steuerabzug unterlegen haben, hatte, ist ihr Wahlrecht insoweit nicht eingeschränkt.
31 
c) Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass der Antrag der Klägerin auf Durchführung getrennter Veranlagungen rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 AO und daher unbeachtlich ist. Denn es liegen außer der erstrebten hälftigen Anrechnung der im Rahmen der Zusammenveranlagungen geleisteten Steuerzahlungen auf die der Klägerin gegenüber festzusetzenden Einkommensteuern keine wirtschaftlichen oder sonstigen nicht steuerliche Gründe vor, die die Wahl der getrennten Veranlagung durch die Klägerin rechtfertigen.
32 
Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2001 kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ein Missbrauch ist nach ständiger Rechtsprechung anzunehmen, wenn eine (zivilrechtliche und/oder steuerrechtliche) Gestaltung gewählt wird, die -gemessen an dem erstrebten Ziel- unangemessen ist, der Steuervermeidung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nicht steuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Dem Steuerpflichtigen ist es grundsätzlich nicht verwehrt, seine rechtlichen Verhältnisse so zu gestalten, dass sich eine möglichst geringe steuerliche Belastung ergibt. Rechtsmissbräuchlich ist eine Gestaltung aber regelmäßig dann, wenn sie ausschließlich der Steuervermeidung dient, bei sinnvoller, Zweck und Ziel der Rechtsordnung berücksichtigender Auslegung vom Gesetz missbilligt wird und bei angemessener Gestaltung eine höhere Steuer festzusetzen wäre. Das Steuergesetz kann auch dadurch umgangen werden, dass aufgrund der missbräuchlichen Gestaltung das Entstehen oder die Fälligkeit der Steuerschuld hinausgeschoben oder -wie hier- die Durchsetzung der festgesetzten Steuer zeitweilig oder dauerhaft vereitelt wird (BFH in BFH/NV 2005, 186).
33 
aa) Wie sich aus den Ausführungen des Prozessbevollmächtigten in der Klagebegründung ergibt, verfolgt die Klägerin mit der Wahl der getrennten Veranlagung ausschließlich das Ziel, im Rahmen der daraufhin durchzuführenden getrennten Veranlagungen in den jeweiligen Anrechnungsverfügungen, d.h. im Erhebungsverfahren, die hälftige Anrechnung der vor dem Tod des E auf die Gesamtschuld aus der Zusammenveranlagung geleisteten Steuerzahlungen zu erreichen und gleichzeitig die Erhebung der auf E entfallenden Steuer bei den Erben durch Haftungsbeschränkung zu vermeiden.
34 
Nach der ständigen Rechtsprechung des für Fragen des Erhebungsverfahrens zuständigen 7. Senats des BFH ist bei in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Eheleuten   -sofern im Zeitpunkt der Zahlung der Steuer Anhaltspunkte für eine andere Tilgungsabsicht des zahlenden Ehegatten fehlen- davon auszugehen, dass die Zahlung der Einkommensteuer auf Rechnung beider Ehegatten als Gesamtschuldner bewirkt worden ist, mit der Folge, dass die Steuerzahlungen zwischen den Ehegatten nach Köpfen aufzuteilen sind. Zur Begründung dieser Rechtsprechung wird darauf verwiesen, dass das Finanzamt im Zeitpunkt der Vorauszahlung weder dazu in der Lage noch dazu verpflichtet ist, Vermutungen über eine bestimmte wirtschaftliche Interessenlage auf Seiten der steuerpflichtigen Eheleute für den Fall anzustellen, dass die Vorauszahlungen zu einem späteren Zeitpunkt die festgesetzte Steuer übersteigen und damit zu einem Erstattungsanspruch führen (BFH-Urteile vom 30. September 2008 VII R 18/06, BStBl II 2009, 38, vom 15. November 2005 VII R 16/05, BStBl II 2006, 453, BFH-Beschluss vom 26. Januar 2006 VII B 312/05, BFH/NV 2006, 907 jeweils mit weiteren Nachweisen, sowie FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Juni 2008 2 K 73/06, EFG 2008, 1511; kritisch FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.03.2009 5 K 5064/08, EFG 2009, 1613). Nach diesen Grundsätzen hätte im Streitfall, da keine Nachweise vorliegen (nach Auskunft der Beteiligten auch nicht mehr vorgelegt werden können), dass die seinerzeit auf die festgesetzten Vorauszahlungen bzw. die erstmaligen Einkommensteuerfestsetzungen 1988 – 1991 (in Anbetracht der Vermögensverhältnisse der Eheleute wohl ausschließlich von E) geleisteten und (in den Jahren 1988, 1989 ausschließlich und den Jahren 1990, 1991 weitaus überwiegend) seine Einkünfte betreffenden Einkommensteuerzahlungen ausschließlich auf dessen Rechnung erfolgten, eine Aufteilung der Einkommensteuerzahlungen nach Köpfen zu erfolgen.
35 
Die Durchführung getrennter Veranlagungen für die Klägerin und E hätte danach für das Erhebungsverfahren aufgrund der nach § 36 Abs. 2 EStG bei getrennter Veranlagung vorzunehmenden hälftigen Anrechnung auf die Gesamtschuld geleisteter Einkommensteuerzahlungen zur Folge, dass sich bei der Klägerin die vom Prozessbevollmächtigten errechneten Erstattungsbeträge in Höhe von insgesamt 113.072 EUR (Gerichtsakte, Bl. 7), bei den Erben des E -d.h. auch bei ihr selbst- hingegen entsprechend höhere Abschlusszahlungen ergeben würden.
36 
bb) Andere Gründe für die Wahl der getrennten Veranlagung als die auf diese Weise erstrebten Steuererstattungen wurden von der Klägerin nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Bei Durchführung getrennter Veranlagungen ergeben sich insgesamt, d.h. bei Zusammenrechnung der für beide Ehegatten festzusetzenden Beträge, jeweils höhere Steuerfestsetzungen als bei Zusammenveranlagung. Sonstige steuerliche oder wirtschaftliche Gründe für die Wahl einer getrennten Veranlagung, wie z.B. besondere Steuersätze nach § 32b oder § 34 EStG, Besonderheiten beim Verlustrücktrag nach § 10d EStG oder das Erfordernis der Einhaltung bestimmter Einkommensgrenzen bei der Klägerin (vgl. hierzu Seeger in L. Schmidt, EStG, 28. Aufl.,§ 26 Rz. 17), sind nicht erkennbar. Risiken der Klägerin aus ihrer gesamtschuldnerischen Haftung für die Steuerschulden aus der Zusammenveranlagung bestehen gleichfalls nicht, da die festgesetzten Steuerforderungen durch die hierauf geleisteten Zahlungen gemäß § 47 AO seit Jahren (jedenfalls vor Beantragung des Nachlasskonkursverfahrens im Mai 1996, da keine Anmeldung noch rückständiger Einkommensteuern 1988 – 1991 zur Tabelle erfolgte, vgl. Vollstreckungsakte Bd. 1 grüner Klebezettel) erloschen sind.
37 
cc) Dem FA wird hierdurch ein Schaden entstehen. Die von den Erben des E zu fordernden Abschlusszahlungen könnten wegen der Beschränkung der Haftung der Erben auf den Nachlass und dem im Jahr 2004 aufgehobenen Nachlasskonkursverfahren dauerhaft nicht realisiert werden. Der Senat ist der Auffassung, dass das FA nicht darauf verwiesen werden kann, zur Vermeidung dieses Schadens, dem E bzw. seinen Erben aufgrund der Beantragung der getrennten Veranlagung gegen die Klägerin möglicherweise zustehende Ansprüche (z.B. Schadensersatzanspruch nach § 1353 Bürgerliches Gesetzbuch wegen Verweigerung der Zustimmung zur Zusammenveranlagung - vgl. hierzu BGH-Urteil vom 18. November 2009 XII ZR 173/06, DStR 2010, 266- oder Anspruch aufgrund des am 12. August 1992 beurkundeten Ehe- und Vermögensauseinandersetzungsvertrags -Gerichtsakte 2 K 73/06, Bl. 21ff.-) gegenüber der Klägerin durchzusetzen (so auch BFH in BFH/NV 2005, 186).
38 
Ein Schaden des FA ist auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des 7. Senats des BFH (BFH-Urteil vom 18. Dezember 2001 VII R 56/99, BStBl II 2002, 214) zur Wirkung des Wechsels der Veranlagungsart in Bezug auf vorherige Vollstreckungsmaßnahmen der Finanzverwaltung anzunehmen. Danach bleiben bereits durchgeführte Vollstreckungsmaßnahmen unbeschadet eines Wechsels von der Zusammenveranlagung zur getrennten Veranlagung bestehen, da der Zusammenveranlagungsbescheid seine Wirkung nur für die Zukunft, d.h. insoweit er noch nicht vollzogen ist, verliert. Im Streitfall hingegen wurden die festgesetzten Einkommensteuern sämtlich durch freiwillige Zahlungen auf die Steuerschuld getilgt, so dass diese Rechtsprechung keine Anwendung findet.
39 
Der Senat sieht davon ab, die Frage weiter zu vertiefen, ob in Fällen wie dem Streitfall ein Schaden des FA möglicherweise aus anderen ausschließlich das Erhebungsverfahren betreffenden Gründen zu verneinen ist. In diesem Zusammenhang könnte sich die Frage stellen, ob eine Anrechnung der hälftigen Einkommensteuerzahlungen des E auf die Steuerschuld der Klägerin nicht deshalb unterbleiben müsste, weil der Zusammenveranlagungsbescheid im Erhebungsverfahren seine Wirkung nur für die Zukunft verliert (so BFH in BStBl II 2004, 214) und daher die schuldtilgende Wirkung der auf die Gesamtschuld geleisteten Steuerzahlungen auch nach rückwirkender Aufhebung der Steuerbescheide ebenso bestehen blieben wie Vollstreckungsmaßnahmen. Letztlich würden derartige Überlegungen den Interessen der Klägerin, die die getrennte Veranlagung ausschließlich wegen ihrer Wirkung auf das Erhebungsverfahren gewählt hat und hierbei eine insgesamt höhere Steuer in Kauf nimmt, zuwider laufen und den Streit der Beteiligten lediglich auf eine andere Ebene, die des Erhebungsverfahrens verlagern.
40 
dd) Der Senat kommt bei Berücksichtigung der Umstände des Streitfalles zu dem Ergebnis, dass die Klägerin mit dem erstmaligen Wechsel zur getrennten Veranlagung nach Ergehen (abhelfender und zu Steuererstattungen führender) Änderungsbescheide das ihr nach § 26 Abs. 2 EStG zustehende Wahlrecht im Hinblick auf das zuvor beantragte Nachlasskonkursverfahren über das Vermögen des E erkennbar gegen seinen Zweck ausgeübt hat und sich damit einen Vorteil verschaffen wollte, den das Gesetz den Steuerpflichtigen mit dem -nach der Rechtsprechung unbefristeten und mehrfach änderbaren- Wahlrecht zwischen getrennter und Zusammenveranlagung nicht einräumen wollte, und der den Wertungen des Gesetzgebers, die dieser und anderen Vorschriften zugrunde liegt, zuwiderläuft.
41 
Das Gesetz geht davon aus, dass die Erhebung der Einkommensteuer durch die Ausübung des Wahlrechts nicht beeinflusst wird (BFH in BFH/NV 2005, 186). Diesem Anliegen wird im Festsetzungsverfahren durch die mit Ausübung des Wahlrechts eintretende Ablaufhemmung der Festsetzungsverjährung gegenüber dem anderen Ehegatten Rechnung getragen. Damit wird erreicht, dass nach Wahl der getrennten Veranlagung durch einen Ehegatten auch gegenüber dem anderen Ehegatten noch eine getrennte Veranlagung durchgeführt werden kann und die auf ihn entfallende Steuer festgesetzt und erhoben werden kann. In Bezug auf das Erhebungsverfahren wird dies dadurch erreicht, dass einem Wechsel zur getrennten Veranlagung nach vorheriger Zusammenveranlagung für Zwecke der Vollstreckung Wirkung nur für die Zukunft, d.h. insoweit, als der Zusammenveranlagungsbescheid noch nicht vollzogen ist, zugesprochen wird (BFH in BStBl II 2002, 214). Allerdings weist eine verallgemeinernde Übernahme dieser Aussage für das gesamte Erhebungsverfahren, also auch für freiwillig geleistete Einkommensteuer(voraus)zahlungen, insoweit Unstimmigkeiten auf, als im Festsetzungsverfahren der Zusammenveranlagungsbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO rückwirkend aufzuheben ist und getrennte Veranlagungen einschließlich der nach § 36 EStG vorzunehmenden Anrechnung und erstmaligen Aufteilung der geleisteten Steuerzahlungen und Steuerabzugsbeträge durchzuführen sind.
42 
Die Wahl der getrennten Veranlagung durch die Klägerin erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem feststeht, dass aus der Konkursmasse des Nachlasskonkursverfahrens die bis dahin angemeldeten bevorrechtigten Forderungen des Finanzamts nicht vollständig bezahlt werden können (Vollstreckungsakte Bd. 1 -rote Klebezettel-). Wirtschaftlich macht die Wahl der getrennten Veranlagung nur deshalb Sinn, weil die aus den getrennten Veranlagungen resultierenden Nachzahlungsansprüche des FA dauerhaft nicht zu realisieren sind und die Klägerin wegen des Todes des E und des abgeschlossenen Nachlasskonkursverfahrens zivilrechtliche Klagen des E auf Erteilung der Zustimmung zur Zusammenveranlagung nach § 1353 BGB oder auf Schadensersatz wegen Verweigerung der Zustimmung zur steuerlichen Zusammenveranlagung nicht befürchten muss. Tod des E und das von der Klägerin beantragte Nachlasskonkursverfahren führen zu den von der Klägerin mit dem Wechsel der Veranlagungsart beabsichtigten Folgen für das Erhebungsverfahren. Im Regelfall verhindert der insoweit vorliegende Interessengegensatz zwischen den Ehegatten, dass die getrennte Veranlagung allein aufgrund der Auswirkungen auf das Erhebungsverfahren gewählt wird. Denn kein Ehegatte wird es hinnehmen, infolge der Wahl der getrennten Veranlagung durch den anderen Ehegatten im Ergebnis zweimal zur Zahlung der Steuer herangezogen zu werden, ohne dass zivilrechtlich ein Ausgleich erfolgt. Im Streitfall hingegen versagt dieses Korrektiv aus Gründen, die der Klägerin und Erbin des E zuzurechnen bzw. von ihr zu verantworten sind.
43 
Des Weiteren ist es nicht Sinn der nach der Rechtsprechung des BFH vorzunehmenden hälftigen Aufteilung von Einkommensteuerzahlungen zwischen Ehegatten nach Durchführung getrennter Veranlagungen dem einen Ehegatten zu Lasten des Fiskus einen Vermögensvorteil zukommen zu lassen. Vielmehr soll der Finanzverwaltung die im Einzelfall schwierige Prüfung erspart bleiben, welcher Ehegatte die Zahlung auf wessen Rechnung geleistet hat.
44 
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass im Erhebungsverfahren eine Frist von fünf Jahren für die Verjährung von Zahlungsansprüchen gilt, die mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist (§ 228 AO). Das Institut der Zahlungsverjährung soll dafür sorgen, dass nach Ablauf einer angemessenen Frist endgültig Rechtssicherheit darüber einkehrt, was der Steuerpflichtige aufgrund einer Steuerfestsetzung unter Berücksichtigung anzurechnender Vorauszahlungen und Abzugssteuern noch zu zahlen hat bzw. was ihm zu erstatten ist. Das schließt es nicht nur aus, fällig gewordene steuerliche Ansprüche nach Ablauf der vom Gesetz in diesem Zusammenhang festgelegten Fünf-Jahres-Frist noch geltend zu machen, sondern auch, auf fällig gewordene Steuern nach Ablauf dieser Frist etwas anzurechnen und dadurch Erstattungsansprüche i.S. des § 37 Abs. 2 AO auszulösen (BFH-Urteil 12. Februar 2008 VII R 33/06, BStBl II 2008, 504). Auch dieser gesetzlichen Wertung widerspricht es, wenn mit einem nach Erlass begünstigender Bescheide erfolgten Wechsel zur getrennten Veranlagung zum einen Erstattungsansprüche zur Entstehung gebracht werden, die auf über fünf Jahre davor festgesetzten und geleisteten Steuerzahlungen beruhen, zum andern bereits gezahlte Steuern zwar ein zweites Mal gefordert, jedoch nicht beigetrieben werden könnten.
45 
Angesichts der nicht in Übereinstimmung mit den Wertungen des Gesetzes stehenden und von daher als unangemessen zu bewertenden Steuervorteile aufgrund der Wahl der getrennten Veranlagung, kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass sie von einer im Steuergesetz vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch macht. Denn § 42 AO erfasst gerade die Fälle, in denen gesetzlich zulässige rechtliche Gestaltungen gewählt werden, die im Einzelnen nicht zu beanstanden sind, in ihrer Gesamtheit aber nur dazu dienen, Steuern zu vermeiden, sei es durch eine niedrigere Steuerfestsetzung oder durch eine Vereitelung der Beitreibung. Das nur unter steuerlichen Aspekten sinnvolle Zusammentreffen mehrerer im Einzelnen gesetzmäßiger Verhaltensweisen oder Gestaltungen in der ausschließlichen Absicht, die Festsetzung der Steuer oder die Steuerzahlung zu vermeiden, soll nach § 42 AO steuerrechtlich wirkungslos bleiben. Diesem Gesetzeszweck kann nicht mit Erfolg die Rechtmäßigkeit jedes Einzelaktes des Gesamtwerkes entgegengehalten werden, andernfalls liefe die Vorschrift als Ganzes ins Leere (BFH in BFH/NV 2005, 186). Gerade weil das Gesetz es Eheleuten ohne Bindung an zeitliche Grenzen ermöglicht, die Veranlagungsart zu wechseln, ist nach Maßgabe des § 42 AO zu überprüfen, ob ein solcher Antrag im Einzelfall mit den Wertungen des Gesetzgebers in Übereinstimmung steht oder nicht.
46 
ee) Bei missbräuchlichen Gestaltungen entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht (§ 42 Satz 2 AO). Da die Zusammenveranlagungen im Streitfall insgesamt jeweils zu niedrigeren Steuerfestsetzungen führen als getrennte Veranlagungen, ist die Zusammenveranlagung den wirtschaftlichen Vorgängen angemessen.
47 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Gründe

 
24 
1. Die Klage ist zulässig. Der Senat legt die am 10. Februar 2009 bei Gericht eingereichte Klageschrift rechtsschutzgewährend (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 23. April 2009 IV R 24/08, BFH/NV 2009, 1427) dahin gehend aus, dass die Klägerin hiermit (auch) eine Verpflichtungsklage mit dem Ziel der Durchführung getrennter Veranlagungen für die Streitjahre erhoben hat. Dieses Begehren ergibt sich zweifelsfrei aus dem in der Klageschrift unter Nr. 2 hilfsweise gestellten Antrag sowie der Klagebegründung.
25 
2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Das FA ist nicht verpflichtet, die Klägerin getrennt zur Einkommensteuer zu veranlagen. Die erstmalige Wahl der getrennten Veranlagung durch die Klägerin nach Anfechtung der im Rahmen der Zusammenveranlagung gemäß § 165 Abs. 2 AO i.V.m. § 53 EStG ergangenen Einkommensteueränderungsbescheide 1988 – 1991 ist in Anbetracht der Gesamtumstände des Streitfalles rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 AO.
26 
a) Ehegatten, die beide unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, können zwischen getrennter Veranlagung (§ 26a EStG) und Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) wählen (§ 26 Abs. 1 Satz 1 EStG). Bei getrennter Veranlagung sind jedem Ehegatten die von ihm bezogenen Einkünfte zuzurechnen. Die tarifliche Einkommensteuer bemisst sich nach § 32a Abs.1 (Grundtarif). Bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten beträgt die tarifliche Einkommensteuer nach § 32a Abs. 5 EStG das Zweifache des Steuerbetrages, der sich für die Hälfte ihres gemeinsam zu versteuernden Einkommens ergibt (Splittingtarif). Wenn -wie im Streitfall- Einkünfte in unterschiedlicher Höhe erzielt werden, bringt die Wahl der Zusammenveranlagung für Ehegatten wegen des progressiven Einkommensteuertarifs regelmäßig Vorteile. Aus Gründen der Gleichbehandlung mit nicht miteinander verheirateten Steuerpflichtigen wird ihnen jedoch auch das Recht auf getrennte Veranlagung zugebilligt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 III R 66/98, BFH/NV 2005, 186). Bei dem eingeräumten Wahlrecht handelt es sich nicht um eine Steuervergünstigung zur Minimierung der Steuer. Vielmehr handelt es sich um einen sachgerechten Kompromiss zwischen dem Schutz der ehelichen Privatsphäre und der grundsätzlich gebotenen Individualbesteuerung (BFH-Urteil vom 19. Mai 2004 III R 18/02, BStBl II 2004, 980; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 17. Januar 1957 1 BvL 4/54, BStBl I 1957, 193 zum Verbot der Schlechterstellung von Eheleuten durch die Zusammenveranlagung).
27 
Nach § 26 Abs. 2 Satz 1 EStG werden die Ehegatten getrennt veranlagt, wenn einer der Ehegatten die getrennte Veranlagung wählt. Dieses Wahlrecht wird weder durch den Wortlaut des § 26 EStG noch durch die Regelung in § 26a und § 26b EStG beschränkt. Nach der Rechtsprechung kann es unbefristet -bis zur Unanfechtbarkeit eines Einkommensteuerbescheides- ausgeübt und eine einmal getroffene Wahl der Veranlagungsart (auch mehrfach) geändert werden (vgl. BFH in BStBl II 2004, 980). Das Wahlrecht lebt wieder auf, wenn ein Änderungsbescheid z.B. nach § 10 d EStG (BFH-Urteil vom 19. Mai 1999 XI R 97/94, BStBl II 1999, 762), § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO (BFH-Urteil vom 20. Januar 1999 XI R 31/96, BFH/NV 1999, 1333) oder auch nach § 165 Abs. 2 AO i.V.m. § 53 EStG ergeht. Danach stand es der Klägerin frei, im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen die Einkommensteueränderungsbescheide vom 13. Februar 2001die getrennte Veranlagung zu wählen. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob die Einkommensteueränderungsbescheide auch gegenüber dem Konkursverwalter mit Wirkung für E wirksam bekannt gegeben worden sind. Denn nach § 155 Abs. 3 Satz 1 AO handelt es sich bei Einkommensteuer-Zusammenveranlagungsbescheiden nicht um einen einheitlichen Verwaltungsakt, sondern zwei zusammengefasste Bescheide handelt.
28 
Mit der Wahl der getrennten Veranlagung nach zuvor durchgeführter Zusammenveranlagung ist für jeden der Ehegatten ein neues Veranlagungsverfahren durchzuführen. Getrennte Veranlagung und Zusammenveranlagung stellen jeweils wesensverschiedene Veranlagungsverfahren dar (BFH-Urteil vom 03. März 2005 III R 60/03, BStBl II 2005, 564).
29 
Der Antrag eines Ehegatten statt der bisherigen Zusammenveranlagung eine getrennte Veranlagung durchzuführen, ist ein rückwirkendes Ereignis i. S. des § 175 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 AO. Der ergangene Zusammenveranlagungsbescheid ist gegenüber beiden Ehegatten aufzuheben. Der Ablauf der Festsetzungsverjährung ist gemäß § 171 Abs. 3 AO so lange gehemmt, bis über einen innerhalb der Festsetzungsfrist gestellten Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung unanfechtbar entschieden worden ist (BFH-Urteil vom 28.07.2005 III R 48/03, BStBl II 2005, 865).
30 
b) Die (einseitige) Wahl der getrennten Veranlagung durch die Klägerin war nicht willkürlich. Im Verhältnis der Ehegatten untereinander ist das Recht auf Wahl der getrennten Veranlagung nach der Rechtsprechung des BFH insoweit eingeschränkt, als sich ein Ehegatte nicht einseitig von der bisherigen Zusammenveranlagung lösen darf, sofern dafür keine wirtschaftlich verständlichen und vernünftigen Gründe vorliegen. Dies wird dann angenommen, wenn der antragstellende Ehegatte keine eigenen positiven oder negativen Einkünfte hat oder diese so gering sind, dass sie weder einem Steuerabzug unterlegen haben noch zur Einkommensteuerveranlagung führen können (BFH-Urteil vom 03.03.2005 III R 22/02, BStBl II 2005, 690). Da die Klägerin in den Streitjahren sowohl negative als auch positive Einkünfte, die dem Steuerabzug unterlegen haben, hatte, ist ihr Wahlrecht insoweit nicht eingeschränkt.
31 
c) Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass der Antrag der Klägerin auf Durchführung getrennter Veranlagungen rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 AO und daher unbeachtlich ist. Denn es liegen außer der erstrebten hälftigen Anrechnung der im Rahmen der Zusammenveranlagungen geleisteten Steuerzahlungen auf die der Klägerin gegenüber festzusetzenden Einkommensteuern keine wirtschaftlichen oder sonstigen nicht steuerliche Gründe vor, die die Wahl der getrennten Veranlagung durch die Klägerin rechtfertigen.
32 
Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2001 kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ein Missbrauch ist nach ständiger Rechtsprechung anzunehmen, wenn eine (zivilrechtliche und/oder steuerrechtliche) Gestaltung gewählt wird, die -gemessen an dem erstrebten Ziel- unangemessen ist, der Steuervermeidung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nicht steuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Dem Steuerpflichtigen ist es grundsätzlich nicht verwehrt, seine rechtlichen Verhältnisse so zu gestalten, dass sich eine möglichst geringe steuerliche Belastung ergibt. Rechtsmissbräuchlich ist eine Gestaltung aber regelmäßig dann, wenn sie ausschließlich der Steuervermeidung dient, bei sinnvoller, Zweck und Ziel der Rechtsordnung berücksichtigender Auslegung vom Gesetz missbilligt wird und bei angemessener Gestaltung eine höhere Steuer festzusetzen wäre. Das Steuergesetz kann auch dadurch umgangen werden, dass aufgrund der missbräuchlichen Gestaltung das Entstehen oder die Fälligkeit der Steuerschuld hinausgeschoben oder -wie hier- die Durchsetzung der festgesetzten Steuer zeitweilig oder dauerhaft vereitelt wird (BFH in BFH/NV 2005, 186).
33 
aa) Wie sich aus den Ausführungen des Prozessbevollmächtigten in der Klagebegründung ergibt, verfolgt die Klägerin mit der Wahl der getrennten Veranlagung ausschließlich das Ziel, im Rahmen der daraufhin durchzuführenden getrennten Veranlagungen in den jeweiligen Anrechnungsverfügungen, d.h. im Erhebungsverfahren, die hälftige Anrechnung der vor dem Tod des E auf die Gesamtschuld aus der Zusammenveranlagung geleisteten Steuerzahlungen zu erreichen und gleichzeitig die Erhebung der auf E entfallenden Steuer bei den Erben durch Haftungsbeschränkung zu vermeiden.
34 
Nach der ständigen Rechtsprechung des für Fragen des Erhebungsverfahrens zuständigen 7. Senats des BFH ist bei in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Eheleuten   -sofern im Zeitpunkt der Zahlung der Steuer Anhaltspunkte für eine andere Tilgungsabsicht des zahlenden Ehegatten fehlen- davon auszugehen, dass die Zahlung der Einkommensteuer auf Rechnung beider Ehegatten als Gesamtschuldner bewirkt worden ist, mit der Folge, dass die Steuerzahlungen zwischen den Ehegatten nach Köpfen aufzuteilen sind. Zur Begründung dieser Rechtsprechung wird darauf verwiesen, dass das Finanzamt im Zeitpunkt der Vorauszahlung weder dazu in der Lage noch dazu verpflichtet ist, Vermutungen über eine bestimmte wirtschaftliche Interessenlage auf Seiten der steuerpflichtigen Eheleute für den Fall anzustellen, dass die Vorauszahlungen zu einem späteren Zeitpunkt die festgesetzte Steuer übersteigen und damit zu einem Erstattungsanspruch führen (BFH-Urteile vom 30. September 2008 VII R 18/06, BStBl II 2009, 38, vom 15. November 2005 VII R 16/05, BStBl II 2006, 453, BFH-Beschluss vom 26. Januar 2006 VII B 312/05, BFH/NV 2006, 907 jeweils mit weiteren Nachweisen, sowie FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Juni 2008 2 K 73/06, EFG 2008, 1511; kritisch FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.03.2009 5 K 5064/08, EFG 2009, 1613). Nach diesen Grundsätzen hätte im Streitfall, da keine Nachweise vorliegen (nach Auskunft der Beteiligten auch nicht mehr vorgelegt werden können), dass die seinerzeit auf die festgesetzten Vorauszahlungen bzw. die erstmaligen Einkommensteuerfestsetzungen 1988 – 1991 (in Anbetracht der Vermögensverhältnisse der Eheleute wohl ausschließlich von E) geleisteten und (in den Jahren 1988, 1989 ausschließlich und den Jahren 1990, 1991 weitaus überwiegend) seine Einkünfte betreffenden Einkommensteuerzahlungen ausschließlich auf dessen Rechnung erfolgten, eine Aufteilung der Einkommensteuerzahlungen nach Köpfen zu erfolgen.
35 
Die Durchführung getrennter Veranlagungen für die Klägerin und E hätte danach für das Erhebungsverfahren aufgrund der nach § 36 Abs. 2 EStG bei getrennter Veranlagung vorzunehmenden hälftigen Anrechnung auf die Gesamtschuld geleisteter Einkommensteuerzahlungen zur Folge, dass sich bei der Klägerin die vom Prozessbevollmächtigten errechneten Erstattungsbeträge in Höhe von insgesamt 113.072 EUR (Gerichtsakte, Bl. 7), bei den Erben des E -d.h. auch bei ihr selbst- hingegen entsprechend höhere Abschlusszahlungen ergeben würden.
36 
bb) Andere Gründe für die Wahl der getrennten Veranlagung als die auf diese Weise erstrebten Steuererstattungen wurden von der Klägerin nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Bei Durchführung getrennter Veranlagungen ergeben sich insgesamt, d.h. bei Zusammenrechnung der für beide Ehegatten festzusetzenden Beträge, jeweils höhere Steuerfestsetzungen als bei Zusammenveranlagung. Sonstige steuerliche oder wirtschaftliche Gründe für die Wahl einer getrennten Veranlagung, wie z.B. besondere Steuersätze nach § 32b oder § 34 EStG, Besonderheiten beim Verlustrücktrag nach § 10d EStG oder das Erfordernis der Einhaltung bestimmter Einkommensgrenzen bei der Klägerin (vgl. hierzu Seeger in L. Schmidt, EStG, 28. Aufl.,§ 26 Rz. 17), sind nicht erkennbar. Risiken der Klägerin aus ihrer gesamtschuldnerischen Haftung für die Steuerschulden aus der Zusammenveranlagung bestehen gleichfalls nicht, da die festgesetzten Steuerforderungen durch die hierauf geleisteten Zahlungen gemäß § 47 AO seit Jahren (jedenfalls vor Beantragung des Nachlasskonkursverfahrens im Mai 1996, da keine Anmeldung noch rückständiger Einkommensteuern 1988 – 1991 zur Tabelle erfolgte, vgl. Vollstreckungsakte Bd. 1 grüner Klebezettel) erloschen sind.
37 
cc) Dem FA wird hierdurch ein Schaden entstehen. Die von den Erben des E zu fordernden Abschlusszahlungen könnten wegen der Beschränkung der Haftung der Erben auf den Nachlass und dem im Jahr 2004 aufgehobenen Nachlasskonkursverfahren dauerhaft nicht realisiert werden. Der Senat ist der Auffassung, dass das FA nicht darauf verwiesen werden kann, zur Vermeidung dieses Schadens, dem E bzw. seinen Erben aufgrund der Beantragung der getrennten Veranlagung gegen die Klägerin möglicherweise zustehende Ansprüche (z.B. Schadensersatzanspruch nach § 1353 Bürgerliches Gesetzbuch wegen Verweigerung der Zustimmung zur Zusammenveranlagung - vgl. hierzu BGH-Urteil vom 18. November 2009 XII ZR 173/06, DStR 2010, 266- oder Anspruch aufgrund des am 12. August 1992 beurkundeten Ehe- und Vermögensauseinandersetzungsvertrags -Gerichtsakte 2 K 73/06, Bl. 21ff.-) gegenüber der Klägerin durchzusetzen (so auch BFH in BFH/NV 2005, 186).
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Ein Schaden des FA ist auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des 7. Senats des BFH (BFH-Urteil vom 18. Dezember 2001 VII R 56/99, BStBl II 2002, 214) zur Wirkung des Wechsels der Veranlagungsart in Bezug auf vorherige Vollstreckungsmaßnahmen der Finanzverwaltung anzunehmen. Danach bleiben bereits durchgeführte Vollstreckungsmaßnahmen unbeschadet eines Wechsels von der Zusammenveranlagung zur getrennten Veranlagung bestehen, da der Zusammenveranlagungsbescheid seine Wirkung nur für die Zukunft, d.h. insoweit er noch nicht vollzogen ist, verliert. Im Streitfall hingegen wurden die festgesetzten Einkommensteuern sämtlich durch freiwillige Zahlungen auf die Steuerschuld getilgt, so dass diese Rechtsprechung keine Anwendung findet.
39 
Der Senat sieht davon ab, die Frage weiter zu vertiefen, ob in Fällen wie dem Streitfall ein Schaden des FA möglicherweise aus anderen ausschließlich das Erhebungsverfahren betreffenden Gründen zu verneinen ist. In diesem Zusammenhang könnte sich die Frage stellen, ob eine Anrechnung der hälftigen Einkommensteuerzahlungen des E auf die Steuerschuld der Klägerin nicht deshalb unterbleiben müsste, weil der Zusammenveranlagungsbescheid im Erhebungsverfahren seine Wirkung nur für die Zukunft verliert (so BFH in BStBl II 2004, 214) und daher die schuldtilgende Wirkung der auf die Gesamtschuld geleisteten Steuerzahlungen auch nach rückwirkender Aufhebung der Steuerbescheide ebenso bestehen blieben wie Vollstreckungsmaßnahmen. Letztlich würden derartige Überlegungen den Interessen der Klägerin, die die getrennte Veranlagung ausschließlich wegen ihrer Wirkung auf das Erhebungsverfahren gewählt hat und hierbei eine insgesamt höhere Steuer in Kauf nimmt, zuwider laufen und den Streit der Beteiligten lediglich auf eine andere Ebene, die des Erhebungsverfahrens verlagern.
40 
dd) Der Senat kommt bei Berücksichtigung der Umstände des Streitfalles zu dem Ergebnis, dass die Klägerin mit dem erstmaligen Wechsel zur getrennten Veranlagung nach Ergehen (abhelfender und zu Steuererstattungen führender) Änderungsbescheide das ihr nach § 26 Abs. 2 EStG zustehende Wahlrecht im Hinblick auf das zuvor beantragte Nachlasskonkursverfahren über das Vermögen des E erkennbar gegen seinen Zweck ausgeübt hat und sich damit einen Vorteil verschaffen wollte, den das Gesetz den Steuerpflichtigen mit dem -nach der Rechtsprechung unbefristeten und mehrfach änderbaren- Wahlrecht zwischen getrennter und Zusammenveranlagung nicht einräumen wollte, und der den Wertungen des Gesetzgebers, die dieser und anderen Vorschriften zugrunde liegt, zuwiderläuft.
41 
Das Gesetz geht davon aus, dass die Erhebung der Einkommensteuer durch die Ausübung des Wahlrechts nicht beeinflusst wird (BFH in BFH/NV 2005, 186). Diesem Anliegen wird im Festsetzungsverfahren durch die mit Ausübung des Wahlrechts eintretende Ablaufhemmung der Festsetzungsverjährung gegenüber dem anderen Ehegatten Rechnung getragen. Damit wird erreicht, dass nach Wahl der getrennten Veranlagung durch einen Ehegatten auch gegenüber dem anderen Ehegatten noch eine getrennte Veranlagung durchgeführt werden kann und die auf ihn entfallende Steuer festgesetzt und erhoben werden kann. In Bezug auf das Erhebungsverfahren wird dies dadurch erreicht, dass einem Wechsel zur getrennten Veranlagung nach vorheriger Zusammenveranlagung für Zwecke der Vollstreckung Wirkung nur für die Zukunft, d.h. insoweit, als der Zusammenveranlagungsbescheid noch nicht vollzogen ist, zugesprochen wird (BFH in BStBl II 2002, 214). Allerdings weist eine verallgemeinernde Übernahme dieser Aussage für das gesamte Erhebungsverfahren, also auch für freiwillig geleistete Einkommensteuer(voraus)zahlungen, insoweit Unstimmigkeiten auf, als im Festsetzungsverfahren der Zusammenveranlagungsbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO rückwirkend aufzuheben ist und getrennte Veranlagungen einschließlich der nach § 36 EStG vorzunehmenden Anrechnung und erstmaligen Aufteilung der geleisteten Steuerzahlungen und Steuerabzugsbeträge durchzuführen sind.
42 
Die Wahl der getrennten Veranlagung durch die Klägerin erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem feststeht, dass aus der Konkursmasse des Nachlasskonkursverfahrens die bis dahin angemeldeten bevorrechtigten Forderungen des Finanzamts nicht vollständig bezahlt werden können (Vollstreckungsakte Bd. 1 -rote Klebezettel-). Wirtschaftlich macht die Wahl der getrennten Veranlagung nur deshalb Sinn, weil die aus den getrennten Veranlagungen resultierenden Nachzahlungsansprüche des FA dauerhaft nicht zu realisieren sind und die Klägerin wegen des Todes des E und des abgeschlossenen Nachlasskonkursverfahrens zivilrechtliche Klagen des E auf Erteilung der Zustimmung zur Zusammenveranlagung nach § 1353 BGB oder auf Schadensersatz wegen Verweigerung der Zustimmung zur steuerlichen Zusammenveranlagung nicht befürchten muss. Tod des E und das von der Klägerin beantragte Nachlasskonkursverfahren führen zu den von der Klägerin mit dem Wechsel der Veranlagungsart beabsichtigten Folgen für das Erhebungsverfahren. Im Regelfall verhindert der insoweit vorliegende Interessengegensatz zwischen den Ehegatten, dass die getrennte Veranlagung allein aufgrund der Auswirkungen auf das Erhebungsverfahren gewählt wird. Denn kein Ehegatte wird es hinnehmen, infolge der Wahl der getrennten Veranlagung durch den anderen Ehegatten im Ergebnis zweimal zur Zahlung der Steuer herangezogen zu werden, ohne dass zivilrechtlich ein Ausgleich erfolgt. Im Streitfall hingegen versagt dieses Korrektiv aus Gründen, die der Klägerin und Erbin des E zuzurechnen bzw. von ihr zu verantworten sind.
43 
Des Weiteren ist es nicht Sinn der nach der Rechtsprechung des BFH vorzunehmenden hälftigen Aufteilung von Einkommensteuerzahlungen zwischen Ehegatten nach Durchführung getrennter Veranlagungen dem einen Ehegatten zu Lasten des Fiskus einen Vermögensvorteil zukommen zu lassen. Vielmehr soll der Finanzverwaltung die im Einzelfall schwierige Prüfung erspart bleiben, welcher Ehegatte die Zahlung auf wessen Rechnung geleistet hat.
44 
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass im Erhebungsverfahren eine Frist von fünf Jahren für die Verjährung von Zahlungsansprüchen gilt, die mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist (§ 228 AO). Das Institut der Zahlungsverjährung soll dafür sorgen, dass nach Ablauf einer angemessenen Frist endgültig Rechtssicherheit darüber einkehrt, was der Steuerpflichtige aufgrund einer Steuerfestsetzung unter Berücksichtigung anzurechnender Vorauszahlungen und Abzugssteuern noch zu zahlen hat bzw. was ihm zu erstatten ist. Das schließt es nicht nur aus, fällig gewordene steuerliche Ansprüche nach Ablauf der vom Gesetz in diesem Zusammenhang festgelegten Fünf-Jahres-Frist noch geltend zu machen, sondern auch, auf fällig gewordene Steuern nach Ablauf dieser Frist etwas anzurechnen und dadurch Erstattungsansprüche i.S. des § 37 Abs. 2 AO auszulösen (BFH-Urteil 12. Februar 2008 VII R 33/06, BStBl II 2008, 504). Auch dieser gesetzlichen Wertung widerspricht es, wenn mit einem nach Erlass begünstigender Bescheide erfolgten Wechsel zur getrennten Veranlagung zum einen Erstattungsansprüche zur Entstehung gebracht werden, die auf über fünf Jahre davor festgesetzten und geleisteten Steuerzahlungen beruhen, zum andern bereits gezahlte Steuern zwar ein zweites Mal gefordert, jedoch nicht beigetrieben werden könnten.
45 
Angesichts der nicht in Übereinstimmung mit den Wertungen des Gesetzes stehenden und von daher als unangemessen zu bewertenden Steuervorteile aufgrund der Wahl der getrennten Veranlagung, kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass sie von einer im Steuergesetz vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeit Gebrauch macht. Denn § 42 AO erfasst gerade die Fälle, in denen gesetzlich zulässige rechtliche Gestaltungen gewählt werden, die im Einzelnen nicht zu beanstanden sind, in ihrer Gesamtheit aber nur dazu dienen, Steuern zu vermeiden, sei es durch eine niedrigere Steuerfestsetzung oder durch eine Vereitelung der Beitreibung. Das nur unter steuerlichen Aspekten sinnvolle Zusammentreffen mehrerer im Einzelnen gesetzmäßiger Verhaltensweisen oder Gestaltungen in der ausschließlichen Absicht, die Festsetzung der Steuer oder die Steuerzahlung zu vermeiden, soll nach § 42 AO steuerrechtlich wirkungslos bleiben. Diesem Gesetzeszweck kann nicht mit Erfolg die Rechtmäßigkeit jedes Einzelaktes des Gesamtwerkes entgegengehalten werden, andernfalls liefe die Vorschrift als Ganzes ins Leere (BFH in BFH/NV 2005, 186). Gerade weil das Gesetz es Eheleuten ohne Bindung an zeitliche Grenzen ermöglicht, die Veranlagungsart zu wechseln, ist nach Maßgabe des § 42 AO zu überprüfen, ob ein solcher Antrag im Einzelfall mit den Wertungen des Gesetzgebers in Übereinstimmung steht oder nicht.
46 
ee) Bei missbräuchlichen Gestaltungen entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht (§ 42 Satz 2 AO). Da die Zusammenveranlagungen im Streitfall insgesamt jeweils zu niedrigeren Steuerfestsetzungen führen als getrennte Veranlagungen, ist die Zusammenveranlagung den wirtschaftlichen Vorgängen angemessen.
47 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) begehrt für die Veranlagungszeiträume 1988 bis 1991 (Streitjahre) die Durchführung von getrennten Veranlagungen.

2

Ursprünglich wurden die Klägerin und ihr im Februar 1996 verstorbener Ehemann (E) in den Streitjahren zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. E war in dieser Zeit als … selbständig, die Klägerin nichtselbständig tätig. Beide Ehegatten erzielten zudem Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie Vermietung und Verpachtung.

3

Die Einkommensteuerbescheide 1988 bis 1991 wurden bestandskräftig, ergingen jedoch wegen der Höhe der Freistellung des Existenzminimums eines Kindes vorläufig nach § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO). Die festgesetzte Einkommensteuer wurde durch anzurechnende Lohn- und Kapitalertragsteuern sowie die von E geleisteten Voraus- und Abschlusszahlungen getilgt.

4

Über den Nachlass des E wurde im Mai 1996 das Konkursverfahren eröffnet und im November 2004 aufgehoben. Vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) angemeldete Steuerforderungen aus späteren Veranlagungszeiträumen wurden nur teilweise befriedigt.

5

Im Februar 2001 ergingen für die Jahre 1988 bis 1991 nach § 165 Abs. 2 AO i.V.m. § 53 des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (EStG) geänderte Einkommensteuerbescheide, die jeweils zu einer kleinen Erstattung führten.

6

Die Klägerin legte Einspruch gegen die Änderungsbescheide ein und beantragte die Durchführung von getrennten Veranlagungen. Für die Jahre 1988 und 1989 ergäbe sich nach den vom FA durchgeführten Probeberechnungen zur Einkommensteuer in diesem Fall bei ihr nach Anrechnung der Lohnsteuer jeweils eine Erstattung, für 1990 und 1991 käme es (zunächst) zu einer Nachzahlung.

7
                                   

           

Klägerin (getrennte VA)

1988   

1989   

1990   

1991   

ESt     

0 DM   

2.922 DM

5.379 DM

13.118 DM

LohnSt

2.258 DM

3.612 DM

3.806 DM

6.626 DM

verbleiben

- 2.258 DM

- 690 DM

1.573 DM

6.492 DM

8

Bei Addition der Einkommensteuer bei getrennten Veranlagungen für die Klägerin und E ergäbe sich in allen Streitjahren eine höhere Einkommensteuer als bei den Zusammenveranlagungen.

9

Das FA lehnte die Anträge auf Durchführung getrennter Veranlagungen ab, da diese unter den Besonderheiten des Streitfalls rechtsmissbräuchlich i.S. von § 42 AO seien. Mit den Anträgen auf Durchführung von getrennten Veranlagungen verfolge die Klägerin allein den Zweck, unter Berücksichtigung der vom VII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entwickelten Rechtsprechung zur Erstattungsberechtigung bei Ehegatten nach Köpfen Einkommensteuererstattungen in Höhe von rund 113.000 € zu erlangen, während die Nachforderungen bei E wegen des abgeschlossenen Nachlasskonkursverfahrens nicht mehr beigetrieben werden könnten. Da die getrennten Veranlagungen jeweils zu höheren Steuerfestsetzungen führten, seien nach den wirtschaftlichen Vorgängen die Zusammenveranlagungen angemessen. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

10

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1381 veröffentlichten Gründen ab. Dabei sah es die Anträge der Klägerin auf Durchführung von getrennten Veranlagungen zwar nicht als willkürlich, den erstrebten Wechsel der Veranlagungsart im Hinblick auf die Besonderheiten des Streitfalls jedoch wie das FA als rechtsmissbräuchlich (§ 42 AO) an. Die Klägerin übe das ihr zustehende Wahlrecht gegen seinen Zweck aus, um sich damit einen Vorteil zu verschaffen, den das Gesetz dem Steuerpflichtigen mit dem Wahlrecht zwischen getrennter Veranlagung und Zusammenveranlagung nicht habe einräumen wollen und der den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderlaufe.

11

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie verhalte sich mit ihren Anträgen auf getrennte Veranlagungen nicht rechtsmissbräuchlich, sondern im Hinblick auf die Gesamtsituation wirtschaftlich vernünftig. Es sei nicht nachvollziehbar, ihr das Wahlrecht zu verweigern, nur weil sie aus der Abrechnung der Steuervorauszahlungen eine Steuererstattung erhalten würde. Der finanzielle Vorteil, den sie durch ihre Handlungen erreichen wolle, sei kein unangemessener Gebrauch ihres Gestaltungsrechts "Wahl der getrennten Veranlagung".

12

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das FG-Urteil, die Einspruchsentscheidung vom 15. Januar 2009 sowie die ablehnende Entscheidung vom 19. September 2005 aufzuheben und das FA unter Aufhebung der geänderten Einkommensteuerbescheide vom 13. Februar 2001 zu verpflichten, für die Veranlagungszeiträume 1988 bis 1991 getrennte Veranlagungen durchzuführen.

13

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

14

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

15

1. Wie das FG im Hinblick auf die Rechtsprechung des BFH zutreffend ausgeführt hat, ist die Wahl der getrennten Veranlagung durch die Klägerin im Streitfall nicht willkürlich und damit grundsätzlich wirksam.

16

a) Liegen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG vor, so können die Eheleute grundsätzlich zwischen Zusammenveranlagung und getrennter Veranlagung frei wählen. Dieses Wahlrecht wird weder durch den Wortlaut des § 26 EStG noch durch die Regelungen in §§ 26a und 26b EStG eingeschränkt. Seine Ausübung ist nicht an eine Frist gebunden (vgl. Senatsurteil vom 30. November 1990 III R 195/86, BFHE 163, 341, BStBl II 1991, 451). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann das Veranlagungswahlrecht deshalb bis zur Unanfechtbarkeit eines Änderungsbescheids ausgeübt und eine einmal getroffene Wahl hinsichtlich der Veranlagungsart --vorbehaltlich rechtsmissbräuchlicher oder willkürlicher Antragstellung-- bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem FG widerrufen werden (BFH-Urteil vom 24. Januar 2002 III R 49/00, BFHE 198, 12, BStBl II 2002, 408, m.w.N.).

17

b) Die Rechtsprechung hat dieses Wahlrecht bislang vornehmlich --bezogen auf das Verhältnis zwischen den Ehegatten und nicht auf das davon zu unterscheidende öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis zwischen den Steuerpflichtigen und dem FA-- insoweit eingeschränkt, als sich ein Ehegatte nicht einseitig von der bisherigen Zusammenveranlagung lösen darf, sofern dafür keine wirtschaftlich verständlichen und vernünftigen Gründe vorliegen, sondern der Antrag als willkürlich motiviert erscheint (vgl. hierzu Senatsurteil vom 19. Mai 2004 III R 18/02, BFHE 206, 201, BStBl II 2004, 980).

18

Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

19

2. Entgegen der Auffassung des FG und des FA ist die Ausübung des Wahlrechts zur nachträglichen getrennten Veranlagung im Streitfall aber auch nicht rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 AO.

20

a) Ein Missbrauch in diesem Sinn ist nach ständiger Rechtsprechung anzunehmen, wenn eine (zivilrechtliche und/oder steuerrechtliche) Gestaltung gewählt wird, die --gemessen an dem erstrebten Ziel-- unangemessen ist, der Steuervermeidung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nicht steuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (Senatsurteil vom 15. Juli 2004 III R 66/98, BFH/NV 2005, 186).

21

b) § 42 AO setzt letztlich voraus, dass die gewählte Gestaltung nach den der jeweiligen steuerrechtlichen Vorschrift zugrunde liegenden gesetzgeberischen Wertungen der Steuerumgehung dienen soll. Hingegen ist für § 42 AO grundsätzlich kein Raum, wenn der Steuerpflichtige einen vom Steuergesetz vorgezeichneten Weg wählt (Senatsurteil in BFHE 206, 201, BStBl II 2004, 980, m.w.N.).

22

c) Der Antrag auf getrennte Veranlagungen ist bereits deshalb nicht als missbräuchlich zu beurteilen, weil die Klägerin das von ihr damit verfolgte Ziel --nämlich die Vereinnahmung von Erstattungen der Einkommensteuerzahlungen in Höhe von insgesamt ca. 113.000 €, während sie als Alleinerbin des E infolge des Nachlasskonkursverfahrens für Nachforderungen nicht einzustehen bräuchte-- angesichts der Fortentwicklung der Rechtsprechung durch den VII. Senat des BFH (vgl. Urteil vom 22. März 2011 VII R 42/10, BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607) nicht erreichen kann. Ob ohne das Hinzutreten besonderer Umstände --wie z.B. eine wiederholte und widersprüchliche Ausübung von weiteren Wahlrechten (z.B. Lohnsteuerklassenwahl) in Kombination mit einer (an sich zulässigen) schuldrechtlichen Vereinbarung (vgl. hierzu das Senatsurteil in BFH/NV 2005, 186)-- der Antrag auf getrennte Veranlagung eines Ehegatten zu einem Zeitpunkt, zu dem über das Vermögen des anderen Ehegatten ein Insolvenzverfahren anhängig ist, überhaupt missbräuchlich wäre, kann deshalb dahinstehen.

23

aa) Nach der von der Klägerin in Bezug genommenen ständigen Rechtsprechung des VII. Senats des BFH kann das FA als Zahlungsempfänger, solange die Ehe besteht und die Eheleute nicht dauernd getrennt leben (§ 26 Abs. 1 EStG), aufgrund der zwischen ihnen bestehenden Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft davon ausgehen, dass derjenige Ehegatte, der auf die gemeinsame Steuerschuld zahlt, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammen veranlagten Ehegatten begleichen will (vgl. BFH-Urteile vom 30. September 2008 VII R 18/08, BFHE 222, 235, BStBl II 2009, 38; vom 15. November 2005 VII R 16/05, BFHE 211, 396, BStBl II 2006, 453, m.w.N.). Ob die Eheleute sich später trennen oder einer der Ehegatten nachträglich die getrennte Veranlagung beantragt, ist nach dieser Rechtsprechung für die Beurteilung der Tilgungsabsicht nicht maßgeblich, denn es kommt nur darauf an, wie sich die Umstände dem FA zum Zeitpunkt der Vorauszahlung darstellten (BFH-Urteil vom 26. Juni 2007 VII R 35/06, BFHE 218, 10, BStBl II 2007, 742).

24

(1) Die danach von der Rechtsprechung des VII. Senats des BFH unterstellte Tilgungsabsicht hat nach bisheriger Sichtweise zur Folge, dass im Fall einer --durch die Anrechnung der Vorauszahlungen auf die gegen die zusammen veranlagten Eheleute festgesetzte Steuer entstandenen-- Überzahlung beide Ehegatten nach § 37 Abs. 2 AO erstattungsberechtigt sind und der Erstattungsbetrag zwischen ihnen nach Köpfen aufzuteilen ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 222, 235, BStBl II 2009, 38).

25

(2) Diese hälftige Zuordnung der geleisteten Vorauszahlungen hat der VII. Senat des BFH bislang auch in den Fällen --bei Aufteilung der Gesamtschuld nach §§ 268 ff. AO oder getrennter Veranlagung nach § 26a EStG-- für geboten erachtet, in denen die Anrechnung dieses Teilbetrags nicht zur Tilgung der für den einen Ehegatten festgesetzten Jahressteuer ausreichte, so dass er eine Abschlusszahlung zu leisten hatte, während für den anderen Ehegatten nach Anrechnung ein Auszahlungsanspruch verblieb (vgl. BFH-Urteil in BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607).

26

bb) Diese Rechtsprechung hat der VII. Senat des BFH jedoch in seinem Urteil in BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607 dahin fortentwickelt, dass eine Erstattung von Vorauszahlungen im Regelfall nur hinsichtlich des Betrags in Betracht komme, um den die Vorauszahlungen die Summe der für beide Ehegatten festgesetzten Einkommensteuer überstiegen. Das gelte sowohl im Fall der Zusammenveranlagung als auch wenn getrennte Veranlagung gewählt werde. Sei die Vorauszahlung --insbesondere wegen anderweitiger Tilgung der Steuerschulden-- nicht bestimmungsgemäß auf die festgesetzten Steuern angerechnet worden, so sei die Vorauszahlung bei getrennter Veranlagung zunächst in Höhe des festgesetzten Betrags dem Ehegatten zu erstatten, auf dessen Schuld sie sonst anzurechnen gewesen wäre. Sofern nach Abrechnung der für beide Eheleute festgesetzten Steuern von den geleisteten Vorauszahlungen noch ein Rest verbleibe, sei dieser den Ehegatten anteilig zu erstatten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607, unter II.3.c dd).

27

Zu dieser nun vorrangig vor jedweder Aufteilung vorzunehmenden Verrechnung der Vorauszahlungen mit der später festgesetzten Einkommensteuer sah sich der VII. Senat des BFH insbesondere deshalb veranlasst, weil seine bisherige Rechtsprechung dem Zweck der Vorauszahlung in den Fällen nicht gerecht wurde, in denen bei getrennter Veranlagung oder Abrechnung unterschiedlich hohe Steuerschulden bei den Ehegatten anfallen. Denn bei hälftiger Aufteilung der Vorauszahlungen würde der Teil des Vorauszahlungsbetrags, der auf den Ehegatten mit der geringeren Steuerlast entfällt, nicht vollständig auf eine Steuerschuld angerechnet, während der Ehegatte mit der höheren Steuerbelastung nachzahlen müsste. Durch die Fortentwicklung der Rechtsprechung des VII. Senats des BFH soll gerade eine Situation wie die vorliegende --nämlich ein Ausfallen des Fiskus mit einer Steuerforderung, wenn der höher belastete Steuerschuldner zwischenzeitlich seine Leistungsfähigkeit verloren hat, obwohl die Steuer durch die geleisteten Vorauszahlungen bereits "gesichert" schien-- vermieden werden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607, unter II.3.c dd (1); Jäger, jurisPR-SteuerR 29/2011 Anm. 2).

28

Danach ist erst ein --nach Verrechnung der für beide Ehegatten festgesetzten Einkommensteuer mit den Vorauszahlungen verbleibender-- Betrag nach Maßgabe der bisherigen Rechtsprechung des VII. Senats des BFH nach Kopfteilen zu erstatten, wenn die Eheleute für die Vorauszahlungen keine abweichende Tilgungsbestimmung getroffen haben (vgl. BFH-Urteil in BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607, unter II.3.c dd (2)).

29

cc) Der Streitfall unterscheidet sich von dem der Entscheidung des VII. Senats des BFH zugrunde liegenden Sachverhalt in dem Punkt, dass die Zahlungen jeweils nicht zur vollständigen Tilgung der sich im Fall von getrennten Veranlagungen ergebenden zusammengerechneten Zahllasten ausreichen. Die Frage, wie in einem solchen Fall anzurechnen bzw. aufzuteilen wäre --etwa im Verhältnis der Steuerbeträge--, konnte der VII. Senat des BFH offenlassen (vgl. Urteil in BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607, unter II.3.c dd (3)). Dies ist indes für die Entscheidung des Streitfalls unerheblich, da die betragsmäßigen Folgen der getrennten Veranlagung im Erhebungsverfahren nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits sind. Den erstrebten Vorteil kann die Klägerin jedenfalls nicht erlangen. Denn nach den vom VII. Senat des BFH fortentwickelten Grundsätzen sind die von E geleisteten Voraus- und Abschlusszahlungen zunächst auf die festgesetzten Einkommensteuern beider Ehegatten anzurechnen, weil davon auszugehen ist, dass E zum einen mit diesen Zahlungen die Einkommensteuer beider Ehegatten tilgen wollte und er sich zum anderen bewusst war, dass die Zahlungen insoweit endgültig beim Fiskus verbleiben sollten. Da seine Zahlungen aber in keinem Veranlagungszeitraum zur Tilgung der nun insgesamt höheren Einkommensteuern ausreichen, verbleibt kein Rest, von dem die Klägerin 50 % als Erstattung beanspruchen könnte.

30

dd) Damit kommt die Annahme eines missbräuchlichen Verhaltens der Klägerin nicht in Betracht. Dass die Klägerin die von ihrem Arbeitslohn einbehaltene und ihre Einkommensteuer übersteigende Lohnsteuer aufgrund der nachträglich ausgeübten Wahl zur getrennten Veranlagung für die Streitjahre 1988 und 1989 ganz bzw. teilweise erstattet bekommt (vgl. insoweit z.B. BFH-Urteile vom 18. September 1990 VII R 99/89, BFHE 162, 279, BStBl II 1991, 47; vom 17. Februar 2010 VII R 37/08, BFH/NV 2010, 1078), während die sich für E nach Anrechnung der Vorauszahlungen ergebenden Zahllasten nicht mehr beigetrieben werden können, stellt keinen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten dar. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Klägerin Gesamtrechtsnachfolgerin des E ist. Ob die Wahl der getrennten Veranlagung für die Streitjahre 1990 und 1991 nach den vorstehend dargestellten Auswirkungen auf das Erhebungsverfahren noch sinnvoll ist, ist unerheblich, denn auf die steuerliche Sinnhaftigkeit im Verhältnis zur Finanzbehörde kommt es insoweit nicht an (vgl. Senatsurteil in BFHE 206, 201, BStBl II 2004, 980).