Arbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 15. Aug. 2016 - 7 Ca 415/15
Tenor
1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3.Der Streitwert wird auf 5.310,00 € festgesetzt.
1
T a t b e s t a n d:
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
3Der am 24.4.1961 geborene Kläger ist seit dem 3.10.1988 für das beklagte Land tätig. Zuletzt arbeitete er 25 Stunden pro Woche gegen ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 1.770,00 € als Sachbearbeiter in der Kriminalaktenhaltung/Personenfahndung j.. Er ist anerkannter Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 70.
4Am 17.5.2004 wurde der Kläger wegen Nichtbefolgens dienstlicher Anweisungen und Verletzung der Treuepflicht erstmals abgemahnt. Mit Schreiben vom 23.6.2004 wurde ihm eine weitere Abmahnung erteilt, weil er unter Inanspruchnahme von Gleitzeitausgleichstagen nicht zur Arbeit erschien, ohne dies vorher mit dem zuständigen Vorgesetzten abgesprochen zu haben. Am 16.4.2009 wurde gegen den Kläger eine Strafanzeige gestellt und ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, weil er ein Kind, das zuvor mit einer Spielzeugpistole auf ihn geschossen hatte, ins Gesicht geschlagen hatte. Am 28.4.2011 wurde der Kläger wegen Nichtbeachtung dienstlicher Weisungen und Arbeitsverweigerung abgemahnt.
5Im Jahr 2012 kandidierte der Kläger bei den Wahlen zum beim Landeskriminalamt O. gebildeten Personalrat als freier Kandidat einer Liste, die er selbst gebildet hatte. Im Rahmen dieser Kandidatur ließ der Kläger unter Vortäuschung einer entsprechenden Berechtigung und trotz Kenntnis der Unzulässigkeit Wahlplakate auf dienstlichen Kopiergeräten anfertigen. Nach Bekanntwerden dieses Vorfalls forderte der Leiter der Verwaltung bzw. des Dezernats A. O. C. den Kläger auf, die Kosten der gefertigten Kopien zu erstatten. Der Kläger verweigerte dies jedoch. Nachdem der Verwaltungsleiter C. den Kläger in der Folge dennoch wiederholt zur Kostenerstattung aufgefordert hatte, erstattete der Kläger Strafanzeige wegen Nötigung gegen ihn. Die Staatsanwaltschaft E. leitete daraufhin jedoch ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger selbst ein, das letztlich zu einer - inzwischen rechtskräftigen - Verurteilung des Klägers wegen Betrugs durch das Amtsgericht E. führte. Mit Schreiben vom 5.7.2012 mahnte das beklagte Land den Kläger darüber hinaus wegen der Anfertigung der Wahlplakate auf dienstlichen Kopiergeräten unter Vortäuschung einer entsprechenden Berechtigung und trotz Kenntnis der Unzulässigkeit ab.
6Mit Schreiben vom 21.5.2012 erteilte das beklagte Land dem Kläger eine weitere Abmahnung, weil er seiner Vorgesetzten per E-Mail vom 15.5.2012 mitgeteilt hatte, "[a]nstatt sich um solche Angelegenheiten zu kümmern, sollte [s]ie lieber [i]hre wertvolle Arbeitszeit damit verbringen, die seit Jahren in [i]hre Obhut fallende desolate Personalsituation in der Personalfahndung aufzubessern". Damit würde sie dem Landeskriminalamt O. mehr dienen. Am 14.1.2013 schrie der Kläger seinen Sachgebietsleiter als Reaktion auf eine Arbeitsanweisung mit den Worten an: "Ich bin Ihre Schikanen leid, geben Sie mir einer Waffe[,] dann …!". Im Mai/Juni 2013 wurde an das beklagte Land herangetragen, der Kläger plane, den damaligen Direktor des Landeskriminalamts O. und den damaligen Finanzvorstand von Fortuna E. mit einer in seinem Besitz befindlichen Pistole zu töten. Ein daraufhin gegen den Kläger eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen Verstoß gegen das Waffengesetz und Bedrohung blieb jedoch ergebnislos.
7Am 19.12.2014 wurde der Verwaltungsleiter C. gegen 20:50 Uhr von einer Telefonzelle in Höhe der H. in E. auf seinem dienstlichen Mobiltelefon angerufen. Auf die Nummer dieses Mobiltelefons hatte auch der Kläger Zugriff. In der Telefonzelle befindet sich ein Münzfernsprecher, der keine Meldung über den jeweiligen Anrufer weitergibt. Sie ist rund 30 bis 40 m von der Wohnung des Mitarbeiters des Landeskriminalamts O. und Mitglieds der dort gebildeten Schwerbehindertenvertretung F. und 3,5 km von der Wohnung des Klägers entfernt. Von der Wohnung des Klägers aus kann die Telefonzelle dementsprechend mit dem Auto in weniger als zehn Minuten, mit dem Fahrrad in weniger als 15 Minuten und mit öffentlichen Verkehrsmitteln in rund zwanzig Minuten erreicht werden. Ein sich anschließendes Telefonat über das dienstliche Mobiltelefon des Verwaltungsleiters C. und dessen möglicher Inhalt sind zwischen den Parteien streitig. Unmittelbar im Anschluss an das mögliche Telefonat erstattete der Verwaltungsleiter C. gegen den Kläger Strafanzeige und warf ihm dabei vor, ihn telefonisch unter anderem mit den Worten "Ich stech‘ Dich ab!" bedroht zu haben. Aufgrund dieser Strafanzeige leitete die Staatsanwaltschaft E. ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger ein.
8Im weiteren Verlauf des 19.12.2014 fuhren um 22:23 Uhr und um 23:39 Uhr Polizeibeamte zur Wohnung des Klägers, um eine Gefährderansprache durchzuführen, trafen den Kläger jedoch jeweils nicht an. Am 20.12.2014 meldete sich der Kläger sodann um 0:59 Uhr selbst telefonisch bei der Polizei und gab an, dass seine geschiedene Ehefrau, V., die im selben Haus wie er wohnt, ihn informiert habe, dass die Polizei ihn suche, und dass er nun zu Hause sei. Polizeibeamte trafen den Kläger daraufhin um 1:05 Uhr in seiner Wohnung an.
9Ausweislich einer vom Kläger selbst vorgelegten Verbindungsübersicht wurde von seinem Mobiltelefon am 19.12.2014 zunächst um 22:19 Uhr, um 22:21 Uhr, um 22:23 Uhr und um 22:28 Uhr die Nummer des Mobiltelefons seiner geschiedenen Ehefrau angewählt. Die Dauer dieser Anrufe ist in den ersten drei Fällen mit einer Minute und im letzten Fall mit zwei Minuten angegeben. Anschließend erfolgte um 23:45 Uhr vom Mobiltelefon des Klägers ein weiterer Anruf auf dem Mobiltelefon seiner geschiedenen Ehefrau, der bis zu vier Minuten dauerte. Schließlich sind auf der Verbindungsübersicht des Mobiltelefons des Klägers am 20.12.2014 weitere Telefonate mit dem Mobiltelefon seiner geschiedenen Ehefrau um 1:04 Uhr im Umfang von drei Minuten, um 1:21 Uhr im Umfang von sechs Minuten und um 1:37 Uhr im Umfang von fünfzehn Minuten verzeichnet.
10Am 22.12.2014 suchten eine für Personalangelegenheiten zuständige Mitarbeiterin des Landeskriminalamts O. und ein Mitglied des beim Landeskriminalamt O. gebildeten Personalrats den Kläger an seiner Wohnanschrift auf. Dabei übergaben sie dem Kläger ein Hausverbot. Der weitere Inhalt des Gesprächs der beiden Mitarbeiter mit dem Kläger ist zwischen den Parteien streitig.
11Mit Schreiben vom 30.12.2014 beantragte das beklagte Land beim zuständigen Integrationsamt die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien und vorsorglich zur außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist.
12Mit Schreiben vom 6.1.2015 hörte das beklagte Land den beim Landeskriminalamt O. gebildeten Personalrat zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien und zur vorsorglichen außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist an. Wegen des Inhalts dieses Anhörungsschreibens wird auf die Anlage CC 12 zum Schriftsatz des beklagten Landes vom 19.2.2015 (Bl. 164 ff. d.A.) verwiesen. Der beim Landeskriminalamt O. gebildete Personalrat erklärte in der Folge mit Schreiben vom 8.1.2015, er erhebe keinen Einwand gegen die beabsichtigte Kündigung.
13Mit Schreiben vom 13.1.2015 erteilte das zuständige Integrationsamt die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien und zur (vorsorglichen) außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist. Dies teilte das beklagte Land dem beim Landeskriminalamt O. gebildeten Personalrat noch am selben Tage mit.
14Im Anschluss kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 13.1.2015 außerordentlich, vorsorglich zugleich außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30.6.2015 und äußerst vorsorglich zum nächstzulässigen Termin.
15Per E-Mail vom 14.1.2015 übersandte eine Mitarbeiterin des Dezernats A. des Landeskriminalamts O. unter anderem dem Prozessbevollmächtigten des beklagten Landes folgende E-Mail:
16"Hallo zusammen,
17Herr G. war leider nicht persönlich anzutreffen, hier sind Fotos und das Übergabeprotokoll, die den Einwurf in beide Briefkästen belegen. Herr F. (SBV) war als Zeuge zugegen.
18[…]."
19Dieser E-Mail war zum einen ein von dem Mitarbeiter des Dezernats A. des Landeskriminalamts O. L. und dem Mitglied der beim Landeskriminalamt O. gebildeten Schwerbehindertenvertretung F. unterzeichnetes Übergabeprotokoll vom 14.1.2015 beigefügt, in dem diese beiden Personen bestätigen, dass sie das Kündigungsschreiben des beklagten Landes vom 13.1.2015 am 14.1.2015 um 15:12 Uhr in den Briefkasten des Klägers eingeworfen haben. Zum anderen befanden sich in ihrem Anhang mehrere Fotoaufnahmen, von denen eine zeigt, wie ein Brief in einen Briefkasten mit der Aufschrift "G." eingeworfen wird.
20Im Juli 2015 führte ein Dezernatsleiter des Landeskriminalamts O. Gespräche über eine mögliche Rückkehr des Klägers mit 13 von 14 Mitarbeitern des Landeskriminalamts O., die in der Vergangenheit mit dem Kläger im selben Sachgebiet zusammengearbeitet hatten. Diese Mitarbeiter gaben im Rahmen dieser Gespräche allesamt an, dass sie im Falle einer Rückkehr des Klägers erhebliche Konfrontationen mit dem Kläger und dem von ihm zu erwartenden Verhalten befürchten. Einige von ihnen äußerten sogar ausdrücklich erhebliche Sorge, Opfer möglichen aggressiven Verhaltens des Klägers zu werden.
21Am 31.7.2015 teilte der Kläger einer im Vorzimmer des Verwaltungsleiters C. tätigen Mitarbeiterin des Landeskriminalamts mit, dass er gegen den ständigen Vertreter des Direktors des Landeskriminalamts O. Anzeige erstattet habe. Am 2.8.2015 suchte der Kläger um 21:45 Uhr die Wohnung des ehemaligen Direktors des Landeskriminalamts O. auf. Der ehemalige Direktor des Landeskriminalamts befand sich zu diesem Zeitpunkt mit seiner Ehefrau und Gästen auf dem Balkon seiner Wohnung. Der Kläger rief ihn mit Namen an und sagte etwas Unverständliches. Anschließend rief der Kläger ihm zu, er hätte vor elf Jahren sein Leben zerstört. Diesen Ausruf wiederholte der Kläger im weiteren Verlauf noch einmal.
22In einem auf Ersuchen des Amtsgerichts E. vom 18.5.2015 und vom 31.7.2015 vom Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie U. erstatteten fachärztlich psychiatrischen Gutachten über den Kläger vom 11.8.2015 heißt es unter anderem:
23"[…]
24Schuldfähigkeit
25Die bei Herrn G. zum Untersuchungszeitpunkt vorliegende schwere Zwangserkrankung ist in ihrem Ausprägungsgrad der juristischen Kategorie der ‚schweren andere[n] seelische[n] Abartigkeit‘ (besser wäre die Formulierung vergleichbar schwere seelische Störung) zuzuordnen. Die als chronisch zu bezeichnende Zwangserkrankung des Herrn G. hat mit großer Wahrscheinlichkeit zu [den] hier retrospektiv zu beurteilenden Tatzeitpunkten (7. Februar 2013 und 19. Dezember 2014) jeweils in einem solch erheblichen Schweregrad vorgelegen, dass die Erkrankung den Schweregrad der juristischen Kategorie der ‚krankhaften seelischen Störung‘ entspricht.
26[…]
27Außerdem ist festzuhalten: Während zu beiden Tatzeitpunkten Einsichtsfähigkeit in das Unrecht einer möglichen Tat vorgelegen haben könnte, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der zum Tatzeitpunkt anzunehmende Schweregrad der Zwangserkrankung dazu geführt hat, dass die Steuerungsfähigkeit des Herrn G. zumindest erheblich vermindert, wenn nicht sogar aufgehoben war. […].
28[…]."
29Wegen des weiteren Inhalts dieses Gutachtens wird auf die Anlage CC 25 zum Schriftsatz des beklagten Landes vom 27.10.2015 (Bl. 440 ff. d.A.) verwiesen.
30Mit seiner bereits am 22.1.2015 bei Gericht eingegangenen und dem beklagten Land am 28.1.2015 zugestellten Klage macht der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung des beklagten Landes vom 13.1.2015 geltend.
31Der Kläger ist unter Verweis auf das fachärztliche psychiatrische Gutachten vom 11.8.2015 der Ansicht, er sei prozessunfähig. Dessen ungeachtet sei die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 13.1.2015 aber auch mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes rechtsunwirksam.
32Der Kläger behauptet, dass er den Verwaltungsleiter C. nie privat angerufen und dementsprechend auch nicht telefonisch bedroht habe. Am 19.12.2014 sei er zu Beginn des an diesem Abend stattfindenden Fußballspiels zwischen Fortuna E. und Union Berlin um 18:30 Uhr bei sich zu Hause gewesen. Bis ca. 19:00 Uhr habe er das Spiel im Radio verfolgt. Um 19:05 Uhr habe er dann seine Wohnung verlassen und sei mit dem Fahrrad in Richtung D. gefahren. Dort sei er gegen 19:15 Uhr angekommen, habe sein Fahrrad abgestellt und sei dann über die I. an der B. entlang zur N. gegangen. Dort sei er gegen 19:25 Uhr an der Pizzeria D. eingetroffen, wo er ca. 15 Minuten auf seine Pizza gewartet habe. Anschließend sei er über die I.- und die C. zum D. zurückgegangen. Dabei habe er die Pizza gegessen und auf den Bildschirmen kurz das laufende Fußballspiel verfolgt. Anschließend sei er mit seinem Fahrrad über die L. und den H. zu seiner Wohnung zurückgefahren. Dort sei er gegen 20:15 Uhr eingetroffen. Er sei dann in seine Wohnung in der 4. Etage gegangen. Gegen 20:28 Uhr habe es geklingelt. Er habe dann aus dem Fenster in seinem Wohnzimmer runter geguckt. Vor der Tür habe sein Nachbar I. gestanden. Dieser habe ihm gesagt: "Fortuna hat gewonnen". Er habe dann erwidert: "Wie Fortuna hat gewonnen". Sein Nachbar P. habe dann gesagt: "Komm runter". Er habe dann seine Jacke angezogen und sei nach unten gegangen. Dort habe er von ca. 20:30 Uhr bis 20:50 Uhr/20:53 Uhr mit seinem Nachbarn P. vor der Haustür ausschließlich über Fußball gesprochen. Sein Nachbar P. habe das Fußballspiel zwischen Fortuna E. und Union Berlin vollständig gesehen und ihm davon berichtet. Er habe bereits am Vortag mit seinem Nachbarn P. über dieses Spiel gesprochen. Dabei habe sein Nachbar P. ihm den Ausgang des Spiels samt dem Torschützen vorausgesagt. Er sei daher glücklich gewesen, dass sich diese Voraussage durch den Ausgang des Spiels bestätigt habe. Nachdem er sich von seinem Nachbarn P. schließlich verabschiedet habe, sei dieser wohl noch einkaufen gegangen. Anschließend habe er vor der Haustür überlegt, was er an diesem Abend noch machen soll. Gegen 20:54 Uhr habe er dann vor der Haustür seine geschiedene Ehefrau angetroffen. Sie habe Altpapier dabei gehabt. Er sei dann zu einem kurzen Dialog gekommen. Er habe sie gefragt, ob er sie zum Altpapiercontainer begleiten solle. Er habe dann noch vor seine Haustür gewartet, um seine geschiedene Ehefrau zu sehen, da er gewusst habe, dass sie nach rund fünf Minuten von dem Altpapiercontainer zurückkehren werde. Er habe sie dann auch noch kurz gesehen und gesprochen. Sie sei dann wieder in ihre Wohnung reingegangen. Er habe sich dann entschieden, nach Krefeld in ein Tanzlokal zu fahren und sei in seinen Pkw eingestiegen. Im weiteren Verlauf habe seine geschiedene Ehefrau gegen 22:20 Uhr versucht, ihn auf seinem Mobiltelefon anzurufen, als er gerade auf der Tanzfläche in dem Tanzlokal in Krefeld gewesen sei. Etwa 25 Minuten später, als er habe gucken wollen, wer angerufen habe, und aus dem Tanzlokal habe herausgehen wollen, habe sein Mobiltelefon erneut geklingelt und seine geschiedene Ehefrau sein dran gewesen. Sie habe ihn dann darüber informiert, dass die Polizei bei ihm zu Hause an der Wohnung gewesen sei.
33Darüber hinaus behauptet der Kläger, das Mitglied der bei dem Landeskriminalamt O. gebildeten Schwerbehindertenvertretung F. sei in der Vergangenheit öfters mit dem Verwaltungsleiter C. aneinandergeraten. Die Kündigung des beklagten Landes vom 13.1.2015 sei ihm schließlich erst am 16.1.2015 zugegangen.
34Dessen ungeachtet ist der Kläger jedenfalls unter Verweis auf das fachärztliche psychiatrische Gutachten vom 11.8.2015 der Ansicht, sein Verhalten sei kein Grund für eine Kündigung, sondern müsse als Krankheit hingenommen werden.
35Der Kläger beantragt,
36festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des beklagten Landes vom 13.1.2015 nicht aufgelöst ist.
37Das beklagte Land beantragt,
38die Klage abzuweisen.
39Es behauptet, der Kläger habe am 19.12.2014 gegen 20:50 Uhr den Verwaltungsleiter C. auf dessen dienstlichen Mobiltelefon angerufen. Der Verwaltungsleiter C. habe den Kläger sofort an dessen markanter Stimme und an seinem Sprachstil erkannt. Ohne seinen Namen zu nennen habe der Kläger gesagt: "Ich kenne Sie, Sie kennen mich. Sie haben eine undichte Stelle in A.. Ich bin Ermittler im LKA. Sie kennen mich. Ich habe Sie damals angezeigt." Der Verwaltungsleiter C. habe daraufhin gefragt, ob der Anrufer sich nicht namentlich zu erkennen geben wolle und was er konkret wolle. Der Kläger habe darauf geantwortet: "Ich bin Ermittler im LKA. Du kennst mich: G.! Ich habe deine Rufnummer. Du wohnst in L., L.. Ich stech‘ dich ab!" Im weiteren Verlauf des Telefonats habe der Kläger auf die gemeinsame Vorgeschichte zwischen dem Verwaltungsleiter C. und ihm selbst, die zu seiner Verurteilung wegen Betrugs durch das Amtsgericht E. geführt habe, Bezug genommen. Insbesondere habe er dazu geäußert, dass der Verwaltungsleiter C. ihn ja damals verfolgt habe. Die Drohung "Ich stech‘ dich ab" habe der Kläger im weiteren Verlauf des Telefonats mehrfach wiederholt.
40Im Übrigen behauptet das beklagte Land, sein Kündigungsschreiben vom 13.1.2015 sei bereits am 14.1.2015 um 15:12 Uhr von dem Mitarbeiter des Dezernats A. des Landeskriminalamts O. L. und dem Mitglied der beim Landeskriminalamt O. gebildeten Schwerbehindertenvertretung F. in den zur Wohnung des Klägers gehörigen Briefkasten eingeworfen worden.
41Am 22.12.2014 habe eine für Personalangelegenheiten zuständige Mitarbeiterin des Landeskriminalamts O. den Kläger in Anwesenheit eines Mitglieds des beim Landeskriminalamt O. gebildeten Personalrats zu dem Vorwurf angehört, er habe den Verwaltungsleiter C. am 19.12.2014 telefonisch bedroht. Der Kläger habe dabei einen entsprechenden Telefonanruf abgestritten und erklärt, für den Zeitpunkt des Anrufs ein Alibi zu besitzen, da seine geschiedene, im selben Haus wie er wohnende Ehefrau zu diesem Zeitpunkt bei ihm gewesen sei.
42Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen C., G. und P. sowie durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Chefarztes der Psychiatrischen Klinik und der Tagesklinik des T. b.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der öffentlichen Sitzungen vom 26.3.2015 und vom 9.7.2015 sowie auf das schriftliche Gutachten des Chefarztes der Psychiatrischen Klinik und der Tagesklinik des T. b. vom 26.4.2016 Bezug genommen.
43Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Ergebnis der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
44E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
45I.
46Die zulässige Klage ist unbegründet.
471.Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Kläger prozessfähig.
48a)Die Prozessfähigkeit gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 51 Abs. 1, 52 ZPO ist zwingende Prozessvoraussetzung (statt vieler: BAG 5.6.2014 - 6 AZN 267/14 - Rn. 13, NZA 2014, 799). Für die Prozessfähigkeit ist maßgeblich, ob eine Person sich durch Verträge verpflichten kann (§ 52 ZPO). Prozessunfähig, weil geschäftsunfähig, sind deshalb Volljährige unter den Voraussetzungen des § 104 Nr. 2 BGB. Danach ist geschäftsunfähig, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden, dauerhaften Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet. Ein solcher Zustand ist gegeben, wenn jemand nicht im Stande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von einer vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Das kann auch der Fall sein, wenn lediglich eine Geistesschwäche vorliegt. Abzustellen ist allein darauf, ob eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich ist oder ob umgekehrt von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, etwa weil infolge der Geistesstörung Einflüsse dritter Personen den Willen übermäßig beherrschen (BAG 28.5.2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 8 m.w.N., NZA 2009, 1109; BAG 5.6.2014 - 6 AZN 267/14 - Rn. 15, NZA 2014, 799).
49b)Bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine Partei prozessunfähig sein könnte, hat das jeweils mit der Sache befasste Gericht nach § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 56 Abs. 1 ZPO von Amts wegen zu ermitteln, ob Prozessunfähigkeit vorliegt. Dabei ist es nicht an die förmlichen Beweismittel des Zivilprozesses gebunden, vielmehr gilt der Grundsatz des Freibeweises. Das mögliche Fehlen der Prozessfähigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen (BAG 5.6.2014 - 6 AZN 267/14 - Rn. 13 m.w.N., NZA 2014, 799). Verbleiben nach Erschöpfung aller erschließbaren Erkenntnisquellen hinreichende Anhaltspunkte für eine Prozessunfähigkeit, so gehen etwa noch vorhandene Zweifel zu Lasten der betroffenen Partei (BAG 28.5.2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 4 m.w.N., NZA 2009, 1109).
50c)Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Kammer mit der erforderlichen Sicherheit überzeugt, dass der Kläger sich weder zum Zeitpunkt der Erhebung seiner Klage noch im weiteren Verlauf des Verfahrens in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden, dauerhaften Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befand. Diese Überzeugung stützt sich auf das schriftliche Gutachten des Chefarztes der Psychiatrischen Klinik und der Tagesklinik des T. b. vom 26.4.2016.
51aa)Das schriftliche Gutachten des Chefarztes der Psychiatrischen Klinik und der Tagesklinik des T. b. vom 26.4.2016 kommt zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger eine psychische Störung, nämlich eine Zwangsstörung, besteht, die deutlich an Intensität abgenommen hat, und eine depressive Störung, die durch entsprechende Therapie gut remittiert sei. Beide Störungen führten aber nicht zu einer Einschränkung der Prozessfähigkeit des Klägers. Der Kläger habe sich weder zum Zeitpunkt der Erhebung seiner Klage noch danach in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden, dauerhaften Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden. Er sei in der Vergangenheit und auch derzeit vielmehr im Stande, seinen Willen - jedenfalls bezogen auf die Führung des vorliegenden arbeitsgerichtlichen Verfahrens, aber auch bezogen auf andere Angelegenheiten - frei und unbeeinflusst von einer vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnen Einsichten zu handeln.
52bb)Das schriftliche Gutachten des Chefarztes der Psychiatrischen Klinik und der Tagesklinik des T. b. vom 26.4.2016 besitzt nach Ansicht der Kammer eine hinreichende Überzeugungskraft. Die vom Gericht aufgeworfene Beweisfrage, ob der Kläger sich zum Zeitpunkt der Aufgabe seiner Klage auf der Rechtsantragsstelle am 22.1.2015 und/oder seit diesem Zeitpunkt nicht in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden, dauerhaften Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befand, also ob er im Stande war, seinen Willen frei und unbeeinflusst von einer vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln, hat der Gutachter unter Berücksichtigung des Inhalts der Verfahrensakte nach ambulanter Begutachtung des Klägers am 15.3.2016 mit präziser, nachvollziehbarer, widerspruchsfreier und überzeugender Begründung beantwortet. Dabei ist er von den zutreffenden Anschlusstatsachen ausgegangen und hat den Sachverhalt umfassend und vollständig gewürdigt. Einwendungen gegen das schriftliche Gutachten des Chefarztes der Psychiatrischen Klinik und der Tagesklinik des T. b. vom 26.4.2016 haben die Parteien nach dessen Vorlage nicht erhoben. Ebenso haben sie keine dieses Gutachten betreffenden Anträge oder schriftlichen Ergänzungsfragen gestellt.
532.Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 13.1.2015 aufgelöst. Entgegen der Ansicht des Klägers ist diese Kündigung rechtswirksam.
54a)Ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung liegt vor.
55aa)Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der - ggf. fiktiven - Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich" und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., statt vieler: BAG 22.10.2015 - 2 AZR 569/14 - Rn. 20 m.w.N., NZA 2016, 417).
56bb)Der Sachverhalt ist ohne seine besonderen Umstände "an sich" als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung geeignet.
57(1)Als wichtiger Grund kann neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten "an sich" geeignet sein, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Zu diesen Nebenpflichten zählt insbesondere die Pflicht der Arbeitsvertragsparteien zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des jeweils anderen Teils (§ 241 Abs. 2 BGB). Danach hat der Arbeitnehmer seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann (st. Rspr., statt vieler: BAG 18.12.2014 - 2 AZR 265/14 - Rn. 15 m.w.N., NZA 2015, 797).
58(2)Die ernsthafte und nachhaltige Bedrohung des Arbeitgebers, seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen stellt einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme gemäß § 241 Abs. 2 BGB dar und ist "an sich" geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (vgl. BAG 12.1.1995 - 2 AZR 456/94 - zu B. III. 2. der Gründe, RzK I 6g Nr. 22; LAG E. 16.7.2003 - 12 Sa 690/03 - zu I. 1. a] der Gründe, LAGE Nr. 1 zu § 280 BGB 2002; LAG E. 21.8.2008 - 5 Sa 240/08 - Rn. 45, juris; LAG Hamm 20.11.2009 - 13 TaBV 42/09 - Rn. 35, 46, juris; LAG Hamm 18.1.2013 - 13 Sa 1070/12 - Rn. 45, juris; LAG Hessen 21.8.2002 - 6 Sa 1391/01 - Rn. 57, 61, juris; LAG Köln 21.3. 2007 - 7 TaBV 38/06 - zu II. B. 2. a] der Gründe, AE 2008, 35; KR/Fischermeier, 11. Aufl., 2016, § 626 BGB Rn. 449; MünchKommBGB/Henssler, 6. Aufl., 2012, § 626 BGB Rn. 227; jurisPK-BGB/Weth, 7. Aufl., 2014, § 626 BGB Rn. 17). Unter einer Bedrohung ist dabei das ausdrücklich erklärte oder konkludent zum Ausdruck gebrachte Inaussichtstellen der Begehung eines Verbrechens gegen den Drohungsadressaten oder eine ihm nahestehende Person zu verstehen, das seinem Erklärungsgehalt nach objektiv geeignet erscheint, den Eindruck der Ernstlichkeit zu erwecken (BGH 15.1.2015 - 4 StR 419/14 - Rn. 9, NStZ 2015, 394; vgl. auch: OLG Koblenz 20.2.2006 - 1 Ss 367/05- zu II. der Gründe, NJW 2006, 3015; Schönke/Schröder/Eser/Eisele, StGB, 29. Aufl., 2014, § 241 StGB Rn. 4).
59(3)Der kündigende Arbeitgeber ist für alle Umstände darlegungs- und be-weispflichtig, die als wichtige Gründe i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB geeignet sein können (vgl. BAG 23.2.2010 - 9 AZN 876/09 - Rn. 16, NZA 2010, 1222). Dies schließt die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen von Umständen ein, die den Arbeitnehmer entlasten (vgl. BAG 27.9.2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 28 m.w.N., AP Nr. 240 zu § 626 BGB). Dabei braucht der kündigende Arbeitgeber allerdings nicht von vornherein alle nur denkbaren, den Arbeitnehmer entlastenden Umstände zu widerlegen. Vielmehr ist der Arbeitnehmer im Rahmen einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast gehalten, die Umstände, die ihn entlasten, so konkret vorzutragen, dass dies dem Arbeitgeber ihre Überprüfung und - wenn er sie für unrichtig hält - auch einen erforderlichen Beweisantritt ermöglicht (vgl. BAG 23.2.2010 - 9 AZN 876/09 - Rn. 16, NZA 2010, 1222).
60(4)Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger in schuldhafter und erheblicher Weise gegen seine arbeitsvertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme verstoßen.
61(a)Der Kläger hat ernsthaft und nachhaltig seinen Vorgesetzten, den Verwaltungsleiter C. bedroht.
62(aa)Die Kammer ist mit der zur Verurteilung erforderlichen Sicherheit überzeugt, dass der Kläger am 19.12.2014 den Verwaltungsleiter C. telefonisch mit den Worten "Ich stech‘ dich ab!" bedroht hat. Diese Überzeugung stützt sich auf die glaubhafte Aussage des Zeugen C..
63(aaa)Der Zeuge C. hat bekundet, dass er am 19.12.2014 gegen 20:50 Uhr zunächst über seinen privaten Festnetzanschluss angerufen worden sei, dass er diesen Anruf allerdings spät wahrgenommen habe und dass das Gespräch bei Abnehmen des Festnetztelefons bereits beendet gewesen sei. Etwa eine Minute später habe er einen Anruf auf seinem dienstlichen Mobiltelefon erhalten. Der Anrufer habe zu ihm, ohne seinen Namen zu nennen, gesagt: "Ich kenne Sie, Sie kennen mich auch." Der Anrufer habe dann einiges Weitere gesagt, an das er sich nicht mehr im Detail erinnere. Er selbst habe dann versucht, herauszufinden, was der Anrufer wolle. Der Anrufer habe dann gesagt: "Sie haben eine undichte Stelle in A.." Anschließend habe er durch Schweigen und Laute versucht, herauszufinden, was der Anrufer wollte. Daraufhin habe der Anrufer gesagt: "Ich bin Ermittler im LKA." Bereits zuvor, nach wenigen Sekunden, habe er selbst aufgrund der Stimmer und der Sprechweise des Anrufers, insbesondere aufgrund eines Sprechfehlers bei s-, ß- und z-Lauten relativ deutlich erkannt, dass es sich bei dem Anrufer um den Kläger handeln müsse, mit dem er in den vergangenen Jahren mehrere Gespräche geführt habe. Der Anrufer habe dann wiederholt: "Sie kennen mich. Ich kenne Sie auch." Der Anrufer habe anschließend begonnen, ihn zu duzen und abermals gesagt: "Es gibt eine undichte Stelle in A.." Er habe daraufhin dann erwidert, dass er dies nicht glaube und den Anrufer gefragt, wie er darauf komme. Der Anrufer habe daraufhin erwidert: "Ich bin LKA-Ermittler. Ich kenne dich. Du kennst mich auch. Ich habe dich damals angezeigt." Unmittelbar davor oder danach habe der Anrufer dann relativ leise, geradezu kleinlaut "G." gesagt. Im Anschluss habe der Anrufer dann gesagt: "Ich stech‘ dich ab!" Diese Worte habe er im weiteren Verlauf des Telefonats noch einmal wiederholt, verbunden mit den Worten: "Ich kenne dich. Du kennst mich. Ich habe deine Rufnummer. Ich weiß, wo du wohnst. L., L.." Anschließend habe der Anrufer dann noch etwas gesagt, was er sich nicht habe merken können. Nachdem er dann nichts Weiteres habe herausfinden können und der Anrufer Vorgesagtes wiederholt habe, habe er schließlich das Telefonat beendet. Danach habe er sich dann hingesetzt und einen Kaffee getrunken, um etwas runter zu kommen. Er sei von dem Anruf völlig überrascht gewesen, zumal er seit Beginn der Woche erkrankt gewesen sei. Anschließend habe er ein Blatt Papier genommen, um zu den frischen Eindrücken ein paar Notizen zu machen, insbesondere zu den Punkten, die der Anrufer besonders betont habe. Nachdem er den Kaffee ausgetrunken habe, habe er sodann den stellvertretenden Direktor des Landeskriminalamts O. angerufen und ihm kurz beschrieben, was passiert sei. Er sei von dem Anruf sichtlich beeindruckt und innerlich angespannt gewesen. Eine Begegnung mit dem Kläger im Landeskriminalamt O. habe er in den darauf folgenden Tagen in jedem Fall vermeiden wollen. Er habe keinen klaren Gedanken fassen können und ihm sei unklar gewesen, wie es zu dem Anruf gekommen sei. Er habe sich zunächst gedacht, der Kläger wohne in E. und könne daher nicht so schnell zu ihm nach L. kommen. Anschließend habe er aber gedacht, vielleicht ruft er auch von einer Telefonzelle in der Nähe aus an. Der stellvertretende Leiter des Landeskriminalamts O. habe dann versucht, ihn zu beschwichtigen. Abschließend habe er schließlich den Lagedienst des Landeskriminalamts O. angerufen, um die E-Mailadresse der sogenannten Internetwache zu erfragen. Dieser Internetwache habe er den Sachverhalt sodann per E-Mail übermittelt.
64(bbb)Diese Aussage des Zeugen C. ist nach Ansicht der Kammer glaubhaft.
65Die Aussage des Zeugen C. ist zunächst für sich genommen glaubhaft Denn der Zeuge C. hat den Ablauf und den Inhalt des Telefonats über sein dienstliches Mobiltelefon am 19.12.2014 gegen 20:50 Uhr bereits von sich aus detailliert und widerspruchsfrei geschildet. Dabei war ihm mehrfach anzumerken, dass dieses Telefonat, obwohl es zum Zeitpunkt seiner Vernehmung als Zeuge in der öffentlichen Sitzung vom 26.3.2015 bereits gut drei Monate zurücklag, nach wie vor emotional belastete und erregte. Dementsprechend war seine gesamte Aussage auch durch eine besondere Emotionalität geprägt. So erwähnte der Zeuge C. von sich aus seine "Aufregung" während des Telefonats und dass er sich nach Ende des Telefonats "hingesetzt und einen Kaffee getrunken [habe], um etwas runter zu kommen". Des Weiteren bekundete er, dass er von dem Anruf "völlig überrascht", "sichtlich beeindruckt" und "innerlich angespannt" gewesen sei. Er habe danach "keinen klaren Gedanken fassen" können und sich Sorgen gemacht, dass der Kläger ihn aus einer Telefonzelle in der Nähe seines Wohnorts aus angerufen habe. Schließlich erklärte der Zeuge C. auch, dass er eine "Begegnung mit dem Kläger im Landeskriminalamt [O.] in den kommenden Tagen vermeiden" wollte. Die gute Erinnerung des Zeugen C. an das zum Zeitpunkt seine Vernehmung bereits gut drei Monate zurückliegende Telefonat erklärt sich bereits aus diesem emotionalen Erleben heraus und zusätzlich dadurch, dass der Zeuge C. nach eigenem Bekunden nach Ende des Telefonats "ein Blatt Papier genommen [hat], um zu den frischen Eindrücken ein paar Notizen zu machen, insbesondere zu den Punkten die der Anrufer besonders betont hatte", dass er sodann den stellvertretenden Leiter des Landeskriminalsamts O. anrief, um ihm kurz zu beschreiben, was passiert war, und dass er anschließend "den Sachverhalt per E-Mail an die Internetwache übermittelt[e]". Trotz dieser guten Erinnerung hat der Zeuge C. aber auch mehrfach bestehende Erinnerungslücken nicht verschwiegen, sondern offengelegt ("Er hat dann einiges Weitere gesagt, an dass ich mich nicht mehr im Detail erinnere."; "Der Anrufer hat dann noch etwas gesagt, war ich mir aufgrund der Aufregung nicht merken konnte."; "Ich bin mir nicht hundert Prozent sicher, ob er diese Drohung am Ende mit meiner Adresse verbunden hat oder bereits zu Beginn."). Ebenso deckt sich seine Aussage nicht in jedem Detail mit dem Sachvortrag des beklagten Landes, bestätigt ihn aber im Kern. Darüber hinaus ist nicht ansatzweise ein Motiv ersichtlich, das den Zeugen C. dazu verleitet haben könnte, den Kläger unberechtigterweise zu belasten. Einmal abgesehen davon, dass der Zeuge C. durch eine solches Verhalten möglicherweise seine Position als Verwaltungsleiter des Landeskriminalamts O. "aufs Spiel setzen" würde, hat er von sich aus unwidersprochen bekundet, dass er den Kläger letztmalig im Rahmen des Strafverfahrens vor dem Amtsgericht E. gesehen habe, in welchem er als Zeuge ausgesagt habe und dass er ihn anschließend vielleicht einmal im Landeskriminalamt O. wahrgenommen, aber keinen unmittelbaren Kontakt mit ihm gehabt habe. Vor diesem Hintergrund erscheint es aus Sicht der Kammer absolut fernliegend, dass der Zeuge C. den Kläger mit dem Anruf unberechtigt belastet hat, weil dieser ihn im Jahr 2012 wegen Nötigung angezeigt hat. Für eine unberechtigte Bezichtigung des Klägers spricht schließlich auch nicht, dass der Anrufer nach Aussage des Zeuge C. den Namen "G." genannt hat. Hätte der Zeuge C. den Inhalt des Telefonats über sein dienstliches Mobiltelefon am 19.12.2014 um 20:50 Uhr nämlich frei erfunden, hätte es nahe gelegen, eine solche explizite Namensnennung des Anrufers nicht zu schildern, da sie eher ungewöhnlich erscheint.
66Darüber hinaus sprechen auch weitere objektive Anhaltspunkte für die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen C.. Die Kammer teilt aus eigenem Erleben die Einschätzung des Zeugen C., dass der Kläger anhand seiner Stimme und Sprechweise leicht identifizierbar ist. Des Weiteren hatte der Kläger als Mitarbeiter des Landeskriminalamts auch Zugriff auf die Nummer des dienstlichen Mobiltelefons des Zeugen C.. Die zuvor angewählte Festnetznummer war nach Bekunden des Zeugen C. einer Hundezucht zugeordnet, die er gemeinsam mit seiner Ehefrau betrieb, und daher im Internet auffindbar. Schließlich spricht auch der Umstand, dass der Anrufer die Abkürzung "A." verwendete und auf die Strafanzeige gegen den Zeugen C. wegen Nötigung einging, dafür, dass der Kläger selbst dieser Anrufer war. Denn zum einen setzt die Kenntnis der Abkürzung "A." Kenntnisse über die interne Organisation des Landeskriminalamts O. voraus. Zum anderen war die Strafanzeige gegen den Zeugen C. wegen Nötigung nach seiner unwidersprochenen Aussage die einzige Strafanzeige gegen ihn während seiner Dienstzeit und neben dem Kläger und ihm selbst nur wenigen weiteren Personen im Landeskriminalamt O. bekannt.
67(bb)Die Kammer ist darüber hinaus mit der zur Verurteilung erforderlichen Sicherheit überzeugt, dass der Kläger am 19.12.2014 nicht von ca. 20:30 Uhr bis 20:50/20:53 Uhr mit dem Zeugen P. und sodann gegen 20:54 Uhr mit der Zeugin G. vor der Haustür seines Wohnhauses gesprochen hat.
68(aaa)Diese Überzeugung stützt sich zunächst wiederum maßgeblich auf die glaubhafte Aussage des Zeugen C.. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen unter I. 1. b) dd) (1) (a) der Gründe Bezug genommen.
69(bbb)Darüber hinaus stützt sich diese Überzeugung der Kammer auch auf die unstreitige Tatsache, dass der Anruf auf dem dienstlichen Mobiltelefon des Verwaltungsleiters C. am 19.12.2014 gegen 20:50 Uhr von einer Telefonzelle in Höhe der H. in E. aus erfolgte. Diese Telefonzelle befand sich nur 3,5 km von der Wohnung des Klägers entfernt. Dementsprechend konnte der Kläger sie mit dem Auto in weniger als zehn Minuten, mit dem Fahrrad in weniger als 15 Minuten und mit öffentlichen Verkehrsmitteln in rund zwanzig Minuten erreichen. Dies wäre ihm daher selbst dann noch ohne weiteres möglich gewesen, wenn er am 19.12.2014 erst gegen 20:15 Uhr aus der Düsseldorfer Altstadt wieder zu seiner Wohnung zurückgekehrt sein sollte.
70(ccc)Gegenteiliges folgt zunächst nicht aus den Einlassungen des Klägers im Laufe des Verfahrens. Diese sind nach Ansicht der Kammer nicht glaubhaft.
71Der Kläger hat in der öffentlichen Sitzung vom 26.3.2015 auf Nachfrage des Gerichts bekundet, dass er am 19.12.2014 zu Beginn des an diesem Abend stattfindenden Fußballspiels zwischen Fortuna E. und Union Berlin um 18:30 Uhr bei sich zu Hause gewesen sei. Bis ca. 19:00 Uhr habe er das Spiel im Radio verfolgt. Um 19:05 Uhr habe er dann seine Wohnung verlassen und sei mit dem Fahrrad in Richtung D. gefahren. Dort sei er gegen 19:15 Uhr angekommen, habe sein Fahrrad abgestellt und sei dann über die I. an der B. entlang zur N. gegangen. Dort sei er gegen 19:25 Uhr an der Pizzeria D. eingetroffen, wo er ca. 15 Minuten auf seine Pizza gewartet habe. Anschließend sei er über die I.- und die C. zum D. zurückgegangen. Dabei habe er die Pizza gegessen und auf den Bildschirmen kurz das laufende Fußballspiel verfolgt. Anschließend sei er mit seinem Fahrrad über die L. und den H. zu seiner Wohnung zurückgefahren. Dort sei er gegen 20:15 Uhr eingetroffen. Er sei dann in seine Wohnung in der 4. Etage gegangen. Gegen 20:28 Uhr habe es geklingelt. Er habe dann aus dem Fenster in seinem Wohnzimmer runter geguckt. Vor der Tür habe sein Nachbar P. gestanden. Dieser habe ihm gesagt: "Fortuna hat gewonnen". Er habe dann erwidert: "Wie Fortuna hat gewonnen". Sein Nachbar P. habe dann gesagt: "Komm runter". Er habe dann seine Jacke angezogen und sei nach unten gegangen. Dort habe er von ca. 20:30 Uhr bis 20:50 Uhr/20:53 Uhr mit seinem Nachbarn P. gesprochen. Er habe dann überlegt, was er an diesem Abend noch machen soll. Gegen 20:54 Uhr habe er dann vor der Haustür seine geschiedene Ehefrau angetroffen. Sie habe Altpapier dabei gehabt. Er habe dann gefragt, ob er ihr helfen solle. Anschließend sei er nochmal in seine Wohnung gegangen und habe sich dann gegen 21:05 Uhr/21:10 Uhr mit seinem Pkw auf den Weg nach Krefeld in ein Tanzlokal gemacht. Im weiteren Verlauf habe seine geschiedene Ehefrau gegen 22:20 Uhr versucht, ihn auf seinem Mobiltelefon anzurufen, als er gerade auf der Tanzfläche in dem Tanzlokal in Krefeld gewesen sei. Etwa 25 Minuten später, als er habe gucken wollen, wer angerufen habe, und aus dem Tanzlokal habe herausgehen wollen, habe sein Mobiltelefon erneut geklingelt und seine geschiedene Ehefrau sein dran gewesen. Sie habe ihn dann darüber informiert, dass die Polizei bei ihm zu Hause an der Wohnung gewesen sei.
72In der öffentlichen Sitzung vom 9.7.2015 hat der Kläger auf Nachfrage des Gerichts bekundet, dass er am 19.12.2014 aus dem Fenster seines Wohnzimmers nach unten geguckt habe, nachdem es um 20:28 Uhr geklingelt habe. Er habe dann zwischen 20:30 Uhr bis 20:50 Uhr/20:53 Uhr mit seinem Nachbarn P. vor der Haustür ausschließlich über Fußball gesprochen. Sein Nachbar P. habe das Fußballspiel zwischen Fortuna E. und Union Berlin vollständig gesehen und ihm davon berichtet. Er habe bereits am Vortag mit seinem Nachbarn P. über dieses Spiel gesprochen. Dabei habe sein Nachbar P. ihm den Ausgang des Spiels samt dem Torschützen vorausgesagt. Er sei daher glücklich gewesen, dass sich diese Voraussage durch den Ausgang des Spiels bestätigt habe. Nachdem er sich von seinem Nachbarn P. verabschiedet habe, sei dieser wohl noch einkaufen gegangen. Anschließend habe er vor der Haustür überlegt, noch mit seinem Pkw in ein Tanzlokal nach Krefeld zu fahren. Dann sei seine geschiedene Ehefrau aus dem Haus gekommen. Sie habe Altpapier dabei gehabt. Es sei dann zu einem kurzen Dialog gekommen. Er habe sie gefragt, ob er sie zum Altpapiercontainer begleiten solle. Er habe dann noch vor seine Haustür gewartet, um seine geschiedene Ehefrau zu sehen, da er gewusst habe, dass sie nach rund fünf Minuten von dem Altpapiercontainer zurückkehren werde. Er habe sie dann auch noch kurz gesehen und gesprochen. Sie sei dann wieder in ihre Wohnung reingegangen. Er habe sich dann entschieden. nach Krefeld in ein Tanzlokal zu fahren und sei in seinen Pkw eingestiegen. In seine Wohnung sei er nicht noch einmal gegangen. Vielleicht sei er aber auch nochmal hoch in seine Wohnung auf Toilette gegangen. Dies könne er nicht mehr hundertprozentig sagen. Er meine aber ja.
73Diese Einlassungen des Klägers sind aus Sicht der Kammer schon für sich genommen nicht glaubhaft. Gegen die Glaubhaftigkeit der Einlassungen des Klägers spricht insbesondere, dass der Kläger erstmals in der öffentlichen Sitzung vom 26.3.2015 überwiegend auf die Minute genau das Geschehen am Abend des 19.12.2014 geschildet hat, ohne dass eine Grundlage für diese genauen Erinnerungen, wie z.B. eine schriftliche Aufzeichnung, ersichtlich ist. Zuvor hatte er solche minutengenauen Angaben dagegen weder im Laufe des vorliegenden Verfahrens noch - soweit ersichtlich - im Übrigen gemacht. Darüber hinaus weisen die beiden Einlassungen des Klägers in den öffentlichen Sitzungen vom 26.3.2015 und vom 9.7.2015 auch Widersprüche auf. Während der Kläger nämlich in der öffentlichen Sitzung vom 26.3.2015 bekundete, dass er seine geschiedene Ehefrau gegen 20:54 Uhr vor seiner Haustür getroffen habe, dass er anschließend in seine Wohnung gegangen sei und dass er sodann gegen 21:05 Uhr/21:10 Uhr mit seinem Pkw in das Tanzlokal nach Krefeld gefahren sei, führte er in der öffentlichen Sitzung vom 9.7.2015 aus, er habe nach dem ersten Aufeinandertreffen mit seiner geschiedenen Ehefrau fünf Minuten vor der Haustür auf sie gewartet, habe dann erneut mit ihr gesprochen und sei dann in seinen Pkw eingestiegen, um in das Tanzlokal nach Krefeld zu fahren. Dabei gab er zunächst an, nicht noch einmal in seine Wohnung gegangen zu sein. Anschließend relativierte er dieses Einlassung jedoch wieder und bekundete, dass er vielleicht aber auch nochmal hoch in seine Wohnung auf Toilette gegangen sei, dies aber nicht mehr hundertprozentig sagen könne, allerdings meine "ja".
74Darüber hinaus spricht gegen die Glaubhaftigkeit der Einlassungen des Klägers auch ihre fehlende Übereinstimmung mit den Aussagen der Zeugen G. und P. sowie mit sonstigen objektiven Anhaltspunkten.
75Die Einlassungen des Klägers weist sowohl Abweichungen gegenüber der Aussage des Zeugen P. als auch gegenüber der Aussage der Zeugin G. auf. In diesem Zusammenhang wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die sogleich folgenden Ausführungen unter I. 2. a) bb) (4) (a) (bb) (ddd) und (eee) der Gründe Bezug genommen.
76Ferner lassen sich die Einlassungen des Klägers auch nicht mit der von ihm selbst vorgelegten Verbindungsübersicht seines Mobiltelefons in Einklang bringen. Denn danach hat der Kläger erstmals um 22:19 Uhr und sodann um 22:21 Uhr, um 22:23 Uhr und um 22:28 Uhr die Nummer des Mobiltelefons seiner geschiedenen Ehefrau, der Zeugin G. angerufen. Der Kläger hat dagegen bekundet, dass die Zeugin G. gegen 22:20 Uhr versucht habe, ihn auf seinem Mobiltelefon anzurufen, als er gerade auf der Tanzfläche in dem Tanzlokal in Krefeld gewesen sei, und dass sie etwa 25 Minuten später, als er habe gucken wollen, wer angerufen habe, und aus dem Tanzlokal habe herausgehen wollen, erneut angerufen habe, also gegen 22:45 Uhr. Die vom Kläger selbst vorgelegte Verbindungsübersicht belegt indes, dass er bereits zuvor gesehen habe musste, wer angerufen hat, da er danach bereits ab 22:19 Uhr versuchte, die Zeugin G. anzurufen.
77Schließlich lassen sich die Einlassungen des Klägers auch nicht damit in Einklang bringen, dass er sich unstreitig erst am 20.12.2014 um 0:59 Uhr selbst telefonisch bei der Polizei meldete und angab, dass seine geschiedene Ehefrau, die im selben Haus wie er wohnt, ihn informiert habe, dass die Polizei ihn suche, und dass er nun zu Hause sei. Denn nach dem eigenen Bekunden des Klägers wusste er bereits seit ca. 22:45 Uhr, von seiner geschiedenen Ehefrau, dass die Polizei bei ihm zu Hause an der Wohnung gewesen war. Warum er sich dann jedoch erst nach über zwei Stunden bei der Polizei meldete, erschließt sich der Kammer nicht.
78(ddd)Darüber hinaus steht zur Überzeugung der Kammer auch nicht aufgrund der Aussage des Zeugen P. fest, dass der Kläger am 19.12.2014 von ca. 20:30 Uhr bis ca. 20:50 Uhr/20:53 Uhr mit diesem Zeugen gesprochen hat.
79Der Zeuge P. hat bekundet, dass er den Kläger bereits am 18.12.2014 am Kirchplatz getroffen und ihm erzählt habe, dass er im Hinblick auf das Fußballspiel von Fortuna E. gegen Union Berlin am 19.12.2014 eine Eingebung gehabt habe, nach der der Spieler Bolly das Tor für Fortuna E. schieße. Der Kläger habe daraufhin gelacht und zu ihm gesagt: "Wenn das zutrifft, dann kriegst Du einen Zehner." Nach Ende des Fußballspiels zwischen Fortuna E. und Union Berlin am 19.12.2014 gegen 20:20 Uhr/20:22 Uhr sei er aus seiner Wohnung runter und zur etwa 250m entfernten Wohnung des Klägers gegangen. Für diesen Weg habe er etwa fünf bis sechs Minuten gebraucht. Er habe noch etwas einkaufen wollen und beim Kläger geklingelt. Der Kläger sei dann am Fenster seiner Wohnung erschienen. Er selbst habe dann eine Handbewegung gemacht, mit der er ausgedrückt habe, dass er nun Geld vom Kläger bekomme. Mit dem Kläger gesprochen, habe er dabei nicht. Der Kläger sei dann vom Fenster seiner Wohnung Weg und nach rund zwei Minuten runtergekommen. Der Kläger habe ihm dann einen Zwanzigeuroschein gegeben. Er habe dem Kläger sodann zehn Euro zurückgegeben. Anschließend habe man gequatscht und sei dabei vom "Hölzchen aufs Stöckchen" gekommen. Insbesondere habe er mit dem Kläger über den Spieler Bolly, dessen Tor in der 89. Minute und seine Eingebung gesprochen sowie anschließend über Fortuna E.. Das Gespräch habe etwa 20 bis 25 Minuten gedauert und sei nicht unterbrochen worden. Um fünf vor bzw. kurz vor neun Uhr sei man dann auseinandergegangen. Er habe dem Kläger auf die Schulter geklopft und zu ihm gesagt: "Der Zehner macht Dir doch nichts aus." Er selbst sei zum Einkaufen gegangen. Nachdem er rund zwanzig bis dreißig Meter gegangen sei, habe er sich nochmal umgedreht und der Kläger habe noch vor dem Haus gestanden. Die Zeugin G. habe er weder während des Gesprächs mit dem Kläger noch danach gesehen.
80Die Aussage des Zeugen P. ist nach Ansicht der Kammer nicht glaubhaft. Gegen ihre Glaubhaftigkeit spricht insbesondere ihre fehlende Übereinstimmung mit den Einlassungen des Klägers und der Aussage der Zeugin G..
81Die Aussage des Zeugen P. weicht in mehrere Hinsicht von den Einlassungen des Klägers ab. Denn der Kläger hat bekundet, sein Nachbar P. habe zu ihm gesagt "Fortuna hat gewonnen.", nachdem er am 19.12.2014 aus dem Fenster seiner Wohnung runter geguckt habe, nachdem es bei ihm gegen 20:28 Uhr geklingelt habe. Er selbst habe darauf erwidert: "Wie Fortuna hat gewonnen?", worauf sein Nachbar P. gesagt habe: "Komm runter." Der Zeuge P. hat dagegen bekundet, er selbst habe eine Handbewegung gemacht, mit der er ausgedrückt habe, dass er vom Kläger Geld bekomme, nachdem er am 19.12.2014 nach Ende des Fußballspiels Fortuna E. gegen Union Berlin bei ihm geklingelt habe und der Kläger sodann am Fenster seiner Wohnung erschienen sei. Mit dem Kläger gesprochen, habe er dabei nicht, bis dieser vor dem Haus erschienen sei. Die Einlassung des Klägers und dies Aussage des Zeugen P. weisen somit erstens einen Widerspruch auf, soweit es um das Geschehen unmittelbar nach dem Erscheinen des Klägers am Fenster seiner Wohnung geht. Während nach der Einlassung des Klägers danach ein kurzer Dialog mit dem Zeugen P. stattfand, war dies nach Aussage des Zeugen P. gerade nicht der Fall. Zweitens weisen die beiden Aussagen eine ganz erhebliche fehlende Übereinstimmung auf, soweit der Zeuge P. seine Eingebung vom Vortag, die daraufhin abgeschlossene "Wette" mit dem Kläger und die Begleichung der "Wettschulden" des Klägers am Abend des 19.12.2014 schildert. Der Kläger hat lediglich und auch erstmals in seiner Einlassung in der öffentlichen Sitzung vom 9.7.2015 bekundet, er habe bereits am 18.12.2014 mit seinem Nachbarn P. über das Fußballspiel Fortuna E. gegen Union Berlin gesprochen und sein Nachbar P. habe dabei den Ausgang des Spiels samt dem Torschützen vorausgesagt. Diese Voraussage fand in seiner Einlassung in der öffentlichen Sitzung vom 26.3.2015 dagegen überhaupt keine Erwähnung. Ebenso wenig schilderte der Kläger in einer seiner beiden Einlassungen, dass er seinem Nachbarn P. für den Fall des Eintritts dieser Voraussage die Zahlung von zehn Euro versprochen und ihm diese zehn Euro sodann am 19.12.2012 in dem Gespräch ab 20:30 Uhr bezahlt hat. Dies verwundert umso mehr, da der Kläger im Übrigen im Wesentlichen minutengenau das Geschehen am Abend des 19.12.2014 darstellt und eine Erinnerung an die "Wette" mit dem Zeugen P. und an die Zahlung der zehn Euro angesichts der Ungewöhnlichkeit eines solchen Geschehensablaufs geradezu auf der Hand LAG.
82Darüber hinaus steht die Aussage des Zeugen P. auch in Widerspruch zur Aussage der Zeugin G.. In diesem Zusammenhang wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die sogleich folgenden Ausführungen unter I. 2. a) bb) (4) (a) (bb) (eee) der Gründe Bezug genommen.
83(eee)Ferner ist die Kammer auch nicht aufgrund der Aussage der Zeugin G. überzeugt, dass der Kläger am 19.12.2014 gegen 20:54 Uhr mit ihr gesprochen hat.
84Die Zeugin G. hat bekundet, sie sei am 19.12.2014 zur grauen Tonne direkt am Hof im Erdgeschoss ihres Wohnhauses gegangen. Sie habe dann gesehen, dass ihr geschiedener Ehemann darin ein paar Sachen entsorgt habe, unter anderem auch persönliche Daten. Sie habe diese Sachen dann herausgeholt und zum Altpapier genommen. Dies habe etwas gedauert. Sie sei dann gegen 20:30 Uhr an der Haustür gewesen und zum Altpapiercontainer gegangen. Sie habe dann aus dem Augenwinkel heraus gesehen, dass der Kläger dort gestanden und sich unterhalten habe. Mit wem er sich unterhalten habe, habe sie nicht gesehen. Sie sei sauer gewesen und habe deshalb nicht genau hingeschaut. Sie sei dann links vorbei zum Altpapiercontainer. Der Kläger sei dann hinter ihr her, habe ihr auf die Schulter geklopft und gefragt, ob er ihr helfen könne. Sie habe dann "Nein." gesagt und sei weiter zum Altpapiercontainer gegangen, der am Ende der Straße sei. Ein Weg dorthin dauere rund fünf Minuten. Am Altpapiercontainer habe sie dann ihre Sachen ausgeleert und sei dann wieder zurück. Der Kläger habe dann noch vor der Haustür gestanden, als sie gegen 20:40 Uhr wieder gekommen sei. Sie habe mit ihm gesprochen und dabei erklärt, warum sie so sauer gewesen sei, insbesondere dass er persönliche Sachen (Visitenkarten etc.) weggeworfen habe. Der Kläger habe gesagt, dass er sich mit dem Zeugen P. unterhalten habe. Das Gespräch habe gegen 20:45 Uhr/20:47 Uhr geendet. Danach sei sie alleine ins Haus reingegangen und nach oben in ihre Wohnung. Der Kläger sei draußen geblieben. Später am Abend sei gegen 21:30 Uhr die Polizei bei ihr gewesen. Sie habe wissen wollen, wo der Kläger wohne. Anschließend habe sie dann den Kläger auf seinem Mobiltelefon angerufen, ihn jedoch nicht direkt erreicht. Sie habe dann gegen kurz vor zehn Uhr mit dem Kläger gesprochen. Danach dagegen nicht mehr, soweit sie sich erinnern könne. Die Polizei sei im weiteren Verlauf gegen 2:00 Uhr nochmals erschienen und habe wiederum bei ihr geklingelt. Sie habe dann gefragt, worum es ginge. Ihr sei jedoch keine Auskunft gegeben worden. Auf Vorhalt der Verbindungsübersicht des Mobiltelefons des Klägers durch die Kammer hat die Zeugin G. sodann bekundet, sie müsse dann doch nochmal mit dem Kläger telefoniert haben. Er habe ihr gesagt, dass er auch bei der Polizei angerufen habe. Sie wisse jedoch nicht mehr genau. Sie habe ihn ziemlich viel später noch einmal angerufen. Wahrscheinlich nachdem die Polizei noch einmal da gewesen sei. Sie könne sich nicht genau erinnern, ob der Kläger beim ersten Mal zurückgerufen habe. Beim zweiten Mal habe sie ihn dann angerufen, nachdem die Polizei dagewesen sei. Beim ersten Mal habe sie den Kläger nach nochmaligem Versuch erreicht. Sie wisse nicht, ob er zwischenzeitlich nochmal angerufen habe. Dies sei immer etwas hin und her gegangen. Sie meine, es seien drei Telefonate gewesen. Erheblich mehr seien es ihrer Erinnerung nach nicht gewesen.
85Die Aussage der Zeugin G. ist nach Ansicht der Kammer nicht glaubhaft. Sie stimmt sowohl mit den Einlassungen des Klägers als auch mit der Aussage des Zeugen P. als auch mit sonstigen objektiven Anhaltspunkten nicht überein.
86Die Aussage der Zeugin G. weist zunächst mehrere Widersprüche gegenüber den Einlassungen des Klägers auf. Erstens hat der Kläger bekundet, er habe die Zeugin G. gegen 20:54 Uhr vor der Haustür angetroffen und gefragt, ob er ihr helfen solle. Die Zeugin G. hat dagegen ausgeführt, dass sie den Kläger erstmals um 20:30 Uhr vor der Haustür aus dem Augenwinkel heraus gesehen habe, und dass er sodann hinter her sei, ihr auf die Schulter geklopft und gefragt habe, ob er ihr helfen könne. Diese Schilderungen weichen sowohl hinsichtlich des Zeitpunkts des ersten Kontakts des Klägers und der Zeugin G. am Abend des 19.12.2014 als auch hinsichtlich der konkreten Umstände dieser ersten Kontaktaufnahme voneinander ab. Zweitens hat die Zeugin G. bekundet, der Kläger habe noch vor der Haustür gestanden, als sie gegen 20:40 Uhr vom Altpapiercontainer zurückgekehrt sei, sie habe dann mit ihm gesprochen und dabei erklärt, warum sie so sauer gewesen sei, insbesondere dass der Kläger persönliche Sachen (Visitenkarten etc.) weggeworfen habe. Der Kläger hat dagegen erstmals in seiner zweiten Einlassung in der öffentlichen Sitzung vom 9.7.2015 ein Gespräch mit der Zeugin G. nach ihrer Rückkehr vom Altpapiercontainer geschildert. Darüber hinaus hat er in keiner seiner Einlassungen erwähnt, dass die Zeugin G. sich ihm gegenüber darüber beschwert habe, dass er persönliche Sachen weggeworfen habe. Drittens hat der Kläger bekundet, die Zeugin G. am 19.12.2014 erstmals gegen 20:54 Uhr vor der Haustür angetroffen zu haben. Die Zeugin G. hat dagegen ausgeführt, dass ihr (zweites) Gespräch mit dem Kläger am 19.12.2014 bereits gegen 20:45 Uhr/20:47 Uhr geendet habe. Viertens hat der Kläger bekundet, dass die Zeugin G. ihn erstmals gegen 22:20 Uhr versucht habe, auf seinem Mobiltelefon anzurufen, und dass sie ihn etwa 25 Minuten später erneut angerufen habe. Die Zeugin G. hat dagegen ausgeführt, dass die Polizei gegen 21:30 Uhr bei ihr gewesen sei, dass sie den Kläger anschließend auf seinem Mobiltelefon angerufen, jedoch nicht direkt erreicht habe, und dass sie dann gegen kurz vor zehn Uhr mit dem Kläger gesprochen habe.
87Des Weiteren weicht die Aussage der Zeugin G. auch in erheblichem Umfang von der Aussage des Zeugen P. ab. Denn der Zeuge P. hat bekundet, dass er am 19.12.2014 ununterbrochen etwa 20 bis 25 Minuten mit dem Kläger vor der Haustür gesprochen habe und dass dieses Gespräch gegen fünf vor bzw. kurz vor neun Uhr sein Ende gefunden habe. Die Zeugin G. hat dagegen bekundet, dass sie bereits gegen 20:30 Uhr an der Haustür aus dem Augenwinkel heraus gesehen habe, dass der Kläger dort gestanden und sich unterhalten habe, dass der Kläger sodann hinter her sei, dass er ihr auf die Schulter geklopft und schließlich gefragt habe, ob er ihr helfen könne. Ein Gespräch des Klägers mit einer anderen Person müsste dementsprechend zwangsläufig unterbrochen worden sein. Darüber hinaus hat die Zeugin G. auch ausgesagt, dass sie von ca. 20:40 Uhr bis ca. 20:45 Uhr/20:47 Uhr mit dem Kläger vor der Haustür gesprochen habe. In dieser Zeit kann der Kläger daher nicht zugleich mit dem Zeugen P. eine Unterhaltung am selben Ort geführt haben, zumal der Zeuge P. auch bekundet hat, dass er die Zeugin G. am Abend des 19.12.2014 weder während des Gesprächs mit dem Kläger noch im Anschluss daran gesehen habe.
88Darüber hinaus lässt sich die Aussage der Zeugin G. auch nicht mit der vom Kläger vorgelegten Verbindungsübersicht seines Mobiltelefons in Einklang bringen. Danach hat der Kläger am 19.12.2014 nämlich erstmals um 22:19 Uhr die Nummer des Mobiltelefons der Zeugin G. angerufen und sodann um 22:21 Uhr, um 22:23 Uhr und um 22:28 Uhr, wobei jeweils eine Dauer des Anrufs von einer oder im letzteren Fall zwei Minuten verzeichnet ist. Anschließend folgt ein Anruf des Klägers mit einer Dauer von vier Minuten um 23:45 Uhr. Schließlich folgen Telefonate am 20.12.2014 um 1:04 Uhr im Umfang von drei Minuten, um 1:21 Uhr im Umfang von sechs Minuten und um 1:37 Uhr im Umfang von 15 Minuten. Die Zeugin G. hat dagegen zunächst von sich aus bekundet, dass sie den Kläger erstmals erfolglos versucht habe, auf seinem Mobiltelefon zu erreichen, nachdem die Polizei am 19.12.2014 um 21:30 Uhr bei ihr gewesen sei, dass sie sodann gegen kurz vor zehn Uhr mit ihm gesprochen habe und dass danach keine weiteren Telefonate zwischen ihr und dem Kläger stattgefunden hätten, soweit sie sich erinnern könne. Auf Vorhalt der vom Kläger vorgelegten Verbindungsübersicht seines Mobiltelefons durch die Kammer hat sie sodann bekundet, sie müsse dann doch nochmal mit dem Kläger telefoniert haben. Er habe ihr gesagt, dass er auch bei der Polizei angerufen habe. Sie wisse jedoch nicht mehr genau. Sie habe ihn ziemlich viel später noch einmal angerufen. Wahrscheinlich nachdem die Polizei noch einmal da gewesen sei. Sie können sich nicht genau erinnern, ob der Kläger beim ersten Mal zurückgerufen hat. Beim zweiten Mal habe sie ihn dann angerufen, nachdem die Polizei dagewesen sei. Beim ersten Mal habe sie den Kläger nach nochmaligem Versuch erreicht. Sie wisse nicht, ob er zwischenzeitlich nochmal angerufen habe. Dies sei immer etwas hin und her gegangen. Sie meine es seien drei Telefonate gewesen. Erheblich mehr seien es nach ihrer Erinnerung nach nicht gewesen. Ausweislich der vom Kläger selbst vorgelegten Verbindungsübersicht seines Mobiltelefons gab es jedoch am 19.12.2014 und am 20.12.2014 erheblich mehr Telefonate zwischen ihm und der Zeugin G., zumal wenn man auch noch die zusätzlichen vom Mobiltelefon der Zeugin G. ausgehenden Anrufe berücksichtigt.
89Schließlich steht die Aussage der Zeugin G. auch im Widerspruch dazu, dass Polizeibeamte unstreitig am 19.12.2014 um 22:23 Uhr und um 23:39 Uhr zur Wohnung des Klägers fuhren, um eine Gefährderansprache durchzuführen, ihn jedoch jeweils nicht antrafen, und dass sie ihn im weiteren Verlauf erst um 1:05 Uhr in seiner Wohnung antrafen. Denn die Zeugin G. hat bekundet, dass die Polizei bereits gegen 21:30 Uhr bei ihr gewesen sei, und dass sie im weiteren Verlauf gegen 2:00 Uhr nochmals erschienen sei und wiederum bei ihr geklingelt habe. Diese Bekundungen weichen sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch in Bezug auf die Anzahl der Polizeibesuche im Wohnhaus des Klägers und der Zeugin G. voneinander ab.
90(fff)Schließlich hält die Kammer es auch für absolut fernliegend, dass der Mitarbeiter des Landeskriminalamts O. und das Mitglied der dort gebildeten Schwerbehindertenvertretung F. den Verwaltungsleiter C. am 19.12.2014 gegen 20:50 Uhr auf seinem dienstlichen Mobiltelefon angerufen und mit den Worten "Ich stech‘ Dich ab!" bedroht hat. Diese vom Kläger in den Raum gestellte Möglichkeit wertet die Kammer als bloße Schutzbehauptung des Klägers. Denn für eine mögliche Täterschaft des Mitarbeiters des Landeskriminalamts O. F. spricht allenfalls die räumliche Nähe der Telefonzelle in Höhe der H. zu seiner Wohnung. Ein Motiv für einen solchen Anruf ist dagegen nicht ansatzweise ersichtlich. Soweit der Kläger vollkommen pauschal behauptet hat, dieser Mitarbeiter sei in der Vergangenheit öfters mit dem Verwaltungsleiter C. aneinandergeraten, fehlt es zum einen bereits an einer hinreichend Substantiierung dieses Tatsachenvortrags. Zum anderen hat der Zeuge C. auch bekundet, dass es niemals entsprechende Auseinandersetzungen zwischen ihm und diesem Mitarbeiter gegeben habe. Darüber hinaus müsste der Mitarbeiter des Landeskriminalamts O. F. auch die Stimme des Klägers täuschend echt nachgemacht haben, wenn er den Anruf auf dem dienstlichen Mobiltelefon des Verwaltungsleiters C. am 19.12.2014 gegen 20:50 Uhr getätigt haben sollte. Auch dies erscheint der Kammer abwegig. Vielmehr ist es nach Ansicht der Kammer viel wahrscheinlicher, dass der Kläger selbst gezielt die Telefonzelle auf Höhe der H. ausgewählt hat, um den Anruf auf dem dienstlichen Mobiltelefon des Verwaltungsleiters C. am 19.12.2014 gegen 20:50 Uhr zu tätigen, um zum einen den Mitarbeiter des Landeskriminalamts O. F. später wegen der räumlichen Nähe dieser Telefonzelle zu seiner Wohnung als möglichen Anrufer darzustellen, und zum anderen, um eine Rückverfolgung des Anrufs zu erschweren, da es sich bei dieser Telefonzelle um einen Münzfernsprecher handelt.
91(3)Schließlich ist der Sachverhalt auch nicht deshalb "an sich" als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung ungeeignet, weil der Kläger möglicherweise schuldlos gegen seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB verstoßen hat, indem er am 19.12.2014 den Verwaltungsleiter C. ernsthaft und nachhaltig bedroht hat.
92(a)Eine Pflichtverletzung ist vorwerfbar, wenn der Arbeitnehmer seine ihr zugrunde liegende Handlungsweise steuern konnte. Ein Verhalten ist steuerbar, wenn es vom Willen des Arbeitnehmers beeinflusst werden kann. Dies ist nicht der Fall, wenn dem Arbeitnehmer die Pflichterfüllung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen subjektiv nicht möglich ist. Ist dies vorübergehend nicht der Fall, ist er für diese Zeit von der Pflichterfüllung befreit (BAG 3.11.2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 22, NZA 2012, 607).
93(b)Ein schuldloses Verhalten des Arbeitnehmers kann nur unter besonderen Umständen zur außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung berechtigen (vgl. BAG 21.1.1999 - 2 AZR 665/98 - zu II. 4. a] der Gründe m.w.N., BAGE 90, 367). Solche besonderen Umstände liegen vor, wenn ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers die betriebliche Ordnung bzw. die im Betrieb einzuhaltenden Sicherheitsvorschriften derart nachhaltig stört, dass dem Arbeitgeber eine Aufrechterhaltung dieses Zustandes selbst dann nicht zumutbar ist, wenn dem Arbeitnehmer seine Vertragspflichtverletzung nicht vorwerfbar ist. Gefährdet etwa der Arbeitnehmer durch sein Fehlverhalten die Sicherheit des Betriebes oder stört durch fortlaufende Tätlichkeiten, schwerste Beleidigungen etc. schwerwiegend die betriebliche Ordnung, so muss der Arbeitgeber unter Umständen äußerst schnell hinreichende Maßnahmen ergreifen, um ein weiteres derartiges Fehlverhalten, das eine Weiterbeschäftigung des betreffenden Arbeitnehmers unzumutbar macht, durch eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit diesem Arbeitnehmer zu unterbinden (vgl. BAG 21.1.1999 - 2 AZR 665/98 - zu II. 4. c] der Gründe m.w.N., BAGE 90, 367; LAG E. 22.12.2015 - 13 Sa 957/15 - Rn. 65, juris).
94(c)Ausgehend von diesen Grundsätzen kann dahinstehen, ob dem Kläger die ernsthaft und nachhaltige Bedrohung des Verwaltungsleiters C. am 19.12.2014 überhaupt vorwerfbar ist, und ob der Kläger eine fehlende Vorwerfbarkeit seines Verhaltens überhaupt hinreichend substantiiert vorgetragen hat (vgl. in diesem Zusammenhang: BAG 3.11.2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 23, NZA 2012, 607). Denn selbst wenn die Steuerungsfähigkeit des Klägers am 19.12.2014 wie im fachärztlich psychiatrischen Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie U. über den Kläger vom 11.8.2015 festgestellt, erheblich vermindert oder gar aufgehoben war, liegen jedenfalls besondere Umstände vor, die auch im Fall eines schuldlosen Verhaltens des Klägers eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien rechtfertigen. Denn der Kläger hat durch die ernsthafte und nachhaltige Bedrohung des Verwaltungsleiters C. nachhaltig die betriebliche Ordnung im Landeskriminalamt O. gestört. Diese Bedrohung hatte nämlich nicht nur eine erhebliche Belastung des Verhältnisses zwischen dem Kläger und dem Verwaltungsleiter C. zur Folge. Vielmehr wirkte sie sich auch negativ auf das Verhältnis zwischen dem Kläger und weiteren Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen aus. Denn im Juli 2015 erklärten 13 von 14 Mitarbeitern des Landeskriminalamts O., die in der Vergangenheit mit dem Kläger im selben Sachgebiet zusammengearbeitet hatten, in Gesprächen mit einem Dezernatsleiter des Landeskriminalamts O. über eine mögliche Rückkehr des Klägers, dass sie in diesem Fall erhebliche Konfrontationen mit dem Kläger und dem von ihm zu erwartenden Verhalten befürchten. Einige von ihnen äußerten sogar ausdrücklich erhebliche Sorge, Opfer möglichen aggressiven Verhaltens des Klägers zu werden.
95cc)Dem beklagten Land ist die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses der Parteien darüber hinaus auch unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar.
96(1)Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen (st. Rspr., statt vieler: BAG 20.11.2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 20, NZA 2015, 294).
97(a)Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (st. Rspr., statt vieler: BAG 20.11.2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 21 m.w.N., NZA 2015, 294).
98(b)Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 BGB i.V.m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (st. Rspr., statt vieler: BAG 20.11.2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 22 m.w.N., NZA 2015, 294). Dies gilt grundsätzlich auch bei Störungen im Vertrauensbereich (st. Rspr., statt vieler: BAG 19.4.2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 22 m.w.N., NZA 2013, 27).
99(2)Einer Abmahnung bedurfte es im vorliegenden Fall nicht. Dabei kann wiederum dahinstehen, ob der Verstoß des Klägers gegen seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB auf einem steuerbaren Verhalten beruhte. Denn in jedem Fall wiegte dieser Verstoß so schwer, dass seine Hinnahme durch das beklagte Land offensichtlich - auch für den Kläger erkennbar - ausgeschlossen war. Die ernsthafte und nachhaltige Bedrohung eines Vorgesetzten stellt eine ganz erhebliche Verletzung dieser Pflicht dar. Der Arbeitgeber ist nicht nur allen Arbeitnehmern gegenüber verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass sie keinen Bedrohungen ausgesetzt sind, sondern hat auch ein eigenes Interesse daran, dass die betriebliche Zusammenarbeit nicht durch tätliche Auseinandersetzungen und Bedrohungen beeinträchtigt wird. Der Arbeitgeber darf dabei auch berücksichtigen, wie es sich auf das Verhalten der übrigen Arbeitnehmer auswirkt, wenn er von einer Kündigung absieht (vgl. LAG Hessen 21.8.2002 - 6 Sa 1391/01 - Rn. 57, juris; LAG Hamm 10.1.2006 - 12 Sa 1603/05 - Rn. 40, juris). Die besondere Intensität der arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung wird im vorliegenden Verfahren noch dadurch verstärkt, dass der Kläger den Verwaltungsleiter C. über dessen dienstliches Mobiltelefon mit den Worten "Ich stech‘ Dich ab!" bedrohte und seine Bedrohung dabei besonderen nachgedruckt verlieh, indem er dem Verwaltungsleiter C. mitteilte, dass er sowohl dessen Telefonnummer als auch dessen Anschrift kenne. Ein Arbeitnehmer, der einen Vorgesetzten derart ernsthaft und nachhaltig bedroht, muss schließlich auch ohne weiteres damit rechnen, dass sein Arbeitgeber ein solches Fehlverhalten nicht hinnehmen wird und ihm ohne vorherige Abmahnung außerordentlich kündigt (vgl. in diesem Zusammenhang: LAG Hessen 21.8.2002 - 6 Sa 1391/01 - Rn. 58, juris; LAG E. 16.7.2003 - 12 Sa 690/03 - zu I. 1. a] der Gründe, LAGE Nr. 1 zu § 280 BGB 2002; LAG E. 21.8.2008 - 5 Sa 240/08 - Rn. 45, juris).
100(3)Auch im Übrigen überwiegt das Interesse des beklagten Landes an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien gegenüber dem Interesse des Klägers an dessen Fortbestand.
101(a)Wie bereits ausführlich dargelegt, hat der Kläger durch die ernsthafte und nachhaltige Bedrohung des Verwaltungsleiters C. besonders schwerwiegend gegen seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB verstoßen und selbst im Falle der fehlenden Vorwerfbarkeit dieses Verhaltens nachhaltig die betriebliche Ordnung im Landeskriminalamt O. gestört.
102(b)Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der Parteien ist vor diesem Hintergrund zunächst nicht aufgrund des langjährigen Bestandes des Arbeitsverhältnisses der Parteien gerechtfertigt. Denn das seit dem 3.10.1988 bestehende Arbeitsverhältnis der Parteien war schon in den letzten Jahren vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung des beklagten Landes vom 13.1.2015 erheblich belastet und keineswegs frei von Spannungen und Störungen. Der Kläger wurde nämlich bereits am 17.5.2004 wegen Nichtbefolgens dienstlicher Anweisungen und Verletzung der Treuepflicht erstmals abgemahnt. Mit Schreiben vom 23.6.2004 wurde ihm eine weitere Abmahnung erteilt, weil er unter Inanspruchnahme von Gleitzeitausgleichstagen nicht zur Arbeit erschien, ohne dies vorher mit dem zuständigen Vorgesetzten abgesprochen zu haben. Am 28.4.2011 wurde der Kläger wegen Nichtbeachtung dienstlicher Weisungen und Arbeitsverweigerung abgemahnt. Mit Schreiben vom 5.7.2012 mahnte das beklagte Land den Kläger darüber hinaus wegen der Anfertigung von Wahlplakaten auf dienstlichen Kopiergeräten unter Vortäuschung einer entsprechenden Berechtigung und trotz Kenntnis der Unzulässigkeit ab. Wegen dieses Vorfalls wurde der Kläger zudem rechtskräftig durch das Amtsgericht E. wegen Betrugs verurteilt. Mit Schreiben vom 21.5.2012 erteilte das beklagte Land dem Kläger schließlich eine weitere Abmahnung, weil er seiner Vorgesetzten per E-Mail vom 15.5.2012 mitgeteilt hatte, "[a]nstatt sich um solche Angelegenheiten zu kümmern, sollte [s]ie lieber [i]hre wertvolle Arbeitszeit damit verbringen, die seit Jahren in [i]hre Obhut fallende desolate Personalsituation in der Personalfahndung aufzubessern". Damit würde sie dem Landeskriminalamt O. mehr dienen.
103(c)Des Weiteren legen auch mehrere Umstände nahe, dass der Kläger im Fall des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses der Parteien erneut in vergleichbarer Weise gegen seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB verstoßen wird. Denn er hat in der Vergangenheit und auch nach dem 19.12.2014 ein nicht unerhebliches Aggressionspotential offenbart. Konkret wurde gegen den Kläger am 16.4.2009 eine Strafanzeige gestellt und ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, weil er ein Kind, das zuvor mit einer Spielzeugpistole auf ihn geschossen hatte, ins Gesicht geschlagen hatte. Am 14.1.2013 schrie der Kläger seinen Sachgebietsleiter als Reaktion auf eine Arbeitsanweisung mit den Worten an: "Ich bin Ihre Schikanen leid, geben Sie mir einer Waffe[,] dann …!". Im Mai/Juni 2013 wurde an das beklagte Land herangetragen, der Kläger plane den damaligen Direktor des Landeskriminalamts O. und den damaligen Finanzvorstand von Fortuna E. mit einer in seinem Besitz befindlichen Pistole zu töten. Ferner teilte der Kläger am 31.7.2015 einer im Vorzimmer des Verwaltungsleiters C. tätigen Mitarbeiterin des Landeskriminalamts O. mit, dass er gegen den ständigen Vertreter des Direktors des Landeskriminalamts O. Anzeige erstattet habe. Schließlich suchte der Kläger am 2.8.2015 um 21:45 Uhr die Wohnung des ehemaligen Direktors des Landeskriminalamts O. auf. Der ehemalige Direktor des Landeskriminalamts befand sich zu diesem Zeitpunkt mit seiner Ehefrau und Gästen auf dem Balkon seiner Wohnung. Der Kläger rief ihn mit Namen an und sagte etwas Unverständliches. Anschließend rief der Kläger ihm zu, er hätte vor elf Jahren sein Leben zerstört. Diesen Ausruf wiederholte der Kläger im weiteren Verlauf noch einmal.
104(d)Darüber hinaus steht auch zu befürchten, dass eine Rückkehr des Klägers an seinen bisherigen Arbeitsplatz beim Landeskriminalamt O. zu nicht unerheblichen Spannungen in der Belegschaft führen wird. Denn im Juli 2015 führte ein Dezernatsleiter des Landeskriminalamts O. Gespräche über eine mögliche Rückkehr des Klägers mit 13 von 14 Mitarbeitern des Landeskriminalamts O., die in der Vergangenheit mit dem Kläger im selben Sachgebiet zusammengearbeitet hatten. Diese Mitarbeiter gaben im Rahmen dieser Gespräche allesamt an, dass die im Falle einer Rückkehr des Klägers erhebliche Konfrontationen mit dem Kläger und dem von ihm zu erwartenden Verhalten befürchten. Einige von ihnen äußerten sogar ausdrücklich erhebliche Sorge, Opfer möglichen aggressiven Verhaltens des Klägers zu werden.
105(e)Schließlich rechtfertigen vor diesem Hintergrund auch weder das Alter des Klägers noch seine Schwerbehinderung ein Überwiegen des Interesses des Klägers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der Parteien. Entsprechendes gilt für seinen tariflichen Sonderkündigungsschutz gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 TV-L. Bei der Interessenabwägung ist die ordentliche Unkündbarkeit seines Arbeitsverhältnisses nicht gesondert zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (BAG 22.10.2015 - 2 AZR 569/14 - Rn. 20, NZA 2016, 417).
1062.Darüber hinaus hat das beklagte Land seine außerordentliche Kündigung vom 13.1.2015 auch gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB i.V.m. § 91 Abs. 5 SGB IX rechtzeitig erklärt.
107a)Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Davon abweichend, kann die Kündigung gemäß § 91 Abs. 5 SGB IX auch nach Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB erfolgen, wenn sie unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung des zuständigen Integrationsamtes erklärt wird. Erteilt i.S.d. § 91 Abs. 5 SGB IX ist die Zustimmung, sobald eine solche Entscheidung innerhalb der Frist des § 91 Abs. 3 Satz 1 SGB IX getroffen und der antragstellende Arbeitgeber hierüber in Kenntnis gesetzt oder wenn eine Entscheidung innerhalb der Frist des § 91 Abs. 3 Satz 1 SGB IX nicht getroffen worden ist; in diesem Fall gilt die Zustimmung mit Ablauf der Frist gemäß § 91 Abs. 3 Satz 2 SGB IX als erteilt (BAG 19.4.2012 - 2 AZR 118/11 - Rn. 15 m.w.N., NZA 2013, 507). Entsprechend der Legaldefinition des § 121 Abs. 1 BGB bedeutet "unverzüglich" auch im Rahmen von § 91 Abs. 5 SGB IX "ohne schuldhaftes Zögern". Schuldhaft ist ein Zögern dann, wenn das Zuwarten durch die Umstände des Einzelfalls nicht geboten ist. Da "unverzüglich" weder "sofort" bedeutet noch damit eine starre Zeitvorgabe verbunden ist, kommt es auf eine verständige Abwägung der beiderseitigen Interessen an. Dabei ist nicht allein die objektive Lage maßgebend. Solange derjenige, dem unverzügliches Handeln abverlangt wird, nicht weiß, dass er die betreffende Rechtshandlung vornehmen muss, oder es mit vertretbaren Gründen annehmen kann, er müsse sie noch nicht vornehmen, liegt kein "schuldhaftes” Zögern vor (BAG 19.4.2012 - 2 AZR 118/11 - Rn. 16 m.w.N., NZA 2013, 507). Die Kündigung ist im Sinne von § 91 Abs. 5 SGB IX "erklärt", wenn sie dem schwerbehinderten Menschen gemäß § 130 BGB zugegangen ist (BAG 19.4.2012 - 2 AZR 118/11 - Rn. 17 m.w.N., NZA 2013, 507).
108b)Ausgehend von diesen Grundsätzen ist unschädlich, dass die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 13.1.2015 dem Kläger nicht bereits zwei Wochen nach dem 19.12.2014 zugegangen ist. Denn das beklagte Land hat diese Kündigung jedenfalls unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung des zuständigen Integrationsamts erklärt.
109aa)Das zuständige Integrationsamt hat seine Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien am 13.1.2015 erteilt.
110bb)Die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 13.1.2015 ist dem Kläger sodann am 14.1.2015 zugegangen. Die Behauptung des beklagten Landes, sein Kündigungsschreiben vom 13.1.2015 sei bereits am 14.1.2015 um 15:12 Uhr von zwei Mitarbeitern des Landeskriminalamts O. in den zur Wohnung des Klägers gehörigen Briefkasten eingeworfen worden, gilt gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.
111(1)Die Anforderungen an die Substantiierungslast des Bestreitenden hängen grundsätzlich davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner vorgetragen hat. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist (statt vieler: BAG 21.3.2012 - 6 AZR 596/10 - Rn. 31, NZA 2012, 1058).
112(2)Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger den Sachvortrag des beklagten Landes zum Einwurf des Kündigungsschreibens vom 13.1.2015 in den zu seiner Wohnung gehörigen Briefkasten nicht ausreichend substantiiert bestritten.
113(a)Das beklagte Land hat vorgetragen, dass die Mitarbeiter des Landeskriminalamts O. L. und F. das Kündigungsschreiben vom 13.1.2015 am 14.1.2015 um 15:12 Uhr in den zur Wohnung des Klägers gehörigen Briefkasten eingeworfen haben. Zudem hat es eine E-Mail einer weiteren Mitarbeiterin des Landeskriminalamts O. unter anderem an seinen Prozessbevollmächtigen vom 14.1.2015 vorgelegt, in welcher diese Mitarbeiterin mitteilt, dass man den Kläger nicht persönlich angetroffen habe, aber Fotos und ein Übergabeprotokoll erstellt habe, die den Einwurf in den Briefkasten belegen. Dieses Übergabeprotokoll war der E-Mail beigefügt. Es ist von den Mitarbeitern des Landeskriminalamts O. L. und F. unterzeichnet. Sie bestätigen darin, dass sie das Kündigungsschreiben des beklagten Landes vom 13.1.2015 am 14.1.2015 um 15:12 Uhr in den Briefkasten des Klägers eingeworfen haben. Ebenso waren der E-Mail vom 14.1.2015 mehrere Fotoaufnahmen beigefügt, von denen eine zeigt, wie ein Brief in einen Briefkasten mit der Aufschrift "G." eingeworfen wird.
114(b)Der Kläger ist diesem Sachvortrag des beklagten Landes nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten. Denn sein eigener Sachvortrag beschränkt sich auf die pauschale und nicht weiter begründete Behauptung, die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 13.1.2015 sei ihm erst am 16.1.2015 zugegangen. Weitere, auf den Sachvortrag des beklagten Landes erwidernde Ausführungen lässt sein Sachvortrag dagegen ebenso gänzlich vermissen wie ein Bestreiten (des Inhalts) der E-Mail der Mitarbeiterin des Landeskriminalamts O. vom 14.1.2015 unter anderem an den Prozessbevollmächtigen des beklagten Landes einschließlich des angefügten Übergabeprotokolls und der angefügten Fotos.
1153.Darüber hinaus ist die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 13.1.2015 auch nicht nach § 134 BGB i.V.m. §§ 85, 91 Abs. 1 SGB IX nichtig. Denn nach § 85 SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Das gilt nach § 91 Abs. 1 SGB IX uneingeschränkt auch für die außerordentliche Kündigung. Eine ohne wirksame Zustimmung ausgesprochene Kündigung ist nach § 134 BGB nichtig (statt vieler: BAG 23.5.2013 - 2 AZR 991/11 - Rn. 18 m.w.N., BAGE 145, 199). Vorliegend hat das Integrationsamt der außerordentlichen Kündigung des beklagten Landes vom 13.1.2015 vor deren Ausspruch und Zugang durch Bescheid vom 13.1.2015 zugestimmt, nachdem das beklagte Land diese Zustimmung zuvor am 30.12.2014 gemäß § 91 Abs. 2 SGB IX rechtzeitig beantragt hatte.
1164.Schließlich ist die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 13.1.2015 auch nicht nach § 74 Abs. 3 1. Var. LPVG NRW unwirksam.
117a)Nach § 74 Abs. 3 1. Var. LPVG NRW ist eine ohne Beteiligung des Personalrates ausgesprochene Kündigung unwirksam. Nach § 74 Abs. 2 Satz 1 LPVG NRW ist der Personalrat bei außerordentlichen Kündigungen anzuhören. Hierbei sind nach § 74 Abs. 2 Satz 2 LPVG NRW die Gründe, auf die sich die beabsichtigte Abmahnung oder Kündigung stützen soll, vollständig anzugeben. Es gelten die gleichen Anforderungen wie an eine Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG (statt vieler: BAG 23.10.2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 57 m.w.N., NZA 2015, 353).
118b)Das beklagte Land hat den beim Landeskriminalamt O. gebildeten Personalrat vor Ausspruch seiner außerordentlichen Kündigung vom 13.1.2015 mit Schreiben vom 6.1.2015 unter Angabe der Personaldaten des Klägers über die beabsichtigte außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien unterrichtet und die aus seiner Sicht maßgeblichen Gründe für diese beabsichtigte Kündigung dabei ausführlich dargelegt. Die erforderliche Beteiligung dieses Personalrats dürfte dabei auch bereits vor Abschluss des Verfahrens über die Zustimmung zu dieser Kündigung vor dem zuständigen Integrationsamt erfolgen (vgl. BAG 18.5.1994 - 2 AZR 626/93 - zu B. II. 2. a], NA.995, 65; BAG 24.11.2011 - 2 AZR 429/10 - Rn. 32, BAGE 140, 47). Dessen ungeachtet hat das beklagte Land dem beim Landeskriminalamt O. gebildeten Personalrat aber auch noch am 13.1.2015 mitgeteilt, dass das zuständige Integrationsamt seiner beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zugestimmt hat.
119II.
120Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. ZPO.
121III.
122Die nach § 61 Abs. 1 ArbGG erforderliche Streitwertfestsetzung beruht auf § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 3 1. Hs., 4 Abs. 1 1. Hs. ZPO. Die Kammer hat den Klageantrag mit drei Bruttomonatsgehältern des Klägers in Höhe von zuletzt 1.770,00 € bewertet.
123RECHTSMITTELBELEHRUNG
124Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei Berufung eingelegt werden. Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
125Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
126Landesarbeitsgericht Düsseldorf
127Ludwig-Erhard-Allee 21
12840227 Düsseldorf
129Fax: 0211 7770-2199
130eingegangen sein.
131Die elektronische Form wird durch ein qualifiziert signiertes elektronisches Dokument gewahrt, das nach Maßgabe der Verordnung des Justizministeriums über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Arbeitsgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO ArbG) vom 2. Mai 2013 in der jeweils geltenden Fassung in die elektronische Poststelle zu übermitteln ist. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de.
132Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
133Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
1341.Rechtsanwälte,
1352.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
1363.juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
137Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
138* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
139E.
Urteilsbesprechung zu Arbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 15. Aug. 2016 - 7 Ca 415/15
Urteilsbesprechungen zu Arbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 15. Aug. 2016 - 7 Ca 415/15
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Arbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 15. Aug. 2016 - 7 Ca 415/15 zitiert oder wird zitiert von 15 Urteil(en).
(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.
(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.
(1) Die Fähigkeit einer Partei, vor Gericht zu stehen, die Vertretung nicht prozessfähiger Parteien durch andere Personen (gesetzliche Vertreter) und die Notwendigkeit einer besonderen Ermächtigung zur Prozessführung bestimmt sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nicht die nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enthalten.
(2) Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters steht dem Verschulden der Partei gleich.
(3) Hat eine nicht prozessfähige Partei, die eine volljährige natürliche Person ist, wirksam eine andere natürliche Person schriftlich mit ihrer gerichtlichen Vertretung bevollmächtigt, so steht diese Person einem gesetzlichen Vertreter gleich, wenn die Bevollmächtigung geeignet ist, gemäß § 1814 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Erforderlichkeit einer Betreuung entfallen zu lassen.
Tenor
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1. Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 27. August 2013 - 8 Sa 62/08 - aufgehoben.
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2. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens - an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.
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3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 9.900,00 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs.
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Der Kläger stand auf der Grundlage gerichtlicher Beschlüsse vom 12. Juli 2005 unter Betreuung. Die Parteien begründeten im Jahre 2007 ein Arbeitsverhältnis, welches der Beklagte mit zwei Kündigungen innerhalb der Wartezeit beenden wollte. Der Kläger hat hiergegen Kündigungsschutzklage erhoben. Die Parteien haben vor dem Arbeitsgericht am 12. März 2008 einen verfahrensbeendenden Vergleich geschlossen, welcher ua. die Zahlung einer Abfindung iHv. 56.000,00 Euro brutto als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes vorsieht. Der Beklagte hat daraufhin sowohl den Abschluss des Arbeitsvertrags als auch des Prozessvergleichs wegen arglistiger Täuschung und Irrtums angefochten. Der Kläger hält an der Wirksamkeit des Vergleichs fest.
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Durch Beschluss des zuständigen Landgerichts vom 31. August 2009 wurde die Betreuung des Klägers aufgehoben. Das Oberlandesgericht hat diese Entscheidung am 30. August 2010 dahin gehend abgeändert, dass die Betreuerbestellung noch für Gerichtsverfahren nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO sowie bezüglich Gerichtsverfahren mit Auslandsbezug besteht. Schließlich hat das Betreuungsgericht mit Beschluss vom 31. Mai 2011 diese Betreuung gänzlich aufgehoben.
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Das Arbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 2. Dezember 2008 den auf die Unwirksamkeit des Vergleichs gerichteten Feststellungsantrag des Beklagten als unbegründet angesehen. Das Landesarbeitsgericht hat nach dem Ende der Vertretung des Klägers durch seinen vormaligen Betreuer mit Beschluss vom 3. Dezember 2010 einen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten beigeordnet. Es hat zur Prüfung der Prozessfähigkeit des Klägers ein Gutachten eingeholt. Am 27. November 2012 hat das Landesarbeitsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem Kläger beschlossen, dass der Kläger für das vorliegende Verfahren als prozessunfähig angesehen wird. Ihm wurde Gelegenheit gegeben, bis zum 10. Januar 2013 für die Bestellung eines Betreuers zu sorgen. Am 9. Januar 2013 hat der Kläger das Betreuungsgericht hierüber informiert und gebeten „das Notwendige“ zu veranlassen. Bis zur nächsten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 16. Juli 2013 erfolgte keine Entscheidung über die erneute Bestellung eines Betreuers.
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In diesem Termin war der Kläger mit dem beigeordneten Rechtsanwalt anwesend. Das Landesarbeitsgericht hat den Kläger jedoch als nicht wirksam vertreten und damit säumig angesehen. Der beigeordnete Rechtsanwalt handle ohne wirksame Vollmacht, da der Kläger partiell prozessunfähig für arbeitsgerichtliche Verfahren sei und insoweit keine Prozessvollmachten erteilen könne. Zwar komme das eingeholte Sachverständigengutachten nicht eindeutig zu dem Ergebnis der Prozessunfähigkeit des Klägers. Diese sei aber aus dem gesamten prozessualen Verhalten des Klägers in einer Vielzahl von Prozessen erkennbar. Auch frühere Begutachtungen sowie ein von dem Beklagten vorgelegtes Gutachten vom 11. September 2011 kämen zu diesem Ergebnis. Der Kläger sei aufgrund einer Geistesstörung nicht in der Lage, seinen Willen frei zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Insbesondere sei er krankhaft außer Stande, eigene Überzeugungen kritisch zu hinterfragen, den situativen Erfordernissen anzupassen oder gar zu revidieren. Der Kläger sei auch nicht unverschuldet säumig geblieben. Er habe die ihm bis zum 10. Januar 2013 gesetzte Frist nicht genutzt und durch die Mitteilung falscher Anschriften das eingeleitete Betreuungsverfahren verzögert.
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Auf Antrag des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung nach Lage der Akten entschieden, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 12. März 2008 nicht beendet worden ist. Die Kündigungsschutzklage hat das Landesarbeitsgericht abgewiesen.
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Das vom Kläger mit Schreiben vom 9. Januar 2013 angeregte Betreuungsverfahren wurde durch das Betreuungsgericht mit Beschluss vom 27. Dezember 2013 eingestellt.
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II. Die Beschwerde führt zulässig und begründet den absoluten Revisionsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO sowie eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG an. Nach § 72a Abs. 7 ArbGG hat der Senat das angefochtene Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob weitere Verletzungen des Anspruchs auf rechtliches Gehör vorliegen, welche ebenfalls zur Zurückverweisung gemäß § 72a Abs. 7 ArbGG geführt hätten. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob die Voraussetzungen einer Grundsatz- oder Divergenzbeschwerde hier erfüllt sind.
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1. Die Beschwerde ist nicht wegen Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72a Abs. 2 Satz 1 und § 72a Abs. 3 Satz 1 ArbGG unzulässig.
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a) Zum Zeitpunkt der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde am 1. April 2014 waren diese Fristen mit Blick auf die Zustellung des Urteils des Landesarbeitsgerichts am 2. September 2013 versäumt.
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b) Dem Kläger ist jedoch die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO zu gewähren. Der Kläger war wegen Mittellosigkeit und somit ohne sein Verschulden verhindert, die Fristen zur Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde einzuhalten. Er hat aber innerhalb der einmonatigen Notfrist des § 72a Abs. 2 Satz 1 ArbGG am 2. Oktober 2013 Prozesskostenhilfe beantragt, die ihm mit Beschluss des Senats vom 10. März 2014 - 6 AZA 16/13 - bewilligt worden ist (vgl. BAG 11. Oktober 2010 - 9 AZN 418/10 - Rn. 5). Die Entscheidung wurde dem Kläger am 18. März 2014 zugestellt. Der am 1. April 2014 eingegangene Wiedereinsetzungsantrag wahrte die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Frist begann mit dem Tag, an dem das der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde entgegenstehende Hindernis behoben war (§ 234 Abs. 2 ZPO). Das Hindernis der Mittellosigkeit entfiel mit der Bekanntgabe des Beschlusses über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe an den Kläger (vgl. BGH 22. November 2000 - XII ZB 28/00 - zu II 1 der Gründe). Die Wiedereinsetzungsfrist endete folglich mit Ablauf des 1. April 2014 (§ 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ging am 16. April 2014 und damit innerhalb der Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO ein.
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2. Die mögliche mangelnde Prozessfähigkeit des Klägers führt nicht zur Unzulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde.
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a) Die Prozessfähigkeit gemäß § 51 Abs. 1, § 52 ZPO ist zwingende Prozessvoraussetzung. Bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Partei prozessunfähig sein könnte, hat deshalb das jeweils mit der Sache befasste Gericht nach § 56 Abs. 1 ZPO von Amts wegen zu ermitteln, ob Prozessunfähigkeit vorliegt. Dabei ist es nicht an die förmlichen Beweismittel des Zivilprozesses gebunden, vielmehr gilt der Grundsatz des Freibeweises (vgl. BGH 9. November 2010 - VI ZR 249/09 - Rn. 4). Das mögliche Fehlen der Prozessfähigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens, also auch noch in der Berufungs- und Revisionsinstanz, von Amts wegen zu berücksichtigen (BAG 20. Januar 2000 - 2 AZR 733/98 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 93, 248; zum Ermessenspielraum des Revisionsgerichts, ob es den Sachverhalt selbst aufklären will vgl. BAG 26. August 1988 - 7 AZR 746/87 - zu I 2 der Gründe). Die höhere Instanz ist an die Tatsachenfeststellungen der unteren Instanz zu den Prozessvoraussetzungen nicht gebunden und hat auch neues Tatsachenvorbringen zu berücksichtigen (Zöller/Vollkommer ZPO 30. Aufl. § 56 Rn. 2 mwN). Für den Streit über die Prozessfähigkeit ist die davon betroffene Partei aber in jedem Fall als prozessfähig anzusehen (BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 3; BGH 9. November 2010 - VI ZR 249/09 - Rn. 3). So kann auch eine Partei, deren Prozessfähigkeit in der Vorinstanz verneint worden ist, wirksam ein Rechtsmittel einlegen, um eine andere Beurteilung zu erreichen (BGH 6. Dezember 2013 - V ZR 8/13 - Rn. 4).
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b) Nach den zutreffenden Ausführungen des Landesarbeitsgerichts in der anzufechtenden Entscheidung wurde die Prozessunfähigkeit des Klägers gutachterlich nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt. Die dennoch durch das Landesarbeitsgericht vorgenommene Einschätzung des Klägers als „partiell prozessunfähig für arbeitsgerichtliche Verfahren“ begegnet Bedenken.
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aa) Für die Prozessfähigkeit ist maßgeblich, ob eine Person sich durch Verträge verpflichten kann ( § 52 ZPO ). Prozessunfähig, weil geschäftsunfähig, sind deshalb Volljährige unter den Voraussetzungen des § 104 Nr. 2 BGB. Danach ist geschäftsunfähig, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden, dauerhaften Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet. Ein solcher Zustand ist gegeben, wenn jemand nicht im Stande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von einer vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Das kann auch der Fall sein, wenn lediglich eine Geistesschwäche vorliegt. Abzustellen ist allein darauf, ob eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich ist oder ob umgekehrt von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, etwa weil infolge der Geistesstörung Einflüsse dritter Personen den Willen übermäßig beherrschen (BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 8 mwN).
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bb) Ein Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit des Klägers ist jedenfalls bezogen auf das vorliegende Verfahren nicht zu erkennen. Der Kläger verfolgt nur noch das Ziel, sich gegen die Angriffe des Beklagten gegen die Wirksamkeit des am 12. März 2008 geschlossenen Prozessvergleichs zu verteidigen. Dies ist nachvollziehbar, denn schließlich sieht dieser Vergleich für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses während der Wartezeit eine Abfindung iHv. 56.000,00 Euro brutto vor. Die vom Landesarbeitsgericht diagnostizierten Wahnvorstellungen kommen hier nicht zum Ausdruck. Im Gegensatz zum Landesarbeitsgericht hat das Betreuungsgericht zudem in seinem Beschluss vom 31. Mai 2011 angeführt, dass der Kläger in der Lage sei, sich in anhängigen Prozessen als Partei zu artikulieren oder einen Prozessbevollmächtigten zu mandatieren. Er sei auf die Unterstützung durch einen gesetzlichen Vertreter nicht angewiesen.
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c) In der Gesamtschau der zahlreichen Prozesse des Klägers in den letzten Jahren erscheint es dennoch möglich, dass der Kläger (wieder) prozessunfähig ist. Bezüglich des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens kann dies jedoch offenbleiben. Mit dem Beschwerdeverfahren wird der Streit über die Prozessfähigkeit des Klägers fortgeführt, da die Beschwerde Rügen erhebt, die sich auf die Führung des Verfahrens durch das Landesarbeitsgericht bei von diesem unterstellter Prozessunfähigkeit des Klägers beziehen.
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3. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Es liegt der absolute Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts vor (§ 547 Nr. 1 ZPO iVm. § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG).
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a) Die Beschwerdebegründung enthält eine ausreichende Geltendmachung dieses Revisionsgrundes.
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aa) Wird mit einer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG das Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes geltend gemacht, muss nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG die Beschwerdebegründung die Darlegung des absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO enthalten. Die bloße Benennung eines Zulassungsgrundes genügt nicht. Der Beschwerdeführer hat vielmehr die Tatsachen, aus denen sich der Verfahrensfehler des Berufungsgerichts ergeben soll, substantiiert vorzutragen (BAG 5. Dezember 2011 - 5 AZN 1036/11 - Rn. 7).
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bb) Diese Voraussetzungen sind hier bezüglich des absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 ZPO erfüllt. Der Beschwerdeführer hat diese Rechtsnorm zwar nicht konkret bezeichnet, sondern als absoluten Revisionsgrund unter Nr. 3, 4 und 5 der Beschwerdebegründung nur § 547 Nr. 4 ZPO ausdrücklich angeführt sowie einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör(Art. 103 Abs. 1 GG) gerügt. Die Beschwerdebegründung lässt aber deutlich erkennen, dass der Beschwerdeführer die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts iSd. § 547 Nr. 1 ZPO als gegeben ansieht(vgl. BAG 25. Januar 2012 - 4 AZR 185/10 - Rn. 12). Dies ergibt sich daraus, dass die Beschwerdebegründung anführt, dass die Voraussetzungen einer Entscheidung nach Aktenlage gemäß § 331a ZPO, wie sie das Landesarbeitsgericht hier vorgenommen hat, nicht gegeben seien. Da im arbeitsgerichtlichen Verfahren bei einer solchen Entscheidung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 4 ArbGG eine Alleinentscheidung durch die Vorsitzende oder den Vorsitzenden erfolgt(vgl. GMP/Germelmann ArbGG 8. Aufl. § 55 Rn. 17), umfasst die erhobene und begründete Rüge bezüglich der Entscheidung nach Aktenlage zwingend die Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts. Die Beschwerde macht damit deutlich, dass die Entscheidung unzulässigerweise ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter erfolgte.
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b) Der absolute Revisionsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO ist gegeben, da das Landesarbeitsgericht keine Entscheidung nach Aktenlage gemäß § 331a ZPO durch Alleinentscheidung der Vorsitzenden treffen durfte. Die Alleinentscheidung stellt eine Entscheidung bei nicht vorschriftsmäßiger Besetzung des Gerichts dar. Dies gilt unabhängig davon, ob der Kläger prozessfähig oder prozessunfähig war.
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aa) Wäre der Kläger - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - prozessfähig gewesen, so wäre er durch den ihm beigeordneten Rechtsanwalt in der mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß vertreten gewesen (§ 11 Abs. 4 ArbGG). Eine Säumnis hätte nicht vorgelegen.
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bb) Bei zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens vorliegender Prozessunfähigkeit des Klägers hätte das Landesarbeitsgericht den Antrag des Beklagten auf Entscheidung nach Lage der Akten gemäß § 335 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zurückweisen müssen. In diesem Fall wäre keine ordnungsgemäße Ladung des Klägers zum Termin am 16. Juli 2013 erfolgt.
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(1) Nicht verkündete Terminsbestimmungen sind gemäß § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO zuzustellen. Gemäß § 170 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist bei nicht prozessfähigen Personen an ihren gesetzlichen Vertreter zuzustellen. Die Zustellung an die nicht prozessfähige Person ist unwirksam (§ 170 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Betreute Personen werden im Aufgabenkreis des Betreuers gemäß § 1902 BGB durch diesen gerichtlich und außergerichtlich vertreten.
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(2) Bei unterstellter Prozessunfähigkeit des Klägers hätte die am 27. März 2013 vorgenommene und nicht verkündete Terminsbestimmung mit Ladung einem Betreuer des Klägers zugestellt werden müssen. Dies ist nicht erfolgt.
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(3) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts konnte die nicht an den gesetzlichen Vertreter des Klägers erfolgte Zustellung auch nicht durch das Erscheinen des Klägers und des beigeordneten Anwalts im Termin geheilt werden. Eine Heilung von Zustellungsmängeln kommt gemäß § 189 ZPO nur in Betracht, wenn das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Diese Person wäre ein Betreuer gewesen. An einen Betreuer erfolgte aber zu keinem Zeitpunkt eine Ladung.
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(4) Die Zustellung der Ladung an den beigeordneten Anwalt als Prozessbevollmächtigten nach § 172 Abs. 1 ZPO war entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch nicht ausreichend, weil der Streit über die Prozessfähigkeit noch andauerte. Das Landesarbeitsgericht hatte bereits mit Beschluss vom 27. November 2012 entschieden, dass es den Kläger für das vorliegende Verfahren als prozessunfähig ansieht.
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cc) Selbst bei Annahme einer ordnungsgemäßen Ladung und Vorliegen einer Säumnis hätte das Landesarbeitsgericht keine Entscheidung nach Aktenlage treffen dürfen.
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(1) Ein Urteil nach Lage der Akten darf nach § 331a Satz 2, § 251a Abs. 2 ZPO nur ergehen, wenn in einem früheren Termin mündlich verhandelt worden ist. Es darf frühestens in zwei Wochen verkündet werden. Das Gericht hat der nicht erschienenen Partei den Verkündungstermin formlos mitzuteilen. Es bestimmt neuen Termin zur mündlichen Verhandlung, wenn die Partei dies spätestens am siebenten Tag vor dem zur Verkündung bestimmten Termin beantragt und glaubhaft macht, dass sie ohne ihr Verschulden ausgeblieben ist und die Verlegung des Termins nicht rechtzeitig beantragen konnte.
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(2) Der Kläger hatte mit Schriftsatz vom 1. Juli 2013 die Verlegung des Termins am 16. Juli 2013 beantragt, weil über die Bestellung eines Betreuers noch nicht entschieden worden sei. Ihm stünde kein Mittel zur Verfahrensbeschleunigung zur Verfügung. Nach Durchführung des Termins wiederholte er dies mit Schriftsatz vom 31. Juli 2013, welcher am selben Tag bei Gericht einging, und beantragte die Bestimmung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung. Das Landesarbeitsgericht verkündete in dem vom 13. August 2013 auf den 27. August 2013 verlegten Verkündungstermin dennoch das angegriffene Urteil. Es hätte aber antragsgemäß einen neuen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmen müssen. Die wegen der nicht erfolgten Vertretung durch einen Betreuer angenommene Säumnis wäre nicht auf ein Verschulden des Klägers zurückzuführen.
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(a) Das erkennende Gericht muss darauf hinwirken, dass ein nach Auffassung des Gerichts prozessunfähiger Kläger, der damit mangels Geschäftsfähigkeit auch keinen Prozessbevollmächtigten wirksam hatte bestellen können, seine prozessualen Rechte wahrnehmen kann. Das Gericht muss den Kläger also darauf hinweisen, dass er für eine ordnungsgemäße Vertretung zu sorgen hat und sich deshalb selbst um die Bestellung eines Betreuers nach § 1896 BGB bemühen muss, der nur vom Betreuungsgericht, nicht aber vom Prozessgericht bestellt werden kann. Es muss dem Kläger dafür vor Erlass des Prozessurteils die nötige Zeit einräumen (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 6; BGH 9. November 2010 - VI ZR 249/09 - Rn. 7). Dabei ist zu berücksichtigen, dass selbst die Bestellung eines vorläufigen Betreuers durch einstweilige Anordnung nach § 300 FamFG nicht ohne eine ärztliche Stellungnahme und eine vorherige Anhörung des Betroffenen durch das Betreuungsgericht zulässig ist, was eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt(BGH 6. Dezember 2013 - V ZR 8/13 - Rn. 21). Zudem muss das Gericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht nach § 26 FamFG etwaigen Zweifeln am Vorliegen der Voraussetzungen einer Betreuerbestellung nachgehen(vgl. Keidel/Budde FamFG 18. Aufl. § 300 Rn. 4). Diese Umstände sind unter Berücksichtigung der Komplexität des jeweiligen Falls bei der Einschätzung des erforderlichen Zeitrahmens zu berücksichtigen.
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(b) Die Beschwerdebegründung weist unter Nr. 4 zutreffend darauf hin, dass die dem Kläger für die Bestellung eines Betreuers bis zum 10. Januar 2013 gesetzte Frist praktisch unhaltbar war. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger erst mit Beschluss vom 27. November 2012 mitgeteilt, dass es ihn für das vorliegende Verfahren als prozessunfähig ansieht. Die Zeitspanne bis zum Fristablauf war offensichtlich nicht ausreichend, um das gerichtliche Verfahren bzgl. der Bestellung eines Betreuers abzuschließen. Es ist daher ohne Belang, dass der Kläger sich erst am 9. Januar 2013 an das zuständige Betreuungsgericht gewandt hat. Hinsichtlich des weiteren Ablaufs des Verfahrens kann dem Kläger entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht mit auschlaggebender Wirkung angelastet werden, dass eine Entscheidung über die Betreuerbestellung bis zur mündlichen Verhandlung am 16. Juli 2013 nicht getroffen wurde. Es sprechen zwar durchaus Umstände dafür, dass sich der Kläger hinsichtlich der Angabe der zutreffenden Adresse zunächst nicht konstruktiv verhalten hat. Zumindest gegenüber dem Landesarbeitsgericht hat er jedoch mit Schriftsatz vom 12. April 2013 seine aktuelle Adresse mitgeteilt. Eine Weitergabe an das Betreuungsgericht wäre gemäß § 22a Abs. 2 FamFG in Betracht gekommen. Es obliegt im Übrigen dem Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht mit hinreichendem Nachdruck die entsprechende Klarheit herbeizuführen.
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4. Die Verfahrensgestaltung des Landesarbeitsgerichts verletzt den Kläger auch in seinem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG(BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 5; BGH 6. Dezember 2013 - V ZR 8/13 - Rn. 19). Dies rügt die Beschwerde zu Recht.
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5. Zur Beschleunigung des Verfahrens hat der Senat den Rechtsstreit nach § 72a Abs. 7 ArbGG an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen und dabei wegen der Gesamtumstände von der Möglichkeit der Zurückverweisung an eine andere Kammer Gebrauch gemacht. Hinsichtlich der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gründet sich dies auf die direkte Anwendung des § 72a Abs. 7 ArbGG. Bezüglich des absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 ZPO ist § 72a Abs. 7 ArbGG analog anzuwenden.
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a) Nach § 72a Abs. 7 ArbGG kann das Bundesarbeitsgericht bei Verletzung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen. Dem Wortlaut der Vorschrift nach besteht diese Möglichkeit nicht bei Vorliegen eines anderen Zulassungsgrundes. § 72a Abs. 7 ArbGG ist aber bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes iSv. § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG, § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO analog anzuwenden.
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aa) Analoge Gesetzesanwendung setzt voraus, dass der gesetzlich ungeregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangt wie die erfassten Fälle (BAG 24. Oktober 2013 - 2 AZR 320/13 - Rn. 25). Es muss allerdings eine positiv festzustellende Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes vorliegen (BAG 16. Mai 2013 - 6 AZR 556/11 - Rn. 56).
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bb) Nach diesen Grundsätzen ist eine analoge Anwendung des § 72a Abs. 7 ArbGG bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO geboten.
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(1) § 72a Abs. 7 ArbGG wurde durch das Anhörungsrügengesetz vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3220) neu eingefügt. Die Vorschrift orientiert sich an § 544 Abs. 7 ZPO und dient der Beschleunigung des Verfahrens(BR-Drs. 663/04 S. 49; BT-Drs. 15/3706 S. 20). Diesem Zweck der Verfahrensbeschleunigung würde es widersprechen, wenn bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes die angefochtene Entscheidung zunächst im Revisionsverfahren ohne weitere Sachprüfung aufgehoben und das Verfahren erst dann an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden müsste (Bepler RdA 2005, 65, 76; ErfK/Koch 14. Aufl. § 72a ArbGG Rn. 10; Düwell/Lipke/Düwell ArbGG 3. Aufl. § 72a Rn. 59).
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(2) Für eine unbewusste Gesetzeslücke im Sinne eines Redaktionsversehens spricht die ausweislich der Gesetzesbegründung erfolgte Orientierung an dem im Wesentlichen wortgleichen § 544 Abs. 7 ZPO, der wiederum § 133 Abs. 6 VwGO zum Vorbild hat(BT-Drs. 15/3706 S. 17; BAG 12. Dezember 2006 - 3 AZN 625/06 - Rn. 34, BAGE 120, 322). Dabei ist offenbar übersehen worden, dass § 543 ZPO anders als § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG eine Zulassung der Revision wegen Vorliegens eines absoluten Revisionsgrundes nicht vorsieht(vgl. Bepler RdA 2005, 65, 76; Düwell/Lipke/Düwell ArbGG 3. Aufl. § 72a Rn. 59). Die Berücksichtigung absoluter Revisionsgründe war bei § 544 Abs. 7 ZPO daher nicht veranlasst.
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(3) All dies spricht dafür, dass die mit § 72a Abs. 7 ArbGG bezweckte Verfahrensbeschleunigung zur Vermeidung eines lediglich entscheidungsverzögernden Revisionsverfahrens auch bei Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gemäß § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG ermöglicht werden soll. Eine entsprechende Analogie entspricht auch der Interessenlage der Parteien und dem allgemeinen Beschleunigungsgebot nach § 9 Abs. 1 ArbGG(ErfK/Koch 14. Aufl. § 72a ArbGG Rn. 10). In der Literatur wird die analoge Anwendung des § 72a Abs. 7 ArbGG daher überwiegend befürwortet(so GWBG/Benecke ArbGG 8. Aufl. § 72a Rn. 51; Schwab/Weth/Ulrich 3. Aufl. ArbGG § 72a Rn. 87a; BeckOK ArbR/Klose Stand 1. März 2014 ArbGG § 72a Rn. 21; aA GK-ArbGG/Mikosch Stand April 2010 § 72a Rn. 84; GMP/Müller-Glöge ArbGG 8. Aufl. § 72a Rn. 62).
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b) § 72a Abs. 7 ArbGG ermöglicht auch die Zurückverweisung an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts. Die Vorschrift sieht dies zwar nicht ausdrücklich vor. Dieser Weg ist jedoch in entsprechender Anwendung von § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO eröffnet. Eine derartige Notwendigkeit kann auch bei einer Zurückverweisung im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens entstehen (BAG 12. Dezember 2006 - 3 AZN 625/06 - Rn. 33, BAGE 120, 322).
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6. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung gemäß § 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG ab.
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III. Die nach der Zurückverweisung zuständige Kammer des Landesarbeitsgerichts wird zu prüfen haben, ob sie - ggf. nach Einholung eines erneuten Sachverständigengutachtens - ebenfalls von der Prozessunfähigkeit des Klägers ausgeht. In diesem Fall wird zu klären sein, ob eine durchgehende Prozessunfähigkeit seit Beginn des Verfahrens vorliegt, so dass eine konkludente Genehmigung der bisherigen Prozesshandlungen durch den zeitweise prozessfähigen Kläger ausscheidet (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 10). Bei zeitweiser Prozessfähigkeit wären die Vorgaben der §§ 86, 246 ZPO zu beachten. Bei durchgehender Prozessunfähigkeit wird das Landesarbeitsgericht dem Kläger wiederum Gelegenheit geben müssen, für eine gesetzliche Vertretung durch Bestellung eines Betreuers zu sorgen.
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Sollte das Landesarbeitsgericht demgegenüber zu der Auffassung gelangen, dass der Kläger prozessfähig ist, wird es den Rechtsstreit nach mündlicher Verhandlung unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter entscheiden müssen.
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IV. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.
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V. Die Wertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.
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Fischermeier
Spelge
Krumbiegel
Augat
Kreis
Eine Person ist insoweit prozessfähig, als sie sich durch Verträge verpflichten kann.
Geschäftsunfähig ist:
- 1.
wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat, - 2.
wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist.
Tenor
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1. Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 27. August 2013 - 8 Sa 62/08 - aufgehoben.
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2. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens - an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.
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3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 9.900,00 Euro festgesetzt.
Gründe
- 1
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I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs.
- 2
-
Der Kläger stand auf der Grundlage gerichtlicher Beschlüsse vom 12. Juli 2005 unter Betreuung. Die Parteien begründeten im Jahre 2007 ein Arbeitsverhältnis, welches der Beklagte mit zwei Kündigungen innerhalb der Wartezeit beenden wollte. Der Kläger hat hiergegen Kündigungsschutzklage erhoben. Die Parteien haben vor dem Arbeitsgericht am 12. März 2008 einen verfahrensbeendenden Vergleich geschlossen, welcher ua. die Zahlung einer Abfindung iHv. 56.000,00 Euro brutto als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes vorsieht. Der Beklagte hat daraufhin sowohl den Abschluss des Arbeitsvertrags als auch des Prozessvergleichs wegen arglistiger Täuschung und Irrtums angefochten. Der Kläger hält an der Wirksamkeit des Vergleichs fest.
- 3
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Durch Beschluss des zuständigen Landgerichts vom 31. August 2009 wurde die Betreuung des Klägers aufgehoben. Das Oberlandesgericht hat diese Entscheidung am 30. August 2010 dahin gehend abgeändert, dass die Betreuerbestellung noch für Gerichtsverfahren nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO sowie bezüglich Gerichtsverfahren mit Auslandsbezug besteht. Schließlich hat das Betreuungsgericht mit Beschluss vom 31. Mai 2011 diese Betreuung gänzlich aufgehoben.
- 4
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Das Arbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 2. Dezember 2008 den auf die Unwirksamkeit des Vergleichs gerichteten Feststellungsantrag des Beklagten als unbegründet angesehen. Das Landesarbeitsgericht hat nach dem Ende der Vertretung des Klägers durch seinen vormaligen Betreuer mit Beschluss vom 3. Dezember 2010 einen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten beigeordnet. Es hat zur Prüfung der Prozessfähigkeit des Klägers ein Gutachten eingeholt. Am 27. November 2012 hat das Landesarbeitsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem Kläger beschlossen, dass der Kläger für das vorliegende Verfahren als prozessunfähig angesehen wird. Ihm wurde Gelegenheit gegeben, bis zum 10. Januar 2013 für die Bestellung eines Betreuers zu sorgen. Am 9. Januar 2013 hat der Kläger das Betreuungsgericht hierüber informiert und gebeten „das Notwendige“ zu veranlassen. Bis zur nächsten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 16. Juli 2013 erfolgte keine Entscheidung über die erneute Bestellung eines Betreuers.
- 5
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In diesem Termin war der Kläger mit dem beigeordneten Rechtsanwalt anwesend. Das Landesarbeitsgericht hat den Kläger jedoch als nicht wirksam vertreten und damit säumig angesehen. Der beigeordnete Rechtsanwalt handle ohne wirksame Vollmacht, da der Kläger partiell prozessunfähig für arbeitsgerichtliche Verfahren sei und insoweit keine Prozessvollmachten erteilen könne. Zwar komme das eingeholte Sachverständigengutachten nicht eindeutig zu dem Ergebnis der Prozessunfähigkeit des Klägers. Diese sei aber aus dem gesamten prozessualen Verhalten des Klägers in einer Vielzahl von Prozessen erkennbar. Auch frühere Begutachtungen sowie ein von dem Beklagten vorgelegtes Gutachten vom 11. September 2011 kämen zu diesem Ergebnis. Der Kläger sei aufgrund einer Geistesstörung nicht in der Lage, seinen Willen frei zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Insbesondere sei er krankhaft außer Stande, eigene Überzeugungen kritisch zu hinterfragen, den situativen Erfordernissen anzupassen oder gar zu revidieren. Der Kläger sei auch nicht unverschuldet säumig geblieben. Er habe die ihm bis zum 10. Januar 2013 gesetzte Frist nicht genutzt und durch die Mitteilung falscher Anschriften das eingeleitete Betreuungsverfahren verzögert.
- 6
-
Auf Antrag des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung nach Lage der Akten entschieden, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 12. März 2008 nicht beendet worden ist. Die Kündigungsschutzklage hat das Landesarbeitsgericht abgewiesen.
- 7
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Das vom Kläger mit Schreiben vom 9. Januar 2013 angeregte Betreuungsverfahren wurde durch das Betreuungsgericht mit Beschluss vom 27. Dezember 2013 eingestellt.
- 8
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II. Die Beschwerde führt zulässig und begründet den absoluten Revisionsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO sowie eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG an. Nach § 72a Abs. 7 ArbGG hat der Senat das angefochtene Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob weitere Verletzungen des Anspruchs auf rechtliches Gehör vorliegen, welche ebenfalls zur Zurückverweisung gemäß § 72a Abs. 7 ArbGG geführt hätten. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob die Voraussetzungen einer Grundsatz- oder Divergenzbeschwerde hier erfüllt sind.
- 9
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1. Die Beschwerde ist nicht wegen Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72a Abs. 2 Satz 1 und § 72a Abs. 3 Satz 1 ArbGG unzulässig.
- 10
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a) Zum Zeitpunkt der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde am 1. April 2014 waren diese Fristen mit Blick auf die Zustellung des Urteils des Landesarbeitsgerichts am 2. September 2013 versäumt.
- 11
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b) Dem Kläger ist jedoch die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO zu gewähren. Der Kläger war wegen Mittellosigkeit und somit ohne sein Verschulden verhindert, die Fristen zur Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde einzuhalten. Er hat aber innerhalb der einmonatigen Notfrist des § 72a Abs. 2 Satz 1 ArbGG am 2. Oktober 2013 Prozesskostenhilfe beantragt, die ihm mit Beschluss des Senats vom 10. März 2014 - 6 AZA 16/13 - bewilligt worden ist (vgl. BAG 11. Oktober 2010 - 9 AZN 418/10 - Rn. 5). Die Entscheidung wurde dem Kläger am 18. März 2014 zugestellt. Der am 1. April 2014 eingegangene Wiedereinsetzungsantrag wahrte die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Frist begann mit dem Tag, an dem das der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde entgegenstehende Hindernis behoben war (§ 234 Abs. 2 ZPO). Das Hindernis der Mittellosigkeit entfiel mit der Bekanntgabe des Beschlusses über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe an den Kläger (vgl. BGH 22. November 2000 - XII ZB 28/00 - zu II 1 der Gründe). Die Wiedereinsetzungsfrist endete folglich mit Ablauf des 1. April 2014 (§ 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ging am 16. April 2014 und damit innerhalb der Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO ein.
- 12
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2. Die mögliche mangelnde Prozessfähigkeit des Klägers führt nicht zur Unzulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde.
- 13
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a) Die Prozessfähigkeit gemäß § 51 Abs. 1, § 52 ZPO ist zwingende Prozessvoraussetzung. Bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Partei prozessunfähig sein könnte, hat deshalb das jeweils mit der Sache befasste Gericht nach § 56 Abs. 1 ZPO von Amts wegen zu ermitteln, ob Prozessunfähigkeit vorliegt. Dabei ist es nicht an die förmlichen Beweismittel des Zivilprozesses gebunden, vielmehr gilt der Grundsatz des Freibeweises (vgl. BGH 9. November 2010 - VI ZR 249/09 - Rn. 4). Das mögliche Fehlen der Prozessfähigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens, also auch noch in der Berufungs- und Revisionsinstanz, von Amts wegen zu berücksichtigen (BAG 20. Januar 2000 - 2 AZR 733/98 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 93, 248; zum Ermessenspielraum des Revisionsgerichts, ob es den Sachverhalt selbst aufklären will vgl. BAG 26. August 1988 - 7 AZR 746/87 - zu I 2 der Gründe). Die höhere Instanz ist an die Tatsachenfeststellungen der unteren Instanz zu den Prozessvoraussetzungen nicht gebunden und hat auch neues Tatsachenvorbringen zu berücksichtigen (Zöller/Vollkommer ZPO 30. Aufl. § 56 Rn. 2 mwN). Für den Streit über die Prozessfähigkeit ist die davon betroffene Partei aber in jedem Fall als prozessfähig anzusehen (BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 3; BGH 9. November 2010 - VI ZR 249/09 - Rn. 3). So kann auch eine Partei, deren Prozessfähigkeit in der Vorinstanz verneint worden ist, wirksam ein Rechtsmittel einlegen, um eine andere Beurteilung zu erreichen (BGH 6. Dezember 2013 - V ZR 8/13 - Rn. 4).
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b) Nach den zutreffenden Ausführungen des Landesarbeitsgerichts in der anzufechtenden Entscheidung wurde die Prozessunfähigkeit des Klägers gutachterlich nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt. Die dennoch durch das Landesarbeitsgericht vorgenommene Einschätzung des Klägers als „partiell prozessunfähig für arbeitsgerichtliche Verfahren“ begegnet Bedenken.
- 15
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aa) Für die Prozessfähigkeit ist maßgeblich, ob eine Person sich durch Verträge verpflichten kann ( § 52 ZPO ). Prozessunfähig, weil geschäftsunfähig, sind deshalb Volljährige unter den Voraussetzungen des § 104 Nr. 2 BGB. Danach ist geschäftsunfähig, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden, dauerhaften Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet. Ein solcher Zustand ist gegeben, wenn jemand nicht im Stande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von einer vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Das kann auch der Fall sein, wenn lediglich eine Geistesschwäche vorliegt. Abzustellen ist allein darauf, ob eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich ist oder ob umgekehrt von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, etwa weil infolge der Geistesstörung Einflüsse dritter Personen den Willen übermäßig beherrschen (BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 8 mwN).
- 16
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bb) Ein Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit des Klägers ist jedenfalls bezogen auf das vorliegende Verfahren nicht zu erkennen. Der Kläger verfolgt nur noch das Ziel, sich gegen die Angriffe des Beklagten gegen die Wirksamkeit des am 12. März 2008 geschlossenen Prozessvergleichs zu verteidigen. Dies ist nachvollziehbar, denn schließlich sieht dieser Vergleich für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses während der Wartezeit eine Abfindung iHv. 56.000,00 Euro brutto vor. Die vom Landesarbeitsgericht diagnostizierten Wahnvorstellungen kommen hier nicht zum Ausdruck. Im Gegensatz zum Landesarbeitsgericht hat das Betreuungsgericht zudem in seinem Beschluss vom 31. Mai 2011 angeführt, dass der Kläger in der Lage sei, sich in anhängigen Prozessen als Partei zu artikulieren oder einen Prozessbevollmächtigten zu mandatieren. Er sei auf die Unterstützung durch einen gesetzlichen Vertreter nicht angewiesen.
- 17
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c) In der Gesamtschau der zahlreichen Prozesse des Klägers in den letzten Jahren erscheint es dennoch möglich, dass der Kläger (wieder) prozessunfähig ist. Bezüglich des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens kann dies jedoch offenbleiben. Mit dem Beschwerdeverfahren wird der Streit über die Prozessfähigkeit des Klägers fortgeführt, da die Beschwerde Rügen erhebt, die sich auf die Führung des Verfahrens durch das Landesarbeitsgericht bei von diesem unterstellter Prozessunfähigkeit des Klägers beziehen.
- 18
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3. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Es liegt der absolute Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts vor (§ 547 Nr. 1 ZPO iVm. § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG).
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a) Die Beschwerdebegründung enthält eine ausreichende Geltendmachung dieses Revisionsgrundes.
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aa) Wird mit einer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG das Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes geltend gemacht, muss nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG die Beschwerdebegründung die Darlegung des absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO enthalten. Die bloße Benennung eines Zulassungsgrundes genügt nicht. Der Beschwerdeführer hat vielmehr die Tatsachen, aus denen sich der Verfahrensfehler des Berufungsgerichts ergeben soll, substantiiert vorzutragen (BAG 5. Dezember 2011 - 5 AZN 1036/11 - Rn. 7).
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bb) Diese Voraussetzungen sind hier bezüglich des absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 ZPO erfüllt. Der Beschwerdeführer hat diese Rechtsnorm zwar nicht konkret bezeichnet, sondern als absoluten Revisionsgrund unter Nr. 3, 4 und 5 der Beschwerdebegründung nur § 547 Nr. 4 ZPO ausdrücklich angeführt sowie einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör(Art. 103 Abs. 1 GG) gerügt. Die Beschwerdebegründung lässt aber deutlich erkennen, dass der Beschwerdeführer die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts iSd. § 547 Nr. 1 ZPO als gegeben ansieht(vgl. BAG 25. Januar 2012 - 4 AZR 185/10 - Rn. 12). Dies ergibt sich daraus, dass die Beschwerdebegründung anführt, dass die Voraussetzungen einer Entscheidung nach Aktenlage gemäß § 331a ZPO, wie sie das Landesarbeitsgericht hier vorgenommen hat, nicht gegeben seien. Da im arbeitsgerichtlichen Verfahren bei einer solchen Entscheidung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 4 ArbGG eine Alleinentscheidung durch die Vorsitzende oder den Vorsitzenden erfolgt(vgl. GMP/Germelmann ArbGG 8. Aufl. § 55 Rn. 17), umfasst die erhobene und begründete Rüge bezüglich der Entscheidung nach Aktenlage zwingend die Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts. Die Beschwerde macht damit deutlich, dass die Entscheidung unzulässigerweise ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter erfolgte.
- 22
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b) Der absolute Revisionsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO ist gegeben, da das Landesarbeitsgericht keine Entscheidung nach Aktenlage gemäß § 331a ZPO durch Alleinentscheidung der Vorsitzenden treffen durfte. Die Alleinentscheidung stellt eine Entscheidung bei nicht vorschriftsmäßiger Besetzung des Gerichts dar. Dies gilt unabhängig davon, ob der Kläger prozessfähig oder prozessunfähig war.
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aa) Wäre der Kläger - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - prozessfähig gewesen, so wäre er durch den ihm beigeordneten Rechtsanwalt in der mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß vertreten gewesen (§ 11 Abs. 4 ArbGG). Eine Säumnis hätte nicht vorgelegen.
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bb) Bei zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens vorliegender Prozessunfähigkeit des Klägers hätte das Landesarbeitsgericht den Antrag des Beklagten auf Entscheidung nach Lage der Akten gemäß § 335 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zurückweisen müssen. In diesem Fall wäre keine ordnungsgemäße Ladung des Klägers zum Termin am 16. Juli 2013 erfolgt.
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(1) Nicht verkündete Terminsbestimmungen sind gemäß § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO zuzustellen. Gemäß § 170 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist bei nicht prozessfähigen Personen an ihren gesetzlichen Vertreter zuzustellen. Die Zustellung an die nicht prozessfähige Person ist unwirksam (§ 170 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Betreute Personen werden im Aufgabenkreis des Betreuers gemäß § 1902 BGB durch diesen gerichtlich und außergerichtlich vertreten.
- 26
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(2) Bei unterstellter Prozessunfähigkeit des Klägers hätte die am 27. März 2013 vorgenommene und nicht verkündete Terminsbestimmung mit Ladung einem Betreuer des Klägers zugestellt werden müssen. Dies ist nicht erfolgt.
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(3) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts konnte die nicht an den gesetzlichen Vertreter des Klägers erfolgte Zustellung auch nicht durch das Erscheinen des Klägers und des beigeordneten Anwalts im Termin geheilt werden. Eine Heilung von Zustellungsmängeln kommt gemäß § 189 ZPO nur in Betracht, wenn das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Diese Person wäre ein Betreuer gewesen. An einen Betreuer erfolgte aber zu keinem Zeitpunkt eine Ladung.
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(4) Die Zustellung der Ladung an den beigeordneten Anwalt als Prozessbevollmächtigten nach § 172 Abs. 1 ZPO war entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch nicht ausreichend, weil der Streit über die Prozessfähigkeit noch andauerte. Das Landesarbeitsgericht hatte bereits mit Beschluss vom 27. November 2012 entschieden, dass es den Kläger für das vorliegende Verfahren als prozessunfähig ansieht.
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cc) Selbst bei Annahme einer ordnungsgemäßen Ladung und Vorliegen einer Säumnis hätte das Landesarbeitsgericht keine Entscheidung nach Aktenlage treffen dürfen.
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(1) Ein Urteil nach Lage der Akten darf nach § 331a Satz 2, § 251a Abs. 2 ZPO nur ergehen, wenn in einem früheren Termin mündlich verhandelt worden ist. Es darf frühestens in zwei Wochen verkündet werden. Das Gericht hat der nicht erschienenen Partei den Verkündungstermin formlos mitzuteilen. Es bestimmt neuen Termin zur mündlichen Verhandlung, wenn die Partei dies spätestens am siebenten Tag vor dem zur Verkündung bestimmten Termin beantragt und glaubhaft macht, dass sie ohne ihr Verschulden ausgeblieben ist und die Verlegung des Termins nicht rechtzeitig beantragen konnte.
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(2) Der Kläger hatte mit Schriftsatz vom 1. Juli 2013 die Verlegung des Termins am 16. Juli 2013 beantragt, weil über die Bestellung eines Betreuers noch nicht entschieden worden sei. Ihm stünde kein Mittel zur Verfahrensbeschleunigung zur Verfügung. Nach Durchführung des Termins wiederholte er dies mit Schriftsatz vom 31. Juli 2013, welcher am selben Tag bei Gericht einging, und beantragte die Bestimmung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung. Das Landesarbeitsgericht verkündete in dem vom 13. August 2013 auf den 27. August 2013 verlegten Verkündungstermin dennoch das angegriffene Urteil. Es hätte aber antragsgemäß einen neuen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmen müssen. Die wegen der nicht erfolgten Vertretung durch einen Betreuer angenommene Säumnis wäre nicht auf ein Verschulden des Klägers zurückzuführen.
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(a) Das erkennende Gericht muss darauf hinwirken, dass ein nach Auffassung des Gerichts prozessunfähiger Kläger, der damit mangels Geschäftsfähigkeit auch keinen Prozessbevollmächtigten wirksam hatte bestellen können, seine prozessualen Rechte wahrnehmen kann. Das Gericht muss den Kläger also darauf hinweisen, dass er für eine ordnungsgemäße Vertretung zu sorgen hat und sich deshalb selbst um die Bestellung eines Betreuers nach § 1896 BGB bemühen muss, der nur vom Betreuungsgericht, nicht aber vom Prozessgericht bestellt werden kann. Es muss dem Kläger dafür vor Erlass des Prozessurteils die nötige Zeit einräumen (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 6; BGH 9. November 2010 - VI ZR 249/09 - Rn. 7). Dabei ist zu berücksichtigen, dass selbst die Bestellung eines vorläufigen Betreuers durch einstweilige Anordnung nach § 300 FamFG nicht ohne eine ärztliche Stellungnahme und eine vorherige Anhörung des Betroffenen durch das Betreuungsgericht zulässig ist, was eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt(BGH 6. Dezember 2013 - V ZR 8/13 - Rn. 21). Zudem muss das Gericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht nach § 26 FamFG etwaigen Zweifeln am Vorliegen der Voraussetzungen einer Betreuerbestellung nachgehen(vgl. Keidel/Budde FamFG 18. Aufl. § 300 Rn. 4). Diese Umstände sind unter Berücksichtigung der Komplexität des jeweiligen Falls bei der Einschätzung des erforderlichen Zeitrahmens zu berücksichtigen.
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(b) Die Beschwerdebegründung weist unter Nr. 4 zutreffend darauf hin, dass die dem Kläger für die Bestellung eines Betreuers bis zum 10. Januar 2013 gesetzte Frist praktisch unhaltbar war. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger erst mit Beschluss vom 27. November 2012 mitgeteilt, dass es ihn für das vorliegende Verfahren als prozessunfähig ansieht. Die Zeitspanne bis zum Fristablauf war offensichtlich nicht ausreichend, um das gerichtliche Verfahren bzgl. der Bestellung eines Betreuers abzuschließen. Es ist daher ohne Belang, dass der Kläger sich erst am 9. Januar 2013 an das zuständige Betreuungsgericht gewandt hat. Hinsichtlich des weiteren Ablaufs des Verfahrens kann dem Kläger entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht mit auschlaggebender Wirkung angelastet werden, dass eine Entscheidung über die Betreuerbestellung bis zur mündlichen Verhandlung am 16. Juli 2013 nicht getroffen wurde. Es sprechen zwar durchaus Umstände dafür, dass sich der Kläger hinsichtlich der Angabe der zutreffenden Adresse zunächst nicht konstruktiv verhalten hat. Zumindest gegenüber dem Landesarbeitsgericht hat er jedoch mit Schriftsatz vom 12. April 2013 seine aktuelle Adresse mitgeteilt. Eine Weitergabe an das Betreuungsgericht wäre gemäß § 22a Abs. 2 FamFG in Betracht gekommen. Es obliegt im Übrigen dem Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht mit hinreichendem Nachdruck die entsprechende Klarheit herbeizuführen.
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4. Die Verfahrensgestaltung des Landesarbeitsgerichts verletzt den Kläger auch in seinem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG(BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 5; BGH 6. Dezember 2013 - V ZR 8/13 - Rn. 19). Dies rügt die Beschwerde zu Recht.
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5. Zur Beschleunigung des Verfahrens hat der Senat den Rechtsstreit nach § 72a Abs. 7 ArbGG an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen und dabei wegen der Gesamtumstände von der Möglichkeit der Zurückverweisung an eine andere Kammer Gebrauch gemacht. Hinsichtlich der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gründet sich dies auf die direkte Anwendung des § 72a Abs. 7 ArbGG. Bezüglich des absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 ZPO ist § 72a Abs. 7 ArbGG analog anzuwenden.
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a) Nach § 72a Abs. 7 ArbGG kann das Bundesarbeitsgericht bei Verletzung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen. Dem Wortlaut der Vorschrift nach besteht diese Möglichkeit nicht bei Vorliegen eines anderen Zulassungsgrundes. § 72a Abs. 7 ArbGG ist aber bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes iSv. § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG, § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO analog anzuwenden.
- 37
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aa) Analoge Gesetzesanwendung setzt voraus, dass der gesetzlich ungeregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangt wie die erfassten Fälle (BAG 24. Oktober 2013 - 2 AZR 320/13 - Rn. 25). Es muss allerdings eine positiv festzustellende Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes vorliegen (BAG 16. Mai 2013 - 6 AZR 556/11 - Rn. 56).
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bb) Nach diesen Grundsätzen ist eine analoge Anwendung des § 72a Abs. 7 ArbGG bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO geboten.
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(1) § 72a Abs. 7 ArbGG wurde durch das Anhörungsrügengesetz vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3220) neu eingefügt. Die Vorschrift orientiert sich an § 544 Abs. 7 ZPO und dient der Beschleunigung des Verfahrens(BR-Drs. 663/04 S. 49; BT-Drs. 15/3706 S. 20). Diesem Zweck der Verfahrensbeschleunigung würde es widersprechen, wenn bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes die angefochtene Entscheidung zunächst im Revisionsverfahren ohne weitere Sachprüfung aufgehoben und das Verfahren erst dann an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden müsste (Bepler RdA 2005, 65, 76; ErfK/Koch 14. Aufl. § 72a ArbGG Rn. 10; Düwell/Lipke/Düwell ArbGG 3. Aufl. § 72a Rn. 59).
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(2) Für eine unbewusste Gesetzeslücke im Sinne eines Redaktionsversehens spricht die ausweislich der Gesetzesbegründung erfolgte Orientierung an dem im Wesentlichen wortgleichen § 544 Abs. 7 ZPO, der wiederum § 133 Abs. 6 VwGO zum Vorbild hat(BT-Drs. 15/3706 S. 17; BAG 12. Dezember 2006 - 3 AZN 625/06 - Rn. 34, BAGE 120, 322). Dabei ist offenbar übersehen worden, dass § 543 ZPO anders als § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG eine Zulassung der Revision wegen Vorliegens eines absoluten Revisionsgrundes nicht vorsieht(vgl. Bepler RdA 2005, 65, 76; Düwell/Lipke/Düwell ArbGG 3. Aufl. § 72a Rn. 59). Die Berücksichtigung absoluter Revisionsgründe war bei § 544 Abs. 7 ZPO daher nicht veranlasst.
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(3) All dies spricht dafür, dass die mit § 72a Abs. 7 ArbGG bezweckte Verfahrensbeschleunigung zur Vermeidung eines lediglich entscheidungsverzögernden Revisionsverfahrens auch bei Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gemäß § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG ermöglicht werden soll. Eine entsprechende Analogie entspricht auch der Interessenlage der Parteien und dem allgemeinen Beschleunigungsgebot nach § 9 Abs. 1 ArbGG(ErfK/Koch 14. Aufl. § 72a ArbGG Rn. 10). In der Literatur wird die analoge Anwendung des § 72a Abs. 7 ArbGG daher überwiegend befürwortet(so GWBG/Benecke ArbGG 8. Aufl. § 72a Rn. 51; Schwab/Weth/Ulrich 3. Aufl. ArbGG § 72a Rn. 87a; BeckOK ArbR/Klose Stand 1. März 2014 ArbGG § 72a Rn. 21; aA GK-ArbGG/Mikosch Stand April 2010 § 72a Rn. 84; GMP/Müller-Glöge ArbGG 8. Aufl. § 72a Rn. 62).
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b) § 72a Abs. 7 ArbGG ermöglicht auch die Zurückverweisung an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts. Die Vorschrift sieht dies zwar nicht ausdrücklich vor. Dieser Weg ist jedoch in entsprechender Anwendung von § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO eröffnet. Eine derartige Notwendigkeit kann auch bei einer Zurückverweisung im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens entstehen (BAG 12. Dezember 2006 - 3 AZN 625/06 - Rn. 33, BAGE 120, 322).
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6. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung gemäß § 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG ab.
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III. Die nach der Zurückverweisung zuständige Kammer des Landesarbeitsgerichts wird zu prüfen haben, ob sie - ggf. nach Einholung eines erneuten Sachverständigengutachtens - ebenfalls von der Prozessunfähigkeit des Klägers ausgeht. In diesem Fall wird zu klären sein, ob eine durchgehende Prozessunfähigkeit seit Beginn des Verfahrens vorliegt, so dass eine konkludente Genehmigung der bisherigen Prozesshandlungen durch den zeitweise prozessfähigen Kläger ausscheidet (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 10). Bei zeitweiser Prozessfähigkeit wären die Vorgaben der §§ 86, 246 ZPO zu beachten. Bei durchgehender Prozessunfähigkeit wird das Landesarbeitsgericht dem Kläger wiederum Gelegenheit geben müssen, für eine gesetzliche Vertretung durch Bestellung eines Betreuers zu sorgen.
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Sollte das Landesarbeitsgericht demgegenüber zu der Auffassung gelangen, dass der Kläger prozessfähig ist, wird es den Rechtsstreit nach mündlicher Verhandlung unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter entscheiden müssen.
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IV. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.
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V. Die Wertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.
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Fischermeier
Spelge
Krumbiegel
Augat
Kreis
(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.
(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.
(1) Das Gericht hat den Mangel der Parteifähigkeit, der Prozessfähigkeit, der Legitimation eines gesetzlichen Vertreters und der erforderlichen Ermächtigung zur Prozessführung von Amts wegen zu berücksichtigen.
(2) Die Partei oder deren gesetzlicher Vertreter kann zur Prozessführung mit Vorbehalt der Beseitigung des Mangels zugelassen werden, wenn mit dem Verzug Gefahr für die Partei verbunden ist. Das Endurteil darf erst erlassen werden, nachdem die für die Beseitigung des Mangels zu bestimmende Frist abgelaufen ist.
Tenor
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1. Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 27. August 2013 - 8 Sa 62/08 - aufgehoben.
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2. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens - an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.
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3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 9.900,00 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs.
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Der Kläger stand auf der Grundlage gerichtlicher Beschlüsse vom 12. Juli 2005 unter Betreuung. Die Parteien begründeten im Jahre 2007 ein Arbeitsverhältnis, welches der Beklagte mit zwei Kündigungen innerhalb der Wartezeit beenden wollte. Der Kläger hat hiergegen Kündigungsschutzklage erhoben. Die Parteien haben vor dem Arbeitsgericht am 12. März 2008 einen verfahrensbeendenden Vergleich geschlossen, welcher ua. die Zahlung einer Abfindung iHv. 56.000,00 Euro brutto als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes vorsieht. Der Beklagte hat daraufhin sowohl den Abschluss des Arbeitsvertrags als auch des Prozessvergleichs wegen arglistiger Täuschung und Irrtums angefochten. Der Kläger hält an der Wirksamkeit des Vergleichs fest.
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Durch Beschluss des zuständigen Landgerichts vom 31. August 2009 wurde die Betreuung des Klägers aufgehoben. Das Oberlandesgericht hat diese Entscheidung am 30. August 2010 dahin gehend abgeändert, dass die Betreuerbestellung noch für Gerichtsverfahren nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO sowie bezüglich Gerichtsverfahren mit Auslandsbezug besteht. Schließlich hat das Betreuungsgericht mit Beschluss vom 31. Mai 2011 diese Betreuung gänzlich aufgehoben.
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Das Arbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 2. Dezember 2008 den auf die Unwirksamkeit des Vergleichs gerichteten Feststellungsantrag des Beklagten als unbegründet angesehen. Das Landesarbeitsgericht hat nach dem Ende der Vertretung des Klägers durch seinen vormaligen Betreuer mit Beschluss vom 3. Dezember 2010 einen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten beigeordnet. Es hat zur Prüfung der Prozessfähigkeit des Klägers ein Gutachten eingeholt. Am 27. November 2012 hat das Landesarbeitsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem Kläger beschlossen, dass der Kläger für das vorliegende Verfahren als prozessunfähig angesehen wird. Ihm wurde Gelegenheit gegeben, bis zum 10. Januar 2013 für die Bestellung eines Betreuers zu sorgen. Am 9. Januar 2013 hat der Kläger das Betreuungsgericht hierüber informiert und gebeten „das Notwendige“ zu veranlassen. Bis zur nächsten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 16. Juli 2013 erfolgte keine Entscheidung über die erneute Bestellung eines Betreuers.
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In diesem Termin war der Kläger mit dem beigeordneten Rechtsanwalt anwesend. Das Landesarbeitsgericht hat den Kläger jedoch als nicht wirksam vertreten und damit säumig angesehen. Der beigeordnete Rechtsanwalt handle ohne wirksame Vollmacht, da der Kläger partiell prozessunfähig für arbeitsgerichtliche Verfahren sei und insoweit keine Prozessvollmachten erteilen könne. Zwar komme das eingeholte Sachverständigengutachten nicht eindeutig zu dem Ergebnis der Prozessunfähigkeit des Klägers. Diese sei aber aus dem gesamten prozessualen Verhalten des Klägers in einer Vielzahl von Prozessen erkennbar. Auch frühere Begutachtungen sowie ein von dem Beklagten vorgelegtes Gutachten vom 11. September 2011 kämen zu diesem Ergebnis. Der Kläger sei aufgrund einer Geistesstörung nicht in der Lage, seinen Willen frei zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Insbesondere sei er krankhaft außer Stande, eigene Überzeugungen kritisch zu hinterfragen, den situativen Erfordernissen anzupassen oder gar zu revidieren. Der Kläger sei auch nicht unverschuldet säumig geblieben. Er habe die ihm bis zum 10. Januar 2013 gesetzte Frist nicht genutzt und durch die Mitteilung falscher Anschriften das eingeleitete Betreuungsverfahren verzögert.
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Auf Antrag des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung nach Lage der Akten entschieden, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 12. März 2008 nicht beendet worden ist. Die Kündigungsschutzklage hat das Landesarbeitsgericht abgewiesen.
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Das vom Kläger mit Schreiben vom 9. Januar 2013 angeregte Betreuungsverfahren wurde durch das Betreuungsgericht mit Beschluss vom 27. Dezember 2013 eingestellt.
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II. Die Beschwerde führt zulässig und begründet den absoluten Revisionsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO sowie eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG an. Nach § 72a Abs. 7 ArbGG hat der Senat das angefochtene Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob weitere Verletzungen des Anspruchs auf rechtliches Gehör vorliegen, welche ebenfalls zur Zurückverweisung gemäß § 72a Abs. 7 ArbGG geführt hätten. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob die Voraussetzungen einer Grundsatz- oder Divergenzbeschwerde hier erfüllt sind.
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1. Die Beschwerde ist nicht wegen Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72a Abs. 2 Satz 1 und § 72a Abs. 3 Satz 1 ArbGG unzulässig.
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a) Zum Zeitpunkt der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde am 1. April 2014 waren diese Fristen mit Blick auf die Zustellung des Urteils des Landesarbeitsgerichts am 2. September 2013 versäumt.
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b) Dem Kläger ist jedoch die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO zu gewähren. Der Kläger war wegen Mittellosigkeit und somit ohne sein Verschulden verhindert, die Fristen zur Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde einzuhalten. Er hat aber innerhalb der einmonatigen Notfrist des § 72a Abs. 2 Satz 1 ArbGG am 2. Oktober 2013 Prozesskostenhilfe beantragt, die ihm mit Beschluss des Senats vom 10. März 2014 - 6 AZA 16/13 - bewilligt worden ist (vgl. BAG 11. Oktober 2010 - 9 AZN 418/10 - Rn. 5). Die Entscheidung wurde dem Kläger am 18. März 2014 zugestellt. Der am 1. April 2014 eingegangene Wiedereinsetzungsantrag wahrte die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Frist begann mit dem Tag, an dem das der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde entgegenstehende Hindernis behoben war (§ 234 Abs. 2 ZPO). Das Hindernis der Mittellosigkeit entfiel mit der Bekanntgabe des Beschlusses über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe an den Kläger (vgl. BGH 22. November 2000 - XII ZB 28/00 - zu II 1 der Gründe). Die Wiedereinsetzungsfrist endete folglich mit Ablauf des 1. April 2014 (§ 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ging am 16. April 2014 und damit innerhalb der Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO ein.
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2. Die mögliche mangelnde Prozessfähigkeit des Klägers führt nicht zur Unzulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde.
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a) Die Prozessfähigkeit gemäß § 51 Abs. 1, § 52 ZPO ist zwingende Prozessvoraussetzung. Bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Partei prozessunfähig sein könnte, hat deshalb das jeweils mit der Sache befasste Gericht nach § 56 Abs. 1 ZPO von Amts wegen zu ermitteln, ob Prozessunfähigkeit vorliegt. Dabei ist es nicht an die förmlichen Beweismittel des Zivilprozesses gebunden, vielmehr gilt der Grundsatz des Freibeweises (vgl. BGH 9. November 2010 - VI ZR 249/09 - Rn. 4). Das mögliche Fehlen der Prozessfähigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens, also auch noch in der Berufungs- und Revisionsinstanz, von Amts wegen zu berücksichtigen (BAG 20. Januar 2000 - 2 AZR 733/98 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 93, 248; zum Ermessenspielraum des Revisionsgerichts, ob es den Sachverhalt selbst aufklären will vgl. BAG 26. August 1988 - 7 AZR 746/87 - zu I 2 der Gründe). Die höhere Instanz ist an die Tatsachenfeststellungen der unteren Instanz zu den Prozessvoraussetzungen nicht gebunden und hat auch neues Tatsachenvorbringen zu berücksichtigen (Zöller/Vollkommer ZPO 30. Aufl. § 56 Rn. 2 mwN). Für den Streit über die Prozessfähigkeit ist die davon betroffene Partei aber in jedem Fall als prozessfähig anzusehen (BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 3; BGH 9. November 2010 - VI ZR 249/09 - Rn. 3). So kann auch eine Partei, deren Prozessfähigkeit in der Vorinstanz verneint worden ist, wirksam ein Rechtsmittel einlegen, um eine andere Beurteilung zu erreichen (BGH 6. Dezember 2013 - V ZR 8/13 - Rn. 4).
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b) Nach den zutreffenden Ausführungen des Landesarbeitsgerichts in der anzufechtenden Entscheidung wurde die Prozessunfähigkeit des Klägers gutachterlich nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt. Die dennoch durch das Landesarbeitsgericht vorgenommene Einschätzung des Klägers als „partiell prozessunfähig für arbeitsgerichtliche Verfahren“ begegnet Bedenken.
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aa) Für die Prozessfähigkeit ist maßgeblich, ob eine Person sich durch Verträge verpflichten kann ( § 52 ZPO ). Prozessunfähig, weil geschäftsunfähig, sind deshalb Volljährige unter den Voraussetzungen des § 104 Nr. 2 BGB. Danach ist geschäftsunfähig, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden, dauerhaften Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet. Ein solcher Zustand ist gegeben, wenn jemand nicht im Stande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von einer vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Das kann auch der Fall sein, wenn lediglich eine Geistesschwäche vorliegt. Abzustellen ist allein darauf, ob eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich ist oder ob umgekehrt von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, etwa weil infolge der Geistesstörung Einflüsse dritter Personen den Willen übermäßig beherrschen (BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 8 mwN).
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bb) Ein Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit des Klägers ist jedenfalls bezogen auf das vorliegende Verfahren nicht zu erkennen. Der Kläger verfolgt nur noch das Ziel, sich gegen die Angriffe des Beklagten gegen die Wirksamkeit des am 12. März 2008 geschlossenen Prozessvergleichs zu verteidigen. Dies ist nachvollziehbar, denn schließlich sieht dieser Vergleich für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses während der Wartezeit eine Abfindung iHv. 56.000,00 Euro brutto vor. Die vom Landesarbeitsgericht diagnostizierten Wahnvorstellungen kommen hier nicht zum Ausdruck. Im Gegensatz zum Landesarbeitsgericht hat das Betreuungsgericht zudem in seinem Beschluss vom 31. Mai 2011 angeführt, dass der Kläger in der Lage sei, sich in anhängigen Prozessen als Partei zu artikulieren oder einen Prozessbevollmächtigten zu mandatieren. Er sei auf die Unterstützung durch einen gesetzlichen Vertreter nicht angewiesen.
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c) In der Gesamtschau der zahlreichen Prozesse des Klägers in den letzten Jahren erscheint es dennoch möglich, dass der Kläger (wieder) prozessunfähig ist. Bezüglich des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens kann dies jedoch offenbleiben. Mit dem Beschwerdeverfahren wird der Streit über die Prozessfähigkeit des Klägers fortgeführt, da die Beschwerde Rügen erhebt, die sich auf die Führung des Verfahrens durch das Landesarbeitsgericht bei von diesem unterstellter Prozessunfähigkeit des Klägers beziehen.
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3. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Es liegt der absolute Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts vor (§ 547 Nr. 1 ZPO iVm. § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG).
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a) Die Beschwerdebegründung enthält eine ausreichende Geltendmachung dieses Revisionsgrundes.
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aa) Wird mit einer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG das Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes geltend gemacht, muss nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG die Beschwerdebegründung die Darlegung des absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO enthalten. Die bloße Benennung eines Zulassungsgrundes genügt nicht. Der Beschwerdeführer hat vielmehr die Tatsachen, aus denen sich der Verfahrensfehler des Berufungsgerichts ergeben soll, substantiiert vorzutragen (BAG 5. Dezember 2011 - 5 AZN 1036/11 - Rn. 7).
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bb) Diese Voraussetzungen sind hier bezüglich des absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 ZPO erfüllt. Der Beschwerdeführer hat diese Rechtsnorm zwar nicht konkret bezeichnet, sondern als absoluten Revisionsgrund unter Nr. 3, 4 und 5 der Beschwerdebegründung nur § 547 Nr. 4 ZPO ausdrücklich angeführt sowie einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör(Art. 103 Abs. 1 GG) gerügt. Die Beschwerdebegründung lässt aber deutlich erkennen, dass der Beschwerdeführer die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts iSd. § 547 Nr. 1 ZPO als gegeben ansieht(vgl. BAG 25. Januar 2012 - 4 AZR 185/10 - Rn. 12). Dies ergibt sich daraus, dass die Beschwerdebegründung anführt, dass die Voraussetzungen einer Entscheidung nach Aktenlage gemäß § 331a ZPO, wie sie das Landesarbeitsgericht hier vorgenommen hat, nicht gegeben seien. Da im arbeitsgerichtlichen Verfahren bei einer solchen Entscheidung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 4 ArbGG eine Alleinentscheidung durch die Vorsitzende oder den Vorsitzenden erfolgt(vgl. GMP/Germelmann ArbGG 8. Aufl. § 55 Rn. 17), umfasst die erhobene und begründete Rüge bezüglich der Entscheidung nach Aktenlage zwingend die Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts. Die Beschwerde macht damit deutlich, dass die Entscheidung unzulässigerweise ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter erfolgte.
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b) Der absolute Revisionsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO ist gegeben, da das Landesarbeitsgericht keine Entscheidung nach Aktenlage gemäß § 331a ZPO durch Alleinentscheidung der Vorsitzenden treffen durfte. Die Alleinentscheidung stellt eine Entscheidung bei nicht vorschriftsmäßiger Besetzung des Gerichts dar. Dies gilt unabhängig davon, ob der Kläger prozessfähig oder prozessunfähig war.
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aa) Wäre der Kläger - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - prozessfähig gewesen, so wäre er durch den ihm beigeordneten Rechtsanwalt in der mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß vertreten gewesen (§ 11 Abs. 4 ArbGG). Eine Säumnis hätte nicht vorgelegen.
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bb) Bei zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens vorliegender Prozessunfähigkeit des Klägers hätte das Landesarbeitsgericht den Antrag des Beklagten auf Entscheidung nach Lage der Akten gemäß § 335 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zurückweisen müssen. In diesem Fall wäre keine ordnungsgemäße Ladung des Klägers zum Termin am 16. Juli 2013 erfolgt.
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(1) Nicht verkündete Terminsbestimmungen sind gemäß § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO zuzustellen. Gemäß § 170 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist bei nicht prozessfähigen Personen an ihren gesetzlichen Vertreter zuzustellen. Die Zustellung an die nicht prozessfähige Person ist unwirksam (§ 170 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Betreute Personen werden im Aufgabenkreis des Betreuers gemäß § 1902 BGB durch diesen gerichtlich und außergerichtlich vertreten.
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(2) Bei unterstellter Prozessunfähigkeit des Klägers hätte die am 27. März 2013 vorgenommene und nicht verkündete Terminsbestimmung mit Ladung einem Betreuer des Klägers zugestellt werden müssen. Dies ist nicht erfolgt.
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(3) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts konnte die nicht an den gesetzlichen Vertreter des Klägers erfolgte Zustellung auch nicht durch das Erscheinen des Klägers und des beigeordneten Anwalts im Termin geheilt werden. Eine Heilung von Zustellungsmängeln kommt gemäß § 189 ZPO nur in Betracht, wenn das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Diese Person wäre ein Betreuer gewesen. An einen Betreuer erfolgte aber zu keinem Zeitpunkt eine Ladung.
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(4) Die Zustellung der Ladung an den beigeordneten Anwalt als Prozessbevollmächtigten nach § 172 Abs. 1 ZPO war entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch nicht ausreichend, weil der Streit über die Prozessfähigkeit noch andauerte. Das Landesarbeitsgericht hatte bereits mit Beschluss vom 27. November 2012 entschieden, dass es den Kläger für das vorliegende Verfahren als prozessunfähig ansieht.
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cc) Selbst bei Annahme einer ordnungsgemäßen Ladung und Vorliegen einer Säumnis hätte das Landesarbeitsgericht keine Entscheidung nach Aktenlage treffen dürfen.
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(1) Ein Urteil nach Lage der Akten darf nach § 331a Satz 2, § 251a Abs. 2 ZPO nur ergehen, wenn in einem früheren Termin mündlich verhandelt worden ist. Es darf frühestens in zwei Wochen verkündet werden. Das Gericht hat der nicht erschienenen Partei den Verkündungstermin formlos mitzuteilen. Es bestimmt neuen Termin zur mündlichen Verhandlung, wenn die Partei dies spätestens am siebenten Tag vor dem zur Verkündung bestimmten Termin beantragt und glaubhaft macht, dass sie ohne ihr Verschulden ausgeblieben ist und die Verlegung des Termins nicht rechtzeitig beantragen konnte.
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(2) Der Kläger hatte mit Schriftsatz vom 1. Juli 2013 die Verlegung des Termins am 16. Juli 2013 beantragt, weil über die Bestellung eines Betreuers noch nicht entschieden worden sei. Ihm stünde kein Mittel zur Verfahrensbeschleunigung zur Verfügung. Nach Durchführung des Termins wiederholte er dies mit Schriftsatz vom 31. Juli 2013, welcher am selben Tag bei Gericht einging, und beantragte die Bestimmung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung. Das Landesarbeitsgericht verkündete in dem vom 13. August 2013 auf den 27. August 2013 verlegten Verkündungstermin dennoch das angegriffene Urteil. Es hätte aber antragsgemäß einen neuen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmen müssen. Die wegen der nicht erfolgten Vertretung durch einen Betreuer angenommene Säumnis wäre nicht auf ein Verschulden des Klägers zurückzuführen.
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(a) Das erkennende Gericht muss darauf hinwirken, dass ein nach Auffassung des Gerichts prozessunfähiger Kläger, der damit mangels Geschäftsfähigkeit auch keinen Prozessbevollmächtigten wirksam hatte bestellen können, seine prozessualen Rechte wahrnehmen kann. Das Gericht muss den Kläger also darauf hinweisen, dass er für eine ordnungsgemäße Vertretung zu sorgen hat und sich deshalb selbst um die Bestellung eines Betreuers nach § 1896 BGB bemühen muss, der nur vom Betreuungsgericht, nicht aber vom Prozessgericht bestellt werden kann. Es muss dem Kläger dafür vor Erlass des Prozessurteils die nötige Zeit einräumen (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 6; BGH 9. November 2010 - VI ZR 249/09 - Rn. 7). Dabei ist zu berücksichtigen, dass selbst die Bestellung eines vorläufigen Betreuers durch einstweilige Anordnung nach § 300 FamFG nicht ohne eine ärztliche Stellungnahme und eine vorherige Anhörung des Betroffenen durch das Betreuungsgericht zulässig ist, was eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt(BGH 6. Dezember 2013 - V ZR 8/13 - Rn. 21). Zudem muss das Gericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht nach § 26 FamFG etwaigen Zweifeln am Vorliegen der Voraussetzungen einer Betreuerbestellung nachgehen(vgl. Keidel/Budde FamFG 18. Aufl. § 300 Rn. 4). Diese Umstände sind unter Berücksichtigung der Komplexität des jeweiligen Falls bei der Einschätzung des erforderlichen Zeitrahmens zu berücksichtigen.
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(b) Die Beschwerdebegründung weist unter Nr. 4 zutreffend darauf hin, dass die dem Kläger für die Bestellung eines Betreuers bis zum 10. Januar 2013 gesetzte Frist praktisch unhaltbar war. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger erst mit Beschluss vom 27. November 2012 mitgeteilt, dass es ihn für das vorliegende Verfahren als prozessunfähig ansieht. Die Zeitspanne bis zum Fristablauf war offensichtlich nicht ausreichend, um das gerichtliche Verfahren bzgl. der Bestellung eines Betreuers abzuschließen. Es ist daher ohne Belang, dass der Kläger sich erst am 9. Januar 2013 an das zuständige Betreuungsgericht gewandt hat. Hinsichtlich des weiteren Ablaufs des Verfahrens kann dem Kläger entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht mit auschlaggebender Wirkung angelastet werden, dass eine Entscheidung über die Betreuerbestellung bis zur mündlichen Verhandlung am 16. Juli 2013 nicht getroffen wurde. Es sprechen zwar durchaus Umstände dafür, dass sich der Kläger hinsichtlich der Angabe der zutreffenden Adresse zunächst nicht konstruktiv verhalten hat. Zumindest gegenüber dem Landesarbeitsgericht hat er jedoch mit Schriftsatz vom 12. April 2013 seine aktuelle Adresse mitgeteilt. Eine Weitergabe an das Betreuungsgericht wäre gemäß § 22a Abs. 2 FamFG in Betracht gekommen. Es obliegt im Übrigen dem Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht mit hinreichendem Nachdruck die entsprechende Klarheit herbeizuführen.
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4. Die Verfahrensgestaltung des Landesarbeitsgerichts verletzt den Kläger auch in seinem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG(BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 5; BGH 6. Dezember 2013 - V ZR 8/13 - Rn. 19). Dies rügt die Beschwerde zu Recht.
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5. Zur Beschleunigung des Verfahrens hat der Senat den Rechtsstreit nach § 72a Abs. 7 ArbGG an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen und dabei wegen der Gesamtumstände von der Möglichkeit der Zurückverweisung an eine andere Kammer Gebrauch gemacht. Hinsichtlich der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gründet sich dies auf die direkte Anwendung des § 72a Abs. 7 ArbGG. Bezüglich des absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 ZPO ist § 72a Abs. 7 ArbGG analog anzuwenden.
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a) Nach § 72a Abs. 7 ArbGG kann das Bundesarbeitsgericht bei Verletzung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen. Dem Wortlaut der Vorschrift nach besteht diese Möglichkeit nicht bei Vorliegen eines anderen Zulassungsgrundes. § 72a Abs. 7 ArbGG ist aber bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes iSv. § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG, § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO analog anzuwenden.
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aa) Analoge Gesetzesanwendung setzt voraus, dass der gesetzlich ungeregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangt wie die erfassten Fälle (BAG 24. Oktober 2013 - 2 AZR 320/13 - Rn. 25). Es muss allerdings eine positiv festzustellende Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes vorliegen (BAG 16. Mai 2013 - 6 AZR 556/11 - Rn. 56).
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bb) Nach diesen Grundsätzen ist eine analoge Anwendung des § 72a Abs. 7 ArbGG bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO geboten.
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(1) § 72a Abs. 7 ArbGG wurde durch das Anhörungsrügengesetz vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3220) neu eingefügt. Die Vorschrift orientiert sich an § 544 Abs. 7 ZPO und dient der Beschleunigung des Verfahrens(BR-Drs. 663/04 S. 49; BT-Drs. 15/3706 S. 20). Diesem Zweck der Verfahrensbeschleunigung würde es widersprechen, wenn bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes die angefochtene Entscheidung zunächst im Revisionsverfahren ohne weitere Sachprüfung aufgehoben und das Verfahren erst dann an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden müsste (Bepler RdA 2005, 65, 76; ErfK/Koch 14. Aufl. § 72a ArbGG Rn. 10; Düwell/Lipke/Düwell ArbGG 3. Aufl. § 72a Rn. 59).
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(2) Für eine unbewusste Gesetzeslücke im Sinne eines Redaktionsversehens spricht die ausweislich der Gesetzesbegründung erfolgte Orientierung an dem im Wesentlichen wortgleichen § 544 Abs. 7 ZPO, der wiederum § 133 Abs. 6 VwGO zum Vorbild hat(BT-Drs. 15/3706 S. 17; BAG 12. Dezember 2006 - 3 AZN 625/06 - Rn. 34, BAGE 120, 322). Dabei ist offenbar übersehen worden, dass § 543 ZPO anders als § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG eine Zulassung der Revision wegen Vorliegens eines absoluten Revisionsgrundes nicht vorsieht(vgl. Bepler RdA 2005, 65, 76; Düwell/Lipke/Düwell ArbGG 3. Aufl. § 72a Rn. 59). Die Berücksichtigung absoluter Revisionsgründe war bei § 544 Abs. 7 ZPO daher nicht veranlasst.
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(3) All dies spricht dafür, dass die mit § 72a Abs. 7 ArbGG bezweckte Verfahrensbeschleunigung zur Vermeidung eines lediglich entscheidungsverzögernden Revisionsverfahrens auch bei Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gemäß § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG ermöglicht werden soll. Eine entsprechende Analogie entspricht auch der Interessenlage der Parteien und dem allgemeinen Beschleunigungsgebot nach § 9 Abs. 1 ArbGG(ErfK/Koch 14. Aufl. § 72a ArbGG Rn. 10). In der Literatur wird die analoge Anwendung des § 72a Abs. 7 ArbGG daher überwiegend befürwortet(so GWBG/Benecke ArbGG 8. Aufl. § 72a Rn. 51; Schwab/Weth/Ulrich 3. Aufl. ArbGG § 72a Rn. 87a; BeckOK ArbR/Klose Stand 1. März 2014 ArbGG § 72a Rn. 21; aA GK-ArbGG/Mikosch Stand April 2010 § 72a Rn. 84; GMP/Müller-Glöge ArbGG 8. Aufl. § 72a Rn. 62).
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b) § 72a Abs. 7 ArbGG ermöglicht auch die Zurückverweisung an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts. Die Vorschrift sieht dies zwar nicht ausdrücklich vor. Dieser Weg ist jedoch in entsprechender Anwendung von § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO eröffnet. Eine derartige Notwendigkeit kann auch bei einer Zurückverweisung im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens entstehen (BAG 12. Dezember 2006 - 3 AZN 625/06 - Rn. 33, BAGE 120, 322).
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6. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung gemäß § 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG ab.
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III. Die nach der Zurückverweisung zuständige Kammer des Landesarbeitsgerichts wird zu prüfen haben, ob sie - ggf. nach Einholung eines erneuten Sachverständigengutachtens - ebenfalls von der Prozessunfähigkeit des Klägers ausgeht. In diesem Fall wird zu klären sein, ob eine durchgehende Prozessunfähigkeit seit Beginn des Verfahrens vorliegt, so dass eine konkludente Genehmigung der bisherigen Prozesshandlungen durch den zeitweise prozessfähigen Kläger ausscheidet (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 10). Bei zeitweiser Prozessfähigkeit wären die Vorgaben der §§ 86, 246 ZPO zu beachten. Bei durchgehender Prozessunfähigkeit wird das Landesarbeitsgericht dem Kläger wiederum Gelegenheit geben müssen, für eine gesetzliche Vertretung durch Bestellung eines Betreuers zu sorgen.
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Sollte das Landesarbeitsgericht demgegenüber zu der Auffassung gelangen, dass der Kläger prozessfähig ist, wird es den Rechtsstreit nach mündlicher Verhandlung unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter entscheiden müssen.
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IV. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.
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V. Die Wertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.
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Fischermeier
Spelge
Krumbiegel
Augat
Kreis
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 28. Mai 2014 - 10 Sa 770/13 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, wie es der Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 19. Juni 2013 - 19 Ca 13099/12 - stattgegeben hat.
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2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München wird insgesamt zurückgewiesen.
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3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
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Der Kläger wurde 1961 geboren, ist verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Er war seit 1989 - zunächst als Systemanalytiker und zuletzt als IT-Spezialist - bei der Beklagten beschäftigt. Die vereinbarte Wochenarbeitszeit belief sich auf 35 Stunden. Sein Arbeitsverhältnis war nach § 8 Ziff. 2 Abs. 3 Satz 1 des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie (MTV) vom 23. Juni 2008 verhaltensbedingt nur noch aus wichtigem Grund kündbar.
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Zwischen den Parteien kam es mehrfach zu Unstimmigkeiten über die dem Kläger zugeteilten Aufgaben und sein berufliches Fortkommen. Mit E-Mail vom 30. März 2009 forderte dieser die Beklagte auf, ihn vertragsgemäß zu beschäftigen und sein „Aschenputtel-Dasein“ zu beenden. Die Beklagte übe „Psychoterror“ aus. Sie versuche, ihn zu zermürben und zu demütigen, was bei ihm zu einer seelischen Erkrankung geführt habe. Gleichzeitig kündigte er an, ggf. von einem Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB Gebrauch machen zu wollen. Nach mehreren Gesprächen wurde ihm für die Zeit ab Oktober 2009 einvernehmlich die Tätigkeit eines IT-Chefarchitekten und die Leitung eines Projekts übertragen.
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Das dem Kläger anvertraute Projekt endete spätestens im September 2011. Im Mai 2011 wurde ihm die Aufgabe eines sog. Blueprint-Vorfilterers und im Februar 2012 diejenige eines „TRM-Koordinators“ jeweils mit seinem Einverständnis übertragen. Nachdem die Einarbeitung abgeschlossen war, lasteten diese Tätigkeiten ihn für drei bis vier Stunden pro Woche aus. Das ihm im Juni 2012 unterbreitete Angebot, zusätzlich im Projekt „SharePoint“ tätig zu werden, lehnte er ab.
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Mit E-Mail vom 10. September 2012 richtete der Kläger eine Petition an die Personalleitung der Beklagten. In der beigefügten PowerPoint-Präsentation führte er aus, dass seit 1996 eine „massive Entwicklungsblockade“ gegen ihn verhängt worden sei. Trotz seiner „ständig sehr guten Ergebnisse“ und der „mustergültigen Einhaltung aller geltenden Regeln“ sei er nicht befördert worden. Dieses „unternehmensbedingte, großangelegte Mobbing“ habe bei ihm zu „totaler Frustration“ geführt. Seine Arbeitsmoral liege „brach“, die „innere Kündigung (sei) perfekt“. Die Beklagte habe ihn „krank gemacht“, für eine „neue Aufgabe oder Funktion habe (er) keine Kraft mehr“. Er sei „körperlich erschöpft, sowie seelisch und geistig ausgebrannt“. Die Beklagte habe sein „Potenzial definitiv und unwiederbringlich kaputt gemacht“. Man befinde sich in einem Dilemma wie in einer „schlechten Ehe“ und solle sich „lieber heute als morgen voneinander trennen“. Die von ihm „bevorzugte Lösung“ sei deshalb eine „bezahlte Freistellung mit garantiertem Bestandsschutz bis zum Eintritt in die gesetzliche Rente bzw. die Freizeitphase der Altersteilzeit“. In einer weiteren E-Mail vom 20. September 2012 teilte der Kläger der Beklagten mit, ihm sei es nicht mehr möglich und zumutbar, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Ab dem 1. Oktober 2012 werde er von einem Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 2 und Abs. 3 BGB Gebrauch machen.
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Die Beklagte wies die Vorwürfe mit Schreiben vom 28. September 2012 zurück und ließ den Kläger wissen, dass sie es als schwerwiegende Verletzung seiner Hauptleistungspflicht betrachten und ggf. arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zu einer Kündigung ziehen werde, wenn er der Arbeit fernbleiben sollte. Zugleich lud sie ihn für den 1. Oktober 2012 zu einem Personalgespräch ein. Der Kläger erwiderte mit E-Mail vom gleichen Tag, er sei „sprachlos“ aufgrund der „inhaltslosen Aussagen“ und „billigen Drohungen“. Die Beklagte habe „die Zusammenarbeit unmöglich gemacht“ und „ihre Glaubwürdigkeit und ihre Integrität restlos und unwiederbringlich kompromittiert“.
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Der Kläger erschien - wie angekündigt - ab dem 1. Oktober 2012 nicht mehr zur Arbeit. In der Folge entspann sich zwischen den Parteien ein nicht geringer Schrift- und E-Mail-Wechsel, in dessen Zuge die Beklagte den Kläger zweimal wegen Arbeitsverweigerung abmahnte und ihn noch weitere drei Mal vergeblich zu einem Personalgespräch einlud. Im fünften Anlauf kam für den 15. Oktober 2012 ein solches Gespräch zustande, in dem die Parteien keine Einigung erzielen konnten. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2012 erteilte die Beklagte dem Kläger eine „letztmalige Abmahnung“. Nachdem auch diese fruchtlos geblieben war, kündigte sie dessen Arbeitsverhältnis - nach Anhörung des Betriebsrats - mit Schreiben vom 26. Oktober 2012 außerordentlich fristlos, hilfsweise außerordentlich mit Auslauffrist zum 31. Mai 2013.
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Hiergegen hat der Kläger sich rechtzeitig mit der vorliegenden Klage gewandt. Er hat gemeint, er habe seine Arbeitspflicht nicht verletzt, weil er wirksam ein Leistungsverweigerungsrecht geltend gemacht habe. Angesichts der gegen ihn verhängten „Entwicklungsblockade“ und des fortwährenden „Mobbing“ sei es ihm unzumutbar, weiterhin seine Arbeitsleistung zu erbringen. Die Kündigung stelle sich als Maßregelung dar.
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Der Kläger hat - soweit noch von Interesse - beantragt
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 26. Oktober 2012 noch durch die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist vom 26. Oktober 2012 aufgelöst worden ist.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, der Kläger habe seine Arbeitspflicht beharrlich verletzt. Er sei nicht berechtigt gewesen, die Leistung zu verweigern. Die von ihm - ohnehin unsubstantiiert - erhobenen Vorwürfe seien unzutreffend. Der Kläger habe sich auch nicht in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden. Vielmehr sei er sich des mit seinem Vorgehen verbundenen Risikos bewusst gewesen.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte das Ziel, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist zulässig und begründet.
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A. Der Senat kann über die Revision entscheiden. Es kommt nicht darauf an, ob der Rechtsstreit deshalb nach § 244 Abs. 1 ZPO unterbrochen gewesen ist, weil der ursprüngliche Prozessbevollmächtigte des Klägers im Laufe des Revisionsverfahrens die Zulassung zur Anwaltschaft und damit gemäß § 11 Abs. 4 ArbGG die Fähigkeit verloren hat, die Vertretung seiner Partei fortzuführen(gegen eine Unterbrechung bei Bestellung eines Abwicklers BFH 10. Februar 1982 - I R 225/78 - BFHE 135, 445; für eine Unterbrechung trotz Bestellung eines Abwicklers OLG Köln 3. Juni 1993 - 12 W 19/93 - zu I der Gründe; Stein/Jonas/Roth ZPO 22. Aufl. § 244 Rn. 9). Eine mögliche Unterbrechung ist jedenfalls dadurch beendet worden, dass der Abwickler der Kanzlei des früheren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 30. April 2015 seine Bestellung gegenüber dem Bundesarbeitsgericht angezeigt hat und die Anzeige der Beklagten zugestellt worden ist (§ 244 Abs. 1, § 250 ZPO). Bei einem amtlich bestellten Abwickler handelt es sich um einen „bestellten neuen Anwalt“ iSv. § 244 Abs. 1 ZPO(BAG 13. Mai 1997 - 3 AZR 66/96 - zu A der Gründe).
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B. Die Revision ist zulässig. Entgegen der Ansicht des Klägers ist sie ordnungsgemäß begründet worden.
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I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss der vermeintliche Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufgezeigt werden, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Dazu muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils enthalten. Das erfordert die genaue Darlegung der Gesichtspunkte, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (vgl. BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 16).
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II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung gerecht. Die Beklagte wendet sich gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts, unter Abwägung der beiderseitigen Interessen sei es ihr zumutbar, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Sie legt dar, welche von ihm festgestellten Umstände es außer Acht gelassen habe und wie daraus ein anderes Ergebnis folge. Diese Sachrüge wäre im Fall ihrer Begründetheit geeignet, das Berufungsurteil - soweit es durch die Beklagte angefochten wird - zu Fall zu bringen. Das reicht als Revisionsangriff aus. Darauf, ob die Beklagte die von ihr zudem erhobenen Verfahrensrügen ausreichend begründet hat, kommt es für die Zulässigkeit der Revision deshalb nicht an.
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C. Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Unrecht stattgegeben. Sie ist unbegründet. Die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 26. Oktober 2012 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit ihrem Zugang aufgelöst. Sie ist wirksam.
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1. Nach § 8 Ziff. 2 Abs. 3 Satz 1 MTV können die Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern, die - wie der Kläger - das 50. Lebensjahr vollendet und dem Betrieb oder Unternehmen mindestens 15 Jahre angehört haben, verhaltensbedingt nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden. Mit dem Begriff des „wichtigen Grundes“ knüpft der MTV an die gesetzliche Regelung des § 626 Abs. 1 BGB an(für insoweit vergleichbare Tarifverträge BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 31; 12. Januar 2006 - 2 AZR 242/05 - Rn. 24).
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2. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der - ggf. fiktiven - Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 19, BAGE 149, 355; 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 19). Bei der Interessenabwägung ist die ordentliche Unkündbarkeit seines Arbeitsverhältnisses - hier: nach § 8 Ziff. 2 Abs. 3 Satz 1 MTV - nicht gesondert zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 48 mwN, BAGE 137, 54).
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3. Der Kläger hat einen „an sich“ wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB herbeigeführt, indem er die von ihm geschuldete Arbeitsleistung beharrlich verweigerte.
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a) Die beharrliche Weigerung eines Arbeitnehmers, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist „an sich“ geeignet, eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Ein Arbeitnehmer verweigert die ihm angewiesene Arbeit beharrlich, wenn er sie bewusst und nachdrücklich nicht leisten will. Ob er zur Arbeitsleistung verpflichtet war, entscheidet sich nach der objektiven Rechtslage. Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als unzutreffend erweist (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 29, 32).
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b) Der kündigende Arbeitgeber ist darlegungs- und beweispflichtig für alle Umstände, die einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB begründen sollen. Ihn trifft die Darlegungs- und Beweislast auch für diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund ausschließen. Allerdings hat hierzu der Arbeitnehmer seinerseits nach § 138 Abs. 2 ZPO substantiiert vorzutragen; er muss darlegen, warum sein Fehlen als „entschuldigt“ anzusehen sei. Nur die im Rahmen der insofern abgestuften Darlegungs- und Beweislast vom Arbeitnehmer behaupteten Tatsachen hat der Arbeitgeber zu widerlegen (vgl. BAG 17. Juni 2003 - 2 AZR 123/02 - zu II 2 b aa der Gründe; 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 70, 262).
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c) Der Kläger verweigerte seit dem 1. Oktober 2012 die von ihm geschuldete Arbeitsleistung. Er war grundsätzlich verpflichtet, die ihm mit seinem Einverständnis übertragenen Tätigkeiten eines „Blueprint-Vorfilterers“ und eines „TRM-Koordinators“ auszuführen.
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d) Der Kläger war nicht berechtigt, die Arbeitsleistung zu verweigern, weil es ihm gemäß § 275 Abs. 3 BGB unzumutbar gewesen wäre, sie zu erbringen.
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aa) Nach § 275 Abs. 3 BGB kann der Schuldner die Leistung verweigern, wenn er sie persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des ihr entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann. Die Vorschrift betrifft das Spannungsverhältnis von Vertragstreue und Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung (BAG 13. August 2010 - 1 AZR 173/09 - Rn. 12, BAGE 135, 203). Sie löst es (nur) dann zugunsten des Schuldners auf, wenn für diesen die Leistungserbringung in hohem Maße belastend ist (MüKoBGB/Ernst 6. Aufl. § 275 Rn. 116), weil ein Fall besonderer Leistungserschwerung vorliegt (Alpmann in jurisPK-BGB 7. Aufl. § 275 Rn. 70). Dem Schuldner kann die Erfüllung der von ihm persönlich zu erbringenden Leistung unzumutbar sein, wenn er dadurch Gefahr läuft, in bedeutsamen Rechtsgütern verletzt zu werden (vgl. Staudinger/Caspers (2014) § 275 Rn. 112: Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit). Im Falle einer zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankung des Arbeitnehmers selbst - nicht eines seiner nahen Angehörigen - ist umstritten, ob die Leistungsbefreiung automatisch gemäß § 275 Abs. 1 BGB eintritt oder der Betreffende erst von einem Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 3 BGB Gebrauch machen muss(zum Streitstand siehe Alpmann in jurisPK-BGB 7. Aufl. § 275 Rn. 71; MüKoBGB/Ernst 6. Aufl. § 275 Rn. 118).
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bb) Dem Kläger war es nicht unzumutbar, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.
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(1) Er beruft sich nicht etwa darauf, dass er bereits arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Eine entsprechende ärztliche Bescheinigung gemäß § 5 EFZG hat er nicht vorgelegt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine Arbeitsunfähigkeit zumindest zu erwarten gewesen wäre, wenn er seine Tätigkeit fortgesetzt hätte. Zwar hat der Kläger behauptet, an einer psychischen Erkrankung zu leiden. Jedoch hat er diese nur schlagwortartig umschrieben. Es fehlt an Vortrag zu den Symptomen und dazu, wie sich die Krankheit - die ihm offenbar seit Jahren bekannt ist - in der jüngeren Vergangenheit entwickelt hat, welche konkreten Auswirkungen die Situation am Arbeitsplatz hatte und warum es ihm deshalb nicht mehr zugemutet werden konnte, die Arbeitsleistung fortzusetzen.
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(2) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass es dem Kläger nicht aufgrund von - drohenden - Persönlichkeitsrechtsverletzungen unzumutbar gewesen sei, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (zur eingeschränkten Überprüfbarkeit der tatrichterlichen Würdigung vgl. BAG 28. Oktober 2010 - 8 AZR 546/09 - Rn. 20; 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 - Rn. 36).
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(a) Nicht jedes den Arbeitnehmer belastende Verhalten des Arbeitgebers oder eines seiner Repräsentanten (§ 278 BGB) stellt einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers oder eine Verletzung vertraglicher Pflichten zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) dar. Persönlichkeitsrechte werden nicht allein dadurch verletzt, dass im Arbeitsleben übliche Konflikte auftreten, die sich durchaus über einen längeren Zeitraum erstrecken können. Sozial- und rechtsadäquates Verhalten muss aufgrund der gebotenen objektiven Betrachtungsweise - dh. ohne Rücksicht auf das subjektive Empfinden des betroffenen Arbeitnehmers - von der rechtlichen Bewertung ausgenommen werden. Mangels entsprechender Systematik und Zielrichtung werden keine Rechte des Arbeitnehmers beeinträchtigt, wenn er von verschiedenen Vorgesetzten, die nicht zusammenwirken und die zeitlich aufeinanderfolgen, in seiner Arbeitsleistung kritisiert oder schlecht beurteilt wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn seine Arbeitsleistung nicht nur beanstandet oder ignoriert, sondern auch positiv gewürdigt wird. Ebenso müssen Verhaltensweisen von Arbeitgebern oder Vorgesetzten unberücksichtigt bleiben, die lediglich eine Reaktion auf Provokationen durch den vermeintlich „gemobbten“ Arbeitnehmer darstellen. Insoweit fehlt es an der eindeutigen Täter-Opfer-Konstellation (BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - Rn. 86, BAGE 122, 304).
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(b) Zur Begründung des Vorwurfs, er sei systematisch in seiner beruflichen Entwicklung „blockiert“ worden, beruft der Kläger sich darauf, dass ihm Zwischenzeugnisse mit unrichtigem Inhalt erteilt, ein Telearbeitsplatz verweigert, Leistungspunkte gestrichen, keine herausfordernden Aufgaben übertragen und eine Fortbildung und Beförderung verwehrt worden seien. Weitere Verhaltensweisen der Beklagten hat er nicht konkret dargetan; es ersetzt keinen substantiierten Sachvortrag, Vorschriften zu benennen, gegen die sie verstoßen haben soll.
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(c) Mit dem Landesarbeitsgericht lassen die vom Kläger geschilderten Verhaltensweisen weder einzeln für sich noch in ihrer Gesamtschau den Schluss auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts zu. Zwischen den Parteien bestanden lediglich Konflikte wie sie im Arbeitsleben üblich sind. Sie ergaben sich aus unterschiedlichen Auffassungen über die Qualität der Arbeitsleistung und -ergebnisse des Klägers. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte oder einer ihrer Repräsentanten (§ 278 BGB) auch nur in einem Einzelfall die Ebene der Sachlichkeit verlassen hätte. Im Übrigen würde selbst dies nicht ausreichen, um eine Rechtsverletzung anzunehmen (vgl. BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - Rn. 76, BAGE 122, 304).
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(aa) Der Kläger mag es als erniedrigend empfunden haben, dass ehemalige Kollegen zu seinen Vorgesetzten wurden. In diesem Empfinden mag er dadurch bestärkt worden sein, dass seine Arbeitsleistung schlechter beurteilt wurde, als er es für gerechtfertigt hielt. Er hatte jedoch keinen Rechtsanspruch darauf, gleichfalls befördert zu werden (vgl. zur „Fürsorgepflicht“ des Arbeitgebers BAG 23. September 1992 - 5 AZR 526/91 - zu II 6 der Gründe). Die Beklagte hat substantiiert dargetan, dass sie ihn nicht als „Führungskraft“ sehe, weil er aus ihrer Sicht nicht über ausreichende Gestaltungsfähigkeiten bei komplexen, noch unklaren Sachverhalten und nicht über das erforderliche Team- und Kommunikationsverhalten verfüge.
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(bb) Es ist nicht ersichtlich, dass gegen den Kläger eine „Entwicklungsblockade“ verhängt worden wäre. Ihm sind Angebote zur Fort- und Weiterbildung unterbreitet worden. Diese hat er entweder nicht angenommen oder er hat die begonnenen Schulungen - etwa das sog. Gallup-Stärkentraining - vorzeitig abgebrochen. Wenn Probleme in seinem Arbeitsumfeld aufgetreten sind, hat die Beklagte versucht, Tätigkeiten in anderen Bereichen für ihn zu finden und ihm einen „unbelasteten Neustart“ zu ermöglichen. Nach seinen eigenen Angaben ist er nicht nur kritisiert, sondern verschiedentlich für seine Arbeitsleistung und seine Arbeitsergebnisse auch gelobt worden. Zu keiner Zeit wurde ihm eine Aufgabe entzogen. Die Notwendigkeit, ihm neue Tätigkeiten zuzuweisen, ergab sich vielmehr dadurch, dass die ihm übertragenen Projekte abgeschlossen waren. Dass der Kläger mit den ihm zuletzt übertragenen Tätigkeiten eines „Blueprint-Vorfilterers“ und eines „TRM-Koordinators“ nicht ausgelastet war, lässt nicht den Schluss zu, die Beklagte habe ihn auf das „Abstellgleis“ geschoben. Ihm ist zusätzlich ein Einsatz im Projekt „SharePoint“ angeboten worden. Diesen hat er - mit der Begründung, dass er sich dafür zunächst hätte fortbilden müssen - abgelehnt. Er hat auch im Prozess keine Angaben dazu gemacht, welche möglichen Aufgaben, die den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen entsprochen und nicht eine Beförderung bedeutet hätten, die Beklagte ihm „vorenthalten“ habe.
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(cc) Es kommt hinzu, dass die Auseinandersetzungen um den Telearbeitsplatz und die Streichung von Leistungspunkten bei Beginn der Arbeitsverweigerung bereits im Sinne des Klägers „ausgestanden“ waren. Ihm war ein Telearbeitsplatz eingerichtet worden. Sein Vorgesetzter hatte ihm lediglich nahegelegt, in seinem - des Klägers - eigenen Interesse gleichwohl ausreichend im Unternehmen „präsent“ zu sein. Die nach den bei der Beklagten üblichen Gepflogenheiten anlässlich eines Aufgabenwechsels „gehaltsneutral“ gestrichenen Leistungspunkte waren ihm auf seinen „Protest“ hin wieder gutgeschrieben worden. Das hatte für ihn eine Gehaltserhöhung zur Folge, obwohl er sich in der neuen Tätigkeit noch nicht in der dazu erforderlichen Weise „bewährt“ haben konnte.
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e) Die Arbeitsverweigerung durch den Kläger war nicht in Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts gemäß § 273 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.
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aa) Nach dieser Vorschrift darf der Schuldner, der aus dem gleichen Rechtsverhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger hat - sofern sich aus dem Schuldverhältnis nichts anderes ergibt -, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird. Dem Arbeitnehmer kann ein Recht zustehen, die Arbeitsleistung zurückzuhalten, wenn der Arbeitgeber seine aus dem Arbeitsverhältnis folgenden Haupt- oder Nebenpflichten schuldhaft nicht erfüllt. So liegt es beispielsweise, wenn der Arbeitgeber oder einer seiner Repräsentanten (§ 278 BGB) die Gesundheit des Arbeitnehmers oder dessen Persönlichkeitsrecht in erheblicher Weise verletzt und mit weiteren Verletzungen zu rechnen ist. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts steht unter dem Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB und unterliegt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dementsprechend muss der Arbeitnehmer unter Angabe des Grundes dem Arbeitgeber klar und eindeutig mitteilen, er werde dieses Recht mit Blick auf eine ganz bestimmte, konkrete Gegenforderung wahrnehmen. Nur so wird dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, den möglichen Anspruch des Arbeitnehmers zu prüfen und ggf. zu erfüllen. Wenn der Arbeitnehmer berechtigterweise von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch macht, liegt keine Arbeitsverweigerung vor (vgl. BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 39 ff. mwN).
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bb) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger kein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB geltend gemacht. Obwohl ihm ausweislich vorheriger Mitteilungen - etwa in der E-Mail vom 30. März 2009 - der Unterschied zwischen beiden Normen bestens bekannt war, hat er die Beklagte mit E-Mail vom 20. September 2012 (lediglich) wissen lassen, dass ihm die weitere Arbeitsleistung unzumutbar sei und er ab dem 1. Oktober 2012 von seinem Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 2 und Abs. 3 BGB Gebrauch machen werde. Noch in der Klageschrift hat er sich ausschließlich auf § 275 BGB bezogen. Dementsprechend hat er von der Beklagten nicht etwa verlangt, bestimmte Ansprüche zu erfüllen, Maßnahmen zu ergreifen oder Zustände zu beenden. Mithilfe der Weigerung, seine Arbeitsleistung zu erbringen, wollte er weder eine vertragsgemäße Beschäftigung noch die Unterlassung von weiterem „Mobbing“ erreichen. Vielmehr hat er lediglich „vorgeschlagen“, ihn unter Fortzahlung der Vergütung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze von der Arbeitsleistung freizustellen. Darin erblickte er nicht mehr als die Festschreibung dessen, was nach § 275 Abs. 3 iVm. § 326 Abs. 2 BGB ohnehin - unveränderlich - gelte.
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cc) Gemäß den Ausführungen zu § 275 Abs. 3 BGB bestanden im Übrigen keine Gegenansprüche, auf die der Kläger ein Recht, seine Arbeitsleistung zurückzuhalten, erfolgreich hätte stützen können. Zwar hatte er einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung im Umfang von 35 Wochenstunden. Auch wurde dieser von der Beklagten bei weitem nicht vollständig erfüllt, weil der Kläger nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts mit den ihm zuletzt übertragenen Tätigkeiten eines „Blueprint-Vorfilterers“ und eines „TRM-Koordinators“ nur im Umfang von drei bis vier Stunden pro Woche ausgelastet war. Die „Unterbeschäftigung“ beruhte jedoch darauf, dass der Kläger die ihm ergänzend angetragene Tätigkeit im Projekt „SharePoint“ nicht hatte übernehmen wollen. Unter diesen Umständen wäre es rechtsmissbräuchlich iSv. § 242 BGB, die Arbeitsleistung mit dem Ziel zurückzuhalten, weitere Aufgaben zugewiesen zu bekommen.
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f) Der Kläger hat seine geschuldete Arbeitsleistung bewusst und nachhaltig verweigert.
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aa) Obgleich die Beklagte ihn mit Schreiben vom 28. September 2012 darauf hingewiesen hatte, dass sie dies als schwerwiegenden Verstoß gegen seine Hauptleistungspflicht betrachten und ggf. arbeitsrechtliche Konsequenzen ziehen werde, blieb er ab dem 1. Oktober 2012 der Arbeit fern und nahm sie trotz dreier Abmahnungen und mehrerer Aufforderungen der Beklagten bis zum Kündigungszeitpunkt - über mehr als dreieinhalb Wochen - nicht wieder auf.
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bb) Der Kläger befand sich nicht in einem entschuldbaren Rechtsirrtum.
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(1) Der Geltungsanspruch des Rechts bewirkt, dass der Schuldner das Risiko eines Rechtsirrtums grundsätzlich selbst trägt und es nicht dem Gläubiger überbürden kann (BAG 19. August 2015 - 5 AZR 975/13 - Rn. 31). Ein unverschuldeter Rechtsirrtum liegt nur vor, wenn der Schuldner seinen Irrtum auch unter Anwendung der zu beachtenden Sorgfalt nicht erkennen konnte. Dabei sind strenge Maßstäbe anzulegen. Es reicht nicht aus, dass er sich für seine eigene Rechtsauffassung auf eine eigene Prüfung und fachkundige Beratung stützen kann. Ein Unterliegen in einem möglichen Rechtsstreit muss zwar nicht undenkbar sein (vgl. BAG 12. November 1992 - 8 AZR 503/91 - zu I 1 der Gründe, BAGE 71, 350). Gleichwohl liegt ein entschuldbarer Rechtsirrtum nur dann vor, wenn der Schuldner damit nach sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht zu rechnen brauchte; ein normales Prozessrisiko entlastet ihn nicht (vgl. BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 34; BGH 6. Dezember 2006 - IV ZR 34/05 - zu II 1 a aa der Gründe; 27. September 1989 - IVa ZR 156/88 -).
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(2) Der Kläger hat sich nicht fachkundig beraten lassen, bevor er die Arbeitsleistung verweigert hat. Nach seinem eigenen Vorbringen war er sich des Risikos, dass ein Leistungsverweigerungsrecht von den Gerichten verneint werden könnte, vollauf bewusst. Unter diesen Umständen kann von einem entschuldbaren, unvermeidbaren Rechtsirrtum keine Rede sein.
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4. Bei der abschließenden Interessenabwägung überwiegt - entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts - das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dessen Fortsetzung war ihr selbst für den Lauf der - fiktiven - ordentlichen Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Schluss eines Kalendermonats (§ 8 Ziff. 2 Abs. 2 Satz 1 MTV) nicht zuzumuten.
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a) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der - fiktiven - Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zuzumuten war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Sie scheidet aus, wenn es ein „schonenderes“ Gestaltungsmittel - etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung - gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 21; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 47, BAGE 149, 355).
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b) Dem Berufungsgericht kommt bei dieser Prüfung und Interessenabwägung - obwohl es sich um Rechtsanwendung handelt - ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz aber daraufhin überprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 24; 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 42). Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist dann möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - aaO; 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 16).
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c) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Beklagten sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zuzumuten gewesen, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
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aa) Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung ist insoweit nicht zu beanstanden, wie es zugunsten des Klägers die lange Dauer des Arbeitsverhältnisses, dessen von erheblichen Pflichtverletzungen freien Verlauf, seine Unterhaltspflichten und den Umstand berücksichtigt hat, dass die Beklagte nicht nach weiteren Möglichkeiten gesucht hat, ihn vertragsgemäß in Vollzeit zu beschäftigen. Dass der Kläger einen Einsatz im Projekt „SharePoint“ abgelehnt hatte, führte zwar dazu, dass er seine Arbeitsleistung nicht mit dem Ziel zurückhalten durfte, man möge ihm weitere Aufgaben übertragen. Dies entband die Beklagte jedoch nicht davon, „von sich aus“ andere bzw. zusätzliche Tätigkeiten für ihn zu suchen.
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bb) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auf der anderen Seite die Schwere der Pflichtverletzung und den Grad des ihn treffenden Verschuldens zulasten des Klägers berücksichtigt.
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(1) Die Pflichtverletzung des Klägers war schwerwiegend. Er hat gegen seine Hauptleistungspflicht verstoßen und es der Beklagten unmöglich gemacht, mit der von ihm geschuldeten Arbeitsleistung zu planen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und ggf. welche Arbeiten aufgrund seiner Abwesenheit nicht erledigt wurden (vgl. dazu BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 43). Ebenso wenig ist es von Belang, dass er mit den Tätigkeiten als „Blueprint-Vorfilterer“ und „TRM-Koordinator“ lediglich für drei bis vier Wochenstunden ausgelastet war. Wollte man dies anders sehen, müssten geringfügig Beschäftigte selbst dann nicht mit einer Kündigung rechnen, wenn sie die Arbeitsleistung noch so beharrlich verweigern sollten.
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(2) Den Kläger traf ein erhebliches Verschulden. Er war sich des mit seinem Vorgehen verbundenen Risikos nach eigenem Bekunden hinlänglich bewusst. Die Möglichkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung hatte er ausdrücklich ins Kalkül gezogen.
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cc) Das Landesarbeitsgericht durfte angesichts aller Umstände nicht annehmen, die Interessen des Klägers überwögen, weil der Beklagten eine mildere Reaktionsmöglichkeit zur Verfügung gestanden habe.
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(1) Es hat gemeint, die Beklagte habe dem Kläger spätestens in dem Personalgespräch am 15. Oktober 2012 eine Verbesserung der von ihm als unerträglich empfundenen Arbeitssituation in Aussicht stellen und ihm so „den Weg zurück (…) ebnen“ müssen. Es könne „nicht von vornherein ausgeschlossen“ werden, „dass (er) ein solches Angebot wahrgenommen hätte“. Es sei ihm „gerade um eine angemessene Beschäftigung“ gegangen. Der Beklagten sei es deshalb zumutbar gewesen, dem Kläger zunächst „ein Entgegenkommen bei der Übernahme weiterer Aufgaben zu zeigen“.
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(2) Die Annahme, darin habe ein milderes Mittel bestanden, das geeignet gewesen wäre, die Arbeitsverweigerung zu beenden, ist rechtsfehlerhaft. Sie steht im Widerspruch zu der Intention des Klägers, wie sie aus dessen vorangegangenen Bekundungen und - diese bestätigend - seinem Prozessvortrag deutlich geworden ist.
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(a) Ausweislich seiner E-Mails vom 10., 20. und 28. September 2012 hielt der Kläger es für unzumutbar iSv. § 275 Abs. 3 BGB, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. In Festschreibung dessen, was gemäß § 326 Abs. 2 BGB ohnehin gelte, „bevorzuge“ er eine bezahlte Freistellung bis zum Eintritt in die Regelaltersrente. Er war danach unter keinen Umständen (mehr) bereit, den bestehenden Arbeitsvertrag zu erfüllen. Die Beklagte musste mit Blick auf diese Äußerungen annehmen, dass sie ihn nicht dazu hätte bewegen können, seine ablehnende Haltung aufzugeben, indem sie ihm die Übernahme weiterer, den Vereinbarungen der Parteien entsprechender Aufgaben anböte. Eine „angemessene Beschäftigung“ wäre vielmehr in den Augen des Klägers - so musste es sich ihr darstellen - allenfalls eine solche gewesen, die eine Beförderung in den Bereich der „AT-Angestellten“ bzw. der „Führungskräfte“ bedeutet hätte. Und selbst das musste zweifelhaft erscheinen, nachdem er mit der E-Mail vom 28. September 2012 mitgeteilt hatte, die „innere Kündigung“ sei „perfekt“, für eine „neue Aufgabe oder Funktion habe (er) keine Kraft mehr“, die Beklagte habe „die Zusammenarbeit unmöglich gemacht“ und „ihre Glaubwürdigkeit und ihre Integrität restlos und unwiederbringlich kompromittiert“.
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(b) Dass er schlechterdings nicht (mehr) bereit war, den bestehenden Arbeitsvertrag zu erfüllen, hat der Kläger durch seinen prozessualen Vortrag untermauert. So hat er im Schriftsatz vom 28. Mai 2013 ausgeführt, es sei „offensichtlich“, dass die „Vertrauensbasis nicht wiederhergestellt“ werden könne und die Prognose für eine erfolgreiche Zusammenarbeit „negativ“ sei. In seinem Schriftsatz vom 10. Juni 2013 hat er die einzigen Wege beschrieben, die er als gangbar ansehe, um den Konflikt der Parteien zu lösen: entweder eine bezahlte Freistellung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze oder die Zahlung einer Abfindung iHv. 1.502.550,00 Euro zzgl. einer Betriebsrente iHv. 600,00 Euro pro Monate. Als „worst case“ komme auch eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses in Betracht, allerdings nur bei Gewährung einer Gehaltserhöhung, Zusage von Altersteilzeit und Androhung eines Ordnungsgelds für die Beklagte.
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d) Gab es demnach kein milderes Mittel, um den Kläger dazu zu bewegen, künftig seinen Arbeitsvertrag zu erfüllen, überwog das Interesse der Beklagten daran, das Arbeitsverhältnis sofort zu beenden. Da der Kläger bei vollem Risikobewusstsein seine Hauptleistungspflicht nachhaltig verletzt und deren weitere Erfüllung abgelehnt hatte, ohne dass die Aussicht bestanden hätte, ihn „zur Umkehr“ bewegen zu können, hat er der Beklagten selbst die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gemacht. Nicht anders läge es, wenn er sie - im Sinne des von ihm beschriebenen „worst-case“-Szenarios - dazu hätte „nötigen“ wollen, ihn zu befördern, ihm Altersteilzeit zu bewilligen und ihm eine Betriebsrente in der geforderten Höhe zu zahlen.
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5. Die Beklagte hat die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Sie hat die Kündigung damit begründet, der Kläger weigere sich beharrlich, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Damit hat sie einen Dauertatbestand geltend gemacht, der sich fortlaufend neu verwirklichte (vgl. BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 45; 13. Mai 2004 - 2 AZR 36/04 - zu II 1 der Gründe).
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II. Die Kündigung ist nicht deshalb nach § 134 BGB nichtig, weil sie gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstieße. So läge es nur, wenn tragender Beweggrund, dh. wesentliches Motiv für sie eine zulässige Rechtsausübung gewesen wäre (vgl. BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 867/11 - Rn. 45; 19. April 2012 - 2 AZR 233/11 - Rn. 47). Das wiederum setzte voraus, dass das geltend gemachte Recht tatsächlich existierte (ErfK/Preis 15. Aufl. § 612a BGB Rn. 5; KR/Treber 10. Aufl. § 612a BGB Rn. 6). Dem Kläger stand aber weder ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 3 BGB noch ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB zu. Er hat kein Recht in zulässiger Weise ausgeübt, sondern beharrlich die von ihm geschuldete Arbeitsleistung verweigert.
- 61
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III. Die Kündigung ist nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört worden. Hierüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.
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D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
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Kreft
Rachor
Niemann
Krichel
Jan Eulen
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
Tenor
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Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 26. November 2013 - 7 Sa 444/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung und über einen Auflösungsantrag des beklagten Landkreises.
- 2
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Die Klägerin ist Dipl.-Verwaltungswirtin. Sie war bei dem beklagten Landkreis seit Oktober 2010 als Angestellte beschäftigt. Ihr war die Leitung der Erhebungsstelle Zensus übertragen. Auf das Arbeitsverhältnis fand aufgrund arbeitsvertraglicher Verweisung der TVöD-VKA Anwendung.
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Am 22. April 2012 fand die Wahl des Landrats statt. Der Amtsinhaber stellte sich zur Wiederwahl. Die parteilose Klägerin kandidierte ebenfalls. Sie warb mit einem Flyer für sich. In diesem stellte sie die „Säulen“ ihrer Politik vor, als welche sie „Transparenz in der Verwaltung“, „Bürgernahe Politik“ und „Jugend, Familien und Senioren“ bezeichnete. Zum Punkt „Transparenz in der Verwaltung“ hieß es in dem Flyer:
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„Wie der jüngste Umweltskandal in [B.] und der Subventionsbetrug am [Rathaus in C.] beweist, deckt der amtierende Landrat sogar die Betrügereien im Kreis. Ich stehe für eine transparente Politik, die Gesetze einhält und die Pflichtaufgaben des Landkreises überprüft.“
- 4
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Der Flyer lag einem lokalen Anzeigenblatt bei, das am 18. April 2012 mit einer Auflage von 28.700 verteilt wurde.
- 5
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Nach Beteiligung des Personalrats kündigte der beklagte Landkreis das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 21. April 2012 außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 30. Juni 2012. Er warf der Klägerin üble Nachrede und Beleidigung seines Repräsentanten vor.
- 6
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Gegen die Kündigung hat die Klägerin rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Sie hat gemeint, es sei weder ein Grund für die außerordentliche noch für die ordentliche Kündigung gegeben. Sie habe sich nicht im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses geäußert, sondern als Kandidatin im Wahlkampf. Ihr Flyer werde missverstanden. Es sei ihr nicht darum gegangen, den amtierenden Landrat persönlich zu diffamieren, einer Straftat zu bezichtigen oder gar zu beleidigen. Sie habe vielmehr zum Ausdruck bringen wollen, dass der Landrat im Hinblick auf den Umweltskandal in B. und die Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Sanierung des Rathauses in C. nichts unternommen habe und stattdessen transparenter und in der Öffentlichkeit aktiver mit diesem Thema hätte umgehen müssen. Das sei von der Meinungsfreiheit gedeckt. Im Übrigen habe sie nur Vorwürfe wiederholt, die zuvor in der Presse erhoben worden seien. Die Klägerin hat zudem die Personalratsbeteiligung als fehlerhaft gerügt.
- 7
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Sie hat beantragt
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1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die fristlose Kündigung noch durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 21. April 2012 aufgelöst wurde;
2.
den beklagten Landkreis zu verurteilen, sie als Sachbearbeiterin zu den Bedingungen des Arbeitsvertrags vom 27. September 2010 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiter zu beschäftigten.
- 8
-
Der beklagte Landkreis hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2012 gegen Zahlung einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Abfindung aufzulösen.
- 9
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Er hat die Kündigung für wirksam gehalten. Die Klägerin habe dem Landrat wider besseres Wissen unterstellt, dieser decke Betrügereien, sei also aktiv am Vertuschen von Straftaten beteiligt und erfülle damit den Straftatbestand der Strafvereitelung. Die Unterstellung krimineller Machenschaften sei eine von der Meinungsfreiheit nicht gedeckte grobe Beleidigung und üble Nachrede. Der Landrat müsse dies auch im Wahlkampf nicht hinnehmen. Solche Vorwürfe habe es in der Presse nicht gegeben. Der Personalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Zumindest sei das Arbeitsverhältnis nach § 9 KSchG aufzulösen. Der Betriebsfrieden sei nachhaltig gestört. Schon früher habe es wegen einer Konkurrentenklage Spannungen mit der Klägerin gegeben. Diese müsse sich außerdem das Verhalten ihres Vaters zurechnen lassen. Der habe die Landratswahl angefochten. Seine verbalen Ausfälle gegen den Kreiswahlleiter und die Mitarbeiter des Kreiswahlbüros zeigten deutlich, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit auch mit der Klägerin nicht mehr möglich sei.
- 10
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Die Klägerin hat beantragt, den Auflösungsantrag abzuweisen.
- 11
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben, den Auflösungsantrag des Beklagten hat es abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der beklagte Landkreis die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
- 12
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Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat richtig entschieden.
- 13
-
I. Die fristlose Kündigung hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.
- 14
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1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar war oder nicht (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 505/13 - Rn. 39; 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 16).
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2. Als wichtiger Grund kann neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten „an sich“ geeignet sein, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 505/13 - Rn. 40; 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 19). Zu diesen Nebenpflichten zählt insbesondere die Pflicht der Arbeitsvertragsparteien zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des jeweils anderen Teils (§ 241 Abs. 2 BGB). Danach hat der Arbeitnehmer seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 505/13 - aaO; 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - aaO mwN).
- 16
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3. Eine in diesem Sinne erhebliche Pflichtverletzung stellen ua. grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen dar (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 22; 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 14, BAGE 138, 312). Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitnehmer bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen über seinen Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen aufstellt, insbesondere dann, wenn die Erklärungen den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 505/13 - Rn. 41; 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - aaO).
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a) Ein Arbeitnehmer kann sich für bewusst falsche Tatsachenbehauptungen nicht auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Solche Behauptungen sind vom Schutzbereich des Grundrechts nicht umfasst (BVerfG 25. Oktober 2012 - 1 BvR 901/11 - Rn. 19). Anderes gilt für Äußerungen, die nicht Tatsachenbehauptungen, sondern ein Werturteil enthalten. Sie fallen in den Schutzbereich des Rechts auf Meinungsfreiheit. Dasselbe gilt für Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen, sofern sie durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind (BVerfG 25. Oktober 2012 - 1 BvR 901/11 - Rn. 18; 8. Mai 2007 - 1 BvR 193/05 - Rn. 21). Darauf kann sich auch ein Arbeitnehmer berufen. Mit der Bedeutung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit wäre es unvereinbar, wenn es in der betrieblichen Arbeitswelt nicht oder nur eingeschränkt anwendbar wäre (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 505/13 - Rn. 42; 24. November 2005 - 2 AZR 584/04 - Rn. 24 mwN). Der Grundrechtsschutz besteht dabei unabhängig davon, welches Medium der Arbeitnehmer für seine Meinungsäußerung nutzt und ob diese rational oder emotional, begründet oder unbegründet ist. Vom Grundrecht der Meinungsfreiheit umfasste Äußerungen verlieren den sich daraus ergebenden Schutz selbst dann nicht, wenn sie scharf oder überzogen geäußert werden (vgl. BVerfG 28. November 2011 - 1 BvR 917/09 - Rn. 18 mwN).
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b) Das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG ist allerdings nicht schrankenlos gewährleistet. Es ist gemäß Art. 5 Abs. 2 GG durch die allgemeinen Gesetze und das Recht der persönlichen Ehre beschränkt. Mit diesen muss es in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden (BVerfG 13. Februar 1996 - 1 BvR 262/91 - zu B II 2 der Gründe, BVerfGE 94, 1; 15. Januar 1958 - 1 BvR 400/51 - [Lüth] zu B II 2 der Gründe, BVerfGE 7, 198; BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 505/13 - Rn. 42; 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 35). Auch § 241 Abs. 2 BGB gehört zu den allgemeinen, das Grundrecht auf Meinungsfreiheit beschränkenden Gesetzen. Zwischen der Meinungsfreiheit und dem beschränkenden Gesetz findet demnach eine Wechselwirkung statt. Die Reichweite der Pflicht zur vertraglichen Rücksichtnahme muss ihrerseits unter Beachtung der Bedeutung des Grundrechts bestimmt, der Meinungsfreiheit muss dabei also die ihr gebührende Beachtung geschenkt werden - und umgekehrt (vgl. BVerfG 13. Februar 1996 - 1 BvR 262/91 - aaO; 15. Januar 1958 - 1 BvR 400/51 - [Lüth] aaO).
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aa) Im Rahmen der Abwägung fällt die Richtigkeit des Tatsachengehalts, der dem Werturteil zugrunde liegt, ins Gewicht (BVerfG 25. Oktober 2012 - 1 BvR 901/11 - Rn. 19; 13. Februar 1996 - 1 BvR 262/91 - zu B II 2 der Gründe, BVerfGE 94, 1). Handelt es sich bei einem Werturteil um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage, dann spricht die Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede (BVerfG 22. Juni 1982 - 1 BvR 1376/79 - zu B II 1 a der Gründe, BVerfGE 61, 1; 15. Januar 1958 - 1 BvR 400/51 - [Lüth] zu B II 4 der Gründe, BVerfGE 7, 198).
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bb) Erweist sich das in einer Äußerung enthaltene Werturteil als Formalbeleidigung oder Schmähkritik, muss die Meinungsfreiheit regelmäßig zurücktreten (BVerfG 8. Mai 2007 - 1 BvR 193/05 - Rn. 23; 10. Oktober 1995 - 1 BvR 1476/91 ua. - zu C III 2 der Gründe, BVerfGE 93, 266). Allerdings macht auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik eine Erklärung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Dafür muss hinzutreten, das bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht, die diese jenseits polemischer und überspitzter Kritik in erster Linie herabsetzen soll (vgl. BVerfG 10. Oktober 1995 - 1 BvR 1476/91 ua. - aaO; BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 36; 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 17, BAGE 138, 312; BGH 30. Mai 2000 - VI ZR 276/99 - zu II 4 a der Gründe).
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4. Danach ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin habe ihre Pflicht zur Rücksichtnahme gemäß § 241 Abs. 2 BGB nicht verletzt, nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, bei den Äußerungen der Klägerin in dem Wahl-Werbeflyer habe es sich um eine vom Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützte Meinungsäußerung gehandelt. Diese habe die Grenze zur Schmähkritik nicht überschritten und gehe, da sie im Wahlkampf erfolgt sei, der Pflicht zur Rücksichtnahme gegenüber dem beklagten Landkreis vor.
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a) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, die Aussagen der Klägerin in dem am 18. April 2012 verteilten Flyer stellten nicht schon deshalb keine Vertragspflichtverletzung dar, weil sie außerdienstlich und überdies im Wahlkampf gefallen seien. Die Klägerin hat die Amtswahrnehmung des Landrats kritisiert. Das berührt unmittelbar die Belange auch des beklagten Landkreises.
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b) Das vom Landesarbeitsgericht zugrunde gelegte Verständnis der Äußerungen in dem Flyer ist nicht zu beanstanden. Das Gericht hat angenommen, die Wahlwerbung sei nicht zwingend dahin zu verstehen, die Klägerin habe dem amtierenden Landrat kriminelles Verhalten vorgeworfen. Ebenso gut sei eine mildere, politische Deutung möglich. Danach habe die Klägerin dem Landrat den Vorwurf gemacht, bei Betrügereien im Landkreis das Licht der Öffentlichkeit zu scheuen und damit demokratische Kontrolle zu behindern. Insofern handele es sich um eine Meinungsäußerung, die dem Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 GG unterfalle. Die dagegen vom beklagten Landkreis vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.
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aa) Ob der Sinn einer Meinungsäußerung vom Berufungsgericht zutreffend erfasst worden ist, ist vom Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 505/13 - Rn. 47; 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 15, BAGE 138, 312).
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(1) Für die Ermittlung des Aussagegehalts einer schriftlichen Äußerung ist darauf abzustellen, wie sie vom Empfänger verstanden werden muss. Dabei ist eine isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils regelmäßig nicht ausreichend. Vielmehr sind der sprachliche Kontext und die sonstigen erkennbaren Begleitumstände zu berücksichtigen (BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 15, BAGE 138, 312; vgl. auch BGH 30. Mai 2000 - VI ZR 276/99 - zu II 3 der Gründe). Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis des von ihr Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums hat (BVerfG 25. Oktober 2012 - 1 BvR 901/11 - Rn. 20; 12. Mai 2009 - 1 BvR 2272/04 - Rn. 31). Mehrdeutige Äußerungen dürfen wegen eines möglichen Inhalts nicht zu nachteiligen Folgen führen, ohne dass eine Deutung, die zu einem von der Meinungsfreiheit gedeckten Ergebnis führen würde, mit schlüssigen, überzeugenden Gründen ausgeschlossen worden ist (BVerfG 12. Mai 2009 - 1 BvR 2272/04 - aaO mwN; BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 505/13 - Rn. 46).
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(2) Während für Werturteile die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage kennzeichnend ist, werden Tatsachenbehauptungen durch die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit charakterisiert (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 419/12 - Rn. 40). Anders als Werturteile sind Tatsachenbehauptungen daher grundsätzlich dem Beweis zugänglich (BVerfG 8. Mai 2007 - 1 BvR 193/05 - Rn. 21; 13. April 1994 - 1 BvR 23/94 - zu B II 1 b der Gründe, BVerfGE 90, 241). Gilt für Meinungsäußerungen, insbesondere im öffentlichen Meinungskampf, bei der Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Rechtsgut, in dessen Interesse sie durch ein allgemeines Gesetz eingeschränkt werden kann, eine Vermutung zu Gunsten der freien Rede, gilt dies für Tatsachenbehauptungen nicht in gleicher Weise (BVerfG 24. Juli 2013 - 1 BvR 444/13, 1 BvR 1 BvR 527/13 - Rn. 18 mwN). Ob eine Äußerung ihrem Schwerpunkt nach als Meinungsäußerung oder als Tatsachenbehauptung anzusehen ist, beurteilt sich nach dem Gesamtkontext, in dem sie steht (BVerfG 24. Juli 2013 - 1 BvR 444/13, 1 BvR 527/13 - aaO). Die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils wird den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (BVerfG 24. Juli 2013 - 1 BvR 444/13, 1 BvR 527/13 - aaO). Auch eine Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile einer Äußerung ist nur zulässig, wenn dadurch ihr Sinn nicht verfälscht wird (BVerfG 24. Juli 2013 - 1 BvR 444/13, 1 BvR 527/13 - aaO). Wo dies der Fall wäre, muss die Äußerung im Interesse eines wirksamen Grundrechtschutzes insgesamt als Meinungsäußerung angesehen werden. Anderenfalls drohte eine wesentliche Verkürzung des Grundrechtschutzes (BVerfG 24. Juli 2013 - 1 BvR 444/13, 1 BvR 527/13 - aaO mwN).
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(3) In der Verwendung eines Rechtsbegriffs liegt nur dann eine Tatsachenbehauptung, wenn die Beurteilung nicht als bloße Rechtsauffassung kenntlich gemacht ist, sondern beim Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingebetteten tatsächlichen Vorgängen hervorruft, die als solche einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind. Dabei kommt es auch hier entscheidend auf den Zusammenhang an, in dem der Rechtsbegriff verwendet wird (BVerfG 8. Mai 2007 - 1 BvR 193/05 - Rn. 28; BGH 27. April 1999 - VI ZR 174/97 - zu II 2 a der Gründe; 22. Juni 1982 - VI ZR 255/80 - zu 2 b der Gründe).
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bb) Danach enthält die Annahme des Landesarbeitsgerichts, es sei ein - verglichen mit der Deutung des Beklagten - milderes, nämlich politisches Verständnis der Äußerung der Klägerin ohne Weiteres möglich, keinen Rechtsfehler. Das Landesarbeitsgericht hat den möglichen Aussagegehalt der fraglichen Äußerung nach ihrem Kontext beurteilt und dabei berücksichtigt, dass es sich um eine Äußerung im Rahmen von Wahlwerbung, also als Teil der politischen Auseinandersetzung mit einem Gegenkandidaten handelte. Die Aussage über dessen Amtswahrnehmung war in das eigene „Drei-Säulen-Programm“ der Klägerin eingebettet. Mit der Formulierung, der amtierende Landrat „decke“ Betrügereien im Landkreis, war deshalb nicht notwendigerweise der Vorwurf verbunden, der Landrat habe sich selbst - etwa der Strafvereitelung - strafbar gemacht. Ebenso gut lässt sich die Äußerung dahin verstehen, der Landrat habe politisch nicht genügend zur Aufklärung der aufgeführten - angeblichen - Missstände unternommen. Diese Deutung liegt angesichts der von der Klägerin an gleicher Stelle hervorgehobenen Bedeutung von Transparenz im Verwaltungshandeln sogar näher. Daran ändern der Fettdruck und die farbige Gestaltung des Flyers unter Nutzung von Fotomaterial nichts. Der Vorwurf wiegt politisch schwer genug, um als ein aus Sicht der Klägerin maßgebliches und gestalterisch zu unterstreichendes Argument in der Auseinandersetzung mit ihrem Gegenkandidaten betont zu werden.
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cc) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht in der Äußerung der Klägerin über den amtierenden Landrat ihrem Schwerpunkt nach ein Werturteil gesehen, und nicht eine dem Wahrheits- oder Unwahrheitsbeweis zugängliche Tatsachenbehauptung.
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(1) Der Vorwurf, nicht genug zur Aufklärung - vermeintlicher - Betrügereien im öffentlichen Bereich getan zu haben, umschreibt kein spezifisches, einem objektiven Wahrheitsbeweis zugängliches Verhalten (für den Begriff „decken“ als Teil der Passage: „Besonders gefährlich sind die …, die [Herr] F.G. deckt“ ebenso EGMR 17. April 2014 - 5709/09 - Rn. 50). Der Vorwurf kann im vorliegenden Zusammenhang vielmehr schon das Unterlassen höherer Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts oder auch nur mangelndes Interesse daran zum Gegenstand haben. Die Gründe dafür, schon in bloßer Passivität politisch ein „Decken“ von Missständen zu erblicken, können unterschiedlich sein und hängen erkennbar von der subjektiven Einschätzung des Betrachters ab. Der Vorwurf, etwas zu „decken“, bringt daher vor allem die Meinung zum Ausdruck, der Betreffende habe nicht alles von ihm zu Fordernde zur Aufklärung unternommen. Ob eine solche Wertung berechtigt erscheint, ist eine Frage des Dafürhaltens und Meinens ohne konkret fassbaren Tatsachenkern.
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(2) Dies gilt auch dann, wenn man in die Auslegung einbezieht, dass die Klägerin dem Landrat vorgeworfen hat, „Betrügereien“ im Landkreis zu decken, wie der jüngste „Umweltskandal“ in B. und der „Subventionsbetrug“ am Rathaus in C. bewiesen. Aus der Bezugnahme auf die solcherart umschriebenen Vorgänge ergibt sich zwar erst die Relevanz des Vorwurfs. Hätte die Klägerin neutraler von bloßen „Vorgängen“ gesprochen, hätte der Vorhalt, nicht genug zu deren Aufklärung getan zu haben, nicht das gleiche Gewicht gehabt. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht aber auch in der Verwendung dieser Begriffe keine dem Beweis zugänglichen Tatsachenbehauptungen gesehen. Die Ausdrücke „Umweltskandal“ und „Betrügereien“ sind dafür zu unbestimmt. Der Terminus „Subventionsbetrug“ ist zwar ein Rechtsbegriff, der den Straftatbestand des § 264 StGB bezeichnet. Ein verständiger Leser verknüpft mit seiner Verwendung in dem Wahl-Werbeflyer der Klägerin aber nicht die Vorstellung von konkreten, strafrechtlich relevanten Vorgängen, die einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich wären. Die von der Klägerin verwendeten Formulierungen dienten im Rahmen des Wahlkampfs ersichtlich als pointierte Schlagworte zur Beschreibung der von ihr ausgemachten Missstände, um die Leser ggf. dazu zu animieren, sich über die fraglichen Vorgänge selbst näher zu unterrichten. Soweit die Klägerin von „Subventionsbetrug“ spricht, ist damit erkennbar allenfalls eine pauschale Umschreibung gemeint, ohne dass diese einen fassbaren Tatsachenkern zum Gegenstand hätte. Es kommt daher nicht darauf an, ob es, wie der Beklagte im Revisionsverfahren geltend gemacht hat, „unstreitig“ feststeht, dass es „derartige Straftaten“ weder in B. noch in C. gegeben habe. Das Landesarbeitsgericht hat im Übrigen eine solche Feststellung nicht getroffen; einen Antrag nach § 320 Abs. 1 ZPO hat der Beklagte nicht gestellt, eine zulässige Verfahrensrüge hat er nicht erhoben.
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(3) Der Ausdruck, die genannten Vorgänge „bewiesen“, dass der amtierende Landrat Betrügereien im Landkreis decke, ändert nichts am Charakter der Aussage als Meinungsäußerung. „Beweisen“ steht im gegebenen Zusammenhang für „belegen“ oder „zeigen“. Die Klägerin erklärt damit, sie halte das von ihr kritisierte Verhalten des Landrats durch die angesprochenen Vorfälle für belegt oder erwiesen. Ob dies gerechtfertigt ist, ist erneut eine Frage des Dafürhaltens und Meinens, ohne dass konkret fassbare Tatsachen behauptet würden. Selbst im Rechtssinne erfordert die Frage, ob etwas „bewiesen“ ist, eine wertende Betrachtung. In einem nicht juristischen Kontext wie hier liegt erst recht ein wertender Gebrauch nahe (vgl. zu den Begriffen „absichtlich“ und „bewusst“ BVerfG 24. Juli 2013 - 1 BvR 444/13, 1 BvR 1 BvR 527/13 - Rn. 19).
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(4) Ein anderes Verständnis verlangt auch nicht die anschließende Formulierung, die Klägerin stehe für eine transparente Politik, die „Gesetze einhält und die Pflichtaufgaben des Landkreises überprüft“. Damit wird dem bisherigen Landrat nicht implizit und zwingend vorgeworfen, die Gesetze verletzt zu haben. Ebenso gut lässt sich die Aussage dahin verstehen, die Klägerin wolle hervorheben, dass sie als Landrätin möglichen Gesetzesverstößen konsequenter und transparenter nachgehe. Auch dies ergibt sich nicht zuletzt aus dem Zusammenhang der Äußerung mit der von ihr so bezeichneten Säule ihrer Politik „Transparenz in der Verwaltung“.
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dd) Das Landesarbeitsgericht hat die an die Öffentlichkeit gerichteten schriftlichen Aussagen der Klägerin zu Recht aus der objektiven Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums ausgelegt. Entgegen der Auffassung des beklagten Landkreises kommt es nicht darauf an, ob der Flyer überwiegend politisch interessierte oder desinteressierte Empfänger erreichte und ob diese um den Erhalt der Informationen gebeten hatten oder nicht. Die von dem Beklagten angestellten Schlussfolgerungen sind überdies nicht zwingend. Gerade ein nur flüchtiger, politisch desinteressierter und möglicherweise außerhalb des Wahlkampfgebiets ansässiger Leser des Flyers wird dessen Aussagen kaum auf einen konkreten Tatsachenkern bezogen haben.
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c) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht der Meinungsfreiheit der Klägerin Vorrang vor ihrer Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Beklagten eingeräumt.
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aa) Allerdings kann es die vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB gebieten, dass es ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes unterlässt, die Amtswahrnehmung von Repräsentanten seines Arbeitgebers in der Öffentlichkeit herabzuwürdigen. Unter welchen Voraussetzungen dies anzunehmen ist, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Die Klägerin hat ihre Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des beklagten Landkreises deshalb nicht verletzt, weil deren Reichweite ihrerseits unter Beachtung der Bedeutung des Grundrechts der Meinungsfreiheit bestimmt werden muss.
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bb) Bei der Würdigung der fraglichen Erklärungen fällt entscheidend ins Gewicht, dass es sich um Äußerungen der Klägerin über einen Gegenkandidaten im laufenden Wahlkampf gehandelt hat. Ein Wahlbewerber muss sich in einer solchen Situation ggf. auch überzogener Kritik stellen. Die Grenzen zulässiger Kritik sind gegenüber einem Politiker weiter gefasst als gegenüber einer Privatperson (zu Art. 10 Abs. 1 EMRK vgl. EGMR 17. April 2014 - 5709/09 - Rn. 41). Auch als Beschäftigte des betroffenen Landkreises durfte die Klägerin für das Amt des Landrats kandidieren und sich im Rahmen ihrer Wahlwerbung mit der Amtsausübung des seinerseits kandidierenden Landrats auseinandersetzen. Durch ihre Kandidatur und ihre öffentlichen Äußerungen setzte sich die Klägerin gleichermaßen selbst der kritischen Überprüfung aus (vgl. zu diesem Kriterium EGMR 17. April 2014 - 5709/09 - Rn. 39). In einem öffentlichen Wahlkampf ist auch ein Arbeitnehmer nicht darauf verwiesen, Kritik an der Amtsausübung eines Gegenkandidaten, der zugleich Repräsentant seines Arbeitgebers ist, zunächst nur intern zu äußern. Es geht gerade um den öffentlichen Meinungskampf, in dessen Rahmen ansonsten zu beachtende vertragliche Pflichten zur Rücksichtnahme, soweit im Interesse der Meinungsfreiheit erforderlich, zurücktreten müssen. Die Klägerin war als Leiterin der Erhebungsstelle Zensus nicht unmittelbar persönlich für den amtierenden Landrat tätig. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob von ihr anderenfalls eine weitergehende Zurückhaltung auch in einem öffentlichen Wahlkampf hätte verlangt werden können.
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cc) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die Grenzen zur Schmähkritik seien nicht überschritten. Bei den Äußerungen der Klägerin stand nicht die persönliche Diffamierung des amtierenden Landrats im Vordergrund. Die Klägerin hat nach dem vom Berufungsgericht zutreffend zugrunde gelegten Verständnis ihrer Erklärungen nicht dem Landrat selbst „kriminelle Machenschaften“ unterstellt. Sie hat vielmehr, wenn auch in zugespitzter Form, Kritik an dessen Amtswahrnehmung geübt und damit ein bereits zuvor in der Öffentlichkeit diskutiertes Thema aufgegriffen (vgl. bspw. die Pressemitteilung der Deutschen Umwelthilfe vom 2. November 2011 als Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 28. Januar 2013: „Das Landratsamt verharmlost … und blockiert…“). Es ging - entgegen der Auffassung des Beklagten - um eine politische Frage von öffentlichem Interesse (vgl. zu diesem Kriterium EGMR 17. April 2014 - 5709/09 - Rn. 42), hier das Erfordernis transparenten Verwaltungshandelns.
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dd) Die Klägerin hat die Kritik an der Amtswahrnehmung ihres Gegenkandidaten nicht ins Blaue hinein erhoben. An einem solchen Beitrag bestünde auch im politischen Wahlkampf kein anerkennenswertes Interesse. Sie hat sich vielmehr darauf berufen, in der Presse veröffentlichte Berichte und öffentlich diskutierte Vorgänge aufgegriffen zu haben. Ihrer kritischen Bewertung der Amtsausübung des Landrats lag damit zumindest die Tatsache zugrunde, dass die Vorgänge in B. und C. und die Rolle des Landratsamts in der Öffentlichkeit als aufklärungsbedürftig angesehen worden waren. Der beklagte Landkreis mag zwar zutreffend geltend gemacht haben, der Landrat sei in der Presse nicht „krimineller Machenschaften“ bezichtigt worden. Ein solcher Aussagegehalt kommt aber - wie ausgeführt - auch dem Flyer der Klägerin nicht zu. Handelt es sich stattdessen um ein Werturteil - hier über die Amtsausübung des Landrats - und bei diesem um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage, spricht eine Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede (BVerfG 22. Juni 1982 - 1 BvR 1376/79 - zu B II 1 a der Gründe, BVerfGE 61, 1; 15. Januar 1958 - 1 BvR 400/51 - [Lüth] zu B II 4 der Gründe, BVerfGE 7, 198). Sie beschränkt sich entgegen der Auffassung des Beklagten nicht auf spontane, mündliche Äußerungen. Vielmehr schützt Art. 5 Abs. 1 GG die freie Meinungsäußerung „in Wort, Schrift und Bild“(vgl. BVerfG 15. Januar 1958 - 1 BvR 400/51 - [Lüth] aaO: ua. schriftlicher Boykottaufruf; 24. Juli 2013 - 1 BvR 444/13, 1 BvR 527/13 -: Veröffentlichung eines „Denkzettels“ im Internet). Bei einer spontanen, mündlichen Erklärung mag außerdem die mögliche Unbedachtheit einer gewählten Formulierung zu berücksichtigen sein.
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ee) Die Äußerung der Klägerin ging nach Form und Zeitpunkt nicht über das in einem Wahlkampf hinzunehmende Maß hinaus.
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(1) Der beklagte Landkreis hat geltend gemacht, die Klägerin habe offensichtlich um jeden Preis potentielle Wähler für sich gewinnen wollen. Dabei lässt er außer Acht, dass sie dies nicht durch eine persönliche Diffamierung des amtierenden Landrats, sondern durch eine politische Stellungnahme zu dessen Amtswahrnehmung versucht hat. Dass sie damit zugleich beabsichtigt haben dürfte, die Wähler gegen den amtierenden Landrat und für sich selbst einzunehmen, ist nicht zu missbilligender Zweck eines Wahlkampfs.
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(2) Ob der Vorgang anders zu beurteilen wäre, wenn die Klägerin zur Unterstützung ihrer Äußerungen ihren Dienst beim Beklagten in die Waagschale geworfen und den Lesern zB das Vorhandensein darauf beruhender besonderer Einblicke in die Zusammenhänge suggeriert hätte, bedarf keiner Entscheidung. Ein Hinweis auf ihre Beschäftigung bei dem beklagten Landkreis war dem Flyer nicht zu entnehmen.
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(3) Dass der Flyer über das Gebiet des beklagten Landkreises hinaus verbreitet worden wäre, ist vom Landesarbeitsgericht weder festgestellt worden, noch würde dies ein anderes Ergebnis rechtfertigen. Das Anzeigenblatt, dem der Flyer beigelegt war, ist jedenfalls auch in dem Gebiet des beklagten Landkreises verteilt worden. Die Klägerin musste von dieser Möglichkeit seiner Verbreitung nicht deshalb absehen, weil das Blatt einen über den Landkreis hinausreichenden Einzugsbereich hatte.
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(4) Soweit der Beklagte geltend gemacht hat, die Klägerin habe bewusst einen so späten Zeitpunkt für die Veröffentlichung gewählt, dass dem amtierenden Landrat vor der Wahl keine Reaktion mehr möglich gewesen sei, ist dies bereits unschlüssig. Das Anzeigenblatt wurde am 18. April 2012 verteilt, die Landratswahl fand am 22. April 2012 statt.
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II. Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung ist sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG. Die Klägerin hat - wie ausgeführt - ihre Vertragspflichten nicht verletzt.
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III. Den Auflösungsantrag des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zu Recht abgewiesen. Der beklagte Landkreis hat keine Umstände dargelegt, die einer weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit der Parteien nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG entgegenstünden. Weder genügen frühere Spannungen aufgrund einer Konkurrentenklage als Auflösungsgrund, noch ist ersichtlich, warum sich die Klägerin ein Verhalten ihres Vaters zurechnen lassen müsste.
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IV. Der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Das Kündigungsschutzverfahren ist rechtskräftig abgeschlossen.
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V. Als unterlegene Partei hat der beklagte Landkreis gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
-
Kreft
Berger
Rachor
F. Löllgen
Gerschermann
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
Tenor
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Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 19. August 2009 - 2 Sa 40/09 - wird zurückgewiesen.
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Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
-
Der Streitwert wird auf 10.320,00 Euro festgesetzt.
Gründe
- 1
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A. Die Parteien streiten über eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung und die Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
- 2
-
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung des Klägers abgeändert, der Kündigungsschutzklage stattgegeben und den Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde, die sie auf die grundsätzliche Bedeutung von Rechtsfragen, die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör und Divergenz stützt.
- 3
-
B. Die Beschwerde ist erfolglos.
- 4
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I. Die Voraussetzungen einer Grundsatzbeschwerde sind nicht erfüllt.
- 5
-
1. Nach § 72a Abs. 1 iVm. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kann eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision darauf gestützt werden, dass das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen hat, obwohl dessen Urteil eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Das setzt voraus, dass die Klärung der Rechtsfrage entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt (BAG 26. September 2000 - 3 AZN 181/00 - zu II 2 der Gründe, BAGE 95, 372). Eine Rechtsfrage ist eine Frage, die die Wirksamkeit, den Geltungsbereich, die Anwendbarkeit oder den Inhalt einer Norm zum Gegenstand hat (Senat 23. Januar 2007 - 9 AZN 792/06 - Rn. 5, BAGE 121, 52).
- 6
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2. Diese Erfordernisse sind nicht gewahrt.
-
a) Die Beklagte meint, das anzufechtende Urteil werfe die Fragen auf,
-
„ob eine Beweiserhebung zulässig ist und nach dem Tod eines potentiell Erkrankten - auch ohne dessen Einwilligung - die ärztlichen Unterlagen bzw. Aussagen der ihn behandelnden Ärzte entgegen der gebotenen Schweigepflicht verwertet werden können und dürfen;
ob der Grundsatz, der Kündigende müsse die Entschuldigungsgründe des Gekündigten widerlegen, uneingeschränkt gilt oder dieser Grundsatz erst dann greift, wenn ein konkreter, substantieller Sachvortrag des Gekündigten erfolgt, der konkret seitens des Kündigenden einlassungsfähig und konkret einlassbar ist“.
- 8
-
b) Beide Fragen sind nicht klärungsbedürftig.
- 9
-
aa) Eine Rechtsfrage ist klärungsbedürftig, wenn sie höchstrichterlich noch nicht entschieden und ihre Beantwortung nicht offenkundig ist (vgl. BAG 2. Oktober 2007 - 1 AZN 793/07 - Rn. 5, AP BetrVG 1972 § 75 Nr. 52 = EzA BetrVG 2001 § 75 Nr. 6). Sie ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie so einfach zu beantworten ist, dass unterschiedliche Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte nicht zu erwarten sind (Senat 15. Februar 2005 - 9 AZN 982/04 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 113, 321).
- 10
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bb) Die Beantwortung der ersten Frage ist offenkundig.
- 11
-
(1) Die Beschwerde formuliert mit der Frage nach der prozessualen Verwertbarkeit ärztlicher Aussagen oder Unterlagen ohne sog. Einwilligung des Verstorbenen eine klärungsfähige Rechtsfrage, die fallübergreifend mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden kann. Die nötige Konkretisierung der Rechtsfrage schließt eine differenzierte Fragestellung nicht aus. Unzulässig ist nur eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt und damit auf die Antwort „Kann sein“ hinausläuft (Senat 23. Januar 2007 - 9 AZN 792/06 - Rn. 6, BAGE 121, 52).
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(2) Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage bisher nicht beantwortet. Die Frage ist jedoch einfach zu beantworten und damit nicht klärungsbedürftig. Ärztliche Aussagen oder Unterlagen dürfen grundsätzlich nicht ohne Einverständnis des Verstorbenen verwertet werden. Anderes gilt ausnahmsweise, wenn Auskunft, Einsicht und Verwertung dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen entsprechen. Davon ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen.
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(a) Die Verschwiegenheitspflicht des Arztes gilt über den Tod des Patienten hinaus. Sie darf gegenüber nahen Angehörigen nur ausnahmsweise und lediglich im vermuteten Einverständnis des Patienten gebrochen werden, soweit einer ausdrücklichen Befreiung Hindernisse entgegenstehen. Dabei muss sich der Arzt die Überzeugung verschafft haben, dass der Patient vor diesen Angehörigen keine Geheimnisse über seinen Gesundheitszustand haben will oder ohne die seiner Entscheidung entgegenstehenden Hindernisse hätte haben wollen. Auch gegenüber Erben des Verstorbenen, deren Interesse an der Auskunft oder Einsicht eine vermögensrechtliche Komponente haben kann, hat der ausdrückliche oder mutmaßliche Wille des Verstorbenen Vorrang. Nur der behandelnde Arzt kann entscheiden, ob seine Schweigepflicht zu wahren ist oder nicht. Er hat insbesondere darauf abzustellen, welche Geheimhaltungswünsche dem Verstorbenen angesichts der durch seinen Tod veränderten Sachlage unterstellt werden müssen. Der behandelnde Arzt ist in der Frage des Auskunfts- und Einsichtsrechts gewissermaßen die letzte Instanz (vgl. BGH 31. Mai 1983 - VI ZR 259/81 - zu II 3 b, c, f und g der Gründe, NJW 1983, 2627; siehe auch OLG München 9. Oktober 2008 - 1 U 2500/08 - zu A I und III der Gründe, VersR 2009, 982). Bedenken, die es geboten erscheinen ließen, diese Rechtsprechung zu überdenken, bestehen nicht.
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(b) Diese für das Einsichtsrecht naher Angehöriger des Verstorbenen entwickelten allgemeinen Grundsätze gelten auch für die Auskunft des behandelnden Arztes und die Einsicht in die Patientenunterlagen im Rahmen der Erhebung eines Sachverständigenbeweises in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren. Besonderheiten des Arbeitslebens, die eine Ausnahme rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
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cc) Als zweite klärungsbedürftige Frage bezeichnet die Beschwerde das Maß der Substantiierung der sog. Entschuldigungsgründe, das erforderlich ist, um die Beweislast des Arbeitgebers für ihr Fehlen auszulösen. Diese Frage ist nicht mehr klärungsbedürftig. Sie ist bereits von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beantwortet.
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(1) Der Kündigende ist nach der ständigen Rechtsprechung des Zweiten Senats darlegungs- und beweispflichtig für alle Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein können. Ihn trifft auch die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die die Handlung des Arbeitnehmers als gerechtfertigt erscheinen lassen. Dabei braucht der Arbeitgeber allerdings nicht von vornherein alle nur denkbaren Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe des Arbeitnehmers zu widerlegen. Vielmehr ist der Arbeitnehmer im Rahmen einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast gehalten, die Gründe, aus denen er die Berechtigung für sein Verhalten herleitet, so konkret vorzutragen, dass dies dem Arbeitgeber die Überprüfung der Angaben und - wenn er sie für unrichtig hält - auch einen erforderlichen Beweisantritt ermöglicht (vgl. nur BAG 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 23, AP BGB § 626 Nr. 214 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 22).
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(2) Der Senat kann deshalb offenlassen, ob das anzufechtende Urteil die von der Beschwerde formulierte Frage überhaupt aufwirft und sie gelöst von den Umständen des Einzelfalls beantwortet werden kann.
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II. Die Rügen, mit denen die Beklagte geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, sind teils unbegründet, im Übrigen unzulässig.
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1. Die Beklagte beanstandet, das Landesarbeitsgericht habe ihren Beweisantritt mit einem Sachverständigengutachten zu der Behauptung, der verstorbene Vater des Klägers habe Fahrten mit dem geleasten Fahrzeug wegen seines Gesundheitszustands nicht durchführen können, übergangen. Diese Rüge ist in der Sache erfolglos.
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a) Nach § 72a Abs. 1 iVm. § 72 Abs. 2 Nr. 3 2. Alt. ArbGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt werden, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt und darauf beruhe die anzufechtende Entscheidung. Ob der übergangene Beweisantritt entscheidungserheblich ist, richtet sich nach den vom Landesarbeitsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen und seinen rechtlichen Ausführungen. Es genügt, wenn der Schluss gerechtfertigt ist, dass das Berufungsgericht bei richtigem Verfahren möglicherweise anders entschieden hätte (vgl. Senat 10. Mai 2005 - 9 AZN 195/05 - zu II 2 der Gründe, BAGE 114, 295).
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b) Nach diesen Maßstäben verletzt das Berufungsurteil den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör nicht.
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aa) Auf die von einer Partei beantragte Beweiserhebung darf regelmäßig nur verzichtet werden, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist, die umstrittene Tatsache zugunsten des Beweisführers als wahr unterstellt werden kann, das Beweismittel unerreichbar, unzulässig oder absolut untauglich ist (vgl. BFH 16. November 2005 - VI R 71/99 - zu II 1 der Gründe, NVwZ-RR 2008, 71). Das Gericht ist nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO in der Überzeugungsbildung bei der Beweiswürdigung frei, nicht jedoch in der Beweiserhebung. Ist eine entscheidungserhebliche Frage streitig, sind die hierfür angebotenen Beweise zu erheben, wenn sie zur Beweisführung zulässig, geeignet und von der beweisbelasteten Partei angeboten sind (siehe Zöller/Greger ZPO 28. Aufl. § 286 Rn. 12).
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bb) Das Landesarbeitsgericht hat keinen aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Beweisantritt übergangen.
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(1) Das Berufungsgericht hat vielmehr angenommen, der Beweisantritt der Beklagten sei untauglich. Das im Einzelfall bestehende Recht der Erben zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht gehe nur im Einzelfall auf die Erben über, wenn die „Einwilligung“ dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen entspreche. Dafür hätten keine Anhaltspunkte bestanden.
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(2) Der Senat darf als Beschwerdegericht nicht überprüfen, ob die Auffassung des Landesarbeitsgerichts zu der Frage der Beweiserheblichkeit zutrifft oder die Frage des mutmaßlichen Einverständnisses des Verstorbenen der Beurteilung des behandelnden Arztes überlassen bleiben muss. Das Berufungsgericht hat sich mit der Frage der Beweiserheblichkeit argumentativ auseinandergesetzt und sie verneint. Das schließt eine Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör aus. Die Beschwerde macht letztendlich einen Rechtsanwendungsfehler geltend. Die angestrebte Rechtsfehlerkontrolle ist kein Grund für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG. Sie setzt eine zugelassene Revision voraus.
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2. Die weitere Rüge der Beklagten, ihr sei trotz ihres Antrags im Berufungstermin keine Möglichkeit gegeben worden, den Sachverhalt hinsichtlich des Strafurteils zu klären, zu verifizieren und sich hierzu im Einzelnen zu erklären, wird den formellen Erfordernissen des § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 2. Alt. ArbGG nicht gerecht.
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a) Die Beschwerde legt bereits nicht dar, aus welchen Gründen es für die in der Berufungsverhandlung anwaltlich, also fachkundig vertretene Beklagte unzumutbar war, auf die Hinweise des Landesarbeitsgerichts sofort - ggf. nach Unterbrechung der Verhandlung - zu reagieren. Die auf mangelnde Aufklärung gestützte Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dient nicht dazu, Vorbringen zu ersetzen, das einer fachkundig vertretenen Partei in der Berufungsinstanz möglich gewesen wäre (vgl. Senat 20. Mai 2008 - 9 AZN 1258/07 - Rn. 26 f. mwN, BAGE 126, 346).
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b) Hinzu kommt, dass die Beklagte den aus ihrer Sicht noch zu haltenden Vortrag zum Freispruch im Strafverfahren in der Beschwerdebegründung nicht nachholt. Wer die Verletzung der Aufklärungspflicht des Gerichts und damit die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG rügt, muss im Einzelnen angeben, welche Tatsachen er vorgebracht hätte, wenn ihm eine Schriftsatzfrist zum ergänzenden Vortrag eingeräumt worden wäre. Das zunächst unterbliebene Vorbringen muss spätestens in der Begründungsfrist vollständig nachgeholt werden. Nur dann lässt sich absehen, ob die Einräumung des Schriftsatzrechts zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (vgl. zu dem ähnlich gelagerten Fall eines durch Verfahrensrüge im Revisionsverfahren beanstandeten Verstoßes gegen die allgemeine Hinweispflicht aus § 139 ZPO BAG 19. Januar 2006 - 6 AZR 600/04 - Rn. 22 mwN, BAGE 117, 14).
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III. Die Beschwerde legt schließlich keine Divergenz dar (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG).
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1. Nach § 72a Abs. 1 iVm. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG ist die Revision auf die Beschwerde der unterlegenen Partei zuzulassen, wenn das anzufechtende Urteil von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder eines anderen der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten Gerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Diesen Anforderungen ist nur genügt, wenn der Beschwerdeführer im Einzelnen ausführt, welche divergierenden abstrakten, dh. fallübergreifenden Rechtssätze das anzufechtende und das herangezogene Urteil zu einer bestimmten Rechtsfrage aufgestellt haben. Die beiden aus Sicht des Beschwerdeführers divergierenden Rechtssätze müssen bezeichnet werden (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG). Daneben ist aufzuzeigen, dass das anzufechtende Urteil auf dem abweichenden Rechtssatz beruht (st. Rspr., vgl. BAG 15. September 2004 - 4 AZN 281/04 - zu II 2.1 der Gründe, BAGE 112, 35). In der Beschwerdebegründung ist darzulegen, dass diese Erfordernisse gewahrt sind. Vermeintliche Rechtsfehler können nicht berücksichtigt werden. Sie dürfen nur im Rahmen einer zugelassenen Revision überprüft werden. Zulassungsgrund ist die entscheidungserhebliche Abweichung im Rechtssatz.
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2. Diesen Erfordernissen genügt die Beschwerde nicht.
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a) Die Beklagte entnimmt dem Berufungsurteil die Aussage:
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„Erst nach der Kündigung entstehende Tatsachen bleiben hingegen grundsätzlich unberücksichtigt.“
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b) Dem stellt die Beschwerde die Erwägung einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23. Juni 2005 (- 2 AZR 256/04 - zu II 2 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 52) gegenüber:
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„Für die Frage der Rechtswirksamkeit der Kündigung … ist entscheidend, ob Umstände vorliegen, die im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung die Kündigung als wirksam erscheinen lassen. Es ist eine rückschauende Bewertung dieser Gründe vorzunehmen, später eingetretene Umstände sind grundsätzlich nicht mehr einzubeziehen.“
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c) Die Beschwerde ist der Ansicht, das Bundesarbeitsgericht habe die soeben wiedergegebene Aussage in einem späteren Beschluss vom 28. Juli 2009 (- 3 AZN 224/09 - Rn. 9 f., EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 74) durch folgende Ausführungen relativiert:
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„Damit (mit dem vorzitierten Rechtssatz) hat sich das Bundesarbeitsgericht ganz allgemein mit der Frage des maßgeblichen Zeitpunkts auseinandergesetzt und diesbezüglich lediglich einen (ausnahmefähigen) Grundsatz aufgestellt, ohne Aussagen darüber zu treffen, in welchen Fällen Ausnahmen möglich sind und ob diese sich bei der Prognoseentscheidung oder aber bei der Interessenabwägung auswirken können.“
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d) Damit zeigt die Beklagte keine Divergenz auf. Die Aussagen, die die Beschwerde der anzufechtenden Entscheidung und dem herangezogenen Urteil des Zweiten Senats vom 23. Juni 2005 (- 2 AZR 256/04 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 52) entnimmt, decken sich. Die dem Beschluss des Dritten Senats vom 28. Juli 2009 (- 3 AZN 224/09 - EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 74) entnommene Aussage ist dagegen schon nach den Darlegungen der Beschwerde kein Rechtssatz.
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aa) Ein Rechtssatz ist nur dann aufgestellt, wenn das Gericht seiner Subsumtion einen Obersatz voranstellt, der über den Einzelfall hinaus Geltung für vergleichbare Sachverhalte beansprucht. Diese Voraussetzungen sind nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG in der Beschwerdebegründung darzulegen (Senat 1. März 2005 - 9 AZN 29/05 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 114, 57).
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bb) Der Beschluss des Dritten Senats vom 28. Juli 2009 (- 3 AZN 224/09 - EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 74) trifft selbst keine Aussage darüber, ob und wann Ausnahmen von dem Grundsatz gelten, dass Umstände nach Zugang der Kündigung nicht herangezogen werden können, um die Kündigung zu rechtfertigen. Die Entscheidung begründet mit diesem Klärungsbedarf lediglich die Zulassung der Revision. Auf diese Frage beruft sich die Beklagte nicht. Sie nimmt vielmehr das mit Blick auf die Zulassung der Revision durch den Dritten Senat zu erwartende Urteil des Zweiten Senats vorweg und meint, jedenfalls im Ausnahmefall könnten auch nachträglich eintretende Umstände berücksichtigt werden. Der Senat darf im Beschwerdeverfahren nicht überprüfen, ob das Berufungsurteil an dem von der Beklagten angenommenen Rechtsanwendungsfehler leidet.
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C. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Beschwerde zu tragen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.
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Düwell
Krasshöfer
Gallner
Furche
Pielenz
Tenor
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 7. April 2011 - 11 Sa 58/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
- 2
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Die 1956 geborene Klägerin war seit Mai 1982 bei der Beklagten - einer Bank für Privatkunden - als Kundenbetreuerin tätig. Seit Dezember 2006 war sie in einer Filiale in R eingesetzt. Die Zweigstelle gehört zum Vertriebsbereich D, für den ein Betriebsrat gewählt ist. Die regelmäßige Arbeitszeit der Klägerin betrug zuletzt 15 Wochenstunden.
- 3
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Im Jahr 2009 mahnte die Beklagte die Klägerin dreimal ab. Zwei Abmahnungen wurden zwischenzeitlich - in einem Fall nach gerichtlicher Entscheidung, im anderen Fall aufgrund eines Vergleichs - aus deren Personalakte entfernt. Die dritte Abmahnung wurde von der Klägerin nicht gerichtlich angegriffen.
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Am 17. März 2010 war die Klägerin an der Kasse eingesetzt, als zwei Kunden - wohl ein Ehepaar - die R Filiale betraten. Diese wollten ein aktuelles Festgeldangebot nutzen und wandten sich für eine Beratung an die Kundenbetreuerin K. Im Verlauf des Gesprächs kam es zu Unstimmigkeiten. Die Kundenbetreuerin hatte wegen einer ungewöhnlichen Farbschattierung Zweifel an der Echtheit eines der beiden Personalausweise, die ihr zu Identifikationszwecken vorgelegt wurden. Gegen 13:00 bis 13:10 Uhr setzte der Filialleiter die Betreuung der Kunden fort und bat diese in sein Büro. Die Mitarbeiterin K trat ihre Mittagspause an und begab sich zunächst in einen angrenzenden Sozialraum. Dort traf sie die Klägerin und eine andere Kollegin an. Nachdem Frau K ihre Arbeit wieder aufgenommen hatte, übergab ihr der Filialleiter Unterlagen aus dem Kundengespräch zur weiteren Bearbeitung. Beigefügt waren Fotokopien von zwei Ausweisdokumenten, die den Vermerk trugen, das Original habe vorgelegen.
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Mit Schreiben vom 22. März 2010 wandte sich die Klägerin unter dem Betreff „Meldung eines Verstoßes gegen Sicherheitsrichtlinien“ an die „Zentrale Revision“ der Beklagten. Sie teilte - auszugsweise - Folgendes mit:
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„...
ich zeige Ihnen hiermit einen schweren und vorsätzlichen Verstoß gegen die Sicherheitsrichtlinien der T und ggfls. gegen gesetzliche Richtlinien an.
Datum:
Mittwoch, 17.03.2010
Ort:
Filiale R
Verursacher:
Filialleiter …
Tathergang:
... An dem besagten Tage war ich an der Kasse eingesetzt. …
… Dabei stellte sich heraus, dass der Kunde statt eines Bundespersonalausweises nur eine Kopie davon mit bei sich hatte. Als die Kollegin dies bemängelte, übernahm der Zweigstellenleiter diesen Fall und bat den Kunden in einen separaten Raum. … Dabei kam es zu dem eklatanten Verstoß gegen die Sicherheitsregel: Der Kunde konnte keinen gültigen Personalausweis vorlegen: Er hatte wohl eine Fotokopie bei der Hand.
Der Zweigstellenleiter kopierte die Kopie und soll eigenhändig den Vermerk aufgeschrieben haben, das Original habe vorgelegen.
Letzteres durch Aussage der mit dem Fall befassten Kollegin.
Es obliegt Ihnen, die Schwere des Vergehens zusammen mit der erschwerenden Vorsätzlichkeit zu werten.
Zeugnis zur möglicherweise notwendigen Befragung: Kollegin … K“
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Am 7. April 2010 wurde die Klägerin vom Personalreferenten der Beklagten zu dem Vorfall befragt. Sie sollte sich ua. dazu äußern, ob und inwieweit sie von der Kasse aus habe erkennen können, dass es sich um einen „falschen“ Ausweis gehandelt habe. Sie gab an, diese Beobachtung habe ihre Kollegin gemacht. Die gleichfalls befragte Mitarbeiterin K führte in einer schriftlichen Stellungnahme vom 16. April 2010 aus, der männliche Kunde habe auf ihre Bitte, sich zu legitimieren, verärgert und „offensichtlich ertappt“ reagiert. Auf ihren Versuch, die Ausweise zu kontrollieren, sei sie von beiden Kunden „in lautem, unverschämten Ton“ „angepöbelt“ worden. Dem Filialleiter, der daraufhin das Beratungsgespräch fortgeführt habe, seien die Papiere ebenfalls auffällig vorgekommen.
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Am 30. April 2010 hörte die Beklagte den Filialleiter, der in der Zeit vom 23. März 2010 bis zum 12. April 2010 urlaubsabwesend war, zu den Vorwürfen an. Dieser erklärte, er habe die Ausweise unter einer im Kassenbereich angebrachten UV-Lampe überprüft. Dabei und bei der Datenaufnahme im Kundensystem habe er keine Unregelmäßigkeiten feststellen können.
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Am 24. Juni 2010 unterhielten sich zwei Vertreter der Beklagten - darunter der Personalreferent - mit der Klägerin über das sich stetig verschlechternde Arbeitsklima in der Filiale. Dabei kam erneut die Anzeige vom 22. März 2010 zur Sprache. Diesbezüglich wurde ein weiteres Personalgespräch für den 13. Juli 2010 verabredet. Am 25. Juni 2010 fasste die Mitarbeiterin K auf Bitten der Beklagten nochmals die Vorgänge vom 17. März 2010 zusammen. Sie gab an, nach „Übernahme“ der Kunden durch den Filialleiter - „aufgeregt und erschrocken darüber“, dass dieser ihr in einer „so kniffligen Situation“ in den Rücken gefallen sei - „in die Küche“ gelaufen zu sein. Gegenüber ihren dort bereits anwesenden Kolleginnen - darunter die Klägerin - habe sie geäußert, die Kunden seien ihr „auf Anhieb komisch“ vorgekommen. Einer der Ausweise habe „so komisch“ ausgesehen als wäre er nicht echt; sie habe diesen nicht geprüft und wisse auch nicht, ob der Filialleiter, der die Kunden jetzt bediene, „das noch mache“. Sie habe nichts mehr mit dem Fall zu tun.
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Am 26. Juni 2010 erhielt die Klägerin eine förmliche Einladung mit Tagesordnung zu dem anstehenden Gespräch. Mit E-Mail vom 28. Juni 2010 schrieb sie dem Personalreferenten, die Frage nach ihrer Motivation für die Anzeige vom 22. März 2010 habe in ihr „tiefste Zweifel“ ausgelöst. Das sei doch ihre „heiligste Pflicht“ gewesen. Sie habe eigentlich „Anerkennung für Pflichterfüllung … erwartet“. Sie habe bereits vorgehabt nachzufragen, ob die Sache nicht verfolgt würde oder „im Sande verlaufen sei“. Dies werde sie nunmehr „in Richtung Geschäftsführung/Zentralrevision“ erfragen.
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Die Beklagte zog daraufhin das Personalgespräch auf den 2. Juli 2010 vor. An ihm nahmen neben einer weiteren Person der Personaldirektor der Beklagten, der Direktor „Human Resources Arbeitsrecht und Mitbestimmung“ und ein Mitglied des Betriebsrats teil. Der Klägerin wurde unter Fristsetzung aufgegeben, sich abschließend schriftlich zu dem Geschehen am 17. März 2010 zu äußern. Nach Eingang der Erklärung wollte die Beklagte über mögliche „arbeitsrechtliche Konsequenzen“ entscheiden. Die am 4. Juli 2010 verfasste und an die vorgenannten Direktoren der Beklagten adressierte Stellungnahme der Klägerin ging am 5. Juli 2010 auf einem allgemein zugänglichen Faxgerät der Filiale R ein. Parallel leitete die Klägerin die Erklärung allen Gesprächsteilnehmern vom 2. Juli 2010 und der Geschäftsleitung der Beklagten zu. Ihrer Kollegin K und einer weiteren Filialmitarbeiterin überreichte sie jeweils eine Abschrift. Inhaltlich verwahrte sie sich gegen den Vorwurf, in ihrer Anzeige falsche Angaben gemacht zu haben. Sie führte aus, eine bankinterne Überprüfung des verdächtigen Ausweises sei während ihrer Anwesenheit unterblieben. Weiter schrieb sie: „Obwohl Sie die Ankündigung eines Verfahrens wegen ‚übler Nachrede‘ wohl eher als Drohung verstanden wissen wollten, bin ich mit einem Strafverfahren nach § 186 StGB mehr als einverstanden. … Ich bedanke mich für den … vorgeschlagenen Weg der externen Klärungsmöglichkeit und erwarte nunmehr Ihre angekündigte Anzeige wegen übler Nachrede innerhalb eines angemessenen Zeitraums …“
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Die Beklagte forderte die Klägerin auf, die Behauptung, ihr sei mit einer Strafanzeige gedroht worden, unter Richtigstellung des Sachverhalts zu widerrufen. Mit E-Mail vom 6. Juli 2010 erklärte diese, die Worte „üble Nachrede“ seien von Vertretern der Beklagten in den Raum gestellt worden. In Ermangelung eines gemeinsamen Gesprächsprotokolls sei sie aber bereit, einzelne Darstellungen in der Sache oder der Tendenz nach zu revidieren, falls der Beklagten diese als falsch erschienen.
- 12
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Am Folgetag stellte die Beklagte die Klägerin von der Arbeitsleistung frei. Mit Schreiben vom 14. Juli 2010 kündigte sie das Arbeitsverhältnis - nach Anhörung des Betriebsrats und mit dessen Zustimmung - außerordentlich fristlos, hilfsweise außerordentlich mit „sozialer Auslauffrist“ zum 31. März 2011.
- 13
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Die Klägerin hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat geltend gemacht, die Kündigungen seien unwirksam. Sie habe nicht bewusst falsche Anschuldigungen gegen den Filialleiter erhoben. Vielmehr habe sie über einen Vorfall berichtet, den die Beklagte bis zuletzt nicht vollständig aufgeklärt habe. Etwas anderes sei auch nicht ihrer im Vorprozess abgegebenen Erklärung zu entnehmen, sie habe „schon einige Filialleiter der Beklagten kommen und gehen sehen“ und werde auch den derzeitigen „aussitzen“. Sie habe sich durch die in kurzer zeitlicher Folge erteilten Abmahnungen unberechtigt angegriffen gefühlt und überreagiert. Ebenso wenig sei die Kündigung wegen ihres Verhaltens im Zusammenhang mit der Stellungnahme vom 4. Juli 2010 gerechtfertigt. Während des Gesprächs am 2. Juli 2010 habe sie den Eindruck gewonnen, die Beklagte beabsichtige, sie wegen vermeintlich übler Nachrede anzuzeigen. Sie sei weiterhin bereit, die Aussage, ihr sei ein Strafverfahren „angedroht“ worden, zu korrigieren.
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Die Klägerin hat beantragt
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 14. Juli 2010 weder mit sofortiger Wirkung noch zum 31. März 2011 aufgelöst worden ist.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ein wichtiger Grund zur Kündigung iSd. § 626 Abs. 1 BGB liege vor. Die Klägerin habe den Filialleiter im Schreiben vom 22. März 2010 sinngemäß eines Verstoßes gegen das Geldwäschegesetz bezichtigt. Dabei habe sie den Eindruck vermittelt, der beschriebene „Tathergang“ sei Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung, obwohl die Anschuldigungen tatsächlich auf reinen Mutmaßungen beruhten. Am 7. April 2010 habe sie erklärt, mit Sicherheit ausschließen zu können, dass der Filialleiter die Ausweise vorschriftsmäßig geprüft habe. Dabei sei ihr bewusst gewesen, dass auch ihre als Zeugin benannte Kollegin den Vorfall nicht durchgängig beobachtet habe. In den nachfolgenden Gesprächen habe sie unverändert an ihrem Standpunkt festgehalten. Erstmals mit ihrer Stellungnahme vom 4. Juli 2010 habe sie ihre Behauptungen auf die Zeit ihrer Anwesenheit beschränkt. Allerdings habe sie zugleich unzutreffend und wider besseres Wissen behauptet, ihr sei in dem vorausgegangenen Personalgespräch durch Vertreter der Beklagten mit einer Strafanzeige gedroht worden. Einer Abmahnung habe es nicht bedurft. Die Klägerin habe ihre Vertragspflichten grob verletzt. Ihre falschen Anschuldigungen habe sie gegenüber einem sich stetig vergrößernden Empfängerkreis wiederholt bzw. publik gemacht und keine Einsicht gezeigt. Damit habe sie das Ansehen des Filialleiters beschädigt und nachhaltig den Betriebsfrieden gestört. Ein Festhalten an dem Arbeitsverhältnis sei ihr - der Beklagten - unzumutbar. Die Anhörung des Betriebsrats sei ordnungsgemäß erfolgt. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt.
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Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte weiterhin, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 14. Juli 2010 weder mit sofortiger Wirkung noch mit Ablauf einer der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist aufgelöst worden.
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I. Die fristlose Kündigung ist gemäß § 626 Abs. 1 BGB iVm. § 17 Ziff. 3 Abs. 1 Alt. 1 Manteltarifvertrag für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken (MTV) unwirksam. Dies hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei erkannt.
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1. Dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien zufolge fanden auf das Arbeitsverhältnis die jeweils geltenden Tarifverträge für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken Anwendung. Gemäß § 17 Ziff. 3 Abs. 1 Alt. 1 MTV (in der maßgebenden, ab 22. April 2009 geltenden Fassung) sind Arbeitnehmer, die ihr 50. Lebensjahr bereits vollendet haben und dem Betrieb mindestens zehn Jahre ununterbrochen angehören - vorbehaltlich im Streitfall nicht einschlägiger Ausnahmetatbestände - nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes kündbar. Die Regelung, deren persönliche Voraussetzungen die Klägerin im Kündigungszeitpunkt erfüllte, nimmt auf § 626 BGB Bezug(vgl. zu § 17 Ziff. 3 Abs. 1 MTV in der ab 1. Oktober 1997 geltenden Fassung: BAG 10. Oktober 2002 - 2 AZR 418/01 - zu B I 1 der Gründe, EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 1; allgemein zur Bedeutung des Begriffs „wichtiger Grund“ in Tarifverträgen: bspw. BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 31, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 148 = EzA KSchG § 2 Nr. 80; 12. Januar 2006 - 2 AZR 242/05 - Rn. 24, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 9).
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2. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Bei ordentlicher Unkündbarkeit des Arbeitnehmers ist für die Beurteilung, ob ein Grund zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses vorliegt, auf den Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist abzustellen (BAG 27. April 2006 - 2 AZR 386/05 - Rn. 34, BAGE 118, 104). Aus § 17 Ziff. 3 Abs. 1 Alt. 1 MTV ergeben sich insoweit keine Besonderheiten.
- 21
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3. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der (fiktiven) Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 989/11 - Rn. 38, NZA 2013, 143; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, BAGE 134, 349).
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4. Einen in diesem Sinne die fristlose Kündigung „an sich“ rechtfertigenden Grund stellen ua. grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen dar, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 17 mwN, AP BGB § 626 Nr. 226 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 29). Entsprechendes gilt, wenn der Arbeitnehmer bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen über seinen Arbeitgeber oder Vorgesetzte bzw. Kollegen aufstellt, insbesondere wenn die Erklärungen den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen. Der Arbeitnehmer kann sich für ein solches Verhalten regelmäßig nicht auf sein Recht zur freien Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) berufen. Das Grundrecht ist nicht schrankenlos gewährleistet (vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 400/05 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 55 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 70). Die Meinungsfreiheit wird durch das Recht der persönlichen Ehre gemäß Art. 5 Abs. 2 GG beschränkt und muss mit diesem in ein ausgeglichenes Verhältnis gebracht werden. Zwar dürfen Arbeitnehmer - auch unternehmensöffentlich - Kritik am Arbeitgeber, ihren Vorgesetzten und den betrieblichen Verhältnissen üben und sich dabei auch überspitzt äußern. In grobem Maße unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen können, muss der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen (vgl. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - aaO; 24. November 2005 - 2 AZR 584/04 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 198 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 13; 10. Oktober 2002 - 2 AZR 418/01 - zu B I 3 a der Gründe, EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 1; zur ordentlichen Kündigung: 12. Januar 2006 - 2 AZR 21/05 - Rn. 45, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 53 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67).
- 23
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5. Von diesen Grundsätzen geht auch das Landesarbeitsgericht aus. Seine Auffassung, das Verhalten der Klägerin stelle schon keinen die fristlose Kündigung rechtfertigenden Grund „an sich“ dar, ist revisionsrechtlich zumindest insoweit nicht zu beanstanden, wie es davon ausgeht, die Klägerin habe weder im Zusammenhang mit dem Schreiben vom 22. März 2010 noch im Rahmen ihrer Stellungnahme zum Personalgespräch vom 2. Juli 2010 bewusst falsche Tatsachenbehauptungen aufgestellt.
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a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dem Schreiben vom 22. März 2010 sei unschwer zu entnehmen, dass die Anschuldigungen nicht durchgängig auf eigener Wahrnehmung der Klägerin beruhten. Das gelte insbesondere für die durch Fettdruck hervorgehobene Behauptung, hinsichtlich derer die Klägerin auf das Zeugnis der „mit dem Fall befassten Kollegin“ verwiesen habe. Spätestens aufgrund der anschließenden Befragungen habe der Beklagten klar sein müssen, dass weder die Klägerin noch die benannte Kollegin aus eigener Wahrnehmung hätten angeben können, der Filialleiter habe die erforderliche Kontrolle nicht vorgenommen. Verbleibende Zweifel habe die Beklagte durch eine persönliche Gegenüberstellung der Klägerin und des Filialleiters ausräumen können, was unterblieben sei. Unabhängig davon habe die Beklagte nicht dargetan, dass die Anschuldigungen, was die behaupteten Versäumnisse des Filialleiters im Rahmen der Legitimationsprüfung anbelange, unrichtig seien. Eine mögliche und zumutbare Befragung der Kunden sei nicht erfolgt. Was die Äußerungen der Klägerin im Rahmen ihrer Stellungnahme vom 4. Juli 2010 betreffe, sei nicht auszuschließen, dass sie die ihr gemachten Vorhaltungen als - konkludente - Drohung mit der Erstattung einer Strafanzeige missverstanden habe.
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b) Die dieser Würdigung zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen sind nach § 286 ZPO nur daraufhin überprüfbar, ob das Berufungsgericht von den zutreffenden Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist, die wesentlichen Umstände berücksichtigt und keine Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt hat(vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 16 mwN, AP BGB § 626 Nr. 234 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 35; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33). Gemessen daran zeigt die Beklagte keinen revisionsrechtlich relevanten Rechtsfehler auf.
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aa) Soweit die Wertung des Landesarbeitsgerichts auf einer Auslegung der Erklärungen im Schreiben vom 22. März 2010 beruht, ist diese möglich. Die Klägerin beschrieb in ihrer „Anzeige“ einen Sachverhalt, für den sie sich im maßgebenden Punkt - dem behaupteten Verstoß gegen Sicherheitsrichtlinien bei der Legitimationsprüfung von Ausweispapieren - auf die Aussage einer Arbeitskollegin berief. Außerdem überließ sie es ausdrücklich weiteren Ermittlungen der Beklagten, die „Schwere des Vergehens zusammen mit der erschwerenden Vorsätzlichkeit zu werten“. Das lässt nicht - schon gar nicht zwingend - den Schluss zu, die Klägerin habe behaupten wollen, ihre Angaben beruhten insgesamt auf eigener Wahrnehmung. Ebenso wenig ist dem Schreiben mit der gebotenen Eindeutigkeit zu entnehmen, die Klägerin habe bewusst den - falschen - Eindruck erweckt oder erwecken wollen, unmittelbare Wahrnehmungen ihrer Kollegin K wiederzugeben. Gegen eine solche Interpretation als einzig mögliche Deutung spricht, dass die Klägerin für eine „möglicherweise notwendige“ Befragung auf das Zeugnis der betreffenden Mitarbeiterin verwies. Ein verständiger Empfänger der „Anzeige“ musste angesichts dieser Angaben in Rechnung stellen, dass die Klägerin lediglich Umstände beschrieb, die sie zwar nicht selbst kannte, von denen sie aber annahm, sie aufgrund greifbarer Anhaltspunkte vermuten zu dürfen.
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bb) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts einschließlich der ihr zugrunde liegenden Auslegung lässt, anders als die Revision meint, nicht den Inhalt der nachfolgend geführten Personalgespräche außer Acht. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Klägerin bei den Unterredungen am 7. April 2010, am 24. Juni 2010 und am 2. Juli 2010 jeweils an ihrer Anschuldigung festgehalten hat, der Filialleiter habe die Ausweise nicht wie vorgeschrieben überprüft. Auch dies ist kein evidentes, vernünftige Zweifel ausschließendes Indiz dafür, dass die Klägerin behaupten wollte, sie selbst habe dies beobachtet. Trotz der allgemein gehaltenen Formulierung kann den Umständen nach nicht ausgeschlossen werden, dass sie ihre Aussage in der Annahme, dies sei der Beklagten klar, stillschweigend auf Zeiten ihrer Anwesenheit im Verkaufsraum der Filiale bezogen hat. Dafür sprechen jedenfalls ihre klarstellenden Ausführungen in der Stellungnahme vom 4. Juli 2010. Überdies konnte die Klägerin davon ausgehen, dass der Beklagten ihr zeitweiliger Aufenthalt im Sozialraum bzw. der Küche bekannt war. Selbst wenn die Erklärung so zu verstehen sein sollte, die Klägerin habe behaupten wollen, der Filialleiter habe die fragliche Prüfung zu keiner Zeit, auch nicht während der Zeit ihrer Abwesenheit vom Arbeitsplatz vorgenommen, folgte daraus nicht - zumindest nicht zwingend -, dass sie bewusst über den Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung oder den der Beobachtungen ihrer Kollegin zu täuschen versucht hätte. Ebenso gut kann es sein, dass sie - im Sinne einer wertenden Schlussfolgerung - auf der Grundlage der Angaben ihrer Kollegin zum äußeren Erscheinungsbild der Ausweise und dem Verhalten der Kunden zu dem Ergebnis gelangt ist, die vorgeschriebene Überprüfung der Ausweise könne nicht wirklich stattgefunden haben.
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cc) Die Beklagte zeigt keinen materiellen Rechtsfehler auf, soweit sie sich gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts wendet, sie habe den Wahrheitsgehalt der Anschuldigungen nicht hinreichend aufgeklärt, sodass nicht davon ausgegangen werden könne, die Behauptungen der Klägerin seien unwahr. Damit hat das Landesarbeitsgericht weder grundlegend die Darlegungs- und Beweislast verkannt, noch hat es überzogene Anforderungen an den Vortrag der Beklagten gestellt. Diese ist für den Kündigungsgrund darlegungs- und beweispflichtig (vgl. BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 23 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79). Das schließt die Darlegungslast für das Fehlen von Umständen ein, die den Arbeitnehmer entlasten (zur Darlegungslast bezüglich behaupteter Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe: BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - aaO; 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 13). Es war somit grundsätzlich Sache der Beklagten, die Unwahrheit der Behauptungen der Klägerin darzutun, dh. aufzuzeigen, dass eine hinreichende Legitimationsprüfung stattgefunden hat. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn es an Anhaltspunkten für ein - mögliches - pflichtwidriges Verhalten des Filialleiters gänzlich gefehlt hätte, kann dahinstehen. So liegt der vorliegende Fall nicht. Die Klägerin hat ihre Vorwürfe nicht vollkommen „aus der Luft gegriffen“. Vielmehr stritten gewisse, wenngleich nicht zwingende Verdachtsmomente dafür, dass es sich bei einem der beiden Ausweispapiere nicht um ein echtes Dokument handelte. Wenn das Landesarbeitsgericht unter diesen Umständen angenommen hat, die Erklärung des Filialleiters, er habe die Ausweise unter der UV-Lampe im Kassenbereich geprüft, sei für sich genommen noch kein ausreichendes Indiz für die Einhaltung der Sicherheitsrichtlinien, ist dies jedenfalls vertretbar. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte es unterlassen hat, ihre Aufklärungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Eine solche Möglichkeit bestand objektiv in der Befragung der Kunden, von denen die Papiere stammten. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte auch bei vorsichtig formulierter Nachfrage mit einer konkreten Gefährdung der Geschäftsbeziehung hätte rechnen müssen und ihr deshalb eine weitere Aufklärung unzumutbar gewesen wäre, sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Da sich schon aus dem Unterlassen einer Nachfrage bei den Kunden ergibt, dass die Beklagte ihre Informationsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft hat, kann dahinstehen, ob überdies eine persönliche „Gegenüberstellung“ der Klägerin und des Filialleiters angezeigt war, wie das Landesarbeitsgericht gemeint hat.
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dd) Die Beklagte bringt vor, das Landesarbeitsgericht habe auf der Grundlage seiner Feststellungen nicht davon ausgehen dürfen, die Behauptung der Klägerin, ihr sei im Personalgespräch am 2. Juli 2010 mit einer Strafanzeige gedroht worden, beruhe auf einem Missverständnis. Insbesondere böten die Erklärungen der Klägerin in der E-Mail vom 6. Juli 2010 dafür keinen genügenden Anhaltspunkt. Damit zeigt die Beklagte keinen revisiblen Rechtsfehler auf. Sie will nur ihre eigene Bewertung der fraglichen individuellen Äußerungen an die Stelle einer zumindest vertretbaren Würdigung des Landesarbeitsgerichts setzen.
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ee) Mit ihren Verfahrensrügen dringt die Revision nicht durch.
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(1) Soweit die Beklagte geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe sie ausdrücklich darauf hinweisen müssen, dass es von der Zumutbarkeit einer Befragung des Kundenehepaars ausgehe, ist ihr Angriff unzulässig. Wird gerügt, das Berufungsgericht sei seiner richterlichen Hinweispflicht (§ 139 ZPO)nicht nachgekommen, muss der Rechtsmittelführer ua. im Einzelnen angeben, wie er auf einen entsprechenden Hinweis reagiert hätte. Der zunächst unterbliebene Vortrag muss nachgeholt werden. Mit der Verfahrensrüge muss er für die erforderliche Schlüssigkeit bzw. Substantiierung seines Vortrags sorgen (BAG 25. April 2006 - 3 AZR 78/05 - Rn. 39, AP BetrAVG § 7 Nr. 111 = EzA BetrAVG § 2 Nr. 27). Darüber hinaus muss er die Entscheidungserheblichkeit der Verletzung der Hinweispflicht dartun (BAG 14. März 2005 - 1 AZN 1002/04 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 114, 67). Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung nicht gerecht. Die Beklagte legt nicht dar, welchen - erheblichen - Vortrag sie im Hinblick auf den vermissten Hinweis hin geleistet und zu welchem entscheidungserheblichen Gesichtspunkt sie die Kunden als Zeugen benannt hätte.
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(2) Die Beklagte beanstandet weiter, das Landesarbeitsgericht habe es ohne Begründung unterlassen, ihren unter I 2.1 bis 2.4 der Revisionsbegründung näher bezeichneten Beweisangeboten nachzugehen. Dadurch habe es ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt und gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG) verstoßen. Das trifft nicht zu.
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(a) Die Rüge ist unzulässig, soweit die Beklagte meint, die Vernehmung einer weiteren namentlich genannten Filialmitarbeiterin hätte „zur Widerlegung der falschen Behauptungen der Klägerin beitragen können“. Es fehlt an der Darlegung, im Hinblick auf welche Tatsachen sie sich in welchem Schriftsatz auf das Zeugnis der betreffenden Arbeitnehmerin berufen hatte (zu den Anforderungen an die Rüge des Übergehens eines Beweisantritts: vgl. BAG 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 - Rn. 20, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitgebers Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 8). Entsprechendes gilt für die Rüge, das Landesarbeitsgericht habe es versäumt, die Teilnehmer des Gesprächs vom 2. Juli 2010 (nicht: 2011) zum Inhalt der Äußerungen ihrer Vertreter zu hören. Die Beklagte zeigt nicht auf, wo genau ihr vermeintlich übergangener Beweisantritt in den vorinstanzlichen Schriftsätzen zu finden sein soll und auf welchen dort gehaltenen Vortrag er sich bezieht.
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(b) Die weiteren Angriffe der Revision sind - ihre Zulässigkeit unterstellt - unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat unterstellt, dass die Klägerin noch im Gespräch vom 2. Juli 2010 an ihren Anschuldigungen gegenüber dem Filialleiter festgehalten hat. Den Inhalt der Stellungnahmen der Mitarbeiterin K hat es für unstreitig erachtet. Es brauchte deshalb den vermeintlich übergangenen Beweisantritten nicht nachzugehen.
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(3) Dem Berufungsurteil sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen wäre, die Klägerin habe objektiv die Möglichkeit gehabt zu beobachten, ob der Filialleiter eine Überprüfung der Echtheit der Personalausweise mittels UV-Lampe vorgenommen habe. Ebenso wenig enthält es tatbestandliche Feststellungen, die den Ausführungen der Beklagten zu einem Aufenthalt der Klägerin und ihrer Kolleginnen im Sozialraum während der Mittagspause widersprechen. Soweit die Beklagte beanstandet, entgegen den Feststellungen im Berufungsurteil habe ihr Filialleiter seinen Urlaub nicht am 23. März 2010, sondern bereits am 22. März 2010 angetreten, fehlt es an der Darlegung, wo genau der betreffende Vortrag zu finden sein soll. Darüber hinaus fehlt es - auch unter Berücksichtigung der offenbar postalisch erfolgten Übermittlung der „Anzeige“ der Klägerin vom 22. März 2010 - an der Darlegung, inwieweit der Zeitpunkt des Urlaubsantritts entscheidungserheblich war. Aus diesen Gründen greift auch die Erwägung der Beklagten nicht, bei Urteilszustellung binnen der Dreimonatsfrist des § 320 Abs. 2 Satz 3 ZPO wäre ein Antrag auf Tatbestandsberichtigung möglich gewesen.
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6. Das Landesarbeitsgericht hat nicht näher geprüft, ob die Klägerin, auch wenn sie nicht bewusst falsche Tatsachenbehauptungen aufgestellt haben mag, ihre arbeitsvertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB)dadurch verletzt hat, dass sie ihre Anschuldigungen nicht vorsichtiger vorgebracht, sondern ohne weitere Prüfung die rechtliche Schlussfolgerung eines „schweren und vorsätzlichen Verstoßes“ gegen Sicherheitsrichtlinien und ggf. „gesetzliche Richtlinien“ gezogen hat. Ebenso wenig hat es sich auf der ersten Prüfungsstufe des wichtigen Grundes mit der Frage befasst, ob die Klägerin ihre „Anzeige“ in der vorrangigen Absicht erstattet hat, ihrem Vorgesetzten zu schaden oder sich an diesem für die aus ihrer Sicht unberechtigten Abmahnungen zu rächen. Für eine solche Motivation könnte der Umstand sprechen, dass sie nicht das Gespräch mit dem Filialleiter gesucht hat. Überdies lassen ihre Ausführungen in der E-Mail vom 28. Juni 2010 eine erhebliche Belastungstendenz erkennen. Es erscheint nicht ausgeschlossen, in einem solchen Verhalten „an sich“ einen wichtigen Grund zur Kündigung zu erkennen.
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a) Im Fall der Erstattung von Anzeigen bei Strafverfolgungsbehörden oder anderen zuständigen Stellen („Whistleblowing“) ist eine vertragswidrige Pflichtverletzung nicht stets schon dann zu verneinen, wenn der Arbeitnehmer die Anzeige erstattet, ohne dabei wissentlich oder leichtfertig falsche Angaben zu machen (BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 400/05 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 55 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 70; 3. Juli 2003 - 2 AZR 235/02 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 107, 36). Eine Anzeige kann unabhängig vom Nachweis der mitgeteilten Verfehlung und ihrer Strafbarkeit ein Grund zur Kündigung sein, wenn sie sich als eine unverhältnismäßige Reaktion auf das Verhalten des Arbeitgebers oder eines seiner Repräsentanten darstellt. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, nach der Strafanzeigen gegen den Arbeitgeber mit dem Ziel, Missstände in Unternehmen oder Institutionen offenzulegen, grundsätzlich in den Anwendungsbereich des Art. 10 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten fallen(EGMR 21. Juli 2011 - 28274/08 - [Heinisch] Rn. 63 ff., AP BGB § 626 Nr. 235 = EzA BGB 2002 § 626 Anzeige gegen Arbeitgeber Nr. 1), schließt eine solche Bewertung nicht generell aus.
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b) Es spricht einiges dafür, diese Grundsätze sinngemäß auf den Bereich innerbetrieblicher „Anzeigen“ zu übertragen. Auch unterhalb der Schwelle eines strafbaren Verhaltens muss ein Arbeitnehmer bei der Mitteilung vermeintlicher Missstände im Betrieb angemessen auf Persönlichkeitsrechte seiner Arbeitskollegen und Vorgesetzten Rücksicht nehmen. Das folgt schon aus dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers an der Wahrung des Betriebsfriedens.
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c) Die damit zusammenhängenden tatsächlichen und rechtlichen Fragen bedürfen im Streitfall keiner vertieften Erörterung. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die fristlose Kündigung erweise sich zumindest im Rahmen einer ggf. vorzunehmenden Einzelfallbeurteilung und Interessenabwägung als nicht gerechtfertigt. Das hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
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aa) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (st. Rspr., zuletzt bspw. BAG 19. Juli 2012 - 2 AZR 989/11 - Rn. 43, NZA 2013, 143; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 26, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36).
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bb) Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - aaO; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33). Als mildere Mittel gegenüber der außerordentlichen Kündigung sind - neben der hier ausgeschlossenen ordentlichen Kündigung - auch Abmahnung und Versetzung anzusehen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO; 30. Mai 1978 - 2 AZR 630/76 - BAGE 30, 309). Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung künftiger Störungen - zu erreichen. Einer Abmahnung bedarf es demnach nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 22 mwN, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 40; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 35 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37).
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cc) Dem Berufungsgericht kommt bei der Einzelfallprüfung und Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz daraufhin überprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 16, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 39; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 29, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, BAGE 134, 349). Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist dann möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - aaO; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 33, aaO). Daran gemessen liegt kein Abwägungsfehler des Landesarbeitsgerichts vor. Es hat die Kündigung - hinsichtlich beider Kündigungssachverhalte - als unverhältnismäßig angesehen. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die Klägerin vorrangig abzumahnen. Damit hat das Landesarbeitsgericht seinen Beurteilungsspielraum nicht verletzt. Die in Rede stehenden Pflichtverletzungen der Klägerin wiegen nicht so schwer, dass eine Abmahnung entbehrlich gewesen wäre. Ebenso wenig liegen Umstände vor, die zu der Annahme berechtigten, auch ohne Abmahnung sei von einer negativen Zukunftsprognose auszugehen.
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(1) Den Nachweis falscher Tatsachenbehauptungen hat die Beklagte nicht geführt. Die Anschuldigungen der Klägerin betreffend ein pflichtwidriges Verhalten des Filialleiters mögen auf „dürftigen“ Verdachtsmomenten beruht haben. Gleichwohl hat die Klägerin sie nicht „ins Blaue hinein“ erhoben. Ihre Pflicht zur Diskretion hat sie zumindest insofern gewahrt, als sie sich an die „Zentrale Revision“ der Beklagten gewandt hat. Selbst wenn die Klägerin - weil sie eine Pflichtverletzung allenfalls vermuten konnte - lediglich einen Verdacht hätte äußern dürfen, musste sie doch ihre Bedenken gegen ein ordnungsgemäßes Verhalten des Filialleiters nicht vollkommen zurückstellen. Einer damit möglicherweise verbundenen Pflichtverletzung der Klägerin hätte mit einer Abmahnung erfolgversprechend begegnet werden können. Das gilt auch dann, wenn der „Anzeige“ sachfremde Motive der Klägerin zugrunde gelegen haben sollten. Daraus folgt für sich genommen nicht, dass sie sich eine Abmahnung nicht hätte zur Warnung gereichen lassen, um künftig zurückhaltender vorzugehen und ggf. genauer zwischen eigenen Beobachtungen und subjektiven Schlussfolgerungen zu unterscheiden. Dies vermag der Senat, sollte das Landesarbeitsgericht diesen Aspekt bei seiner Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht genügend berücksichtigt haben, selbst zu entscheiden.
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(2) Eine Abmahnung war auch nicht mit Blick auf die Behauptung der Klägerin entbehrlich, ihr sei im Personalgespräch vom 2. Juli 2010 eine Strafanzeige wegen übler Nachrede angedroht worden. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Klägerin das ihr von den Vorinstanzen zugutegehaltene Missverständnis bei genauerer Prüfung hätte vermeiden können. Ihr Irrtum wäre auch dann nicht bedeutungslos (vgl. dazu BAG 14. Februar 1996 - 2 AZR 274/95 - zu II 4 der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 26 = EzA BGB § 626 nF Nr. 160). Überdies hat die Klägerin mit ihrer E-Mail vom 6. Juli 2010 eine gewisse Einsicht gezeigt. Dass das Arbeitsverhältnis vor diesem Hintergrund durch das in Rede stehende Fehlverhalten so stark belastet wäre, dass eine Wiederherstellung des Vertrauens in ein künftig redliches Vorgehen der Klägerin selbst nach einer Abmahnung ausgeschlossen erschiene, ist nicht erkennbar.
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(3) Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass die Klägerin ihre Stellungnahme vom 4. Juli 2010 Personen zugänglich gemacht hat, die an dem vorhergehenden Personalgespräch nicht beteiligt waren. Unabhängig davon, ob darin eine Pflichtverletzung liegt, steht auch dies einem Abmahnungserfordernis nicht entgegen. Die Beklagte beruft sich auf eine tiefgreifende Störung des Betriebsfriedens. Den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zufolge hat sie es aber versäumt aufzuzeigen, dass eine entsprechende Störung tatsächlich eingetreten wäre. Dessen hätte es bedurft, da die Darlegung der bloßen Möglichkeit einer Störung eine verhaltensbedingte Kündigung nicht zu rechtfertigen vermag (vgl. BAG 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - Rn. 71 mwN, AP BGB § 123 Nr. 69 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 10). Soweit die Beklagte demgegenüber geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe Vorbringen übergangen, zeigt sie nicht auf, wo genau sie welchen entscheidungserheblichen Vortrag zu einer konkreten Störung des Betriebsfriedens geleistet haben will. Soweit sie einen richterlichen Hinweis vermisst, fehlt es an der Darlegung, was sie hierauf Entscheidungserhebliches vorgetragen hätte. Schon aus diesen Gründen bleiben ihre Verfahrensrügen erfolglos.
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(4) Eine einschlägige Abmahnung liegt nicht vor. Die in der Personalakte verbliebene Abmahnung aus dem Jahr 2009 hatte - soweit ersichtlich - ein verspätetes Erscheinen der Klägerin zu einem Personalgespräch zum Gegenstand.
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(5) Erweist sich die Kündigung wegen Fehlens einer Abmahnung als unverhältnismäßig, kann offenbleiben, ob die Beklagte vorrangig auch eine Versetzung der Klägerin hätte in Betracht ziehen müssen, wie das Landesarbeitsgericht gemeint hat. Einer Auseinandersetzung mit den hiergegen gerichteten Revisionsrügen bedarf es nicht.
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II. Die hilfsweise zum 31. März 2011 erklärte außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist ist gleichfalls unwirksam. Auch insoweit fehlt es an einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB iVm. § 17 Ziff. 3 Abs. 1 MTV. Das Landesarbeitsgericht geht fehlerfrei davon aus, dass es dem Gebot der Verhältnismäßigkeit entsprochen hätte, die Klägerin vor Ausspruch einer Kündigung abzumahnen. Ohne eine solche Warnung war es der Beklagten nicht - weder bis zum Ablauf einer (fiktiven) ordentlichen Kündigungsfrist noch auf Dauer - unzumutbar, das Arbeitsverhältnis mit ihr fortzusetzen. Schon aus diesem Grund kann auch eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist keinen Bestand haben (zur Problematik: vgl. BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 343/11 - Rn. 18, 20, NZA 2013, 224).
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III. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
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Berger
Rinck
Rachor
Gans
Pitsch
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
Tenor
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Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 19. August 2009 - 2 Sa 40/09 - wird zurückgewiesen.
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Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
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Der Streitwert wird auf 10.320,00 Euro festgesetzt.
Gründe
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A. Die Parteien streiten über eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung und die Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung des Klägers abgeändert, der Kündigungsschutzklage stattgegeben und den Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde, die sie auf die grundsätzliche Bedeutung von Rechtsfragen, die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör und Divergenz stützt.
- 3
-
B. Die Beschwerde ist erfolglos.
- 4
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I. Die Voraussetzungen einer Grundsatzbeschwerde sind nicht erfüllt.
- 5
-
1. Nach § 72a Abs. 1 iVm. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kann eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision darauf gestützt werden, dass das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen hat, obwohl dessen Urteil eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Das setzt voraus, dass die Klärung der Rechtsfrage entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt (BAG 26. September 2000 - 3 AZN 181/00 - zu II 2 der Gründe, BAGE 95, 372). Eine Rechtsfrage ist eine Frage, die die Wirksamkeit, den Geltungsbereich, die Anwendbarkeit oder den Inhalt einer Norm zum Gegenstand hat (Senat 23. Januar 2007 - 9 AZN 792/06 - Rn. 5, BAGE 121, 52).
- 6
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2. Diese Erfordernisse sind nicht gewahrt.
-
a) Die Beklagte meint, das anzufechtende Urteil werfe die Fragen auf,
-
„ob eine Beweiserhebung zulässig ist und nach dem Tod eines potentiell Erkrankten - auch ohne dessen Einwilligung - die ärztlichen Unterlagen bzw. Aussagen der ihn behandelnden Ärzte entgegen der gebotenen Schweigepflicht verwertet werden können und dürfen;
ob der Grundsatz, der Kündigende müsse die Entschuldigungsgründe des Gekündigten widerlegen, uneingeschränkt gilt oder dieser Grundsatz erst dann greift, wenn ein konkreter, substantieller Sachvortrag des Gekündigten erfolgt, der konkret seitens des Kündigenden einlassungsfähig und konkret einlassbar ist“.
- 8
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b) Beide Fragen sind nicht klärungsbedürftig.
- 9
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aa) Eine Rechtsfrage ist klärungsbedürftig, wenn sie höchstrichterlich noch nicht entschieden und ihre Beantwortung nicht offenkundig ist (vgl. BAG 2. Oktober 2007 - 1 AZN 793/07 - Rn. 5, AP BetrVG 1972 § 75 Nr. 52 = EzA BetrVG 2001 § 75 Nr. 6). Sie ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie so einfach zu beantworten ist, dass unterschiedliche Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte nicht zu erwarten sind (Senat 15. Februar 2005 - 9 AZN 982/04 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 113, 321).
- 10
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bb) Die Beantwortung der ersten Frage ist offenkundig.
- 11
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(1) Die Beschwerde formuliert mit der Frage nach der prozessualen Verwertbarkeit ärztlicher Aussagen oder Unterlagen ohne sog. Einwilligung des Verstorbenen eine klärungsfähige Rechtsfrage, die fallübergreifend mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden kann. Die nötige Konkretisierung der Rechtsfrage schließt eine differenzierte Fragestellung nicht aus. Unzulässig ist nur eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt und damit auf die Antwort „Kann sein“ hinausläuft (Senat 23. Januar 2007 - 9 AZN 792/06 - Rn. 6, BAGE 121, 52).
- 12
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(2) Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage bisher nicht beantwortet. Die Frage ist jedoch einfach zu beantworten und damit nicht klärungsbedürftig. Ärztliche Aussagen oder Unterlagen dürfen grundsätzlich nicht ohne Einverständnis des Verstorbenen verwertet werden. Anderes gilt ausnahmsweise, wenn Auskunft, Einsicht und Verwertung dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen entsprechen. Davon ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen.
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(a) Die Verschwiegenheitspflicht des Arztes gilt über den Tod des Patienten hinaus. Sie darf gegenüber nahen Angehörigen nur ausnahmsweise und lediglich im vermuteten Einverständnis des Patienten gebrochen werden, soweit einer ausdrücklichen Befreiung Hindernisse entgegenstehen. Dabei muss sich der Arzt die Überzeugung verschafft haben, dass der Patient vor diesen Angehörigen keine Geheimnisse über seinen Gesundheitszustand haben will oder ohne die seiner Entscheidung entgegenstehenden Hindernisse hätte haben wollen. Auch gegenüber Erben des Verstorbenen, deren Interesse an der Auskunft oder Einsicht eine vermögensrechtliche Komponente haben kann, hat der ausdrückliche oder mutmaßliche Wille des Verstorbenen Vorrang. Nur der behandelnde Arzt kann entscheiden, ob seine Schweigepflicht zu wahren ist oder nicht. Er hat insbesondere darauf abzustellen, welche Geheimhaltungswünsche dem Verstorbenen angesichts der durch seinen Tod veränderten Sachlage unterstellt werden müssen. Der behandelnde Arzt ist in der Frage des Auskunfts- und Einsichtsrechts gewissermaßen die letzte Instanz (vgl. BGH 31. Mai 1983 - VI ZR 259/81 - zu II 3 b, c, f und g der Gründe, NJW 1983, 2627; siehe auch OLG München 9. Oktober 2008 - 1 U 2500/08 - zu A I und III der Gründe, VersR 2009, 982). Bedenken, die es geboten erscheinen ließen, diese Rechtsprechung zu überdenken, bestehen nicht.
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(b) Diese für das Einsichtsrecht naher Angehöriger des Verstorbenen entwickelten allgemeinen Grundsätze gelten auch für die Auskunft des behandelnden Arztes und die Einsicht in die Patientenunterlagen im Rahmen der Erhebung eines Sachverständigenbeweises in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren. Besonderheiten des Arbeitslebens, die eine Ausnahme rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
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cc) Als zweite klärungsbedürftige Frage bezeichnet die Beschwerde das Maß der Substantiierung der sog. Entschuldigungsgründe, das erforderlich ist, um die Beweislast des Arbeitgebers für ihr Fehlen auszulösen. Diese Frage ist nicht mehr klärungsbedürftig. Sie ist bereits von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beantwortet.
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(1) Der Kündigende ist nach der ständigen Rechtsprechung des Zweiten Senats darlegungs- und beweispflichtig für alle Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein können. Ihn trifft auch die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die die Handlung des Arbeitnehmers als gerechtfertigt erscheinen lassen. Dabei braucht der Arbeitgeber allerdings nicht von vornherein alle nur denkbaren Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe des Arbeitnehmers zu widerlegen. Vielmehr ist der Arbeitnehmer im Rahmen einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast gehalten, die Gründe, aus denen er die Berechtigung für sein Verhalten herleitet, so konkret vorzutragen, dass dies dem Arbeitgeber die Überprüfung der Angaben und - wenn er sie für unrichtig hält - auch einen erforderlichen Beweisantritt ermöglicht (vgl. nur BAG 28. August 2008 - 2 AZR 15/07 - Rn. 23, AP BGB § 626 Nr. 214 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 22).
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(2) Der Senat kann deshalb offenlassen, ob das anzufechtende Urteil die von der Beschwerde formulierte Frage überhaupt aufwirft und sie gelöst von den Umständen des Einzelfalls beantwortet werden kann.
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II. Die Rügen, mit denen die Beklagte geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, sind teils unbegründet, im Übrigen unzulässig.
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1. Die Beklagte beanstandet, das Landesarbeitsgericht habe ihren Beweisantritt mit einem Sachverständigengutachten zu der Behauptung, der verstorbene Vater des Klägers habe Fahrten mit dem geleasten Fahrzeug wegen seines Gesundheitszustands nicht durchführen können, übergangen. Diese Rüge ist in der Sache erfolglos.
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a) Nach § 72a Abs. 1 iVm. § 72 Abs. 2 Nr. 3 2. Alt. ArbGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt werden, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt und darauf beruhe die anzufechtende Entscheidung. Ob der übergangene Beweisantritt entscheidungserheblich ist, richtet sich nach den vom Landesarbeitsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen und seinen rechtlichen Ausführungen. Es genügt, wenn der Schluss gerechtfertigt ist, dass das Berufungsgericht bei richtigem Verfahren möglicherweise anders entschieden hätte (vgl. Senat 10. Mai 2005 - 9 AZN 195/05 - zu II 2 der Gründe, BAGE 114, 295).
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b) Nach diesen Maßstäben verletzt das Berufungsurteil den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör nicht.
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aa) Auf die von einer Partei beantragte Beweiserhebung darf regelmäßig nur verzichtet werden, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist, die umstrittene Tatsache zugunsten des Beweisführers als wahr unterstellt werden kann, das Beweismittel unerreichbar, unzulässig oder absolut untauglich ist (vgl. BFH 16. November 2005 - VI R 71/99 - zu II 1 der Gründe, NVwZ-RR 2008, 71). Das Gericht ist nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO in der Überzeugungsbildung bei der Beweiswürdigung frei, nicht jedoch in der Beweiserhebung. Ist eine entscheidungserhebliche Frage streitig, sind die hierfür angebotenen Beweise zu erheben, wenn sie zur Beweisführung zulässig, geeignet und von der beweisbelasteten Partei angeboten sind (siehe Zöller/Greger ZPO 28. Aufl. § 286 Rn. 12).
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bb) Das Landesarbeitsgericht hat keinen aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Beweisantritt übergangen.
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(1) Das Berufungsgericht hat vielmehr angenommen, der Beweisantritt der Beklagten sei untauglich. Das im Einzelfall bestehende Recht der Erben zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht gehe nur im Einzelfall auf die Erben über, wenn die „Einwilligung“ dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen entspreche. Dafür hätten keine Anhaltspunkte bestanden.
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(2) Der Senat darf als Beschwerdegericht nicht überprüfen, ob die Auffassung des Landesarbeitsgerichts zu der Frage der Beweiserheblichkeit zutrifft oder die Frage des mutmaßlichen Einverständnisses des Verstorbenen der Beurteilung des behandelnden Arztes überlassen bleiben muss. Das Berufungsgericht hat sich mit der Frage der Beweiserheblichkeit argumentativ auseinandergesetzt und sie verneint. Das schließt eine Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör aus. Die Beschwerde macht letztendlich einen Rechtsanwendungsfehler geltend. Die angestrebte Rechtsfehlerkontrolle ist kein Grund für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG. Sie setzt eine zugelassene Revision voraus.
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2. Die weitere Rüge der Beklagten, ihr sei trotz ihres Antrags im Berufungstermin keine Möglichkeit gegeben worden, den Sachverhalt hinsichtlich des Strafurteils zu klären, zu verifizieren und sich hierzu im Einzelnen zu erklären, wird den formellen Erfordernissen des § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 2. Alt. ArbGG nicht gerecht.
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a) Die Beschwerde legt bereits nicht dar, aus welchen Gründen es für die in der Berufungsverhandlung anwaltlich, also fachkundig vertretene Beklagte unzumutbar war, auf die Hinweise des Landesarbeitsgerichts sofort - ggf. nach Unterbrechung der Verhandlung - zu reagieren. Die auf mangelnde Aufklärung gestützte Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dient nicht dazu, Vorbringen zu ersetzen, das einer fachkundig vertretenen Partei in der Berufungsinstanz möglich gewesen wäre (vgl. Senat 20. Mai 2008 - 9 AZN 1258/07 - Rn. 26 f. mwN, BAGE 126, 346).
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b) Hinzu kommt, dass die Beklagte den aus ihrer Sicht noch zu haltenden Vortrag zum Freispruch im Strafverfahren in der Beschwerdebegründung nicht nachholt. Wer die Verletzung der Aufklärungspflicht des Gerichts und damit die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG rügt, muss im Einzelnen angeben, welche Tatsachen er vorgebracht hätte, wenn ihm eine Schriftsatzfrist zum ergänzenden Vortrag eingeräumt worden wäre. Das zunächst unterbliebene Vorbringen muss spätestens in der Begründungsfrist vollständig nachgeholt werden. Nur dann lässt sich absehen, ob die Einräumung des Schriftsatzrechts zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (vgl. zu dem ähnlich gelagerten Fall eines durch Verfahrensrüge im Revisionsverfahren beanstandeten Verstoßes gegen die allgemeine Hinweispflicht aus § 139 ZPO BAG 19. Januar 2006 - 6 AZR 600/04 - Rn. 22 mwN, BAGE 117, 14).
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III. Die Beschwerde legt schließlich keine Divergenz dar (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG).
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1. Nach § 72a Abs. 1 iVm. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG ist die Revision auf die Beschwerde der unterlegenen Partei zuzulassen, wenn das anzufechtende Urteil von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder eines anderen der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten Gerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Diesen Anforderungen ist nur genügt, wenn der Beschwerdeführer im Einzelnen ausführt, welche divergierenden abstrakten, dh. fallübergreifenden Rechtssätze das anzufechtende und das herangezogene Urteil zu einer bestimmten Rechtsfrage aufgestellt haben. Die beiden aus Sicht des Beschwerdeführers divergierenden Rechtssätze müssen bezeichnet werden (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG). Daneben ist aufzuzeigen, dass das anzufechtende Urteil auf dem abweichenden Rechtssatz beruht (st. Rspr., vgl. BAG 15. September 2004 - 4 AZN 281/04 - zu II 2.1 der Gründe, BAGE 112, 35). In der Beschwerdebegründung ist darzulegen, dass diese Erfordernisse gewahrt sind. Vermeintliche Rechtsfehler können nicht berücksichtigt werden. Sie dürfen nur im Rahmen einer zugelassenen Revision überprüft werden. Zulassungsgrund ist die entscheidungserhebliche Abweichung im Rechtssatz.
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2. Diesen Erfordernissen genügt die Beschwerde nicht.
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a) Die Beklagte entnimmt dem Berufungsurteil die Aussage:
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„Erst nach der Kündigung entstehende Tatsachen bleiben hingegen grundsätzlich unberücksichtigt.“
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b) Dem stellt die Beschwerde die Erwägung einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23. Juni 2005 (- 2 AZR 256/04 - zu II 2 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 52) gegenüber:
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„Für die Frage der Rechtswirksamkeit der Kündigung … ist entscheidend, ob Umstände vorliegen, die im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung die Kündigung als wirksam erscheinen lassen. Es ist eine rückschauende Bewertung dieser Gründe vorzunehmen, später eingetretene Umstände sind grundsätzlich nicht mehr einzubeziehen.“
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c) Die Beschwerde ist der Ansicht, das Bundesarbeitsgericht habe die soeben wiedergegebene Aussage in einem späteren Beschluss vom 28. Juli 2009 (- 3 AZN 224/09 - Rn. 9 f., EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 74) durch folgende Ausführungen relativiert:
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„Damit (mit dem vorzitierten Rechtssatz) hat sich das Bundesarbeitsgericht ganz allgemein mit der Frage des maßgeblichen Zeitpunkts auseinandergesetzt und diesbezüglich lediglich einen (ausnahmefähigen) Grundsatz aufgestellt, ohne Aussagen darüber zu treffen, in welchen Fällen Ausnahmen möglich sind und ob diese sich bei der Prognoseentscheidung oder aber bei der Interessenabwägung auswirken können.“
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d) Damit zeigt die Beklagte keine Divergenz auf. Die Aussagen, die die Beschwerde der anzufechtenden Entscheidung und dem herangezogenen Urteil des Zweiten Senats vom 23. Juni 2005 (- 2 AZR 256/04 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 52) entnimmt, decken sich. Die dem Beschluss des Dritten Senats vom 28. Juli 2009 (- 3 AZN 224/09 - EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 74) entnommene Aussage ist dagegen schon nach den Darlegungen der Beschwerde kein Rechtssatz.
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aa) Ein Rechtssatz ist nur dann aufgestellt, wenn das Gericht seiner Subsumtion einen Obersatz voranstellt, der über den Einzelfall hinaus Geltung für vergleichbare Sachverhalte beansprucht. Diese Voraussetzungen sind nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG in der Beschwerdebegründung darzulegen (Senat 1. März 2005 - 9 AZN 29/05 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 114, 57).
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bb) Der Beschluss des Dritten Senats vom 28. Juli 2009 (- 3 AZN 224/09 - EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 74) trifft selbst keine Aussage darüber, ob und wann Ausnahmen von dem Grundsatz gelten, dass Umstände nach Zugang der Kündigung nicht herangezogen werden können, um die Kündigung zu rechtfertigen. Die Entscheidung begründet mit diesem Klärungsbedarf lediglich die Zulassung der Revision. Auf diese Frage beruft sich die Beklagte nicht. Sie nimmt vielmehr das mit Blick auf die Zulassung der Revision durch den Dritten Senat zu erwartende Urteil des Zweiten Senats vorweg und meint, jedenfalls im Ausnahmefall könnten auch nachträglich eintretende Umstände berücksichtigt werden. Der Senat darf im Beschwerdeverfahren nicht überprüfen, ob das Berufungsurteil an dem von der Beklagten angenommenen Rechtsanwendungsfehler leidet.
-
C. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Beschwerde zu tragen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.
-
Düwell
Krasshöfer
Gallner
Furche
Pielenz
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
Tenor
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1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. November 2010 - 7 Sa 1052/09 - aufgehoben.
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2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, verhaltensbedingten Kündigung.
- 2
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Der 1969 geborene, ledige Kläger war seit dem 1. August 1985 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Seit dem 1. August 2008 war er in dem Ressort „OnSiteService“ (OSS) W, Team R, als Kundendiensttechniker im Außendienst im Einsatz. Er bezog zuletzt ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 3.000,00 Euro.
- 3
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Dem Kläger stand als alleinigem Nutzer ein Dienstfahrzeug ausschließlich zu dienstlichen Zwecken zur Verfügung. Er war angewiesen, vor Urlaubsantritt oder bei Arbeitsunfähigkeit den Fahrzeugschlüssel und das Fahrtenbuch im Betrieb abzugeben. Weil er dem anlässlich einer Arbeitsunfähigkeit und eines Urlaubs in der Zeit vom 19. November 2002 bis zum 25. Februar 2003 nicht nachgekommen war, mahnte die Rechtsvorgängerin der Beklagten ihn ab und sprach im Februar 2003 eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung aus. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage hatte Erfolg. Die Beklagte vermochte nicht zu beweisen, dass das Abmahnungsschreiben dem Kläger vor Ausspruch der Kündigung zugegangen war.
- 4
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Vor dem Antritt eines Urlaubs Ende Oktober 2008 hatte der Kläger den Schlüssel des Dienstfahrzeugs und das Fahrtenbuch erneut nicht im Betrieb hinterlegt. In einem Gespräch im November 2008 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass durch sein Fehlverhalten ein einem anderen Ressort zugeordneter Parkplatz in der Tiefgarage über drei Wochen lang durch sein Fahrzeug belegt gewesen sei. Die Beklagte wies den Kläger an, seine Fahrtenbuchmappe inklusive Tankkarte und Fahrzeugschlüssel ab sofort abends in seinem Fach zu hinterlegen sowie sich bei seinem Vorgesetzten bei Arbeitsbeginn an- und bei Arbeitsende abzumelden.
- 5
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Mit Schreiben vom 29. Januar 2009 ermahnte die Beklagte den Kläger nochmals, die Anweisungen einzuhalten. Gleichzeitig kündigte sie an, weitere arbeitsrechtliche Schritte einzuleiten, wenn bis zum 15. Februar 2009 keine Besserung erkennbar sei und er die Anweisungen weiterhin missachte. Der Kläger erhielt das Schreiben am 6. Februar 2009 von seinem Vorgesetzten. Am selben Abend nahm er die Kfz-Utensilien nach einer Spätschicht mit nach Hause. Der Vorgesetzte war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Betrieb anwesend. Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem Kläger ein Fach zur Verfügung stand, in dem er die Fahrzeugschlüssel hätte hinterlegen können.
- 6
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Vom 9. Februar 2009 an war der Kläger krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Ausweislich einer Aufstellung der Krankenkasse war er im Zeitraum vom 9. Februar 2009 bis zum 7. März 2009 aufgrund einer Gastritis sowie vom 9. bis 17. März 2009 an einer „sonstigen depressiven Episode“ erkrankt. Ab dem 17. März 2009 behandelte ihn der Psychiater Dr. L, der ihm ebenfalls eine „sonstige depressive Episode“ bescheinigte. In einem Attest seiner Hausärztin vom 1. Oktober 2010 heißt es, beim Kläger bestünden seit Jahren „massive Beschwerden vom Magen sowie von der Psyche her“. Insbesondere in der Zeit vom 9. Februar 2009 bis zum 7. März 2009 habe er unter Magenschmerzen, Tendenz zu sozialem Rückzug, Antriebsstörungen und Vermeidungshaltungen gelitten.
- 7
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Der Kläger zeigte seine Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht nahtlos an. Am 20. Februar 2009 versandte er per Einschreiben einen Brief mit ärztlichen Attesten für die Zeit vom 9. bis 21. Februar 2009. Dieser ging am Montag, dem 23. Februar 2009, bei der Beklagten ein. Am diesem Tag hatte der Kläger dienstfrei. Am 24. Februar 2009 rief er gegen 8:30 Uhr den Sachbearbeiter Einsatzsteuerung an und teilte ihm mit, nochmals einen Arzt aufsuchen zu wollen. Am späten Abend des Tages informierte er seinen Vorgesetzten per E-Mail darüber, dass seine Krankmeldung bis zum 28. Februar 2009 verlängert worden sei und er sie zu Händen einer Mitarbeiterin nach H geschickt habe.
- 8
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Der Kläger gab während seiner Erkrankung die Fahrzeugutensilien weder heraus, noch teilte er der Beklagten mit, wo sie sich befänden und wie eine Herausgabe sichergestellt werden könne. Den auf seinem Diensthandy hinterlassenen Rückrufbitten der Beklagten kam er nicht nach.
- 9
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Mit Schreiben vom 16. Februar 2009 und 18. Februar 2009 mahnte die Beklagte den Kläger wegen unzureichender Anzeige und fehlenden Nachweises seiner Arbeitsunfähigkeit sowie wegen mangelnder Herausgabe der Utensilien für das Dienstfahrzeug ab. Die Abmahnungen wurden am 17. Februar 2009 um 12:55 Uhr bzw. am 18. Februar 2009 um 16:45 Uhr in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen. Im Schreiben vom 16. Februar 2009 forderte die Beklagte den Kläger ua. auf, die Utensilien für das Dienstfahrzeug spätestens am 18. Februar 2009 abzugeben. Sollte er wegen Arbeitsunfähigkeit an der Abgabe der Gegenstände gehindert sein, habe er spätestens am 18. Februar 2009 mitzuteilen, wo sich die Gegenstände befänden, und eine Herausgabe sicherzustellen. Die Abmahnung vom 18. Februar 2009 enthielt eine entsprechende „letztmalige“ Aufforderung, dem spätestens bis zum Morgen des 20. Februar 2009 nachzukommen.
- 10
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Mit Schreiben vom 2. März 2009 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu ihrer Absicht an, das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zu kündigen. Der Betriebsrat widersprach dem.
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Mit Schreiben vom 9. März 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 31. Oktober 2009.
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Der Kläger hat gegen die Kündigung rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat behauptet, er habe in der Zeit vom 9. Februar 2009 bis 7. März 2009 an einer Tendenz zu sozialem Rückzug, Antriebsstörungen und Vermeidungshaltungen gelitten. Er habe sich in einer akuten depressiven Episode befunden, die durch völlige Antriebsschwäche gekennzeichnet gewesen sei. Aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigung sei er nicht in der Lage gewesen, wie von ihm verlangt zu handeln. Er sei der einzige Mitarbeiter, der jeden Abend die Kfz-Utensilien abgeben müsse. Alle anderen Kollegen dürften die Fahrzeuge mit nach Hause nehmen und für den Weg zur Dienststelle kostenfrei nutzen. Da das Fahrzeug ausschließlich von ihm genutzt werde, sei der Beklagten kein Nachteil entstanden. Die Beklagte habe auch längst einen Ersatzschlüssel anfertigen lassen können. Die Abmahnungen vom 16. und 18. Februar 2009 habe er erst am 21. Februar 2009 aus seinem Hausbriefkasten entnommen. Zudem lägen keine schwerwiegenden Pflichtverstöße vor, so dass die Kündigung unter Berücksichtigung seiner 24-jährigen Betriebszugehörigkeit sozial nicht gerechtfertigt sei. Wahrer Hintergrund für die Kündigung sei seine schwere Erkrankung, die zu häufigen Ausfallzeiten führe.
-
Der Kläger hat beantragt
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 9. März 2009 nicht mit Ablauf des 31. Oktober 2009 aufgelöst worden ist.
- 14
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe bewusst und beharrlich gegen ihm erteilte Weisungen verstoßen. Er sei offensichtlich nicht bereit, berechtigten Forderungen nachzukommen. Eine Beschäftigung im Innendienst sei nicht möglich, weil der Kläger vor einiger Zeit unter Vorlage eines betriebsärztlichen Attests die Beschäftigung im Außendienst verlangt habe. Zudem bestehe im Innendienst kein geeigneter freier Arbeitsplatz. Da sich der Kläger trotz Ermahnung und Abmahnungen weiterhin pflichtwidrig verhalten habe, sei für die Zukunft mit erneuten gleichartigen Pflichtverstößen zu rechnen. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihr nicht mehr zumutbar. Für eine Erkrankung, die ein schuldhaftes Verhalten des Klägers ausschließe, lägen keine ausreichenden Anhaltspunkte vor.
-
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
- 16
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Die Revision ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Klage nicht abweisen (I.). Die Sache ist nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif (§§ 561, 563 Abs. 3 ZPO). Ob die Kündigung vom 9. März 2009 gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt ist, steht noch nicht fest(II.). Die Kündigung ist nach den bisherigen Feststellungen jedenfalls nicht gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG rechtsunwirksam(II.).
- 17
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I. Das Landesarbeitsgericht durfte aufgrund seiner bisherigen Feststellungen nicht annehmen, die Kündigung vom 9. März 2009 sei iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt.
- 18
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1. Das Landesarbeitsgericht unterstellt die Anwendbarkeit von § 1 KSchG, ohne Feststellungen zur Betriebsgröße nach § 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 KSchG getroffen zu haben. Dies wird es im Fall des Fehlens einer sozialen Rechtfertigung nachzuholen haben.
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2. Die Begründung des Berufungsurteils hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
- 20
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a) Eine Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile angemessen erscheint (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 34, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 12, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 62 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 78). Ein nachhaltiger Verstoß des Arbeitnehmers gegen berechtigte Weisungen des Arbeitgebers stellt eine Vertragspflichtverletzung dar, die eine Kündigung zu rechtfertigen vermag (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 282/10 - Rn. 12, AP BGB § 626 Nr. 233 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 34; 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - Rn. 20, AP BGB § 626 Nr. 230 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 31; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 459 mwN). Ebenso kann eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gemäß § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers eine Kündigung rechtfertigen(vgl. zu § 626 Abs. 1 BGB: BAG 24. März 2011 - 2 AZR 282/10 - aaO; 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - aaO).
- 21
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b) Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob eine verhaltensbedingte Kündigung unter besonderen Umständen auch dann berechtigt sein kann, wenn das Verhalten dem Arbeitnehmer nicht vorwerfbar ist (vgl. bejahend APS/Dörner 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 276; Liebscher in Thüsing/Laux/Lembke 2. Aufl. KSchG § 1 KSchG Rn. 371; Linck in v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 475; differenzierend: MünchKommBGB/Hergenröder 5. Aufl. § 1 KSchG Rn. 193; ablehnend: HaKo/Fiebig 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 224; KR/Griebeling 9. Aufl. § 1 KSchG Rn. 395; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 1 Rn. 96; ErfK/Oetker 12. Aufl. § 1 KSchG Rn. 191). Die Beklagte hat derartige besondere Umstände nicht behauptet. Sie wirft dem Kläger ausschließlich Ordnungsverstöße ohne besondere, schwerwiegende Folgen vor. Unter diesen Umständen setzt eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses voraus, dass die Nichterfüllung der vertraglichen Pflichten dem Kläger vorwerfbar ist.
- 22
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c) Eine Pfichtverletzung ist vorwerfbar, wenn der Arbeitnehmer seine ihr zugrunde liegende Handlungsweise steuern konnte (ErfK/Oetker aaO Rn. 188). Ein Verhalten ist steuerbar, wenn es vom Willen des Arbeitnehmers beeinflusst werden kann (Linck aaO Rn. 461). Dies ist nicht der Fall, wenn dem Arbeitnehmer die Pflichterfüllung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen subjektiv nicht möglich ist (vgl. BAG 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 70, 262). Ist dies vorübergehend nicht der Fall, ist er für diese Zeit von der Pflichterfüllung befreit (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 71. Aufl. § 275 Rn. 10).
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d) Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast auch dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die das Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen lassen (vgl. BAG 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - BAGE 70, 262; 18. Oktober 1990 - 2 AZR 204/90 - zu II 3 a der Gründe, RzK I 10h Nr. 30). Der Umfang der ihm obliegenden Darlegungslast ist allerdings davon abhängig, wie sich der Arbeitnehmer auf einen bestimmten Vortrag einlässt (BAG 18. Oktober 1990 - 2 AZR 204/90 - zu II 3 b der Gründe, aaO). Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast darf sich der Arbeitgeber zunächst darauf beschränken, den objektiven Tatbestand einer Arbeitspflichtverletzung darzulegen. Er muss nicht jeden erdenklichen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund vorbeugend ausschließen (BAG 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - aaO). Will der Arbeitnehmer geltend machen, er sei aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen gehindert gewesen, seine Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen, muss er diese Gründe genau angeben. Beruft er sich auf krankheitsbedingte Gründe kann es erforderlich sein, dass er substantiiert darlegt, woran er erkrankt war und weshalb er deshalb seine Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllen konnte (vgl. BAG 18. Oktober 1990 - 2 AZR 204/90 - aaO).
- 24
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e) Gemessen an diesen Grundsätzen durfte das Landesarbeitsgericht aufgrund seiner bisherigen Feststellungen nicht davon ausgehen, der Kläger habe dadurch, dass er sich beharrlich rechtmäßigen Weisungen seines Arbeitgebers widersetzte, in vorwerfbarer Weise erhebliche Nebenpflichtverletzungen begangen.
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aa) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, es könne eine Verletzung der vertraglichen Pflicht des Klägers zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB darstellen, dem Verlangen der Beklagten nicht nachzukommen, während Abwesenheitszeiten aufgrund Urlaubs oder Arbeitsunfähigkeit die Schlüssel und das Fahrtenbuch für das Dienstfahrzeug herauszugeben. Die Möglichkeit, einen Zweitschlüssel für das Fahrzeug fertigen zu lassen, stand der Berechtigung des Verlangens nicht entgegen. Dem Kläger war das Dienstfahrzeug samt Utensilien nur zu dienstlichen Zwecken überlassen.
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bb) Revisionsrechtlich ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden, es sei unerheblich, dass dem Kläger als einzigem Mitarbeiter der Dienstwagen nicht auch zur privaten Nutzung überlassen worden war. Der Kläger hat keine Tatsachen dafür vorgetragen, dass es sich um eine unzulässige Maßregelung oder einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz handeln könnte.
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cc) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Kläger habe die Anweisungen der Beklagten, die Utensilien für das Dienstfahrzeug für die Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit herauszugeben bzw. mitzuteilen, wie eine Übergabe erfolgen könne, nicht befolgt und habe damit diese sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebende Pflicht objektiv nicht erfüllt.
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dd) Nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei auch den Anzeige- und Nachweispflichten im Zusammenhang mit seiner Arbeitsunfähigkeit nicht korrekt nachgekommen.
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(1) Die Beklagte hatte den Kläger mit den Abmahnungen vom 16. und 18. Februar 2009 darauf hingewiesen, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seinem Vorgesetzten oder dessen Stellvertreterin vorzulegen seien. Obgleich er jedenfalls am 21. Februar 2009 vom Inhalt der Abmahnungen Kenntnis genommen hatte, sandte der Kläger die Bescheinigung für den Zeitraum vom 21. bis zum 28. Februar 2009 nicht an den Vorgesetzten oder dessen Stellvertreterin, sondern zu Händen einer Mitarbeiterin nach H.
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(2) Auch hatte der Kläger die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit vorweg nicht unverzüglich angezeigt. Die Verpflichtung zur Anzeige nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG gilt nach dem Sinn und Zweck der Regelung für den Fall einer Fortdauer der Erkrankung entsprechend(ErfK/Dörner 12. Aufl. § 5 EFZG Rn. 19; HaKo-EFZR/Feichtinger 2. Aufl. § 5 EFZG Rn. 16; Kunz/Wedde EFZR 2. Aufl. § 5 EFZG Rn. 61; Lepke Krankheit als Kündigungsgrund 13. Aufl. Rn. 514; Schmitt EFZG 6. Aufl. § 5 Rn. 128 f. mwN). Nach der ausdrücklich Anweisung der Beklagten war auch die Anzeige gegenüber dem Vorgesetzten oder dessen Vertreterin vorzunehmen. Statt dessen zeigte der Kläger die voraussichtliche Fortdauer seiner Erkrankung am 24. Februar 2009 zunächst nur dem Sachbearbeiter „Einsatzsteuerung“ an. Seinen Vorgesetzten setzte er erst um 21:33 Uhr per E-Mail in Kenntnis.
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ee) Hingegen hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe in vorwerfbarer Weise gegen seine Vertragspflichten verstoßen, einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Kläger hat hinreichend substantiiert dargelegt, in der Zeit vom 9. Februar 2009 bis 7. März 2009 aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen zu einem pflichtgemäßen Verhalten nicht in der Lage gewesen zu sein. Auf der Grundlage seines Vorbringens war ihm die Erfüllung seiner Pflichten aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen subjektiv unmöglich, deren Nichterfüllung daher nicht vorwerfbar. Eine beharrliche Weigerung, die Pflichten zu erfüllen, lag unter den behaupteten Umständen nicht vor.
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(1) Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2010 vorgetragen, er habe sich im Zeitraum vom 9. Februar 2009 bis 7. März 2009 in einer akuten depressiven Episode befunden. Diese sei durch völlige Antriebsschwäche gekennzeichnet gewesen. Er habe unter Schlafstörungen und Erschöpfungszuständen gelitten, die ihn zeitweise tagelang ans Bett gefesselt hätten. Neben Antriebsstörungen habe er eine massive Tendenz zum sozialen Rückzug sowie eine Vermeidungshaltung aufgewiesen. Er sei in seiner Konzentrations- und Denkfähigkeit völlig eingeschränkt gewesen. Aufgrund dessen sei er nicht in der Lage gewesen, zu handeln wie von ihm verlangt. Er habe weder die Rückgabe des Schlüssels organisieren noch mit entsprechenden Personen Rücksprache halten können. Aufgrund seines Zustands habe er sogar vergessen, dass sich die Gegenstände überhaupt in seinem Besitz befunden hätten.
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(2) Trifft dies zu, war es dem Kläger aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen - und damit aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen - subjektiv nicht möglich, seine Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen. Der Kläger hat im einzelnen dargelegt, worunter er gelitten habe, so dass er seinen Pflichten nicht habe nachkommen können. Auch wenn sich eine solche Einschränkung der Handlungsfähigkeit nicht bereits aus den vorgelegten Attesten ergibt, ist das Vorbringen des Klägers erheblich. Der Kläger hat sich zum Beweis nicht nur auf die ärztlichen Bescheinigungen und das Zeugnis des ihn erst später behandelnden Dr. L berufen. Er hat außerdem Beweis angetreten durch das Zeugnis der Hausärztin, die ihn im fraglichen Zeitraum behandelt habe, und hat diese von der Schweigepflicht entbunden.
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(3) Die Behauptung des Klägers, er habe in der Zeit vom 9. Februar 2009 bis 7. März 2009 krankheitsbedingt nicht wie von ihm verlangt handeln können, ist durch seinen Anruf bei dem Sachbearbeiter am Morgen des 24. Februar 2009 und seine E-Mail an den Vorgesetzten am Abend desselben Tages nicht widerlegt. Zum einen hat er auch damit seine Anzeigepflichten nicht weisungsgerecht erfüllt. Zum anderen ist nicht ausgeschlossen, dass ihm gerade im Verhältnis zu seinem Vorgesetzten ein pflichtgemäßes Verhalten nicht möglich war.
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II. Die Rechtsverletzung, die die Begründung des Berufungsurteils ergibt, führt zu dessen Aufhebung. Das Urteil stellt sich nicht etwa aus anderen Gründen als richtig dar (§§ 561, 562 Abs. 1 ZPO). Dies wiederum führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 1, Abs. 3 ZPO).
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1. Ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist, kann der Senat nicht selbst entscheiden. Es steht noch nicht fest, ob dem Kläger die Nichterfüllung seiner Pflichten vorwerfbar ist. Das Landesarbeitsgericht wird der Beklagten Gelegenheit geben müssen, das Vorbringen des Klägers, eine ordnungsgemäße Pflichterfüllung sei ihm im fraglichen Zeitraum aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich gewesen, zu entkräften.
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2. Der Rechtsstreit ist auch nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif. Die Kündigung ist nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.
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a) Eine Kündigung ist gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht nur unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt zu beteiligen, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat, er insbesondere seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht ausreichend nachgekommen ist(BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 45, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - Rn. 13, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 163 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 26). An die Mitteilungspflicht sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen, wie an die Darlegung des Arbeitgebers im Prozess. Es gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - aaO; 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - aaO). Dagegen führt eine bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung zu einer fehlerhaften Anhörung (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - aaO; 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20 ). Zu einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Information des Betriebsrats gehört auch die Unterrichtung über dem Arbeitgeber bekannte und für eine Stellungnahme des Betriebsrats möglicherweise bedeutsame Tatsachen, die den Arbeitnehmer entlasten und deshalb gegen den Ausspruch einer Kündigung sprechen können (BAG 6. Februar 1997 - 2 AZR 265/96 - Rn. 19, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 85 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 96).
- 39
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b) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Betriebsratsanhörung nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden.
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aa) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, die Beklagte habe den Betriebsrat mit Schreiben vom 2. März 2009 zu der beabsichtigten Kündigung angehört, und hat den Inhalt des Anhörungsschreibens in Bezug genommen. Danach hat die Beklagte den Betriebsrat über alle Umstände unterrichtet, die aus ihrer Sicht für den Kündigungsentschluss relevant waren und den Sachverhalt hätten beeinflussen können. Dies galt auch für die Vorgänge aus dem Jahr 2003.
- 41
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bb) Die Beklagte musste sich im Rahmen der Anhörung des Betriebsrats nicht näher mit der „tatsächlichen Erkrankung“ des Klägers auseinandersetzen. Sie hatte den Betriebsrat im Anhörungsschreiben darüber informiert, dass der Kläger seit dem 9. Februar 2009 arbeitsunfähig krank war. Der Kläger hat nicht behauptet, die Beklagte habe schon vor Ausspruch der Kündigung davon gewusst, dass auch seine Handlungsfähigkeit eingeschränkt gewesen sei.
- 42
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cc) Die Anhörung des Betriebsrats ist nicht deshalb fehlerhaft, weil das Anhörungsschreiben „keinerlei entlastende Momente“ darlegt und über eine Anhörung des Klägers selbst nichts berichtet. Welche weiteren, der Beklagten bekannten und den Kläger entlastenden Tatsachen dem Betriebsrat nicht mitgeteilt worden sein sollen, ist nicht ersichtlich. Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist - abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall einer Verdachtskündigung - keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. Schon deshalb ist ihre Nichterwähnung unschädlich.
-
c) Die Beklagte hat den Betriebsrat auch mit dem Hinweis auf ein „unentschuldigtes Fehlen“ des Klägers am 22. November 2008 subjektiv nicht falsch unterrichtet. Nach Auffassung der Beklagten war der Kläger an diesem Tag zur Arbeitsleistung verpflichtet.
-
Kreft
Schmitz-Scholemann
Rachor
Söller
Baerbaum
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 31.07.2015 - 11 Ca 1836/15 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T A T B E S T A N D :
2Die Parteien streiten über eine außerordentliche Kündigung.
3Der im Februar 1967 geborene Kläger ist ledig und keiner Person unterhaltspflichtig. Er ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit September 1987 tätig, zunächst im Rahmen einer Ausbildung zum Versicherungskaufmann und zuletzt als Einkaufssachbearbeiter gegen ein Monatsbruttoeinkommen von durchschnittlich 4.810,78 €. Die Beklagte, ein Rechtsschutzversicherer, beschäftigt weit mehr als zehn Arbeitnehmer. Grundlage des Arbeitsverhältnisses bildet der Arbeitsvertrag vom 17.01.1990 i. V. m. dem vom Kläger gegengezeichneten Schreiben vom 12.04.1990 über die Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis (Bl. 16 f. und 18 d. A.).
4Der Kläger weist aufgrund einer Krebserkrankung im Jahr 2002, in deren Verlauf ihm beide Hoden entfernt wurden, einen Grad der Behinderung von 80 % auf. Er leidet - medizinisch behandlungsbedürftig - immer wieder unter Panikattacken. Im Jahr 2014 bestand bei ihm ein - letztlich unbegründeter - Verdacht auf Darmkrebs und Bauchspeicheldrüsenkrebs. Wegen darauf zurückzuführenden Angstzuständen begab sich der Kläger im Januar 2015 in psychologische Behandlung. Der behandelnde Psychologe stellte eine Angststörung fest.
5Während eines Urlaubs nahm der Kläger am 12.02.2015 - "Weiberfastnacht" - ab etwa 15:00 Uhr an einer Karnevalsfeier der Beklagten im Erdgeschoss des Betriebsgebäudes teil. Der Kläger war als "Al Capone" verkleidet. Zu seinem Kostüm gehörten eine schwarze Jacke, ein Schlips, eine Sonnenbrille und ein Hut. Zwei Mitarbeiterinnen der Beklagten versuchten im Verlauf des Nachmittages wiederholt, dem Kläger - entsprechend der an diesem Tag im Rheinland üblichen Sitte - mit einer Schere die Krawatte abzuschneiden. Der Kläger protestierte, weil die Krawatte zu seinem Kostüm gehöre; er benötige sie zudem für eine weitere Feier am Karnevalssamstag. Am Abend kam es im Zusammenhang mit einer Polonaise zu einer Auseinandersetzung zwischen einer der Mitarbeiterinnen, Frau S., und dem Kläger, deren Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind. Im Anschluss daran sprach ein weiterer Mitarbeiter, Herr Q., den Kläger an und forderte ihn auf, sich zu entschuldigen. Auch insoweit sind die Einzelheiten zwischen den Parteien streitig. Herr Q. und der Kläger kannten sich zuvor nur vom Sehen. Sie begegneten sich allenfalls drei Mal im Jahr per Zufall. Beide begaben sich nach draußen zu der sich zusammen mit einer weiteren Mitarbeiterin, Frau D., vor dem Gebäude aufhaltenden Frau S.. Auf dem Weg dorthin legte Herr Q. den Arm um den Kläger. Der Kläger versuchte, sich bei Frau S. zu entschuldigen, wobei Form und Inhalt sowie die Reaktion der Anwesenden streitig sind. Der Kläger ging sodann gefolgt von Herrn Q. durch die Drehtür zurück ins Gebäude. Innen drehte er sich um. Es kam zu einer zwischen den Parteien in ihren Einzelheiten streitigen Auseinandersetzung. Diese endete, nachdem sich ein Dritter, Herr S., auf den Kläger stürzte. Der Kläger blieb insgesamt unverletzt. Der Vorfall wurde durch im Foyer zur Absicherung des Gebäudes gegen Unbefugte seit über zehn Jahren sichtbar installierte Videokameras aufgezeichnet. Bis zum 16.02.2015 hatte der Kläger Urlaub. Am 17.02.2015 hörte ihn die Beklagte in Anwesenheit der Betriebsratsvorsitzenden zu dem Vorfall an.
6Auf Initiative des Betriebsrats entschuldigte sich der Kläger am 18.02.2015 in Gegenwart der Betriebsratsvorsitzenden bei Herrn Q., welcher die Entschuldigung annahm. Beide gaben sich die Hand. Herr Q. teilte dem Kläger mit, dass er ihn weder zivilrechtlich noch strafrechtlich verfolgen wolle, er sei nicht nachtragend.
7Mit Zustimmung des Landschaftsverbandes Rheinland vom 12.03.2015 bzw. durch Verstreichenlassen der Frist des § 91 Abs. 3 SGB IX kündigte die Beklagte nach Anhörung des bei ihr gebildeten Betriebsrats unter dem 26.02.2015 (Bl. 66 ff. d. A.), welcher nicht widersprach, das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 13.03.2015 fristlos und mit einem weiteren Schreiben vom selben Tag vorsorglich hilfsweise außerordentlich mit einer der tariflichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist zum 31.12.2015. Die vom Kläger gegen die Bescheide des Landschaftsverbandes eingelegten Widersprüche sind noch nicht beschieden.
8Anlässlich seiner polizeilichen Vernehmung als Zeuge stellte Herr Q. Strafantrag gegen den Kläger.
9Mit seiner am 31.03.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung gewandt. Er hat das Fehlen eines wichtigen Grundes sowie die Anhörung des Betriebsrats als nicht ordnungsgemäß gerügt. Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens hat er die Klage auf die Zahlung des restlichen Märzgehalts sowie desjenigen für die Monate April bis Juni 2015, Zahlung von Vermögenswirksamen Leistungen für April bis Juni 2015 und die Erteilung von Abrechnungen erweitert.
10Der Kläger hat beantragt,
111.festzustellen, dass das seit dem 01.09.1987 bestehende Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 13.03.2015 mit Zugang des Schreibens am 13.03.2015 sein Ende gefunden hat, sondern über diesen Zeitpunkt hinaus ungekündigt fortbesteht;
122.festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die hilfsweise fristlose Kündigung der Beklagten vom 13.03.2015 unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist von 7 Monaten zum Vierteljahresschluss bzw. zum 31.12.2015 sein Ende finden wird, sondern über diesen Zeitpunkt hinaus ungekündigt fortbesteht;
133.die Beklagte zu verurteilen, für die Zeit vom 14.03.2015 bis zum 31.03.2015 das restliche Märzgehalt 2015 in Höhe von 2.682,27 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.04.2015 zu zahlen, abzüglich Arbeitslosengeld in Höhe von 877,71 €;
144.die Beklagte zu verurteilen, an ihn die Gehälter für die Monate April 2015 und Mai 2015 in Höhe von jeweils 4.117,28 € brutto (bestehend aus 3.876,00 € brutto Grundgehalt, 200,00 € brutto freiwillige Zulage, 40,00 € Arbeitgeberanteil Vermögensbildung, 150,00 € Arbeitgeberanteil Direktversicherung, 25,56 € Arbeitnehmeranteil Direktversicherung, 1,28 € Kontoführungsgebühren = 8.234,56 € brutto) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatzaus jeweils 4.117,28 € brutto seit dem 01.05.2015 und 01.06.2015 zu zahlen, abzüglich Arbeitslosengeld in Höhe von 51,63 € täglich = 1.548,90 € monatlich;
155.die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Monate März, April und Mai 2015 nach Durchführung der Zahlungen eine entsprechende Abrechnung zu erteilen, wobei die Beklagte 25,56 € brutto Direktversicherungsbeitrag für ihn und 150,00 € brutto als Direktversicherungsbeitrag für die Beklagte ohne Versteuerung und Sozialversicherungspflicht aus seinem Bruttogehalt an die B.-Leben zu zahlen hat, die in den Gehaltsabrechnungen von dem Bruttogehalt des Klägers aus steuerlichen Gründen abzuziehen sind;
166.die Beklagte zu verurteilen, an ihn das Gehalt für den Monate Juni 2015 in Höhe von 4.117,28 € brutto abzüglich Arbeitslosengeld in Höhe von 51,63 € täglich bzw. monatlich 1.548,90 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatzaus hieraus seit dem 01.07.2015 zu zahlen;
177.die Beklagte zu verurteilen, ihm für den Monat Juni 2015 nach Durchführung der Zahlungen eine entsprechende Abrechnung zu erteilen, wobei die Beklagte 25,56 € brutto Direktversicherungsbeitrag für ihn, 150,00 € brutto = netto als Direktversicherungsbeitrag für die Beklagte sowie bei 100,00 € brutto = netto an die B. Leben und einen Betrag von 50,00 € brutto = netto monatlich an den Deka-Fond bei der Sparkasse Düsseldorf (IBAN: DE020509990000022899, unter dem Betreff T. M. W1311437378) ohne Versteuerung und Sozialversicherungspflicht abzuführen hat, die in den Gehaltsabrechnungen von seinem Bruttogehalt abzuziehen sind;
188.die Beklagte zu verurteilen, von seinen Gehältern in der Zeit von April bis Mai 2015 einen Betrag in Höhe von 50,00 € monatlich an den Deka-Fond bei der Sparkasse Düsseldorf (IBAN: DE020509990000022899, unter dem Betreff T. M. W1311437378) abzuführen.
19Die Beklagte hat beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Sie hat behauptet, der Kläger habe Frau S. bei der Auseinandersetzung im Zusammenhang mit der Polonaise mit einem festen Handgriff von hinten am Hals gepackt und seinen Hinweis wiederholt, man solle nicht mehr versuchen, die Krawatte abzuschneiden. Diese habe das Anfassen durch den Kläger als befremdlich empfunden und hiervon Herrn Q. berichtet. Dieser habe den Kläger auf sein Verhalten angesprochen und ihm erklärt, er solle sich entschuldigen. Bei der Szene außerhalb des Gebäudes habe Frau D. dem Kläger Vorwürfe gemacht. Auch Herr Q. habe seine Kritik und seine Aufforderung an den Kläger, sich zu entschuldigen, wiederholt. Zurück im Gebäude habe der Kläger, ein volles Bierglas in der linken Hand, Herrn Q. mit dem rechten Arm angetippt, ihm dann mit dem Fuß kräftig in den Unterleib getreten und mit der rechten Faust ins Gesicht geschlagen. Sodann habe er das Bierglas von der linken in die rechte Hand genommen und das Bier Herrn Q., einem Brillenträger aus kürzester Entfernung ins Gesicht geschüttet. Unmittelbar anschließend habe der Kläger Herrn Q. das leere Bierglas (unstreitig Altbierbecher 0,2 Liter) mit der zerbrechlichen Vorderseite mit einer Ausholbewegung unmittelbar über dem linken Auge ins Gesicht gestoßen, wobei auch dessen Brille getroffen worden und zu Boden gefallen sei. Herr Q. sei durch das Bierglas an der Stirn verletzt worden. Er habe mehrere stark blutende Verletzungen erlitten. Ein herbeigerufener Notarzt habe mehrere Glassplitter entfernt und die Wunden versorgt. Es habe keine körperliche Bedrohung des Klägers gegeben. Die Angriffe seien ausschließlich von ihm ausgegangen. Es sei von einem vorsätzlichen Handeln des Klägers auszugehen. Darauf, ob und in welcher Form verbale Auseinandersetzungen vorausgegangen seien, komme es nicht an. Sie hat die Ansicht vertreten, auch angesichts des Umstandes, dass sich der Vorfall vor den Augen mehrerer Mitarbeiter abgespielt habe, sei die Kündigung gerechtfertigt. Eine Weiterbeschäftigung komme nicht in Betracht, da sie ihre Mitarbeiter vor ähnlichen Vorfällen schützen und auch auf deren Befürchtungen, ihnen könne Vergleichbares passieren, Rücksicht nehmen müsse. Wer fähig sei, einem Menschen ein Bierglas in Augennähe ins Gesicht zu stoßen, habe eine Einstellung gezeigt, welche nach ihrer Auffassung als Arbeitgeberin, die den anderen Mitarbeitern gegenüber zur Fürsorge verpflichtet sei, den Verbleib als Belegschaftsmitglied für die Zukunft ausschließe.
22Der Kläger hat behauptet, er habe Frau S. nicht am Hals, sondern am Arm gepackt. Er habe Angst gehabt, dass diese ihn mit der Schere verletze. Auf seine höfliche Bitte, die Versuche zum Abschneiden der Krawatte zu unterlassen, habe diese ihm entgegnet: "Was bist Du denn für ein dämliches Arschloch." Etwa eine halbe Stunde danach habe Herr Q. ihn an seinem Tisch aufgesucht und ihn damit beschimpft, was er "denn für ein dummes Arschloch und ein dämlicher Wichser" sei, und geäußert: "Was fällt Dir blödes Arschloch denn ein, seine Kollegin so zu behandeln?" Er habe zunächst gar nicht verstanden, was Herr Q. meine, bis er dann den Zusammenhang mit dem vorangegangenen Vorfall hergestellt habe. Er habe Herrn Q. gefragt, was das Ganze solle, er habe nichts getan. Dennoch habe dieser ihn weiter mit den genannten Worten beschimpft und den Tisch erst verlassen, als der Kläger ihm sagte, er habe nichts getan, Herr Q. solle sich gefälligst "verpissen". Er, der Kläger, habe sich auf die Tanzfläche begeben. Als er gesehen habe, dass Herr Q. mit den Armen schwenkend Drohgebärden in seine Richtung gemacht habe, sei er an den Tisch zurückgekehrt. Herr Q. sei dann abermals an den Tisch getreten und habe ihn erneut beschimpft, was er denn "für ein außerordentliches dummes Arschloch" sei, so ein "blöder Wichser" sei ihm "noch nie begegnet" und "nur ein Arschloch würde sich so verhalten wie er". Um weiteren Beleidigungen die Grundlage zu entziehen, habe er Herrn Q. mitgeteilt, sich bei den beiden Mitarbeiterinnen entschuldigen zu wollen. Draußen habe er sich bei Frau S. mit den Worten entschuldigt: "Was immer ich auch getan haben soll, oder wenn ich Dich unbewusst vielleicht zu hart angefasst haben sollte, dann tut es mir leid." Die ihr dabei angebotene Hand habe Frau S. nicht angenommen, sondern erwidert: "Ok, Du hast Dich zwar entschuldigt, aber trotzdem bist Du ein blöder Arsch." Er sei dann mit ähnlichen Worten auch von Frau D. beleidigt worden, worauf er in das Gebäude zurückgekehrt sei. Er habe Herrn Q. noch in der Drehtür gebeten, ihn in Ruhe zu lassen. Innen habe Herr Q. ihn weiter mit den Worten beschimpft: "Du bist ja doch das dämliche Arschloch, was ich immer schon angenommen habe." Er habe ihn zudem als "Du dämliches Arschloch" angebrüllt. Er, der Kläger, habe sich durch die Verfolgung und die Beschimpfungen unter Druck gesetzt gefühlt. Herr Q. sei bedrohlich nahe auf ihn zugekommen, bis sie quasi "Nase an Nase" gestanden hätten. Er sei wütend geworden und habe Angst bekommen. Er habe Herrn Q. dann mit den Worten "Lass mich!" bzw. "Bleib da stehen!" mit dem rechten Arm von sich weggedrückt. Dabei habe er diesen an der rechten Schulter berührt. Als Herr Q. immer noch nicht wegging, habe er mit dem linken Bein nach ihm getreten, ohne ihn zu treffen. Herr Q. habe immer noch nicht von ihm abgelassen. Deshalb habe er eine Abwehrbewegung mit dem rechten Arm gemacht und dabei Bier aus seinem Glas in das Gesicht des Herrn Q. geschüttet. Dieser sei jedoch auch dann nicht weggegangen. Er habe den Eindruck gehabt, Herr Q. werde noch wütender. Es sei eine nicht kontrollierbare Panik in ihm aufgestiegen. Durch die Sonnenbrille und das flackernde Licht habe er Bewegungen des Herrn Q. nicht klar einordnen können. Dieser habe gezischt: "Jetzt reicht�s, Du Arsch". Er habe befürchtet, Herr Q. werde ihn körperlich angreifen, ihn also niederschlagen oder gar ein Messer ziehen oder Ähnliches. Das sei der Moment gewesen, in dem er nicht mehr klar habe denken können. Er habe mit dem rechten Arm in Richtung des Herrn Q. geschlagen, um einen möglichen Angriff abzuwehren, ohne im Einzelnen darüber nachzudenken, was er eigentlich tue. Er habe nicht daran gedacht, dass er noch ein Bierglas in der Hand hatte. Er habe nicht gesehen, dass Herr Q. an der Stirn geblutet habe und dass seine Brille zu Bruch gegangen sei. Dies und dass er Herrn Q. mit dem Bierglas getroffen habe, bestreite er mit Nichtwissen. Er habe lediglich am 18.02.2015 mehrere kleinere Schnittwunden an der Stirn von Herr Q. gesehen. Er hat sich darauf berufen, es habe sich um ein außerdienstliches Verhalten - zudem während seines Urlaubs - gehandelt. Er habe bis zu diesem Zeitpunkt mindestens sieben bis acht Gläser Bier getrunken.
23Mit Urteil vom 31.07.2015 hat das Arbeitsgericht nach - allerdings nicht ihrem Inhalt nach protokollierter - Inaugenscheinnahme der Videoaufzeichnungen die Klage abgewiesen. Es hat insbesondere angenommen, es habe aufgrund vom Kläger begangener gezielter Körperverletzungen ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung vorgelegen. Auch die Interessenabwägung falle in Anbetracht der gefährlichen Körperverletzung zu seinen Lasten aus. Die Betriebsratsanhörung entspreche den gesetzlichen Anforderungen. Über die hilfsweise außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist sei nicht zu entscheiden.
24Gegen das ihm am 11.08.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.09.2015 Berufung eingelegt und diese mit einem am 09.10.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
25Zur Begründung seiner Berufung führt er aus:
26Er habe die Auswirkungen des Karnevalsbrauchs auf ihn nach seiner Krebserkrankung und Amputation der Hoden unterschätzt. Durch die Beleidigungen und Bedrohungen sei es zu einer Eskalation gekommen, weil die Situation für ihn im Laufe des Abends immer bedrohlicher und belastender geworden sei. Nach seiner Auffassung habe die erstinstanzliche Beweisaufnahme seinen Vortrag bestätigt, in Notwehr gehandelt zu haben. Er behauptet, er habe nach der Rückkehr in das Gebäude nur erreichen wollen, dass Herr Q. ihn in Ruhe lasse und weggehe. Nach seiner - wenn auch lückenhaften Erinnerung - habe er Herrn Q. mit der Hand geschlagen, in der er zuvor das Bierglas gehalten habe; er habe ihn aber nicht bewusst mit der Hand geschlagen, in der er das Bierglas gehalten habe. Es habe sich um verzweifelte Abwehrbemühungen gehandelt. In Verbindung mit seiner Alkoholisierung und einer Panikattacke habe er überreagiert und einen sogenannten Notwehrexzess begangen. Es fehle daher entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts an einem schuldhaften Verhalten, welches zudem als außerdienstlich einzustufen sei. Auch sei die Betriebsratsanhörung fehlerhaft erfolgt. Insofern habe die Beklagte dem Betriebsrat nur ungenügend die ihr bekannten, der Kündigung widerstreitenden Umstände und die Vorgeschichte mitgeteilt. Ihre Schilderung des Vorfalls selbst decke sich nicht mit den Videoaufzeichnungen. Es werde nicht deutlich, dass es sich um eine nachvollziehbare Reaktion auf die Situation gehandelt habe. Als "kastrierter" männlicher Arbeitnehmer habe er eine reduzierte Aggressionsbereitschaft.
27Der Kläger hat zudem im Rahmen des Berufungsverfahrens die Klage auf den Zeitraum bis Oktober 2015 erweitert. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 09.10.2015 und 20.11.2015 verwiesen.
28Er beantragt zuletzt,
291.das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 31.07.2015 - 11 Ca 1836/15 - abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 13.03.2015, noch durch die hilfsweise fristlose Kündigung der Beklagten vom 13.03.2015 unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist von sieben Monaten zum Vierteljahresschluss bzw. zum 31.12.2015 sein Ende finden wird,
30hilfsweise, wird für den Fall des Obsiegens,
312.die Beklagte zu verurteilen, ihm das restliche Märzgehalt 2015 in Höhe von 2.682,27 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.04.2015 zu zahlen, abzüglich Arbeitslosengeld in Höhe von 877,71 € netto,
323.die Beklagte zu verurteilen, an ihn die Gehälter für die Monate April, Mai, Juni, Juli und August 2015 in Höhe von jeweils 4.117,28 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.05., 01.06., 01.07., 01.08. und 01.09.2015 zu zahlen, abzüglich Arbeitslosengeld in Höhe von 1.548,90 € netto monatlich,
334.die Beklagte zu verurteilen, an ihn das Gehalt für den Monat September 2015 in Höhe von 4.169,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.10.2015 abzüglich Arbeitslosengeld in Höhe von 1.548,90 € netto monatlich zu zahlen sowie das im Juni 2015 zu zahlende Urlaubsgeld in Höhe von 4.117,28 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.07.2015 zu zahlen,
345.die Beklagte zu verurteilen, ihm Abrechnungen über die Zahlungen des Septembergehaltes 2015 und des Urlaubsgeldes zu erteilen,
356.die Beklagte zu verurteilen, an ihn das Gehalt für den Monat Oktober 2015 in Höhe von 4.169,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.11.2015 abzüglich Arbeitslosengeld in Höhe von 1.548,90 € netto monatlich zu zahlen,
367.die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Abrechnungen über die Zahlung des Oktobergehaltes 2015 zu erteilen.
37Die Beklagte beantragt,
38die Berufung zurückzuweisen.
39Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag. Sie ergänzt ihre Behauptungen dahingehend, dass der Kläger bei der sich draußen abspielenden Szene erklärt habe, Frau S. solle sich nicht so anstellen, er sei schließlich Kampfsportler und die Situation habe schlimmer für sie ausgehen können. Beim Betreten des Gebäudes habe der Kläger Herrn Q. beschimpft, welcher dann gefragt habe: "Was hast Du gesagt?" Der Kläger habe geantwortet, Herr Q. solle ihn in Ruhe lassen, er habe vorhin schon mal gesagt, dass er Kampfsport mache. Unstreitig betreibt der Kläger Aikido, eine Kampfkunst, bei der auf Wettkämpfe verzichtet wird.
40Auf Befragen der Berufungskammer hat der Kläger erklärt, er wisse zu der Auseinandersetzung selbst nur noch, dass er Herrn Q. geschubst und gesagt habe, "lass mich endlich in Ruhe". Das Bier habe er ihm nur versehentlich ins Gesicht geschüttet. Er sei panisch geworden und habe einen Schweißausbruch gehabt. Die Berufungskammer hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme der Videoaufzeichnungen sowie durch Vernehmung der Zeugen Q. und S.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 10.12. und 22.12.2015 verwiesen.
41Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften beider Instanzen Bezug genommen.
42E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
43A.
44Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere unter Beachtung der Vorgaben der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
45B.
46Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die gegen die außerordentliche fristlose Kündigung gerichtete Klage zutreffend abgewiesen. Über die nur für den Fall des Obsiegens gestellten Anträge auf Zahlung und Abrechnung war daher nicht zu entscheiden. Entsprechendes gilt für die Klage gegen die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist. Zwar hat der Kläger den entsprechenden Antrag nicht ausdrücklich hilfsweise gestellt. Ein unbedingter Antrag gegen eine nur hilfsweise ausgesprochene, später wirkende Kündigung ist jedoch nicht nur sinnlos, sondern widerspricht auch dem wohlverstandenen Kosteninteresse der klagenden Partei (vgl. BAG 21.11.2013 - 2 AZR 474/12 - RN 18 ff, AP SGB V § 164 Nr. 1). Auch das Arbeitsgericht hat - wenn auch ohne Begründung - den Antrag als einen solchen ausgelegt, über den wegen der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung nicht zu entscheiden sei - also als unechten Hilfsantrag -, ohne dass der Kläger dem in der Berufung widersprochen hat.
47I. Die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 13.03.2015 wird den Anforderungen des § 626 BGB gerecht.
481. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Die Prüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund in diesem Sinne darstellt, vollzieht sich zweistufig: Zunächst ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Ist dies der Fall, bedarf es sodann der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., vgl. nur BAG 16.07.2015 - 2 AZR 85/15 - NZA 2016, 161 mwN; 10.12.2009 - 2 AZR 534/08 - NZA 2010, 698; 26.03.2009 - 2 AZR 953/07 - RN 21 mwN, NZA-RR 2010, 516 = AP BGB § 626 Nr. 220; 27.04.2006 - 2 AZR 386/05 - RN 19, NZA 2006, 977).
49In der Regel bedarf es einer schuldhaften Pflichtverletzung. Eine Pflichtverletzung ist vorwerfbar, wenn der Arbeitnehmer seine ihr zugrunde liegende Handlungsweise steuern konnte. Ein Verhalten ist steuerbar, wenn es vom Willen des Arbeitnehmers beeinflusst werden kann. Dies ist nicht der Fall, wenn dem Arbeitnehmer die Pflichterfüllung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen subjektiv nicht möglich ist. Ist dies vorübergehend nicht der Fall, ist er für diese Zeit von der Pflichterfüllung befreit. Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast auch dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die das Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen lassen. Der Umfang der ihm obliegenden Darlegungslast ist allerdings davon abhängig, wie sich der Arbeitnehmer auf einen bestimmten Vortrag einlässt. Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast darf sich der Arbeitgeber zunächst darauf beschränken, den objektiven Tatbestand einer Arbeitspflichtverletzung darzulegen. Er muss nicht jeden erdenklichen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund vorbeugend ausschließen. Will der Arbeitnehmer geltend machen, er sei aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen gehindert gewesen, seine Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen, muss er diese Gründe genau angeben. Beruft er sich auf krankheitsbedingte Gründe, kann es erforderlich sein, dass er substantiiert darlegt, woran er erkrankt war und weshalb er deshalb seine Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllen konnte (vgl. insgesamt BAG 03.11.2011 - 2 AZR 748/10 - NZA 2012, 607).
50Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlustes und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 28.01.2010 - 2 AZR 1008/08 - RN 26 mwN, DB 2010, 1709; 10.11.2005 - 2 AZR 623/04 - RN 38 mwN, NZA 2006, 491). Bei der verhaltensbedingten Kündigung bildet der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers im Rahmen der Interessenabwägung ein wichtiges, oft das wichtigste Abgrenzungskriterium (BAG 21.01.1999 - 2 AZR 665/98 - NZA 1999, 863).
5152
Tätlichkeiten unter Arbeitnehmern sind grundsätzlich geeignet, einen wichtigen Grund zur Kündigung zu bilden (st. Rspr. des Bundesarbeitsgerichts, vgl. nur BAG 06.10.2005 - 2 AZR 280/04 - NZA 2006, 431). Bei einem tätlichen Angriff auf einen Arbeitskollegen handelt es sich um eine schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten. Der Arbeitgeber ist nicht nur allen Arbeitnehmern verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass sie keinen Tätlichkeiten ausgesetzt sind, sondern hat auch ein eigenes Interesse daran, dass die betriebliche Zusammenarbeit nicht durch tätliche Auseinandersetzungen beeinträchtigt wird und nicht durch Verletzungen Arbeitskräfte ausfallen (BAG 18.09.2008 - 2 AZR 1039/06 - DB 2009, 964). Das Bestehen von Schadensersatzansprüchen ändert nichts daran, dass Vertragsstörungen eine ordentliche oder sogar außerordentliche Kündigung rechtfertigen können. Der Arbeitgeber darf auch berücksichtigen, wie es sich auf das Verhalten der übrigen Arbeitnehmer auswirkt, wenn er von einer Kündigung absieht. Insoweit handelt es sich noch um Folgen des Fehlverhaltens, für das der Arbeitnehmer einzustehen hat (BAG 18.09.2008 aaO). Bei Tätlichkeiten unter Arbeitskollegen bedarf es vor Ausspruch einer Kündigung regelmäßig keiner Abmahnung. Denn der Arbeitnehmer weiß von vornherein, dass der Arbeitgeber ein derartiges Fehlverhalten missbilligt. Dies gilt uneingeschränkt bei schweren Tätlichkeiten. Hier kann schon ein einmaliger Vorfall einen wichtigen Grund zur Kündigung darstellen, ohne dass der Arbeitgeber noch eine Wiederholungsgefahr begründen und den Arbeitnehmer zuvor abmahnen müsste (BAG 18.09.2008 aaO mwN).
532. Nach diesen Grundsätzen ist die außerordentliche Kündigung gemessen an § 626 BGB wirksam.
54a) Die Berufungskammer geht aufgrund der durchgeführten Inaugenscheinnahme von folgendem (Kern-)Sachverhalt aus: Nachdem sich der Zeuge Q. nach der Rückkehr in das Gebäude dem Kläger bis auf 10 bis 15 cm Gesichtsabstand - also durchaus näher als sozial üblich, aber keinesfalls unmittelbar "Nase an Nase" - genähert hatte, stieß der Kläger ihn mit dem rechten Arm von sich weg. Anschließend trat er - ob erfolgreich oder nicht war nach den Bildern nicht zu erkennen - mit dem rechten Bein nach ihm. Es folgte ein weiterer Stoß mit rechts. Anschließend wechselte der Kläger das zuvor in der linken Hand gehaltene Bierglas in die rechte Hand und schüttete dem Zeugen Q. den Inhalt mit einer ausholenden Bewegung gezielt ins Gesicht, um ihn für den folgenden Schlag wehrlos zu machen. Der Zeuge Q. griff ohne eine Angriffsbewegung lediglich zu seiner Brille. Der Kläger drehte das Bierglas in seiner rechten Hand so, dass die offene Seite nach vorn zeigte und schlug dem Zeugen das Glas mit Wucht auf die Stirn über dem linken Auge. Dabei erlitt der Zeuge Schnittverletzungen an der Stirn; es blieben Glassplitter in der Stirn stecken.
55Es handelt sich damit zur Überzeugung der Berufungskammer um ein zielgerichtetes, rücksichtsloses Vorgehen und eine schwere Tätlichkeit mit hohem Verletzungsrisiko, die nach obigen Maßstäben als Kündigungsgrund "an sich" geeignet ist.
56Die Überzeugung der Berufungskammer beruht im Wesentlichen auf folgenden Erwägungen:
57Zunächst entspricht die Einlassung des Klägers, er habe dem Zeugen Q. das Bier nur versehentlich ins Gesicht geschüttet, zur Überzeugung der Berufungskammer nicht der Wahrheit. Es gibt bereits keinen Grund dafür, dass der Kläger, der zuvor seinen rechten Arm für die Stoßbewegungen verwendet hat, das Glas von der linken in die rechte Hand wechselt, wenn nicht den, dem Zeugen mit der anschließenden deutlich sichtbaren Ausholbewegung den Inhalt des Glases von unten mit einem derartigen Schwung ins Gesicht zu schütten, dass sich der beobachtbare "Strahlenkranz" auf einen teilweise mehr als doppelten Kopfdurchmesser beläuft. Eine (missglückte) Abwehrbewegung - wie womöglich die beiden Teilakte zuvor - konnte dies auch deshalb nicht darstellen, weil der Abstand zum Zeugen hierfür zu groß war. Wie der Kläger den Vorgang dennoch als ein versehentliches Verschütten darstellen kann, erschließt sich der Kammer nicht. Seine entsprechende Behauptung entlarvt seine Einlassung zu diesem wesentlichen Teil des Kerngeschehens damit als reine Schutzbehauptung. Dass der Kläger zu der Auseinandersetzung nach ausdrücklichem eigenen Bekunden allenfalls noch vage Erinnerungen haben will, während der Beweisaufnahme aber zu der unmittelbar anschließenden Szene spontan erklärt hat, er sei (nicht zu Boden gegangen, sondern) nur in der Hocke gewesen, passt sich zwanglos in diese Bewertung ein.
58Bei der von unten erfolgten Schüttbewegung muss der Kläger das Glas mit der Öffnung nach oben in der rechten Hand gehalten haben. Hätte er es in dieser Haltung auf die Stirn des Zeugen geschlagen, wäre das von der Kamera aufgenommene Explosionsbild, bei dem Scherben in alle Richtungen, insbesondere auch nach unten fliegen, nicht erklärbar. Auch wäre das Glas dann in der Hand des Klägers zerbrochen, was kaum ohne Verletzungen möglich gewesen wäre. Auch der kleine Bogen in der Schlagbewegung erklärt sich zwanglos dadurch, dass der Kläger beim Rückwärtsschwingen des Armes das Glas in der Hand so gedreht hat, dass die offene Seite nach vorne gerichtet war. Für die hohe Wucht des Schlages spricht, dass die entsprechende Bewegung auf den Videoaufnahmen nur schemenhaft als "Lichtblitz" erkennbar ist. Auch ließe sich ansonsten das explosionsartige Aufspritzen der Scherben nicht erklären. Die Größe des Explosionsbildes schließt zudem aus, dass es sich bei den Scherben lediglich um die Brillengläser handelte. Auch könnten aus einem Bruch der Brillengläser stammende Scherben nicht das Verletzungsbild an der Stirn erzeugen, das der Zeuge nach den zur Akte gereichten Fotos erlitten hat. Dafür, dass die dort sichtbaren Wunden nicht von dem hier fraglichen Vorfall herrühren, spricht aus Sicht der Kammer nichts. Hierauf hat sich auch der Kläger nicht berufen, sondern im Gegenteil bestätigt, dass er sechs Tage später mehrere kleinere Schnittwunden an der Stirn von Herr Q. gesehen hat.
59Der finale Schlag mit dem Glas lässt sich nicht als eine panikartige Reaktion - in der Folge einer krankhaften Angststörung - auf einen befürchteten Angriff durch Herrn Q. einordnen. Zwar ist zwischen den Parteien nicht streitig, dass der Kläger grundsätzlich unter einer krankhaften Angststörung leidet. Zur Überzeugung der Berufungskammer spielte diese bei dem fraglichen Vorfall jedoch keine Rolle. Die Einlassung des Klägers, er habe nach einem versehentlichen Verschütten des Bieres in das Gesicht des Zeugen Q. eine Panikattacke erlitten, hält die Berufungskammer wie dargelegt für eine durch die Beweisaufnahme widerlegte Schutzbehauptung. Bereits dadurch wird die Darstellung des Klägers unschlüssig, er sei in Panik geraten, nachdem er dem Zeugen versehentlich Bier ins Gesicht geschüttet habe, und habe nicht mehr klar denken können. Mit dem absichtlichen Schütten des Bieres in das Gesicht des Zeugen hat der Kläger diesen gezielt wehrlos gemacht, was ebenfalls dagegen spricht, dass der nachfolgende Schlag eine danach erst einsetzende Panikreaktion war. Nach der Körperhaltung des Herrn Q., der aufgrund des ihm ins Gesicht geschütteten Bieres wehrlos dastand, hatte der Kläger zudem keinen körperlichen Angriff zu befürchten. Nach dem Ergebnis der Inaugenscheinnahme ist zudem der vom Kläger Herrn Q. an dieser Stelle des Vorfalls in den Mund gelegte Satz ("Jetzt reicht�s, Du Arsch") nicht gefallen. Entscheidend hat die Kammer insoweit darauf abgestellt, dass dieser bereits in zeitlicher Hinsicht nicht in der festgestellten Abfolge der einzelnen Handlungen unterzubringen ist. Der letzte Schlag des Klägers erfolgte zu einem Zeitpunkt, als der Zeuge im Anschluss an das ihm ins Gesicht geschüttete Bier einen derartigen Satz nicht einmal vollständig hätte aussprechen können, zudem der Kläger zuvor bereits zu diesem Schlag ausgeholt und das Glas in der Hand gedreht hatte. Dass der Kläger als Reaktion auf den fraglichen Satz in Panik geraten und erst sodann - "außer Kontrolle" - in Panik zum Schlag mit dem Glas angesetzt hat, ist daher nach der festgestellten zeitlichen Abfolge unmöglich. Dass auch der Zeuge Q. in seiner Vernehmung diese Äußerung nicht bestätigt hat, war für die Berufungskammer nicht maßgebend. Es liegt bezogen auf das in das Gesicht Schütten des Bieres und den anschließenden Schlag eine durchgehende, "runde" Bewegung des Klägers vor. Auch wäre nach seiner Sachverhaltsdarstellung nicht erklärbar, weshalb der Kläger beim Zurückschwingen des rechten Armes mit dem gerade geleerten Bierglas dieses so in der Hand gedreht hat, dass beim Schlag das offene Ende voran ging. Ein derartig gezieltes Verhalten schließt zur Überzeugung der Berufungskammer ebenfalls aus, dass der Kläger in blinder Panik um sich geschlagen hat. Dies wird zudem dadurch bestätigt, dass er den Schlag mit dem Glas mit Wucht nach vorne ausgeführt hat. Zur Überzeugung der Kammer sind die beiden Teilakte "Bier ins Gesicht schütten" und "Schlag mit dem Glas" derart miteinander verknüpft, dass davon auszugehen ist, dass der Kläger den Zeugen zunächst wehrlos machen wollte, um sodann den "finalen" Schlag setzen zu können. Ob der Kläger ein derartiges Verhalten beim "Kampfkunsttraining" erlernt hatte, spielt für die Würdigung keine Rolle. Der gesamte Habitus des Klägers nach dem (Wieder-)Betreten des Foyers stellte sich für die Kammer so dar, dass er sich gegenüber dem Zeugen Q. "aufgebaut" hat. Er hat sich nicht etwa auf der Stelle gedreht, sondern in einer Schrittfolge, die ihn am Ende einen festen Stand finden ließ. Auch die anschließende Bewegungsabfolge - die vom ersten bis zum letzten Teilakt lediglich sechs Sekunden (20:21:02 bis 20:21:08 Uhr) gedauert hat - wirkt flüssig, gewissermaßen wie einstudiert. Letzteres gilt insbesondere für das Wehrlosmachen durch Schütten einer Flüssigkeit in das Gesicht des Opfers und den anschließenden, von diesem nicht zu verhindernden Schlag. Das vom Kläger angebotene Sachverständigengutachten führt in diesem Zusammenhang nicht weiter. Dass der Kläger grundsätzlich aufgrund einer Angststörung zu Panikreaktionen neigt, hat die Kammer zu seinen Gunsten unterstellt, da dies zwischen den Parteien unstreitig ist. Ob sich das konkret festgestellte Verhalten als Panikreaktion darstellt, ist jedoch keine medizinische Frage, sondern eine solche der Würdigung seiner als falsch erwiesenen Einlassung und des durch die Berufungskammer festgestellten Geschehensablaufs. Das ist nicht Aufgabe eines Sachverständigengutachtens, sondern ureigene Aufgabe des Gerichts. Dass der Kläger nach einem versehentlichen Verschütten des Bieres und einer gezischten Äußerung des Zeugen Q. in Panik geraten ist, ist nach der Beweisaufnahme durch Augenschein zur Überzeugung der Berufungskammer widerlegt. Die vom Kläger vorgenommene Trennung des Vorfalls in bloße Abwehrbewegungen und einen anschließenden Notwehrexzess ist zur Überzeugung der Kammer mit den in Augenschein genommenen Videoaufnahmen aus den genannten Gründen unvereinbar. Für einen dritten Sachverhalt hat der Kläger nichts dargelegt, so dass allein die Annahme verbleibt, dass der Kläger durch ein zielgerichtetes, rücksichtsloses Vorgehen eine schwere Tätlichkeit begangen hat.
60Auch die Einlassung des Klägers, er habe aufgrund der von ihm getragenen Sonnenbrille und des flackernden Lichts Bewegungen des Herrn Q. nicht klar einordnen können, stellt zur Überzeugung der Berufungskammer eine bloße Schutzbehauptung dar. In sämtlichen vom Kläger vorgenommenen Aktionen - sei es im Rahmen der Polonaise, am Stehtisch oder innerhalb des Kerngeschehens - wirkt er orientiert und zielgerichtet. Er hat dem Zeugen Q. das Bier treffsicher ins Gesicht geschüttet. Vor dem finalen Schlag hat der Zeuge Q. lediglich seine Hand zu seiner Brille geführt, also nicht auf den Kläger zu. Ein Bewegungsablauf, den der Kläger als Aggression hätte missverstehen können, erfolgte nicht. Im Übrigen war deutlich, dass er aufgrund des ihm in das bebrillte Gesicht geschütteten Bieres wehrlos dastand und nicht zu einer eigenen Angriffsaktion in der Lage war.
61Eine andere Würdigung ergibt sich auch nicht aus der Vorgeschichte des Kernsachverhaltes. Die Berufungskammer hat zugunsten des Klägers unterstellt, dass er vor dem kündigungsauslösenden Vorfall sowohl durch die Mitarbeiterinnen S. und D. als auch durch den Zeugen Q. in der von ihm behaupteten Art und Weise beleidigt worden ist. Entgegen der Ansicht des Klägers hat die Beweisaufnahme jedoch gezeigt, dass dieses Verhalten bei ihm nicht zu einer sich immer weiter steigernden Belastung geführt hat. Die Inaugenscheinnahme hat ergeben, dass der Kläger sich noch um 19:52 Uhr, also etwa eine halbe Stunde vor dem Kernsachverhalt, nach einem weiteren Versuch von Frau S., seine Krawatte abzuschneiden, hinter dieser in der Polonaise eingeordnet hat. Zwar ist zuvor deutlich zu erkennen, dass er versucht hat, Frau S. auszuweichen. Eine (empfundene) ernstliche Bedrohung kann sich zu diesem Zeitpunkt jedoch angesichts des Verhaltens des Klägers noch nicht eingestellt haben. Wenn er das Verhalten von Frau S. bereits zu diesem Zeitpunkt als ständige, unangenehme Belästigung empfunden hätte, hätte er sich wohl kaum unmittelbar hinter dieser wieder in die Polonaise eingegliedert, nachdem er ihr zudem lediglich mit dem Zeigefinger bedeutet hat, ihr Verhalten nicht zu wollen. Dabei ist die Kammer davon überzeugt, dass es sich bei der entsprechenden Frau - der "Indianerin" - um Frau S. gehandelt hat. Zwar hat der Kläger dies zunächst nicht bestätigen können. Jedoch ist sie die einzige blonde Frau, mit der sich der Zeuge Q. am Stehtisch aufgehalten hat. Auch hat die "Indianerin" kurz vor der fraglichen Szene das Foyer nach draußen verlassen. Eine ähnliche Bewertung gilt für das Verhalten von Herrn Q.. Nachdem dieser ihn nach der hier unterstellten Darstellung des Klägers zwei Mal beleidigt hat, kommen beide dennoch friedlich nebeneinander gehend in das Foyer. Dass der Kläger sich bereits zu diesem Zeitpunkt vom Verhalten des Zeugen in der von ihm geschilderten Art bedroht und belastet gefühlt haben will, ist zudem nicht damit zu vereinbaren, dass er auf dem Weg zum Stehtisch zunächst spontan bei einer Gruppe von drei Mitarbeitern stehen bleibt und ein paar Worte wechselt, sich dann am Stehtisch einordnet und ein Gespräch mit einer dort stehenden Frau beginnt, das er auch dann zunächst nicht unterbricht, sondern noch für gut zehn Sekunden fortsetzt, als der Zeuge ihn - die Hand auf die Schulter legend - anspricht. Hätte der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt die geschilderte Not und Bedrängnis empfunden, hätte er zielstrebiger die unstreitig beabsichtigte Entschuldigung gesucht und sich nicht in der beschriebenen Weise gelöst unter den Feiernden bewegt. Auch das Verhalten des Zeugen Q., der dem Kläger zunächst am Stehtisch in einer freundlichen Art und Weise die Hand an die Schulter legt, draußen sodann mit einer Höflichkeitsgeste mit dem rechten Arm dem Kläger den Weg zeigt und anschließend in freundschaftlicher Art den linken Arm um ihn legt und diesen jedenfalls auf dem gesamten auf den Aufnahmen sichtbaren Weg - etwa fünf Sekunden lang - dort belässt, spricht gegen eine bereits aufgeheizte Atmosphäre zwischen beiden. Dass der Kläger dies in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer als "Umklammerung" bezeichnet hat, passt in seine verzerrte Wiedergabe des Geschehensablaufs. Es handelt sich daher bei seinem Verhalten im Kernsachverhalt nicht um einen Akt der Verzweiflung, sondern um eine nach den Umständen nicht verständliche Aggression. Ob - wie der Kläger vorträgt - "kastrierte" männliche Arbeitnehmer grundsätzlich eine reduzierte Aggressionsbereitschaft haben, war aus Sicht der Kammer irrelevant. Das Verhalten des Klägers beweist trotz seines Gesundheitszustands ein hohes Maß an Aggressivität.
62Entgegen der Auffassung des Klägers handelte es sich nicht um ein außerdienstliches Verhalten. Hierfür ist nicht allein maßgeblich, ob sich ein Geschehen außerhalb der Arbeitszeit abgespielt hat. Außerdienstliches Verhalten im kündigungsrechtlichen Sinn liegt vielmehr dann vor, wenn ein Verhalten eines Arbeitnehmers im privaten Lebensbereich in Rede steht (BAG 23.10.2008 - 2 AZR 483/07 - NZA-RR 2009, 362 RN 58). Der Bezug zum Arbeitsverhältnis folgt vorliegend daraus, dass die Tat des Klägers auf einer Betriebsfeier in den Räumen der Beklagten erfolgte, und dass sich die von ihm begangene Tätlichkeit gegen einen Mitarbeiter der Beklagten richtete. Selbst wenn man dennoch das festgestellte Verhalten als außerdienstlich einstufen würde, vermag dies in Anbetracht dessen, dass der Kläger einen Arbeitskollegen während einer betrieblichen Feier durch eine schwere Tätlichkeit verletzt hat, die Eignung als Kündigungsgrund nicht in Frage zu stellen.
63Soweit der Kläger beantragt hat, ein Sachverständigengutachten darüber einzuholen, was auf den Videofilmen zu sehen ist, verkennt er, dass die Bewertung eines Augenscheins Aufgabe des Gerichts ist. Für die Würdigung der in den Videos zu sehenden Bilder ist kein besonderer Sachverstand erforderlich. Ein Lippenleser hätte keine weitergehenden Erkenntnisse erbringen können, da die Lippen der Akteure in Bezug auf Bildauflösung und zeitlichen Umfang nicht hinreichend erkennbar waren. Auf die gewechselten Worte kam es zur Überzeugung der Kammer zudem nicht entscheidend an mit der Ausnahme, dass sie aus den dargelegten Erwägungen die Überzeugung gewonnen hat, dass der Zeuge Q. den Satz "Jetzt reicht�s, Du Arsch" nicht gesagt hat, nachdem der Kläger ihm das Bier ins Gesicht geschüttet hat.
64Die Feststellungen der Berufungskammer beruhen nicht maßgeblich auf den Aussagen der Zeugen Q. und S., so dass es auf die Angriffe es Klägers betreffend den Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen nicht ankam.
65b) Auch die vorzunehmende Interessenabwägung führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Hierfür waren für die Berufungskammer im Wesentlichen folgende Erwägungen maßgeblich:
66Es kommt zunächst nicht entscheidend darauf an, dass sich der Kläger und der Zeuge Q. vor dem Vorfall allenfalls flüchtig kannten und nach der Behauptung des Klägers in unterschiedlichen Gebäuden tätig waren. Der Kündigungsgrund besteht nicht darin, dass die Beklagte auf einen fortbestehenden Konflikt zwischen dem Kläger und dem Zeugen reagiert, sondern darin, dass eine Beschäftigung des Klägers in der Betriebsgemeinschaft nach dem gezeigten Verhalten nicht mehr in Betracht kommt. Die Beklagte ist nicht nur allen Arbeitnehmern verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass sie keinen Tätlichkeiten ausgesetzt sind, sondern hat auch ein eigenes Interesse daran, dass die betriebliche Zusammenarbeit nicht durch tätliche Auseinandersetzungen beeinträchtigt wird und nicht durch Verletzungen Arbeitskräfte ausfallen. Sie durfte auch berücksichtigen, wie es sich auf das Verhalten der übrigen Arbeitnehmer auswirkte, wenn sie von einer Kündigung abgesehen hätte. Dabei war es nicht wesentlich, ob beim Kläger eine grundsätzliche Gewaltneigung vorliegt. Ob diese - wobei sich bereits die Frage der Messbarkeit stellen würde - objektiv gegeben ist, ist nicht entscheidend. Die Arbeitskollegen des Klägers können insoweit allein das vom Kläger gezeigte Verhalten bewerten. Insbesondere in dem fraglichen betrieblichen Milieu - dem einer Versicherungsgesellschaft - stellt sich das festgestellte Verhalten als an sich unvorstellbar dar. Zutreffend beruft sich die Beklagte darauf, ein Mensch, der fähig sei, einem Menschen ein Bierglas in Augennähe ins Gesicht zu stoßen, habe eine Einstellung gezeigt, welche für sie als Arbeitgeberin, die den anderen Mitarbeitern gegenüber zur Fürsorge verpflichtet sei, den Verbleib als Belegschaftsmitglied für die Zukunft ausschließe. Da nicht allein auf den Zeugen Q. abzustellen ist, stellt sich hier auch nicht die Frage, ob die Beklagte eine Umsetzung/Versetzung als milderes Mittel hätte aussprechen müssen.
67Ob Herr Q. arbeitsunfähig war oder ohnehin einen "Brückentag" hatte, wie der Kläger meint, fällt zugunsten des Klägers letztlich nicht erheblich ins Gewicht. Maßgeblich sind vielmehr die außergewöhnliche Rücksichtslosigkeit und der hohe Grad an Gefährlichkeit seines Verhaltens, der sich letztlich nur zufällig nicht verwirklicht hat. Dass der Zeuge Q. nicht - womöglich mit der Folge des teilweisen Verlustes des Augenlichts - am Auge getroffen wurde, hatte der Kläger nicht unter Kontrolle. Aufgrund der Geschwindigkeit des Schlages hätte er auf eine Bewegung des Zeugen nicht mehr reagieren können, so dass ein (teilweiser) Verlust des Augenlichts im Bereich des Möglichen war.
68Die Annahme des Arbeitsgerichts, durch den Vorfall sei der Betriebsfrieden bei der Beklagten gestört, ist entgegen der Annahme des Klägers nicht zu beanstanden. Insofern ist nicht erforderlich, dass die Beklagte die Reaktion ihrer Belegschaft etwa im Rahmen einer Umfrage im Einzelnen feststellt. Sie durfte bei lebensnaher Betrachtung davon ausgehen, dass die Verbreitung des sich vor einer Vielzahl von Zeugen (allein im Foyer mehr als zehn) abspielenden Sachverhalts im Betrieb nicht zu kontrollieren war und vor dem Hintergrund des bereits geschilderten Milieus erhebliche Aufmerksamkeit und Unruhe erregte. Die Mitarbeiter wollten an diesem Tag mit Freude Karneval feiern und mussten dann miterleben, dass der Notarzt gerufen werden musste. Die Weiterbeschäftigung eines in einer betrieblichen Veranstaltung als Schläger in Erscheinung getretenen Mitarbeiters in ihrer Betriebsgemeinschaft durfte sie zu Recht als nicht darstellbar ansehen.
69Wie dargelegt geht die Kammer nicht von einer Panikreaktion oder einer aus sonstigen Gründen schuldlosen Handlung aus, sondern von einem zielgerichteten und vorsätzlichen Verhalten und damit von einem hohen Grad an Verschulden. Selbst wenn der Kläger - was die Berufungskammer unterstellt hat - zuvor in der von ihm behaupteten Weise beleidigt worden ist, gab es zudem keine Veranlassung für einen körperlichen Angriff auf den Zeugen Q.. Zur Überzeugung der Berufungskammer war der Kläger auch nicht aufgrund vorangegangenen Alkoholgenusses schuldunfähig. Er war nach eigenen Angaben mit demselben Alkoholpegel noch zu einem verantwortungsvollen und auf Deeskalation gerichteten Verhalten in der Lage. Bei sämtlichen Bewegungen des Klägers bereits ab dem Eintreten in den Kamerabereich ist keinerlei Schwanken zu erkennen. Er wirkt in den Gesprächen völlig orientiert.
70Hilfsweise hat die Kammer darauf abgestellt, dass auch schuldlose Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers ausnahmsweise einen wichtigen Grund zur verhaltensbedingten Arbeitgeberkündigung darstellen können. Ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers kann die betriebliche Ordnung derart nachhaltig stören, dass dem Arbeitgeber eine Aufrechterhaltung dieses Zustandes selbst dann nicht zumutbar ist, wenn dem Arbeitnehmer seine Vertragspflichtverletzung nicht vorwerfbar ist. Stört der Arbeitnehmer durch eine schwere Tätlichkeit, schwerste Beleidigungen etc. schwerwiegend die betriebliche Ordnung, so muss der Arbeitgeber unter Umständen äußerst schnell hinreichende Maßnahmen ergreifen, um ein weiteres derartiges Fehlverhalten, das eine Weiterbeschäftigung des betreffenden Arbeitnehmers unzumutbar macht, durch eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit diesem Arbeitnehmer zu unterbinden. Für die oft nur durch Sachverständigengutachten mögliche Klärung der Frage, ob der Arbeitnehmer für sein Fehlverhalten auch voll verantwortlich ist, bleibt in derart gravierenden Fällen oft keine Zeit mehr. Das für die Abgrenzung zwischen verhaltensbedingter und personenbedingter Kündigung maßgebliche Schwergewicht der Störung liegt in solchen Fällen auch nicht in einer - bei langjähriger ordnungsgemäßer Arbeitsleistung oft fraglichen - fehlenden Eignung des Arbeitnehmers, sondern allein in den verschuldeten oder unverschuldeten Pflichtverstößen des Arbeitnehmers, die für die Zukunft weitere derartige Pflichtverstöße in einem unzumutbaren Ausmaß erwarten lassen. Gerade die Erkenntnis, dass auch der verhaltensbedingte Kündigungsgrund zukunftsgerichtet ist und deshalb die verhaltensbedingte Kündigung keinen Sanktionscharakter hat, legt es schließlich nahe, bei der Abgrenzung, ob zu erwartende Arbeitspflichtverletzungen des Arbeitnehmers seine Weiterbeschäftigung unzumutbar machen, von dem eher systemfremden Erfordernis abzusehen, es müsse ohne jede Einschränkung stets ein Verschulden des Arbeitnehmers vorliegen (vgl. BAG 21.01.1999 - 2 AZR 665/98 - NZA 1999, 863). Zwar hat sich das fragliche Geschehen in der Ausnahmesituation einer Betriebsfeier abgespielt. Gerade in Anbetracht der aus der Situation selbst unerklärlichen Rücksichtslosigkeit und Gewalttätigkeit im Vorgehen des Klägers war der Beklagten ein weiteres Abwarten und eine Klärung der Schuldfrage unzumutbar. Mit anderen Worten: Da sich das Verhalten des Klägers nicht als eine erklärliche Reaktion auf ein vorangegangenes Geschehen darstellte, konnte die Beklagte nicht hinreichend sicher ausschließen, dass es nicht auch in Zukunft bei anderen Konfliktsituationen am Arbeitsplatz zu einem solchen Verhalten des Klägers kommen würde.
71Zugunsten des Klägers hat die Kammer berücksichtigt, dass der Kläger nach seinem Vorbringen schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben wird, wobei ihn allerdings keinerlei Unterhaltspflichten treffen, sowie die lange Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen zuvor störungsfreier Verlauf. Für den Kläger spricht zwar zudem, dass er zunächst versucht hat, sich in der Auseinandersetzung um das Abschneiden der Krawatte deeskalierend zu verhalten, indem er versucht hat, sich bei den Damen, insbesondere Frau S., zu entschuldigen. Dabei hat die Kammer trotz der Aussage des Zeugen Q. zugunsten des Klägers unterstellt, dass der Kläger keine Verantwortung dafür trug, dass der Versuch einer Entschuldigung gescheitert ist. Die Kammer hat bei ihrer Entscheidung zudem zugunsten des Klägers unterstellt, dass der Zeuge Q. ihn nach der missglückten Entschuldigung (wiederum) beschimpft hat. Die Videoaufnahmen bestätigen zudem, dass dieser sich sodann in aggressiver Art und Weise auf den Kläger zu bewegt und erst in einem unangemessenen Abstand von jedenfalls unter 15 cm Gesichtsabstand - wenn auch deutlich nicht unmittelbar "Nase an Nase" - zum Stehen gekommen ist. Denn ein solcher Sachverhalt könnte allenfalls geeignet sein, dass sich die ersten folgenden Bewegungen des Klägers als jedenfalls kündigungsrechtlich akzeptable Handlungen ansehen lassen. Vom Zeugen Q. ist jedoch keinerlei körperlicher Angriff getätigt worden, der das weitere Verhalten des Klägers in einem anderen Licht hätte erscheinen lassen können. Mit anderen Worten: Der Zeuge mag den Kläger provoziert haben, jedoch nicht zu einem Verhalten, wie es der Kläger sodann gezeigt hat. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass es nur einem glücklichen Zufall zu verdanken ist, dass der Zeuge Q. keine Verletzung an den Augen erlitten hat. Selbst wenn der Kläger gezielt die Stirn des Zeugen treffen wollte, konnte er wie dargelegt nicht ausschließen, dass er den Zeugen nicht an der Stirn, sondern insbesondere im Bereich der Augen verletzte. Es handelt sich daher nicht nur um eine außergewöhnlich rücksichtslose Tätlichkeit mittels eines gefährlichen Tatwerkzeugs, sondern auch um eine solche mit einem ganz erheblichen Gefährdungspotential für die Gesundheit des Opfers. Aus den genannten Gründen fiel die Interessenabwägung auch nicht deshalb zugunsten des Klägers aus, weil er gesundheitlich beeinträchtigt war und ist. Bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung konnten die für den Kläger sprechenden Umstände zur Überzeugung der Kammer angesichts der festgestellten schweren Tätlichkeit mit erheblicher Verletzungsgefahr, welche sich zum Teil verwirklicht hat, jedoch nicht dazu führen, der Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers auch nur bis zum Ablauf der (fiktiven) Kündigungsfrist (31.12.2015) zuzumuten.
72An der Würdigung der Kammer ändert auch nichts, dass sich der Kläger bei dem Zeugen Q. entschuldigt hat. Weil es hierfür der Initiative des Betriebsrats bedurfte, lässt sich aus diesem Verhalten nicht erkennen, dass der Kläger selbst die Verantwortung für sein Tun übernommen und seine Pflichtwidrigkeit eingesehen hat. Dem entspricht, dass er versucht hat, sein Verhalten mittels Schutzbehauptungen in einem günstigeren Licht erscheinen zu lassen/zu entschuldigen und noch im Rechtsstreit daran festgehalten hat, er sei an der Sache "nicht schuld" gewesen, es habe sich um eine "nachvollziehbarer Reaktion" gehandelt. Auch hat er geäußert, Herr Q. habe seine Entschuldigung angenommen, weil dieser meine, schuld zu sein. Die spätere Entwicklung bestätigt daher, dass der Kläger bezogen auf seine Verantwortung für den festgestellten Sachverhalt uneinsichtig geblieben ist.
73Die Kündigung scheitert auch nicht an einer fehlenden Abmahnung oder mangels Wiederholungsgefahr. Wie dargelegt bedarf es bei einer wie hier vorliegenden schweren Tätlichkeit gegenüber einem Arbeitskollegen vor Ausspruch einer Kündigung regelmäßig keiner Abmahnung, da der Arbeitnehmer von vornherein weiß, dass der Arbeitgeber ein derartiges Fehlverhalten missbilligt. Selbst wenn die Berufungskammer unterstellt, dass eine konkrete Wiederholungsgefahr nicht bestand, machte der Beklagten die Rücksichtslosigkeit des Vorgehens und die Schwere der Tätlichkeit eine Weiterbeschäftigung des Klägers unzumutbar. Im vorliegenden Fall hat der Kläger zudem einen sich nicht wehrenden Arbeitskollegen in derart massiver Weise tätlich angegriffen, dass die Beklagte auch unter Berücksichtigung des Wohlverhaltens des Klägers während der vorangegangenen langjährigen Beschäftigung durchaus zu der Annahme berechtigt war, ein derartiges Fehlverhalten des Klägers könne sich wiederholen, z. B. wenn sich der Kläger wiederum - zu Recht oder zu Unrecht - durch einen Kollegen bei seiner Arbeit schikaniert oder sonst provoziert fühle (vgl. BAG 24.10.1996 - 2 AZR 900/95 - RzK I 5i Nr. 120, juris RN 17).
74Eine - wie beim hiesigen Kläger vorliegende - tarifliche ordentliche Unkündbarkeit ist im Rahmen der Interessenabwägung nicht weiter zu Gunsten des Arbeitnehmers zu werten (BAG 22.10.2015 - 2 AZR 569/14 - juris RN 20). Die Unkündbarkeit hat auf die Interessenabwägung keinen weiteren Einfluss, wenn ein Kündigungssachverhalt vorliegt, der - wie hier - so schwerwiegend ist, dass auch einem tariflich ordentlich kündbaren Arbeitnehmer fristlos hätte gekündigt werden können. Dies ergibt sich schon aus der Unabdingbarkeit des § 626 Abs. 1 BGB. Auch in diesen Fällen muss die Vertrauensgrundlage dermaßen schwer gestört sein, dass jede weitere Zusammenarbeit für den Arbeitgeber unzumutbar ist und es auf die Frage, wie lange das Arbeitsverhältnis noch dauerhaft - fiktiv - bestehen könnte, nicht ankommt. Eine außerordentliche fristlose Kündigung ist - auch ohne Gewährung einer Auslauffrist - stets dann gerechtfertigt, wenn es dem Arbeitgeber nicht einmal mehr zumutbar ist, den tariflich unkündbaren Arbeitnehmer nur bis zum Ablauf der "fiktiven� Kündigungsfrist der ordentlichen Beendigungskündigung des Arbeitsverhältnisses weiterzubeschäftigen (BAG 02.03.2006 - 2 AZR 53/05 - NZA-RR 2006, 636). Diese Voraussetzung ist wie dargelegt gegeben.
753. Die Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB unterliegt keinen Bedenken. Die Beklagte hat innerhalb der Zwei-Wochenfrist des § 91 Abs. 2 SGB IX beim Integrationsamt den Antrag auf Zustimmung zur Kündigung gestellt und unmittelbar nach Zustimmung die Kündigung erklärt. Insoweit hat auch der Kläger keinerlei Rügen erhoben.
76II. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Kündigung auch nicht wegen einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG unwirksam.
771. Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Gemäß Satz 2 der Bestimmung hat ihm der Arbeitgeber die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Nach Satz 3 ist eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung unwirksam. Der notwendige Inhalt der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG richtet sich nach Sinn und Zweck der Anhörung. Dieser besteht darin, den Betriebsrat in die Lage zu versetzen, sachgerecht, d. h. ggf. zugunsten des Arbeitnehmers auf den Arbeitgeber einzuwirken. Der Betriebsrat soll die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe überprüfen und sich über sie eine eigene Meinung bilden können. Die Anhörung soll dem Betriebsrat nicht die selbständige - objektive - Überprüfung der rechtlichen Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung, sondern ggf. eine Einflussnahme auf die Willensbildung des Arbeitgebers ermöglichen. Der Inhalt der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist deshalb grundsätzlich subjektiv determiniert. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt der Arbeitgeber dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat einen schon aus seiner eigenen Sicht unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt unterbreitet. Schildert er dem Betriebsrat bewusst einen unrichtigen oder unvollständigen - und damit irreführenden - Kündigungssachverhalt, der sich bei der Würdigung durch den Betriebsrat zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken kann, ist die Anhörung unzureichend und die Kündigung unwirksam. Die subjektive Überzeugung des Arbeitgebers von der Relevanz oder Irrelevanz bestimmter Umstände ist für den Umfang der Unterrichtung nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht maßgeblich, wenn dadurch der Zweck der Betriebsratsanhörung verfehlt würde. Der Arbeitgeber darf ihm bekannte Umstände, die sich bei objektiver Betrachtung zugunsten des Arbeitnehmers auswirken können, dem Betriebsrat nicht deshalb vorenthalten, weil sie für seinen eigenen Kündigungsentschluss nicht von Bedeutung waren. In diesem Sinne ist die Betriebsratsanhörung - ausgehend vom subjektiven Kenntnisstand des Arbeitgebers - auch objektiv, d. h. durch Sinn und Zweck der Anhörung determiniert (BAG 16.07.2015 - 2 AZR 15/15 - NZA 2016, 99). Eine nähere Begründung der den Kündigungsentschluss tragenden Abwägung ist wegen des Grundsatzes der subjektiven Determinierung hingegen regelmäßig nicht erforderlich. Die Anhörung zu der Absicht, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, impliziert eine Abwägung zu Lasten des Arbeitnehmers (BAG 23.10.2014 - 2 AZR 736/13 - NZA 2015, 476). Einer näheren Darlegung der Kündigungsgründe durch den Arbeitgeber bedarf es allerdings nicht, wenn der Betriebsrat bei Einleitung des Anhörungsverfahrens bereits über den erforderlichen Kenntnisstand verfügt, um zu der konkret beabsichtigten Kündigung eine sachgerechte Stellungnahme abgeben zu können Für die Wissenszurechnung ist grundsätzlich der Kenntnisstand der Personen maßgebend, die zur Entgegennahme von Erklärungen gemäß § 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG berechtigt sind. Der Betriebsrat muss sich also die Kenntnisse des Betriebsratsvorsitzenden vom Kündigungssachverhalt zurechnen lassen, sofern die diesem übermittelten Informationen in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der konkret beabsichtigten Kündigung standen (vgl. BAG 23.10.2008 - 2 AZR 163/07 - BB 2009, 1758 mwN).
782. Nach diesen Maßgaben erweisen sich sämtliche Rügen des Klägers als haltlos. Seine eigenen Einlassungen zum Sachverhalt waren der Betriebsratsvorsitzenden bekannt, da diese bei seiner Anhörung zugegen war, in der er nach eigenem Bekunden seine Darstellung des Sachverhalts umfassend und inklusive seiner gesundheitlichen Situation und der Vorgeschichte geäußert hat. Welche Umstände auch immer aus seiner Sicht für ihn sprachen: Diese waren daher dem Betriebsrat bekannt. Selbiges gilt für den Umstand, dass sich der Kläger bei Herrn Q. entschuldigt hat, da dieses Gespräch nicht nur auf Initiative, sondern auch in Anwesenheit der Betriebsratsvorsitzenden erfolgte. Der Beklagten kam es zudem - ersichtlich - nicht auf Einzelheiten des vorhergehenden Sachverhalts an. Sie hat ausdrücklich zum Ausdruck gebracht, dass sie die körperlichen Angriffe des Klägers unabhängig davon als Kündigungsgrund ansah, ob diesen verbale Attacken des Zeugen Q. vorausgegangen waren. Entsprechend hat sie auch nicht darauf abgestellt, dass sich nach ihrer Überzeugung das Vorgeschehen anders abgespielt habe, als der Kläger angegeben hat. Selbst wenn sie eine derartige Schlussfolgerung gezogen hätte, wäre hierdurch die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung nicht in Zweifel zu ziehen. Der Betriebsrat hatte aufgrund der Teilnahme an der Anhörung des Klägers alle Informationen und konnte sich ein eigenes Bild machen.
7980
C.
81Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO. Für die Zulassung der Revision bestand kein gesetzlich vorgesehener Anlass.
82R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :
83Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
84Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.
Tenor
-
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. November 2010 - 7 Sa 1052/09 - aufgehoben.
-
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, verhaltensbedingten Kündigung.
- 2
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Der 1969 geborene, ledige Kläger war seit dem 1. August 1985 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Seit dem 1. August 2008 war er in dem Ressort „OnSiteService“ (OSS) W, Team R, als Kundendiensttechniker im Außendienst im Einsatz. Er bezog zuletzt ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 3.000,00 Euro.
- 3
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Dem Kläger stand als alleinigem Nutzer ein Dienstfahrzeug ausschließlich zu dienstlichen Zwecken zur Verfügung. Er war angewiesen, vor Urlaubsantritt oder bei Arbeitsunfähigkeit den Fahrzeugschlüssel und das Fahrtenbuch im Betrieb abzugeben. Weil er dem anlässlich einer Arbeitsunfähigkeit und eines Urlaubs in der Zeit vom 19. November 2002 bis zum 25. Februar 2003 nicht nachgekommen war, mahnte die Rechtsvorgängerin der Beklagten ihn ab und sprach im Februar 2003 eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung aus. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage hatte Erfolg. Die Beklagte vermochte nicht zu beweisen, dass das Abmahnungsschreiben dem Kläger vor Ausspruch der Kündigung zugegangen war.
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Vor dem Antritt eines Urlaubs Ende Oktober 2008 hatte der Kläger den Schlüssel des Dienstfahrzeugs und das Fahrtenbuch erneut nicht im Betrieb hinterlegt. In einem Gespräch im November 2008 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass durch sein Fehlverhalten ein einem anderen Ressort zugeordneter Parkplatz in der Tiefgarage über drei Wochen lang durch sein Fahrzeug belegt gewesen sei. Die Beklagte wies den Kläger an, seine Fahrtenbuchmappe inklusive Tankkarte und Fahrzeugschlüssel ab sofort abends in seinem Fach zu hinterlegen sowie sich bei seinem Vorgesetzten bei Arbeitsbeginn an- und bei Arbeitsende abzumelden.
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Mit Schreiben vom 29. Januar 2009 ermahnte die Beklagte den Kläger nochmals, die Anweisungen einzuhalten. Gleichzeitig kündigte sie an, weitere arbeitsrechtliche Schritte einzuleiten, wenn bis zum 15. Februar 2009 keine Besserung erkennbar sei und er die Anweisungen weiterhin missachte. Der Kläger erhielt das Schreiben am 6. Februar 2009 von seinem Vorgesetzten. Am selben Abend nahm er die Kfz-Utensilien nach einer Spätschicht mit nach Hause. Der Vorgesetzte war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Betrieb anwesend. Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem Kläger ein Fach zur Verfügung stand, in dem er die Fahrzeugschlüssel hätte hinterlegen können.
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Vom 9. Februar 2009 an war der Kläger krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Ausweislich einer Aufstellung der Krankenkasse war er im Zeitraum vom 9. Februar 2009 bis zum 7. März 2009 aufgrund einer Gastritis sowie vom 9. bis 17. März 2009 an einer „sonstigen depressiven Episode“ erkrankt. Ab dem 17. März 2009 behandelte ihn der Psychiater Dr. L, der ihm ebenfalls eine „sonstige depressive Episode“ bescheinigte. In einem Attest seiner Hausärztin vom 1. Oktober 2010 heißt es, beim Kläger bestünden seit Jahren „massive Beschwerden vom Magen sowie von der Psyche her“. Insbesondere in der Zeit vom 9. Februar 2009 bis zum 7. März 2009 habe er unter Magenschmerzen, Tendenz zu sozialem Rückzug, Antriebsstörungen und Vermeidungshaltungen gelitten.
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Der Kläger zeigte seine Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht nahtlos an. Am 20. Februar 2009 versandte er per Einschreiben einen Brief mit ärztlichen Attesten für die Zeit vom 9. bis 21. Februar 2009. Dieser ging am Montag, dem 23. Februar 2009, bei der Beklagten ein. Am diesem Tag hatte der Kläger dienstfrei. Am 24. Februar 2009 rief er gegen 8:30 Uhr den Sachbearbeiter Einsatzsteuerung an und teilte ihm mit, nochmals einen Arzt aufsuchen zu wollen. Am späten Abend des Tages informierte er seinen Vorgesetzten per E-Mail darüber, dass seine Krankmeldung bis zum 28. Februar 2009 verlängert worden sei und er sie zu Händen einer Mitarbeiterin nach H geschickt habe.
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Der Kläger gab während seiner Erkrankung die Fahrzeugutensilien weder heraus, noch teilte er der Beklagten mit, wo sie sich befänden und wie eine Herausgabe sichergestellt werden könne. Den auf seinem Diensthandy hinterlassenen Rückrufbitten der Beklagten kam er nicht nach.
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Mit Schreiben vom 16. Februar 2009 und 18. Februar 2009 mahnte die Beklagte den Kläger wegen unzureichender Anzeige und fehlenden Nachweises seiner Arbeitsunfähigkeit sowie wegen mangelnder Herausgabe der Utensilien für das Dienstfahrzeug ab. Die Abmahnungen wurden am 17. Februar 2009 um 12:55 Uhr bzw. am 18. Februar 2009 um 16:45 Uhr in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen. Im Schreiben vom 16. Februar 2009 forderte die Beklagte den Kläger ua. auf, die Utensilien für das Dienstfahrzeug spätestens am 18. Februar 2009 abzugeben. Sollte er wegen Arbeitsunfähigkeit an der Abgabe der Gegenstände gehindert sein, habe er spätestens am 18. Februar 2009 mitzuteilen, wo sich die Gegenstände befänden, und eine Herausgabe sicherzustellen. Die Abmahnung vom 18. Februar 2009 enthielt eine entsprechende „letztmalige“ Aufforderung, dem spätestens bis zum Morgen des 20. Februar 2009 nachzukommen.
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Mit Schreiben vom 2. März 2009 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu ihrer Absicht an, das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zu kündigen. Der Betriebsrat widersprach dem.
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Mit Schreiben vom 9. März 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 31. Oktober 2009.
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Der Kläger hat gegen die Kündigung rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat behauptet, er habe in der Zeit vom 9. Februar 2009 bis 7. März 2009 an einer Tendenz zu sozialem Rückzug, Antriebsstörungen und Vermeidungshaltungen gelitten. Er habe sich in einer akuten depressiven Episode befunden, die durch völlige Antriebsschwäche gekennzeichnet gewesen sei. Aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigung sei er nicht in der Lage gewesen, wie von ihm verlangt zu handeln. Er sei der einzige Mitarbeiter, der jeden Abend die Kfz-Utensilien abgeben müsse. Alle anderen Kollegen dürften die Fahrzeuge mit nach Hause nehmen und für den Weg zur Dienststelle kostenfrei nutzen. Da das Fahrzeug ausschließlich von ihm genutzt werde, sei der Beklagten kein Nachteil entstanden. Die Beklagte habe auch längst einen Ersatzschlüssel anfertigen lassen können. Die Abmahnungen vom 16. und 18. Februar 2009 habe er erst am 21. Februar 2009 aus seinem Hausbriefkasten entnommen. Zudem lägen keine schwerwiegenden Pflichtverstöße vor, so dass die Kündigung unter Berücksichtigung seiner 24-jährigen Betriebszugehörigkeit sozial nicht gerechtfertigt sei. Wahrer Hintergrund für die Kündigung sei seine schwere Erkrankung, die zu häufigen Ausfallzeiten führe.
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Der Kläger hat beantragt
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 9. März 2009 nicht mit Ablauf des 31. Oktober 2009 aufgelöst worden ist.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe bewusst und beharrlich gegen ihm erteilte Weisungen verstoßen. Er sei offensichtlich nicht bereit, berechtigten Forderungen nachzukommen. Eine Beschäftigung im Innendienst sei nicht möglich, weil der Kläger vor einiger Zeit unter Vorlage eines betriebsärztlichen Attests die Beschäftigung im Außendienst verlangt habe. Zudem bestehe im Innendienst kein geeigneter freier Arbeitsplatz. Da sich der Kläger trotz Ermahnung und Abmahnungen weiterhin pflichtwidrig verhalten habe, sei für die Zukunft mit erneuten gleichartigen Pflichtverstößen zu rechnen. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihr nicht mehr zumutbar. Für eine Erkrankung, die ein schuldhaftes Verhalten des Klägers ausschließe, lägen keine ausreichenden Anhaltspunkte vor.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Klage nicht abweisen (I.). Die Sache ist nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif (§§ 561, 563 Abs. 3 ZPO). Ob die Kündigung vom 9. März 2009 gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt ist, steht noch nicht fest(II.). Die Kündigung ist nach den bisherigen Feststellungen jedenfalls nicht gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG rechtsunwirksam(II.).
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I. Das Landesarbeitsgericht durfte aufgrund seiner bisherigen Feststellungen nicht annehmen, die Kündigung vom 9. März 2009 sei iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt.
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1. Das Landesarbeitsgericht unterstellt die Anwendbarkeit von § 1 KSchG, ohne Feststellungen zur Betriebsgröße nach § 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 KSchG getroffen zu haben. Dies wird es im Fall des Fehlens einer sozialen Rechtfertigung nachzuholen haben.
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2. Die Begründung des Berufungsurteils hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
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a) Eine Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile angemessen erscheint (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 34, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 12, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 62 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 78). Ein nachhaltiger Verstoß des Arbeitnehmers gegen berechtigte Weisungen des Arbeitgebers stellt eine Vertragspflichtverletzung dar, die eine Kündigung zu rechtfertigen vermag (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 282/10 - Rn. 12, AP BGB § 626 Nr. 233 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 34; 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - Rn. 20, AP BGB § 626 Nr. 230 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 31; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 459 mwN). Ebenso kann eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gemäß § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers eine Kündigung rechtfertigen(vgl. zu § 626 Abs. 1 BGB: BAG 24. März 2011 - 2 AZR 282/10 - aaO; 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - aaO).
- 21
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b) Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob eine verhaltensbedingte Kündigung unter besonderen Umständen auch dann berechtigt sein kann, wenn das Verhalten dem Arbeitnehmer nicht vorwerfbar ist (vgl. bejahend APS/Dörner 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 276; Liebscher in Thüsing/Laux/Lembke 2. Aufl. KSchG § 1 KSchG Rn. 371; Linck in v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 475; differenzierend: MünchKommBGB/Hergenröder 5. Aufl. § 1 KSchG Rn. 193; ablehnend: HaKo/Fiebig 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 224; KR/Griebeling 9. Aufl. § 1 KSchG Rn. 395; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 1 Rn. 96; ErfK/Oetker 12. Aufl. § 1 KSchG Rn. 191). Die Beklagte hat derartige besondere Umstände nicht behauptet. Sie wirft dem Kläger ausschließlich Ordnungsverstöße ohne besondere, schwerwiegende Folgen vor. Unter diesen Umständen setzt eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses voraus, dass die Nichterfüllung der vertraglichen Pflichten dem Kläger vorwerfbar ist.
- 22
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c) Eine Pfichtverletzung ist vorwerfbar, wenn der Arbeitnehmer seine ihr zugrunde liegende Handlungsweise steuern konnte (ErfK/Oetker aaO Rn. 188). Ein Verhalten ist steuerbar, wenn es vom Willen des Arbeitnehmers beeinflusst werden kann (Linck aaO Rn. 461). Dies ist nicht der Fall, wenn dem Arbeitnehmer die Pflichterfüllung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen subjektiv nicht möglich ist (vgl. BAG 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 70, 262). Ist dies vorübergehend nicht der Fall, ist er für diese Zeit von der Pflichterfüllung befreit (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 71. Aufl. § 275 Rn. 10).
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d) Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast auch dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die das Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen lassen (vgl. BAG 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - BAGE 70, 262; 18. Oktober 1990 - 2 AZR 204/90 - zu II 3 a der Gründe, RzK I 10h Nr. 30). Der Umfang der ihm obliegenden Darlegungslast ist allerdings davon abhängig, wie sich der Arbeitnehmer auf einen bestimmten Vortrag einlässt (BAG 18. Oktober 1990 - 2 AZR 204/90 - zu II 3 b der Gründe, aaO). Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast darf sich der Arbeitgeber zunächst darauf beschränken, den objektiven Tatbestand einer Arbeitspflichtverletzung darzulegen. Er muss nicht jeden erdenklichen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund vorbeugend ausschließen (BAG 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - aaO). Will der Arbeitnehmer geltend machen, er sei aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen gehindert gewesen, seine Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen, muss er diese Gründe genau angeben. Beruft er sich auf krankheitsbedingte Gründe kann es erforderlich sein, dass er substantiiert darlegt, woran er erkrankt war und weshalb er deshalb seine Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllen konnte (vgl. BAG 18. Oktober 1990 - 2 AZR 204/90 - aaO).
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e) Gemessen an diesen Grundsätzen durfte das Landesarbeitsgericht aufgrund seiner bisherigen Feststellungen nicht davon ausgehen, der Kläger habe dadurch, dass er sich beharrlich rechtmäßigen Weisungen seines Arbeitgebers widersetzte, in vorwerfbarer Weise erhebliche Nebenpflichtverletzungen begangen.
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aa) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, es könne eine Verletzung der vertraglichen Pflicht des Klägers zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB darstellen, dem Verlangen der Beklagten nicht nachzukommen, während Abwesenheitszeiten aufgrund Urlaubs oder Arbeitsunfähigkeit die Schlüssel und das Fahrtenbuch für das Dienstfahrzeug herauszugeben. Die Möglichkeit, einen Zweitschlüssel für das Fahrzeug fertigen zu lassen, stand der Berechtigung des Verlangens nicht entgegen. Dem Kläger war das Dienstfahrzeug samt Utensilien nur zu dienstlichen Zwecken überlassen.
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bb) Revisionsrechtlich ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden, es sei unerheblich, dass dem Kläger als einzigem Mitarbeiter der Dienstwagen nicht auch zur privaten Nutzung überlassen worden war. Der Kläger hat keine Tatsachen dafür vorgetragen, dass es sich um eine unzulässige Maßregelung oder einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz handeln könnte.
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cc) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Kläger habe die Anweisungen der Beklagten, die Utensilien für das Dienstfahrzeug für die Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit herauszugeben bzw. mitzuteilen, wie eine Übergabe erfolgen könne, nicht befolgt und habe damit diese sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebende Pflicht objektiv nicht erfüllt.
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dd) Nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei auch den Anzeige- und Nachweispflichten im Zusammenhang mit seiner Arbeitsunfähigkeit nicht korrekt nachgekommen.
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(1) Die Beklagte hatte den Kläger mit den Abmahnungen vom 16. und 18. Februar 2009 darauf hingewiesen, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seinem Vorgesetzten oder dessen Stellvertreterin vorzulegen seien. Obgleich er jedenfalls am 21. Februar 2009 vom Inhalt der Abmahnungen Kenntnis genommen hatte, sandte der Kläger die Bescheinigung für den Zeitraum vom 21. bis zum 28. Februar 2009 nicht an den Vorgesetzten oder dessen Stellvertreterin, sondern zu Händen einer Mitarbeiterin nach H.
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(2) Auch hatte der Kläger die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit vorweg nicht unverzüglich angezeigt. Die Verpflichtung zur Anzeige nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG gilt nach dem Sinn und Zweck der Regelung für den Fall einer Fortdauer der Erkrankung entsprechend(ErfK/Dörner 12. Aufl. § 5 EFZG Rn. 19; HaKo-EFZR/Feichtinger 2. Aufl. § 5 EFZG Rn. 16; Kunz/Wedde EFZR 2. Aufl. § 5 EFZG Rn. 61; Lepke Krankheit als Kündigungsgrund 13. Aufl. Rn. 514; Schmitt EFZG 6. Aufl. § 5 Rn. 128 f. mwN). Nach der ausdrücklich Anweisung der Beklagten war auch die Anzeige gegenüber dem Vorgesetzten oder dessen Vertreterin vorzunehmen. Statt dessen zeigte der Kläger die voraussichtliche Fortdauer seiner Erkrankung am 24. Februar 2009 zunächst nur dem Sachbearbeiter „Einsatzsteuerung“ an. Seinen Vorgesetzten setzte er erst um 21:33 Uhr per E-Mail in Kenntnis.
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ee) Hingegen hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe in vorwerfbarer Weise gegen seine Vertragspflichten verstoßen, einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Kläger hat hinreichend substantiiert dargelegt, in der Zeit vom 9. Februar 2009 bis 7. März 2009 aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen zu einem pflichtgemäßen Verhalten nicht in der Lage gewesen zu sein. Auf der Grundlage seines Vorbringens war ihm die Erfüllung seiner Pflichten aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen subjektiv unmöglich, deren Nichterfüllung daher nicht vorwerfbar. Eine beharrliche Weigerung, die Pflichten zu erfüllen, lag unter den behaupteten Umständen nicht vor.
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(1) Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2010 vorgetragen, er habe sich im Zeitraum vom 9. Februar 2009 bis 7. März 2009 in einer akuten depressiven Episode befunden. Diese sei durch völlige Antriebsschwäche gekennzeichnet gewesen. Er habe unter Schlafstörungen und Erschöpfungszuständen gelitten, die ihn zeitweise tagelang ans Bett gefesselt hätten. Neben Antriebsstörungen habe er eine massive Tendenz zum sozialen Rückzug sowie eine Vermeidungshaltung aufgewiesen. Er sei in seiner Konzentrations- und Denkfähigkeit völlig eingeschränkt gewesen. Aufgrund dessen sei er nicht in der Lage gewesen, zu handeln wie von ihm verlangt. Er habe weder die Rückgabe des Schlüssels organisieren noch mit entsprechenden Personen Rücksprache halten können. Aufgrund seines Zustands habe er sogar vergessen, dass sich die Gegenstände überhaupt in seinem Besitz befunden hätten.
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(2) Trifft dies zu, war es dem Kläger aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen - und damit aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen - subjektiv nicht möglich, seine Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen. Der Kläger hat im einzelnen dargelegt, worunter er gelitten habe, so dass er seinen Pflichten nicht habe nachkommen können. Auch wenn sich eine solche Einschränkung der Handlungsfähigkeit nicht bereits aus den vorgelegten Attesten ergibt, ist das Vorbringen des Klägers erheblich. Der Kläger hat sich zum Beweis nicht nur auf die ärztlichen Bescheinigungen und das Zeugnis des ihn erst später behandelnden Dr. L berufen. Er hat außerdem Beweis angetreten durch das Zeugnis der Hausärztin, die ihn im fraglichen Zeitraum behandelt habe, und hat diese von der Schweigepflicht entbunden.
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(3) Die Behauptung des Klägers, er habe in der Zeit vom 9. Februar 2009 bis 7. März 2009 krankheitsbedingt nicht wie von ihm verlangt handeln können, ist durch seinen Anruf bei dem Sachbearbeiter am Morgen des 24. Februar 2009 und seine E-Mail an den Vorgesetzten am Abend desselben Tages nicht widerlegt. Zum einen hat er auch damit seine Anzeigepflichten nicht weisungsgerecht erfüllt. Zum anderen ist nicht ausgeschlossen, dass ihm gerade im Verhältnis zu seinem Vorgesetzten ein pflichtgemäßes Verhalten nicht möglich war.
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II. Die Rechtsverletzung, die die Begründung des Berufungsurteils ergibt, führt zu dessen Aufhebung. Das Urteil stellt sich nicht etwa aus anderen Gründen als richtig dar (§§ 561, 562 Abs. 1 ZPO). Dies wiederum führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 1, Abs. 3 ZPO).
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1. Ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist, kann der Senat nicht selbst entscheiden. Es steht noch nicht fest, ob dem Kläger die Nichterfüllung seiner Pflichten vorwerfbar ist. Das Landesarbeitsgericht wird der Beklagten Gelegenheit geben müssen, das Vorbringen des Klägers, eine ordnungsgemäße Pflichterfüllung sei ihm im fraglichen Zeitraum aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich gewesen, zu entkräften.
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2. Der Rechtsstreit ist auch nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif. Die Kündigung ist nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.
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a) Eine Kündigung ist gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht nur unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt zu beteiligen, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat, er insbesondere seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht ausreichend nachgekommen ist(BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 45, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - Rn. 13, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 163 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 26). An die Mitteilungspflicht sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen, wie an die Darlegung des Arbeitgebers im Prozess. Es gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - aaO; 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - aaO). Dagegen führt eine bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung zu einer fehlerhaften Anhörung (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - aaO; 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20 ). Zu einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Information des Betriebsrats gehört auch die Unterrichtung über dem Arbeitgeber bekannte und für eine Stellungnahme des Betriebsrats möglicherweise bedeutsame Tatsachen, die den Arbeitnehmer entlasten und deshalb gegen den Ausspruch einer Kündigung sprechen können (BAG 6. Februar 1997 - 2 AZR 265/96 - Rn. 19, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 85 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 96).
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b) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Betriebsratsanhörung nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden.
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aa) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, die Beklagte habe den Betriebsrat mit Schreiben vom 2. März 2009 zu der beabsichtigten Kündigung angehört, und hat den Inhalt des Anhörungsschreibens in Bezug genommen. Danach hat die Beklagte den Betriebsrat über alle Umstände unterrichtet, die aus ihrer Sicht für den Kündigungsentschluss relevant waren und den Sachverhalt hätten beeinflussen können. Dies galt auch für die Vorgänge aus dem Jahr 2003.
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bb) Die Beklagte musste sich im Rahmen der Anhörung des Betriebsrats nicht näher mit der „tatsächlichen Erkrankung“ des Klägers auseinandersetzen. Sie hatte den Betriebsrat im Anhörungsschreiben darüber informiert, dass der Kläger seit dem 9. Februar 2009 arbeitsunfähig krank war. Der Kläger hat nicht behauptet, die Beklagte habe schon vor Ausspruch der Kündigung davon gewusst, dass auch seine Handlungsfähigkeit eingeschränkt gewesen sei.
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cc) Die Anhörung des Betriebsrats ist nicht deshalb fehlerhaft, weil das Anhörungsschreiben „keinerlei entlastende Momente“ darlegt und über eine Anhörung des Klägers selbst nichts berichtet. Welche weiteren, der Beklagten bekannten und den Kläger entlastenden Tatsachen dem Betriebsrat nicht mitgeteilt worden sein sollen, ist nicht ersichtlich. Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist - abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall einer Verdachtskündigung - keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. Schon deshalb ist ihre Nichterwähnung unschädlich.
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c) Die Beklagte hat den Betriebsrat auch mit dem Hinweis auf ein „unentschuldigtes Fehlen“ des Klägers am 22. November 2008 subjektiv nicht falsch unterrichtet. Nach Auffassung der Beklagten war der Kläger an diesem Tag zur Arbeitsleistung verpflichtet.
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Kreft
Schmitz-Scholemann
Rachor
Söller
Baerbaum
Tenor
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12. Juni 2013 - 7 Sa 1878/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung.
- 2
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Der Kläger ist bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin seit 1996 als Kfz-Mechaniker tätig. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer.
- 3
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Am 27. Juli 2012 betrat der Kläger die Sozialräume der Beklagten, um sich umzuziehen. Er traf dort auf die ihm bislang unbekannte Mitarbeiterin eines externen Reinigungsunternehmens. Bei seinem Eintreffen lehnte diese - Frau M. - in der Tür zwischen Wasch- und Umkleideraum und unterhielt sich mit zwei Kollegen des Klägers, die sich im Waschraum befanden. Dorthin begab sich auch der Kläger. Nachdem die beiden Kollegen die Räumlichkeiten verlassen hatten, führten der Kläger - während er sich Hände und Gesicht wusch - und Frau M. ein Gespräch. In dessen Verlauf stellte diese sich zunächst vor das Waschbecken und anschließend neben den Kläger. Der Kläger sagte zu ihr, sie habe einen schönen Busen und berührte sie an einer Brust. Frau M. erklärte, dass sie dies nicht wünsche. Der Kläger ließ sofort von ihr ab. Er zog sich um und verließ den Sozialraum. Frau M. arbeitete weiter. Sie schilderte den Vorfall später ihrem Arbeitgeber, der seinerseits an die Beklagte herantrat.
- 4
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Am 31. Juli 2012 bat die Beklagte den Kläger zu einem Gespräch. Er gestand den Vorfall ein und erklärte, er habe sich eine Sekunde lang vergessen. „Die Sache“ tue ihm furchtbar leid. Er schäme sich, so etwas werde sich nicht wiederholen.
- 5
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Mit Schreiben vom 31. Juli 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich mit sofortiger Wirkung.
- 6
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In der Folge richtete der Kläger ein Entschuldigungsschreiben an Frau M. Er führte mit ihr unter Zahlung eines Schmerzensgelds einen Täter-Opfer-Ausgleich herbei. Frau M. nahm seine Entschuldigung an und versicherte, die Angelegenheit sei damit für sie erledigt. Sie habe kein Interesse mehr an einer Strafverfolgung. Das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
- 7
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Der Kläger hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat vorgetragen, er habe - subjektiv unstreitig - den Eindruck gehabt, Frau M. habe mit ihm geflirtet. Dann sei es zu einem plötzlichen „Blackout“ gekommen und er habe sich zu dem im Rückblick unverständlichen Übergriff hinreißen lassen. So unentschuldbar sein Fehlverhalten sei, so rechtfertige es doch keine außerordentliche Kündigung. Es habe sich um einen einmaligen „Ausrutscher“ gehandelt. Eine Abmahnung sei als Reaktion der Beklagten ausreichend gewesen.
- 8
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Der Kläger hat beantragt
-
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 31. Juli 2012 nicht aufgelöst worden ist.
- 9
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe durch seine Bemerkung und die anschließende Berührung zwei eigenständige sexuelle Belästigungen begangen. Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzungen sei die fristlose Kündigung gerechtfertigt. Sie - die Beklagte - sei verpflichtet, sowohl ihr eigenes als auch das weibliche Personal des externen Unternehmens vor weiteren sexuellen Belästigungen durch den Kläger zu schützen. Dessen Entschuldigungen seien lediglich unter dem Druck der ausgesprochenen Kündigung erfolgt.
- 10
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
- 11
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Die Revision ist unbegründet.
- 12
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A. Die außerordentliche Kündigung vom 31. Juli 2012 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.
- 13
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I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 39; 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 15, BAGE 146, 203).
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II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht einen „an sich“ wichtigen Grund angenommen. Der Kläger hat seine arbeitsvertraglichen Pflichten in erheblicher Weise verletzt. Er hat Frau M. sexuell belästigt.
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1. Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den konkreten Umständen, ua. von ihrem Umfang und ihrer Intensität (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 16 mwN).
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2. Der Kläger hat Frau M. sowohl verbal als auch körperlich sexuell belästigt.
- 17
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a) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch sexuell bestimmte körperliche Berührungen und Bemerkungen sexuellen Inhalts gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein etwa von Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen(BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 18 mwN).
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b) Bei der Aussage, Frau M. habe einen schönen Busen, handelte es sich nicht um ein sozialadäquates Kompliment, sondern um eine unangemessene Bemerkung sexuellen Inhalts. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts tragen indes - entgegen der Ansicht der Revision - nicht die Annahme, der Kläger habe zum Ausdruck bringen wollen, Frau M. stelle in anzüglicher Weise ihre Reize zur Schau oder solle dies für ihn tun (zu einem solchen Fall vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 21). In der anschließenden Berührung lag ein sexuell bestimmter Eingriff in die körperliche Intimsphäre von Frau M. Sowohl die Bemerkung als auch die folgende Berührung waren objektiv unerwünscht. Dies war für den Kläger erkennbar (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 22). Unmaßgeblich ist, wie er selbst sein Verhalten zunächst eingeschätzt und empfunden haben mag und verstanden wissen wollte (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 24). Mit seinen erkennbar unerwünschten Handlungen hat der Kläger iSv. § 3 Abs. 4 AGG die Würde von Frau M. verletzt und sie zum Sexualobjekt erniedrigt.
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III. Obschon der Kläger Frau M. sexuell belästigt hat, ist es der Beklagten zuzumuten, ihn weiter zu beschäftigen. Nach den Umständen des Streitfalls hätte eine Abmahnung als Reaktion von ihrer Seite ausgereicht.
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1. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen.
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a) Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 47; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 15 mwN).
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b) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist(BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 47; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 16).
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c) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird zudem durch § 12 Abs. 3 AGG konkretisiert. Danach hat der Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, zu denen auch sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG gehören, die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen - wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung - zu ergreifen. Welche Maßnahmen er als verhältnismäßig ansehen darf, hängt von den konkreten Umständen ab. § 12 Abs. 3 AGG schränkt das Auswahlermessen allerdings insoweit ein, als der Arbeitgeber die Benachteiligung zu „unterbinden“ hat. Geeignet iSd. Verhältnismäßigkeit sind daher nur solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, dh. eine Wiederholung ausschließen (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 28 mwN).
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d) Dem Berufungsgericht kommt bei der Prüfung und Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz lediglich daraufhin überprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 42 mwN).
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2. Das Landesarbeitsgericht hat die Abwägung fehlerfrei vorgenommen. Es hat die Kündigung als unverhältnismäßig angesehen. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, den Kläger vorrangig abzumahnen. Diese Würdigung liegt innerhalb des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums. Es liegen keine Umstände vor, die zu der Annahme berechtigten, selbst nach einer Abmahnung sei von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Die in Rede stehende Pflichtverletzung des Klägers wiegt auch nicht so schwer, dass eine Abmahnung aus diesem Grund entbehrlich gewesen wäre.
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a) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass eine Abmahnung nicht deshalb verzichtbar war, weil bereits ex ante erkennbar gewesen wäre, dass eine Verhaltensänderung auch nach Abmahnung in Zukunft nicht zu erwarten stand.
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aa) Es ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht unfähig sei, sein Verhalten zu ändern. Mit dem Hinweis auf einen unerklärlichen „Blackout“ wollte er ausdrücken, dass es sich bei seiner Handlungsweise um ein ihm wesensfremdes, einmaliges „Augenblicksversagen“ gehandelt habe. Es spricht nichts dafür, dass der Kläger sich noch einmal irrtümlich einbilden könnte, „angeflirtet“ zu werden, und auf eine solche Annahme erneut in vergleichbarer Weise reagieren müsste. Ersichtlich war er imstande, seine Fehleinschätzung sofort zu erkennen und entsprechend dieser Einsicht zu handeln, nämlich augenblicklich von Frau M. abzulassen.
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bb) Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Kläger auch nicht unwillig sei, sein Verhalten zu ändern.
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(1) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landesarbeitsgericht durchaus erkannt, dass es sich um eine mehraktige sexuelle Belästigung von sich steigernder Intensität gehandelt hat. Es ist allerdings angesichts des unstreitigen Geschehensablaufs von einer natürlichen Handlungseinheit ausgegangen und hat dem Kläger zugutegehalten, dass er sich über die Unerwünschtheit seines Verhaltens geirrt und dieses nach Erkennen seiner Fehleinschätzung sofort beendet habe. Daraus hat es den Schluss gezogen, der Kläger werde in dieser Weise künftig nicht mehr vorgehen und genauer zwischen eigenen Beobachtungen und subjektiven Schlussfolgerungen unterscheiden (vgl. dazu BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 43). Dies ist ohne Einschränkung vertretbar. Der Kläger hat nicht etwa notorisch Grenzen überschritten. Sein Verhalten ist nicht zu vergleichen mit dem des Klägers in der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 9. Juni 2011 (- 2 AZR 323/10 -). Dieser war bereits einschlägig abgemahnt und hatte einer Mitarbeiterin gleichwohl über mehrere Tage in immer neuen Varianten bei unterschiedlichsten Gelegenheiten trotz von ihm erkannter ablehnender Haltung zugesetzt und damit für diese ein Arbeitsumfeld geschaffen, in dem sie jederzeit mit weiteren entwürdigenden Anzüglichkeiten rechnen musste.
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(2) Das Landesarbeitsgericht hat sich aufgrund der gesamten Umstände des Streitfalls die Überzeugung iSv. § 286 Abs. 1 ZPO gebildet, bereits durch eine Abmahnung werde eine Wiederholung iSv. § 12 Abs. 3 AGG „ausgeschlossen“. Es hat diese Überzeugung darauf gestützt, dass es sich um den ersten Vorfall nach langjähriger, beanstandungsfreier Beschäftigung gehandelt und der Kläger in dem Gespräch am 31. Juli 2012 sein Fehlverhalten ohne Zögern eingeräumt habe, obwohl er es aufgrund der „Vier-Augen-Situation“ im Waschraum möglicherweise erfolgreich hätte abstreiten können. Aus seiner Erklärung im Personalgespräch mit der Beklagten, der Vorfall tue ihm furchtbar leid und er schäme sich dafür, hat es den Schluss gezogen, dass der Kläger über sein Verhalten ehrlich erschrocken gewesen sei. In diese Richtung wiesen auch das Entschuldigungsschreiben und die Herbeiführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs unter Zahlung eines Schmerzensgelds.
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(3) Die Revision setzt dieser vertretbaren Würdigung nur ihre eigene Bewertung entgegen. Rechtsfehler zeigt sie nicht auf. Ein solcher liegt nicht darin, dass das Landesarbeitsgericht entschuldigendes Verhalten berücksichtigt hat, das der Kläger erst auf Vorhalt der Beklagten und unter dem Eindruck einer - drohenden - Kündigung und eines - drohenden - Strafverfahrens gezeigt hat. Zwar wirkt sich „Nachtatverhalten“ vor Zugang der Kündigung unter diesen Umständen nur schwach entlastend aus (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 39). Jedoch kann es zumindest dann die Annahme fehlender Wiederholungsgefahr stützen, wenn es sich um die Fortsetzung einer zuvor gezeigten Einsicht handelt (zur Berücksichtigung nachträglich eingetretener Umstände vgl. allgemein BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 53, BAGE 134, 349). Das Landesarbeitsgericht durfte aufgrund seines Verhaltens nach der Zurückweisung durch Frau M. davon ausgehen, dass der Kläger noch vor dem Gespräch mit der Beklagten sein Fehlverhalten und dessen Schwere erkannt und - auch ausweislich seiner späteren Bemühungen - seine „Lektion“ schon von sich aus so weit gelernt hatte, dass eine Abmahnung ihr Übriges zum Ausschluss einer Wiederholungsgefahr getan hätte.
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b) Das Landesarbeitsgericht hat nicht ausdrücklich geprüft, ob es einer Abmahnung deshalb nicht bedurfte, weil es sich um eine solch schwere Pflichtverletzung handelte, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Beklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar war. In der Sache hat es diese Prüfung bei der abschließenden Interessenabwägung vorgenommen. Eine eigene Beurteilung durch das Revisionsgericht ist insoweit möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und - wie hier - alle relevanten Tatsachen feststehen (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 31 mwN).
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aa) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angeführt, dass es sich um eine einmalige Entgleisung gehandelt und der Kläger keinen Belästigungswillen gehabt habe. Er habe sich über die Unerwünschtheit seines Verhaltens geirrt (vgl. dazu BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 38).
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bb) Entgegen der Annahme der Revision hat das Landesarbeitsgericht den Irrtum des Klägers nicht für unverschuldet erachtet oder gar Frau M. für diesen verantwortlich gemacht. Es hat weder den Gesprächsinhalt als verfänglich eingestuft, noch Frau M. die räumliche Annäherung vorgeworfen. Es ist nicht davon ausgegangen, dass sie ihrerseits die Privatsphäre des Klägers tangiert oder ein „Umschlagen“ der Situation provoziert habe. Das Landesarbeitsgericht durfte indes auch eine vermeidbare Fehleinschätzung zugunsten des Klägers berücksichtigen (vgl. BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 44; 14. Februar 1996 - 2 AZR 274/95 - zu II 4 der Gründe).
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c) Da eine Abmahnung schon aus diesem Grunde nicht entbehrlich war, kommt es nicht mehr darauf an, dass das Landesarbeitsgericht auch die weitere Interessenabwägung angesichts des Irrtums über die Unerwünschtheit seines Verhaltens, der langen, beanstandungsfreien Beschäftigungszeit, des Einräumens der Pflichtverletzung trotz des Fehlens von Zeugen, der Entschuldigung und der Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs unter Zahlung eines Schmerzensgelds rechtsfehlerfrei zugunsten des Klägers vorgenommen hat. Das Beendigungsinteresse der Beklagten überwiegt nicht etwa aufgrund einer Drucksituation (vgl. dazu ErfK/Müller-Glöge 14. Aufl. § 626 BGB Rn. 185; ErfK/Oetker 14. Aufl. § 1 KSchG Rn. 142 ff.; Deinert RdA 2007, 275, 278). Es ist nicht ersichtlich, dass der Arbeitgeber von Frau M. als Auftragnehmer der Beklagten von dieser eine bestimmte Reaktion gegenüber dem Kläger gefordert hätte.
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B. Eine Umdeutung (§ 140 BGB) in eine ordentliche Kündigung kommt nicht in Betracht. Eine solche wäre durch das Verhalten des Klägers nicht iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen (vgl. BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 38).
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C. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
-
Kreft
Berger
Niemann
Krichel
Grimberg
(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
(2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Für die Entbehrlichkeit der Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und für die Entbehrlichkeit einer Abmahnung findet § 323 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechende Anwendung. Die Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und eine Abmahnung sind auch entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen.
(3) Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.
(4) Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen.
(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.
(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn
- 1.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 2.
der Schuldner die Leistung bis zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist nicht bewirkt, obwohl die termin- oder fristgerechte Leistung nach einer Mitteilung des Gläubigers an den Schuldner vor Vertragsschluss oder auf Grund anderer den Vertragsabschluss begleitenden Umstände für den Gläubiger wesentlich ist, oder - 3.
im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen.
(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.
(4) Der Gläubiger kann bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden.
(5) Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.
(6) Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist oder wenn der vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist.
Tenor
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12. Juni 2013 - 7 Sa 1878/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung.
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Der Kläger ist bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin seit 1996 als Kfz-Mechaniker tätig. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer.
- 3
-
Am 27. Juli 2012 betrat der Kläger die Sozialräume der Beklagten, um sich umzuziehen. Er traf dort auf die ihm bislang unbekannte Mitarbeiterin eines externen Reinigungsunternehmens. Bei seinem Eintreffen lehnte diese - Frau M. - in der Tür zwischen Wasch- und Umkleideraum und unterhielt sich mit zwei Kollegen des Klägers, die sich im Waschraum befanden. Dorthin begab sich auch der Kläger. Nachdem die beiden Kollegen die Räumlichkeiten verlassen hatten, führten der Kläger - während er sich Hände und Gesicht wusch - und Frau M. ein Gespräch. In dessen Verlauf stellte diese sich zunächst vor das Waschbecken und anschließend neben den Kläger. Der Kläger sagte zu ihr, sie habe einen schönen Busen und berührte sie an einer Brust. Frau M. erklärte, dass sie dies nicht wünsche. Der Kläger ließ sofort von ihr ab. Er zog sich um und verließ den Sozialraum. Frau M. arbeitete weiter. Sie schilderte den Vorfall später ihrem Arbeitgeber, der seinerseits an die Beklagte herantrat.
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-
Am 31. Juli 2012 bat die Beklagte den Kläger zu einem Gespräch. Er gestand den Vorfall ein und erklärte, er habe sich eine Sekunde lang vergessen. „Die Sache“ tue ihm furchtbar leid. Er schäme sich, so etwas werde sich nicht wiederholen.
- 5
-
Mit Schreiben vom 31. Juli 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich mit sofortiger Wirkung.
- 6
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In der Folge richtete der Kläger ein Entschuldigungsschreiben an Frau M. Er führte mit ihr unter Zahlung eines Schmerzensgelds einen Täter-Opfer-Ausgleich herbei. Frau M. nahm seine Entschuldigung an und versicherte, die Angelegenheit sei damit für sie erledigt. Sie habe kein Interesse mehr an einer Strafverfolgung. Das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
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Der Kläger hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat vorgetragen, er habe - subjektiv unstreitig - den Eindruck gehabt, Frau M. habe mit ihm geflirtet. Dann sei es zu einem plötzlichen „Blackout“ gekommen und er habe sich zu dem im Rückblick unverständlichen Übergriff hinreißen lassen. So unentschuldbar sein Fehlverhalten sei, so rechtfertige es doch keine außerordentliche Kündigung. Es habe sich um einen einmaligen „Ausrutscher“ gehandelt. Eine Abmahnung sei als Reaktion der Beklagten ausreichend gewesen.
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-
Der Kläger hat beantragt
-
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 31. Juli 2012 nicht aufgelöst worden ist.
- 9
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe durch seine Bemerkung und die anschließende Berührung zwei eigenständige sexuelle Belästigungen begangen. Aufgrund der Schwere der Pflichtverletzungen sei die fristlose Kündigung gerechtfertigt. Sie - die Beklagte - sei verpflichtet, sowohl ihr eigenes als auch das weibliche Personal des externen Unternehmens vor weiteren sexuellen Belästigungen durch den Kläger zu schützen. Dessen Entschuldigungen seien lediglich unter dem Druck der ausgesprochenen Kündigung erfolgt.
- 10
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet.
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A. Die außerordentliche Kündigung vom 31. Juli 2012 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.
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I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 39; 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 15, BAGE 146, 203).
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II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht einen „an sich“ wichtigen Grund angenommen. Der Kläger hat seine arbeitsvertraglichen Pflichten in erheblicher Weise verletzt. Er hat Frau M. sexuell belästigt.
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1. Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den konkreten Umständen, ua. von ihrem Umfang und ihrer Intensität (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 16 mwN).
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2. Der Kläger hat Frau M. sowohl verbal als auch körperlich sexuell belästigt.
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a) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch sexuell bestimmte körperliche Berührungen und Bemerkungen sexuellen Inhalts gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein etwa von Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen(BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 18 mwN).
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b) Bei der Aussage, Frau M. habe einen schönen Busen, handelte es sich nicht um ein sozialadäquates Kompliment, sondern um eine unangemessene Bemerkung sexuellen Inhalts. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts tragen indes - entgegen der Ansicht der Revision - nicht die Annahme, der Kläger habe zum Ausdruck bringen wollen, Frau M. stelle in anzüglicher Weise ihre Reize zur Schau oder solle dies für ihn tun (zu einem solchen Fall vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 21). In der anschließenden Berührung lag ein sexuell bestimmter Eingriff in die körperliche Intimsphäre von Frau M. Sowohl die Bemerkung als auch die folgende Berührung waren objektiv unerwünscht. Dies war für den Kläger erkennbar (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 22). Unmaßgeblich ist, wie er selbst sein Verhalten zunächst eingeschätzt und empfunden haben mag und verstanden wissen wollte (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 24). Mit seinen erkennbar unerwünschten Handlungen hat der Kläger iSv. § 3 Abs. 4 AGG die Würde von Frau M. verletzt und sie zum Sexualobjekt erniedrigt.
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III. Obschon der Kläger Frau M. sexuell belästigt hat, ist es der Beklagten zuzumuten, ihn weiter zu beschäftigen. Nach den Umständen des Streitfalls hätte eine Abmahnung als Reaktion von ihrer Seite ausgereicht.
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1. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen.
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a) Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Ver