Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 22. Dez. 2015 - 13 Sa 957/15

ECLI:ECLI:DE:LAGD:2015:1222.13SA957.15.00
bei uns veröffentlicht am22.12.2015

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 31.07.2015 - 11 Ca 1836/15 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 22. Dez. 2015 - 13 Sa 957/15

Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 22. Dez. 2015 - 13 Sa 957/15

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei
Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 22. Dez. 2015 - 13 Sa 957/15 zitiert 13 §§.

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(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

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(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

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Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 26 Vorsitzender


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(1) Die Satzung des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen hat Bestimmungen über die Gewährung vorübergehender finanzieller Hilfen an Krankenkassen vorzusehen, die für notwendig erachtet werden, um1.Vereinigungen von Krankenkassen zur Abwendung von

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Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. April 2012 - 5 Sa 2555/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

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Tenor 1.Die Klage wird abgewiesen. 2.Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger. 3.Der Streitwert wird auf 5.310,00 € festgesetzt. 1T a t b e s t a n d: 2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

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(1) Eingliederungshilfe erhält, wer die erforderliche Leistung nicht von anderen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

(2) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen, bleiben unberührt. Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil dieser Teil entsprechende Leistungen vorsieht; dies gilt insbesondere bei einer gesetzlichen Verpflichtung der Träger anderer Sozialleistungen oder anderer Stellen, in ihrem Verantwortungsbereich die Verwirklichung der Rechte für Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten oder zu fördern.

(3) Das Verhältnis der Leistungen der Pflegeversicherung und der Leistungen der Eingliederungshilfe bestimmt sich nach § 13 Absatz 3 des Elften Buches.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. April 2012 - 5 Sa 2555/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aus Anlass der Schließung der Beklagten.

2

Die Beklagte ist eine - in Abwicklung befindliche - sog. geöffnete Betriebskrankenkasse mit Hauptsitz in S. Sie beschäftigte im Juni 2011 etwa 400 Arbeitnehmer. An ihren Standorten H, B und S waren Personalräte, am Hauptsitz zudem ein Hauptpersonalrat gebildet.

3

Die im Jahr 1959 geborene Klägerin war seit Anfang 1991 beim Land Berlin als Sozialversicherungsfachangestellte beschäftigt. Im Jahr 1999 ging ihr Arbeitsverhältnis auf die Beklagte über. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Betriebskrankenkassen (MTV) Anwendung. Dieser enthält in § 20 Abs. 1 die Regelung, dass der Beschäftigten nach Vollendung des 50. Lebensjahres und einer zehnjährigen Beschäftigungszeit „nur aus einem in ihrer Person oder in ihrem Verhalten liegenden wichtigen Grund fristlos gekündigt werden“ kann. Die Klägerin verdiente zuletzt etwa 4.400,00 Euro brutto monatlich.

4

Mit Bescheid vom 4. Mai 2011 ordnete das Bundesversicherungsamt die Schließung der Beklagten zum 30. Juni 2011 an. Grund war deren Überschuldung und eine damit einhergehende dauernde Leistungsunfähigkeit.

5

Am 20. April und 4. Mai 2011 unterrichtete die Beklagte den Hauptpersonalrat über die bevorstehende Schließung. Sie teilte ihm ferner mit, dass sie beabsichtige, alle Arbeitsverhältnisse vorsorglich außerordentlich zum 30. Juni 2011, hilfsweise fristgemäß bzw. außerordentlich unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist zu kündigen. Der Hauptpersonalrat erhob dagegen Einwände.

6

Mit Schreiben vom 9. Mai 2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund der Schließung am 30. Juni 2011 enden werde. Ein ihr vom Landesverband der Betriebskrankenkassen unterbreitetes Angebot auf eine anderweitige Beschäftigung nahm die Klägerin nicht an.

7

Mit Schreiben vom 19. Mai 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien „vorsorglich“ außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30. Juni 2011, hilfsweise zum 31. Dezember 2011 als dem von ihr angenommenen „nächst möglichen Termin“.

8

Am 23. Juni 2011 schlossen die Parteien einen zunächst bis zum 30. Juni 2012 befristeten, sodann bis zum 31. Dezember 2012 verlängerten Arbeitsvertrag. Auf seiner Grundlage war die Klägerin ab dem 1. Juli 2011 als „Teamleiterin“ tätig.

9

Mit ihrer Klage hat sich die Klägerin gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund der Schließung und - rechtzeitig - gegen die Kündigung gewandt. Die Klägerin hat gemeint, ihr Arbeitsverhältnis sei nicht nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V beendet worden. Die Vorschrift müsse dahin ausgelegt werden, dass nur die Arbeitsverhältnisse derjenigen Arbeitnehmer beendet würden, die ein zumutbares Angebot auf anderweitige Unterbringung ausgeschlagen hätten. Ein solches sei ihr nicht unterbreitet worden. Die vorsorglich erklärte Kündigung sei unwirksam. Die Schließung habe nicht zur Stilllegung des Betriebs geführt. Die Beklagte habe über den Schließungszeitpunkt und den 31. Dezember 2011 hinaus Abwicklungsarbeiten durchgeführt. Auch sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.

10

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht am 30. Juni 2011 beendet worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 19. Mai 2011 nicht beendet worden ist.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, mit ihrer Schließung habe sie ihre Rechtspersönlichkeit als Körperschaft des öffentlichen Rechts verloren. Sie sei damit als Arbeitgeberin „untergegangen“. Schon dies habe unmittelbar zur Beendigung sämtlicher Arbeitsverhältnisse geführt. Zumindest habe das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft gesetzlicher Anordnung nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V sein Ende gefunden. Die Regelung sei verfassungskonform. Durch die unterschiedliche Behandlung der Beschäftigten einer Innungskrankenkasse und der einer Betriebskrankenkasse werde Art. 3 GG nicht verletzt. Die Unterscheidung sei nicht willkürlich. Die Sicherung eines funktionierenden gesetzlichen Gesundheitssystems stelle ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut dar. Das Interesse der Arbeitnehmer am Bestand ihrer Arbeitsverhältnisse müsse dahinter zurücktreten. Ein zumutbares Angebot auf anderweitige Unterbringung habe die Klägerin abgelehnt. Falls es darauf ankomme, sei die vorsorglich erklärte Kündigung wirksam. Aufgrund ihrer Schließung seien sämtliche Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen. Die befristete Weiterbeschäftigung der Klägerin ändere daran nichts. Das Gesetz überantworte die Abwicklung dem Vorstand. Sie beginne ganz ohne eigenes Personal. Auf der Grundlage konkreter Prognosen zum Beschäftigungsbedarf für die Dauer der Abwicklung würden sodann - wie mit der Klägerin - befristete Arbeitsverträge geschlossen.

12

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete am 30. Juni 2011 weder unmittelbar dadurch, dass mit der Schließung der Beklagten die Arbeitgeberin der Klägerin erloschen wäre, noch von Gesetzes wegen gemäß § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V iVm. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V. Es ist auch nicht durch die Kündigung(en) der Beklagten vom 19. Mai 2011 aufgelöst worden.

14

A. Die Revision der Beklagten ist hinsichtlich aller Streitgegenstände zulässig. Dass sie hinsichtlich der Entscheidung über den Antrag zu 2. nicht eigens begründet worden ist, ist unschädlich.

15

I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den vermeintlichen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Sie muss dazu eine Auseinandersetzung mit den tragenden Argumenten des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 120/12 - Rn. 17; 27. September 2012 - 2 AZR 811/11 - Rn. 12). Bei mehreren Streitgegenständen muss im Fall einer unbeschränkt eingelegten Revision grundsätzlich für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig. Eine eigenständige Begründung ist nur dann nicht erforderlich, wenn die Entscheidung über den einen Streitgegenstand notwendig von der Entscheidung über den anderen abhängt. Mit der Begründung der Revision über den einen Streitgegenstand ist dann zugleich dargelegt, dass die Entscheidung über den anderen unrichtig ist (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 811/11 - aaO; 9. April 1991 - 1 AZR 488/90 - zu I der Gründe, BAGE 68, 1).

16

II. In Anwendung dieser Grundsätze ist die Revision auch gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Kündigungsschutzantrag zu 2. zulässig. Zwar fehlt es insoweit an einer Auseinandersetzung der Beklagten mit dem Berufungsurteil. Dessen bedurfte es jedoch nicht. Erwiese sich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Antrag zu 1. als unrichtig, hätte also das Arbeitsverhältnis der Parteien schon aufgrund der Schließung der Beklagten geendet, wäre damit zugleich die Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag hinfällig.

17

1. Stehen mehrere Beendigungstatbestände in Rede und macht der Kläger die Unwirksamkeit der einzelnen Maßnahmen mittels Haupt- und unechten Hilfsantrags geltend, besteht zwischen den Anträgen ein prozessuales Abhängigkeitsverhältnis. Ein uneigentlicher Hilfsantrag wird gestellt für den Fall des Erfolgs des Hauptantrags. Die Rechtshängigkeit des Hilfsantrags ist demnach auflösend bedingt durch den Misserfolg des Hauptantrags (BAG 10. März 2009 - 1 ABR 93/07 - Rn. 50, BAGE 130, 1). Sie endet mit Bedingungseintritt rückwirkend, ohne dass es dafür eines besonderen gerichtlichen Ausspruchs bedürfte. Ein über den Hilfsantrag bereits ergangenes, noch nicht formell rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos (BAG 12. August 2008 - 9 AZR 620/07 - Rn. 15, BAGE 127, 214). Auch wenn sich der Revisionsangriff nur gegen die - stattgebende - Entscheidung über den Hauptantrag richtet, tritt in einem solchen Fall bei erfolgreicher - zur Abweisung dieses Antrags führender - Revision die auflösende Bedingung ein. Der erfolgreiche Angriff gegen die Entscheidung über den Hauptantrag reicht damit aus, um das angefochtene Urteil auch hinsichtlich des Hilfsantrags zu Fall zu bringen.

18

2. So liegt der Fall hier. Der Kündigungsschutzantrag zu 2. ist als unechter Hilfsantrag zu verstehen. Die Klägerin will sich gegen die Kündigung nur zur Wehr setzen, falls das Arbeitsverhältnis nicht schon durch die Schließung der Beklagten geendet hat.

19

a) Eine solchermaßen - auflösend - bedingte Antragstellung entspricht bei mehreren, zu unterschiedlichen Beendigungszeitpunkten erklärten Kündigungen dem (Kosten-)Interesse des Kündigungsempfängers. Sie trägt überdies der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Rechnung, nach der die Sozialwidrigkeit bzw. Unwirksamkeit einer Kündigung dann nicht festgestellt werden kann, wenn die Auflösung des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines anderen - vor oder gleichzeitig mit Ablauf der Kündigungsfrist wirkenden - Beendigungstatbestands zwischen den Parteien unstreitig oder sie rechtskräftig festgestellt ist (vgl. BAG 11. Februar 1981 - 7 AZR 12/79 - zu B II 1 der Gründe). Gegen die Zulässigkeit eines entsprechend bedingten Antrags bestehen keine Bedenken. Bei der fraglichen Bedingung handelt es sich um eine rein innerprozessuale Rechtsbedingung. Unter eine solche Rechtsbedingung kann jeder Klageantrag gestellt werden. Da der Antrag iSv. § 158 Abs. 2 BGB auflösend - und nicht etwa aufschiebend - bedingt ist, vermag er, rechtzeitig gestellt, auch die Klagefrist des § 4 Abs. 1 KSchG ohne Weiteres zu wahren.

20

b) Im Streitfall kommt hinzu, dass die Beklagte ihrerseits die Kündigung(en) vom 19. Mai 2011 nur „vorsorglich“ für den Fall erklärt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht bereits aufgrund der Schließung zum 30. Juni 2011 aufgelöst worden ist. Ihre Kündigungserklärung steht damit unter der - ebenfalls zulässigen - auflösenden Rechtsbedingung (§ 158 Abs. 2 BGB), dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses schon kraft Gesetzes eingetreten ist (vgl. für den Fall zweier Kündigungen BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 54/12 - Rn. 44). Tritt diese Bedingung ein, liegt schon eine Kündigungserklärung als solche nicht mehr vor. Eine gleichwohl aufrechterhaltene Kündigungsschutzklage ginge ins Leere und wäre unbegründet (vgl. BAG 16. Januar 1987 - 7 AZR 546/85 -). Auch aus diesem Grund ist der Kündigungsschutzantrag zu 2. als unechter Hilfsantrag zu verstehen, mit dem die Klägerin sich gegen die „vorsorglich“ erklärte(n) Kündigung(en) ihrerseits nur „vorsorglich“ wehrt (vgl. für das Ergebnis auch HaKo-KSchR/Gallner 4. Aufl. § 4 KSchG Rn. 64).

21

c) Falls schon die Schließung der Beklagten das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet hat, fallen somit - materiell-rechtlich - die Kündigungserklärung und - prozessrechtlich - der Feststellungsantrag zu 2. samt der zu ihm ergangenen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts fort. Es genügt damit ein - zulässiger - Revisionsangriff der Beklagten gegen die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, das Arbeitsverhältnis habe nicht schon kraft Gesetzes sein Ende gefunden, um das Berufungsurteil auch hinsichtlich der Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag in Frage zu stellen.

22

3. Unabhängig vom Stufenverhältnis der Klageanträge ist ein erfolgreicher Angriff der Beklagten gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Antrag zu 1. auch aus materiell-rechtlichen Gründen ausreichend, um die Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag hinfällig werden zu lassen. Hat das Arbeitsverhältnis schon aufgrund der Schließung der Beklagten geendet, kann die Kündigungsschutzklage gegen die - zum selben bzw. einem späteren Termin erklärte(n) - Kündigung(en) keinen Erfolg haben.

23

B. Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht für zulässig und begründet erachtet.

24

I. Die Klage ist zulässig.

25

1. Die Zulässigkeit der Klage setzt die Parteifähigkeit des Beklagten voraus. Die Beklagte ist parteifähig.

26

a) Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist (§ 50 Abs. 1 ZPO). Betriebskrankenkassen wie die Beklagte sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (§ 29 SGB IV, § 4 Abs. 1 und Abs. 2 SGB V). Sie sind damit - im Rahmen der ihnen zugewiesenen Aufgaben (vgl. Krauskopf/Baier SGB IV § 29 Rn. 5) - parteifähig (vgl. MüKoZPO/Lindacher 4. Aufl. § 50 Rn. 21). Streiten die Parteien gerade über die Existenz oder die Parteifähigkeit eines Prozessbeteiligten oder über die sich aus deren Erlöschen ergebenden Folgen, ist die Parteifähigkeit als Prozessvoraussetzung zu unterstellen (BAG 24. Juni 2004 - 2 AZR 215/03 - zu B I 1 b der Gründe; 31. August 1983 - 4 AZR 104/81 -; für eine Gebietskörperschaft BGH 21. Oktober 1971 - II ZR 90/68 - zu A I der Gründe). Das Zivilprozessrecht sieht für die Klärung von Rechtsansprüchen stets einen Prozess mit mindestens zwei Parteien vor. Dementsprechend muss auch die Frage, ob eine der Parteien rechtlich existent ist, inter partes geklärt werden können. Andernfalls wäre eine mit materieller Rechtskraft ausgestattete Entscheidung dieser Frage nicht möglich (BAG 24. Juni 2004 - 2 AZR 215/03 - aaO).

27

b) Danach ist hier die Parteifähigkeit der Beklagten jedenfalls zu fingieren. Die Parteien streiten über die Rechtsfolgen der Schließung der Beklagten für ihr Arbeitsverhältnis und über die Wirksamkeit der in diesem Zusammenhang ausgesprochenen Kündigung. Diese Fragen können einer der materiellen Rechtskraft fähigen Entscheidung nur zugeführt werden, wenn die Beklagte unabhängig davon, ob und ggf. inwieweit sie gem. § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V weiterhin rechtsfähig ist, als parteifähig gilt.

28

2. Gegen die Zulässigkeit der Anträge bestehen keine Bedenken.

29

a) Der Antrag zu 1. ist ein allgemeiner Feststellungsantrag iSv. § 256 Abs. 1 ZPO. In der Sache begehrt die Klägerin die Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten über den 30. Juni 2011 hinaus fortbesteht. Ob auch ein punktueller, dem Kündigungsschutzantrag iSv. § 4 Satz 1 KSchG nachgebildeter Antrag zulässig wäre, bedarf keiner Entscheidung(verneinend BAG 10. November 2011 - 6 AZR 357/10 - Rn. 13, BAGE 139, 376; 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 15, BAGE 125, 70).

30

b) Das auf Seiten der Klägerin erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben.

31

aa) Der Antrag betrifft den durch die Beklagte mit Verweis auf ihre Schließung in Frage gestellten Bestand des Arbeitsverhältnisses und damit das Bestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Er ist geeignet, den zwischen den Parteien bestehenden Streit umfassend zu klären.

32

bb) Der Antrag ist auch nicht lediglich auf die Klärung einer Frage gerichtet, die im Rahmen der Begründetheit des ebenfalls gestellten Kündigungsschutzantrags als Vorfrage ohnehin beantwortet werden müsste; ein rechtliches Interesse an einem eigenständigen Feststellungsbegehren wäre andernfalls nicht zu erkennen. Zwar kann der Kündigungsschutzantrag der Klägerin nur Erfolg haben, wenn das Arbeitsverhältnis jedenfalls bis zum Ablauf der mit der Kündigung verbundenen Auslauffrist(en) bestanden hat. Dies wiederum kann positiv nur festgestellt werden, wenn das Arbeitsverhältnis nicht schon am 30. Juni 2011 durch Schließung geendet hat. Das ist folglich auch im Rahmen des Kündigungsschutzantrags zu prüfen. Jedoch ist hier der allgemeine Feststellungsantrag als Haupt-, der Kündigungsschutzantrag als unechter Hilfsantrag gestellt worden. In diesem Fall kann ein Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO für den Hauptantrag nicht mit der Erwägung verneint werden, der mit ihm angegriffene Auflösungstatbestand sei auch im Rahmen des - möglicherweise gar nicht zu bescheidenden - Hilfsantrags zu überprüfen.

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II. Die Klage ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei weder aufgrund der Schließung der Beklagten noch durch die außerordentliche(n) Kündigung(en) vom 19. Mai 2011 beendet worden.

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1. Die Anträge sind nicht deshalb unbegründet, weil die Parteien bereits am 23. Juni 2011 einen für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis zum 30. Juni 2012 befristeten Arbeitsvertrag geschlossen und diesen später bis zum 31. Dezember 2012 verlängert haben. Damit haben sie weder ihr unbefristetes Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 30. Juni 2011 - konkludent - aufgehoben, noch hat die Klägerin auf ihr Recht verzichtet, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2011 bzw. 31. Dezember 2011 hinaus geltend zu machen. Ebenso wenig kann - umgekehrt - davon ausgegangen werden, die Parteien hätten sich mit den Befristungsabreden zugleich über eine einvernehmliche Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses über den Schließungszeitpunkt bzw. die Kündigungstermine hinaus verständigen wollen, so dass der Klage schon aus diesem Grund stattzugeben wäre. Ihr Wille war vielmehr darauf gerichtet, losgelöst vom Streitgegenstand der bereits anhängigen Klage eine Regelung über die befristete Weiterbeschäftigung der Klägerin zum Zwecke anstehender Abwicklungsarbeiten zu treffen. Das ergibt die Auslegung der Vereinbarungen. Diese kann der Senat - obgleich das Landesarbeitsgericht sie unterlassen hat - selbst vornehmen. Der Sachverhalt ist vollständig festgestellt, weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien steht nicht zu erwarten (vgl. dazu BAG 24. August 2011 - 7 AZR 228/10 - Rn. 53, BAGE 139, 109; 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 - Rn. 24 mwN, BAGE 135, 255).

35

a) Die Vereinbarungen über eine befristete Weiterbeschäftigung der Klägerin sollten nicht zur Aufhebung des zwischen den Parteien möglicherweise über den 30. Juni 2011 hinaus bestehenden Arbeitsverhältnisses führen. Sie wurden erst getroffen, nachdem die Klägerin die vorliegende Klage erhoben hatte. Die Klageschriften in den zunächst getrennt geführten Verfahren waren der Beklagten bei Vertragsschluss am 23. Juni 2011 bereits zugestellt. Sie musste deshalb - auch wenn dies nicht ihrer Auffassung entsprach - in Rechnung stellen, dass das unbefristete Arbeitsverhältnis über die im Kündigungsschreiben bezeichneten Auflösungstermine hinaus fortbestehen könnte. Die Klägerin durfte das Angebot auf Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags bzw. dessen Verlängerung deshalb so verstehen, dass damit das ursprüngliche Arbeitsverhältnis nicht aufgehoben werden sollte (für ähnliche Sachverhalte BAG 24. August 2011 - 7 AZR 228/10 - Rn. 51, BAGE 139, 109; 18. Juni 2008 - 7 AZR 214/07 - Rn. 12).

36

b) Umgekehrt konnte die Klägerin den ihr angetragenen Vereinbarungen nicht entnehmen, die Beklagte habe das ursprüngliche Arbeitsverhältnis über die strittigen Auflösungszeitpunkte hinaus einvernehmlich fortsetzen wollen. Dem widerspricht neben den Gesamtumständen die Präambel des befristeten Vertrags vom 23. Juni 2011. Dort hat die Beklagte ihre Auffassung zum Ausdruck gebracht, weder Rechtsnachfolgerin der geschlossenen Betriebskrankenkasse noch mit dieser identisch zu sein.

37

2. Die Klage ist auch nicht deshalb - zumindest teilweise - unbegründet, weil der Klägerin für den Fall der Schließung der Beklagten ein „Rückkehrrecht“ zum Land Berlin zustünde. Das gilt auch dann, wenn die Klägerin - wozu das Landesarbeitsgericht Feststellungen nicht getroffen hat - einen Anspruch auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags gegenüber dem Land bereits erhoben haben sollte (vgl. dazu BAG 15. Oktober 2013 - 9 AZR 572/12 - Rn. 28 ff.). Zum einen führte selbst die Realisierung dieses Anspruchs nicht ohne Weiteres zur Beendigung eines mit der Beklagten fortbestehenden unbefristeten Arbeitsverhältnisses. Zum anderen fehlt es an tatsächlichen Anhaltspunkten für die Annahme, dass es zur Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Land Berlin schon vor dem Wirksamwerden der Schließung der Beklagten oder dem Ende der Auslauffristen hätte kommen können. Das sieht die Beklagte offenbar selbst nicht anders. Sie beruft sich für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien nicht etwa auf eine der Klägerin erteilte Rückkehrzusage.

38

3. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht dadurch am 30. Juni 2011 geendet, dass die Beklagte zu diesem Zeitpunkt wegen ihrer Schließung nach § 153 SGB V erloschen und damit als Arbeitgeberin ipso iure weggefallen wäre.

39

a) Wird eine Betriebskrankenkasse gem. § 153 SGB V geschlossen, verliert sie ihre rechtliche Existenz als mit öffentlich-rechtlichen Befugnissen ausgestatteter Sozialversicherungsträger iSv. § 4 Abs. 1, Abs. 2 SGB V(vgl. Krauskopf/Baier SGB V § 155 Rn. 2). Deshalb enden sowohl die Mitgliedschaftsverhältnisse als auch die Ämter der Selbstverwaltungsorgane, etwa des Verwaltungsrats (vgl. Becker/Kingreen/Mühlhausen SGB V 3. Aufl. § 155 Rn. 12; Krauskopf/Baier SGB V § 155 aaO; LPK-SGB V/Hänlein 4. Aufl. § 155 Rn. 4). Dies führt jedoch nicht zum sofortigen Verlust ihrer Rechtspersönlichkeit als solcher. Gemäß § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V gilt die Betriebskrankenkasse vielmehr als fortbestehend, soweit es der Zweck der Abwicklung erfordert. In diesem Rahmen ist sie uneingeschränkt handlungsfähig und kann beispielsweise, wenn dieser Zweck es verlangt, auch neue Arbeitsverhältnisse begründen (Becker/Kingreen/Mühlhausen aaO Rn. 13, 14; Hänlein aaO Rn. 5; Krauskopf/Baier aaO Rn. 5). Erst mit vollständigem Abschluss der Abwicklung geht sie endgültig unter (vgl. LPK-SGB V/Hänlein 4. Aufl. § 155 Rn. 2).

40

aa) Bereits der Wortlaut des § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V macht deutlich, dass die Schließung der Betriebskrankenkasse nicht ihren sofortigen Untergang als Rechtssubjekt zur Folge hat. Die Vorschrift geht ersichtlich davon aus, dass es nach der Schließung noch der Abwicklung der Kasse bedarf. Sie fingiert zu diesem Zweck den Fortbestand der juristischen Person und damit ihre Fähigkeit, in diesem auf die Abwicklung beschränkten Rahmen weiterhin Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Offenkundig geht der Gesetzgeber davon aus, dass derjenige Rechtsträger, der die Abwicklungsaufgaben wahrnimmt, mit dem ursprünglichen identisch ist. Andernfalls könnte von einem „Fortbestehen“ nicht die Rede sein (vgl. Rolfs GuP 2013, 8, 11; dens. NZA 2013, 529, 532; Krauskopf/Baier SGB V § 155 Rn. 5). Die Auffassung, es entstehe mit der Schließung der Betriebskrankenkasse eine eigenständige „neue Körperschaft des öffentlichen Rechts in Abwicklung“ (Bohlen-Schöning KrV 2012, 101, 103; ähnlich Gutzeit NZS 2012, 361, 365), ist mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar (so im Ergebnis auch Rolfs NZA 2013, 529, 533; Wolter FS Bepler S. 675, 680).

41

bb) Auch aus dem Regelungszusammenhang ergibt sich, dass der Gesetzgeber von einer Kontinuität und Identität der juristischen Person ausgegangen ist. Gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 SGB V wickelt der bisherige Vorstand die Geschäfte ab. Er bleibt dabei bis zur vollständigen Abwicklung der Geschäfte im Amt. Die Aufsichtsbehörde bestellt gem. § 155 Abs. 1 Satz 3 SGB V einen Abwicklungsvorstand nur, wenn der alte Vorstand nicht mehr tätig wird.

42

cc) Der Fortbestand der juristischen Person für die Dauer ihrer Abwicklung entspricht zudem Sinn und Zweck von § 155 SGB V. Die Vorschrift soll die geordnete Beendigung der bestehenden Rechtsbeziehungen und die Erfüllung offener Verbindlichkeiten ermöglichen (Hauck/Noftz/Engelhard SGB V Bd. 4 K § 155 Rn. 9a). Beides setzt voraus, dass die ursprüngliche juristische Person jedenfalls für diese Zwecke fortbesteht. Andernfalls bedürfte es der Übertragung der verbliebenen Rechtsverhältnisse auf einen anderen Rechtsträger. Einen solchen Rechtsakt sieht das Gesetz nicht vor.

43

dd) Die Entstehungsgeschichte von § 155 SGB V belegt ebenfalls, dass die Betriebskrankenkasse als juristische Person erst nach ihrer vollständigen Abwicklung erlischt. Die Vorschrift wurde durch Art. 1 des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen(Gesundheits-Reformgesetz - GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2477) eingeführt. § 155 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 SGB V entspricht der Vorgängerregelung in § 301 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 RVO(vgl. BT-Drucks. 11/2237 S. 211). Nach § 302 Abs. 1 RVO wiederum endeten die Vertragsverhältnisse der Angestellten, Ärzte und Zahnärzte drei, nach dem Einführungsgesetz zur RVO teilweise zwölf Monate nach Mitteilung der bevorstehenden Schließung, frühestens aber im Zeitpunkt der tatsächlichen Schließung der Betriebskrankenkasse. Dementsprechend konnte die Beendigung der Vertragsverhältnisse ggf. auch erst nach der Schließung eintreten. Sie sollten bis zum Zeitpunkt ihrer Beendigung nach normalen Grundsätzen abgewickelt werden (Kühne Krankenversicherung 2. Aufl. § 302 RVO Nr. 2; Stier-Somlo Komm. zur RVO Bd. 1 § 302 Nr. 1). Daraus folgt, dass jedenfalls der Gesetzgeber der RVO nicht davon ausgegangen ist, die Rechtspersönlichkeit einer Betriebskrankenkasse erlösche ipso iure im Zeitpunkt ihrer Schließung. Dafür, dass der Gesetzgeber des SGB V dies anders gesehen hätte, gibt es keinen Anhaltspunkt. Im Übrigen bliebe andernfalls unerklärlich, warum es einer Regelung wie der des § 164 Abs. 4 SGB V bedurfte.

44

ee) Auch der zum Vergleich herangezogenen Vorschrift des § 49 Abs. 2 BGB - an die sich der Gesetzgeber bei der Schaffung der Regelungen zur Abwicklung von Betriebskrankenkassen angelehnt hat(vgl. Peters in HandB KV Bd. 4 § 155 SGB V Rn. 4 unter Bezugnahme auf S. 194 der Begründung zu § 314 RVO) - ist nicht zu entnehmen, dass Arbeitsverhältnisse mit dem Eintritt in das Liquidationsstadium „automatisch“ ihr Ende fänden. Durch § 49 Abs. 2 BGB wird die Rechtsfähigkeit des Vereins nicht bezüglich bestehender Rechte, sondern allenfalls für den Erwerb neuer Rechte eingeschränkt(BGH 22. März 2011 - IX ZR 373/98 - zu III 2 a aa der Gründe; Wolter FS Bepler S. 675, 680). An die Pflichten aus gegenseitigen Verträgen ist der Verein weiterhin so gebunden wie vor dem Eintritt in die Liquidationsphase. Die Kündbarkeit von Dauerschuldverhältnissen richtet sich in diesem Stadium nach allgemeinen Grundsätzen (MüKoBGB/Reuter 6. Aufl. § 49 Rn. 2 mwN; für die Beendigung von Tarifverträgen bei Auflösung einer Tarifvertragspartei vgl. BAG 23. Januar 2008 - 4 AZR 312/01 - Rn. 23, BAGE 125, 314).

45

ff) Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Betriebskrankenkassen privatrechtlicher Arbeitgeber, sondern auch für die Betriebskrankenkassen öffentlich-rechtlicher Verwaltungen (§ 156 SGB V). Beide unterliegen denselben Regeln. § 156 SGB V bestimmt, dass die §§ 147 bis 155 Abs. 4 SGB V für Dienstbetriebe von Verwaltungen des Bundes, der Länder, der Gemeindeverbände oder der Gemeinden entsprechende Anwendung finden. Es kann deshalb offenbleiben, ob die Beklagte trotz ihrer Fusion mit den Betriebskrankenkassen Ba und Be noch die Betriebskrankenkasse einer öffentlich-rechtlichen Verwaltung - wie wohl ursprünglich - ist.

46

gg) Aus dem Umstand, dass das Amt des Datenschutzbeauftragten bei der Fusion von Krankenkassen endet (BAG 29. September 2010 - 10 AZR 588/09 - Rn. 22 ff., BAGE 135, 327), folgt nichts anderes. Das Amtsende beruht auf den Besonderheiten des Datenschutzrechts und der Verpflichtung der aus der Fusion hervorgegangenen Krankenkasse, als „neue“ öffentliche Stelle einen Beauftragten für den Datenschutz schriftlich zu bestellen. Im Übrigen führt die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nicht etwa zu einer automatischen Beendigung der mit ihnen begründeten Rechtsverhältnisse. Gemäß § 144 Abs. 4 SGB V bestehen diese vielmehr mit der aus der Fusion hervorgegangenen Kasse fort(vgl. BAG 29. September 2010 - 10 AZR 588/09 - Rn. 25, BAGE 135, 327; BSG 2. Dezember 2004 - B 12 KR 23/04 R - zu 2 a der Gründe; jurisPK-SGB V/Koch 2. Aufl. § 144 Rn. 28).

47

b) Zur „Abwicklung der Geschäfte“ iSv. § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V gehört die „Versorgung“ des Personals einer geöffneten Betriebskrankenkasse iSv. § 173 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 SGB V(Becker/Kingreen/Mühlhausen SGB V 3. Aufl. § 155 Rn. 13; Hauck/Noftz/Engelhard SGB V Bd. 4 K § 155 Rn. 9). Bei den Arbeitsverhältnissen der betroffenen Mitarbeiter handelt es sich um - privatrechtliche - Rechtsbeziehungen, deren ordnungsgemäßer Beendigung oder Überleitung die Vorschrift dient. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der einzelne Arbeitnehmer für die Durchführung der Abwicklungsarbeiten benötigt wird oder nicht (aA Gutzeit NZS 2012, 361, 365). Bei den Regelungen in § 301, § 302 Abs. 1 RVO ging der Gesetzgeber davon aus, dass ggf. sämtliche Arbeitsverhältnisse über den Zeitpunkt der Schließung hinaus fortbeständen. § 301 RVO war nicht auf die Vertragsverhältnisse von Mitarbeitern beschränkt, die für die Abwicklung benötigt wurden. Dass der Gesetzgeber des SGB V eine solche Differenzierung hätte einführen wollen, ist nicht erkennbar.

48

4. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht mit Ablauf des 30. Juni 2011 kraft Gesetzes nach § 155 Abs. 4 Satz 9 iVm. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V geendet. Es war zum Schließungszeitpunkt gem. § 20 Abs. 1 MTV ordentlich nicht mehr kündbar. Bei sachgerechtem Verständnis der Regelungen in § 155 Abs. 4 Satz 9 iVm. § 164 Abs. 3, Abs. 4 SGB V hätte es deshalb allenfalls bei Ablehnung eines den Vorgaben des § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V genügenden Angebots geendet. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Die Beklagte hat nicht ausreichend dargetan, dass der Klägerin ein entsprechendes Angebot unterbreitet worden wäre. Das geht zu ihren Lasten.

49

a) Die Abwicklung der Geschäfte einer von der Aufsichtsbehörde geschlossenen Betriebskrankenkasse richtet sich nach § 155 SGB V. Gemäß § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V gilt - jedenfalls nach Schließung einer iSv. § 173 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 SGB V für Betriebsfremde geöffneten Betriebskrankenkasse - § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V entsprechend. Allerdings gilt § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V nur für Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis nicht durch ordentliche Kündigung beendet werden kann. Da die Klägerin zu diesem Personenkreis zählt, kommt es im Streitfall auf die gesetzliche Einschränkung nicht an.

50

b) Nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V enden die Vertragsverhältnisse der Beschäftigten von Innungskrankenkassen, die nicht nach Abs. 3 der Regelung untergebracht werden, mit dem Tag der Auflösung oder Schließung der Kasse. Vertragsgemäße Rechte, zu einem früheren Zeitpunkt zu kündigen, bleiben nach § 164 Abs. 4 Satz 2 SGB V unberührt.

51

aa) Gemäß § 164 Abs. 3 Satz 1 SGB V sind die Dienstordnungsangestellten verpflichtet, eine vom Landesverband der Innungskrankenkassen nachgewiesene dienstordnungsmäßige Stellung bei ihm oder einer anderen Innungskrankenkasse anzutreten, wenn die Stellung nicht in auffälligem Missverhältnis zu den Fähigkeiten der Angestellten steht.

52

bb) Den übrigen Beschäftigten ist nach § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V bei dem Landesverband der Innungskrankenkassen oder einer anderen Innungskrankenkasse eine Stellung anzubieten, die ihnen unter Berücksichtigung ihrer Fähigkeiten und bisherigen Dienststellung zuzumuten ist.

53

cc) In § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V ist bestimmt, dass jede Innungskrankenkasse verpflichtet ist, entsprechend ihrem Anteil an der Zahl der Versicherten aller Innungskrankenkassen „dienstordnungsmäßige Stellungen“ nach Satz 1 nachzuweisen und „Anstellungen“ nach Satz 3 anzubieten; die Nachweise und Angebote sind den Beschäftigten in geeigneter Form zugänglich zu machen.

54

c) Die Beendigung der Arbeitsverhältnisse mit Schließung der Kasse tritt nur ein, wenn den Betroffenen bei dem Landesverband der Betriebskrankenkassen oder einer Betriebskrankenkasse eine Stellung angeboten wurde, die den Vorgaben des § 164 Abs. 3 SGB V genügt, und sie ein solches Angebot abgelehnt haben. Nur in einem solchen Fall sind sie iSv. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V „nicht untergebracht“ worden. Das ergibt die Auslegung.

55

aa) Im Schrifttum werden die Regelungen in § 155 Abs. 4 Satz 9 iVm. § 164 Abs. 4 Satz 1, Abs. 3 Satz 3 SGB V insoweit uneinheitlich interpretiert.

56

(1) Zum Teil wird angenommen, das Arbeitsverhältnis ende, wenn eine Weiterbeschäftigung tatsächlich nicht erfolge. Die Vorschrift unterscheide nicht danach, ob und aus welchen Gründen es an einer Anschlussbeschäftigung fehle. Sie knüpfe lediglich an dieses Faktum an (Engelhard in Hauck/Noftz SGB V Bd. 4 K § 164 Rn. 36, 37; Peters in HandB KV Bd. 2 § 164 SGB V Rn. 12; Grau/Sittard KrV 2012, 6, 8; wohl auch Bohlen-Schöning KrV 2011, 85, 87; Hänlein in LPK-SGB V 4. Aufl. § 164 Rn. 9).

57

(2) Überwiegend wird die Ansicht vertreten, den Beschäftigten müsse erfolglos eine zumutbare Unterbringung nach § 164 Abs. 3 SGB V angeboten worden sein, um die Folge einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V auszulösen. Das Arbeitsverhältnis ende allenfalls bei Ablehnung der Weiterbeschäftigung auf einer solchen Stelle (Klimpe-Auerbach SozSich 2011, 270, 272; Rolfs GuP 2013, 8, 9; ders. NZA 2013, 529, 531; Wolter FS Bepler S. 675, 677; Dalichau SGB V Bd. 3 § 155 S. 21; ders. SGB V Bd. 3 § 164 S. 11; Székely in Brall/Kerschbaumer/Scheer/Westermann §§ 146a, 153, 155, 163, 164, 170, 171 SGB V Rn. 10; wohl auch Krauskopf/Baier SozKV Bd. 2 § 164 SGB V Rn. 22).

58

bb) Die zuletzt genannte Auffassung trifft im Ergebnis zu.

59

(1) Der Wortlaut des § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V ist für die zu beantwortende Frage allerdings wenig ergiebig. Dass die Vertragsverhältnisse der Beschäftigten, „die nicht nach § 164 Abs. 3 SGB V untergebracht werden“, mit dem Tag der Schließung der Kasse enden, lässt offen, ob nur die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten enden sollen, denen ein Angebot iSv. § 164 Abs. 3 SGB V erfolglos unterbreitet worden ist, oder auch die derjenigen, die ein solches Angebot nicht erhalten haben. Es ist sprachlich nicht ausgeschlossen, einen Beschäftigten auch dann als „nicht untergebracht“ anzusehen, wenn ihm eine Unterbringung gar nicht oder nicht zumutbar angeboten wurde. Der Wortsinn gibt beides her (so auch Wolter FS Bepler S. 675, 677).

60

(2) Schon der systematische Zusammenhang von Absatz 3 und Absatz 4 des § 164 SGB V spricht aber dafür, dass eine Beendigung der Arbeitsverhältnisse aufgrund Gesetzes nur dann eintreten soll, wenn dem Beschäftigten zuvor eine zumutbare anderweitige Stellung erfolglos angeboten worden ist.

61

(a) § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V nimmt auf Absatz 3 der Vorschrift Bezug. Die Regelungen stehen in einem untrennbaren Zusammenhang. Nur die Vertragsverhältnisse derjenigen Beschäftigten, „die nicht nach Absatz 3 untergebracht werden“, enden mit dem Tag der Schließung.

62

(b) § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V verpflichtet alle Kassen, entsprechend der Anzahl ihrer Versicherten „Anstellungen nach Satz 3 anzubieten“. Im Wortlaut des Gesetzes findet sich dabei kein Anhaltspunkt für die Annahme, es könnten sich einzelne Kassen unter bestimmten Voraussetzungen weigern, Personal - übersteige dies auch ihren Bedarf - aufzunehmen (vgl. Bohlen-Schöning KrV 2011, 85, 87 mwN). Die Gesetzesbegründung spricht für das Gegenteil. Mit § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V sollte der Verteilungsmodus für Weiterbeschäftigungsangebote unter den Kassen geregelt werden. Wegen des zunehmenden Wettbewerbs auch zwischen Krankenkassen derselben Kassenart könne nicht davon ausgegangen werden, dass diese über ein ausreichendes Selbstorganisationspotential verfügten, um den Beschäftigten einer behördlich geschlossenen Kasse Arbeitsplatzangebote in ausreichender Zahl zukommen zu lassen (BT-Drucks. 16/9559 S. 19). Der Gesetzgeber hat folglich die mögliche Überforderung einzelner Kassen durchaus erkannt und berücksichtigt (vgl. Mühlhausen in Becker/Kingreen SGB V 3. Aufl. § 164 Rn. 15; Klimpe-Auerbach SozSich 2011, 270, 272; Koch in jurisPK-SGB V 2. Aufl. § 164 Rn. 15; wohl auch Baier in Krauskopf/Baier SGB V § 164 Rn. 20). Gleichwohl hat er in § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V eine Verpflichtung zur Angebotsabgabe vorgesehen. Für die Annahme, die Verpflichtung könne wegen Überforderung einzelner Kassen entfallen - wenn auch mit der Folge, dass an ihre Stelle ein verschuldensunabhängiger Schadenersatzanspruch des betroffenen Beschäftigten trete (vgl. Grau/Sittard KrV 2012, 6, 8) - ist angesichts dessen kein Raum (so auch Wolter FS Bepler S. 675, 681). Zur Wahrung ihrer Wirtschaftlichkeit bleibt den Kassen nur die Möglichkeit, nach einer Personalübernahme ggf. Anpassungsmaßnahmen mit den Mitteln des Vertrags- und des Kündigungsrechts vorzunehmen (vgl. Bohlen-Schöning KrV 2011, 85, 87).

63

(c) Ist danach jedem Beschäftigten, dessen Arbeitsverhältnis ordentlich unkündbar ist, zwingend ein zumutbares Anstellungsangebot zu unterbreiten, spricht dies angesichts der Verknüpfung zwischen Abs. 3 und Abs. 4 des § 164 SGB V für ein Verständnis, demzufolge Beschäftigte nur dann „nicht untergebracht werden“, wenn sie ein solches Angebot zwar bekommen, aber abgelehnt haben. Dazu, dass Beschäftigte „nicht untergebracht werden“, kann es angesichts des Angebotszwangs typischerweise nur kommen, wenn diese sich weigern, untergebracht zu werden.

64

(3) Die Richtigkeit dieses Verständnisses folgt ferner aus Sinn und Zweck der Regelungen in § 155 Abs. 4 Satz 9, § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V.

65

(a) Die Bestimmungen in § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V(vormals § 173 Abs. 2 bis 4 SGB V idF des GRG vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) tragen nach dem Willen des Gesetzgebers den Interessen des von der Auflösung oder Schließung einer Innungskrankenkasse betroffenen Personals Rechnung. Es soll eine Übernahme der Beschäftigten zu denselben oder mindestens gleichwertigen Bedingungen erfolgen. Nur in Fällen, in denen eine Weiterbeschäftigung nicht möglich ist, sollen die Vertragsverhältnisse enden (vgl. die Begründung zu § 173 Abs. 3 bis 5 des Entwurfs, BT-Drucks. 11/2237 S. 212). „Nicht möglich“ ist die Weiterbeschäftigung mit Blick auf die nach § 164 Abs. 3 Satz 3(vormals § 173 Abs. 3 Satz 3) SGB V bestehende Angebotsverpflichtung aber nur, wenn der Beschäftigte eine entsprechende Offerte ausgeschlagen hat.

66

(b) Diesen Gedanken hat der Gesetzgeber bei der Einfügung des § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung(GKV-OrgWG) im Jahr 2008 aufgegriffen. Durch die entsprechende Anwendung von § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V sollten auch im Bereich der Betriebskrankenkassen die Beschäftigungsansprüche der Dienstordnungsangestellten - die es bei diesen Kassen allerdings gar nicht gibt - und die der übrigen Beschäftigten in unkündbarer Stellung insofern gesichert werden, als ihnen bei den anderen Betriebskrankenkassen eine ihrer bisherigen Stellung entsprechende Stelle anzubieten ist - so wie dies neben den Innungs- auch für die Ortskrankenkassen und generell als Folge von kassenartenübergreifenden Fusionen in § 171a SGB V bereits geregelt war(BT-Drucks. 16/9559 S. 19). Von einer „Sicherung der Ansprüche“ könnte schwerlich die Rede sein, wenn auch ohne Erfüllung dieser Verpflichtung aus § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V die Arbeitsverhältnisse im Schließungszeitpunkt nach § 155 Abs. 4 Satz 9 iVm. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V endeten.

67

(c) Die Gesetzesmaterialien enthalten keine Anhaltspunkte dafür, dass gleichwohl alle Vertragsverhältnisse unabhängig von einer Erfüllung des Unterbringungsanspruchs im Zeitpunkt der Schließung auslaufen sollten, etwa um der behördlich geschlossenen Kasse Planungssicherheit in der Abwicklungsphase zu geben oder die Leistungsfähigkeit des Kassenverbunds nicht zu gefährden (ebenso Rolfs GuP 2013, 8, 9 f., 12 und NZA 2013, 529, 531; aA Grau/Sittard KrV 2012, 6, 19; Gutzeit NZS 2012, 361, 366 und NZS 2012, 410, 413 f.). Bei einem solchen Regelungsziel bliebe überdies unklar, warum § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V überhaupt darauf abstellt, ob die Beschäftigten „untergebracht werden“. Es hätte dann näher gelegen, voraussetzungslos die Beendigung aller Arbeitsverhältnisse zum Schließungszeitpunkt vorzusehen. Im Übrigen wäre die Leistungsfähigkeit der Kassen angesichts der Haftungsregelungen in § 155 Abs. 4 SGB V auch dann betroffen, wenn den Arbeitnehmern - wie im Schrifttum vorgeschlagen - bei Nichterfüllung der Pflicht zur Abgabe eines zumutbaren Angebots Schadenersatzansprüche zuzubilligen wären. Der Einwand, wenn der Gesetzgeber die Unterbreitung eines Angebots vorausgesetzt hätte, hätte er sprachlich ebenso leicht eine Beendigung der Arbeitsverhältnisse auf diejenigen Arbeitnehmer beschränken können, die ein zumutbares Stellenangebot nicht annähmen, trägt demgegenüber nicht. Die Formulierung in § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V soll ersichtlich beide Alternativen des Unterbringungsverfahrens nach § 164 Abs. 3 SGB V erfassen: den Nachweis einer „dienstordnungsmäßigen Stellung“ gegenüber Dienstordnungsangestellten - die diese anzunehmen verpflichtet sind - nach den Sätzen 1 und 2 der Bestimmung und das Angebot einer „Stellung“ gegenüber den übrigen Arbeitnehmern nach Satz 3. Auf die erste Alternative passt aber die hypothetische Formulierung nicht.

68

(d) Die andere Lesart von § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V ist auch nicht deshalb geboten, weil der Gesetzgeber die Anregung des BKK-Bundesverbands in dessen Stellungnahme zum GKV-OrgWG nicht aufgegriffen hat, die Regelung eben dahin zu fassen, dass die Beendigung nur eintrete, wenn eine Beschäftigung nach § 164 Abs. 3 SGB V abgelehnt werde(Ausschussdrucks. 16(14)0410(30) vom 17. September 2008 S. 3). Nach dem eigenen Bekunden des Verbands sollte dies lediglich der Klarstellung dienen, nicht aber eine sachliche Änderung der gesetzlichen Bestimmung bewirken.

69

(e) Die Verpflichtung zur Unterbringung ist zudem Ausdruck des Umstands, dass die Schließung bei kassenübergreifender Betrachtung nicht zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs führt. Die Versicherungsverträge der bei der geschlossenen Kasse versicherten Personen müssen „im System“ der gesetzlichen Krankenkassen weiterhin verwaltet werden. Dementsprechend sieht das Gesetz auch für andere Fälle von Strukturänderungen im Kassenwesen unabdingbare Verpflichtungen zur Übernahme des Personals vor, so bei freiwilligen Vereinigungen von Kassen in § 144 Abs. 4 Satz 2 SGB V, bei Ablehnung der Kostenübernahme durch den Arbeitgeber in § 147 Abs. 2 Satz 4 ff. SGB V und bei der Umwandlung der Bundesverbände in Gesellschaften des bürgerlichen Rechts in §§ 212, 213 SGB V.

70

(4) Mögliche praktische Schwierigkeiten bei der Durchführung des Verfahrens zur Unterbringung der Beschäftigten nach § 164 Abs. 3 Satz 3, Satz 4 SGB V sind nicht geeignet, das Ergebnis der Auslegung, die Beendigung nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V setze die Unterbreitung eines zumutbaren Stellenangebots voraus, in Frage zu stellen. Sie bestehen unabhängig davon, unter welchen Voraussetzungen die Beendigung nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V eintritt, will man nicht annehmen, dass Abs. 3 Satz 3 und 4 der Bestimmung gar nicht praktisch beachtet werden muss. Zudem hat es die Aufsichtsbehörde bei der Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem die Schließung wirksam werden soll, nach § 153 Satz 2 SGB V in der Hand, auf eine ggf. „zeitkritische Dimension“ (Bohlen-Schöning KrV 2011, 85, 87) des Unterbringungsverfahrens Bedacht zu nehmen. Durch § 172 SGB V ist ferner sichergestellt, dass der zuständige Landesverband von der drohenden Schließung Kenntnis erlangt. Er kann damit rechtzeitig geeignete Vorkehrungen mit Blick auf die Verpflichtungen aus § 164 Abs. 3 SGB V treffen. Im Übrigen wäre auch der - von der Beklagten favorisierte - Weg, bei Nichterfüllung der Verpflichtung zur Unterbreitung von Stellenangeboten zwar die Beendigung der Arbeitsverhältnisse, aber zugleich die Entstehung von Schadenersatzansprüchen anzunehmen, mit ähnlichen Schwierigkeiten verbunden. So wäre insbesondere fraglich, gegen wen sich der Anspruch richten soll und wie sich ein Schaden bemisst. Die damit verbundenen Risiken müsste der Arbeitnehmer tragen, obwohl nach dem Willen des Gesetzgebers „eigentlich“ dessen tatsächliche Weiterbeschäftigung gesichert werden sollte.

71

(5) Angesichts dessen kann offenbleiben, ob nicht mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG eine verfassungskonforme Auslegung in jedem Fall zu dem Ergebnis kommen müsste, dass nach § 155 Abs. 4 Satz 9 iVm. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V eine Beendigung der ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisse von Kassenbeschäftigten nur eintreten soll, wenn diese ein iSv. § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V zumutbares Angebot zur Weiterbeschäftigung bei einer anderen Kasse oder beim zuständigen Landesverband abgelehnt haben(vgl. dazu Boemke jurisPR-ArbR 38/2012 Anm. 2; dens. jurisPR-ArbR 25/2012 Anm. 4).

72

d) Der Klägerin wurde ein zumutbares Angebot iSv. § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V vor Schließung der Beklagten nicht unterbreitet. Es kann deshalb dahinstehen, ob die gesetzliche Anordnung der Beendigung von ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnissen der Kassenbeschäftigten jedenfalls in solchen Fällen verfassungsgemäß ist, in denen diese ein zumutbares Angebot nicht angenommen haben (dazu Rolfs GuP 2013, 8, 10; ders. NZA 2013, 529, 531, 534 ; Wolter FS Bepler S. 675, 686; Gutzeit NZS 2012, 410, 414: zur generellen Verfassungskonformität der Regelungen in § 155 Abs. 4 Satz 9, § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Zwar wurde der Klägerin die Weiterbeschäftigung bei einem der nach § 164 Abs. 3 SGB V infrage kommenden Träger der Sozialversicherung angeboten. Keine der Parteien hat aber vorgetragen, welchen Inhalt das Angebot hatte. Dies geht zu Lasten der Beklagten. Das Landesarbeitsgericht durfte aus diesem Grund ohne weitere Sachprüfung vom Fehlen der Voraussetzungen für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V ausgehen.

73

aa) Die Darlegungs- und Beweislast für die Unterbreitung eines zumutbaren Angebots iSv. § 164 Abs. 3 Satz 3, Satz 4 SGB V trifft die Krankenkasse, soweit sie sich - wie hier die Beklagte - auf die Beendigungswirkung des § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V berufen will.

74

(1) Dies folgt aus den allgemeinen Grundsätzen des Prozessrechts. Danach trägt die Darlegungslast diejenige Partei, die sich auf eine für sie günstige Rechtsfolge beruft. Es folgt ferner aus dem Ausnahmecharakter der fraglichen Regelung: Es enden lediglich die Vertragsverhältnisse derjenigen Beschäftigten, „die nicht nach Abs. 3 untergebracht werden“.

75

(2) Schutzwürdige Belange der Beklagten stehen dem nicht entgegen. Als die von der Schließung betroffene Krankenkasse steht sie in einem engen und unmittelbaren Kontakt mit den infrage kommenden Arbeitgebern, insbesondere dem zuständigen Landesverband. Diesem obliegt es, die Angebote zu koordinieren. Die Verpflichtung aus § 164 Abs. 3 Satz 4 Halbs. 2 SGB V, das Angebot „den Beschäftigten in geeigneter Form zugänglich zu machen“, nimmt - jedenfalls auch - die Beklagte als die von der Schließung betroffene Kasse in den Blick. Sie muss deshalb darlegen, dass der gesetzlichen Anforderung Genüge getan ist. Erst wenn sie dieser Obliegenheit nachgekommen ist, kann eine prozessuale Verpflichtung des Arbeitnehmers in Betracht kommen aufzuzeigen, in welchen Punkten das Angebot den Vorgaben des § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V - etwa mit Blick auf vorteilhaftere Beschäftigungsmöglichkeiten beim Landesverband oder anderen Betriebskrankenkassen - unzumutbar sein soll, sofern nicht die Unzumutbarkeit offen zutage tritt(zur abgestuften Darlegungslast vgl. BAG 27. September 2012 - 2 AZR 516/11 - Rn. 28, BAGE 143, 177).

76

bb) Die Beklagte hat ihrer Darlegungslast nicht genügt. Zwar steht fest, dass die Klägerin ein ihr unterbreitetes Angebot ausgeschlagen hat. Sie hatte sich jedoch auf dessen Unzumutbarkeit berufen. Es war deshalb Sache der Beklagten, zunächst den konkreten Inhalt des Angebots darzutun. Dieser Verpflichtung ist sie - obwohl in den Vorinstanzen ausdrücklich hierzu aufgefordert - nicht nachgekommen. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die entsprechende Darlegung sei der Beklagten möglich gewesen. Es hat in diesem Zusammenhang auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 und § 3 Abs. 1 der Satzung des BKK-Landesverbands Baden-Württemberg und die sich daraus ergebende Auskunftspflicht gegenüber der Beklagten verwiesen. Dem ist die Revision nicht entgegengetreten.

77

cc) Damit kann offenbleiben, unter welchen Voraussetzungen eine angebotene Stellung den Beschäftigten iSv. § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V „unter Berücksichtigung ihrer Fähigkeiten und bisherigen Dienststellung zuzumuten ist“(dazu Grau/Sittard KrV 2012, 6, 7; Peters in HandB KV Bd. 4 § 164 SGB V Rn. 10; Boemke jurisPR-ArbR 25/2012 Anm. 4) und bis wann das Angebot zu erfolgen hat (dazu Jahn/Klose SGB V § 164 Rn. 26).

78

dd) Auf die befristete Weiterbeschäftigung der Klägerin kommt es nicht an. Eine solche Beschäftigung genügt nicht den Anforderungen des § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V. Ein Angebot im Sinne dieser Vorschrift liegt auch nicht in dem Hinweis der Beklagten, die Klägerin könne von einem Rückkehrrecht zum Land Berlin Gebrauch machen. Die Regelungen in § 164 Abs. 3 SGB V zielen nicht auf eine Weiterbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber als einer gesetzlichen Krankenkasse.

79

5. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat weder aufgrund der außerordentlichen Kündigung vom 19. Mai 2011 mit Wirkung zum 30. Juni 2011 noch aufgrund der zeitgleich erklärten außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist bis zum 31. Dezember 2011 bzw. „nächst möglichen Termin“ geendet.

80

a) Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen ist gegenüber einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich unwirksam. Sie setzt voraus, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist. Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber ist es, wenn eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen entfällt, selbst im Insolvenzfall zuzumuten, die Kündigungsfrist einzuhalten (BAG 24. Januar 2013 - 2 AZR 453/11 - Rn. 22 mwN). Ist die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung - wie im Streitfall - ausgeschlossen, kann der Arbeitgeber aber berechtigt sein, eine außerordentliche Kündigung mit einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist zu erklären, wenn er den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für erhebliche Zeiträume vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde (BAG 24. Januar 2013 - 2 AZR 453/11 - Rn. 22; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 17).

81

b) Danach liegt hier ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB iVm. § 20 Abs. 1 MTV nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe im Kündigungszeitpunkt nicht von einem Wegfall des Beschäftigungsbedarfs für die Klägerin ausgehen dürfen. Dies zeige schon deren am 23. Juni 2011 vereinbarte befristete Weiterbeschäftigung. Die Beschäftigung sei sogar auf eine Zeit über den 31. Dezember des Jahres 2012 hinaus ausgerichtet gewesen. Diese Würdigung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Wegen der Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung fehlt es bereits an den Voraussetzungen, unter denen eine ordentliche Kündigung iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG als sozial gerechtfertigt angesehen werden könnte. Umso weniger kann eine außerordentliche Kündigung - selbst bei Einhaltung einer Auslauffrist - Bestand haben.

82

C. Als unterlegene Partei hat die Beklagte gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Berger    

        

        

        

    Bartz    

        

    Grimberg    

                 

(1) Die Satzung des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen hat Bestimmungen über die Gewährung vorübergehender finanzieller Hilfen an Krankenkassen vorzusehen, die für notwendig erachtet werden, um

1.
Vereinigungen von Krankenkassen zur Abwendung von Haftungsrisiken zu erleichtern oder zu ermöglichen sowie
2.
die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit einer Krankenkasse zu erhalten.
Näheres über Voraussetzungen, Umfang, Dauer, Finanzierung und Durchführung der Hilfen regelt die Satzung des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen. Die Satzungsregelungen werden mit 70 Prozent der Stimmen der Mitglieder des Verwaltungsrates beschlossen.

(2) Der Antrag auf Gewährung einer finanziellen Hilfe nach Absatz 1 kann nur von der Aufsichtsbehörde gestellt werden. Der Vorstand des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen entscheidet über die Gewährung der Hilfe nach Absatz 1. Die Hilfen können auch als Darlehen gewährt werden. Sie sind zu befristen und mit Auflagen zu versehen, die der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit dienen.

(3) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen macht die zur Finanzierung der Hilfen erforderlichen Beträge durch Bescheid bei seinen Mitgliedskassen mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkasse geltend. Bei der Aufteilung der Finanzierung der Hilfen ist die unterschiedliche Leistungsfähigkeit der Krankenkassen angemessen zu berücksichtigen. Klagen gegen die Bescheide, mit denen die Beträge zur Finanzierung der Hilfeleistungen angefordert werden, haben keine aufschiebende Wirkung. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann zur Zwischenfinanzierung der finanziellen Hilfen ein nicht zu verzinsendes Darlehen in Höhe von bis zu 350 Millionen Euro aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds nach § 271 Absatz 2 aufnehmen; § 167 Absatz 6 Satz 2 bis 6 gilt entsprechend.

(4) Ansprüche und Verpflichtungen auf Grund des § 265a in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung bleiben unberührt.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 19. Dezember 2014 - 4 Sa 10/14 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und einer hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Der 1954 geborene Kläger war bei dem beklagten Land seit Februar 1992 als Justizangestellter beschäftigt. Zuletzt war er am Oberlandesgericht N als „IT-Verantwortlicher“ tätig. Zu seinen Aufgaben gehörten die System- und Netzwerkbetreuung, die Verwaltung des sog. ADV-Depots, die Wartung, Pflege und Betreuung der Hard- und Software, die technische Unterstützung der Nutzer des Hauses, die Administration der elektronischen Berechtigungen und die Passwortvergabe. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand zuletzt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung.

3

Am 6. und am 19. März 2013 führte der Geschäftsleiter des Oberlandesgerichts mit dem Leiter der Wachtmeisterei - im Beisein der Vorsitzenden des örtlichen Personalrats - ein Personalgespräch. Dem Beamten wurde vorgehalten, unbefugt dienstliche Farbdrucker für die Erstellung sog. CD-Cover genutzt zu haben. In dem ersten Gespräch soll er laut eines „Besprechungsvermerks“ den Kläger als diejenige Person benannt haben, die für die Bestellung des Zubehörs für den EDV-Raum - einschließlich DVDs und CDs - verantwortlich gewesen sei.

4

Am 14. März 2013 unterzog der Geschäftsleiter den Arbeitsbereich des Klägers und den eines Justizhauptsekretärs, der sich mit dem Kläger das Dienstzimmer teilte, einer Geschäftsprüfung. In einem Vermerk des Geschäftsleiters vom 11. April 2013 („Prüfungsbericht“) heißt es, in der Zeit vom 1. Juli 2008 bis zum 31. Dezember 2012 seien für das Oberlandesgericht 2.325 DVDs und 1.500 CDs bestellt worden. Nach den eigenen Angaben des Klägers - so der Vermerk - seien zu dienstlichen Zwecken nur 150 bis 200 DVDs und etwa 50 CDs jährlich benötigt worden. Der Verbleib des restlichen Materials sei nicht aufzuklären. Auf einem mit dem Netzwerk des Oberlandesgerichts nicht verbundenen Computer sei lediglich der Kläger als „lokaler Admin“ und Nutzer festzustellen. Auf einer der Festplatten des Rechners seien nach Wiederherstellung vom Nutzer gelöschter Dateien 2.466 elektronische Bücher, 2.378 Bilddateien, 834 Audiodateien und 230 Videodateien gefunden worden. Ferner seien auf dem Rechner vier Programme installiert gewesen, die zum Umwandeln und Kopieren von DVDs und CDs geeignet seien. In der Zeit vom 6. Oktober 2010 bis zum 14. März 2013 sei eines von ihnen 1.128 Mal zur Bearbeitung von DVDs genutzt worden. Auf zwei weiteren externen Festplatten seien zusätzlich 41.242 Audiodateien, 1.822 Cover und 41 DVD-Kopien gefunden worden. Eine dritte externe Festplatte habe einen Ordner „Private Rechner“ enthalten. In den Schränken des Dienstzimmers hätten sich verschiedene leere und gefüllte „CD-Spindeln“ unterschiedlicher Größe, gebrannte Musik-CDs und leere DVDs befunden.

5

Mit Schreiben vom 16. April 2013 hörte das beklagte Land den örtlichen Personalrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien an.

6

Am 17. April 2013 fand zwischen dem Geschäftsleiter, einer Richterin am Oberlandesgericht und dem Kläger ein Personalgespräch statt. Dabei soll der Kläger - laut Vermerk - „sinngemäß“ erklärt haben, „alles, was auf dem Rechner bezüglich der DVDs“ sei, habe er „gemacht“. Er habe den Rechner mit nach Hause nehmen dürfen. „Natürlich [hätten sie] auch kopiert“. „Was das für DVDs und CDs“ gewesen seien, wisse er nicht mehr. Er habe „den Leuten einen Gefallen getan“. Er habe „manchmal“ festgestellt, dass sein Rechner von anderen Personen benutzt worden sei. Dies habe er nicht mitgeteilt, da es sich „nur“ um den „Test-Rechner“ gehandelt habe. Seit etwa Dezember 2012 habe er ein Passwort vergeben. Dieses sei aber für jeden, der seine Familie kenne, zu „knacken“ gewesen. Er habe „hundertprozentig“ keine „privaten Sachen“ für sich selbst „im Dienst gemacht“, sondern nur „für andere Leute aus dem OLG“.

7

Mit Schreiben vom 18. April 2013 informierte das beklagte Land den örtlichen Personalrat über den Inhalt des Gesprächs vom Vortag und über die Verwendungsmöglichkeiten des zur Bearbeitung von DVDs benutzten Umwandlungs- und Kopierprogramms. Zugleich teilte es mit, der Kläger habe sich nicht weiter geäußert. Mit Schreiben vom selben Tag erklärte der Personalrat, er habe die Angelegenheit „zur Kenntnis genommen“.

8

Mit Schreiben vom 18. April 2013, das dem Kläger am 22. April 2013 durch den Geschäftsleiter übergeben wurde, kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos. In einem Vermerk heißt es, der Kläger habe bei Aushändigung der Kündigung erklärt, er nehme seine „zuvor getätigten Aussagen“ zurück. Er habe Kollegen und Vorgesetzte schützen wollen.

9

Am 22. April 2013 führte der Geschäftsleiter mit dem Bediensteten, auf dessen Arbeitsplatz sich die Geschäftsprüfung erstreckt hatte, im Beisein der Personalratsvorsitzenden ein Personalgespräch. Laut Vermerk soll der Mitarbeiter eingeräumt haben, CDs und DVDs für Musik und Filme jeweils „im mittleren dreistelligen Bereich … gebrannt“ zu haben. Die Vorlagen habe er in regelmäßigen Abständen vom Leiter der Wachtmeisterei und dem Kläger erhalten. Er habe das Kopierprogramm „für DVDs privat genutzt“. Die bei der zentralen Beschaffungsstelle des beklagten Landes bestellten DVDs und CDs seien in einem verschlossenen Schrank aufbewahrt worden. Der Schlüssel sei vom Kläger verwahrt und „immer mitgenommen“ worden.

10

Nach erneuter Anhörung des örtlichen Personalrats und mit dessen Zustimmung kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 13. Mai 2013, das dem Kläger zwei Tage später zuging, ordentlich zum 31. Dezember 2013.

11

Der Kläger hat sich mit der vorliegenden Klage rechtzeitig gegen beide Kündigungen gewandt. Er hat geltend gemacht, die fristlose Kündigung sei mangels wichtigen Grundes unwirksam, die ordentliche Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Das Kopierprogramm und andere auf dem „Test-Rechner“ installierte Software habe er nicht in dem zutage getretenen Umfang genutzt. Zwar habe er sich ihrer gelegentlich bedient. Dies stelle aber keine schwerwiegende Pflichtverletzung dar, zumal ihm die Nutzung dienstlicher Computer, auch von Zuhause aus, zu privaten Zwecken in geringem Umfang durchaus erlaubt gewesen sei. Im Dienst durchgeführte Kopiervorgänge hätten jeweils nur wenige Sekunden in Anspruch genommen. Sie hätten seine Arbeitszeit insgesamt nicht verkürzt. Jedenfalls habe er keine „illegalen Kopien“ gefertigt. Keiner der beanstandeten Brennvorgänge sei ihm persönlich zuzuordnen. Wer den „Test-Rechner“ wann genutzt habe, stehe nicht fest. Auch andere Bedienstete hätten sich Zugang zu ihm verschaffen können. Das Passwort sei allgemein bekannt gewesen. Eine erhebliche Zahl der beanstandeten Nutzungen falle in eine Zeit, in der er selbst krankheits- oder urlaubsbedingt abwesend gewesen sei. Das beklagte Land gehe selbst davon aus, dass ein Kollege Brennvorgänge in nicht geringem Umfang durchgeführt habe. Ohnehin befänden sich auf dem „Server“ des Gerichts tausende von privaten Dateien, ohne dass dies je zu Beanstandungen geführt habe. Den hohen Verbrauch von Büromaterialien habe er nicht zu vertreten. Im Übrigen sei die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Auch sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß unterrichtet worden. Jedenfalls zu einem gegen ihn gerichteten Verdacht als Kündigungsgrund sei dieser nicht angehört worden.

12

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 18. April 2013 noch durch dessen ordentliche Kündigung vom 13. Mai 2013 beendet worden ist;

        

2.    

das beklagte Land zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen als Angestellten im Oberlandesgericht N im Rahmen der zuletzt ausgeübten - von ihm näher beschriebenen - Tätigkeit weiterzubeschäftigen.

13

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Kündigungen - auch wegen eines gegen den Kläger gerichteten Verdachts - als wirksam verteidigt. Der Kläger habe den ihm dienstlich anvertrauten Rechner während der Arbeitszeit umfangreich und unerlaubt zu privaten Zwecken - dem Kopieren und Brennen von DVDs und CDs mithilfe spezifischer, nicht zu dienstlichen Zwecken bestimmter Programme - genutzt. In 630 Fällen seien entsprechende Vorgänge zu Zeiten erfolgt, in denen er im Dienst gewesen sei. Die fraglichen Programme habe er zumindest während dieser Zeiten selbst genutzt. Dadurch habe er seine Vertragspflichten über einen langen Zeitraum in grober Weise verletzt. Durch das Herstellen illegaler Kopien habe er sich überdies strafbar gemacht. Zudem habe er „Arbeitszeitbetrug“ begangen. Auch habe er über 2.000 DVDs und über 1.000 CDs auf seine - des beklagten Landes - Kosten bestellt und privat verwendet. Mit seinem Verhalten habe er das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen unwiederbringlich zerstört. Die Frist zur Erklärung der Kündigung sei gewahrt. Der zur Kündigung berechtigte Präsident des Oberlandesgerichts habe vom Kündigungssachverhalt erst durch den Prüfbericht des Geschäftsleiters vom 11. April 2013 Kenntnis erlangt. Die Beteiligung des Personalrats sei in jeder Hinsicht ordnungsgemäß erfolgt.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage - hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsantrags mit Einschränkungen - stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land sein Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben. Die Sache war zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO).

16

A. Die Revision ist zulässig. Sie ist ordnungsgemäß innerhalb der Frist des § 74 Abs. 1 ArbGG begründet worden.

17

I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Dazu muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die genaue Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (BAG 2. Mai 2014 - 2 AZR 490/13 - Rn. 15; 13. November 2013 - 10 AZR 639/13 - Rn. 11).

18

II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung gerecht. Das beklagte Land setzt sich im Schriftsatz vom 7. April 2015 mit allen die angefochtene Entscheidung selbständig tragenden Begründungen des Landesarbeitsgerichts auseinander. Es zeigt auf, warum die Erwägungen sachlich unzutreffend sein sollen. Die Ausführungen zum wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB greift es mit der Begründung an, das Landesarbeitsgericht habe, soweit es die Kündigung unter dem Gesichtspunkt einer Tatkündigung für unwirksam erachtet habe, die den Kläger treffende, abgestufte Darlegungslast verkannt. Die Annahme des Gerichts, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht gewahrt, beruhe auf unzutreffenden Erwägungen zum Fristbeginn. Insbesondere habe das Landesarbeitsgericht nicht - wie geboten - auf die Person des Kündigungsberechtigten und dessen Kenntnis abgestellt. Soweit es auf die Möglichkeit verwiesen habe, strafrechtliche Ermittlungen zu veranlassen und deren Ergebnis abzuwarten, sei dies sachfremd. Soweit es gemeint habe, die Anhörung des Personalrats sei aufgrund von Äußerungen eines anderen Bediensteten vom 22. April 2013 nicht ordnungsgemäß, habe es den Grundsatz der subjektiven Determinierung verkannt. Diese Sachrügen wären im Falle ihrer Begründetheit geeignet, die angefochtene Entscheidung insgesamt, auch mit Blick auf die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung, zu Fall zubringen. Das reicht als Revisionsangriff aus, ohne dass es auf die Verfahrensrügen des beklagten Landes ankäme.

19

B. Die Revision ist begründet. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht der Klage nicht stattgeben. Der Senat kann mangels zureichender Tatsachenfeststellungen nicht beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 18. April 2013 aufgelöst worden ist.

20

I. Die bisherigen Feststellungen tragen nicht das Ergebnis, ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB liege nicht vor.

21

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 16; 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 19 mwN).

22

2. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes ist in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um bloße Tatsachenfeststellung. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz darauf hin überprüft, ob es anzuwendende Rechtsbegriffe in ihrer allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - Rn. 45, BAGE 146, 161; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, BAGE 134, 349).

23

3. Dieser Überprüfung hält die angefochtene Entscheidung nicht stand.

24

a) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die fristlose Kündigung sei nicht als sog. Verdachtskündigung gerechtfertigt (zu dieser und ihren Voraussetzungen vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 20; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 16 mwN). Dagegen wendet sich das beklagte Land nicht. Ein Rechtsfehler ist auch objektiv - im Ergebnis - nicht zu erkennen.

25

aa) Will der Arbeitgeber seine Kündigung auf den dringenden Verdacht einer erheblichen arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung stützen, muss er dies dem Betriebs- oder Personalrat mitteilen und die Umstände angeben, aus denen sich dieser Verdacht ergeben soll. Informiert er das Gremium lediglich über eine - aus seiner Sicht tatsächlich erfolgte - Vertragspflichtverletzung des Arbeitnehmers, kann er sich im späteren Kündigungsschutzprozess zur Begründung der Kündigung nicht mehr auf den bloßen Verdacht einer entsprechenden Handlung stützen, wenn ihm die Verdachtsmomente bei Ausspruch der Kündigung bereits bekannt waren (für die Anhörung des Betriebsrats vgl. BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 256/14 - Rn. 47; 23. April 2008 - 2 ABR 71/07 - Rn. 24 mwN; für die Beteiligung des Personalrats nach § 79 Abs. 1 Satz 1 BPersVG vgl. BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 21). Nur wenn dem Arbeitgeber nachträglich neue Verdachtstatsachen bekannt geworden sind, ist ein Nachschieben des Verdachts als Kündigungsgrund - zumindest dann, wenn die maßgebenden Verdachtsmomente objektiv schon vor Zugang der Kündigung vorlagen - möglich. Weitere Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber den Betriebs- bzw. Personalrat zuvor in analoger Anwendung der maßgebenden Bestimmungen zu seiner entsprechenden Absicht angehört hat (vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 32; 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - zu B I 2 b ee der Gründe, BAGE 49, 39).

26

bb) Das Vorbringen des beklagten Landes lässt nicht den Schluss zu, es habe den Personalrat vor Zugang der Kündigung über seine Absicht unterrichtet, das Arbeitsverhältnis (auch) wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung zu kündigen. Die Anschreiben an den Personalrat vom 16. und 18. April 2013 enthalten keine entsprechende Mitteilung. Das beklagte Land hat nicht geltend gemacht, dass ihm einzelne der in den Rechtsstreit eingeführten Verdachtstatsachen erst nach Zugang der Kündigung bekannt geworden seien. Dafür spricht auch objektiv nichts.

27

b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung sei auch unter dem Gesichtspunkt einer verwirklichten Pflichtverletzung - dh. einer „Tat“ - nicht berechtigt, ist rechtsfehlerhaft. Ihr ist schon nicht zu entnehmen, welchen tatsächlichen Sachverhalt das Landesarbeitsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat.

28

aa) Im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung hat sich das Landesarbeitsgericht in weiten Teilen auf die Wiedergabe von Vermerken des beklagten Landes beschränkt. Ob es die darin festgehaltenen Umstände einschließlich der Äußerungen des Klägers für wahr erachtet hat, ist nicht zweifelsfrei erkennbar.

29

bb) In den Entscheidungsgründen hat das Landesarbeitsgericht unter Wiederholung der Erwägungen des Arbeitsgerichts ausgeführt, trotz Vorliegens „gewisser Verdachtsmomente“ sei es letztlich eine unbewiesene Behauptung des beklagten Landes, es seien (alle) vorgefundenen Privatdateien dem Kläger zuzurechnen, dieser (allein) habe die Privatnutzungen und damit auch mögliche (nach § 106 UrhG strafbare) Vervielfältigungen und Brennvorgänge vorgenommen bzw. durchgeführt. Keiner der dokumentierten Vorgänge lasse sich einzelnen Personen - etwa dem Kläger - zuordnen. Es sei auch „nicht bewiesen“, dass es gerade dieser gewesen sei, der die Kopierprogramme installiert habe. „Allein die Tatsache“, dass zahlreiche dokumentierte „Vorgänge“ Zeiten beträfen, während derer sich der Kläger nicht am Arbeitsplatz aufgehalten habe, beweise, dass andere Personen sowohl Zugriff auf den Rechner gehabt hätten als auch in der Lage gewesen seien, die Kopierprogramme zu nutzen. Auch diesen Ausführungen ist nicht zu entnehmen, von welchem konkreten, seiner Meinung nach feststehenden Sachverhalt das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, worin es die - für nicht ausreichend erachteten - „Verdachtsmomente“ erblickt hat.

30

c) Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts kann selbst dann keinen Bestand haben, wenn unterstellt wird, es habe den Inhalt der Vermerke und das sonstige Vorbringen des beklagten Landes als wahr unterstellt. Unter dieser Prämisse verletzt seine Würdigung die Vorschrift des § 626 Abs. 1 BGB. Es fehlt an einer nachprüfbaren Unterordnung des behaupteten Kündigungssachverhalts unter die Norm.

31

aa) Die Beurteilung des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung sei auch als sog. Tatkündigung nicht berechtigt, ist schon im Ansatz nicht nachzuvollziehen. Sie lässt nicht erkennen, wie es den von der Beklagten unterbreiteten Kündigungssachverhalt materiell-rechtlich eingeordnet, dh. welche konkreten, möglicherweise als wichtiger Grund geeigneten Pflichtverletzungen es in Betracht gezogen hat. Zudem ist nicht erkennbar, dass es seine Würdigung in tatsächlicher Hinsicht auf alle in Frage kommenden Kündigungsgründe ausgerichtet hätte.

32

(1) Nach dem Vorbringen des beklagten Landes kommt eine Berechtigung der fristlosen Kündigung unter mehreren Gesichtspunkten in Betracht. Vorrangig erhebt das Land den Vorwurf, der Kläger habe - sei es als Allein-, sei es als Mittäter - wiederholt unter Nutzung dienstlicher Ressourcen urheberrechtswidrig Musik- und Audiodateien vervielfältigt. Ein solches Verhalten ist als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB „an sich“ geeignet. Ein Arbeitgeber hat, zumal wenn es sich bei ihm um eine Justizbehörde handelt, ein offenkundiges Interesse daran, dass nicht dienstliche Rechner dazu benutzt werden, unter Umgehung eines Kopierschutzes Vervielfältigungen privat beschaffter Musik- oder Film-CDs/DVDs herzustellen. Das gilt losgelöst von einer möglichen Strafbarkeit der Vorgänge (zur Problematik vgl. Treppehl/Schmidl NZA 2009, 985 ff.) und unabhängig davon, ob die Handlungen während der Arbeitszeit vorgenommen wurden. Eine Strafbarkeit der Kopier- und Brennvorgänge oder ein damit einhergehender „Arbeitszeitbetrug“ wäre allerdings geeignet, das Gewicht des Kündigungsgrundes noch zu verstärken. Dies wiederum kann für das Erfordernis einer Abmahnung und die weitere Interessenabwägung Bedeutung gewinnen. Darüber hinaus kann die dem Kläger angelastete zweckwidrige Verwendung von CD- und/oder DVD-Rohlingen, die auf Kosten des beklagten Landes bestellt wurden, als eigenständiger Kündigungsgrund Bedeutung erlangen.

33

(2) Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts lassen nicht erkennen, dass es die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung unter jedem dieser Gesichtspunkte überprüft und seine Würdigung - soweit es „Verdachtsmomente“ gewichtet hat - hierauf ausgerichtet hätte.

34

bb) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das beklagte Land habe weder eine strafbare Urheberrechtsverletzung noch eine ähnlich schwerwiegende Vertragspflichtverletzung nachgewiesen, ist auch aus anderen Gründen rechtsfehlerhaft.

35

(1) Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO haben die Tatsacheninstanzen unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer ggf. durchgeführten Beweisaufnahme nach ihrer freien Überzeugung darüber zu befinden, ob sie eine tatsächliche Behauptung für wahr erachten oder nicht. Die Beweiswürdigung muss vollständig, widerspruchsfrei und umfassend sein. Mögliche Zweifel müssen überwunden, brauchen aber nicht völlig ausgeschlossen zu werden (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 44; 31. Mai 2007 - 2 AZR 276/06 - Rn. 42, BAGE 123, 1). Soll ein Vortrag mittels Indizien bewiesen werden, hat das Gericht zu prüfen, ob es die vorgetragenen Hilfstatsachen - deren Richtigkeit unterstellt - von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugen. Das Gericht hat die insoweit maßgebenden Umstände vollständig und verfahrensrechtlich einwandfrei zu ermitteln und alle Beweisanzeichen erschöpfend zu würdigen (BGH 16. Januar 1990 - VI ZR 109/89 - zu II 2 der Gründe; 4. Juli 1989 - VI ZR 309/88 - zu II 2 der Gründe). Dabei sind die Tatsacheninstanzen grundsätzlich frei darin, welche Beweiskraft sie den behaupteten Indiztatsachen im Einzelnen und in einer Gesamtschau beimessen (BAG 18. Juni 2015 - 2 AZR 480/14 - Rn. 35; allgemein zum Indizienbeweis BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 43). Revisionsrechtlich ist ihre Würdigung allein darauf hin zu überprüfen, ob alle Umstände vollständig berücksichtigt und nicht Denk- und Erfahrungsgrundsätze verletzt wurden. Um diese Überprüfung zu ermöglichen, haben die Tatsachengerichte nach § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO die wesentlichen Grundlagen ihrer Überzeugungsbildung nachvollziehbar darzulegen(BAG 19. April 2005 - 9 AZR 184/04 - zu II 3 der Gründe; BGH 31. Juli 2013 - VII ZR 11/12 - Rn. 10; 22. November 2006 - IV ZR 21/05 - Rn. 11; 22. Januar 1991 - VI ZR 97/90 - zu II 1 der Gründe).

36

(2) Danach rügt das beklagte Land zu Recht eine Verletzung von § 286 ZPO. Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist nicht zu entnehmen, welche möglichen Indiztatsachen („Verdachtsmomente“) es in seine Beurteilung einbezogen und welchen Beweiswert es ihnen beigemessen hat. Damit ist nicht erkennbar, ob es den Vortrag des beklagten Landes vollständig zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat.

37

(3) Der Annahme eines wichtigen Grundes steht nicht entgegen, dass das beklagte Land den Sachverhalt - jedenfalls bis zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung - selbst ermittelt hat. Das mindert weder den Beweiswert der in Rede stehenden Indizien, noch ist die Kündigung deshalb unwirksam, weil polizeiliche oder staatsanwaltschaftliche Ermittlungen möglicherweise zu weitergehenden Ergebnissen geführt hätten. Soweit das Landesarbeitsgericht gemeint hat, das beklagte Land habe zu bestimmten, potentiell entlastenden Umständen nicht ausreichend vorgetragen, wird seine Rechtsanwendung überdies der den Kläger insoweit treffenden abgestuften Darlegungslast (§ 138 Abs. 2 ZPO) nicht gerecht.

38

(a) Die Rechtfertigung einer „Tatkündigung“ hängt allein davon ab, ob im Kündigungszeitpunkt objektiv Tatsachen vorlagen, die zu der Annahme berechtigen, dem Kündigenden sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses - im Fall der außerordentlichen Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - unzumutbar gewesen. Vor diesem Hintergrund mag eine umfassende, der Kündigung vorausgehende Sachverhaltsaufklärung im eigenen Interesse des Arbeitgebers liegen. Unterlässt er sie, geht er aber „nur“ das Risiko ein, die behauptete Pflichtverletzung im Prozess nicht beweisen zu können. Anders als bei der Verdachtskündigung ist der Arbeitgeber vor Ausspruch einer „Tatkündigung“ nicht verpflichtet, alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts - auch mit Blick auf den Arbeitnehmer möglicherweise entlastende Umstände - zu unternehmen. Ob der behauptete Kündigungsgrund vorliegt, beurteilt sich allein danach, ob die ihn tragenden und im Prozess mitgeteilten Tatsachen bewiesen sind oder nicht (vgl. BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 57, BAGE 131, 155; 18. September 1997 - 2 AZR 36/97 - zu II 2 a der Gründe; zur Verdachtskündigung siehe demgegenüber BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 13 mwN, BAGE 143, 244). Im Übrigen braucht der Arbeitgeber selbst bei der Verdachtskündigung nicht jeder noch so entfernten Möglichkeit einer Entlastung des Arbeitnehmers nachzugehen, insbesondere dann nicht, wenn sich der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Anhörung auf entsprechende Umstände nicht berufen hat.

39

(b) Auf der Grundlage des bisherigen Parteivorbringens durfte das Landesarbeitsgericht nicht davon ausgehen, das beklagte Land sei seiner prozessualen Darlegungslast mit Blick auf mögliche Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe nicht hinreichend nachgekommen.

40

(aa) Im Kündigungsschutzprozess obliegt dem Arbeitgeber die volle Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes (BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 75/13 - Rn. 30, BAGE 148, 129). Für Umstände, die das Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigen oder entschuldigen könnten, ist seine Darlegungslast allerdings abgestuft. Der Arbeitgeber darf sich zunächst darauf beschränken, den objektiven Tatbestand einer Arbeitspflichtverletzung vorzutragen. Er muss nicht jeden erdenklichen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund vorbeugend ausschließen (BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 23; 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 70, 262). Es ist vielmehr Sache des Arbeitnehmers, für das Eingreifen solcher Gründe - soweit sie sich nicht unmittelbar aufdrängen - zumindest greifbare Anhaltspunkte zu benennen.

41

(bb) Schon auf der Tatbestandsebene des wichtigen Grundes kann den Arbeitnehmer darüber hinaus eine sekundäre Darlegungslast treffen. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber als primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des fraglichen Geschehensablaufs steht, während der Arbeitnehmer aufgrund seiner Sachnähe die wesentlichen Tatsachen kennt. In einer solchen Situation kann der Arbeitnehmer gehalten sein, dem Arbeitgeber durch nähere Angaben weiteren Sachvortrag zu ermöglichen (BAG 21. Juni 2012 - 2 AZR 694/11 - Rn. 52, BAGE 142, 188; 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 31). Kommt er in einer solchen Prozesslage seiner sekundären Darlegungslast nicht nach, gilt das tatsächliche Vorbringen des Arbeitgebers - soweit es nicht völlig „aus der Luft gegriffen“ ist - iSv. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden(vgl. BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - aaO). Dabei dürfen an die sekundäre Behauptungslast des Arbeitnehmers keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Sie dient lediglich dazu, es dem kündigenden Arbeitgeber als primär darlegungs- und beweispflichtiger Partei zu ermöglichen, weitere Nachforschungen anzustellen und sodann substantiiert zum Kündigungsgrund vorzutragen und ggf. Beweis anzutreten (zu den Einzelheiten vgl. BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 33).

42

(cc) Danach musste das beklagte Land nicht von sich aus denkbare Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe auf Seiten des Klägers ausschließen. Die gegenteilige Sichtweise des Landesarbeitsgerichts überspannt die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers und geht von einer Ermittlungspflicht aus, die zumindest bei einer „Tatkündigung“ nicht besteht.

43

(dd) Das Landesarbeitsgericht hat zwar einzelne Gesichtspunkte angesprochen, die einer weiteren Aufklärung zugänglich gewesen sein sollen. Es hat aber nicht aufgezeigt, warum sie einer möglichen Entlastung des Klägers hätten dienen können. Das ist auch nicht unmittelbar ersichtlich.

44

(aaa) Das Landesarbeitsgericht hat auf Äußerungen anderer Bediensteter verwiesen, die ausweislich vorliegender Besprechungsvermerke eingeräumt hätten, „an den hier streitgegenständlichen Geschehnissen im OLG“ beteiligt gewesen zu sein. Der im gleichen Dienstzimmer wie der Kläger tätige Justizhauptsekretär habe „sozusagen“ in Teilen ein „Geständnis“ abgelegt. Weshalb diese Erklärungen den Vorwurf sollten entkräften können, der Kläger habe während seiner Anwesenheitszeiten im Gericht in erheblichem Umfang Kopier- und Brennvorgänge eigenhändig vorgenommen, erschließt sich nicht. Das gilt erst recht unter Berücksichtigung des Vorhalts des beklagten Landes, der Kläger habe mit anderen Bediensteten arbeitsteilig zusammengewirkt oder sie bei ihrem pflichtwidrigen Verhalten maßgeblich unterstützt. Ebenso wenig erschließt sich die Relevanz der Äußerungen mit Blick auf den Vorwurf, der Kläger habe in erheblichem Umfang Verbrauchsmaterialien auf Kosten des beklagten Landes bestellt, ohne dass dafür ein dienstlicher Anlass bestanden hätte und ihr Verbleib geklärt wäre.

45

(bbb) Der Kläger hat - soweit ersichtlich - nicht behauptet, der Inhalt eines bei der Geschäftsprüfung im Schrank eines anderen Bediensteten vorgefundenen, verschlossenen Kartons habe zu seiner Entlastung beitragen können. Es ist deshalb nicht ersichtlich, inwieweit das Unterbleiben einer Aufklärung dem beklagten Land zum Nachteil gereichen könnte. Die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts bewegen sich im Bereich der Spekulation.

46

(ccc) Soweit das Landesarbeitsgericht „Erläuterungen“ zu den Aufgaben des Klägers, insbesondere hinsichtlich einer „technischen Unterstützung der Nutzer des Hauses“ und zur Verteilung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten auf insgesamt vier Administratoren vermisst hat, bleiben seine Ausführungen im Vagen haften. Es hat nicht festgestellt, dass beim Kläger aufgrund der ihm eingeräumten Befugnisse der Eindruck habe entstehen können, er dürfe im Dienst auf dienstlichen Rechnern unter Umgehung von Kopierschutz Vervielfältigungen privat beschaffter CDs und DVDs vornehmen und Verbrauchsmaterialien in erheblichem Umfang zu ausschließlich privaten Zwecken bestellen und verwenden oder sie Dritten zur privaten Nutzung überlassen. Eine solche Annahme liegt auch fern. Das Gleiche gilt für die Behauptung des Klägers, ein zwischenzeitlich außer Dienst getretener Referatsleiter habe ihm erlaubt, sich während der Arbeitszeit um die „Privatrechner“ der Bediensteten und ihrer Angehörigen „zu kümmern“. Daraus durfte der Kläger jedenfalls nicht schließen, er habe urheberrechtsverletzende Kopier- und Brennvorgänge auf dienstlichen Computern vornehmen und dienstliche Materialien privat verwenden dürfen. Auf die Verfahrensrüge, mit der sich das beklagte Land gegen die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zum Inhalt der fraglichen Erlaubnis wendet, kommt es hierfür nicht an.

47

(ddd) Unklar bleibt, welche den Kläger entlastenden Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sein sollen, dass die in Rede stehende Nutzung des „Test-Rechners“ lange Zeit unbemerkt blieb. Die entsprechende Erwägung des Landesarbeitsgerichts berücksichtigt zudem nicht, dass das beanstandete Verhalten des Klägers auf Heimlichkeit angelegt und der fragliche Computer an das Netzwerk des Oberlandesgerichts nicht angeschlossen war.

48

(eee) Das beklagte Land hat unter Beweisantritt vorgebracht, der Kläger sei für die Verwaltung des „ADV-Depots“ zuständig und für die Bestellung der „EDV-Verbrauchsmittel“ verantwortlich gewesen. Es hat die Anzahl der von ihm ermittelten Bestellungen für die Zeit von Juli 2008 bis Dezember 2012 genannt und dem die Behauptung des Klägers gegenüber gestellt, bei ihm seien „seit Einführung von Juris“ - wohl im Jahr 2006 - „kaum“ DVDs und CDs „von Bediensteten“ abgefordert worden. Außerdem hat es auf den Geschäftsprüfungsbericht und dessen Anlage 3 verwiesen und behauptet, daraus gehe hervor, dass im fraglichen Zeitraum für das Oberlandesgericht mehr als die doppelte Zahl von CD- und DVD-Rohlingen bestellt worden sei als für die in M ansässige „ADV-Stelle Justiz“. Zudem hat es behauptet, der Kläger habe die Verbrauchsmaterialien unter Verschluss gehalten, soweit er sie nicht an Dritte herausgegeben habe, und habe erklärt, zum Verbleib der Materialien keine Angaben machen zu können. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit diesem Vorbringen nicht auseinandergesetzt. Es hat sich darauf beschränkt, pauschal auf die Möglichkeit weiterer Ermittlungen zu „Bestellvorgänge[n], Zeichnung und Gegenzeichnung unter Beteiligung welcher Bediensteter des OLG, ggf. nebst Kostenvergleichen anderer vergleichbarer Behörden“ zu verweisen. Dem Hinweis ist nicht zu entnehmen, dass - und ggf. warum - es den Vortrag des beklagten Landes selbst unter der Prämisse für erläuterungsbedürftig erachtet hat, er sei wahr.

49

(fff) Es kommt hinzu, dass der Kläger laut Gesprächsvermerk vom 17. April 2013 eingeräumt haben soll, er habe - wie andere Bedienstete auch - „natürlich auch kopiert“. Im Prozess hat er vorgetragen, „die Programme … gelegentlich“ privat genutzt zu haben, nur nicht in dem vom beklagten Land behaupteten Umfang und nicht in „illegaler“ Weise. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts berücksichtigt nicht, dass der Kläger damit der ihn treffenden sekundären Behauptungslast nicht nachgekommen ist. Die Kopiervorgänge bewegten sich nach der Behauptung des beklagten Landes außerhalb des Wahrnehmungsbereichs seiner Repräsentanten. Das Gegenteil hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt; der Sachvortrag des Klägers gibt insoweit nichts her. Er hätte deshalb konkretisieren müssen, was er unter „gelegentlichen“ Kopiervorgängen versteht. Außerdem hätte er - unter Ausschöpfung seines Erinnerungsvermögens - beschreiben müssen, um Kopien welcher Musik-/Film-CDs/DVDs es sich gehandelt habe, welche Programme er dafür eingesetzt und welche „Rohlinge“ er genutzt habe. Ebenso wenig durfte das Landesarbeitsgericht annehmen, dem Kläger seien die auf dem „Test-Rechner“ erfolgten Brenn- und Kopiervorgänge nicht zweifelsfrei zuzurechnen, ohne sich mit der Frage befasst zu haben, welche Rückschlüsse aus der Erklärung des Klägers vom 17. April 2013, „alles, was auf dem Rechner bezüglich der DVDs [sei], habe [er] gemacht“, und dem Umstand zu ziehen sind, dass er von dieser Äußerung später wieder Abstand genommen hat. Soweit das Landesarbeitsgericht gemeint hat, die behauptete Aussage eines anderen Bediensteten vom 22. April 2013, „CDs und DVDs im mittleren dreistelligen Bereich gebrannt [zu haben]“, sei „möglicherweise“ geeignet, den Kläger zu entlasten, fehlt es an einer eindeutigen richterlichen Würdigung. Auch dürfte eine wie auch immer geartete „Entlastung“ angesichts des in Rede stehenden Umfangs der Kopier- und Brennvorgänge und der behaupteten ausschließlichen Verwaltung der Rohlinge durch den Kläger schwerlich begründbar sein. Näher liegt es - wie das Landesarbeitsgericht an anderer Stelle selbst ausgeführt hat - in den fraglichen Umständen Anhaltspunkte für ein mittäterschaftliches Zusammenwirken zu erblicken. Dann wiederum könnte sich der Kläger nach dem Rechtsgedanken des § 830 BGB ohnehin nicht darauf beschränken vorzutragen, er wisse nicht mehr, welche Taten von wem begangen worden seien(ähnlich BAG 5. März 1981 - 3 AZR 559/78 - zu II 3 a der Gründe).

50

II. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Beidem unterliegt auch die Entscheidung über die vorsorglich erklärte ordentliche Kündigung und den (Hilfs-)Antrag des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung.

51

1. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt. Das Landesarbeitsgericht hat den Kündigungssachverhalt nicht festgestellt und an der Norm des § 626 Abs. 1 BGB gemessen. Die erforderliche Beurteilung kann der Senat nicht selbst vornehmen. Sie verlangt weitere Sachaufklärung. In Anbetracht der Vielzahl der gegen den Kläger sprechenden Indizien ist nicht auszuschließen, dass sich die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als berechtigt erweisen.

52

2. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Seine Auffassung, das beklagte Land habe die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt und den Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt, ist rechtsfehlerhaft.

53

a) Die außerordentliche Kündigung ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht außerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erklärt worden.

54

aa) Die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB beginnt nach Satz 2 der Vorschrift mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Selbst eine grob fahrlässige Unkenntnis setzt die Frist nicht in Gang (BAG 12. Februar 2015 - 6 AZR 845/13 - Rn. 94 mwN; 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 30 mwN). Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der gewisse Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und dazu auch den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne. Dies gilt allerdings nur solange, wie er aus verständigen Gründen und mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen. Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen und nur bei Vorliegen besonderer Umstände überschritten werden (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 407/13 - Rn. 40; 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - Rn. 14). Für die übrigen Ermittlungen gilt keine Regelfrist. Bei ihnen ist fallbezogen zu beurteilen, ob sie hinreichend zügig betrieben wurden (BAG 31. März 1993 - 2 AZR 492/92 - zu II 1 der Gründe, BAGE 73, 42; 10. Juni 1988 - 2 AZR 25/88 - zu III 3 c der Gründe).

55

bb) Neben den Mitgliedern der Organe von juristischen Personen und Körperschaften gehören zu den Kündigungsberechtigten auch die Mitarbeiter, denen der Arbeitgeber das Recht zur außerordentlichen Kündigung übertragen hat. Dagegen ist die Kenntnis anderer Personen für den Lauf der Ausschlussfrist grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt auch dann, wenn ihnen Aufsichtsfunktionen übertragen worden sind. Nur ausnahmsweise muss sich der Arbeitgeber auch ihre Kenntnis nach Treu und Glauben zurechnen lassen. Dazu müssen diese Personen eine herausgehobene Position und Funktion im Betrieb oder in der Verwaltung innehaben sowie tatsächlich und rechtlich in der Lage sein, den Sachverhalt so umfassend zu klären, dass mit ihrem Bericht an den Kündigungsberechtigten dieser ohne weitere Nachforschungen seine (Kündigungs-)Entscheidung abgewogen treffen kann. Voraussetzung dafür, dem Arbeitgeber solche Kenntnisse zuzurechnen, ist ferner, dass die Verspätung, mit der er in eigener Person Kenntnis erlangt hat, auf einer unsachgemäßen Organisation des Betriebs oder der Verwaltung beruht (BAG 21. Februar 2013 - 2 AZR 433/12 - Rn. 28; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 388/07 - Rn. 22).

56

cc) Diese Vorgaben hat das Landesarbeitsgericht nicht beachtet.

57

(1) Die Kündigungsbefugnis lag nach Teil 3 Ziff. 12.3 Satz 1 PersBef-AV iVm. Teil 1 Ziff. 2 Satz 1 Buchst. a PersBef-AV beim Präsidenten des Oberlandesgerichts. Gemäß dem - streitigen - Vorbringen des beklagten Landes ist dieser am 11. April 2013 über die Vorgänge und das Ergebnis der Ermittlungen in Kenntnis gesetzt worden. Dann wäre die Erklärungsfrist bei Zugang der Kündigung am 22. April 2013 allemal gewahrt gewesen. Den bisherigen Feststellungen ist nicht zu entnehmen, dass eine nicht kündigungsberechtigte Person schon vor dem 11. April 2013 von den Kündigungsgründen Kenntnis erlangt und eine Funktion innegehabt hätte, die es rechtlich erlaubte, ihre Kenntnisse dem Präsidenten des Oberlandesgerichts zuzurechnen.

58

(2) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das beklagte Land habe Ermittlungen nicht mit der gebotenen Eile durchgeführt, verletzt § 626 Abs. 2 BGB iVm. § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO. Die Würdigung verkennt die Voraussetzungen, unter denen Ermittlungen als „zügig“ anzusehen sind. Überdies hat es zu hohe Anforderungen an den betreffenden Sachvortrag des beklagten Landes gestellt.

59

(a) Soweit das Landesarbeitsgericht darauf abhebt, das beklagte Land habe umgehend die Strafverfolgungsbehörden einschalten und - ohne Nachteile mit Blick auf die Frist des § 626 Abs. 2 BGB befürchten zu müssen - den Aus- und Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens abwarten können, ist dies zwar zutreffend(vgl. BAG 22. November 2012 - 2 AZR 732/11 - Rn. 31; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 16, BAGE 137, 54). Daraus folgt für das Land aber keine Beschränkung in der Wahl seiner Mittel zur Aufklärung. Dem Arbeitgeber steht es frei, eigene Ermittlungen anzustellen und die Strafverfolgungsbehörden nicht unmittelbar einzuschalten. Auch „private“ Ermittlungen hemmen - zügig vorangetrieben - den Lauf der Frist.

60

(b) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, das beklagte Land habe den Kläger nicht binnen Wochenfrist angehört, ist nicht nachvollziehbar. Es fehlt an Feststellungen, wann diese Frist zu laufen begonnen habe. Falls der Präsident des Oberlandesgerichts - wie vom beklagten Land behauptet - erst am 11. April 2013 Kenntnis erlangt hat, wäre die Wochenfrist mit der Anhörung vom 17. April 2013 eingehalten.

61

(c) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das insoweit darlegungsbelastete Land (vgl. dazu BAG 1. Februar 2007 - 2 AZR 333/06 - Rn. 21) habe nicht aufgezeigt, dass es die Ermittlungen nach Durchführung der Geschäftsprüfung zügig vorangetrieben habe, ist nicht tragfähig. Das beklagte Land hat geltend gemacht, es sei erst aufgrund einer außerhalb des Oberlandesgerichts durchgeführten Überprüfung der vom Kläger genutzten Rechner und Festplatten in der Lage gewesen, das Ausmaß der Privatnutzung zu bestimmen. Dies habe bis zum 8. April 2013 Zeit beansprucht, weil Hardware nach M habe verbracht und umfangreiches Datenmaterial, teils unter Wiederherstellung gelöschter Dateien, habe gesichtet werden müssen. Außerdem seien die Osterfeiertage in die Zeit gefallen. Die Ausführungen sind geeignet, die Dauer der Untersuchung plausibel zu machen. Unter Berücksichtigung der wenigen zusätzlichen Tage, welche die Erstellung des Prüfberichts in Anspruch genommen hat, ergeben sich auf der Basis der bisherigen Feststellungen keine Anhaltspunkte für ein nur zögerliches Vorantreiben der Ermittlungen.

62

b) Die außerordentliche Kündigung vom 18. April 2013 ist nicht mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Personalrats nach § 108 Abs. 2 BPersVG, § 67 Abs. 2 Satz 4 PersVG LSA unwirksam.

63

aa) Gemäß § 67 Abs. 2 Satz 1 PersVG LSA ist der Personalrat vor der außerordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers anzuhören. Die Leitung der Dienststelle hat die beabsichtigte Maßnahme nach § 67 Abs. 2 Satz 2 PersVG LSA zu begründen. Insoweit gelten die gleichen Anforderungen wie an eine Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG(vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 57 mwN). Nach dem Grundsatz der subjektiven Determinierung muss der Arbeitgeber dem Personalrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt er dann nicht nach, wenn er ihm einen schon aus seiner eigenen Sicht unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt darstellt. Zu einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Information gehört darüber hinaus die Unterrichtung über Tatsachen, die ihm - dem Arbeitgeber - bekannt und für eine Stellungnahme des Betriebsrats möglicherweise bedeutsam sind, weil sie den Arbeitnehmer entlasten und deshalb gegen eine Kündigung sprechen können (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 14; 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 41 mwN, BAGE 142, 339).

64

bb) Nach diesen Grundsätzen war die Anhörung zur fristlosen Kündigung mit Schreiben vom 16. April 2013 ordnungsgemäß.

65

(1) Dem Personalrat war das Ergebnis der Geschäftsprüfung vom 14. März 2013 unter Vorlage des betreffenden Vermerks zur Kenntnis gebracht worden. Im Anhörungsschreiben selbst heißt es, hieraus ergebe sich eine „ausschweifende“ Privatnutzung des dienstlichen Rechners unter Verwendung eines den Kopierschutz umgehenden Programms während der Dienstzeit und ein nicht erklärlicher Umgang mit dienstlich bestelltem Material (DVDs und CDs). Ungeachtet der Frage, ob es einer solchen Information bedarf (vgl. KR-Etzel 10. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 64; APS-Koch 4. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 129), konnte der Personalrat nach den ihm erteilten Informationen nachvollziehen, dass das beklagte Land der eigenen Ansicht zufolge den Kündigungssachverhalt jedenfalls nicht vor dem 8. April 2013 erfassen konnte. Der Personalrat vermochte sich anhand dessen ein eigenes Bild von der Einhaltung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB zu verschaffen. Das reicht aus. Eine nähere Begründung der den Kündigungsentschluss tragenden Abwägung ist wegen des Grundsatzes der subjektiven Determinierung regelmäßig nicht erforderlich. Die Anhörung zu der Absicht, das Arbeitsverhältnis (fristlos) zu kündigen, impliziert eine Abwägung zu Lasten des Arbeitnehmers (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 15; 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 27, BAGE 146, 303).

66

(2) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Anhörung nicht deshalb unvollständig, weil das beklagte Land es unterlassen hat, den Personalrat über den Inhalt eines am 22. April 2013 mit einem anderen Bediensteten geführten Personalgesprächs zu unterrichten. Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass diese Unterredung vor Übergabe des Kündigungsschreibens stattfand und sich aus der Einlassung des Bediensteten Anhaltspunkte dafür ergaben, dass dieser Kopier- und Brennvorgänge im Zusammenwirken mit ihm - dem Kläger - durchgeführt hat. Das beklagte Land ging bei Einleitung des Anhörungsverfahrens - für den Personalrat erkennbar - davon aus, der Kläger selbst habe das fragliche Programm wiederholt zu privaten Zwecken während der Dienstzeit genutzt. Sowohl aus der subjektiven Sicht des beklagten Landes als auch aus objektiver Sicht handelt es sich bei der aus dem Personalgespräch deutlich gewordenen Möglichkeit, der Kläger und der andere Bedienstete hätten zusammengewirkt, keineswegs um einen entlastenden Umstand, wie das Landesarbeitsgericht gemeint hat. Allein- und Mittäterschaft sind in ihrem Unrechtsgehalt gleichwertig und im Rahmen einer kündigungsrechtlichen Beurteilung regelmäßig gleich zu gewichten.

67

(3) Die Äußerungsfrist von drei Arbeitstagen (§ 67 Abs. 2 Satz 3 PersVG LSA) hat das beklagte Land - auch unter Berücksichtigung der dem Personalrat am 18. April 2013 unterbreiteten ergänzenden Informationen - gewahrt.

68

(a) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist dem Personalrat das Schreiben vom 16. April 2013 am selben Tag zugegangen. Gemäß § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 1 BGB lief die Frist von drei Arbeitstagen am 19. April 2013 (einem Freitag), 24:00 Uhr ab. Zwar wurde das Kündigungsschreiben bereits am 18. April 2013 ausgefertigt und dem Geschäftsleiter des Oberlandesgerichts als Erklärungsboten des beklagten Landes zwecks persönlicher Übergabe an den Kläger ausgehändigt. Ein Treffen zwischen dem Geschäftsleiter und dem Kläger war aber - schon zuvor - erst für den 22. April 2013 vereinbart worden. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das Kündigungsschreiben den Machtbereich des Präsidenten des Oberlandesgerichts nicht verlassen und war es diesem möglich, die Kündigung anzuhalten, falls der Personalrat gewichtige und aus Sicht des beklagten Landes überzeugende Argumente gegen sie vorbrächte. Der Fall liegt insoweit nicht anders, als wenn der Präsident des Oberlandesgerichts das Kündigungsschreiben zwar am 18. April 2013 unterschrieben, jedoch bis zum 22. April 2013 weiter selbst verwahrt hätte.

69

(b) Das Anhörungsverfahren war bei Übergabe des Kündigungsschreibens an den Kläger - anders als dieser meint - nicht deshalb noch nicht abgeschlossen, weil das beklagte Land dem Personalrat mit Schreiben vom 18. April 2013 ergänzende Informationen hat zukommen lassen. Auf der Grundlage der Darlegungen des beklagten Landes ist davon auszugehen, dass das Anhörungsverfahren durch das vorbezeichnete Schreiben nicht neu in Gang gesetzt worden ist.

70

(aa) Vor Ausspruch der Kündigung kann der Arbeitgeber seine Informationen gegenüber dem Betriebs- oder Personalrat jederzeit ergänzen. Die Beurteilung, ob aufgrund der nachträglichen Unterrichtung die Äußerungsfrist neu anläuft, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei ist auch auf den Gegenstand der nachgereichten Informationen Bedacht zu nehmen (vgl. BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 736/13 - Rn. 27).

71

(bb) Im Streitfall ist das Schreiben vom 18. April 2013 ausdrücklich als „Ergänzung“ und nicht, wie das Schreiben vom 16. April 2013, als „Anhörung“ bezeichnet worden. Bereits dies spricht gegen die Annahme, das beklagte Land habe das Verfahren neu in Gang setzen wollen. Eine andere Interpretation ist auch nicht wegen des Inhalts der zusätzlichen Informationen geboten. Mittels der Vorlage der protokollierten Kopiervorgänge und des Journals der Arbeitszeit wurden lediglich die im Schreiben vom 16. April 2013 bereits geschilderten Vorgänge vertiefend dargestellt und erläutert, nicht aber ein Sachverhalt unterbreitet, der den bisher bekannten Sachverhalt in einem gänzlich neuen Licht erscheinen ließe. Im Ergebnis nichts anderes gilt für die Unterrichtung über den Inhalt des mit dem Kläger am 17. April 2013 geführten Gesprächs und die ihm bis zum 18. April 2013, 9:00 Uhr eingeräumte Möglichkeit zur weitergehenden Stellungnahme. Auch diese Mitteilung diente der Vervollständigung der Information des Personalrats, nicht aber der Einführung eines neuen Sachverhalts. Das gilt jedenfalls mit Blick auf die hier interessierende „Tatkündigung“, bei der die Anhörung des Arbeitnehmers nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung ist, und unter Berücksichtigung des Umstands, dass das Gespräch vom 17. April 2013 keine Erkenntnisse zutage förderte, die den Kläger entscheidend hätten entlasten können.

72

III. Bei der neuen Verhandlung wird das Landesarbeitsgericht zunächst zu prüfen und zu bewerten haben, ob ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB gegeben und ob die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt ist. Dazu wird es die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Sollte es zu dem Ergebnis gelangen, die Kündigung sei iSv. § 626 BGB wirksam, wird es auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen davon ausgehen können, dass der Personalrat zur außerordentlichen Kündigung ordnungsgemäß beteiligt worden ist. Die Klage dürfte in diesem Fall abzuweisen sein, ohne dass der auf die ordentliche Kündigung bezogene Feststellungsantrag und der Antrag auf Weiterbeschäftigung noch zur Entscheidung anfielen. Sollte das Landesarbeitsgericht die Kündigung für unwirksam erachten, wird es über die ordentliche Kündigung zu befinden haben, je nach Ausgang dieses Streits auch über den (Hilfs-)Antrag des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung. Für die weitere Sachbehandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

73

1. Bei der Prüfung von § 626 Abs. 1 BGB wird das Landesarbeitsgericht - unter Berücksichtigung der zu B. I. und II. dargestellten Rechtsauffassung des Senats - zu würdigen haben, ob die vorgetragenen Indizien ausreichen, ihm die erforderliche Überzeugung zu vermitteln, der Kläger habe seine vertraglichen Pflichten verletzt. Über streitige Tatsachen wird ggf. Beweis zu erheben sein. Dabei hat sich das Gericht mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit zu begnügen, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig ausschließen zu müssen (BAG 29. Januar 2015 - 2 AZR 280/14 - Rn. 30 mwN; BGH 11. November 2014 - VI ZR 76/13 - Rn. 23 mwN).

74

2. Im Hinblick auf eine ggf. vorzunehmende Würdigung der Umstände des Einzelfalls und Interessenabwägung wird zu berücksichtigen sein, dass die vom Landesarbeitsgericht bisher - im Rahmen der Überprüfung der ordentlichen Kündigung - zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angestellten Erwägungen nicht tragen.

75

a) Die Wertung, es habe deshalb einer Abmahnung bedurft, weil „fast alle Bediensteten einschließlich der Richterschaft […] offenbar von der Tätigkeit des Klägers profitiert und dieser auch nicht widersprochen [hätten]“ und daraus auf ein mangelndes Unrechtsbewusstsein - auch des Klägers - zu schließen sei, entbehrt der Tatsachenbasis. Es ist unklar, auf welche Handlungen des Klägers sich das Landesarbeitsgericht bezogen und welche Personen es vor Augen gehabt hat, die aus den nicht näher konkretisierten Aktivitäten des Klägers einen bisher nicht definierten Nutzen gezogen haben sollen.

76

b) Für die vom Landesarbeitsgericht mit Blick auf den Umgang mit beschäftigten Beamten ins Spiel gebrachte Heranziehung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes fehlt es an einer rechtlichen Grundlage. Zwar mögen bei der Interessenabwägung nach § 626 Abs. 1 BGB ähnliche Erwägungen anzustellen sein wie im Rahmen einer disziplinarrechtlichen Würdigung. Daraus kann aber nicht - wie das Landesarbeitsgericht offenbar gemeint hat - abgeleitet werden, der Arbeitgeber dürfe gegenüber einem Arbeitnehmer, der seine Pflichten in gemeinschaftlichem Zusammenwirken mit Beamten verletzt hat, nicht zum Mittel der Kündigung greifen, solange er nicht auch die Entlassung der Beamten initiiere oder doch andere disziplinarische Maßnahmen ihnen gegenüber ergreife. Die Erwägung lässt außer Acht, dass sich Wertungen, wie sie aus dem in der Regel auf Lebenszeit angelegten, durch besondere Treue- und Fürsorgepflichten geprägten Dienstverhältnis der Beamten folgen, nicht auf eine privatrechtliche Leistungsbeziehung übertragen lassen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 29, BAGE 134, 349; 17. Juni 1993 - 6 AZR 620/92 - zu B II 2 d bb der Gründe, BAGE 73, 262). Selbst im Verhältnis von Arbeitnehmern untereinander scheidet mit Blick auf verhaltensbedingte Kündigungen eine Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes weitgehend aus (BAG 8. Dezember 1994 - 2 AZR 470/93 - zu B II 5 g der Gründe; zu eng begrenzten Ausnahmekonstellationen vgl. BAG 22. Februar 1979 - 2 AZR 115/78 - zu 2 a der Gründe). Die fraglichen Erwägungen des Landesarbeitsgerichts lassen überdies die herausgehobene Position des Klägers als „IT-Verantwortlicher“ außer Acht. Unbeschadet der unterschiedlichen Rechtsstellung von Beamten und Angestellten widerspricht auch dies - neben weiteren in Betracht zu ziehenden Unterschieden - einer Vergleichbarkeit der Sachverhalte.

77

c) Das Landesarbeitsgericht wird, sollte es auf die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung ankommen, weiterhin davon ausgehen können, dass deren soziale Rechtfertigung (§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG) unter dem Gesichtspunkt des Verdachts nicht in Betracht kommt - auch deshalb, weil der Personalrat dazu laut Schreiben vom 23. April 2013 nicht beteiligt worden ist. Die Prüfung, ob die Kündigung als Tatkündigung durch Gründe iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist, wird das Landesarbeitsgericht neu vorzunehmen und die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Was die Frage betrifft, ob die Beteiligung des Personalrats zu einer ordentlichen Kündigung nach § 67 Abs. 1 Nr. 8 PersVG LSA ordnungsgemäß erfolgt ist, wird zu beachten sein, dass die in der angefochtenen Entscheidung vertretene Auffassung, die Anhörung sei unwirksam, weil das beklagte Land dem Personalrat mögliche Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe nicht mitgeteilt habe, auf der Basis der bisherigen Feststellungen nicht haltbar ist. Um welche, nach dem Grundsatz der subjektiven Determiniertheit beachtlichen Tatsachen es sich insoweit handeln soll, ist nicht nachzuvollziehen.

78

IV. Der Senat hat bei der Zurückverweisung von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Berger    

        

        

        

    Perreng    

        

    Der ehrenamtliche Richter Dr. Bartz ist wegen des Endes seiner Amtszeit verhindert, seine Unterschrift beizufügen.
Kreft    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. November 2010 - 7 Sa 1052/09 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, verhaltensbedingten Kündigung.

2

Der 1969 geborene, ledige Kläger war seit dem 1. August 1985 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Seit dem 1. August 2008 war er in dem Ressort „OnSiteService“ (OSS) W, Team R, als Kundendiensttechniker im Außendienst im Einsatz. Er bezog zuletzt ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 3.000,00 Euro.

3

Dem Kläger stand als alleinigem Nutzer ein Dienstfahrzeug ausschließlich zu dienstlichen Zwecken zur Verfügung. Er war angewiesen, vor Urlaubsantritt oder bei Arbeitsunfähigkeit den Fahrzeugschlüssel und das Fahrtenbuch im Betrieb abzugeben. Weil er dem anlässlich einer Arbeitsunfähigkeit und eines Urlaubs in der Zeit vom 19. November 2002 bis zum 25. Februar 2003 nicht nachgekommen war, mahnte die Rechtsvorgängerin der Beklagten ihn ab und sprach im Februar 2003 eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung aus. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage hatte Erfolg. Die Beklagte vermochte nicht zu beweisen, dass das Abmahnungsschreiben dem Kläger vor Ausspruch der Kündigung zugegangen war.

4

Vor dem Antritt eines Urlaubs Ende Oktober 2008 hatte der Kläger den Schlüssel des Dienstfahrzeugs und das Fahrtenbuch erneut nicht im Betrieb hinterlegt. In einem Gespräch im November 2008 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass durch sein Fehlverhalten ein einem anderen Ressort zugeordneter Parkplatz in der Tiefgarage über drei Wochen lang durch sein Fahrzeug belegt gewesen sei. Die Beklagte wies den Kläger an, seine Fahrtenbuchmappe inklusive Tankkarte und Fahrzeugschlüssel ab sofort abends in seinem Fach zu hinterlegen sowie sich bei seinem Vorgesetzten bei Arbeitsbeginn an- und bei Arbeitsende abzumelden.

5

Mit Schreiben vom 29. Januar 2009 ermahnte die Beklagte den Kläger nochmals, die Anweisungen einzuhalten. Gleichzeitig kündigte sie an, weitere arbeitsrechtliche Schritte einzuleiten, wenn bis zum 15. Februar 2009 keine Besserung erkennbar sei und er die Anweisungen weiterhin missachte. Der Kläger erhielt das Schreiben am 6. Februar 2009 von seinem Vorgesetzten. Am selben Abend nahm er die Kfz-Utensilien nach einer Spätschicht mit nach Hause. Der Vorgesetzte war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Betrieb anwesend. Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem Kläger ein Fach zur Verfügung stand, in dem er die Fahrzeugschlüssel hätte hinterlegen können.

6

Vom 9. Februar 2009 an war der Kläger krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Ausweislich einer Aufstellung der Krankenkasse war er im Zeitraum vom 9. Februar 2009 bis zum 7. März 2009 aufgrund einer Gastritis sowie vom 9. bis 17. März 2009 an einer „sonstigen depressiven Episode“ erkrankt. Ab dem 17. März 2009 behandelte ihn der Psychiater Dr. L, der ihm ebenfalls eine „sonstige depressive Episode“ bescheinigte. In einem Attest seiner Hausärztin vom 1. Oktober 2010 heißt es, beim Kläger bestünden seit Jahren „massive Beschwerden vom Magen sowie von der Psyche her“. Insbesondere in der Zeit vom 9. Februar 2009 bis zum 7. März 2009 habe er unter Magenschmerzen, Tendenz zu sozialem Rückzug, Antriebsstörungen und Vermeidungshaltungen gelitten.

7

Der Kläger zeigte seine Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht nahtlos an. Am 20. Februar 2009 versandte er per Einschreiben einen Brief mit ärztlichen Attesten für die Zeit vom 9. bis 21. Februar 2009. Dieser ging am Montag, dem 23. Februar 2009, bei der Beklagten ein. Am diesem Tag hatte der Kläger dienstfrei. Am 24. Februar 2009 rief er gegen 8:30 Uhr den Sachbearbeiter Einsatzsteuerung an und teilte ihm mit, nochmals einen Arzt aufsuchen zu wollen. Am späten Abend des Tages informierte er seinen Vorgesetzten per E-Mail darüber, dass seine Krankmeldung bis zum 28. Februar 2009 verlängert worden sei und er sie zu Händen einer Mitarbeiterin nach H geschickt habe.

8

Der Kläger gab während seiner Erkrankung die Fahrzeugutensilien weder heraus, noch teilte er der Beklagten mit, wo sie sich befänden und wie eine Herausgabe sichergestellt werden könne. Den auf seinem Diensthandy hinterlassenen Rückrufbitten der Beklagten kam er nicht nach.

9

Mit Schreiben vom 16. Februar 2009 und 18. Februar 2009 mahnte die Beklagte den Kläger wegen unzureichender Anzeige und fehlenden Nachweises seiner Arbeitsunfähigkeit sowie wegen mangelnder Herausgabe der Utensilien für das Dienstfahrzeug ab. Die Abmahnungen wurden am 17. Februar 2009 um 12:55 Uhr bzw. am 18. Februar 2009 um 16:45 Uhr in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen. Im Schreiben vom 16. Februar 2009 forderte die Beklagte den Kläger ua. auf, die Utensilien für das Dienstfahrzeug spätestens am 18. Februar 2009 abzugeben. Sollte er wegen Arbeitsunfähigkeit an der Abgabe der Gegenstände gehindert sein, habe er spätestens am 18. Februar 2009 mitzuteilen, wo sich die Gegenstände befänden, und eine Herausgabe sicherzustellen. Die Abmahnung vom 18. Februar 2009 enthielt eine entsprechende „letztmalige“ Aufforderung, dem spätestens bis zum Morgen des 20. Februar 2009 nachzukommen.

10

Mit Schreiben vom 2. März 2009 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu ihrer Absicht an, das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zu kündigen. Der Betriebsrat widersprach dem.

11

Mit Schreiben vom 9. März 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 31. Oktober 2009.

12

Der Kläger hat gegen die Kündigung rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat behauptet, er habe in der Zeit vom 9. Februar 2009 bis 7. März 2009 an einer Tendenz zu sozialem Rückzug, Antriebsstörungen und Vermeidungshaltungen gelitten. Er habe sich in einer akuten depressiven Episode befunden, die durch völlige Antriebsschwäche gekennzeichnet gewesen sei. Aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigung sei er nicht in der Lage gewesen, wie von ihm verlangt zu handeln. Er sei der einzige Mitarbeiter, der jeden Abend die Kfz-Utensilien abgeben müsse. Alle anderen Kollegen dürften die Fahrzeuge mit nach Hause nehmen und für den Weg zur Dienststelle kostenfrei nutzen. Da das Fahrzeug ausschließlich von ihm genutzt werde, sei der Beklagten kein Nachteil entstanden. Die Beklagte habe auch längst einen Ersatzschlüssel anfertigen lassen können. Die Abmahnungen vom 16. und 18. Februar 2009 habe er erst am 21. Februar 2009 aus seinem Hausbriefkasten entnommen. Zudem lägen keine schwerwiegenden Pflichtverstöße vor, so dass die Kündigung unter Berücksichtigung seiner 24-jährigen Betriebszugehörigkeit sozial nicht gerechtfertigt sei. Wahrer Hintergrund für die Kündigung sei seine schwere Erkrankung, die zu häufigen Ausfallzeiten führe.

13

Der Kläger hat beantragt

        

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 9. März 2009 nicht mit Ablauf des 31. Oktober 2009 aufgelöst worden ist.

14

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe bewusst und beharrlich gegen ihm erteilte Weisungen verstoßen. Er sei offensichtlich nicht bereit, berechtigten Forderungen nachzukommen. Eine Beschäftigung im Innendienst sei nicht möglich, weil der Kläger vor einiger Zeit unter Vorlage eines betriebsärztlichen Attests die Beschäftigung im Außendienst verlangt habe. Zudem bestehe im Innendienst kein geeigneter freier Arbeitsplatz. Da sich der Kläger trotz Ermahnung und Abmahnungen weiterhin pflichtwidrig verhalten habe, sei für die Zukunft mit erneuten gleichartigen Pflichtverstößen zu rechnen. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihr nicht mehr zumutbar. Für eine Erkrankung, die ein schuldhaftes Verhalten des Klägers ausschließe, lägen keine ausreichenden Anhaltspunkte vor.

15

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Klage nicht abweisen (I.). Die Sache ist nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif (§§ 561, 563 Abs. 3 ZPO). Ob die Kündigung vom 9. März 2009 gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt ist, steht noch nicht fest(II.). Die Kündigung ist nach den bisherigen Feststellungen jedenfalls nicht gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG rechtsunwirksam(II.).

17

I. Das Landesarbeitsgericht durfte aufgrund seiner bisherigen Feststellungen nicht annehmen, die Kündigung vom 9. März 2009 sei iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG aus verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt.

18

1. Das Landesarbeitsgericht unterstellt die Anwendbarkeit von § 1 KSchG, ohne Feststellungen zur Betriebsgröße nach § 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 KSchG getroffen zu haben. Dies wird es im Fall des Fehlens einer sozialen Rechtfertigung nachzuholen haben.

19

2. Die Begründung des Berufungsurteils hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

20

a) Eine Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile angemessen erscheint (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 34, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 12, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 62 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 78). Ein nachhaltiger Verstoß des Arbeitnehmers gegen berechtigte Weisungen des Arbeitgebers stellt eine Vertragspflichtverletzung dar, die eine Kündigung zu rechtfertigen vermag (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 282/10 - Rn. 12, AP BGB § 626 Nr. 233 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 34; 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - Rn. 20, AP BGB § 626 Nr. 230 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 31; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 459 mwN). Ebenso kann eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gemäß § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers eine Kündigung rechtfertigen(vgl. zu § 626 Abs. 1 BGB: BAG 24. März 2011 - 2 AZR 282/10 - aaO; 12. Mai 2010 - 2 AZR 845/08 - aaO).

21

b) Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob eine verhaltensbedingte Kündigung unter besonderen Umständen auch dann berechtigt sein kann, wenn das Verhalten dem Arbeitnehmer nicht vorwerfbar ist (vgl. bejahend APS/Dörner 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 276; Liebscher in Thüsing/Laux/Lembke 2. Aufl. KSchG § 1 KSchG Rn. 371; Linck in v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 475; differenzierend: MünchKommBGB/Hergenröder 5. Aufl. § 1 KSchG Rn. 193; ablehnend: HaKo/Fiebig 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 224; KR/Griebeling 9. Aufl. § 1 KSchG Rn. 395; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 1 Rn. 96; ErfK/Oetker 12. Aufl. § 1 KSchG Rn. 191). Die Beklagte hat derartige besondere Umstände nicht behauptet. Sie wirft dem Kläger ausschließlich Ordnungsverstöße ohne besondere, schwerwiegende Folgen vor. Unter diesen Umständen setzt eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses voraus, dass die Nichterfüllung der vertraglichen Pflichten dem Kläger vorwerfbar ist.

22

c) Eine Pfichtverletzung ist vorwerfbar, wenn der Arbeitnehmer seine ihr zugrunde liegende Handlungsweise steuern konnte (ErfK/Oetker aaO Rn. 188). Ein Verhalten ist steuerbar, wenn es vom Willen des Arbeitnehmers beeinflusst werden kann (Linck aaO Rn. 461). Dies ist nicht der Fall, wenn dem Arbeitnehmer die Pflichterfüllung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen subjektiv nicht möglich ist (vgl. BAG 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 70, 262). Ist dies vorübergehend nicht der Fall, ist er für diese Zeit von der Pflichterfüllung befreit (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 71. Aufl. § 275 Rn. 10).

23

d) Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast auch dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die das Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen lassen (vgl. BAG 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - BAGE 70, 262; 18. Oktober 1990 - 2 AZR 204/90 - zu II 3 a der Gründe, RzK I 10h Nr. 30). Der Umfang der ihm obliegenden Darlegungslast ist allerdings davon abhängig, wie sich der Arbeitnehmer auf einen bestimmten Vortrag einlässt (BAG 18. Oktober 1990 - 2 AZR 204/90 - zu II 3 b der Gründe, aaO). Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast darf sich der Arbeitgeber zunächst darauf beschränken, den objektiven Tatbestand einer Arbeitspflichtverletzung darzulegen. Er muss nicht jeden erdenklichen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund vorbeugend ausschließen (BAG 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - aaO). Will der Arbeitnehmer geltend machen, er sei aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen gehindert gewesen, seine Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen, muss er diese Gründe genau angeben. Beruft er sich auf krankheitsbedingte Gründe kann es erforderlich sein, dass er substantiiert darlegt, woran er erkrankt war und weshalb er deshalb seine Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllen konnte (vgl. BAG 18. Oktober 1990 - 2 AZR 204/90 - aaO).

24

e) Gemessen an diesen Grundsätzen durfte das Landesarbeitsgericht aufgrund seiner bisherigen Feststellungen nicht davon ausgehen, der Kläger habe dadurch, dass er sich beharrlich rechtmäßigen Weisungen seines Arbeitgebers widersetzte, in vorwerfbarer Weise erhebliche Nebenpflichtverletzungen begangen.

25

aa) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, es könne eine Verletzung der vertraglichen Pflicht des Klägers zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB darstellen, dem Verlangen der Beklagten nicht nachzukommen, während Abwesenheitszeiten aufgrund Urlaubs oder Arbeitsunfähigkeit die Schlüssel und das Fahrtenbuch für das Dienstfahrzeug herauszugeben. Die Möglichkeit, einen Zweitschlüssel für das Fahrzeug fertigen zu lassen, stand der Berechtigung des Verlangens nicht entgegen. Dem Kläger war das Dienstfahrzeug samt Utensilien nur zu dienstlichen Zwecken überlassen.

26

bb) Revisionsrechtlich ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden, es sei unerheblich, dass dem Kläger als einzigem Mitarbeiter der Dienstwagen nicht auch zur privaten Nutzung überlassen worden war. Der Kläger hat keine Tatsachen dafür vorgetragen, dass es sich um eine unzulässige Maßregelung oder einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz handeln könnte.

27

cc) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Kläger habe die Anweisungen der Beklagten, die Utensilien für das Dienstfahrzeug für die Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit herauszugeben bzw. mitzuteilen, wie eine Übergabe erfolgen könne, nicht befolgt und habe damit diese sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebende Pflicht objektiv nicht erfüllt.

28

dd) Nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei auch den Anzeige- und Nachweispflichten im Zusammenhang mit seiner Arbeitsunfähigkeit nicht korrekt nachgekommen.

29

(1) Die Beklagte hatte den Kläger mit den Abmahnungen vom 16. und 18. Februar 2009 darauf hingewiesen, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seinem Vorgesetzten oder dessen Stellvertreterin vorzulegen seien. Obgleich er jedenfalls am 21. Februar 2009 vom Inhalt der Abmahnungen Kenntnis genommen hatte, sandte der Kläger die Bescheinigung für den Zeitraum vom 21. bis zum 28. Februar 2009 nicht an den Vorgesetzten oder dessen Stellvertreterin, sondern zu Händen einer Mitarbeiterin nach H.

30

(2) Auch hatte der Kläger die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit vorweg nicht unverzüglich angezeigt. Die Verpflichtung zur Anzeige nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG gilt nach dem Sinn und Zweck der Regelung für den Fall einer Fortdauer der Erkrankung entsprechend(ErfK/Dörner 12. Aufl. § 5 EFZG Rn. 19; HaKo-EFZR/Feichtinger 2. Aufl. § 5 EFZG Rn. 16; Kunz/Wedde EFZR 2. Aufl. § 5 EFZG Rn. 61; Lepke Krankheit als Kündigungsgrund 13. Aufl. Rn. 514; Schmitt EFZG 6. Aufl. § 5 Rn. 128 f. mwN). Nach der ausdrücklich Anweisung der Beklagten war auch die Anzeige gegenüber dem Vorgesetzten oder dessen Vertreterin vorzunehmen. Statt dessen zeigte der Kläger die voraussichtliche Fortdauer seiner Erkrankung am 24. Februar 2009 zunächst nur dem Sachbearbeiter „Einsatzsteuerung“ an. Seinen Vorgesetzten setzte er erst um 21:33 Uhr per E-Mail in Kenntnis.

31

ee) Hingegen hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe in vorwerfbarer Weise gegen seine Vertragspflichten verstoßen, einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Kläger hat hinreichend substantiiert dargelegt, in der Zeit vom 9. Februar 2009 bis 7. März 2009 aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen zu einem pflichtgemäßen Verhalten nicht in der Lage gewesen zu sein. Auf der Grundlage seines Vorbringens war ihm die Erfüllung seiner Pflichten aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen subjektiv unmöglich, deren Nichterfüllung daher nicht vorwerfbar. Eine beharrliche Weigerung, die Pflichten zu erfüllen, lag unter den behaupteten Umständen nicht vor.

32

(1) Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2010 vorgetragen, er habe sich im Zeitraum vom 9. Februar 2009 bis 7. März 2009 in einer akuten depressiven Episode befunden. Diese sei durch völlige Antriebsschwäche gekennzeichnet gewesen. Er habe unter Schlafstörungen und Erschöpfungszuständen gelitten, die ihn zeitweise tagelang ans Bett gefesselt hätten. Neben Antriebsstörungen habe er eine massive Tendenz zum sozialen Rückzug sowie eine Vermeidungshaltung aufgewiesen. Er sei in seiner Konzentrations- und Denkfähigkeit völlig eingeschränkt gewesen. Aufgrund dessen sei er nicht in der Lage gewesen, zu handeln wie von ihm verlangt. Er habe weder die Rückgabe des Schlüssels organisieren noch mit entsprechenden Personen Rücksprache halten können. Aufgrund seines Zustands habe er sogar vergessen, dass sich die Gegenstände überhaupt in seinem Besitz befunden hätten.

33

(2) Trifft dies zu, war es dem Kläger aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen - und damit aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen - subjektiv nicht möglich, seine Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen. Der Kläger hat im einzelnen dargelegt, worunter er gelitten habe, so dass er seinen Pflichten nicht habe nachkommen können. Auch wenn sich eine solche Einschränkung der Handlungsfähigkeit nicht bereits aus den vorgelegten Attesten ergibt, ist das Vorbringen des Klägers erheblich. Der Kläger hat sich zum Beweis nicht nur auf die ärztlichen Bescheinigungen und das Zeugnis des ihn erst später behandelnden Dr. L berufen. Er hat außerdem Beweis angetreten durch das Zeugnis der Hausärztin, die ihn im fraglichen Zeitraum behandelt habe, und hat diese von der Schweigepflicht entbunden.

34

(3) Die Behauptung des Klägers, er habe in der Zeit vom 9. Februar 2009 bis 7. März 2009 krankheitsbedingt nicht wie von ihm verlangt handeln können, ist durch seinen Anruf bei dem Sachbearbeiter am Morgen des 24. Februar 2009 und seine E-Mail an den Vorgesetzten am Abend desselben Tages nicht widerlegt. Zum einen hat er auch damit seine Anzeigepflichten nicht weisungsgerecht erfüllt. Zum anderen ist nicht ausgeschlossen, dass ihm gerade im Verhältnis zu seinem Vorgesetzten ein pflichtgemäßes Verhalten nicht möglich war.

35

II. Die Rechtsverletzung, die die Begründung des Berufungsurteils ergibt, führt zu dessen Aufhebung. Das Urteil stellt sich nicht etwa aus anderen Gründen als richtig dar (§§ 561, 562 Abs. 1 ZPO). Dies wiederum führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 1, Abs. 3 ZPO).

36

1. Ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist, kann der Senat nicht selbst entscheiden. Es steht noch nicht fest, ob dem Kläger die Nichterfüllung seiner Pflichten vorwerfbar ist. Das Landesarbeitsgericht wird der Beklagten Gelegenheit geben müssen, das Vorbringen des Klägers, eine ordnungsgemäße Pflichterfüllung sei ihm im fraglichen Zeitraum aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich gewesen, zu entkräften.

37

2. Der Rechtsstreit ist auch nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif. Die Kündigung ist nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.

38

a) Eine Kündigung ist gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht nur unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt zu beteiligen, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat, er insbesondere seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht ausreichend nachgekommen ist(BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 45, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36; 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - Rn. 13, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 163 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 26). An die Mitteilungspflicht sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen, wie an die Darlegung des Arbeitgebers im Prozess. Es gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - aaO; 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - aaO). Dagegen führt eine bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung zu einer fehlerhaften Anhörung (BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - aaO; 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20 ). Zu einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Information des Betriebsrats gehört auch die Unterrichtung über dem Arbeitgeber bekannte und für eine Stellungnahme des Betriebsrats möglicherweise bedeutsame Tatsachen, die den Arbeitnehmer entlasten und deshalb gegen den Ausspruch einer Kündigung sprechen können (BAG 6. Februar 1997 - 2 AZR 265/96 - Rn. 19, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 85 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 96).

39

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Betriebsratsanhörung nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden.

40

aa) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, die Beklagte habe den Betriebsrat mit Schreiben vom 2. März 2009 zu der beabsichtigten Kündigung angehört, und hat den Inhalt des Anhörungsschreibens in Bezug genommen. Danach hat die Beklagte den Betriebsrat über alle Umstände unterrichtet, die aus ihrer Sicht für den Kündigungsentschluss relevant waren und den Sachverhalt hätten beeinflussen können. Dies galt auch für die Vorgänge aus dem Jahr 2003.

41

bb) Die Beklagte musste sich im Rahmen der Anhörung des Betriebsrats nicht näher mit der „tatsächlichen Erkrankung“ des Klägers auseinandersetzen. Sie hatte den Betriebsrat im Anhörungsschreiben darüber informiert, dass der Kläger seit dem 9. Februar 2009 arbeitsunfähig krank war. Der Kläger hat nicht behauptet, die Beklagte habe schon vor Ausspruch der Kündigung davon gewusst, dass auch seine Handlungsfähigkeit eingeschränkt gewesen sei.

42

cc) Die Anhörung des Betriebsrats ist nicht deshalb fehlerhaft, weil das Anhörungsschreiben „keinerlei entlastende Momente“ darlegt und über eine Anhörung des Klägers selbst nichts berichtet. Welche weiteren, der Beklagten bekannten und den Kläger entlastenden Tatsachen dem Betriebsrat nicht mitgeteilt worden sein sollen, ist nicht ersichtlich. Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist - abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall einer Verdachtskündigung - keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. Schon deshalb ist ihre Nichterwähnung unschädlich.

43

c) Die Beklagte hat den Betriebsrat auch mit dem Hinweis auf ein „unentschuldigtes Fehlen“ des Klägers am 22. November 2008 subjektiv nicht falsch unterrichtet. Nach Auffassung der Beklagten war der Kläger an diesem Tag zur Arbeitsleistung verpflichtet.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Söller    

        

    Baerbaum    

                 

Tenor

1. Die Revisionen der Beklagten und der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. November 2008 - 11 Sa 820/08 - werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier außerordentlicher, hilfsweise ordentlicher Kündigungen.

2

Die Beklagte betreibt einen ambulanten Pflegedienst. Die Klägerin war bei ihr seit dem 1. Juli 2006 als Diplomsozialarbeiterin beschäftigt. Sie betreute psychisch kranke Menschen und Suchtkranke in deren Wohnungen(ambulant betreutes Wohnen) und hatte zuletzt einen regelmäßigen Patientenstamm von elf Personen.

3

Die Klägerin reichte im September 2007 eine „Überlastungsanzeige“ ein. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 20. September 2007 fristlos, hilfsweise fristgemäß wegen „bestehender Differenzen“ und „mangelnder Fähigkeit“ der Klägerin, sich in bestehende Strukturen einzufinden. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage.

4

Am 21. September 2007 kündigten sieben von der Klägerin betreute Patienten ihren mit der Beklagten bestehenden Betreuungsvertrag fristlos. Die von den Patienten handschriftlich verfassten Kündigungsschreiben hatte die Klägerin zur Post gegeben. Am gleichen Tag erhielt die Klägerin von einem Konkurrenzunternehmen der Beklagten, der Firma „S“, per E-Mail eine Einstellungszusage, in der von einer „Übernahme“ namentlich genannter Patienten der Klägerin die Rede war. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 24. September 2007 forderte die Beklagte die Klägerin auf, den Kontakt zu ihren Patienten und deren Betreuern sofort einzustellen sowie das Abwerben von Klienten zu unterlassen. Nachdem die Beklagte die Kündigung vom 20. September 2007 mit Zustimmung der Klägerin zurückgezogen hatte, nahm diese ihre Kündigungsschutzklage zurück.

5

Am 19. Oktober 2007 wurde die Beklagte darüber informiert, dass eine von der Klägerin betreute Patientin zur Firma „S“ gewechselt sei. Die rechtliche Betreuerin dieser Patientin übermittelte der Beklagten eine von der Klägerin verfasste E-Mail vom 24. September 2007, in der diese sich dafür entschuldigt hatte, den Wechsel zur Firma „S“ ohne vorherige Rücksprache mit ihr - der Betreuerin - durchgeführt zu haben. Der E-Mail war ein Betreuungsvertrag der Firma „S“ beigefügt.

6

Mit Schreiben vom 24. Oktober 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 30. November 2007.

7

Am 31. Oktober 2007 erhielt die Beklagte Kenntnis von einer weiteren E-Mail der Klägerin, die diese an die Betreuerin gerichtet hatte. Darin teilte sie mit, dass eine Beschäftigung bei der Firma „S“ nicht zustande gekommen sei, sie einen Antrag auf Zulassung als Leistungsanbieter für ambulantes betreutes Wohnen gestellt habe und sie ihre (ehemaligen) Patienten bei der Regelung ihres Alltags weiterhin - unentgeltlich - unterstützen werde. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 2. November 2007 erneut fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30. November 2007.

8

Die Klägerin hat sich mit ihrer Kündigungsschutzklage gegen beide Kündigungen gewandt und die Auffassung vertreten, ein Grund zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses liege nicht vor. Sie habe weder eine Konkurrenztätigkeit ausgeübt oder vorbereitet noch aktiv Patienten abgeworben. Sie habe auch die Kündigungen der Betreuungsverträge durch ihre Patienten nicht forciert; diese hätten aus Unzufriedenheit und wegen des ständigen Wechsels der Bezugspersonen aus eigenem Entschluss gekündigt. Sie sei lediglich gebeten worden, die Kündigungsschreiben zur Post zu bringen. Das Angebot der Firma „S“ habe sie angenommen, um einen Verzugsschaden im Interesse der Beklagten gering zu halten. Im Übrigen sei die außerordentliche Kündigung schon wegen Versäumung der zweiwöchigen Ausschlussfrist unwirksam. Die Beklagte habe bereits bei der Teambesprechung am 21. September 2007 von den aus ihrer Sicht kündigungsrelevanten Tatsachen Kenntnis gehabt. Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 24. September 2007 zeige, dass dieser der Kündigungssachverhalt spätestens am 24. September 2007 bekannt gewesen sei.

9

Die Klägerin hat - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 24. Oktober 2007 noch durch die Kündigung vom 2. November 2007 beendet worden ist.

10

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt. Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe das Arbeitsverhältnis wegen schwerwiegender Vertragspflichtverletzungen fristlos beenden dürfen. Die Klägerin sei zu einem Konkurrenzunternehmen gewechselt und habe diesem Patientendaten weitergegeben sowie Betreuungsverträge ihrer ehemaligen Patienten vermittelt. Davon habe sie erst am 19. Oktober 2007 erfahren. Die fristlose Kündigung vom 2. November 2007 sei berechtigt, weil die Klägerin sich habe selbständig machen und dazu ihre Patienten habe mitnehmen wollen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentlichen Kündigungen vom 24. Oktober 2007 und 2. November 2007 nicht aufgelöst worden ist, hat aber im Übrigen die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen haben beide Parteien Revision eingelegt. Die Klägerin begehrt, ihrer Klage in vollem Umfang stattzugeben, die Beklagte, das Urteil des Arbeitsgerichts vollständig wiederherzustellen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revisionen haben keinen Erfolg.

13

A. Die Revisionen sind zulässig. Das gilt auch für die Revision der Beklagten. Deren Revisionsbegründung ist zwar erst einen Tag nach Ablauf der bis zum 2. März 2009 verlängerten Revisionsbegründungsfrist beim Bundesarbeitsgericht eingegangen. Ihr war aber nach § 233 ZPO Wiedereinsetzung in diese Frist zu gewähren.

14

Die Beklagte war ohne ihr Verschulden verhindert, die Frist zur Revisionsbegründung nach § 74 Abs. 1 ArbGG einzuhalten. Sie hat glaubhaft gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtigter einen korrekt adressierten, die Revisionsbegründung enthaltenden Brief am 26. Februar 2009 der Deutschen Post AG übergeben hat, sodass er bei normaler Postlaufzeit vor Fristablauf am 2. März 2009 beim Revisionsgericht hätte rechtzeitig eingehen müssen. Die versäumte Frist ist somit allein auf eine verzögerte Zustellung zurückzuführen. Der Beklagten sind solche Verzögerungen nicht zuzurechnen. Sie durfte darauf vertrauen, dass die von der Deutschen Post AG für den Normalfall zugesagten Postlaufzeiten eingehalten würden. In ihrem Verantwortungsbereich lag es allein, das Schriftstück ordnungsgemäß und so rechtzeitig aufzugeben, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Post AG das Revisionsgericht fristgerecht erreichen konnte(vgl. BVerfG 7. Januar 2003 - 2 BvR 447/02 - zu II 1 der Gründe, NJW 2003, 1516; BAG 7. Juni 2000 - 10 AZR 419/99 - zu II der Gründe; BGH 20. Mai 2009 - IV ZB 2/08 - Rn. 8, NJW 2009, 2379).

15

B. Die Revisionen sind nicht begründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass die außerordentlichen fristlosen Kündigungen vom 24. Oktober 2007 und vom 2. November 2007 rechtsunwirksam sind, das Arbeitsverhältnis der Parteien aber durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 24. Oktober 2007 mit dem 30. November 2007 beendet worden ist.

16

I. Die außerordentliche fristlose Kündigung vom 24. Oktober 2007 ist rechtsunwirksam. Es liegt kein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vor.

17

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

18

a) Die erforderliche Prüfung, ob ein gegebener Lebenssachverhalt einen wichtigen Grund in diesem Sinne darstellt, vollzieht sich zweistufig. Zunächst ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Ist dies der Fall, bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht(st. Rspr., vgl. Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 13 mwN, DB 2010, 1128).

19

b) Die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs des wichtigen Grundes ist vorrangig Sache des Tatsachengerichts. Sie wird im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, widerspruchsfrei beachtet hat(Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 534/08 - Rn. 14, DB 2010, 1128; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16).

20

2. Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stand. Zwar hat die Klägerin ihre vertraglichen Pflichten verletzt, indem sie mit der Annahme des Vertragsangebots und Übergabe der Patientendaten an die Firma „S“ der Beklagten noch während des laufenden Kündigungsschutzprozesses Konkurrenz gemacht hat. Ein solcher Pflichtenverstoß kommt als wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht(Senat 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15, AP BGB § 626 Nr. 213 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 21; 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - Rn. 20, EzA BGB § 626 nF Nr. 162). Gleichwohl ist die Ansicht des Landesarbeitsgerichts, eine außerordentliche Kündigung sei unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls nicht gerechtfertigt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

21

a) Der Arbeitnehmer verletzt seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB erheblich, wenn er während des bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Konkurrenztätigkeit ausübt.

22

aa) Während des rechtlichen Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist einem Arbeitnehmer grundsätzlich jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt(st. Rspr., Senat 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15 mwN, AP BGB § 626 Nr. 213 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 21). Die für Handlungsgehilfen geltende Regelung des § 60 Abs. 1 HGB konkretisiert einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt werden. Der Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht Dritten anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offenstehen (Senat 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - Rn. 20, EzA BGB § 626 nF Nr. 162; 26. Januar 1995 - 2 AZR 355/94 - Rn. 21, EzA BGB § 626 nF Nr. 155). Dem Arbeitnehmer ist aufgrund des Wettbewerbsverbots nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Ihm ist ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen (Senat 21. November 1996 - 2 AZR 852/95 - Rn. 20, aaO; BAG 16. Januar 1975 - 3 AZR 72/74 - AP HGB § 60 Nr. 8). Allerdings darf er, wenn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 HGB nicht vereinbart ist, schon vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten(vgl. Senat 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15 mwN, aaO). Verboten ist lediglich die Aufnahme einer werbenden Tätigkeit, zB durch Vermittlung von Konkurrenzgeschäften oder aktives Abwerben von Kunden. Bloße Vorbereitungshandlungen, die in die Interessen des Arbeitgebers nicht unmittelbar eingreifen, erfüllen diese Voraussetzungen nicht (Senat 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 15, aaO).

23

bb) Das vertragliche Wettbewerbsverbot gilt während der gesamten rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses. Deshalb darf ein Arbeitnehmer grundsätzlich auch nach Ausspruch einer von ihm gerichtlich angegriffenen außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers keine Konkurrenztätigkeit ausgeübt haben, wenn die Kündigung sich später als unwirksam herausstellt. Er ist in der Regel auch während des Kündigungsschutzprozesses an das vertragliche Wettbewerbsverbot gebunden(Senat 25. April 1991 - 2 AZR 624/90 - AP BGB § 626 Nr. 104 = EzA BGB § 626 nF Nr. 140). Dies gilt unabhängig davon, ob eine Karenzentschädigung angeboten (aA LAG Köln 4. Juli 1995 - 9 Sa 484/95 - zu II der Gründe, AP HGB § 75 Nr. 9; APS/Dörner 3. Aufl. § 1 KSchG Rn. 325) oder er vorläufig weiterbeschäftigt wird (aA MünchKommBGB/Henssler 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 124).

24

b) Ob das Wettbewerbsverbot im gekündigten Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht gleich weit reicht wie in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin jedenfalls durch die Weitergabe der persönlichen Daten von Patienten an die Firma „S“ ihre Vertragspflichten schuldhaft verletzt hat(§ 241 Abs. 2 BGB). Auf diese Weise hat sie nicht lediglich ihre Arbeitskraft verwertet, sondern die berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Beklagten unmittelbar gefährdet. Es bestand zu befürchten, dass die Patienten dauerhaft zu dem (vermeintlich) neuen Arbeitgeber der Klägerin und somit zu einem Konkurrenzunternehmen wechseln würden. Dieses Verhalten der Klägerin ist nicht wegen § 615 Satz 2 BGB gerechtfertigt. Im Unterlassen vertragswidriger Konkurrenztätigkeit liegt kein böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs. Die Klägerin war deshalb nicht etwa gehalten, das Angebot der Firma „S“ anzunehmen, insbesondere nicht, dieser Patientendaten zur Verfügung zu stellen.

25

c) Dennoch durfte das Landesarbeitsgericht annehmen, dass der Beklagten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zuzumuten war.

26

aa) Die bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umstände lassen sich nicht abschließend und für alle Fälle einheitlich festlegen. Geht es um die Beurteilung rechtswidrigen schuldhaften Verhaltens des Arbeitnehmers, sind aber stets die beanstandungsfreie Dauer des Arbeitsverhältnisses, das Gewicht und die nachteiligen Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, eine mögliche Wiederholungsgefahr und der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers zu berücksichtigen(vgl. Senat 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 28, AP BGB § 626 Nr. 220; 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 - Rn. 38, AP BGB § 626 Nr. 196 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 11).

27

bb) Dem wird die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts gerecht. Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt sie keine wesentlichen Umstände außer Acht. Das Landesarbeitsgericht hat das Gewicht und die negativen Auswirkungen der Vertragspflichtverletzung für die Beklagte und den Grad des Verschuldens der Klägerin beachtet. Es hat nicht übersehen, dass die Klägerin versucht hat, die von ihr betreuten Patienten - gleichsam als „Startkapital“ - zur Firma „S“ mitzunehmen. Zwar hat es sich in seiner Abwägung mit diesem Gesichtspunkt nicht ausdrücklich auseinandergesetzt. Dennoch hat es ihn tatsächlich berücksichtigt. Dies zeigen seine Ausführungen unter B I 2 der Entscheidungsgründe, wo - wenn auch in anderem Zusammenhang - die „Mitnahme von Patientendaten“ als ein gewichtiger Umstand gegen die Klägerin in Ansatz gebracht wird. Die Beklagte zeigt nicht auf, dass das Landesarbeitsgericht diesen Umstand auch angesichts der schwierigen Situation, in die sie selbst die Klägerin durch den Ausspruch der später zurückgezogenen fristlosen Kündigung gebracht hatte, unzureichend gewichtet hätte.

28

II. Die außerordentliche fristlose Kündigung vom 2. November 2007 ist aus den gleichen Gründen rechtsunwirksam. Soweit die Beklagte sie ergänzend darauf gestützt hat, dass die Klägerin beim Landschaftsverband einen Antrag auf Zulassung als „Leistungsanbieter im ambulant betreuten Wohnen“ gestellt und damit eine konkurrierende Selbständigkeit geplant habe, liegt kein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vor. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darin noch keine unzulässige Konkurrenztätigkeit, sondern lediglich eine zulässige Vorbereitungshandlung gesehen.

29

Dem Arbeitnehmer ist es, wie dargelegt, während der rechtlichen Dauer des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich nicht untersagt, eine spätere konkurrierende Selbständigkeit vorzubereiten, solange er nicht eine werbende Tätigkeit bereits aufnimmt(siehe B I 2 a aa der Gründe). Allein mit dem Antrag beim Landschaftsverband, sie als Leistungserbringerin zuzulassen, hat die Klägerin im Geschäftszweig der Beklagten noch nicht aktiv Wettbewerb betrieben und ihr Konkurrenz gemacht. Damit ist keine - weitere - Vertragspflichtverletzung gegeben, die die Beklagte zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen würde.

30

III. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung der Beklagten vom 24. Oktober 2007 mit Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist am 30. November 2007 rechtswirksam beendet worden. Die Kündigung ist durch Gründe im Verhalten der Klägerin iSd. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt.

31

1. Eine Kündigung ist aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer eine Vertragspflicht - in der Regel schuldhaft - erheblich verletzt hat, das Arbeitsverhältnis dadurch auch künftig konkret beeinträchtigt wird, eine zumutbare Möglichkeit einer anderen, weitere Störungen zuverlässig ausschließenden Beschäftigung nicht besteht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint(Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 12, EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77; 31. Mai 2007 - 2 AZR 200/06 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 57 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 71).

32

2. Auf der Basis des vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalts sind die Voraussetzungen für die soziale Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung erfüllt.

33

a) Die Klägerin hat - wie dargelegt - durch die Übermittlung der Daten der von ihr betreuten Patienten an ein Konkurrenzunternehmen ihre sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergebende Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Belange der Beklagten verletzt.

34

b) Es bedurfte vor dem Ausspruch der Kündigung keiner vorherigen Abmahnung. Sie war entbehrlich, weil die Beklagte angesichts der von der Klägerin begangenen Pflichtverletzung annehmen durfte, die Klägerin werde sich in einer vergleichbaren Situation auch künftig und auch nach der vorausgegangenen Androhung einer Kündigung nicht anders verhalten. Der Klägerin war die Rechtswidrigkeit ihres Handelns ohne Weiteres erkennbar. Selbst mit einer erstmaligen Hinnahme ihres Verhaltens durch die Beklagte konnte sie nicht rechnen.

35

c) Die im Rahmen des § 1 Abs. 2 KSchG erforderliche Interessenabwägung führt nicht zur Sozialwidrigkeit der Kündigung. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Abwägung hält sich innerhalb des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums.

36

Das Berufungsgericht hat alle wesentlichen Umstände in Erwägung gezogen. Zugunsten der Klägerin hat es auch die durch den Ausspruch der später zurückgezogenen ersten Kündigung verursachte finanzielle Zwangslage berücksichtigt. Seine Bewertung, der Beklagten könne gleichwohl eine dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat den Grad des Verschuldens der Klägerin und deren relativ kurze Betriebszugehörigkeit berücksichtigt und in vertretbarer Weise gegen die Belange der Beklagten abgewogen.

37

Soweit die Klägerin geltend macht, das Landesarbeitsgericht hätte berücksichtigen müssen, dass zwischen ihr und ihren ehemaligen Patienten ein besonderes Vertrauensverhältnis bestanden habe, zeigt sie kein Abwägungsdefizit auf. Das besondere Vertrauensverhältnis zu den Patienten hat keinen Einfluss auf die sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Verpflichtungen der Parteien. Dass sie zur Abwendung einer ansonsten drohende unmittelbaren Gefahr für die Patienten überhaupt nicht anders hätte handeln können, hat die Klägerin nicht dargelegt.

38

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Eylert    

        

        

        

    Röder    

        

    Niebler    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 28. Mai 2014 - 10 Sa 770/13 - im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, wie es der Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 19. Juni 2013 - 19 Ca 13099/12 - stattgegeben hat.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München wird insgesamt zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger wurde 1961 geboren, ist verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Er war seit 1989 - zunächst als Systemanalytiker und zuletzt als IT-Spezialist - bei der Beklagten beschäftigt. Die vereinbarte Wochenarbeitszeit belief sich auf 35 Stunden. Sein Arbeitsverhältnis war nach § 8 Ziff. 2 Abs. 3 Satz 1 des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie (MTV) vom 23. Juni 2008 verhaltensbedingt nur noch aus wichtigem Grund kündbar.

3

Zwischen den Parteien kam es mehrfach zu Unstimmigkeiten über die dem Kläger zugeteilten Aufgaben und sein berufliches Fortkommen. Mit E-Mail vom 30. März 2009 forderte dieser die Beklagte auf, ihn vertragsgemäß zu beschäftigen und sein „Aschenputtel-Dasein“ zu beenden. Die Beklagte übe „Psychoterror“ aus. Sie versuche, ihn zu zermürben und zu demütigen, was bei ihm zu einer seelischen Erkrankung geführt habe. Gleichzeitig kündigte er an, ggf. von einem Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB Gebrauch machen zu wollen. Nach mehreren Gesprächen wurde ihm für die Zeit ab Oktober 2009 einvernehmlich die Tätigkeit eines IT-Chefarchitekten und die Leitung eines Projekts übertragen.

4

Das dem Kläger anvertraute Projekt endete spätestens im September 2011. Im Mai 2011 wurde ihm die Aufgabe eines sog. Blueprint-Vorfilterers und im Februar 2012 diejenige eines „TRM-Koordinators“ jeweils mit seinem Einverständnis übertragen. Nachdem die Einarbeitung abgeschlossen war, lasteten diese Tätigkeiten ihn für drei bis vier Stunden pro Woche aus. Das ihm im Juni 2012 unterbreitete Angebot, zusätzlich im Projekt „SharePoint“ tätig zu werden, lehnte er ab.

5

Mit E-Mail vom 10. September 2012 richtete der Kläger eine Petition an die Personalleitung der Beklagten. In der beigefügten PowerPoint-Präsentation führte er aus, dass seit 1996 eine „massive Entwicklungsblockade“ gegen ihn verhängt worden sei. Trotz seiner „ständig sehr guten Ergebnisse“ und der „mustergültigen Einhaltung aller geltenden Regeln“ sei er nicht befördert worden. Dieses „unternehmensbedingte, großangelegte Mobbing“ habe bei ihm zu „totaler Frustration“ geführt. Seine Arbeitsmoral liege „brach“, die „innere Kündigung (sei) perfekt“. Die Beklagte habe ihn „krank gemacht“, für eine „neue Aufgabe oder Funktion habe (er) keine Kraft mehr“. Er sei „körperlich erschöpft, sowie seelisch und geistig ausgebrannt“. Die Beklagte habe sein „Potenzial definitiv und unwiederbringlich kaputt gemacht“. Man befinde sich in einem Dilemma wie in einer „schlechten Ehe“ und solle sich „lieber heute als morgen voneinander trennen“. Die von ihm „bevorzugte Lösung“ sei deshalb eine „bezahlte Freistellung mit garantiertem Bestandsschutz bis zum Eintritt in die gesetzliche Rente bzw. die Freizeitphase der Altersteilzeit“. In einer weiteren E-Mail vom 20. September 2012 teilte der Kläger der Beklagten mit, ihm sei es nicht mehr möglich und zumutbar, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Ab dem 1. Oktober 2012 werde er von einem Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 2 und Abs. 3 BGB Gebrauch machen.

6

Die Beklagte wies die Vorwürfe mit Schreiben vom 28. September 2012 zurück und ließ den Kläger wissen, dass sie es als schwerwiegende Verletzung seiner Hauptleistungspflicht betrachten und ggf. arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zu einer Kündigung ziehen werde, wenn er der Arbeit fernbleiben sollte. Zugleich lud sie ihn für den 1. Oktober 2012 zu einem Personalgespräch ein. Der Kläger erwiderte mit E-Mail vom gleichen Tag, er sei „sprachlos“ aufgrund der „inhaltslosen Aussagen“ und „billigen Drohungen“. Die Beklagte habe „die Zusammenarbeit unmöglich gemacht“ und „ihre Glaubwürdigkeit und ihre Integrität restlos und unwiederbringlich kompromittiert“.

7

Der Kläger erschien - wie angekündigt - ab dem 1. Oktober 2012 nicht mehr zur Arbeit. In der Folge entspann sich zwischen den Parteien ein nicht geringer Schrift- und E-Mail-Wechsel, in dessen Zuge die Beklagte den Kläger zweimal wegen Arbeitsverweigerung abmahnte und ihn noch weitere drei Mal vergeblich zu einem Personalgespräch einlud. Im fünften Anlauf kam für den 15. Oktober 2012 ein solches Gespräch zustande, in dem die Parteien keine Einigung erzielen konnten. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2012 erteilte die Beklagte dem Kläger eine „letztmalige Abmahnung“. Nachdem auch diese fruchtlos geblieben war, kündigte sie dessen Arbeitsverhältnis - nach Anhörung des Betriebsrats - mit Schreiben vom 26. Oktober 2012 außerordentlich fristlos, hilfsweise außerordentlich mit Auslauffrist zum 31. Mai 2013.

8

Hiergegen hat der Kläger sich rechtzeitig mit der vorliegenden Klage gewandt. Er hat gemeint, er habe seine Arbeitspflicht nicht verletzt, weil er wirksam ein Leistungsverweigerungsrecht geltend gemacht habe. Angesichts der gegen ihn verhängten „Entwicklungsblockade“ und des fortwährenden „Mobbing“ sei es ihm unzumutbar, weiterhin seine Arbeitsleistung zu erbringen. Die Kündigung stelle sich als Maßregelung dar.

9

Der Kläger hat - soweit noch von Interesse - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 26. Oktober 2012 noch durch die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist vom 26. Oktober 2012 aufgelöst worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, der Kläger habe seine Arbeitspflicht beharrlich verletzt. Er sei nicht berechtigt gewesen, die Leistung zu verweigern. Die von ihm - ohnehin unsubstantiiert - erhobenen Vorwürfe seien unzutreffend. Der Kläger habe sich auch nicht in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden. Vielmehr sei er sich des mit seinem Vorgehen verbundenen Risikos bewusst gewesen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte das Ziel, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist zulässig und begründet.

13

A. Der Senat kann über die Revision entscheiden. Es kommt nicht darauf an, ob der Rechtsstreit deshalb nach § 244 Abs. 1 ZPO unterbrochen gewesen ist, weil der ursprüngliche Prozessbevollmächtigte des Klägers im Laufe des Revisionsverfahrens die Zulassung zur Anwaltschaft und damit gemäß § 11 Abs. 4 ArbGG die Fähigkeit verloren hat, die Vertretung seiner Partei fortzuführen(gegen eine Unterbrechung bei Bestellung eines Abwicklers BFH 10. Februar 1982 - I R 225/78 - BFHE 135, 445; für eine Unterbrechung trotz Bestellung eines Abwicklers OLG Köln 3. Juni 1993 - 12 W 19/93 - zu I der Gründe; Stein/Jonas/Roth ZPO 22. Aufl. § 244 Rn. 9). Eine mögliche Unterbrechung ist jedenfalls dadurch beendet worden, dass der Abwickler der Kanzlei des früheren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 30. April 2015 seine Bestellung gegenüber dem Bundesarbeitsgericht angezeigt hat und die Anzeige der Beklagten zugestellt worden ist (§ 244 Abs. 1, § 250 ZPO). Bei einem amtlich bestellten Abwickler handelt es sich um einen „bestellten neuen Anwalt“ iSv. § 244 Abs. 1 ZPO(BAG 13. Mai 1997 - 3 AZR 66/96 - zu A der Gründe).

14

B. Die Revision ist zulässig. Entgegen der Ansicht des Klägers ist sie ordnungsgemäß begründet worden.

15

I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss der vermeintliche Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufgezeigt werden, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Dazu muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils enthalten. Das erfordert die genaue Darlegung der Gesichtspunkte, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (vgl. BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 16).

16

II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung gerecht. Die Beklagte wendet sich gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts, unter Abwägung der beiderseitigen Interessen sei es ihr zumutbar, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Sie legt dar, welche von ihm festgestellten Umstände es außer Acht gelassen habe und wie daraus ein anderes Ergebnis folge. Diese Sachrüge wäre im Fall ihrer Begründetheit geeignet, das Berufungsurteil - soweit es durch die Beklagte angefochten wird - zu Fall zu bringen. Das reicht als Revisionsangriff aus. Darauf, ob die Beklagte die von ihr zudem erhobenen Verfahrensrügen ausreichend begründet hat, kommt es für die Zulässigkeit der Revision deshalb nicht an.

17

C. Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Unrecht stattgegeben. Sie ist unbegründet. Die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 26. Oktober 2012 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit ihrem Zugang aufgelöst. Sie ist wirksam.

18

I. Es besteht ein wichtiger Grund iSv. § 626 BGB iVm. § 8 Ziff. 2 Abs. 3 Satz 1 MTV.

19

1. Nach § 8 Ziff. 2 Abs. 3 Satz 1 MTV können die Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern, die - wie der Kläger - das 50. Lebensjahr vollendet und dem Betrieb oder Unternehmen mindestens 15 Jahre angehört haben, verhaltensbedingt nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden. Mit dem Begriff des „wichtigen Grundes“ knüpft der MTV an die gesetzliche Regelung des § 626 Abs. 1 BGB an(für insoweit vergleichbare Tarifverträge BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 31; 12. Januar 2006 - 2 AZR 242/05 - Rn. 24).

20

2. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der - ggf. fiktiven - Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 19, BAGE 149, 355; 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 19). Bei der Interessenabwägung ist die ordentliche Unkündbarkeit seines Arbeitsverhältnisses - hier: nach § 8 Ziff. 2 Abs. 3 Satz 1 MTV - nicht gesondert zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 48 mwN, BAGE 137, 54).

21

3. Der Kläger hat einen „an sich“ wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB herbeigeführt, indem er die von ihm geschuldete Arbeitsleistung beharrlich verweigerte.

22

a) Die beharrliche Weigerung eines Arbeitnehmers, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist „an sich“ geeignet, eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Ein Arbeitnehmer verweigert die ihm angewiesene Arbeit beharrlich, wenn er sie bewusst und nachdrücklich nicht leisten will. Ob er zur Arbeitsleistung verpflichtet war, entscheidet sich nach der objektiven Rechtslage. Verweigert der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als unzutreffend erweist (BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 29, 32).

23

b) Der kündigende Arbeitgeber ist darlegungs- und beweispflichtig für alle Umstände, die einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB begründen sollen. Ihn trifft die Darlegungs- und Beweislast auch für diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund ausschließen. Allerdings hat hierzu der Arbeitnehmer seinerseits nach § 138 Abs. 2 ZPO substantiiert vorzutragen; er muss darlegen, warum sein Fehlen als „entschuldigt“ anzusehen sei. Nur die im Rahmen der insofern abgestuften Darlegungs- und Beweislast vom Arbeitnehmer behaupteten Tatsachen hat der Arbeitgeber zu widerlegen (vgl. BAG 17. Juni 2003 - 2 AZR 123/02 - zu II 2 b aa der Gründe; 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 70, 262).

24

c) Der Kläger verweigerte seit dem 1. Oktober 2012 die von ihm geschuldete Arbeitsleistung. Er war grundsätzlich verpflichtet, die ihm mit seinem Einverständnis übertragenen Tätigkeiten eines „Blueprint-Vorfilterers“ und eines „TRM-Koordinators“ auszuführen.

25

d) Der Kläger war nicht berechtigt, die Arbeitsleistung zu verweigern, weil es ihm gemäß § 275 Abs. 3 BGB unzumutbar gewesen wäre, sie zu erbringen.

26

aa) Nach § 275 Abs. 3 BGB kann der Schuldner die Leistung verweigern, wenn er sie persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des ihr entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann. Die Vorschrift betrifft das Spannungsverhältnis von Vertragstreue und Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung (BAG 13. August 2010 - 1 AZR 173/09 - Rn. 12, BAGE 135, 203). Sie löst es (nur) dann zugunsten des Schuldners auf, wenn für diesen die Leistungserbringung in hohem Maße belastend ist (MüKoBGB/Ernst 6. Aufl. § 275 Rn. 116), weil ein Fall besonderer Leistungserschwerung vorliegt (Alpmann in jurisPK-BGB 7. Aufl. § 275 Rn. 70). Dem Schuldner kann die Erfüllung der von ihm persönlich zu erbringenden Leistung unzumutbar sein, wenn er dadurch Gefahr läuft, in bedeutsamen Rechtsgütern verletzt zu werden (vgl. Staudinger/Caspers (2014) § 275 Rn. 112: Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit). Im Falle einer zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankung des Arbeitnehmers selbst - nicht eines seiner nahen Angehörigen - ist umstritten, ob die Leistungsbefreiung automatisch gemäß § 275 Abs. 1 BGB eintritt oder der Betreffende erst von einem Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 3 BGB Gebrauch machen muss(zum Streitstand siehe Alpmann in jurisPK-BGB 7. Aufl. § 275 Rn. 71; MüKoBGB/Ernst 6. Aufl. § 275 Rn. 118).

27

bb) Dem Kläger war es nicht unzumutbar, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

28

(1) Er beruft sich nicht etwa darauf, dass er bereits arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Eine entsprechende ärztliche Bescheinigung gemäß § 5 EFZG hat er nicht vorgelegt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine Arbeitsunfähigkeit zumindest zu erwarten gewesen wäre, wenn er seine Tätigkeit fortgesetzt hätte. Zwar hat der Kläger behauptet, an einer psychischen Erkrankung zu leiden. Jedoch hat er diese nur schlagwortartig umschrieben. Es fehlt an Vortrag zu den Symptomen und dazu, wie sich die Krankheit - die ihm offenbar seit Jahren bekannt ist - in der jüngeren Vergangenheit entwickelt hat, welche konkreten Auswirkungen die Situation am Arbeitsplatz hatte und warum es ihm deshalb nicht mehr zugemutet werden konnte, die Arbeitsleistung fortzusetzen.

29

(2) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass es dem Kläger nicht aufgrund von - drohenden - Persönlichkeitsrechtsverletzungen unzumutbar gewesen sei, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (zur eingeschränkten Überprüfbarkeit der tatrichterlichen Würdigung vgl. BAG 28. Oktober 2010 - 8 AZR 546/09 - Rn. 20; 24. April 2008 - 8 AZR 347/07 - Rn. 36).

30

(a) Nicht jedes den Arbeitnehmer belastende Verhalten des Arbeitgebers oder eines seiner Repräsentanten (§ 278 BGB) stellt einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers oder eine Verletzung vertraglicher Pflichten zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) dar. Persönlichkeitsrechte werden nicht allein dadurch verletzt, dass im Arbeitsleben übliche Konflikte auftreten, die sich durchaus über einen längeren Zeitraum erstrecken können. Sozial- und rechtsadäquates Verhalten muss aufgrund der gebotenen objektiven Betrachtungsweise - dh. ohne Rücksicht auf das subjektive Empfinden des betroffenen Arbeitnehmers - von der rechtlichen Bewertung ausgenommen werden. Mangels entsprechender Systematik und Zielrichtung werden keine Rechte des Arbeitnehmers beeinträchtigt, wenn er von verschiedenen Vorgesetzten, die nicht zusammenwirken und die zeitlich aufeinanderfolgen, in seiner Arbeitsleistung kritisiert oder schlecht beurteilt wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn seine Arbeitsleistung nicht nur beanstandet oder ignoriert, sondern auch positiv gewürdigt wird. Ebenso müssen Verhaltensweisen von Arbeitgebern oder Vorgesetzten unberücksichtigt bleiben, die lediglich eine Reaktion auf Provokationen durch den vermeintlich „gemobbten“ Arbeitnehmer darstellen. Insoweit fehlt es an der eindeutigen Täter-Opfer-Konstellation (BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - Rn. 86, BAGE 122, 304).

31

(b) Zur Begründung des Vorwurfs, er sei systematisch in seiner beruflichen Entwicklung „blockiert“ worden, beruft der Kläger sich darauf, dass ihm Zwischenzeugnisse mit unrichtigem Inhalt erteilt, ein Telearbeitsplatz verweigert, Leistungspunkte gestrichen, keine herausfordernden Aufgaben übertragen und eine Fortbildung und Beförderung verwehrt worden seien. Weitere Verhaltensweisen der Beklagten hat er nicht konkret dargetan; es ersetzt keinen substantiierten Sachvortrag, Vorschriften zu benennen, gegen die sie verstoßen haben soll.

32

(c) Mit dem Landesarbeitsgericht lassen die vom Kläger geschilderten Verhaltensweisen weder einzeln für sich noch in ihrer Gesamtschau den Schluss auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts zu. Zwischen den Parteien bestanden lediglich Konflikte wie sie im Arbeitsleben üblich sind. Sie ergaben sich aus unterschiedlichen Auffassungen über die Qualität der Arbeitsleistung und -ergebnisse des Klägers. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte oder einer ihrer Repräsentanten (§ 278 BGB) auch nur in einem Einzelfall die Ebene der Sachlichkeit verlassen hätte. Im Übrigen würde selbst dies nicht ausreichen, um eine Rechtsverletzung anzunehmen (vgl. BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - Rn. 76, BAGE 122, 304).

33

(aa) Der Kläger mag es als erniedrigend empfunden haben, dass ehemalige Kollegen zu seinen Vorgesetzten wurden. In diesem Empfinden mag er dadurch bestärkt worden sein, dass seine Arbeitsleistung schlechter beurteilt wurde, als er es für gerechtfertigt hielt. Er hatte jedoch keinen Rechtsanspruch darauf, gleichfalls befördert zu werden (vgl. zur „Fürsorgepflicht“ des Arbeitgebers BAG 23. September 1992 - 5 AZR 526/91 - zu II 6 der Gründe). Die Beklagte hat substantiiert dargetan, dass sie ihn nicht als „Führungskraft“ sehe, weil er aus ihrer Sicht nicht über ausreichende Gestaltungsfähigkeiten bei komplexen, noch unklaren Sachverhalten und nicht über das erforderliche Team- und Kommunikationsverhalten verfüge.

34

(bb) Es ist nicht ersichtlich, dass gegen den Kläger eine „Entwicklungsblockade“ verhängt worden wäre. Ihm sind Angebote zur Fort- und Weiterbildung unterbreitet worden. Diese hat er entweder nicht angenommen oder er hat die begonnenen Schulungen - etwa das sog. Gallup-Stärkentraining - vorzeitig abgebrochen. Wenn Probleme in seinem Arbeitsumfeld aufgetreten sind, hat die Beklagte versucht, Tätigkeiten in anderen Bereichen für ihn zu finden und ihm einen „unbelasteten Neustart“ zu ermöglichen. Nach seinen eigenen Angaben ist er nicht nur kritisiert, sondern verschiedentlich für seine Arbeitsleistung und seine Arbeitsergebnisse auch gelobt worden. Zu keiner Zeit wurde ihm eine Aufgabe entzogen. Die Notwendigkeit, ihm neue Tätigkeiten zuzuweisen, ergab sich vielmehr dadurch, dass die ihm übertragenen Projekte abgeschlossen waren. Dass der Kläger mit den ihm zuletzt übertragenen Tätigkeiten eines „Blueprint-Vorfilterers“ und eines „TRM-Koordinators“ nicht ausgelastet war, lässt nicht den Schluss zu, die Beklagte habe ihn auf das „Abstellgleis“ geschoben. Ihm ist zusätzlich ein Einsatz im Projekt „SharePoint“ angeboten worden. Diesen hat er - mit der Begründung, dass er sich dafür zunächst hätte fortbilden müssen - abgelehnt. Er hat auch im Prozess keine Angaben dazu gemacht, welche möglichen Aufgaben, die den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen entsprochen und nicht eine Beförderung bedeutet hätten, die Beklagte ihm „vorenthalten“ habe.

35

(cc) Es kommt hinzu, dass die Auseinandersetzungen um den Telearbeitsplatz und die Streichung von Leistungspunkten bei Beginn der Arbeitsverweigerung bereits im Sinne des Klägers „ausgestanden“ waren. Ihm war ein Telearbeitsplatz eingerichtet worden. Sein Vorgesetzter hatte ihm lediglich nahegelegt, in seinem - des Klägers - eigenen Interesse gleichwohl ausreichend im Unternehmen „präsent“ zu sein. Die nach den bei der Beklagten üblichen Gepflogenheiten anlässlich eines Aufgabenwechsels „gehaltsneutral“ gestrichenen Leistungspunkte waren ihm auf seinen „Protest“ hin wieder gutgeschrieben worden. Das hatte für ihn eine Gehaltserhöhung zur Folge, obwohl er sich in der neuen Tätigkeit noch nicht in der dazu erforderlichen Weise „bewährt“ haben konnte.

36

e) Die Arbeitsverweigerung durch den Kläger war nicht in Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts gemäß § 273 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.

37

aa) Nach dieser Vorschrift darf der Schuldner, der aus dem gleichen Rechtsverhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger hat - sofern sich aus dem Schuldverhältnis nichts anderes ergibt -, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird. Dem Arbeitnehmer kann ein Recht zustehen, die Arbeitsleistung zurückzuhalten, wenn der Arbeitgeber seine aus dem Arbeitsverhältnis folgenden Haupt- oder Nebenpflichten schuldhaft nicht erfüllt. So liegt es beispielsweise, wenn der Arbeitgeber oder einer seiner Repräsentanten (§ 278 BGB) die Gesundheit des Arbeitnehmers oder dessen Persönlichkeitsrecht in erheblicher Weise verletzt und mit weiteren Verletzungen zu rechnen ist. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts steht unter dem Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB und unterliegt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dementsprechend muss der Arbeitnehmer unter Angabe des Grundes dem Arbeitgeber klar und eindeutig mitteilen, er werde dieses Recht mit Blick auf eine ganz bestimmte, konkrete Gegenforderung wahrnehmen. Nur so wird dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, den möglichen Anspruch des Arbeitnehmers zu prüfen und ggf. zu erfüllen. Wenn der Arbeitnehmer berechtigterweise von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch macht, liegt keine Arbeitsverweigerung vor (vgl. BAG 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 39 ff. mwN).

38

bb) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger kein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB geltend gemacht. Obwohl ihm ausweislich vorheriger Mitteilungen - etwa in der E-Mail vom 30. März 2009 - der Unterschied zwischen beiden Normen bestens bekannt war, hat er die Beklagte mit E-Mail vom 20. September 2012 (lediglich) wissen lassen, dass ihm die weitere Arbeitsleistung unzumutbar sei und er ab dem 1. Oktober 2012 von seinem Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 2 und Abs. 3 BGB Gebrauch machen werde. Noch in der Klageschrift hat er sich ausschließlich auf § 275 BGB bezogen. Dementsprechend hat er von der Beklagten nicht etwa verlangt, bestimmte Ansprüche zu erfüllen, Maßnahmen zu ergreifen oder Zustände zu beenden. Mithilfe der Weigerung, seine Arbeitsleistung zu erbringen, wollte er weder eine vertragsgemäße Beschäftigung noch die Unterlassung von weiterem „Mobbing“ erreichen. Vielmehr hat er lediglich „vorgeschlagen“, ihn unter Fortzahlung der Vergütung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze von der Arbeitsleistung freizustellen. Darin erblickte er nicht mehr als die Festschreibung dessen, was nach § 275 Abs. 3 iVm. § 326 Abs. 2 BGB ohnehin - unveränderlich - gelte.

39

cc) Gemäß den Ausführungen zu § 275 Abs. 3 BGB bestanden im Übrigen keine Gegenansprüche, auf die der Kläger ein Recht, seine Arbeitsleistung zurückzuhalten, erfolgreich hätte stützen können. Zwar hatte er einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung im Umfang von 35 Wochenstunden. Auch wurde dieser von der Beklagten bei weitem nicht vollständig erfüllt, weil der Kläger nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts mit den ihm zuletzt übertragenen Tätigkeiten eines „Blueprint-Vorfilterers“ und eines „TRM-Koordinators“ nur im Umfang von drei bis vier Stunden pro Woche ausgelastet war. Die „Unterbeschäftigung“ beruhte jedoch darauf, dass der Kläger die ihm ergänzend angetragene Tätigkeit im Projekt „SharePoint“ nicht hatte übernehmen wollen. Unter diesen Umständen wäre es rechtsmissbräuchlich iSv. § 242 BGB, die Arbeitsleistung mit dem Ziel zurückzuhalten, weitere Aufgaben zugewiesen zu bekommen.

40

f) Der Kläger hat seine geschuldete Arbeitsleistung bewusst und nachhaltig verweigert.

41

aa) Obgleich die Beklagte ihn mit Schreiben vom 28. September 2012 darauf hingewiesen hatte, dass sie dies als schwerwiegenden Verstoß gegen seine Hauptleistungspflicht betrachten und ggf. arbeitsrechtliche Konsequenzen ziehen werde, blieb er ab dem 1. Oktober 2012 der Arbeit fern und nahm sie trotz dreier Abmahnungen und mehrerer Aufforderungen der Beklagten bis zum Kündigungszeitpunkt - über mehr als dreieinhalb Wochen - nicht wieder auf.

42

bb) Der Kläger befand sich nicht in einem entschuldbaren Rechtsirrtum.

43

(1) Der Geltungsanspruch des Rechts bewirkt, dass der Schuldner das Risiko eines Rechtsirrtums grundsätzlich selbst trägt und es nicht dem Gläubiger überbürden kann (BAG 19. August 2015 - 5 AZR 975/13 - Rn. 31). Ein unverschuldeter Rechtsirrtum liegt nur vor, wenn der Schuldner seinen Irrtum auch unter Anwendung der zu beachtenden Sorgfalt nicht erkennen konnte. Dabei sind strenge Maßstäbe anzulegen. Es reicht nicht aus, dass er sich für seine eigene Rechtsauffassung auf eine eigene Prüfung und fachkundige Beratung stützen kann. Ein Unterliegen in einem möglichen Rechtsstreit muss zwar nicht undenkbar sein (vgl. BAG 12. November 1992 - 8 AZR 503/91 - zu I 1 der Gründe, BAGE 71, 350). Gleichwohl liegt ein entschuldbarer Rechtsirrtum nur dann vor, wenn der Schuldner damit nach sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht zu rechnen brauchte; ein normales Prozessrisiko entlastet ihn nicht (vgl. BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 34; BGH 6. Dezember 2006 - IV ZR 34/05 - zu II 1 a aa der Gründe; 27. September 1989 - IVa ZR 156/88 -).

44

(2) Der Kläger hat sich nicht fachkundig beraten lassen, bevor er die Arbeitsleistung verweigert hat. Nach seinem eigenen Vorbringen war er sich des Risikos, dass ein Leistungsverweigerungsrecht von den Gerichten verneint werden könnte, vollauf bewusst. Unter diesen Umständen kann von einem entschuldbaren, unvermeidbaren Rechtsirrtum keine Rede sein.

45

4. Bei der abschließenden Interessenabwägung überwiegt - entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts - das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dessen Fortsetzung war ihr selbst für den Lauf der - fiktiven - ordentlichen Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Schluss eines Kalendermonats (§ 8 Ziff. 2 Abs. 2 Satz 1 MTV) nicht zuzumuten.

46

a) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der - fiktiven - Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zuzumuten war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Sie scheidet aus, wenn es ein „schonenderes“ Gestaltungsmittel - etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung - gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 21; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 47, BAGE 149, 355).

47

b) Dem Berufungsgericht kommt bei dieser Prüfung und Interessenabwägung - obwohl es sich um Rechtsanwendung handelt - ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Seine Würdigung wird in der Revisionsinstanz aber daraufhin überprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 24; 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 42). Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist dann möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - aaO; 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 16).

48

c) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Beklagten sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zuzumuten gewesen, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

49

aa) Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung ist insoweit nicht zu beanstanden, wie es zugunsten des Klägers die lange Dauer des Arbeitsverhältnisses, dessen von erheblichen Pflichtverletzungen freien Verlauf, seine Unterhaltspflichten und den Umstand berücksichtigt hat, dass die Beklagte nicht nach weiteren Möglichkeiten gesucht hat, ihn vertragsgemäß in Vollzeit zu beschäftigen. Dass der Kläger einen Einsatz im Projekt „SharePoint“ abgelehnt hatte, führte zwar dazu, dass er seine Arbeitsleistung nicht mit dem Ziel zurückhalten durfte, man möge ihm weitere Aufgaben übertragen. Dies entband die Beklagte jedoch nicht davon, „von sich aus“ andere bzw. zusätzliche Tätigkeiten für ihn zu suchen.

50

bb) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auf der anderen Seite die Schwere der Pflichtverletzung und den Grad des ihn treffenden Verschuldens zulasten des Klägers berücksichtigt.

51

(1) Die Pflichtverletzung des Klägers war schwerwiegend. Er hat gegen seine Hauptleistungspflicht verstoßen und es der Beklagten unmöglich gemacht, mit der von ihm geschuldeten Arbeitsleistung zu planen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und ggf. welche Arbeiten aufgrund seiner Abwesenheit nicht erledigt wurden (vgl. dazu BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 43). Ebenso wenig ist es von Belang, dass er mit den Tätigkeiten als „Blueprint-Vorfilterer“ und „TRM-Koordinator“ lediglich für drei bis vier Wochenstunden ausgelastet war. Wollte man dies anders sehen, müssten geringfügig Beschäftigte selbst dann nicht mit einer Kündigung rechnen, wenn sie die Arbeitsleistung noch so beharrlich verweigern sollten.

52

(2) Den Kläger traf ein erhebliches Verschulden. Er war sich des mit seinem Vorgehen verbundenen Risikos nach eigenem Bekunden hinlänglich bewusst. Die Möglichkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung hatte er ausdrücklich ins Kalkül gezogen.

53

cc) Das Landesarbeitsgericht durfte angesichts aller Umstände nicht annehmen, die Interessen des Klägers überwögen, weil der Beklagten eine mildere Reaktionsmöglichkeit zur Verfügung gestanden habe.

54

(1) Es hat gemeint, die Beklagte habe dem Kläger spätestens in dem Personalgespräch am 15. Oktober 2012 eine Verbesserung der von ihm als unerträglich empfundenen Arbeitssituation in Aussicht stellen und ihm so „den Weg zurück (…) ebnen“ müssen. Es könne „nicht von vornherein ausgeschlossen“ werden, „dass (er) ein solches Angebot wahrgenommen hätte“. Es sei ihm „gerade um eine angemessene Beschäftigung“ gegangen. Der Beklagten sei es deshalb zumutbar gewesen, dem Kläger zunächst „ein Entgegenkommen bei der Übernahme weiterer Aufgaben zu zeigen“.

55

(2) Die Annahme, darin habe ein milderes Mittel bestanden, das geeignet gewesen wäre, die Arbeitsverweigerung zu beenden, ist rechtsfehlerhaft. Sie steht im Widerspruch zu der Intention des Klägers, wie sie aus dessen vorangegangenen Bekundungen und - diese bestätigend - seinem Prozessvortrag deutlich geworden ist.

56

(a) Ausweislich seiner E-Mails vom 10., 20. und 28. September 2012 hielt der Kläger es für unzumutbar iSv. § 275 Abs. 3 BGB, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. In Festschreibung dessen, was gemäß § 326 Abs. 2 BGB ohnehin gelte, „bevorzuge“ er eine bezahlte Freistellung bis zum Eintritt in die Regelaltersrente. Er war danach unter keinen Umständen (mehr) bereit, den bestehenden Arbeitsvertrag zu erfüllen. Die Beklagte musste mit Blick auf diese Äußerungen annehmen, dass sie ihn nicht dazu hätte bewegen können, seine ablehnende Haltung aufzugeben, indem sie ihm die Übernahme weiterer, den Vereinbarungen der Parteien entsprechender Aufgaben anböte. Eine „angemessene Beschäftigung“ wäre vielmehr in den Augen des Klägers - so musste es sich ihr darstellen - allenfalls eine solche gewesen, die eine Beförderung in den Bereich der „AT-Angestellten“ bzw. der „Führungskräfte“ bedeutet hätte. Und selbst das musste zweifelhaft erscheinen, nachdem er mit der E-Mail vom 28. September 2012 mitgeteilt hatte, die „innere Kündigung“ sei „perfekt“, für eine „neue Aufgabe oder Funktion habe (er) keine Kraft mehr“, die Beklagte habe „die Zusammenarbeit unmöglich gemacht“ und „ihre Glaubwürdigkeit und ihre Integrität restlos und unwiederbringlich kompromittiert“.

57

(b) Dass er schlechterdings nicht (mehr) bereit war, den bestehenden Arbeitsvertrag zu erfüllen, hat der Kläger durch seinen prozessualen Vortrag untermauert. So hat er im Schriftsatz vom 28. Mai 2013 ausgeführt, es sei „offensichtlich“, dass die „Vertrauensbasis nicht wiederhergestellt“ werden könne und die Prognose für eine erfolgreiche Zusammenarbeit „negativ“ sei. In seinem Schriftsatz vom 10. Juni 2013 hat er die einzigen Wege beschrieben, die er als gangbar ansehe, um den Konflikt der Parteien zu lösen: entweder eine bezahlte Freistellung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze oder die Zahlung einer Abfindung iHv. 1.502.550,00 Euro zzgl. einer Betriebsrente iHv. 600,00 Euro pro Monate. Als „worst case“ komme auch eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses in Betracht, allerdings nur bei Gewährung einer Gehaltserhöhung, Zusage von Altersteilzeit und Androhung eines Ordnungsgelds für die Beklagte.

58

d) Gab es demnach kein milderes Mittel, um den Kläger dazu zu bewegen, künftig seinen Arbeitsvertrag zu erfüllen, überwog das Interesse der Beklagten daran, das Arbeitsverhältnis sofort zu beenden. Da der Kläger bei vollem Risikobewusstsein seine Hauptleistungspflicht nachhaltig verletzt und deren weitere Erfüllung abgelehnt hatte, ohne dass die Aussicht bestanden hätte, ihn „zur Umkehr“ bewegen zu können, hat er der Beklagten selbst die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gemacht. Nicht anders läge es, wenn er sie - im Sinne des von ihm beschriebenen „worst-case“-Szenarios - dazu hätte „nötigen“ wollen, ihn zu befördern, ihm Altersteilzeit zu bewilligen und ihm eine Betriebsrente in der geforderten Höhe zu zahlen.

59

5. Die Beklagte hat die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Sie hat die Kündigung damit begründet, der Kläger weigere sich beharrlich, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Damit hat sie einen Dauertatbestand geltend gemacht, der sich fortlaufend neu verwirklichte (vgl. BAG 29. August 2013 - 2 AZR 273/12 - Rn. 45; 13. Mai 2004 - 2 AZR 36/04 - zu II 1 der Gründe).

60

II. Die Kündigung ist nicht deshalb nach § 134 BGB nichtig, weil sie gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB verstieße. So läge es nur, wenn tragender Beweggrund, dh. wesentliches Motiv für sie eine zulässige Rechtsausübung gewesen wäre (vgl. BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 867/11 - Rn. 45; 19. April 2012 - 2 AZR 233/11 - Rn. 47). Das wiederum setzte voraus, dass das geltend gemachte Recht tatsächlich existierte (ErfK/Preis 15. Aufl. § 612a BGB Rn. 5; KR/Treber 10. Aufl. § 612a BGB Rn. 6). Dem Kläger stand aber weder ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 3 BGB noch ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB zu. Er hat kein Recht in zulässiger Weise ausgeübt, sondern beharrlich die von ihm geschuldete Arbeitsleistung verweigert.

61

III. Die Kündigung ist nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört worden. Hierüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.

62

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Niemann    

        

        

        

    Krichel    

        

    Jan Eulen    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Eingliederungshilfe erhält, wer die erforderliche Leistung nicht von anderen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

(2) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen, bleiben unberührt. Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil dieser Teil entsprechende Leistungen vorsieht; dies gilt insbesondere bei einer gesetzlichen Verpflichtung der Träger anderer Sozialleistungen oder anderer Stellen, in ihrem Verantwortungsbereich die Verwirklichung der Rechte für Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten oder zu fördern.

(3) Das Verhältnis der Leistungen der Pflegeversicherung und der Leistungen der Eingliederungshilfe bestimmt sich nach § 13 Absatz 3 des Elften Buches.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. Juli 2013 - 16 Sa 223/13 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte vertreibt Telekommunikationsdienstleistungen. Die Klägerin war seit Oktober 1989 Beamtin bei der D. Sie wurde im Beamtenverhältnis beurlaubt und war seit Mai 2004 für die Beklagte als Leiterin eines „T-Shops“ tätig.

3

Mit Schreiben vom 3. September 2012 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu ihrer Absicht an, das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich, hilfsweise ordentlich, jeweils sowohl wegen begangener Pflichtverletzungen als auch wegen eines entsprechenden Verdachts zu kündigen. In dem Anhörungsschreiben ist zum Stichwort „Betriebszugehörigkeit gesamt“ das Datum „23.10.1989“ genannt, als „Betriebszugehörigkeit TSG“ der „01.05.2004“. Unter der Überschrift „Daten zur beabsichtigten Kündigung“ ist ausgeführt:

        

„Wir beabsichtigen daher, das Arbeitsverhältnis mit [der Klägerin] durch verhaltensbedingte, außerordentlich fristlose Kündigungen zu beenden, wie eingangs dieses Schreibens erläutert. Die Kündigungen soll wirksam werden mit Ablauf des Tages der Zustellung.

        

Bei den - wie erläutert - zusätzlich durchweg hilfsweise beabsichtigten verhaltensbedingten ordentlichen Kündigungen wird die tarifliche Kündigungsfrist eingehalten werden. Sie beträgt gemäß § 21 Abs. 4 MTV TSG sieben Monate zum Monatsende.

        

Wir bitten Sie um Stellungnahme zu den beabsichtigten außerordentlichen und ordentlichen Kündigungen innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Fristen.“

4

Mit einem weiteren Schreiben an den Betriebsrat vom 4. September 2012 nahm die Beklagte Bezug auf das vorausgegangene Schreiben und teilte mit, sie wolle „im Rahmen der Beteiligung“ die Darstellung der Berufsdaten der Klägerin wie folgt ergänzen:

        

„[Die Klägerin] ist Beamtin auf Lebenszeit. Sie wurde zur Begründung des Arbeitsverhältnisses bei der TSG am 01.05.2004 im Beamtenverhältnis beurlaubt.

        

Dies ist bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen. Durch die beabsichtigte Kündigung des Arbeitsverhältnisses wird [die Klägerin] nicht in die Arbeitslosigkeit entlassen. Vielmehr entfällt mit dem Arbeitsverhältnis auch der Beurlaubungsgrund, so dass das Beamtenverhältnis als Bundesbeamtin wieder auflebt. [Die Klägerin] wird mit Wirksamkeit der Kündigung von der D AG, welche die Dienstherrneigenschaft ausübt, zu besolden und zu beschäftigten sein.

        

Dass [die Klägerin] wegen der vorgeworfenen Handlungen, soweit sie strafrechtlich relevant sind, mit disziplinarischen Maßnahmen im Beamtenverhältnis rechnen muss, ist in der arbeitsrechtlichen Interessenabwägung hingegen nicht berücksichtigungsfähig. Die Prüfung solcher Maßnahmen ist dem Dienstherrn vorbehalten.

        

Wir hatten im ersten Schreiben bereits ausgeführt, dass bei den hilfsweise zusätzlich beabsichtigten ordentlichen Kündigungen die tarifvertragliche Kündigungsfrist maßgebend ist. Bei einer beurlaubten Beamtin ist als Betriebszugehörigkeit zur Ermittlung der Kündigungsfrist nur die Zeit im Arbeitsverhältnis (ab 01.05.2004) maßgebend, nicht jedoch die Zeit als aktive Beamtin (Zeit vom 23.10.1989 bis 30.04.2004), § 7 Abs. 1 MTV TSG.

        

Die TSG-Betriebszugehörigkeit von [der Klägerin] beträgt demnach 8 Jahre. Wir stellen richtig, dass sich die tarifliche Kündigungsfrist nach § 21 Abs. 4 MTV TSG auf fünf Monate zum Monatsende beläuft.“

5

Mit Schreiben vom 7. September 2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich, mit Schreiben vom 11. September 2012 hilfsweise ordentlich. Die außerordentliche Kündigung wurde noch am 7. September 2012 in den Briefkasten der Klägerin eingeworfen.

6

Die Klägerin hat rechtzeitig Klage gegen beide Kündigungen erhoben. Sie hat gemeint, weder für die außerordentliche noch für die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung sei ein Grund gegeben. Sie sei überdies zu den Vorwürfen nicht ordnungsgemäß angehört worden. Im Übrigen habe die Beklagte für die außerordentliche Kündigung die Erklärungsfrist nicht gewahrt. Sie habe die Aufklärungsmaßnahmen nicht hinreichend zügig durchgeführt. Darüber hinaus sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden. Dieser habe erst durch das Schreiben vom 4. September 2012 von ihrer Stellung als Beamtin erfahren. Dabei handele es sich um einen für ihre soziale Situation entscheidenden Umstand. Die außerordentliche Kündigung sei ihr damit bereits vor Ablauf der Frist von drei Tagen für eine Stellungnahme des Betriebsrats zugegangen. Im Übrigen sei die Anhörung unvollständig, weil dem Betriebsrat die Protokolle der Anhörungen der Mitarbeiterinnen G und S nicht zugeleitet worden seien. Die Mitarbeiterin S habe entlastende Angaben gemacht.

7

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 7. September 2012 noch durch die Kündigung vom 11. September 2012 beendet worden ist.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat der Klägerin verschiedene Pflichtverletzungen zur Last gelegt. Jedenfalls bestehe insoweit ein dringender Verdacht. Die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB sei eingehalten. Sie habe nach zügigen Ermittlungen erst am 24. August 2012 über ausreichende Kenntnisse verfügt, um sachgerecht darüber entscheiden zu können, ob sie kündigen solle oder nicht. Der Betriebsrat sei bereits mit dem Schreiben vom 3. September 2012 vollständig angehört worden. Sie habe als bekannt voraussetzen dürfen, dass die Klägerin Beamtin sei. Dem Betriebsrat sei dies bereits bei der Einstellung der Klägerin mitgeteilt worden. Im Übrigen habe ein Betriebsratsmitglied von der Stellung der Klägerin als Beamtin definitiv gewusst. Auf die Erläuterungen vom 4. September 2012 komme es deshalb nicht an.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten durch Teilurteil insoweit zurückgewiesen, wie das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung festgestellt hat. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte weiterhin den Antrag, schon die Klage gegen die außerordentliche Kündigung abzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision hat Erfolg. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht der Klage gegen die außerordentliche Kündigung vom 7. September 2012 nicht stattgegeben (I.). Ob die Kündigung wirksam ist, steht noch nicht fest (II.).

11

I. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen ist die Kündigung, anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat, nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Die Beklagte hat den Betriebsrat mit Schreiben vom 3. September 2012 ordnungsgemäß über die beabsichtigte außerordentliche Kündigung informiert (1.). Durch das weitere Schreiben vom 4. September 2012 ist die Frist für die Anhörung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung nicht neu in Gang gesetzt worden (2.).

12

1. Die Beklagte hat mit dem Schreiben vom 3. September 2012 das Verfahren zur Anhörung des Betriebsrats zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung ordnungsgemäß eingeleitet. Falls das Schreiben dem Betriebsrat noch am selben Tag zugegangen ist - wofür der Eingangsvermerk spricht, eindeutige Feststellungen aber fehlen -, wäre die dreitägige Frist zur Stellungnahme am 7. September 2012 - dem Tag des Einwurfs des Kündigungsschreibens in den Briefkasten der Klägerin - bereits abgelaufen gewesen.

13

a) Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Will der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken erheben, muss er dies gemäß § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG dem Arbeitgeber spätestens innerhalb von drei Tagen schriftlich mitteilen. Eine vor Fristablauf ausgesprochene Kündigung ist gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, es sei denn, es liegt bereits eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats vor(vgl. BAG 12. Dezember 1996 - 2 AZR 803/95 - zu II 1 der Gründe; 13. November 1975 - 2 AZR 610/74 - zu 3 a der Gründe, BAGE 27, 331).

14

b) Für die Mitteilung der Kündigungsgründe gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“ (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 24, BAGE 146, 303; 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 41, BAGE 142, 339). Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO). Dem kommt er dann nicht nach, wenn er dem Betriebsrat einen schon aus seiner eigenen Sicht unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt darstellt (BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - aaO; 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 18). Zu einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Information gehört darüber hinaus die Unterrichtung über Tatsachen, die ihm - dem Arbeitgeber - bekannt und für eine Stellungnahme des Betriebsrats möglicherweise bedeutsam sind, weil sie den Arbeitnehmer entlasten und deshalb gegen eine Kündigung sprechen können (BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 38; 6. Februar 1997 - 2 AZR 265/96 - zu II 1 der Gründe).

15

c) Die subjektive Determination des Inhalts der Anhörung führt nicht dazu, dass bei der verhaltensbedingten Kündigung auf die Mitteilung persönlicher Umstände des Arbeitnehmers ganz verzichtet werden könnte, wenn sie für den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers ohne Bedeutung waren. Bei den „Sozialdaten“ handelt es sich zwar um Umstände, die nicht das beanstandete Verhalten des Arbeitnehmers selbst betreffen. Nach Sinn und Zweck der Anhörung darf der Arbeitgeber dem Betriebsrat aber keine persönlichen Umstände des Arbeitnehmers vorenthalten, die sich bei objektiver Betrachtung entscheidend zu seinen Gunsten auswirken und deshalb schon für die Stellungnahme des Betriebsrats bedeutsam sein können (vgl. BAG 6. Oktober 2005 - 2 AZR 280/04 - zu B II 2 a der Gründe; 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B II 3 a der Gründe). Der Wirksamkeit einer auf Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers gestützten Kündigung steht das Unterlassen der Angabe von dessen genauen „Sozialdaten“ bei der Betriebsratsanhörung deshalb nur dann nicht entgegen, wenn es dem Arbeitgeber auf die genauen Daten ersichtlich nicht ankommt und der Betriebsrat jedenfalls die ungefähren Daten ohnehin kennt; er kann dann die Kündigungsabsicht des Arbeitgebers auch so ausreichend beurteilen (BAG 6. Oktober 2005 - 2 AZR 280/04 - aaO; 15. November 1995 - 2 AZR 974/94 - zu II 1 b der Gründe). Eine nähere Begründung der den Kündigungsentschluss tragenden Abwägung ist wegen des Grundsatzes der subjektiven Determinierung regelmäßig nicht erforderlich. Die Anhörung zu der Absicht, das Arbeitsverhältnis zu kündigen, impliziert eine Abwägung zu Lasten des Arbeitnehmers (vgl. BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 27, BAGE 146, 303).

16

d) Danach ist bisher weder festgestellt noch objektiv ersichtlich, dass dem Betriebsrat der Kündigungssachverhalt im Schreiben vom 3. September 2012 nicht ausreichend mitgeteilt worden wäre. Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, der Betriebsrat sei „am 03.09.2012 zum Kündigungsgrund umfassend angehört“ worden. Aus dem in Bezug genommenen Anhörungsschreiben vom 3. September 2012 ergibt sich nichts Gegenteiliges. Ihm zufolge ist dem Betriebsrat auch das Protokoll einer Befragung der Mitarbeiterin G zugeleitet worden. Dass zudem die Mitarbeiterin S befragt und dies protokolliert worden wäre, wie von der Klägerin geltend gemacht, ist bislang nicht ersichtlich. Nach den Angaben im Anhörungsschreiben vom 3. September 2012 war diese Mitarbeiterin wegen ihres Erholungsurlaubs nicht gehört worden.

17

e) Das Anhörungsschreiben vom 3. September 2012 war auch nicht aus den vom Landesarbeitsgericht angeführten Gründen unzureichend.

18

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe gegenüber dem Betriebsrat unrichtige Angaben über die „anrechenbare Betriebszugehörigkeit“ der Klägerin gemacht. Das trifft zwar zu. Darin liegt jedoch kein Fehler in der Anhörung zur - hier allein streitgegenständlichen - außerordentlichen Kündigung.

19

(1) Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 3. September 2012 die „anrechenbare Betriebszugehörigkeit“ der Klägerin nicht explizit mitgeteilt. Sie hat vielmehr angegeben „Betriebszugehörigkeit TSG 01.05.2004“ und „Betriebszugehörigkeit gesamt: 23.10.1989“. Aufgrund welcher Umstände die „Betriebszugehörigkeit gesamt“ von der „Betriebszugehörigkeit TSG“ abwich und weshalb es ihres Erachtens für die Kündigung auf die „Betriebszugehörigkeit gesamt“ und nicht auf die „Betriebszugehörigkeit TSG“ ankam, hat die Beklagte im Anhörungsschreiben nicht näher erläutert. Sie hat die mit sieben Monaten angegebene Länge der tariflichen Kündigungsfrist jedoch ersichtlich auf der Grundlage der angegebenen „Betriebszugehörigkeit gesamt“ ermittelt.

20

(2) Soweit die Beklagte dem Betriebsrat damit eine objektiv unzutreffende - um zwei Monate zu lange - Kündigungsfrist mitgeteilt hat, macht dies die Anhörung zu der beabsichtigten fristlosen Kündigung nicht fehlerhaft.

21

(a) Es bedurfte keiner (zutreffenden) Angabe der Kündigungsfrist oder der Parameter zu ihrer Berechnung, um dem Betriebsrat Kenntnis darüber zu verschaffen, wann das Arbeitsverhältnis durch die angestrebte fristlose Kündigung beendet werden sollte.

22

(b) Die exakte Dauer der Kündigungsfrist benötigte der Betriebsrat auch nicht, um die Kündigungsabsicht der Beklagten im Übrigen sachgerecht prüfen zu können. Zwar kann eine kürzere Kündigungsfrist dafür sprechen, dass dem Arbeitgeber eine ordentliche Kündigung als milderes Mittel zumutbar ist. Die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Rahmen von § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG reicht aber nicht so weit wie seine Darlegungslast im Prozess(BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 27, BAGE 146, 303; 19. Juli 2012 - 2 AZR 352/11 - Rn. 45, BAGE 142, 339). Die Anhörung des Betriebsrats soll diesem nicht die selbständige Überprüfung der Wirksamkeit der beabsichtigten Kündigung, sondern eine Einflussnahme auf die Willensbildung des Arbeitgebers ermöglichen (BAG 31. Januar 1996 - 2 AZR 181/95 - zu II 2 der Gründe; 22. September 1994 - 2 AZR 31/94 - zu II 2 der Gründe, BAGE 78, 39). Sinn und Zweck des § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist es, den Betriebsrat in die Lage zu versetzen, sachgerecht auf den Arbeitgeber einzuwirken, dh. die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe zu überprüfen und sich über sie eine eigene Meinung zu bilden (BAG 27. Juni 1985 - 2 AZR 412/84 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 49, 136). Im Streitfall war dies dem Betriebsrat nach Maßgabe der Angaben im Anhörungsschreiben vom 3. September 2012 möglich. Die Gewichtigkeit der Gründe für die beabsichtigte fristlose Kündigung und die Zumutbarkeit einer lediglich ordentlichen Kündigung konnte er trotz der unzutreffenden Angabe der Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist sachgerecht beurteilen. Das Anhörungsschreiben konnte bei ihm nicht etwa eine vollkommen unzutreffende Vorstellung von der Länge der ordentlichen Kündigungsfrist der Klägerin bewirken. Der Unterschied zwischen der angegebenen Frist von sieben Monaten und der wirklichen Frist von fünf Monaten jeweils zum Monatsende ist nicht so beträchtlich, dass der Betriebsrat bei der Prüfung des Einwands, der Beklagten sei die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar, von gänzlich falschen Annahmen ausgehen musste.

23

(3) Auch soweit die Dauer der Betriebszugehörigkeit für die Interessenabwägung im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB von Bedeutung sein kann, wurde der Betriebsrat mit der Angabe einer „Betriebszugehörigkeit gesamt“ ab Oktober 1989 nicht an einer sachgerechten Einwirkung auf die Beklagte gehindert. Die Beklagte hatte zu verstehen gegeben, dass sie eine außerordentliche Kündigung selbst angesichts einer solchen Dauer der Betriebszugehörigkeit für gerechtfertigt hielt. Eine kürzere Dauer hätte sich allenfalls zu Lasten der Klägerin auswirken können. Durch die unzutreffende Angabe wurde dem Betriebsrat daher kein Einwand abgeschnitten. Er hatte bei längerer Betriebszugehörigkeit eher mehr Anlass zu prüfen, ob Bedenken gegen die fristlose Kündigung bestanden.

24

bb) Die Mitteilung, dass die Klägerin beurlaubte Beamtin sei, war für eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats nicht erforderlich. Ihr Status als beurlaubte Beamtin konnte sich als zusätzliche soziale Absicherung allenfalls zu Lasten der Klägerin auswirken - unabhängig davon, ob ihr wegen der ihr vorgeworfenen Pflichtverletzungen auch im Beamtenverhältnis Disziplinarmaßnahmen drohten. Erneut hatte der Betriebsrat ohne eine Kenntnis von diesem Umstand eher mehr Anlass, sich für die Klägerin einzusetzen. Es kann deshalb dahinstehen, ob ihm die Kenntnis dieses Umstands in der Person eines seiner Mitglieder nicht ohnehin zuzurechnen war.

25

2. Das Anhörungsverfahren war bei Einwurf des Kündigungsschreibens in den Briefkasten der Klägerin am 7. September 2012 nicht deshalb noch nicht abgeschlossen, weil die Beklagte dem Betriebsrat mit Schreiben vom 4. September 2012 ergänzende Informationen hat zukommen lassen. Die Frist zur Stellungnahme zu der beabsichtigten fristlosen Kündigung wurde dadurch nicht erneut in Gang gesetzt.

26

a) Die Beklagte hat mit dem Schreiben vom 4. September 2012 zum Ausdruck gebracht, es gehe ihr um eine Ergänzung der Berufsdaten der Klägerin, und hat ausgeführt, welche Bedeutung dem ihres Erachtens für die Interessenabwägung zukomme.

27

b) Daraus konnte der Betriebsrat nicht schließen, die Frist zur Stellungnahme zu der hier streitgegenständlichen außerordentlichen Kündigung habe mit Zugang dieses Schreibens neu beginnen sollen. Wird das Schreiben insgesamt in den Blick genommen, ergibt sich vielmehr, dass es bezüglich der fristlosen Kündigung ausschließlich der ergänzenden Information im Rahmen der schon in Gang gesetzten Anhörung dienen sollte. Diese Auslegung kann der Senat selbst vornehmen. Ein Anhörungsschreiben ist als Erklärung nicht typischer Art zwar grundsätzlich von den Tatsacheninstanzen auszulegen (vgl. BAG 15. Dezember 1994 - 2 AZR 327/94 - zu B I 2 der Gründe; 19. August 1975 - 1 AZR 565/74 - zu II 3 der Gründe, BAGE 27, 218). Die Auslegung durch das Revisionsgericht ist aber dann möglich, wenn das Berufungsgericht sie unterlassen oder wesentlichen Auslegungsstoff nicht herangezogen hat. So liegt der Fall hier. Das Landesarbeitsgericht hat das Schreiben vom 4. September 2012 nicht mit seinem Gesamtinhalt und deshalb ohne Rücksicht auf seine unterschiedliche Bedeutung für die Anhörung einmal zur außerordentlichen, das andere Mal zur hilfsweise ordentlichen Kündigung gewürdigt.

28

aa) Die Beklagte nimmt in ihrem Schreiben zunächst ausdrücklich auf das vorausgegangene Schreiben vom 3. September 2012 Bezug, mit welchem der Betriebsrat „zu unserer Kündigungsabsicht (…) beteiligt und um Stellungnahme gebeten“ worden sei. Es heißt sodann, die Darstellung der Berufsdaten solle „im Rahmen der Beteiligung“ ergänzt werden. Diese Ausführungen lassen nicht erkennen, dass die Frist zur Stellungnahme für den Betriebsrat erneut hätte in Gang gesetzt werden sollen. Der Formulierung, die Beklagte wolle die beruflichen Daten der Klägerin „ergänzen“, lässt sich ein solches Verständnis entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht eindeutig entnehmen. Eine „Ergänzung“ über das Notwendige einer ordnungsgemäßen Information hinaus kann vielmehr durchaus innerhalb der schon laufenden Frist zur Stellungnahme erfolgen.

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bb) Das Schreiben vom 4. September 2012 enthält Angaben, die für die Anhörung zur fristlosen Kündigung - wie ausgeführt - nicht erforderlich waren. Der Betriebsrat konnte es deshalb mit Blick auf die beabsichtigte außerordentliche Kündigung nicht dahin verstehen, die Beklagte wolle mit ihm die Frist zur Stellungnahme erneut beginnen lassen. Die ergänzenden Angaben stellen insoweit keine notwendigen Richtigstellungen dar. Dass dies für die hilfsweise beabsichtigte ordentliche Kündigung anders zu beurteilen sein könnte, weil sich erst aus dem Schreiben vom 4. September 2012 ergab, dass die ordentliche Kündigung nunmehr mit einer Frist von fünf Monaten zum Monatsende erklärt werden sollte, ist für die Anhörung zur außerordentlichen Kündigung ohne Belang.

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cc) Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Beklagte im Schreiben vom 4. September 2012 auf die ihres Erachtens gegebene Bedeutung des Beamtenstatus der Klägerin für die Interessenabwägung hingewiesen hat. Daraus durfte der Betriebsrat nicht schließen, sie habe sich für eine außerordentliche Kündigung erst aufgrund dieses Umstands entschieden. Nach ihren Ausführungen hielt sie den Beamtenstatus der Klägerin vielmehr lediglich für einen weiteren zu deren Lasten gehenden Umstand. Das lässt nicht den Schluss zu, sie habe sich entgegen ihrem Schreiben vom 3. September 2012 in Wirklichkeit erst angesichts dieses Umstands und nicht schon unabhängig davon zur außerordentlichen Kündigung entschlossen.

31

II. Ob die fristlose Kündigung wirksam ist, steht noch nicht fest. Das Landesarbeitsgericht wird bei der neuen Verhandlung und Entscheidung zu prüfen haben, ob ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB gegeben war und ob die Beklagte die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt hat. Hierfür fehlt es bislang an Feststellungen.

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Die Unwirksamkeit der Kündigung unter einem dieser Gesichtspunkte ergibt sich nicht bereits aus dem eigenen Vorbringen der Beklagten. Diese beruft sich ua. darauf, die Klägerin habe zwecks Vorspiegelung einer Steigerung des Shop-Ergebnisses und des entgeltwirksamen Grades ihrer Zielerreichung eine Vielzahl von Kunden unberechtigt in Rahmenverträge buchen und nur für Mitarbeiter vorgesehene Rabatte auch an Kunden weitergeben lassen. Solche Pflichtverletzungen kommen als erhebliche Verstöße gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Beklagten gemäß § 241 Abs. 2 BGB und damit „an sich“ als wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht; sie können geeignet sein, die fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses auch ohne vorherige Abmahnung zu rechtfertigen. Sollten kündigungsberechtigte Personen - wie von der Beklagten geltend gemacht - trotz zügiger Ermittlungen erst am 24. August 2012 ausreichende Kenntnis von dem Kündigungssachverhalt gehabt haben, wäre bei einem Zugang der Kündigung noch am 7. September 2012 auch die zweiwöchige Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Frey     

        

    Torsten Falke    

                 

(1) Der Betriebsrat wählt aus seiner Mitte den Vorsitzenden und dessen Stellvertreter.

(2) Der Vorsitzende des Betriebsrats oder im Fall seiner Verhinderung sein Stellvertreter vertritt den Betriebsrat im Rahmen der von ihm gefassten Beschlüsse. Zur Entgegennahme von Erklärungen, die dem Betriebsrat gegenüber abzugeben sind, ist der Vorsitzende des Betriebsrats oder im Fall seiner Verhinderung sein Stellvertreter berechtigt.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils schriftlich einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils beigefügt werden, gegen das die Revision eingelegt werden soll.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils zu begründen. Die Begründung muss enthalten:

1.
die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit,
2.
die Bezeichnung der Entscheidung, von der das Urteil des Landesarbeitsgerichts abweicht, oder
3.
die Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Entscheidungserheblichkeit der Verletzung.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die Vorschriften des § 719 Abs. 2 und 3 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden.

(5) Das Landesarbeitsgericht ist zu einer Änderung seiner Entscheidung nicht befugt. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluß, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Die ehrenamtlichen Richter wirken nicht mit, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wird, weil sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Dem Beschluss soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesarbeitsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Wird der Beschwerde stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(7) Hat das Landesarbeitsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Bundesarbeitsgericht abweichend von Absatz 6 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen.