Arbeitsgericht Hamburg Urteil, 10. Dez. 2014 - 27 Ca 300/14

bei uns veröffentlicht am10.12.2014

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 4.053,67 festgesetzt.

4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt Zahlung.

2

Die am ... geborene Klägerin ist bei der Beklagten, einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, als Sekretärin beschäftigt. Ihr monatlicher Bruttoverdienst beträgt € 2.856,00.

3

Ab Februar 2014 erkrankte die Klägerin wegen eines Nierenleidens und wurde von ihrer Ärztin, Frau Dr. K., behandelt. Hintergrund war, dass bei der Klägerin ein Nierenstein, der in den Harnleiter gewandert war, aufgefunden und entfernt worden war. Am 08.02.2014 wurde der Klägerin im Klinikum L. eine sogenannte Harnleiterschiene eingesetzt. Der Nierenstein konnte aus medizinischen Gründen erst am 11.04.2014 entfernt werden. Nach einem zwischenzeitlichen Wechsel der Harnleiterschiene wurde diese am 07.05.2014 entfernt. Durch die mit der Harnleiterschiene einhergehenden Verletzungen und Reizungen im Bereich der Niere, des Harnleiters und der Blase, litt die Klägerin unter spürbar starken Schmerzen, weshalb sie weiterhin arbeitsunfähig erkrankt war. Im Zuge einer Wiedervorstellung bei Frau Dr. K. am 09.05.2014 wurde ein Knoten im Halsbereich ertastet, der bei einem Facharzt für Innere Medizin und Endokrinologie untersucht werden sollte. Aufgrund der Schmerzen war die Klägerin weiterhin arbeitsunfähig. Sie sollte sich am 14.05.2014 erneut bei Frau Dr. K. vorstellen. Am 14.05.2014 wurde der Klägerin eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 19.05.2014 bescheinigt (Anlage K 2, Bl. 10 d.A.). Am 19.05.2014, gegen 11.30 Uhr, nahm die Klägerin einen Arzttermin war. Im Rahmen dieses Arzttermins wurde der Klägerin die Diagnose eröffnet, dass sie an Schilddrüsenkrebs erkrankt sei. Frau Dr. K. stellte der Klägerin mit Datum vom 19.05.2014 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung - Erstbescheinigung - für den Zeitraum vom 20.05.2014 bis zum 17.06.2014 aus. Aufgrund der Erstbescheinigung ab dem Folgetag, verweigerte die Krankenkasse der Klägerin die Zahlung von Krankengeld. Die Beklagte verweigerte die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, da sie von einer einheitlichen Erkrankung ausging.

4

Mit ihrer bei Gericht am 27.06.2014 eingegangenen und der Beklagten am 04.07.2014 zugestellten Klage begehrt die Klägerin Zahlung.

5

Die Klägerin trägt vor, dass sie zwischen ihrer Erkrankung aufgrund des Nierensteins und der Erkrankung aufgrund der Krebsdiagnose arbeitsfähig gewesen sei. Insofern habe ein neuer Entgeltfortzahlungszeitraum zu laufen begonnen. Zuletzt sei sie ab dem 14.05.2014 aufgrund bestehender Schmerzen nach der Entfernung der Harnleiterschiene arbeitsunfähig gewesen. Die behandelnde Ärztin habe Prognose bis zum 19.05.2014 erstellt. Bereits am Sonntag, den 18.05.2014, sei sie jedoch hinsichtlich der Schmerzen praktisch beschwerdefrei gewesen. Sie habe sich am Nachmittag des 18.05.2014 mit ihrem Lebensgefährten über ihre Beschwerdefreiheit unterhalten. Auch habe sie ihrem Lebensgefährten berichtet, nach ihrer hartnäckigen Erkrankung endlich wieder arbeiten zu können. Am 19.05.2014 sei sie erstmalig vollkommen beschwerdefrei gewesen, wobei sie - so der ergänzende Vortrag im Kammertermin - zunächst ihre Ärztin habe konsultieren wollen, bevor sie wieder zur Arbeit gehen wollte. Im Rahmen ihres Arzttermins am 19.05.2014 habe die Klägerin Frau Dr. K. mitgeteilt, dass die Schmerzen seit dem Vortag endgültig weg seien. Zwischen der alten Erkrankung, beruhend auf den Schmerzen nach der Entfernung des Harnleiters, und der neuen Erkrankung nach der Krebsdiagnose liege damit ein relevanter Zeitraum, in dem die Klägerin arbeitsfähig gewesen sei. Dementsprechend sei ab dem 19.05.2014 ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegen die Beklagte entstanden.

6

Die Klägerin beantragt,

7

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 1.197,67 brutto Entgeltfortzahlung für den Zeitraum 19.05. bis 31.05.2014 nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.06.2014 zu bezahlen,

8

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 2.856,00 brutto Entgeltfortzahlung für den Zeitraum 01.06. bis 30.06.2014 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2014 zu bezahlen.

9

Die Beklagte beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Die Beklagte trägt vor, dass der Klägerin zunächst eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 19.05.2014 bescheinigt worden sei. Diese Ersterkrankung sei noch nicht beendet gewesen, als die Zweiterkrankung hinzugetreten sei. Insofern sei von der Einheitlichkeit des Verhinderungsfalles auszugehen, sodass ab dem 19.05.2014 nach der Krebsdiagnose kein neuer Zeitraum für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ausgelöst worden sei.

12

Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen (§ 46 Abs. 2 ArbGG, § 313 Abs. 2 ZPO).

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 19.05.2014 bis 30.06.2014 zu.

I.

14

Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung aus § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG. Aufgrund des Grundsatzes der Einheitlichkeit des Verhinderungsfalles begann der sechs-Wochenzeitraum am 19.05.2014 nicht erneut zu laufen.

15

1. Nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG hat ein Arbeitnehmer, der durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Im Falle einer erneuten Erkrankung sieht § 3 Abs. 1 S. 2 EFZG Einschränkungen vor, wenn die erneute Arbeitsunfähigkeit auf derselben Erkrankung beruht. Kommt es vor Beendigung der ersten Erkrankung zu einer erneuten Erkrankung oder schließt sich die zweite Erkrankung unmittelbar, d.h. ohne relevante Unterbrechung an die erste Erkrankung an, gilt folgendes (vgl. LAG Rheinland-Pfalz v. 04.03.2010 - 11 Sa 547/09 -, juris Rn. 39 f.):

16

Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung ist auch dann auf die Dauer von sechs Wochen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit begrenzt, wenn während bestehender Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die ebenfalls zur Arbeitsunfähigkeit führt. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer bei entsprechender Dauer der durch beide Erkrankungen verursachten Arbeitsverhinderung die 6-Wochen-Frist nur einmal in Anspruch nehmen (Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalles). Eine weitere Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall kann der Arbeitnehmer nur fordern, wenn die erste Arbeitsverhinderung bereits in dem Zeitpunkt beendet war, in dem eine weitere Erkrankung zu einer neuen Arbeitsverhinderung führt (vgl. BAG v. 02.12.1981 - 5 AZR 89/80 -, juris; LAG Hamm v. 09.01.2001 - 11 Sa 889/00 -, juris). Zwei selbständige Verhinderungsfälle liegen nur vor, wenn der Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheiten tatsächlich arbeitet oder wenn er zwischen den beiden Krankheiten zwar arbeitsfähig war, tatsächlich aber nicht arbeiten konnte, weil er nur wenige außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden arbeitsfähig war (LAG Rheinland-Pfalz v. 28.06.2007 - 2 Sa 109/07 -, juris Rn. 30). Es kommt nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer nach seiner Gesundung, also nach Beendigung des Verhinderungsfalles, die Arbeit tatsächlich wieder aufgenommen hatte oder nicht (vgl. BAG v. 02.12.1981 - 5 AZR 89/80 -, juris). Falls der erste Verhinderungsfall abgeschlossen war, ist die neue Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung ein neues Unglück, das nur zufällig in einem nahen zeitlichen Zusammenhang mit der soeben beendeten Arbeitsunfähigkeit eintritt. Hierfür spricht auch der Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen, der nicht auf eine Krankheit abstellt, sondern auf eine Arbeitsunfähigkeit. Nur für den Fall, dass zwischen zwei Zeiträumen der Arbeitsunfähigkeit eine Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt war, die nicht zwingend mit einer Arbeitsleistung einhergehen muss, kommt es auf die Ursachen der Arbeitsunfähigkeit, also auf die zugrundeliegenden Krankheiten an (LAG Rheinland-Pfalz v. 28.06.2007 - 2 Sa 109/07 -, juris Rn. 32). Dabei entscheidet über die Dauer der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit und damit über das Ende des Verhinderungsfalles grundsätzlich der Arzt (BAG v. 10.09.2014 - 10 AZR 651/12 -, juris Rn. 17). Enthält die ärztliche Bescheinigung nur die Angabe eines Kalendertages, wird in der Regel die Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende der vom erkrankten Arbeitnehmer üblicherweise an diesem Kalendertag zu leistenden Arbeitsschichten bescheinigt (BAG v. 02.12.1981 - 5 AZR 89/80 -, juris Rn. 15; v. 11.07.1990 - 5 AZR 368/89 -, juris Rn. 15).

17

2. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin ab dem 19.05.2014 nach der Diagnose ihrer behandelnden Ärztin erneut erkrankt ist. Zwar hat die behandelnde Ärztin die Arbeitsunfähigkeit erst ab dem Folgetag, nämlich dem 20.05.2014, bescheinigt. Diesbezüglich ist jedoch bereits äußerst zweifelhaft, ob eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für einen zukünftigen Zeitraum mit der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung vereinbar ist. Dies würde bereits gegen die Vermutungswirkung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sprechen. Hierauf kommt es vorliegend jedoch nicht an. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beinhaltet ohnehin nur eine widerlegliche Vermutung für das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit. Die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stellt lediglich eine Prognose dar. Die Arbeitsunfähigkeit kann sowohl länger als auch kürzer dauern (vgl. Schliemann, in: Hennsler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 5. Aufl. 2012, § 3 EFZG Rn. 81 ff.).

18

Vorliegend besteht kein Streit zwischen den Parteien, dass die weitere Arbeitsunfähigkeit nicht mit einem zukünftigen Ereignis wie z.B. einer Operation zusammenhing, sondern aufgrund der psychischen Belastung im Zusammenhang mit der Krebsdiagnose eintrat. Die Krebsdiagnose wurde der Klägerin am 19.05.2014 von ihrer behandelnden Ärztin eröffnet. Es besteht kein Grund zu der Annahme, dass gleichwohl eine Arbeitsunfähigkeit erst am Folgetag eintreten würde oder dies aus medizinischen Gründen erst für den 20.05.2014 bescheinigt werden sollte. Insofern ist der Vortrag der Klägerin für die Kammer plausibel, dass Frau Dr. K. eine Arbeitsunfähigkeit für den 19.05.2014 nicht bescheinigen wollte, da sie davon ausging, dass eine solche mit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 14.05.2014 bis zu diesem Tag bereits attestiert worden war.

19

3. Durch die weitere Erkrankung ab dem 19.05.2014 wurde kein erneuter Entgeltfortzahlungszeitraum ausgelöst. Unter Anwendung der oben dargestellten rechtlichen Grundsätze liegen die Voraussetzungen für die Einheitlichkeit des Verhinderungsfalles vor. Zwar beruht die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ab dem 19.05.2014 auf einer anderen Erkrankung als die Arbeitsunfähigkeit davor. Jedoch liegt eine Überschneidung der beiden Krankheitszeiträume vor. Zumindest aber haben sich beide Zeiträume unmittelbar aneinander angeschlossen, ohne dass es eine relevante Unterbrechung gegeben hätte.

20

Mit Bescheinigung vom 14.05.2014 wurde der Klägerin zunächst die Arbeitsunfähigkeit bis zum 19.05.2014 attestiert. Damit bestand grundsätzlich die Vermutung, dass die Klägerin bis zum Ende des Arbeitstages am 19.05.2014 arbeitsunfähig erkrankt sein würde. Diese Vermutungswirkung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat die Klägerin nicht wiederlegt. Die Klägerin beschränkt ihren Vortrag darauf, ihr rein subjektives Empfinden hinsichtlich ihrer Arbeitsunfähigkeit widerzugeben. Dies genügt jedoch nicht, um die Vermutungswirkung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu entkräften. Soweit die Arbeitsunfähigkeit ab dem 14.05.2014 darauf beruhte, dass es mit der Entfernung der Harnleiterschiene zu Verletzungen im Nieren-, Harnleiter- und Blasenbereich gekommen ist und die Klägerin deshalb unter Schmerzen litt, hat die Ärztin darüber entschieden, in welchem zeitlichen Umfang sie aus medizinischen Gründen eine Schonung für erforderlich hält und wann eine Ausheilung zu erwarten ist. Dies hat die Ärztin mit der Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit bis zum 19.05.2014 getan. Insofern ist von dem Grundsatz auszugehen, dass maßgeblich für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und damit für das Ende des Verhinderungsfalles die Entscheidung des Arztes ist (vgl. BAG v. 10.09.2014 - 10 AZR 651/12 -, juris Rn. 17). Demgegenüber kommt es auf das subjektive Empfinden der Klägerin, arbeitsfähig zu sein, nicht an, wenn nicht zugleich objektive Anhaltspunkte hinzutreten, dass die Klägerin arbeitsfähig war, insbesondere dass die Prognose des Arztes fehlerhaft war oder aber aufgrund eines neuen oder abweichend zu der ursprünglichen Prognose verlaufenden Kausalverlaufs die Arbeitsfähigkeit früher wieder hergestellt werden konnte. Aber auch nach dem Vortrag der Klägerin bestehen bereits Bedenken, dass ab dem 18.05.2014 eine Arbeitsfähigkeit gegeben gewesen sein soll. Die Klägerin behauptet, am 18.05.2014 „praktisch beschwerdefrei“ gewesen zu sein. Insofern war die Klägerin am 18.05.2014 also noch nicht beschwerdefrei, mithin weiterhin arbeitsunfähig. Auch wollte die Klägerin vor einer Arbeitsaufnahme zunächst ihre behandelnde Ärztin konsultieren, sodass das subjektive Empfinden der Arbeitsfähigkeit allein nicht maßgeblich war.

21

Es fehlt an objektiven Anhaltspunkten dafür, dass die Klägerin bereits ab dem 18.05.2014 bzw. dem 19.05.2014 vor Ablauf des attestierten Arbeitsunfähigkeitszeitraums wieder arbeitsfähig war. Durch die ärztliche Entscheidung, die ihren Ausdruck in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung findet, soll gerade eine gewisse Objektivierung erreicht werden. Weder Arbeitsunfähigkeit noch Arbeitsfähigkeit sollen von den Arbeitnehmern eigenmächtig diagnostiziert werden. Dem würde es widersprechen, wenn ein Arbeitnehmer allein durch sein subjektives Empfinden abhängig von der jeweiligen Tagesform die Entscheidung des Arztes ersetzen könnte. Insofern ist mehr als ein bloßes „Lippenbekenntnis“ (vgl. BAG v. 22.02.2012 - 5 AZR 249/11 -, juris Rn. 27) zu fordern, um den Inhalt der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu widerlegen.

22

Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass ihr die behandelnde Ärztin am 19.05.2014 die bestehende Arbeitsfähigkeit diagnostiziert hat. Auch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin aus Sicht der Ärztin umgehend am 19.05.2014 die Arbeit hätte wieder aufnehmen können. Die Klägerin hat zwar vorgetragen, ihrem Lebensgefährten am Sonntag, den 18.05.2014, berichtet zu haben, sich aufgrund ihrer hartnäckigen Erkrankung darauf zu freuen, „nun sofort wieder arbeiten zu können“. Gleichwohl hat die Klägerin am Montag, den 19.05.2014 ihre Arbeit nicht wieder aufgenommen, sondern erst den Arzttermin abgewartet. Auch hat sie die Beklagte nicht gleich am 19.05.2014 darüber informiert, dass sie sofort - also noch am selben Tag - zur Arbeit erscheinen würde. Zwar endet die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, wenn der Arbeitnehmer uneingeschränkt seine Arbeit trotz ärztlich attestierter Arbeitsunfähigkeit aufnimmt. Dadurch zeigt der Arbeitnehmer, dass er sich nicht infolge seiner Erkrankung gehindert sieht, seine Arbeitsleistung zu erbringen (Schliemann, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 5. Aufl. 2012, § 3 EFZG Rn. 83). Dies trifft aber auf die Klägerin gerade nicht zu, die zunächst die ärztliche Untersuchung am 19.05.2014 abwarten wollte. Soweit im Rahmen dieser Untersuchung überhaupt eine Aussage von Frau Dr. K. zur bestehenden Arbeitsfähigkeit der Klägerin getroffen wurde, schloss sich jedenfalls zusammen mit der Krebsdiagnose unmittelbar und ohne relevante zeitliche Unterbrechung eine neue Arbeitsunfähigkeit an. Auch wenn es für eine Unterbrechung grundsätzlich ausreichend ist, dass die Arbeitsfähigkeit außerhalb der regulären Arbeitszeit für wenige Stunden bestanden hat, kann der einheitliche Vorgang des Arzttermins nicht auseinandergerissen werden. Andernfalls hinge es vom bloßen Zufall ab, ob in welcher Reihenfolge die abschließende Untersuchung hinsichtlich der Beschwerden der Klägerin nach der Entfernung der Harnleiterschiene und die Krebsdiagnose erfolgt wären.

23

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass nach der Überzeugung der Kammer eine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Arbeitstages am 19.05.2014 bescheinigt wurde und während des 19.05.2014 eine neue Erkrankung hinzugekommen ist. Soweit Frau Dr. K. eine positive Aussage zur Arbeitsfähigkeit der Klägerin im Rahmen der Untersuchung am 19.05.2014 getroffen haben sollte, schloss sich die erneute Arbeitsunfähigkeit zumindest unmittelbar an. In beiden Fällen ist von der Einheitlichkeit des Verhinderungsfalles auszugehen, sodass ab dem 19.05.2014 kein erneuter Zeitraum zur Entgeltfortzahlung ausgelöst wurde.

II.

24

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Der Klägerin waren die Kosten aufzuerlegen, da sie im Rechtsstreit unterlegen ist.

25

Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf den Vorschriften der § 61 Abs. 1 ArbGG, § 3 ZPO.

26

Die Zulässigkeit der Berufung ergibt sich bereits aus § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG. Im Übrigen lagen die Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 ArbGG nicht vor.

Urteilsbesprechung zu Arbeitsgericht Hamburg Urteil, 10. Dez. 2014 - 27 Ca 300/14

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

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(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei
Arbeitsgericht Hamburg Urteil, 10. Dez. 2014 - 27 Ca 300/14 zitiert 9 §§.

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Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

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(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung. (2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsger

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(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest. (2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen

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(1) Das Urteil enthält:1.die Bezeichnung der Parteien, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Prozessbevollmächtigten;2.die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Richter, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben;3.den Tag, an dem die mündliche Ve

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weitere Fundstellen ... Tenor I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens vom 08. Juli 2009 - 4 Ca 602/08 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Referenzen

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Das Urteil enthält:

1.
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2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Richter, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben;
3.
den Tag, an dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist;
4.
die Urteilsformel;
5.
den Tatbestand;
6.
die Entscheidungsgründe.

(2) Im Tatbestand sollen die erhobenen Ansprüche und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel unter Hervorhebung der gestellten Anträge nur ihrem wesentlichen Inhalt nach knapp dargestellt werden. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden.

(3) Die Entscheidungsgründe enthalten eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht.

weitere Fundstellen einblendenweitere Fundstellen ...

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens vom 08. Juli 2009 - 4 Ca 602/08 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für Monat April 2008 608,07 € brutto zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Mai 2008 1.263,36 € brutto zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Von den Kosten 1. Instanz hat der Kläger 1/10 und der Beklagte 9/10 zu tragen, von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger ebenfalls 1/10, der Beklagte 9/10 zu tragen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Monate April und Mai 2008.

2

Der am … 1972 geborene Kläger war seit dem 18.04.2006 beim Beklagten im Dachdeckergewerbe beschäftigt. Er erzielte ein Arbeitseinkommen in Höhe von 13,16 € brutto pro Stunde bei einem 8- Stunden-Tag und 5 Tagen/Woche.

3

In der Zeit vom 30.12.2007 bis einschließlich 13.01.2008 war der Kläger aufgrund eines Unfalls, bei dem er sich eine Kniedistorsion rechts zuzog, arbeitsunfähig. Vom 29.03.2008 bis 20.04.2008 war der Kläger arbeitsunfähig aufgrund einer erlittenen Platzwunde am Kopf/Gehirnerschütterung.

4

Am 21.04.2008 wurde der Kläger gegen 17:00 Uhr am Knie operiert, er erschien an diesem Tag nicht zur Arbeit. Der Kläger legte dem Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 21.04.2008 bis zum 15.05.2008 vor.

5

Der Beklagte erteilte zunächst unter dem 15.05.2008 dem Kläger die Verdienstabrechnung 04/2008. Wegen des Inhalts wird auf die entsprechende Anlage zur Klageschrift (Bl. 7 d. A.) Bezug genommen. Sodann erteilte der Beklagte am 06.08.2008 eine Korrekturabrechnung 04/2008 sowie eine Differenzabrechnung 04/2008. Auf diese Anlagen zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 29.09.2008 (Bl. 16 ff. d. A.) wird Bezug genommen.

6

Mit Schreiben vom 09.07.2008 forderte der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigten den Beklagten zur Zahlung von Lohnfortzahlung für den Zeitraum vom 21.04.2008 bis zum 17.05.2008 auf.

7

Aufgrund der Korrekturabrechnungen wurden an den Kläger weitere 234,17 € brutto gezahlt.

8

Seinen Anspruch auf Lohnfortzahlung verfolgt der Kläger mit der am 12.09.2008 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - eingegangenen Klage weiter. Der Kläger hat vorgetragen, er sei zwischen der Arbeitsunfähigkeit in der Zeit bis zum 20.04.2008 aufgrund der Gehirnerschütterung und der OP am 21.04.2008 gesundet gewesen. Die Krankheit aufgrund der Platzwunde/Gehirnerschütterung sei mit Ablauf des 20.04.2008 abgeheilt gewesen. Am 21.04.2008 habe er lediglich aufgrund einiger Voruntersuchungen an diesem Tag seine Arbeit nicht aufnehmen können. Er hätte am 21.04.2008 um 08:00 Uhr zur Arbeit erscheinen müssen. Die Voruntersuchungen hätten am gleichen Tag um 09:00 Uhr begonnen.

9

Für April 2008 errechne sich ein Entgeltfortzahlungsanspruch für 8 Arbeitstage in Höhe von 842,24 € brutto, für Mai 2008 in Höhe von 1.263,36 € brutto für insgesamt 12 Arbeitstage.

10

Der Kläger hat die ihm behandelnden Ärzte Dr. H. B. und Dr. F. von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden.

11

Er hat erstinstanzlich beantragt,

12

1. die Beklagte zu verurteilen, für den Monat April 842,24 EUR brutto zu zahlen und

13

2. für den Monat Mai 2008 1.263,36 EUR brutto zu zahlen.

14

Der Beklagte hat beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Der Beklagte hat vorgetragen,

17

zwischen der Erkrankung des Klägers vom 29.03.2008 bis zum 20.04.2008 und der wieder aufgetretenen Arbeitsunfähigkeit ab dem 21.04.2008 habe auch nicht für 1 Stunde Arbeitsfähigkeit des Klägers bestanden. Der Entgeltfortzahlungsanspruch des Klägers ende damit mit dem 24.04.2008. Die im Krankenhaus durchgeführten Untersuchungen hätten in direkten Zusammenhang zu der Erkrankung bestanden, auf Grund der die Arbeitsunfähigkeit ab dem 21.04.2008 bestanden habe. Er sei bereits um 09:00 Uhr stationär in die L.-Klinik in K. aufgenommen worden. Dies sei aufgrund eines regelwidrigen Körperzustandes, nämlich der Kniedistorsion mit Kreuzband rechts, der der Operation bedurft hätte, erfolgt.

18

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze und den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 08.07.2009 - 4 Ca 602/08 - Bl. 84 ff. d. A. Bezug genommen.

19

Das erstinstanzliche Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung schriftlicher Aussagen der Zeugen Dr. F. und Dr. B. sowie deren mündliche Zeugenvernehmung. Wegen des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme wird auf das Schreiben des Dr. F. vom 12.02.2009 (Bl. 41 d. A.), das Schreiben des Dr. B. vom 09.03.2009 (Bl. 45 d. A.), das Schreiben des Dr. F. vom 18.03.2009 (Bl. 48 d. A.) und das Schreiben des Dr. B. vom 09.04.2009 (Bl. 53 d. A.) sowie das Protokoll der öffentlichen Sitzungen vom 06.05.2009 (Bl. 59 ff. d. A.) sowie vom 08.07.2009 (Bl. 71 ff. d. A.) Bezug genommen.

20

Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht den Beklagten verurteilt, an den Kläger 842,24 € brutto und 1.263,26 € brutto zu zahlen.

21

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, aufgrund des unstreitigen Sachverhaltes des Ergebnisses der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Beklagte die Entgeltfortzahlung in dem vom Kläger beantragten Umfang, die der Höhe nach nicht bestritten sei, schulde. Zwar ginge der Beklagte zu Recht davon aus, dass eine Entgeltfortzahlung nur dann geschuldet werde, wenn zwei selbständige Verhinderungsfälle vorlägen. Diese lägen nur vor, wenn der Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheiten tatsächlich arbeite oder wenn er zwischen den beiden Krankheiten zwar arbeitsfähig sei, tatsächlich aber nicht hätte arbeiten können, weil er nur innerhalb weniger außerhalb der Arbeitszeit liegender Stunden arbeitsfähig gewesen sei. Nur für den Fall, dass zwischen zwei Zeiträumen der Arbeitsunfähigkeit eine Arbeitsfähigkeit folglich wieder hergestellt gewesen sei, die nicht zwingend mit einer Arbeitsleistung einhergehen müsse, sei die weitere Entgeltfortzahlung bis zum Erreichen der 42 Krankheitstage geschuldet. Der Zeuge F., der die Operation am 21.04.2008 durchgeführt habe, habe überzeugend begründet, dass der Kläger am 21.04.2008 arbeitsfähig gewesen sei. Zwar wisse er nicht, was der Kläger von Beruf sei. Der Kläger hätte jedoch die ihm als Dachdecker zugewiesenen Arbeiten vor der Operation ohne weiteres ausüben können. Somit sei davon auszugehen, dass die Voraussetzungen von zwei selbständigen Verhinderungsfällen vorlägen.

22

Das genannte Urteil ist dem Beklagten am 05.08.2009 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am 02.09.2009 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz vom 31.08.2009 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 04.11.2009 (Bl. 114 ff. d. A.), eingegangen innerhalb der durch Beschluss vom 05.10.2009 bis zum 05.11.2009 verlängerten Berufungsbegründungfrist, begründet.

23

Zur Begründung seiner Berufung macht der Beklagte nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie des Schriftsatzes vom 02.03.2010 (Bl. 131 ff. d. A.), auf die jeweils ergänzend Bezug genommen wird, zusammengefasst geltend,

24

der Kläger habe bereits beim Abgeben der am 11.04.2008 festgestellten Folgebescheinigung wegen der Gehirnerschütterung, die ihm eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 20.04.2008 attestiert habe, ihn davon in Kenntnis gesetzt, dass er danach nicht mehr käme, weil er ja montags, also am 21.04.2008 am Knie operiert werde.

25

Die stationäre Aufnahme in der L.-Klinik schließe eine Arbeitsfähigkeit am gleichen Tag aus. Der Kläger sei bereits vor dem OP-Termin am 21.04.2008 wegen seiner Kniebeschwerden körperlich beeinträchtigt gewesen, so dass er die ihm zugewiesenen Tätigkeiten nicht in vollem Umfang habe durchführen können. Aufgrund der Verletzung sei die Gefahr gegeben gewesen, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers verschlimmere, wenn er seine Tätigkeit als Dachdecker nachgehe. Diese Tätigkeit umfasse das sichere Besteigen von Leitern bis 10 Meter, das Begehen, Arbeiten und Tragen von Lasten auf Dächern, welche üblicherweise geneigt seien. Die erforderliche Trittsicherheit sei bei dem Kläger aufgrund der Knieverletzung nicht mehr gegeben gewesen. Vor der Gehirnerschütterung sei der Kläger täglich humpelnd mit bandagiertem Knie auf der Arbeit erschienen. Er - der Beklagte - habe den Arbeitsablauf so organisiert, dass er nicht ständig Leitern auf- und absteigen habe müssen, sondern einmal auf dem Dach angekommen, dort seine Tätigkeit soweit ihm möglich, habe verrichten können. Andere Arbeitnehmer hätten daher öfter auf- und absteigen müssen. Er habe darauf geachtet, dass der Kläger nicht die 10 Meter hohen Dächer mit der Leiter habe besteigen brauchen, sondern die mit einer geringeren Höhe. Die Feststellung der Notwendigkeit der Operation am Knie sei, wie von Dr. F. am 18.03.2009 ausgeführt, am 10.04.2008 festgestellt worden. An diesem Tag sei auch die OP-Planung vorgenommen worden.

26

Die Aussage des Zeugen Dr. F., der Kläger sei am 21.04.2008 arbeitsfähig gewesen, spiegele sich nicht in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 21.04.2008 wieder. Der Zeuge B. habe in seiner Stellungnahme vom 09.03.2009 ausgeführt, dass zwischen dem 20.04.2008 und dem 21.04.2008 keine Arbeitsfähigkeit eingetreten sei. Gleichzeitig habe dieser Zeuge jedoch erklärt, dass bereits am 25.03.2008, am 07.04.2008 sowie am 14.04.2008 Voruntersuchungen zur Kreuzband-OP am 21.04.2008 durchgeführt worden seien (MRT, Vorstellung beim Orthopäden Dr. M. sowie bei Dr. F.). Diese Voruntersuchungen seien durch den Zeugen Dr. B. veranlasst worden. Die Aussage des Zeugen Dr. B. stimme nicht, soweit er ausführe, dass er den Kläger nicht behandelt habe, sondern lediglich die Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Meldung der Fachärzte als Hausarzt geschrieben habe. Auffällig sei auch, dass der Kläger, nachdem er am 10.04.2008 von seinem auf den 21.04.2008 festgelegten OP-Termin erfahren habe, bereits am nächsten Tag (11.04.2008) beim Zeugen Dr. B. vorstellig gewesen sei, der ihm eine weitere Arbeitsunfähigkeit bis zum 20.04.2008 attestiert habe, obwohl die ihm von ihm am 07.04.2008 attestierte Arbeitsunfähigkeit lediglich bis zum 13.04.2008 angenommen worden sei. Bei Abgabe der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 11.04.2008 habe der Kläger erklärt, dass er nach dem 20.04.2008 nicht mehr käme, da er ja am 21.04.2008 operiert werde. Der Kläger sei vor der Operation am 21.04.2008 nicht arbeitsfähig gewesen. Wenn Arbeitsfähigkeit bestanden hätte, wäre er nicht operiert worden. Während bestehender Arbeitsunfähigkeit sei eine neue Krankheit zugetreten, die ebenfalls zur Arbeitsunfähigkeit geführt habe.

27

Außerdem habe das Erstgericht in seinem Urteil vom 08.07.2009 nicht berücksichtigt, dass die Entgeltzahlungen bis zum 24.04.2008 geleistet worden seien und deshalb der Klage habe nicht in vollem Umfang stattgegeben werden können.

28

Der Beklagte beantragt,

29

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 08.07.2009 - 4 Ca 602/08 - die Klage zurückzuweisen.

30

Der Kläger beantragt,

31

die Berufung zurückzuweisen.

32

Er trägt vor, aufgrund der Aussage des sachverständigen Zeugen Dr. F. sei erwiesen, dass er vor der OP und damit bei Eintritt der weiteren Arbeitsunfähigkeit arbeitsfähig gewesen sei und hätte wieder arbeiten können. Ein Widerspruch der Aussage des Zeugen Dr. F. zur schriftlichen Aussage im Schreiben vom 18.05.2009 liege nicht vor.

33

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

34

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, das Rechtsmittel ist an sich statthaft. Die Berufung wurde auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

35

Sie hat in der Sache jedoch nur teilweise Erfolg.

36

Der Kläger hat gegen den Beklagten Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit bis zum 17.05.2008. Das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - war jedoch insoweit abzuändern, als der Beklagte an den Kläger aufgrund der Korrekturabrechnung und der Differenzabrechnung für den Monat April 2008 unstreitig weitere 234,17 € brutto an den Kläger geleistet hat.

37

Der Kläger hat gegen den Beklagten Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß § 3 Abs. 1 EFZG für den Zeitraum bis zum 17.05.2008. Der Anspruch des Klägers auf Entgeltfortzahlung ist im vorliegenden Fall nicht auf die Dauer von 6 Wochen seit Beginn der Erkrankung aufgrund der Gehirnerschütterung am 29.03.2008 begrenzt.

38

Aufgrund der vom Kläger vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen steht fest, dass der Kläger in der Zeit bis zum 17.05.2008 arbeitsunfähig war. Bis zu diesem Zeitpunkt wird der 6-Wochen-Zeitraum des § 3 Abs. 1 EFZG nicht überschritten.

39

Zwar ist der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung auch dann auf die Dauer von 6 Wochen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit begrenzt, wenn während bestehender Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die ebenfalls zur Arbeitsunfähigkeit führt. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer bei entsprechender Dauer der durch beide Erkrankungen verursachten Arbeitsverhinderung die 6-Wochen-Frist nur einmal in Anspruch nehmen (Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalles). Eine weitere Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall kann der Arbeitnehmer nur fordern, wenn die erste Arbeitsverhinderung bereits in dem Zeitpunkt beendet war, in dem eine weitere Erkrankung zu einer neuen Arbeitsverhinderung führt (vgl. BAG, Urteil vom 02.12.1981 - 5 AZR 89/80 - AP Nr. 48 zu § 1 LohnFG vom 12.09.1967 - 1 AZR 367/66 - AP Nr. 27 zu § 133 c GewO; LAG Hamm, Urteil vom 09.01.2001 - 11 Sa 889/00 - zitiert nach juris). Zwei selbständige Verhinderungsfälle liegen nur vor, wenn der Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheiten tatsächlich arbeitet oder wenn er zwischen den beiden Krankheiten zwar arbeitsfähig war, tatsächlich aber nicht arbeiten konnte, weil er nur wenige außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden arbeitsfähig war (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.06.2007 - 2 Sa 109/07 - zitiert nach juris Rd-Nr. 30). Es kommt nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer nach seiner Gesundung , also nach Beendigung des Verhinderungsfalles, die Arbeit tatsächlich wieder aufgenommen hatte oder nicht. Für diese Abgrenzung sprechen nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 02.12.1981 - 5 AZR 89/80 - AP Nr. 48 zu § 1 LohnFG) gute Gründe. Falls der erste Verhinderungsfall abgeschlossen war, ist die neue Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung ein neues Unglück, das nur zufällig in einem nahen zeitlichen Zusammenhang mit der soeben beendeten Arbeitsunfähigkeit eintritt. Hierfür spricht auch der Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen, der nicht auf eine Krankheit abstellt, sondern auf eine Arbeitsunfähigkeit. Nur für den Fall, dass zwischen zwei Zeiträumen der Arbeitsunfähigkeit eine Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt war, die nicht zwingend mit einer Arbeitsleistung einhergehen muss, kommt es auf die Ursachen der Arbeitsunfähigkeit, also auf die zugrundeliegenden Krankheiten an (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.06.2007 - 2 Sa 109/07 - zitiert nach juris Rdnr. 32).

40

Dabei entscheidet über die Dauer der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit und damit über das Ende des Verhinderungsfalles grundsätzlich der Arzt. Enthält die ärztliche Bescheinigung nur die Angabe eines Kalendertages, wird in der Regel die Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende der vom erkrankten Arbeitnehmer üblicherweise an diesem Kalendertag zu leistenden Arbeitsschichten bescheinigt (BAG, Urteil vom 02.12.1981 - 5 AZR 89/80 -). Die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit lässt sich nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts sinnvoll nur auslegen, wenn die tatsächlichen Verhältnisse genügend berücksichtigt werden. Die abhängige Arbeit ist in aller Regel nur an mehr- oder minder regelmäßig bestimmten Teilen eines Kalendertages zu leisten. Dies kann bei der Frage, wann eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit endet, nicht außer Acht gelassen werden. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist die Arbeitsschicht die maßgebende Zeiteinheit. Es muss also für die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt die Arbeitsunfähigkeit andauerte, statt auf das Ende des Kalendertages auf den Zeitpunkt abgestellt werden, zu dem die Schicht endet. Nur bis zu diesem Zeitpunkt hat die Arbeitsunfähigkeit rechtliche Bedeutung. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze endete die Arbeitsunfähigkeit des Klägers am Sonntag, den 20.04.2008. Die Arbeitsunfähigkeit am 21.04.2008 begann erst mit der Operation, frühestens jedoch mit der stationären Aufnahme in die L.-Klinik. Zwischen diesen zwei Zeitpunkten lagen mehrere Stunden, in denen der Kläger arbeitsfähig war. Die beiden Krankheiten haben sich nicht überlappt. Dies hat der Zeuge Dr. F. in seiner erstinstanzlichen Zeugenaussage angegeben, in dem er ausgeführt hat, dass der Kläger definitiv bis zu dem Zeitpunkt der Operation arbeitsfähig gewesen sei.

41

Der Kläger war auch nicht durchgehend bereits aufgrund der Kniedistorsion rechts arbeitsunfähig. Die erste Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgrund der Kniedistorsion rechts bestand bis zum 13.01.2008. Danach hat der Kläger, bis zu dem Zeitpunkt, in dem er die Platzwunde erlitt, seine Arbeitsleistung erbracht. Dabei kann letztendlich dahingestellt bleiben, ob der Kläger in diesem Zeitpunkt in vollem Umfang arbeitsfähig war. Eine begrenzte Arbeitsunfähigkeit (Teilarbeitsunfähigkeit) ist dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer die vertraglich geschuldete Leistung nur noch teilweise in einem zeitlich verringerten Ausmaß, zu anderen Tageszeiten oder nur beschränkt auf bestimmte Tätigkeiten erbringen kann. Auch ein derart vermindert Arbeitsfähiger ist arbeitsunfähig krank im Sinne des Entgeltfortzahlungsrechts, weil er seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht voll erfüllen kann. Der teilarbeitsunfähige Arbeitnehmer wird allerdings wieder dann arbeitsfähig, wenn die Arbeitsvertragparteien die von ihm an sich vertraglich geschuldete Arbeitsleistung einvernehmlich vorübergehend auf die Tätigkeit beschränken, die der Kläger ihrer Art nach und/oder ihrem zeitlichen Umfang nach trotz seiner Erkrankung verrichten kann, ohne den Heilungsprozess zu beeinträchtigen. Dies haben die Parteien nach dem Vortrag des Beklagten in der Zeit ab dem 14.01.2008 getan, so dass davon auszugehen ist, dass der Kläger ab diesem Zeitpunkt im Hinblick auf die Kniedistorsion nicht mehr arbeitsunfähig war.

42

Der Kläger wurde auch nicht aufgrund der durchgeführten Voruntersuchungen zur Knieoperation am 25.03.2008, am 07.04.2008 sowie am 14.04.2008 arbeitsunfähig. Die durchgeführten Untersuchungen selbst (MRT, Vorstellung beim Orthopäden sowie beim Operationsarzt) führen an sich nicht zur Arbeitsunfähigkeit. Der Beklagte hat auch nicht vorgetragen, dass sich die Beschwerden des Klägers so verschlechtert hätten, dass er im Gegensatz zum Zeitraum vom 14.01.2008 bis zum 28.03.2008 seine Arbeitsleistung nunmehr hätte überhaupt nicht mehr erbringen können. Darüber hinaus ergibt sich aus der erstinstanzlichen Zeugenaussage des Dr. F., dass der Kläger nach dessen Auffassung am Morgen des 21.04.2008 durchaus in der Lage gewesen wäre, ein Dach zu besteigen und dort Arbeiten zu verrichten. Der Zeuge hat insoweit wörtlich ausgeführt: "Nach meinem Dafürhalten und nach meiner Doktion war der Kläger in dem Augenblick, wo die Operation erfolgt ist, arbeitsunfähig, ansonsten war er definitiv am 21.04.2008 bis zu diesem Zeitpunkt arbeitsfähig. Ich weiß nicht, was der Kläger von Beruf ist bzw. was er gearbeitet hat, der Kläger hätte die ihm als Dachdecker zugewiesenen Arbeiten vor der Operation am 21.04.2008 ohne weiteres machen können. Jedenfalls wäre dies nicht ausgeschlossen. Nach meinem Dafürhalten hätte der Kläger theoretisch am 21.04.2008, vor der Operation ein Dach begehen können". Der Zeuge hat den Kläger am 21.04.2008 behandelt, und operiert. Er konnte daher eine fundierte Aussage zum allgemeinen Gesundheitszustand des Klägers an diesem Tag und insbesondere auch zum Zustand der Knieverletzung des Klägers machen. Bedenken an der Glaubhaftigkeit dieser Zeugenaussage bestehen nicht. Der Zeuge ist in den Rechtsstreit nicht involviert. Als operierenden Arzt verbindet ihn auch - anders als möglicherweise ein langjährigen Hausarzt - kein besonderes Näheverhältnis mit dem Kläger. Auch hat der Zeuge zunächst eingeräumt, dass er den Beruf des Klägers nicht kennt. Er hat seine Aussage sodann im Hinblick auf die Berufstätigkeit des Klägers als Dachdecker spezifiziert. Die mündliche Zeugenaussage des Dr. F. entspricht auch seiner schriftlichen Stellungnahme an das Gericht vom 18.03.2009, in der er ebenfalls ausgeführt hat, dass, da die Operation erst am späten Nachmittag durchgeführt worden sei, der Kläger am 21.04.2008 noch die Frühschicht hätte arbeiten können. Dem stehen auch nicht die Aussagen des Zeugen Dr. B. entgegen. Zwar hat der Zeuge Dr. B. im Schreiben an das Gericht vom 09.03.2009 zunächst ausgeführt, zwischen dem 20. und 21.04.2008 sei keine Arbeitsfähigkeit eingetreten. Dies hat er jedoch durch Schreiben an das Gericht vom 09.04.2009 dahingehend korrigiert, dass der Kläger am Vormittag des 21.04.2008 arbeitsfähig gewesen sei. In seiner mündlichen Zeugenaussage hat er darauf hingewiesen, das Dr. F. ihm auf Rückfrage mitgeteilt habe, dass theoretisch zwischen dem 20. und 21.04.2008 Arbeitsfähigkeit vorgelegen habe.

43

Auch aus dem von dem Beklagten behaupteten Vortrag, dass der Kläger bereits beim Abgeben der am 11.04.2008 festgestellten Folgebescheinigung wegen Gehirnerschütterung, die ihm eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 20.04.2008 attestierte, den Beklagten ihn davon in Kenntnis gesetzt habe, dass er danach nicht mehr käme, weil er ja montags also am 21.04.2008 am Knie operiert werde, folgt nicht, dass der Kläger zwischen den beiden Verhinderungsfällen nicht mehr arbeitsfähig gewesen ist. Da es zur Verneinung eines einheitlichen Verhinderungsfalls ausreicht, wenn der Kläger auch nur wenige Stunden, die in der arbeitsfreien Zeit liegen können, arbeitsfähig war, lässt sich der Aussage des Zeugen nicht entnehmen, dass er von einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit ausgegangen ist. Ebenso wenig lässt sich daraus, dass der Kläger am Tag nach der Planung der OP seinen Hausarzt aufgesucht haben soll, der sodann die Arbeitsunfähigkeit wegen der Gehirnerschütterung bis zum Vortag der Operation verlängert hat, entnehmen, dass der Kläger vor der OP nicht mehr arbeitsfähig geworden ist.

44

Der Kläger hat, da kein einheitlicher Verhinderungsfall vorliegt, Anspruch auf Entgeltfortzahlung bis zum 17.05.2008. Von dem eingeklagten Betrag für den Monat April in Höhe von 842,24 € brutto waren die unstreitig vom Beklagten für den Zeitraum vom 21. bis 24.04.2008 gezahlten 234,17 € brutto in Abzug zu bringen. Eines weiteren Abzugs für den Operationstag am 21.04.2008 wegen unentschuldigten Fehlens des Klägers bedurfte es bereits deshalb nicht, da der Beklagte das Entgelt für diesen Tag unstreitig gezahlt hat.

45

Für den Monat Mai 2008 hat der Kläger Anspruch auf Zahlung in Höhe von 1.263,36 € brutto.

46

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 92 Abs. 1 ZPO. Ein Revisionszulassungsgrund im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG besteht nicht.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 27. April 2012 - 8 Sa 1460/11 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlungsansprüche für die Dauer einer Vorsorgekur nach § 24 SGB V.

2

Der Kläger war als Omnibusfahrer bei der Beklagten tätig. Die Busfahrer werden dort im Schichtdienst zwischen 04:00 Uhr morgens und 02:00 Uhr des Folgetags eingesetzt.

3

Im April 2010 beantragte der Kläger eine sog. Mutter-Vater-Kind-Kur nach § 24 SGB V, die ihm mit Schreiben seiner Krankenkasse vom 26. Mai 2010 für die Zeit vom 27. Juli bis zum 17. August 2010 bewilligt wurde.

4

Am 4. Juni 2010 wurde der Kläger wegen des Verdachts auf einen Herzinfarkt in ein Krankenhaus eingeliefert und war im Anschluss hieran wegen einer „hypertensiven Herzkrankheit“ bis zum 26. Juli 2010 arbeitsunfähig erkrankt. In diesem Zeitraum leistete die Beklagte für die Dauer von sechs Wochen Entgeltfortzahlung. Für die Zeit der sich anschließenden Vorsorgekur erbrachte die Beklagte keine weiteren Zahlungen. Die Krankenkasse des Klägers teilte der Beklagten mit Schreiben vom 18. August 2010 mit, die Vorsorgekur habe in keinem ursächlichen Zusammenhang mit einer Vorerkrankung gestanden.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe für die Zeit der Vorsorgekur vom 27. Juli bis zum 17. August 2010 Entgeltfortzahlung zu leisten. Diese Maßnahme stehe in keinem Zusammenhang zu seiner vorangegangenen Herzerkrankung. Es liege auch kein einheitlicher Versicherungsfall vor, weil sich die Vorsorgekur nicht zeitlich unmittelbar an die Zeit der Arbeitsunfähigkeit angeschlossen habe. Zwar sei das Landesarbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Arbeitsunfähigkeit infolge der Herzkrankheit erst am 27. Juli 2010 um 02:00 Uhr morgens geendet habe. Die Vorsorgekur habe aber nicht am 27. Juli 2010 um 00:00 Uhr begonnen, sondern erst mit der frühestmöglichen Arbeitsaufnahme im Liniendienst um 04:00 Uhr morgens. Damit hätten jedenfalls zwei Stunden zwischen den beiden Verhinderungsfällen gelegen.

6

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.399,04 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und gemeint, beide Verhinderungsfälle bildeten eine Einheit. Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch sei deshalb nicht entstanden. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass beide Verhinderungsfälle auf demselben Grundleiden beruhten.

8

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Zahlungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden. Der Senat kann in der Sache mangels entsprechender Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Die Revision führt daher zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Anspruch des Klägers auf Entgeltfortzahlung für die Zeit der Vorsorgekur kann sich aus § 9 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 3 Abs. 1 EFZG ergeben. Dem steht entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht die Rechtsprechung zur sog. Einheit des Verhinderungsfalls entgegen. Diese findet auf das Verhältnis zwischen einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation und einer Arbeitsunfähigkeit aufgrund Erkrankung keine Anwendung (zu I). Es steht aber noch nicht fest, ob die Arbeitsunfähigkeit und die Bewilligung der Vorsorgekur auf demselben Grundleiden beruhten und deshalb der Entgeltfortzahlungsanspruch gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG ausgeschlossen ist (zu II).

10

I. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG gelten die Vorschriften der §§ 3 bis 4a und 6 bis 8 EFZG entsprechend für die Arbeitsverhinderung infolge einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation, die ein Träger der gesetzlichen Renten-, Kranken- oder Unfallversicherung, eine Verwaltungsbehörde der Kriegsopferversorgung oder ein sonstiger Sozialleistungsträger bewilligt hat und die in einer Einrichtung der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation durchgeführt wird.

11

1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG liegen vor. Dem Kläger wurde mit Schreiben seiner Krankenkasse vom 26. Mai 2010 für die Zeit vom 27. Juli bis zum 17. August 2010 eine Mutter-Vater-Kind-Kur nach § 24 SGB V bewilligt; hierdurch war er an der Erbringung seiner Arbeitsleistung gehindert.

12

2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kommt in diesem Fall ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung auch dann in Betracht, wenn eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation iSd. § 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG mit einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG zusammentrifft. Der für die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls findet insoweit keine Anwendung.

13

a) Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, ist der Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG auf die Dauer von sechs Wochen begrenzt. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch dann, wenn während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die zu einer weiteren Arbeitsunfähigkeit führt. Der Arbeitnehmer kann auch in diesem Fall die Sechswochenfrist nur einmal in Anspruch nehmen (Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls). Eine weitere Vergütungsfortzahlung kann er nur dann verlangen, wenn die erste Arbeitsunfähigkeit bereits in dem Zeitpunkt beendet war, in welchem eine weitere Erkrankung zu einer neuen Arbeitsunfähigkeit führt (BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 389/04 - zu I 4 der Gründe, BAGE 115, 206).

14

aa) Den Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls hat das Bundesarbeitsgericht zunächst für Gehaltsansprüche der technischen Angestellten während einer Erkrankung nach § 133c GewO aF entwickelt(BAG 12. September 1967 - 1 AZR 367/66 - BAGE 20, 90). Zur Begründung hat es ausgeführt, die Regelungen über die Vergütungsfortzahlung bei unverschuldeter Krankheit wichen aus sozialen Gründen von den ansonsten anwendbaren §§ 320 ff. BGB ab und strebten einen billigen Ausgleich zwischen den Belangen des Arbeitnehmers einerseits und denen des Arbeitgebers andererseits an. Dem - nach der damaligen Begrifflichkeit - durch ein „unverschuldetes Unglück“ an der Dienstleistung verhinderten Arbeitnehmer stehe deshalb ein Anspruch auf Vergütungsfortzahlung nur für die Dauer von sechs Wochen zu. Dies gelte selbst dann, wenn innerhalb dieses Zeitraums während der noch bestehenden Arbeitsunfähigkeit den Arbeitnehmer ein neues Unglück treffe, das seinerseits zu einer Arbeitsverhinderung geführt hätte, wenn eine solche nicht bereits aufgrund des früheren Unglücks eingetreten wäre. Ein solches neues Unglück mit der Wirkung einer Arbeitsverhinderung könne zwar je nach seinem Eintritt dazu führen, dass der Sechswochenzeitraum noch ausgeschöpft werde, wenn die Arbeitsverhinderung infolge des ersten Unglücks schon früher geendet hätte. Die Interessenabwägung zwischen der Lage des Arbeitnehmers und der des Arbeitgebers, die im Hinblick auf die Bindungen aus dem Arbeitsverhältnis dem Arbeitnehmer aus sozialen Gründen seinen Anspruch gebe, müsse jedoch auch die Belange des Arbeitgebers berücksichtigen, die auf die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers gingen. Deshalb sei nicht das Unglück allein als solches, sondern die hierdurch ausgelöste Arbeitsverhinderung für die Sechswochenfrist maßgeblich. Ein Arbeitnehmer, der während noch andauernder Arbeitsverhinderung von einem neuen Unglück betroffen werde, werde nicht erst durch dieses neue Unglück an seiner Dienstleistung verhindert, wenn er bereits aufgrund des früheren Unglücks verhindert gewesen sei. In einem solchen Fall handele es sich vielmehr um eine Fortdauer der bereits bestehenden Arbeitsverhinderung, weshalb die Vergütungsfortzahlung insgesamt auf sechs Wochen begrenzt sei (BAG 12. September 1967 - 1 AZR 367/66 - BAGE 20, 90, 92 ff.).

15

bb) Nach dem Inkrafttreten des Lohnfortzahlungsgesetzes zum 1. Januar 1970 ist dieser Grundsatz mit der Begründung einheitlich auf Arbeiter und Angestellte angewandt worden, alle Regelungen über die Lohn- oder Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall stellten auf die Arbeitsverhinderung und nicht auf die Krankheit ab (BAG 2. Dezember 1981 - 5 AZR 89/80 - zu II 1 der Gründe, BAGE 37, 172). Aus § 1 Abs. 1 Satz 2 LFZG ergebe sich nichts anderes. Zwar knüpfe diese Vorschrift im Fall einer Wiederholungserkrankung an die Erkrankung selbst an; diese Regelung sei jedoch eine Ausnahmevorschrift, die einer unangemessenen und nicht mehr vertretbaren Belastung des Arbeitgebers bei Wiederholungserkrankungen vorbeugen wolle. Durch ein und dieselbe Krankheit des Arbeiters solle der Arbeitgeber nur in den gesetzlich festgelegten Grenzen belastet werden. Für den Fall der Fortsetzungskrankheit enthalte das Lohnfortzahlungsgesetz einen abgewandelten Zumutbarkeitsmaßstab.

16

cc) Durch das am 26. Mai 1994 in Kraft getretene Entgeltfortzahlungsgesetz sollte ein einheitlicher gesetzlicher Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Weiterzahlung des Arbeitsentgelts für einen Zeitraum von bis zu sechs Wochen festgelegt werden, wenn der Arbeitnehmer wegen unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit die vertraglich geschuldete Leistung nicht erbringen kann. Die damalige Regelung des § 2 Abs. 1 EFZG, die im Wesentlichen dem heutigen § 3 Abs. 1 EFZG entspricht, lehnte sich dabei an § 1 Abs. 1 LFZG an und unterschied sich hiervon lediglich durch eine sprachliche Neugestaltung(BT-Drs. 12/5263 S. 12).

17

dd) Ist ein Arbeitnehmer unverschuldet durch Arbeitsunfähigkeit infolge mehrerer nacheinander eintretenden Krankheiten an seiner Arbeitsleistung verhindert, hat er daher unter Zugrundelegung dieser Grundsätze - vorbehaltlich § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG - nur dann einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits in dem Zeitpunkt beendet war, in dem eine weitere Erkrankung zu einer neuen Arbeitsverhinderung führt(BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 389/04 - zu I 4 der Gründe, BAGE 115, 206). Hiervon ist das Bundesarbeitsgericht in der Vergangenheit ausgegangen, wenn der Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheiten tatsächlich gearbeitet hat oder jedenfalls arbeitsfähig war, sei es auch nur für wenige außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden (BAG 12. Juli 1989 - 5 AZR 377/88 - zu II 2 der Gründe mwN). Auf den zufälligen nahen zeitlichen Zusammenhang kam es dabei nicht an (BAG 14. September 1983 - 5 AZR 70/81 - zu 2 a der Gründe, BAGE 43, 291). Maßgeblich für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und damit für das Ende des Verhinderungsfalls ist die Entscheidung des Arztes. Dabei hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, dass dann, wenn die ärztliche Bescheinigung lediglich einen Kalendertag angibt, in der Regel Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende der (betriebs-)üblichen Arbeitszeit des Arbeitnehmers an diesem Kalendertag bescheinigt werde (BAG 12. Juli 1989 - 5 AZR 377/88 - zu III 1 der Gründe mwN). Möglich sei danach aber auch die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende eines (auch arbeitsfreien) Kalendertags oder die Feststellung der Arbeitsfähigkeit zu einem näher bestimmten anderen Zeitpunkt (BAG 14. September 1983 - 5 AZR 70/81 - BAGE 43, 291; 11. Oktober 1966 - 2 AZR 464/65 -).

18

b) Der von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls findet keine Anwendung, wenn eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation iSd. § 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG mit einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG zusammentrifft.

19

aa) Für eine Arbeitsverhinderung, die infolge einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation eintritt, finden gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG die §§ 3 bis 4a und 6 bis 8 EFZG „entsprechend“ Anwendung. Das Gesetz trägt damit dem Umstand Rechnung, dass sich eine Arbeitsverhinderung wegen einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit und eine Arbeitsverhinderung infolge einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation nicht unerheblich unterscheiden (vgl. zu den Unterschieden schon BAG 6. Mai 1965 - 2 AZR 409/64 -).

20

bb) Voraussetzung für die Bewilligung einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation ist gerade nicht das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit. An die Stelle der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit als Anspruchsvoraussetzung für die Entgeltfortzahlung tritt deshalb die Arbeitsverhinderung infolge einer solchen Maßnahme nach Bewilligung durch einen öffentlich-rechtlichen Sozialleistungsträger (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG) oder - soweit keine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Kranken- oder Rentenversicherung besteht - durch eine entsprechende ärztliche Verordnung (§ 9 Abs. 1 Satz 2 EFZG). Eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Krankheit kann zwar den Anlass für die Bewilligung einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme iSd. § 9 Abs. 1 EFZG bilden, dies ist aber keineswegs zwingend. Gerade im Bereich der medizinischen Vorsorge wird dies zumeist nicht der Fall sein. Vielmehr richtet sich die Bewilligung einer solchen Maßnahme nach sozialrechtlichen Kriterien, die von denen der Arbeitsunfähigkeit deutlich zu unterscheiden sind und auch - wie bei einer Mutter-Vater-Kind-Maßnahme nach § 24 Abs. 1, § 23 Abs. 1 SGB V - in der gesundheitlichen Entwicklung Dritter begründet sein können. Weiter ist zu berücksichtigen, dass eine Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit auf schicksalhaften Einflüssen beruht und regelmäßig hinsichtlich des Zeitpunkts ihres Eintretens - abgesehen vom Fall geplanter medizinischer Eingriffe - und ihrer Dauer nicht voraussehbar ist. Demgegenüber setzt eine Arbeitsverhinderung wegen einer Maßnahme nach § 9 Abs. 1 EFZG einen Antrag des Versicherten und eine Bewilligung des Sozialleistungsträgers oder eine ärztliche Verordnung voraus, weshalb die zeitliche Lage und Dauer der Arbeitsverhinderung vor ihrem Beginn feststeht. Eine Anwendung der allgemeinen Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes kommt daher nur insoweit in Betracht, als ihr Besonderheiten der Maßnahmen der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation nicht entgegenstehen.

21

cc) Die zur Begründung der Rechtsprechung zur Einheit des Verhinderungsfalls bei mehreren krankheitsbedingten Arbeitsverhinderungen herangezogenen Erwägungen können auf das Verhältnis zwischen einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit und einer Arbeitsverhinderung infolge einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation nicht übertragen werden. Zwar stellt auch § 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG zur Begründung des Entgeltfortzahlungsanspruchs zunächst auf die Arbeitsverhinderung ab. Diese Arbeitsverhinderung beruht aber regelmäßig gerade nicht auf einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit. Die Billigkeitserwägungen, die maßgeblich zur Begründung der Rechtsprechung der Einheit des Verhinderungsfalls herangezogen wurden, begründen eine derartige Einschränkung der Entgeltfortzahlung in den Fällen des § 9 Abs. 1 EFZG nicht. Hiergegen spricht, dass die Arbeitsverhinderung infolge Krankheit und die infolge einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation typischerweise auf ganz unterschiedlichen Ursachen beruhen und sich in den wirtschaftlichen Folgen für den Arbeitgeber unterscheiden. Insoweit ist von Bedeutung, dass es sich bei den Maßnahmen der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation, anders als bei Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, in der Regel um Einzelmaßnahmen handelt, die einer Bewilligung durch den Sozialleistungsträger bedürfen und weit weniger häufig auftreten als krankheitsbedingte Arbeitsverhinderungen. Die Billigkeitserwägungen, die Anlass für die Rechtsprechung zur Einheit des Verhinderungsfalls bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit waren, kommen deshalb hier nicht zum Tragen. Eine unverhältnismäßige wirtschaftliche Belastung der Arbeitgeber wird durch die in § 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG angeordnete Geltung des § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG verhindert.

22

dd) Soweit der Erste Senat in seiner Entscheidung vom 12. September 1967 (- 1 AZR 367/66 - BAGE 20, 90) unter der Geltung des § 133c GewO aF den Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls in einem Fall angewandt hat, in dem während einer laufenden Schonzeit nach einer Kur eine Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit hinzugetreten ist, kann dahinstehen, ob der Charakter der nach heutigem Recht nicht mehr vorgesehenen Schonzeit eine solche Annahme rechtfertigte. Sollte die Entscheidung so verstanden werden können, dass auch Kurmaßnahmen mit einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit eine Einheit des Verhinderungsfalls bilden können, hält der nunmehr ausschließlich für Fragen der Entgeltfortzahlung zuständige Zehnte Senat daran nicht mehr fest.

23

c) Nach diesen Grundsätzen kommt es für die Begründetheit der Klage auf die vom Landesarbeitsgericht erörterte Frage, welche Schicht der Kläger am 26. Juli 2010 geleistet hätte und ob seine Arbeitsunfähigkeit vor, um oder erst nach 24:00 Uhr endete, ebenso wenig an, wie darauf, wann die Arbeitsverhinderung wegen der Vorsorgekur begann und ob dazwischen ein Zeitraum lag, in dem der Kläger arbeitsfähig war.

24

II. Dem Klagebegehren kann jedoch die gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG anwendbare Einwendung aus § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG entgegenstehen. Ob der Anspruch des Klägers auf Entgeltfortzahlung hiernach ausgeschlossen ist, kann der Senat nicht selbst beurteilen. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu keine Feststellungen getroffen. Es wird daher zu prüfen haben, ob der zur Bewilligung der Vorsorgekur führende Tatbestand nach § 24 Abs. 1, § 23 Abs. 1 SGB V auf demselben Grundleiden wie die Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom 4. Juni bis zum 26. Juli 2010 beruhte (sog. Fortsetzungserkrankung).

25

1. Wird ein Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, verliert er nach § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG wegen der erneuten Arbeitsunfähigkeit den Entgeltfortzahlungsanspruch für einen weiteren Zeitraum von höchstens sechs Wochen nur dann nicht, wenn er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war (Nr. 1) oder seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist (Nr. 2). Vor Ablauf dieser Frist entsteht ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch für die Dauer von sechs Wochen daher nur dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf einer anderen Krankheit beruht.

26

2. Diese, auf einer besonderen Zumutbarkeitserwägung des Gesetzgebers beruhende Regelung, die den Arbeitgeber entlasten soll, gilt auch im Verhältnis einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation nach § 9 Abs. 1 EFZG zu einer vorausgegangenen oder nachfolgenden Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit nach § 3 Abs. 1 EFZG(vgl. zu § 7 Abs. 1 aF LFZG: BAG 18. Januar 1995 - 5 AZR 818/93 - zu 2 der Gründe mwN, BAGE 79, 122; Bericht des Ausschusses für Arbeit zu BT-Drs. 5/4285 S. 3). Die Klammer zwischen beiden bildet dasselbe Grundleiden. Beruhen beide Maßnahmen auf einem gemeinsamen Grundleiden, wird dem Arbeitgeber insgesamt nur eine Entgeltfortzahlungspflicht für die Dauer von sechs Wochen zugemutet. Ist ein solches Grundleiden maßgeblicher Anlass für die Bewilligung einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation (vgl. dazu BAG 26. Februar 1992 - 5 AZR 120/91 - zu 2 der Gründe) und führt es später zu einer Arbeitsunfähigkeit oder umgekehrt, ist die Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG auf sechs Wochen begrenzt, außer der Fortsetzungszusammenhang ist nach Ablauf der Fristen nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 EFZG als gelöst anzusehen(vgl. dazu BAG 18. Januar 1995 - 5 AZR 818/93 - BAGE 79, 122).

27

3. Ist der Arbeitnehmer innerhalb der Zeiträume des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 EFZG länger als sechs Wochen an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert, gilt eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Zunächst muss der Arbeitnehmer - soweit sich aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dazu keine Angaben entnehmen lassen - darlegen, dass keine Fortsetzungserkrankung besteht. Hierzu kann er eine ärztliche Bescheinigung vorlegen. Bestreitet der Arbeitgeber, dass eine neue Erkrankung vorliegt, hat der Arbeitnehmer Tatsachen vorzutragen, die den Schluss erlauben, es habe keine Fortsetzungserkrankung bestanden. Hierzu hat er den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden. Die Folgen der Nichterweislichkeit einer Fortsetzungserkrankung hat der Arbeitgeber zu tragen (BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 389/04 - zu I 6 der Gründe, BAGE 115, 206). Gleiches gilt, wenn eine Arbeitsverhinderung wegen einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation und einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit innerhalb der Zeiträume des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 EFZG zusammentreffen. Auch insoweit ist für den Arbeitgeber regelmäßig mangels Kenntnis von den Ursachen der Arbeitsunfähigkeit und dem Anlass der Bewilligung der Kur nicht erkennbar, ob eine Fortsetzungserkrankung vorliegt. Die Schweigepflichtsentbindung hat sich deshalb auf den Träger der Maßnahme zu erstrecken.

28

4. Dieser Darlegungslast ist der Kläger bisher nicht nachgekommen. Aus den Schreiben seiner Krankenkasse vom 18. August 2010 und vom 6. Mai 2014 lässt sich zwar deren wertende Einschätzung erkennen, dass die stationäre Vorsorgekur „in keinem Zusammenhang mit einer Vorerkrankung“ stehe bzw. „aufgrund einer anderen Erkrankung“ durchgeführt worden sei. Tatsächliche Angaben zu dem Anlass für die Bewilligung der Maßnahme enthalten diese Schreiben aber nicht. Die Beklagte ist deshalb auch nicht in der Lage, diese Wertung der Krankenkasse zu überprüfen (BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 389/04 - zu I 5 der Gründe, BAGE 115, 206). Das Landesarbeitsgericht wird dem Kläger deshalb Gelegenheit geben müssen, nach den oben genannten Grundsätzen näher zu den Ursachen für die Bewilligung der Kur vorzutragen. Sodann obliegt der Nachweis, dass beide Verhinderungsfälle auf einem gemeinsamen Grundleiden beruhen, der Beklagten (BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 389/04 - zu I 6 der Gründe, aaO).

        

    Linck    

        

    W. Reinfelder    

        

    Klose    

        

        

        

    Zielke     

        

    Simon    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. August 2010 - 16 Sa 532/10, 16 Sa 637/10, 16 Sa 1405/10 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Annahmeverzugsvergütung nach unwirksamer Arbeitgeberkündigung sowie Schadensersatz nach § 717 Abs. 2 ZPO.

2

Der 1959 geborene Kläger, Diplom-Kaufmann mit Lehrbefähigung für die Unterrichtsfächer Sport und Wirtschaftslehre, ist seit Oktober 1998 beim beklagten Land als Lehrer beschäftigt. Er unterrichtete zuletzt an der A-Oberschule im Bezirk C (im Folgenden: OSZ Sozialwesen). Zum 1. August 2006 setzte ihn das beklagte Land an das Oberstufenzentrum Bürowirtschaft und Verwaltung im Bezirk St (OSZ St) um, das der Kläger erstmals am 22. oder 24. August 2006 aufsuchte. Dabei wurde er vom dortigen Schulleiter in die Räumlichkeiten und den Aufgabenbereich eingewiesen. Am 23. August 2006 und vom 25. August bis zum 29. September 2006 meldete sich der Kläger arbeitsunfähig krank.

3

Am 25. August 2006 schrieb der Kläger an die zuständige Senatsverwaltung:

        

„Sehr geehrte Damen und Herren,

        

leider habe ich bis heute auf mein Schreiben vom 31. Juli 2006 an das Referat II D keine Antwort(en) erhalten.

        

Aber dies passt wiederum ins Bild. Diese Umsetzung ist ein Akt von Willkür.

        

…       

        

Ich betrachte das OSZ-Sozialwesen weiterhin als meine aktuelle Dienststelle.

        

(Unter Vorbehalt bin ich am OSZ Bürowirtschaft und Verwaltung in St erschienen.)

        

Da ich anscheinend weiter der Willkür von Vorgesetzten ausgeliefert sein soll, widerspreche ich der Umsetzung ans OSZ St ausdrücklich.

        

Sollte die Umsetzung nicht bis 1. September rückgängig gemacht werden, müssen Sie damit rechnen, dass ich mich selbst vor der Willkür von Vorgesetzten schützen werde, indem ich am OSZ St keinen Unterricht mehr erteile und/oder den Vorgang gerichtlich überprüfen lassen werde.

        

Hochachtungsvoll

        

…“    

4

Nach den Herbstferien (2. bis 14. Oktober 2006) erschien der Kläger nicht im OSZ St. Ab dem 26. Oktober 2006 meldete er sich wiederum arbeitsunfähig krank.

5

Am 31. Oktober 2006 reichte der Kläger beim Arbeitsgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Beschäftigung als Lehrer am OSZ Sozialwesen ein, den er in der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2006 zurücknahm. Am 17. November 2006 erhob der Kläger Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der „Versetzung“ an das OSZ St, der das Arbeitsgericht Berlin mit Urteil vom 18. April 2007 - 96 Ca 20973/06 - stattgab. In der Berufungsverhandlung am 2. November 2007 nahm der Kläger nach dem gerichtlichen Hinweis, eine Entscheidung sei kein Präjudiz für einen Kündigungsschutzprozess, auf Vorschlag des Berufungsgerichts (- 13 Sa 1257/07 -) die Klage zurück. Zwischenzeitlich hatte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 6. Februar 2007 wegen Arbeitsverweigerung zum 30. Juni 2007 gekündigt. Die dagegen erhobene, mit einem allgemeinen Weiterbeschäftigungsantrag verbundene Kündigungsschutzklage wies das Arbeitsgericht Berlin mit Urteil vom 12. März 2008 - 60 Ca 3331/07 - ab, das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gab ihr mit Urteil vom 26. November 2008 - 23 Sa 1175/08 - statt. Am 11. Dezember 2009 nahm der Kläger seine Tätigkeit wieder auf.

6

Nach Ausspruch der ordentlichen Kündigung und nach der erstinstanzlichen Entscheidung im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Umsetzung teilte das beklagte Land dem Kläger mit Schreiben vom 9. August 2007 mit:

        

„Sehr geehrter Herr R,

        

aufgrund der Entscheidung des Arbeitsgerichts werden Sie mit Wirkung vom 1. August 2007 vom OSZ Bürowirtschaft und Verwaltung im Bezirk St (Schul-Nr. 2) mit voller Stundenzahl, zurzeit 26 Wochenstunden, an die A-Oberschule im Bezirk C (Schul-Nr. 5) umgesetzt.

        

Bis zur Rechtskraft des Urteils ist dieser Bescheid vorläufig. Ein endgültiger Bescheid wird dann zu gegebener Zeit erlassen.“

7

Mit der vorliegenden, am 19. Juni 2009 eingereichten Klage hat der Kläger Annahmeverzugsvergütung für die Zeit vom 2. Juli 2007 bis zum 10. Dezember 2008 unter Abzug bezogenen Arbeitslosengelds und erhaltener Leistungen nach dem SGB II geltend gemacht und die Auffassung vertreten, das beklagte Land habe sich aufgrund der unwirksamen Kündigung im streitbefangenen Zeitraum im Annahmeverzug befunden, ohne dass es eines Arbeitsangebots bedurft hätte. Mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage habe er zum Ausdruck gebracht, an dem Arbeitsverhältnis festhalten zu wollen und leistungswillig zu sein. Er hat behauptet, ab dem 2. Juli 2007 wieder arbeitsfähig gewesen zu sein.

8

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

1.    

das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 73.931,64 Euro brutto abzüglich 16.894,54 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Differenzbetrag ab dem 2. Juli 2009 zu zahlen;

        

2.    

das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung bis zum 1. Juli 2009 zu zahlen.

9

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, nicht in Annahmeverzug geraten zu sein, weil der Kläger bereits vor Ausspruch der Kündigung nicht willens gewesen sei, die ihm wirksam zugewiesene Tätigkeit am OSZ St zu verrichten.

10

In der Berufungsinstanz hat das beklagte Land widerklagend Schadensersatz wegen der Vollstreckung des erstinstanzlichen Urteils geltend gemacht und beantragt,

        

den Kläger zu verurteilen, an das beklagte Land 53.106,26 Euro zuzüglich weiterer 2.719,04 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

11

Der Kläger hat die Abweisung der Widerklage beantragt.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Ausnahme von Annahmeverzugsvergütung für den Monat Juli 2007 stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Berufung des beklagten Landes die Klage insgesamt abgewiesen sowie der Widerklage stattgegeben. Mit der vom Senat für den Kläger zugelassenen Revision verfolgt dieser seine zuletzt gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des Klägers ist begründet. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann die Klage nicht abgewiesen und der Widerklage nicht stattgegeben werden. Ob und ggf. für welchen Zeitraum der Kläger Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung nach § 615 Satz 1 iVm. § 611 Abs. 1 BGB hat, kann der Senat aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht entscheiden. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

14

I. Dem Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung steht ein fehlendes Angebot des Klägers nicht entgegen. Nach einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung bedarf es zur Begründung des Annahmeverzugs eines Angebots des Arbeitnehmers nicht (st. Rspr., zuletzt BAG 17. November 2011 - 5 AZR 564/10 - Rn. 13, NZA 2012, 260; 27. August 2008 - 5 AZR 16/08 - Rn. 16 mwN, AP BGB § 615 Nr. 124 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 26). Das beklagte Land hat den Kläger auch nicht - insbesondere nicht mit dem Schreiben vom 9. August 2007 - zur Wiederaufnahme der Arbeit unter unmissverständlicher Klarstellung, es habe zu Unrecht gekündigt, aufgefordert (vgl. dazu BAG 24. September 2003 - 5 AZR 500/02 - zu I der Gründe, BAGE 108, 27; 7. November 2002 - 2 AZR 650/00 - zu B I 1 b der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 98 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 1; ErfK/Preis 12. Aufl. § 615 BGB Rn. 67; Schaub/Linck 14. Aufl. § 95 Rn. 60 - jeweils mwN).

15

II. Das beklagte Land hätte sich aber nicht im Annahmeverzug befunden, wenn der Kläger im streitbefangenen Zeitraum nicht leistungsfähig oder leistungswillig war, § 297 BGB.

16

1. Nach dieser Vorschrift kommt der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die Arbeitsleistung zu bewirken. Neben der (tatsächlichen oder rechtlichen) Leistungsfähigkeit umfasst § 297 BGB auch die nicht ausdrücklich genannte Leistungswilligkeit. Dies folgt daraus, dass ein leistungsunwilliger Arbeitnehmer sich selbst außer Stande setzt, die Arbeitsleistung zu bewirken. Die objektive Leistungsfähigkeit und der subjektive Leistungswille sind von dem Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzungen, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen müssen (BAG 17. August 2011 - 5 AZR 251/10 - Rn. 15 mwN, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 34).

17

2. Der Arbeitgeber hat darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außer Stande oder subjektiv nicht bereit war. Dies ergibt sich aus der Fassung des § 297 BGB(BAG 17. August 2011 - 5 AZR 251/10 - Rn. 17 mwN, EzA BGB 2002 § 615 Nr. 34; vgl. auch ErfK/Preis 12. Aufl. § 615 BGB Rn. 109; Schaub/Linck 14. Aufl. § 95 Rn. 54 f.). Wendet der Arbeitgeber die fehlende Leistungsfähigkeit oder den fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers im Annahmeverzugszeitraum ein, reicht es zunächst aus, dass er Indizien vorträgt, aus denen hierauf geschlossen werden kann. Sodann ist es Sache des Arbeitnehmers, die Indizwirkung zu erschüttern. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt die Behauptung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer sei während des Verzugszeitraums leistungsunfähig bzw. leistungsunwillig gewesen, als zugestanden. Andernfalls ist der Arbeitgeber für die die fehlende Leistungsfähigkeit bzw. den fehlenden Leistungswillen begründenden Tatsachen beweispflichtig.

18

3. Nach diesen Grundsätzen gilt vorliegend Folgendes:

19

a) Das beklagte Land hat behauptet, der Kläger sei auch über den Ablauf der Kündigungsfrist am 30. Juni 2007 hinaus weiter arbeitsunfähig und damit leistungsunfähig gewesen. Die Koinzidenz zwischen dem Ablauf der Kündigungsfrist und dem behaupteten Ende der Arbeitsunfähigkeit nach einer mehrmonatigen Erkrankung, deren Beginn in engem zeitlichen Zusammenhang mit der vom Kläger als „Akt der Willkür“ empfundenen Umsetzung stand, reicht zur Begründung der Indizwirkung aus (vgl. allg. zur Indizwirkung von Krankheitszeiten BAG 5. November 2003 - 5 AZR 562/02 - zu I 2 a der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 106 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 2). Weitergehender Vortrag war dem beklagten Land nicht möglich, weil ihm keine Erkenntnisse zur Erkrankung des Klägers vorliegen. Es ist Sache des Klägers, die Indizwirkung im weiteren Berufungsverfahren zu erschüttern. Lässt er sich zu seiner Erkrankung und deren Ausheilung gerade zum Ablauf der Kündigungsfrist - ggf. unter Entbindung der behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht - nicht substantiiert ein, gilt die Behauptung des beklagten Landes, der Kläger sei während des Verzugszeitraums leistungsunfähig gewesen, als zugestanden, § 138 Abs. 3 ZPO.

20

b) Ob der Kläger im Annahmeverzugszeitraum leistungswillig war, hängt davon ab, an welcher Schule er seine Tätigkeit - die Kündigung hinweggedacht - zu erbringen hatte. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Leistungswille des Klägers müsse sich auf eine Tätigkeit am OSZ St beziehen, wird durch die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht hinreichend getragen.

21

aa) Nach § 297 BGB muss der Arbeitnehmer außer Stande sein, „die Leistung zu bewirken“. Für den Annahmeverzug ist damit ein auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit gerichteter Leistungswille erforderlich (vgl. BAG 13. Juli 2005 - 5 AZR 578/04 - zu II 4 b der Gründe, BAGE 115, 216). Ist die geschuldete Arbeitsleistung nur rahmenmäßig umschrieben (hier: „Lehrer“), obliegt es nach § 106 Satz 1 GewO dem Arbeitgeber, den Inhalt der zu leistenden Arbeit näher zu bestimmen(vgl. nur BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - Rn. 14, BAGE 134, 296; ErfK/Preis 12. Aufl. § 106 GewO Rn. 2, 11; Schaub/Linck 14. Aufl. § 95 Rn. 25a). Die durch die wirksame Ausübung des Direktionsrechts näher bestimmte Tätigkeit ist die iSv. § 294 BGB zu bewirkende Arbeitsleistung. Auf sie muss sich der Leistungswille des Arbeitnehmers richten.

22

bb) Ob das beklagte Land mit der Umsetzung des Klägers an das OSZ St zum 1. August 2006 ihr Direktionsrecht wirksam ausgeübt hat, kann der Senat aufgrund fehlender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden.

23

(1) Aus dem Rechtsstreit über die Umsetzung kann dafür nichts hergeleitet werden. Wegen der Klagerücknahme im dortigen Verfahren ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen und das zu Gunsten des Klägers ergangene erstinstanzliche Urteil wirkungslos, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO. Das Landesarbeitsgericht ist zwar nach eigener Prüfung von der Wirksamkeit der Umsetzung an das OSZ St ausgegangen, seine bisherigen Feststellungen tragen diese Annahme jedoch nicht und lassen den Sachvortrag des Klägers dazu außer Betracht. Der unterstützende Hinweis auf das Berufungsurteil im Kündigungsschutzprozess ist schon deshalb unbehelflich, weil die 23. Kammer des Berufungsgerichts lediglich erkannt hat, die Kündigung wäre auch dann sozial ungerechtfertigt, wenn der Kläger „vom Vortrag des beklagten Landes ausgehend“ wirksam umgesetzt worden sei. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb im erneuten Berufungsverfahren der vom Kläger aufgeworfenen Frage nach der Unwirksamkeit der Umsetzung wegen fehlender bzw. fehlerhafter Beteiligung des Personalrats nachzugehen haben. Erweist sich danach die Umsetzung als unwirksam, musste sich der Leistungswille des Klägers (nur) auf die zuvor zugewiesene Tätigkeit am OSZ Sozialwesen richten. Für das Fehlen eines derartigen Leistungswillens hat das beklagte Land keine Indiztatsachen vorgetragen.

24

(2) Entgegen der Auffassung des Klägers ist es allerdings für die Frage des (fehlenden) Leistungswillens unerheblich, ob die Zuweisung der Tätigkeit am OSZ St billigem Ermessen entsprach. Die unbillige Leistungsbestimmung ist nicht nichtig, sondern nur unverbindlich, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB. Entsteht Streit über die Verbindlichkeit, entscheidet nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB das Gericht. Deshalb darf sich der Arbeitnehmer über eine unbillige Ausübung des Direktionsrechts - sofern sie nicht aus anderen Gründen unwirksam ist - nicht hinwegsetzen, sondern muss entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die Gerichte für Arbeitssachen anrufen. Wegen der das Arbeitsverhältnis prägenden Weisungsgebundenheit (vgl. dazu BAG 20. Januar 2010 - 5 AZR 106/09 - Rn. 18 mwN, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 120 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 17) ist der Arbeitnehmer an die durch die Ausübung des Direktionsrechts erfolgte Konkretisierung ua. des Inhalts der Arbeitsleistung vorläufig gebunden, bis durch ein rechtskräftiges Urteil (etwa aufgrund einer Klage auf Beschäftigung mit der früheren Tätigkeit) die Unverbindlichkeit der Leistungsbestimmung feststeht (vgl. zur Gestaltungswirkung des Urteils nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB und der vorläufigen Bindung an die Leistungsbestimmung BAG 16. Dezember 1965 - 5 AZR 304/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 54; 28. Juli 2011 - 3 AZR 859/09 - Rn. 32, AP BetrAVG § 16 Nr. 74 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 60; BGH 4. April 2006 - X ZR 122/05 - Rn. 22, BGHZ 167, 139; MünchKommBGB/Gottwald 5. Aufl. § 315 Rn. 45, 47 ff.; Erman/Hager 13. Aufl. § 315 BGB Rn. 22; Palandt/Grüneberg 71. Aufl. § 315 BGB Rn. 16 f. - jeweils mwN; vgl. zur Verbindlichkeit einer Weisung und der möglichen Verpflichtung des Arbeitgebers, einzelne Weisungen wegen eines Gewissenskonflikts des Arbeitnehmers durch Neuausübung des Direktionsrechts zu verändern, BAG 24. Februar 2011 - 2 AZR 636/09 - Rn. 25, EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 28).

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cc) Stellt das Landesarbeitsgericht im weiteren Berufungsverfahren die Bindung des Klägers an die Zuweisung der Tätigkeit am OSZ St fest, musste sich sein Leistungswille darauf richten. Ein solcher Wille des Klägers ist nach den bisherigen Feststellungen nicht erkennbar.

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(1) Der Kläger hatte mit seinem Schreiben vom 25. August 2006 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er am OSZ St keinen Unterricht erteilen werde, und diese Absicht auch in die Tat umgesetzt. Er ist der Arbeit am OSZ St nach Ende seiner Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 17. bis zum 25. Oktober 2006 unentschuldigt ferngeblieben, bevor er sich erneut krankmeldete. Dieses Verhalten begründet ein ausreichendes Indiz für den fehlenden Leistungswillen.

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(2) Die Erhebung der Kündigungsschutzklage und auch der allgemeine Weiterbeschäftigungsantrag entkräften die Indizwirkung nicht. Der Leistungswille ist eine innere Tatsache. Der vor Ausspruch der Kündigung leistungsunwillige, die Arbeit verweigernde Arbeitnehmer muss deshalb einen wieder gefassten Leistungswillen nach außen gegenüber dem Arbeitgeber kundtun. Dazu reicht ein „Lippenbekenntnis“ nicht aus (vgl. BAG 19. Mai 2004 - 5 AZR 434/03 - zu II 2 b bb der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 108 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 6). Vielmehr ist es regelmäßig erforderlich, den neu gewonnenen Leistungswillen im Rahmen des Zumutbaren durch ein tatsächliches Arbeitsangebot zu dokumentieren.

28

(3) Die Indizwirkung ist auch nicht durch das Schreiben des beklagten Landes vom 9. August 2007 dadurch entfallen, dass sich der Leistungswille des Klägers wieder auf eine Tätigkeit am OSZ Sozialwesen hätte richten dürfen. Die vorläufige (Rück-)Umsetzung an das OSZ Sozialwesen war lediglich der zwischenzeitlich ergangenen erstinstanzlichen Entscheidung im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Umsetzung geschuldet, der das beklagte Land vorläufig nachkommen wollte. Eine Neuausübung des Direktionsrechts mit der Folge, dass die vom Kläger bei Hinwegdenken der Kündigung zu bewirkende Arbeitsleistung neu bestimmt worden wäre und er wieder am OSZ Sozialwesen unterrichten sollte, war damit nicht verbunden. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers findet seine Grundlage und Rechtfertigung im bestehenden Arbeitsvertrag, seine Ausübung setzt einen solchen voraus. Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich, steht ihm mit Ablauf der Kündigungsfrist ein Weisungsrecht nicht mehr zu. Er kann lediglich dem Arbeitnehmer eine Prozessbeschäftigung anbieten, aus deren Rechtsgrundlage ein auf die Prozessbeschäftigung bezogenes Direktionsrecht erwächst. Dass das beklagte Land mit dem Schreiben vom 9. August 2007 dem Kläger eine Prozessbeschäftigung nicht angeboten hat, steht zwischen den Parteien außer Streit.

29

III. Sofern der Kläger Annahmeverzugsvergütung beanspruchen kann, stehen ihm auch für die Zeit bis zum 1. Juli 2009 Verzugszinsen entgegen dem bisherigen Antrag jeweils nur abzüglich der monatlich erhaltenen Sozialleistungen zu (vgl. BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 16 mwN, AP BGB § 310 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10).

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IV. Die Entscheidung über die Widerklage ist abhängig vom Erfolg der Klage.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Reinders    

        

    Ilgenfritz-Donné    

                 

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.

(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.

(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.