Bundesfinanzhof Beschluss, 20. Apr. 2011 - I S 2/11

bei uns veröffentlicht am20.04.2011

Tatbestand

1

I. Der Senat hat die Revision der Klägerin, Revisionsklägerin und Rügeführerin (Klägerin) gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 11. August 2009  6 K 3742/06 K,G (Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 133) durch Urteil vom 13. Oktober 2010 I R 79/09 (BFHE 231, 529) als unbegründet zurückgewiesen. Das Senatsurteil wurde der von der Klägerin mit der Prozessführung im Revisionsverfahren bevollmächtigten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, der X-Aktiengesellschaft, ausweislich des von dieser Gesellschaft an den Bundesfinanzhof (BFH) zurückgesandten Empfangsbekenntnisses am 11. Januar 2011 zugestellt.

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Am 7. Februar 2011 hat Rechtsanwalt Y für die nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen das vorgenannte Senatsurteil Anhörungsrüge gemäß § 133a der Finanzgerichtsordnung (FGO) erhoben. Es seien drei entscheidungserhebliche Aspekte ihres Sachvortrags unberücksichtigt geblieben: Zum ersten sei der Senat im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen für das Vorliegen einer sog. Rücklage für Ersatzbeschaffung (RfE) nach R 35 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR 2001-- (nunmehr R 6.6 EStR 2009) davon ausgegangen, dass weder eine Gewinnaufdeckung aufgrund höherer Gewalt noch ein behördlicher oder hoheitlicher Eingriff in Rede stehe, weil hierüber zwischen den Beteiligten nicht gestritten werde. Darin liege eine Missachtung ihres Sachvortrags; aus diesem werde ersichtlich, dass sie sehr wohl einen behördlichen Eingriff angenommen habe. Der Senat habe --zum zweiten-- weiteren Sachvortrag in willkürlicher Weise unberücksichtigt belassen. Er sei nämlich davon ausgegangen, dass gerade das sog. Squeeze out den Kapitalanlagecharakter der eher fungiblen Minderheitsbeteiligung an einer Kapitalgesellschaft betone. Der Minderheitsgesellschafter müsse dementsprechend jederzeit damit rechnen, einem Zugriffsrecht des Mehrheitsaktionärs ausgesetzt zu sein. Mit dieser Annahme lasse der Senat außer Acht, dass sie --die Klägerin-- bzw. ihre Rechtsvorgängerin bereits seit Jahrzehnten im Besitz der in Rede stehenden Aktien gewesen sei und sie infolgedessen das spätere Risiko eines sog. Squeeze out nicht habe antizipieren können. Schließlich --zum dritten-- habe der Senat in grundrechtswidriger Weise eine Auseinandersetzung mit der Entschädigung von Kommunen in vergleichbaren Zusammenhängen vermissen lassen. An dieser Stelle habe der Senat die Bedeutung einer gleichheitsgerechten Besteuerung verkannt.

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Ihre sonach begründete Anhörungsrüge sei in Einklang mit § 133a Abs. 2 Satz 1 FGO innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs erhoben worden. Zwar sei das Senatsurteil ihr --der Klägerin-- über Rechtsanwalt Wirtschaftsprüfer Steuerberater Z für die frühere Prozessbevollmächtigte bereits am 13. Januar 2011 zugegangen. Sie habe sodann beabsichtigt, gegen das Urteil Verfassungsbeschwerde bei dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) einzulegen, und am 20. Januar 2011 die jetzigen Prozessbevollmächtigten entsprechend beauftragt. Am 24. Januar 2011 habe eine erste Besprechung in dieser Angelegenheit zwischen Rechtsanwalt Wirtschaftsprüfer Steuerberater Z und Rechtsanwalt Y stattgefunden. Es sei abgestimmt worden, dass Rechtsanwalt Y gemeinsam mit einem weiteren Kollegen in den folgenden Tagen die Prozessakte auswerten und eine Verfassungsbeschwerde entwerfen solle. Die Erkenntnis, dass eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gegeben sei, habe Rechtsanwalt Y erst in der Woche vom 24. bis 29. Januar 2011 nach Auswertung der umfangreichen Prozessunterlagen und in Vorbereitung der Verfassungsbeschwerde gewinnen können. Am 31. Januar 2011 habe Rechtsanwalt Y erstmals wieder Kontakt zu der Klägerin aufgenommen und dieser im Anschluss daran --am 3. Februar 2011-- den vorbereiteten Rohentwurf der Verfassungsbeschwerdeschrift übermittelt, in dem ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes ausgeführt werde. Die Klägerin habe also frühestens durch diesen Rohentwurf am 3. Februar 2011 Kenntnis von der Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör erlangt. Allein auf diesen Termin komme es für die Fristberechnung aber an. Die geschilderten Abläufe und deren Richtigkeit haben sowohl der Geschäftsführer der Klägerin als auch Rechtsanwalt Y eidesstattlich versichert.

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Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Rügegegner (das Finanzamt) ist der Rüge sowohl hinsichtlich deren Zulässigkeit als auch deren Begründetheit entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

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II. Die statthafte Anhörungsrüge ist unzulässig. Sie ist nicht innerhalb der in § 133a Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz FGO bestimmten Frist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs erhoben worden.

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1. Nach § 133a Abs. 2 Satz 1 FGO ist die Rüge innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen.

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a) Zur Wahrung der Zweiwochenfrist für die Einlegung und Begründung der Anhörungsrüge kommt es zwar auf den Zeitpunkt der --tatsächlichen, subjektiven-- Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs an, und der Zeitpunkt der Zustellung der (vollständigen) gerichtlichen Entscheidung ist dafür allenfalls der frühestmögliche Zeitpunkt; er ist nicht automatisch mit dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung gleichzusetzen (ebenso z.B. --zur Parallelvorschrift des § 178a des Sozialgerichtsgesetzes-- Bundessozialgericht --BSG--, Beschlüsse vom 28. September 2006  B 3 P 1/06 C, Sozialrecht --SozR-- 4-1500 § 178a Nr. 5; vom 3. August 2005 B 6 KA 22/05 R, juris; ebenso BVerfG-Beschluss vom 4. April 2007  1 BvR 66/07, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2007, 2242; s. auch Rüsken in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 133a FGO Rz 41 ff.). Doch wird der Zeitpunkt der Zustellung im Regelfall gleichwohl mit dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung des vollständigen Urteils zusammenfallen. Jedenfalls muss im Allgemeinen davon ausgegangen werden, dass der betreffende Beteiligte mit der Zustellung auch Kenntnis von der (angeblichen) Gehörsverletzung erlangt (vgl. z.B. BSG-Beschluss vom 9. September 2010 B 11 AL 4/10 C, Breithaupt --Breith-- 2011, 277, m.w.N.).

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b) So verhält es sich auch im Streitfall.

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aa) Der Klägerin bzw. Rechtsanwalt Wirtschaftsprüfer Steuerberater Z, dessen Kenntnis sie sich zurechnen lassen muss (vgl. auch BFH-Beschluss vom 14. Oktober 2010 X S 19/10, BFH/NV 2011, 62), ist das angegriffene Senatsurteil ausweislich des zurückgesandten Empfangsbekenntnisses am 11. Januar 2011 zugestellt worden. Die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis nach § 174 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 53 Abs. 2 FGO ist eine Form der Zustellung, bei der der Prozessbevollmächtigte nicht nur bestätigt, vom Zugang des Schriftstücks Kenntnis erlangt, sondern auch den Willen zu haben, es als zugestellt anzusehen (s. BSG-Beschluss in Breith 2011, 277, m.w.N.). So ist es auch hier geschehen; die Klägerin hat mit ihrer Anhörungsrüge jedenfalls nichts Gegenteiliges bekundet oder solches --etwa durch eine eidesstattliche Versicherung von Rechtsanwalt Wirtschaftsprüfer Steuerberater Z als des ursprünglichen Empfängers des Senatsurteils-- glaubhaft gemacht. Dass der anschließend mit der Prüfung einer Verfassungsbeschwerde beauftragte Rechtsanwalt Y sich sodann erst in die ihm bis dahin unbekannte Streitsache einarbeiten musste und womöglich --wie von ihm sowie dem Geschäftsführer der Klägerin eidesstattlich versichert-- denn auch erst später Kenntnis von der angeblichen Gehörsverletzung erlangt haben mag, erscheint zumindest für einen Juristen, der ein Urteil auf mögliche Verfassungsverstöße hin begutachtet, nicht gänzlich plausibel, soll hier aber nicht weiter in Frage gestellt werden. Denn auch, wenn es sich so verhielte, täte dies nichts zur Sache. Es kann infolgedessen dahinstehen, ob eine derartige späte Kenntniserlangung durch Rechtsanwalt Y genügen könnte, um den Beginn des Fristlaufs für die Anhörungsrüge hinauszuschieben (vgl. aber auch zu entsprechenden Einschränkungen z.B. Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluss vom 27. April 2009  13 U 46/08, Monatsschrift für Deutsches Recht 2009, 764, m.w.N.).

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bb) In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass für die "Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs" i.S. des § 133a Abs. 2 Satz 1 FGO die Tatsachenkenntnis des Beteiligten und seines Prozessbevollmächtigten genügt, ohne dass diese darüber hinaus auch noch vom subjektiven Ergebnis einer rechtlichen Subsumtion abhängt. Insoweit gilt hier dasselbe wie bei § 586 Abs. 2 Satz 1 ZPO, der den Beginn der Frist für Wiederaufnahmeklagen (§ 578 Abs. 1 ZPO) an die "Kenntnis" von dem Anfechtungsgrund knüpft. Zu dieser Regelung ist bereits durch die Rechtsprechung geklärt, dass es nur auf die Kenntnis aller maßgeblichen Tatsachen ankommt, nicht aber auf deren zutreffende rechtliche Einordnung, also auch nicht auf die subjektive Erkenntnis, dass die bekannten Tatsachen einen Wiederaufnahmegrund ergeben (vgl. z.B. BSG-Beschluss in Breith 2011, 277; Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30. März 1993 X ZR 51/92, NJW 1993, 1596, m.w.N.). Da sich der Gesetzgeber bei Einführung der Anhörungsrüge an der Regelung in § 586 Abs. 2 Satz 1 ZPO orientiert hat (vgl. BTDrucks 15/3706, S. 16; BVerfG-Beschluss in NJW 2007, 2242, 2244), ist auch von einer "Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs" bereits dann auszugehen, wenn der Betroffene und/oder sein Prozessbevollmächtigter die zur Begründung der Gehörsverletzung angeführten Tatsachen kennen, und nicht erst dann, wenn sie darüber hinaus zu der Rechtsauffassung gelangt sind, dass diese Tatsachen die Erhebung einer Anhörungsrüge rechtfertigen. Der Vortrag der Klägerin, ihrem neuen Prozessbevollmächtigten sei erst nach dem 31. Januar 2011 im Zuge der Prüfung der Voraussetzungen einer Verfassungsbeschwerde bewusst geworden, dass sie eine Anhörungsrüge erheben könne, ist deshalb für die Beurteilung des Fristbeginns unerheblich. Eine möglicherweise unzutreffende rechtliche Einordnung ändert nichts an der subjektiven Kenntnis der Tatsachen.

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cc) Das betrifft im Streitfall auch jene Tatsachen, die aus Sicht der Klägerin eine Gehörsrüge rechtfertigen: Die Klägerin rügt, der Senat habe ihrem Revisionsvortrag zuwider angenommen, die Voraussetzungen zur Bildung einer RfE nach den in den Einkommensteuer-Richtlinien niedergelegten Grundsätzen lägen nicht vor, weil weder eine Gewinnaufdeckung aufgrund höherer Gewalt noch ein behördlicher oder hoheitlicher Eingriff in Rede stehe, und darüber werde zwischen den Beteiligten auch nicht gestritten. Abgesehen davon, dass sich der Senat im Anschluss an diese von ihm eingenommene Ausgangsposition eingehend mit den Argumenten der Klägerin auseinandergesetzt und die Möglichkeit der Bildung einer RfE aufgrund dieser Argumente erwogen hat, liegt die nunmehr beanstandete Grundannahme des Senats --nämlich, dass auch die Klägerin nicht von einem unmittelbaren Vorliegen der RfE-Voraussetzungen ausgegangen ist, vielmehr im Kern eine Ausdehnung jener Voraussetzungen für die Bildung einer RfE verlangt hat-- auf der Hand. Um das zu erkennen, bedurfte es nicht einer ins Einzelne gehenden Analyse der Urteilsbegründung. Gleiches gilt für die Rüge, der Senat habe "in willkürlicher Weise" außer Acht gelassen, dass sie --die Klägerin-- im Zeitpunkt des Erwerbs der Minderheitsbeteiligung an den beiden Aktiengesellschaften die spätere Schaffung eines sog. Squeeze out nicht habe antizipieren können. Auch das hier zugrunde liegende Argument des Senats, dass ein Minderheitsgesellschafter schlechthin --naturgemäß aber nicht konkret bezogen auf das erst 2002 gesetzlich geschaffene sog. Squeeze out-- jederzeit mit Maßnahmen rechnen müsse, die seine Kapitalanlageposition schwächen können, ergibt sich bereits bei flüchtiger Lektüre der Urteilsgründe. Es ist auch hier nicht plausibel, dass es für diese Erkenntnis erst einer eingehenden Analyse bedürfte. Und gleiches gilt denn auch --ohne dass darauf noch näher eingegangen werden müsste-- für die dritte Rüge, der Senat habe eine am Verfassungsrecht ausgerichtete Auseinandersetzung mit dem Fall der Entschädigung von Kommunen in einer vergleichbaren Konstellation vermissen lassen.

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Letztendlich rügt die Klägerin denn auch samt und sonders keine Verletzung rechtlichen Gehörs, sondern streitet weiter in der Sache, weil sie die Erwägungen, welche der Senat angestellt hat, für falsch hält. Für eine derartige "verlängerte" Sachauseinandersetzung ist die Anhörungsrüge aber ohnehin nicht geschaffen.

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2. Die Frist für die Einlegung der Anhörungsrüge begann folglich mit dem 11. Januar 2011 zu laufen, und die erst am 7. Februar 2011 bei dem BFH eingegangene Anhörungsrüge ist somit verfristet. Wiedereinsetzungsgründe sind weder vorgetragen noch sonst für den Senat ersichtlich.

Urteilsbesprechung zu Bundesfinanzhof Beschluss, 20. Apr. 2011 - I S 2/11

Urteilsbesprechungen zu Bundesfinanzhof Beschluss, 20. Apr. 2011 - I S 2/11

Referenzen - Gesetze

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(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn 1. ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und2. das Gericht den Anspruch dieses
Bundesfinanzhof Beschluss, 20. Apr. 2011 - I S 2/11 zitiert 10 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 133a


(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn 1. ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und2. das Gericht den Anspruch dieses

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 178a


(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn 1. ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und2. das Gericht den Anspruch dieses

Zivilprozessordnung - ZPO | § 174 Zustellung durch Aushändigung an der Amtsstelle


Ein Schriftstück kann dem Adressaten oder seinem rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter durch Aushändigung an der Amtsstelle zugestellt werden. Zum Nachweis der Zustellung ist auf dem Schriftstück und in den Akten zu vermerken, dass es zum Zwecke de

Zivilprozessordnung - ZPO | § 586 Klagefrist


(1) Die Klagen sind vor Ablauf der Notfrist eines Monats zu erheben. (2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils. Nach Ablauf von fünf

Zivilprozessordnung - ZPO | § 578 Arten der Wiederaufnahme


(1) Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens kann durch Nichtigkeitsklage und durch Restitutionsklage erfolgen. (2) Werden beide Klagen von derselben Partei oder von verschiedenen Parteien erhoben, so ist

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 53


(1) Anordnungen und Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, sowie Terminbestimmungen und Ladungen sind den Beteiligten zuzustellen, bei Verkündung jedoch nur, wenn es ausdrücklich vorgeschrieben ist. (2) Zugestellt wird von Amt

Referenzen - Urteile

Bundesfinanzhof Beschluss, 20. Apr. 2011 - I S 2/11 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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Bundesfinanzhof Beschluss, 14. Okt. 2010 - X S 19/10

bei uns veröffentlicht am 14.10.2010

Tatbestand 1 I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Kläger, Beschwerdeführer und Rügeführer (Kläger) abgewiesen, weil die Klagefrist nicht eingehalten worden war. W

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bei uns veröffentlicht am 13.10.2010

Tatbestand 1 A. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, und der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) streiten über zwei Fragen: Zum ei

Bundessozialgericht Beschluss, 09. Sept. 2010 - B 11 AL 4/10 C

bei uns veröffentlicht am 09.09.2010

Tenor Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 26. März 2010 - B 11 AL 192/09 B - wird als unzulässig verworfen.

Referenzen

Tatbestand

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A. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, und der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) streiten über zwei Fragen: Zum einen wird darum gestritten, ob die Klägerin eine Rücklage für Ersatzbeschaffung (RfE) in Höhe derjenigen stillen Reserven von Kapitalbeteiligungen bilden darf, die bei einer Veräußerung im Rahmen eines Ausschlussverfahrens nach § 327a des Aktiengesetzes (AktG), eines sog. Squeeze-out, aufgedeckt wurden. Zum anderen steht in Streit, ob der Abzugsausschluss für Gewinnminderungen gemäß § 8b Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002 a.F.) --nunmehr § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG 2002 n.F.--, für die Gewerbesteuer i.V.m. § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes 2002, gegen Unionsrecht verstößt. Streitjahr ist 2002.

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I. Streitkomplex: RfE

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Zum 1. Januar 1998 war in die Klägerin eine GmbH & Co. KG nach § 20 Abs. 1 Satz 1 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG 1995) zu Buchwerten eingebracht worden. Zu dem übertragenen Betriebsvermögen gehörten Anteile an zwei inländischen Aktiengesellschaften (3 230 Aktien der X-AG sowie 24 300 Aktien der Y-AG), die die Klägerin im Streitjahr im Rahmen eines Ausschlussverfahrens gemäß § 327a AktG veräußern musste. Die für die Übertragung der Aktien gezahlte Barabfindung führte zu einem gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 1995 steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn in Höhe von insgesamt 5.664.638 € (davon 161.845 € auf Aktien der X-AG sowie 5.502.793 € auf Aktien der Y-AG).

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In Höhe dieses Veräußerungsgewinns bildete die Klägerin in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 2002 eine den Gewinn mindernde RfE nach R 35 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR 2001, nunmehr R 6.6 EStR 2009). Zuvor hatte die Klägerin beim FA einen Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft dazu gestellt (Schreiben vom 24. November 2003), ob die RfE auf eine im Wege einer Kapitalerhöhung erworbene Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft, auf Aktien, auf Aktienfonds sowohl in der Rechtsform der Kapital- als auch Personengesellschaft und auf diversifizierende Investmentfonds übertragen werden könne. Hintergrund war die Absicht der Klägerin, ca. 1,5 Mio. € der Rücklage auf einen im Wege der Kapitalerhöhung neu zu erwerbenden Anteil an einer inländischen Kapitalgesellschaft zu übertragen und für den Rest Aktien und Investmentfonds als Wertpapiere des Anlagevermögens zu erwerben.

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Mit Schreiben vom 28. Juli 2004 sagte das FA der Klägerin verbindlich zu, dass Beteiligungen an einer inländischen Kapitalgesellschaft sowie Aktien, Aktienfonds und diversifizierende Investmentfonds funktionsgleiche Ersatzwirtschaftsgüter i.S. der R 35 EStR 2001 darstellten und die gebildete Rücklage auf die geplanten reinvestierten Wirtschaftsgüter übertragen werden könnte. Das FA wies darauf hin, dass die Bildung der RfE im Rahmen einer seinerzeit laufenden Betriebsprüfung überprüft werde. In einem weiteren Schreiben vom 30. August 2004 gewährte das FA der Klägerin zur Übertragung der Rücklage auf ein Reinvestitionswirtschaftsgut antragsgemäß eine Fristverlängerung bis zum 31. Dezember 2004. Die Übertragung der Rücklage auf Anteile an einer inländischen Kapitalgesellschaft ist nach Darstellung der Klägerin innerhalb dieser Frist erfolgt.

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Der Betriebsprüfer gelangte im Zuge der durchgeführten Prüfung zu der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Bildung einer RfE gemäß R 35 EStR 2001 nicht vorlägen, weil in dem sog. Squeeze-out Verfahren kein behördlicher Eingriff zu erkennen sei. Das FA erhöhte daraufhin das Einkommen des Streitjahres um den als Rücklage gebuchten Betrag in Höhe von 5.664.638 €.

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II. Streitkomplex: Veräußerungsverlust und Teilwertabschreibung

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Die Klägerin war alleinige Anteilseignerin einer Kapitalgesellschaft argentinischen Rechts mit Sitz in Argentinien, der A-Ltda. Sie veräußerte diese Beteiligung im Streitjahr. Hierbei entstand ein Veräußerungsverlust in Höhe von 598.018,17 €, um den die Klägerin den Gewinn des Streitjahres minderte. Das FA rechnete unter Hinweis auf § 8b Abs. 3 KStG 2002 a.F. den erlittenen Verlust bei der Ermittlung des körperschaftsteuerlichen Einkommens dem Gewinn wieder hinzu.

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Die Klägerin war außerdem alleinige Gesellschafterin einer Kapitalgesellschaft portugiesischen Rechts mit Sitz in Portugal, der A-S.A. Diese Tochtergesellschaft stellte in 2003 ihre Geschäftstätigkeit ein und befand sich seitdem in Liquidation. Die Klägerin nahm auf den die A-S.A. betreffenden Beteiligungsbuchwert in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 2002 eine sog. Teilwertabschreibung in Höhe von 550.000 € zu Lasten des Gewinns vor. Das FA ließ auch die Teilwertabschreibung unter Bezugnahme auf § 8b Abs. 3 KStG 2002 a.F. nicht zum gewinnmindernden Abzug zu.

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Die Klage gegen die hiernach ergangenen Steuerbescheide blieb erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 11. August 2009  6 K 3742/06 K,G ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2010, 133 veröffentlicht.

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Die Klägerin stützt ihre Revision auf Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die angefochtenen Steuerbescheide unter Berücksichtigung eines um 6.812.656,17 € geminderten Einkommens und Gewerbeertrags festzusetzen.

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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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B. Die Revision ist unbegründet. Zu Recht hat das FG die Bildung der für infolge des Squeeze-out gebildeten steuerfreien Rücklage abgelehnt (I.). Es hat es gleichfalls zu Recht abgelehnt, den Veräußerungsverlust (hinsichtlich der A-Ltda.) sowie die Teilwertabschreibung (hinsichtlich der A-S.A.) steuerwirksam werden zu lassen (II.).

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I. Streitkomplex: RfE

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Die beiden im Streitfall zu beurteilenden Vorgänge eines sog. Squeeze-out ermöglichen nicht die Bildung von RfE.

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1. Nach den von der ständigen Rechtsprechung entwickelten und von der Finanzverwaltung in R 35 EStR 2001 übernommenen Grundsätzen zur RfE kann eine Gewinnrealisierung durch Aufdeckung stiller Reserven ausnahmsweise dann vermieden werden, wenn ein Wirtschaftsgut aufgrund höherer Gewalt oder infolge bzw. zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs gegen eine Entschädigung aus dem Betriebsvermögen ausscheidet und alsbald ein funktionsgleiches Ersatzwirtschaftsgut angeschafft wird (s. z.B. Bundesfinanzhof --BFH--, Urteile vom 17. Oktober 1991 IV R 97/89, BFHE 166, 149, BStBl II 1992, 392). Diese Spruch- und Verwaltungspraxis beruht auf dem aus Billigkeitserwägungen entwickelten Grundgedanken, dass die für die ausgeschiedenen Wirtschaftsgüter erlangten Beträge ungeschmälert einer Ersatzbeschaffung zur Verfügung stehen sollen, was nicht möglich wäre, wenn sie zum Teil "weggesteuert" würden (BFH-Urteil vom 14. Oktober 1999 IV R 15/99, BFHE 190, 356, BStBl II 2001, 130, m.w.N.). Zweck der Anerkennung einer RfE ist dabei nicht allein die als unbillig empfundene Besteuerung eines Gewinns, der durch die zwangsweise Aufdeckung stiller Reserven entsteht; vielmehr soll dem Steuerpflichtigen ermöglicht werden, die erlangte Entschädigung zur Wiederbeschaffung des Ersatzwirtschaftsguts zu verwenden (so ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BFH-Urteile vom 9. Dezember 1982 IV R 54/80, BFHE 137, 453, BStBl II 1983, 371, und vom 11. Dezember 1984 IX R 27/82, BFHE 143, 46, BStBl II 1985, 250).

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2. Im Streitfall lagen die Voraussetzungen zur Bildung einer RfE nach diesen Grundsätzen nicht vor. Denn weder steht eine Gewinnaufdeckung aufgrund höherer Gewalt noch ein behördlicher oder hoheitlicher Eingriff in Rede. Darüber wird zwischen den Beteiligten nicht gestritten und darauf ist nicht weiter einzugehen.

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3. Die Klägerin ist allerdings der Auffassung, das sog. Squeeze-out nach Maßgabe der §§ 327a bis 327f AktG habe entsprechende Zwangswirkungen. Auch in einem solchen Fall seien die Aktienbeteiligungen ohne oder gegen den Willen des Steuerpflichtigen aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden. Diese Zwangswirkungen geböten zur Wahrung der "Einheit der Rechtsordnung", so --in seiner Anmerkung zu dem hier angefochtenen Urteil-- Luttermann (Finanz-Rundschau --FR-- 2010, 193), auf den sich die Klägerin beruft, eine steuerliche Gleichbehandlung. Dem folgt der Senat wie schon die Vorinstanz nicht.

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a) Das ergibt sich bereits aus methodischer Sicht: Die Rechtsgrundlagen der RfE sind nicht gänzlich eindeutig. Allgemein wird davon ausgegangen, die entsprechende Billigkeitspraxis der Finanzverwaltung wurzele in "Richterrecht bzw. auf Gewohnheitsrecht" (so Werndl in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 Rz B 140, m.w.N.). Sollten die RfE-Grundsätze in ihrem Kernbereich jedoch tatsächlich in Gewohnheitsrecht erstarkt sein, dann wäre es jedenfalls allein Sache des Gesetzgebers, ihre tatbestandlichen Voraussetzungen über jenen Kernbereich hinaus auszudehnen (s. auch BFH-Urteil vom 29. April 1999 IV R 7/98, BFHE 188, 390, BStBl II 1999, 488; Kanzler, FR 1999, 852). Es ist weder Sache der Finanzverwaltung noch der Gerichte, entsprechende parallele Anwendungsbereiche dieses gesetzlich nicht geregelten Ausnahmeinstituts zu eröffnen. Vor diesem Hintergrund bliebe von vornherein kein Raum, die im Streitfall zu beurteilende Situation einzubeziehen.

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b) Aber auch wenn man die Finanzrechtsprechung als ermächtigt ansähe, den Anwendungsbereich für die Bildung einer RfE "durch Restriktion des Gewinnrealisierungstatbestands im Wege der Rechtsfortbildung" zu erweitern (so womöglich der X. Senat des BFH, vgl. Urteil vom 14. November 1990 X R 85/87, BFHE 163, 58, BStBl II 1991, 222; s. BFH-Urteile vom 18. September 1987 III 254/84, BFHE 151, 70, BStBl II 1988, 330, und in BFHE 190, 356, BStBl II 2001, 130: Ausdehnung des Begriffs der höheren Gewalt auf Zufallsschäden aller Art), ergäbe sich nichts anderes. Auch dann entspricht es vielmehr dem Ausnahmecharakter und der Zwecksetzung der RfE, deren Anwendungsbereich nicht auf jedwede, insbesondere auch privatrechtlich bedingte Zwangssituationen auszuweiten. Dementsprechend hat denn auch der X. Senat des BFH (im Urteil in BFHE 163, 58, BStBl II 1991, 222) einen behördlichen Eingriff bei der Kündigung eines Mietvertrags durch eine Behörde oder bei Ausübung eines Wiederkaufrechts durch eine Gemeinde verneint. Dem Prinzip, dass aufgedeckte stille Reserven im Aufdeckungszeitpunkt zu besteuern sind, ist Rechnung zu tragen; Ausnahmen dazu jenseits des gesetzten Rechts sind auf das unbedingt Nötige zu verengen. Für die RfE bedeutet das, dass eine solche im Kernbereich nur nach Maßgabe der entsprechenden, (möglicherweise) gewohnheitsrechtlich verfestigten Verwaltungsübung und deren Voraussetzungen gebildet werden kann. Für eine Ausweitung darüber hinaus oder eine Analogie besteht kein Anlass, auch nicht für das Squeeze-out:

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Ein solches Squeeze-out hat zwar die Wirkung einer sog. Call option; es verpflichtet den Minderheitsgesellschafter (aus allgemeinen ordnungspolitischen Gründen), seine Anteile gegen eine Barabfindung dem Mehrheitsgesellschafter zu überlassen. Auch dass das Squeeze-out damit tief in die bürgerlich-rechtliche Vertragsfreiheit (und damit die allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) --konkret die Abschlussfreiheit-- eingreift und für den betroffenen Minderheitsanteilseigner eine zwangsgleiche Wirkung hat, steht außer Frage. Es steht ebenso außer Frage, dass der Rechtsrahmen für diesen Eingriff in die Vertragsfreiheit durch ordnungsgesetzliche Regulierungsvorschriften gesetzt (und begrenzt) wird. Dennoch basieren diese Wirkungen weder in ihrer konkreten, einzelfallbezogenen Umsetzung noch allgemein auf einem Hoheitseingriff oder sind sie mit einem Hoheitseingriff vergleichbar oder diesem gleichzusetzen: Zum einen gründet das sog. Squeeze-out im Zivilrecht und auf entsprechenden Gesellschafterbeschlüssen. Dass dem eine amtliche Registereintragung als konstitutiver hoheitlicher Akt nachfolgen muss (vgl. § 327e AktG), macht den zugrundeliegenden Vorgang --entgegen der Annahme der Revision-- nicht zu einem im Kern hoheitlichen. Zum anderen verwirklicht der ordnungsgesetzliche Rechtsrahmen keinen hoheitlich gesetzten Enteignungstatbestand nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 23. August 2000  1 BvR 68/95, 1 BvR 147/97, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis --ZIP-- 2000, 1670; Bundesgerichtshof --BGH--, Beschluss vom 25. Oktober 2005 II ZR 327/03, ZIP 2005, 2107, [nur Leitsatz] bestätigt durch BGH-Urteil vom 18. September 2006 II ZR 225/04, ZIP 2006, 2080).

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Unabhängig davon sind Begrenzungen und Beschränkungen der Vertragsfreiheit dem Zivilrecht auch andernorts nicht fremd. Solche erwachsen allgemein aus Ordnungsrechten, etwa aus dem Anti-Diskriminierungsgesetz, aus dem Verbraucherschutzrecht, aus wettbewerbs- und vergaberechtlichen Kontrahierungszwängen. Sie sind auch und gerade im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht nicht unüblich; für die in Rede stehende Situation der aktienrechtlichen Kapitalbeteiligung mag dazu der Hinweis auf das "Tableau der Ausschlusstatbestände im Aktienrecht" genügen, das Fleischer (im Großkommentar zum AktG, herausgegeben von Hopt/Wiedemann, 27. Lieferung, 2007, Vor §§ 327a-f Rz 34 ff., m.w.N.) gibt. Diese Ausschlusstatbestände, aber gerade auch das Squeeze-out (Fleischer, ebenda, Rz 17 ff.), betonen den Kapitalanlagecharakter der (eher fungiblen) Minderheitsbeteiligung in Abgrenzung zu dem korporationsrechtlichen Verbandscharakter der Mehrheitsbeteiligung, der in der Regel ein eher eigenunternehmerisches Engagement zugrunde liegt. Die Kapitalanlage des Minderheitsaktionärs ist dadurch einem gewissen Zugriffsrecht des Hauptaktionärs ausgesetzt, das dieser einseitig ausüben kann und das dem Minderheitsrecht gleichsam aus der Natur der Sache und unbeschadet einer nachfolgenden Rechtsentwicklung --hier mit Wirkung vom 1. Januar 2002 (vgl. Art. 12 des Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen [Wertpapierübernahmegesetz] vom 20. Dezember 2001, BGBl I 2001, 3822) durch die Schaffung der Squeeze-out-Regeln in §§ 327a bis 327f AktG-- zu eigen ist. Der Erwerber einer entsprechenden Kapitalbeteiligung muss stets gewärtigen, einem solchen der Beteiligung anhaftenden Zugriffsrecht des Hauptaktionärs ausgesetzt zu sein. Der freie Willensakt, sich dem zu unterwerfen, ist also bereits im zeitlichen Vorfeld in der Entscheidung festzumachen, die Aktien zu kaufen oder sie --wie im Streitfall-- kraft Umwandlung zu übernehmen. So gesehen gibt die spätere tatsächliche Ausübung jenes Zugriffrechts durch die Mehrheitsaktionäre nach Maßgabe der §§ 327a ff. AktG aber keinen Anlass, die damit verbundene Realisation der stillen Reserven der betroffenen Kapitalanteile einer steuerrechtlichen Sonderbehandlung zu unterwerfen. Die Realisationswirkungen bei Ausübung der Squeeze-out-Rechte bleiben vielmehr ungeschmälert erhalten.

23

4. Die Klägerin kann eine Bildung der streitigen Rücklage auch nicht aus dem Schreiben des FA vom 28. Juli 2004 herleiten.

24

Das FG hat die entsprechende Anfrage der Klägerin für den Senat tatrichterlich verbindlich (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) festgestellt. Danach ging diese Anfrage (nur) dahin, ob die RfE auf die im Wege einer Kapitalerhöhung erworbene Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft, auf Aktien, auf Aktienfonds sowohl in der Rechtsform der Kapital- als auch Personengesellschaft und auf diversifizierende Investmentfonds übertragen werden kann. Nur auf diese Anfrage hat das FA denn auch geantwortet und seine Antwort überdies unter einen Vorbehalt der Durchführung einer Außenprüfung gestellt. Eine verbindliche Zusage zur Zulässigkeit der Rücklagenbildung dem Grunde nach lässt sich dem nicht entnehmen.

25

5. Der Streitfall bietet schließlich keine Veranlassung, zu einer von der Klägerin eingebrachten Auffassung der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung Stellung zu nehmen, wonach aufgrund eines internen Erlasses bei Entschädigungen der Kommunen für den Verlust von Mehrstimmrechten verwaltungsseitig eine RfE eingeräumt werde. Dem ist nicht weiter nachzugehen. Denn auch wenn es sich tatsächlich so verhielte, läge darin allenfalls ein zusätzlicher Billigkeitserweis für bestimmte Sonderfälle. Über einen derartigen Billigkeitserweis (vgl. §§ 163, 227 der Abgabenordnung) wäre im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden.

26

II. Streitkomplex: Veräußerungsverlust und Teilwertabschreibung

27

Der Verlust aus der Veräußerung der A-Ltda. und die Teilwertabschreibung auf die Beteiligung der Klägerin an der A-S.A. sind bei der Ermittlung des Einkommens und des Gewerbeertrags nicht zu berücksichtigen.

28

1. Nach § 8b Abs. 3 KStG 2002 a.F. sind Gewinnminderungen, die im Zusammenhang mit dem in Abs. 2 genannten Anteil entstehen, bei der Gewinnermittlung nicht zu berücksichtigen. In § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG 2002 a.F. ist u.a. der Anteil an einer Körperschaft aufgeführt, deren Leistungen beim Empfänger (u.a.) zu Einnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) gehören; Gewinne aus der Veräußerung eines solchen Anteils bleiben bei der Ermittlung des Einkommens der beteiligten Körperschaft außer Ansatz.

29

2. Die Voraussetzungen dieses steuerlichen Abzugsausschlusses einschlägiger Gewinnminderungen werden im Streitfall sowohl hinsichtlich des erlittenen Verlustes aus der Veräußerung der Anteile an der A-Ltda. als auch hinsichtlich der sog. Teilwertabschreibung auf die Beteiligung an der A-S.A. erfüllt. Auch darüber wird unter den Beteiligten letztlich nicht gestritten. Allerdings macht die Klägerin zwischenzeitlich zwei Einschränkungen. Beiden kann nicht gefolgt werden:

30

a) Soweit die Klägerin nunmehr meint, der Veräußerungsverlust unterfalle bereits der in § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG 2002 a.F. angeordneten Steuerfreistellung von "Gewinnen" aus der Veräußerung eines Anteils an einer entsprechenden Körperschaft, geht dieser Einwand fehl. Von der Steuerfreistellung sollen ersichtlich nur positive Veräußerungsgewinne erfasst werden, nicht aber Veräußerungsverluste. Das mag in systematischer Hinsicht nicht vollkommen überzeugen (vgl. z.B. Gosch, KStG, 2. Aufl., § 8b Rz 266; Gröbl/Adrian in Erle/Sauter, KStG, 3. Aufl., § 8b Rz 172); es entspricht jedoch dem Regelungskonzept, einschlägige Gewinne nur einmal der Schlussbelastung beim Gesellschafter zu unterwerfen, und das erhellt nicht zuletzt der systematische Zusammenhang zu Abs. 3 der Vorschrift, die korrespondierende Gewinnminderungen --und damit auch Verluste-- von der Begünstigung ausnimmt.

31

b) Die Klägerin sucht auch vergeblich Anlehnung an die neuere Rechtsprechung des BFH zu der parallelen Regelungslage in § 3 Nr. 40 Buchst. c i.V.m. § 17 Abs. 1 und 4 EStG 2002 einerseits und § 3c Abs. 2 EStG 2002 andererseits.

32

Der IX. Senat des BFH vertritt dazu zwar die Rechtsauffassung, der Abzug von Erwerbsaufwand (z.B. Betriebsvermögensminderungen, Anschaffungskosten oder Veräußerungskosten) in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Einkünften aus § 17 Abs. 1 und Abs. 4 EStG 2002 sei jedenfalls dann nicht nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 begrenzt, wenn der Steuerpflichtige keinerlei durch seine Beteiligung vermittelte Einnahmen erzielt hat (BFH-Beschluss vom 18. März 2010 IX B 227/09, BFHE 229, 177, BStBl II 2010, 627, m.w.N.). Die Klägerin erwägt, diese Betrachtungsweise auf die hier in Rede stehende Regelungskonstellation des § 8b Abs. 2 und Abs. 3 KStG 2002 a.F. zu übertragen. Eine solche Übertragung scheitert indessen. Denn abweichend von § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 verknüpft § 8b Abs. 3 KStG 2002 a.F. den Ausschluss der aufgeführten Abzugspositionen nicht mit Einnahmen, welche mit jenen Positionen in Zusammenhang stehen, sondern verlangt einen Zusammenhang zwischen den Gewinnminderungen und den in Abs. 2 der Vorschrift genannten Anteilen. Der maßgebliche Bezugspunkt orientiert sich also an dem durch die Freistellung steuerbegünstigten Besteuerungsobjekt --den veräußerten Anteilen-- und nicht an den steuerbegünstigten Einnahmen --den Veräußerungsgewinnen--. Auch das mag aus rechtssystematischer Sicht kritisiert werden (vgl. Lechner/Schänzle, Der Betrieb --DB--, Beilage 1/2002, 18; Watermeyer in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 8b KStG Rz 85), ändert indes nichts daran, dass der erforderliche Zusammenhang nicht davon abhängig ist, ob die steuerpflichtige Körperschaft in dem nämlichen oder in einem anderen Veranlagungs- oder Erhebungszeitraum tatsächlich Einnahmen aus jenen Anteilen oder Gewinne aus deren Veräußerung erwirtschaftet.

33

c) Allerdings ist der Klägerin einzuräumen, dass die von § 8b Abs. 3 KStG a.F. unterstellte Situation einer andernfalls doppelten Berücksichtigung von Verlusten sowohl bei der Tochterkapitalgesellschaft als auch beim Gesellschafter bei endgültigen (Veräußerungs- und Liquidations-)Verlusten kaum vorstellbar ist. Das könnte deswegen abermals aus steuersystematischer, ggf. aber auch aus verfassungsrechtlicher Sicht dafür sprechen, Veräußerungs- und Liquidationsverluste generell von dem Abzugsausschluss des § 8b Abs. 3 KStG 2002 a.F. auszunehmen (vgl. Watermeyer in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 8b KStG Rz 86; Raupach in Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft Bd. 25, 2002, S. 9, 20; Spengel/Schaden, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2003, 2192, 2198 ff.; Briese, Steuer und Bilanzen 2003, 443; Kröner in Ernst & Young, KStG, § 8b Rz 136; Gröbl/Adrian in Erle/Sauter, a.a.O., § 8b Rz 173; Kessler/ Kahl, DB 2002, 2236, 2238). Der Senat sieht die Grenze zur Verfassungsmäßigkeit dennoch nicht als überschritten an. Das Prinzip der Einmalbesteuerung wird weder im Gewinn- noch im Verlustfall strikt umgesetzt; es ist im Gesetz lediglich regelungstypisierend angelegt. Die durchgängige und folgerichtige Korrespondenz zwischen steuerbefreiten Einnahmen einerseits und vom Abzugsverbot betroffenen Ausgaben andererseits ist deshalb unabhängig davon hinzunehmen, dass es in Einzelfällen zu "überschiessenden" Wirkungen kommen kann. Das objektive Nettoprinzip als Ausdruck des Leistungsfähigkeitsprinzips wird dadurch nicht in unverhältnismäßiger Weise verletzt (ebenso Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 8b Rz 108; s. auch Schön, Steuer und Wirtschaft --StuW-- 2000, 151, 158; Birk, StuW 2000, 328, 336).

34

3. Auch den von der Klägerin gegen § 8b Abs. 3 KStG 2002 a.F. erhobenen unionsrechtlichen Einwendungen kann nicht beigepflichtet werden.

35

a) Sie lassen sich insbesondere nicht auf die Spruchpraxis des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, jetzt Gerichtshof der Europäischen Union, (EuGH) zum ausnahmsweisen Abzug sog. finaler Auslandsverluste stützen (vgl. dazu im Zusammenhang mit Verlusten aus ausländischen Tochter-Kapitalgesellschaften das EuGH-Urteil vom 13. Dezember 2005 C-446/03 "Marks & Spencer", Slg. 2005, I-10837 sowie bezogen auf Auslandsbetriebsstätten die Senatsurteile vom 9. Juni 2010 I R 100/09, BFHE 230, 30, BStBl II 2010, 1065 sowie I R 107/09, BFHE 230, 35, jeweils m.w.N., insbesondere zur EuGH-Rechtsprechung). Denn anders als in denjenigen Situationen, über welche der EuGH dort zu entscheiden hatte, behandelt § 8b Abs. 3 KStG 2002 a.F. Auslands- wie Inlandsbeteiligungen hinsichtlich der Gewinnminderungen und ihres Abzugsausschlusses (ebenso wie § 8b Abs. 2 KStG 2002 die Freistellung damit korrespondierender Veräußerungsgewinne) gleich und ist für eine einseitige Beschränkung von Auslandsbeteiligungen nichts ersichtlich. Überdies geht es im Streitfall --bei der A-Ltda.-- um (negative) Positionen im Vermögen (Veräußerungsverlust) und --bei der A-S.A.-- um damit im Zusammenhang stehenden Aufwand (Teilwertabschreibung) auf der Ebene der Klägerin als Anteilseignerin (s. dazu EuGH-Urteil vom 29. März 2007 C-347/04 "REWE Zentralfinanz", Slg. 2007, I-2647, dort aber im Unterschied zum Streitfall für eine ungleiche steuerliche Behandlung von Inlands- und Auslandsbeteiligungen nach § 2a Abs. 1 Nr. 3 EStG a.F.), nicht aber um den Abzug laufender Verluste der Auslandsgesellschaften; nur um die letztere Frage ging es aber in der EuGH-Rechtssache "Marks & Spencer", und nur dort stellt sich das Problem des Abzugs "finaler" Verluste. Die Vorinstanz gelangt deswegen zu Recht zu der Erkenntnis, dass bei dieser gesetzlichen Konzeption sich EU-rechtliche Bedenken schon dem Grunde nach nicht ergeben können und der steuerwirksame Abzug jener Positionen deswegen auch nicht eingefordert werden kann.

36

b) Das gilt gleichermaßen für den Einwand der Klägerin, in Organschaftsfällen (§§ 14 ff. KStG 2002) wäre bei einer Inlandsbeteiligung anders als bei einer Auslandsbeteiligung eine Verlustberücksichtigung über den Abschluss eines Ergebnisabführungsvertrags möglich gewesen. Es ist --zum ersten und vor allem-- nichts dafür ersichtlich, dass die Beteiligten ein Organschaftsverhältnis hätten begründen wollen und dass sie die dafür gesetzten Regelungserfordernisse der §§ 14 ff. KStG 2002 --unbeschadet des Abschlusses eines Ergebnisabführungsvertrages-- überhaupt hätten erfüllen können. Insofern ist der Abgleich mit einem Steuerpflichtigen, der seiner Beteiligungsgesellschaft organschaftlich verbunden wäre, ein rein virtueller, der für die Gegebenheiten des Streitfalls von vornherein nicht zur Annahme einer möglichen Unionsrechtswidrigkeit veranlasst. Es ist --zum zweiten und ohne dass dies abschließend entschieden werden müsste-- ohnehin zu bezweifeln, dass das Erfordernis des § 14 Abs. 1 KStG 2002, zur Begründung eines wirksamen Organschaftsverhältnisses einen Ergebnisabführungsvertrag abschließen zu müssen, als solches (und unbeschadet seiner Ausgestaltung im Einzelnen) überhaupt gegen Unionsrecht verstößt; es genügt an dieser Stelle der Hinweis auf das EuGH-Urteil vom 25. Februar 2010 C-337/08 "X Holding" (DStR 2010, 427). Und schließlich --drittens-- weist das FG zutreffend darauf hin, dass sich auch im Inlandsfall kein Verlust der Organgesellschaft ergäbe, der auf die Klägerin übertragen werden könnte; auch bei einer Inlandsbeteiligung wäre die vom Organträger vorgenommene Abschreibung und wäre der erlittene Veräußerungsverlust nach § 8b Abs. 3 KStG 2002 a.F. außerbilanziell gewinnerhöhend zu korrigieren. Nach allem erübrigt sich ein weiteres Eingehen insbesondere auf die Frage nach dem Verhältnis eines (möglichen) Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 i.V.m. Art. 48 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft --EGV-- nach der Zählung des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften --EG--, sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1997 Nr. C-340, 1, jetzt Art. 49 i.V.m. Art. 54 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union --AEUV-- i.d.F. des Vertrages von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Amtsblatt der Europäischen Union 2007 Nr. C 306/01) und eines (möglichen) Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG, jetzt Art. 63 AEUV) im Hinblick auf sog. Drittstaaten, hier Argentinien (s. dazu Senatsurteil vom 26. November 2008 I R 7/08, BFHE 224, 50).

(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.

(6) § 131 Abs. 1 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.

(6) § 175 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.

(6) § 131 Abs. 1 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden.

Tenor

Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 26. März 2010 - B 11 AL 192/09 B - wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

I. Der Senat hat die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) vom 16.9.2009 mit Beschluss vom 26.3.2010 - B 11 AL 192/09 B - als unzulässig verworfen. Gegen diesen, seinem Prozessbevollmächtigten am 7.4.2010 zugestellten Beschluss hat dieser mit einem am 19.5.2010 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangenen Schriftsatz vom 18.5.2010 Anhörungsrüge erhoben. Er trägt unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung vor: "Innerhalb der Frist zur Einlegung einer Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil habe ich die Voraussetzungen für die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde gegen den Zurückweisungsbeschluss geprüft. Dabei erlangte ich am 05.05.2010 erstmals Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers und Beschwerdeführers durch den Zurückweisungsbeschluss. Eine frühere Bearbeitung war aufgrund außergewöhnlicher Arbeitsbelastung des Unterzeichnenden ausgeschlossen. Der Inhalt des Zurückweisungsbeschlusses ist dem Unterzeichneten durch Lektüre erst am 05.05.2010 bekannt geworden".

Entscheidungsgründe

2

II. Die statthafte Anhörungsrüge ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.

3

1. Nach § 178a Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz( in der ab 1.7.2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12.12.2007 ) ist die Rüge innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen.

4

a) Zur Wahrung der Zweiwochenfrist für die Einlegung und Begründung der Anhörungsrüge kommt es auf den Zeitpunkt der Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs an. Dabei markiert die Zustellung oder sonstige Bekanntgabe der angegriffenen gerichtlichen Entscheidung den frühestmöglichen Zeitpunkt der Kenntniserlangung. Denn erst die Kenntnis der Entscheidung ermöglicht die Kenntnis der den Gehörsverstoß begründenden Tatsachen (vgl BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 5; BSG Beschluss vom 3.8.2005, B 6 KA 22/05 R; ebenso BVerfG Beschluss vom 4.4.2007, 1 BvR 66/07, NJW 2007, 2242; Sächsisches OVG, Urteil vom 4.6.2009, 5 B 319/08).

5

Auch wenn somit der Zeitpunkt der Zustellung des Beschlusses des BSG vom 26.3.2010 an den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 7.4.2010 nicht automatisch mit dessen subjektiver Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs gleichzusetzen ist, muss hier davon ausgegangen werden, dass der Kläger bzw sein Prozessbevollmächtigter, dessen Kenntnis er sich zurechnen lassen muss (vgl BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 5 mwN),bereits mit der Zustellung des Beschlusses gegen Empfangsbekenntnis am 7.4.2010 oder jedenfalls vor dem 5.5.2010 Kenntnis von der (angeblichen) Gehörsverletzung erlangt hat.

6

Die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis nach § 174 Zivilprozessordnung (ZPO) iVm § 202 SGG ist eine Form der Zustellung, bei der der Prozessbevollmächtigte bei Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses nicht nur bestätigt, vom Zugang des Schriftstücks Kenntnis erlangt, sondern auch den Willen zu haben, es als zugestellt anzusehen. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers eidesstattlich versichert hat, bei der von ihm persönlich bestätigten Zustellung des Beschlusses des Senats dessen Inhalt nicht zur Kenntnis genommen, sondern dies erst kurz vor Ablauf der einmonatigen Frist für die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde (vgl § 93 Abs 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz) am 5.5.2010 getan zu haben, überzeugt sein diesbezügliches Vorbringen den Senat nicht (dazu im Folgenden unter c). Es kann deshalb offen bleiben, ob der in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Meinung zu folgen ist, dass sich bei bewusstem Nichtlesen der Entscheidungsgründe der Prozessbevollmächtigte so behandeln lassen muss, als hätte er tatsächlich Kenntnis erlangt (vgl OLG Oldenburg, Beschluss vom 27.4.2009 - 13 U 46/08 - mwN).

7

b) In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass für die "Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs" iS des § 178a Abs 2 Satz 1 SGG die Tatsachenkenntnis des Beteiligten und seines Prozessbevollmächtigten genügt, ohne dass diese darüber hinaus auch noch vom subjektiven Ergebnis einer rechtlichen Subsumtion abhängt. Insoweit gilt hier dasselbe wie bei § 586 Abs 2 Satz 1 ZPO, der den Beginn der Frist für Wiederaufnahmeklagen(§ 578 Abs 1 ZPO) an die "Kenntnis" von dem Anfechtungsgrund knüpft. Zu dieser Regelung ist bereits durch die Rechtsprechung geklärt, dass es nur auf die Kenntnis aller maßgeblichen Tatsachen ankommt, nicht aber auf deren zutreffende rechtliche Einordnung, also auch nicht auf die subjektive Erkenntnis, dass die bekannten Tatsachen einen Wiederaufnahmegrund ergeben (vgl BGH NJW 1993, 1596 mwN; BSGE 27, 259 = SozR Nr 1 zu § 586 ZPO). Da sich der Gesetzgeber bei Einführung der Anhörungsrüge an der Regelung in § 586 Abs 2 Satz 1 ZPO orientiert hat(vgl BT-Drucks 15/3706, S 16; BVerfG NJW 2007, 2242, 2244; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 178a RdNr 7a), ist auch von einer "Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs" bereits dann auszugehen, wenn der Betroffene und/oder sein Prozessbevollmächtigter die zur Begründung der Gehörsverletzung angeführten Tatsachen kennen, und nicht erst dann, wenn sie darüber hinaus zu der Rechtsauffassung gelangt sind, dass diese Tatsachen die Erhebung einer Anhörungsrüge rechtfertigen (ebenso Berchtold in Hennig, SGG, § 178a RdNr 111 mwN, Stand Oktober 2005; Frehse, SGb 2005, 265, 269 f; Rensen, MDR 2007, 695, 697). Der Vortrag des Klägers, seinem Prozessbevollmächtigten sei erst am 5.5.2010 anlässlich der Prüfung der Voraussetzungen einer Verfassungsbeschwerde bewusst geworden, dass er eine Anhörungsrüge erheben könne, ist deshalb für die Beurteilung des Fristbeginns unerheblich. Eine möglicherweise unzutreffende rechtliche Einordnung ändert nichts an der subjektiven Kenntnis der Tatsachen.

8

c) Unter den gegebenen Umständen ist für die Beurteilung der Kenntnis iS des § 178 Abs 2 Satz 1 SGG von maßgeblicher Bedeutung, dass die gerügte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 18.5.2010 allein darin liegen soll, dass der Senat keine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) eingeholt hat. Denn um dies zu erkennen, musste der Prozessbevollmächtigte den Inhalt des angegriffenen Senatsbeschlusses nicht im Einzelnen lesen und durcharbeiten, wozu er nach seiner eidesstattlichen Versicherung wegen Arbeitsüberlastung erst am 5.5.2010 gekommen ist, um fristgerecht die Voraussetzungen einer Verfassungsbeschwerde zu prüfen. Dass der Senat eine abschließende Entscheidung getroffen hatte, ohne zuvor den EuGH anzurufen und eine Vorabentscheidung abzuwarten, war vielmehr bereits aus dem die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verwerfenden Entscheidungssatz des Senatsbeschlusses vom 26.3.2010 ohne Weiteres ersichtlich.

9

Dass der Prozessbevollmächtigte nicht einmal diesen Entscheidungssatz anlässlich der Zustellung des Beschlusses am 7.4.2010 oder jedenfalls vor dem 5.5.2010 zur Kenntnis genommen haben will, ist entgegen § 178a Abs 2 Satz 1, 2. Halbs SGG nicht glaubhaft gemacht und nicht einmal schlüssig dargetan. Der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt legt vielmehr bei objektiver Betrachtung ohne weiteres den Schluss nahe, dass sein Prozessbevollmächtigter schon vor dem 5.5.2010 von der als fehlerhaft beanstandeten Verfahrensweise des Senats Kenntnis hatte. Denn ohne vorherige Kenntnisnahme des Senatsbeschlusses mit dem den Kläger beschwerenden Entscheidungssatz hätte der Prozessbevollmächtigte auch keinen Anlass gehabt, die "Frist zur Einlegung einer Verfassungsbeschwerde" im Auge zu behalten und sich zur Vermeidung einer Fristversäumung am 5.5.2010 mit dem Inhalt der Entscheidung des Senats zu befassen, um die bis dahin "aufgrund außergewöhnlicher Arbeitsbelastung" aufgeschobene Prüfung der "Voraussetzungen für die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde gegen den Zurückweisungsbeschluss" (so die eidesstattliche Versicherung) vorzunehmen.

10

Die erst am 19.5.2010 beim BSG eingegangene Anhörungsrüge ist somit verfristet. Wiedereinsetzungsgründe sind weder vorgetragen noch sonst für den Senat ersichtlich.

11

2. Unabhängig von der Verfristung der Anhörungsrüge ist diese auch deshalb als unzulässig zu verwerfen (§ 178a Abs 4 Satz 1 SGG), weil sie nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form erhoben worden ist.

12

Nach § 178a Abs 2 Satz 5 SGG muss die Rüge die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Abs 1 Satz 1 Nr 2 genannten Voraussetzungen darlegen. Nach § 178 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Diese Darlegungen müssen bis zum Ablauf der Frist für die Erhebung der Anhörungsrüge erfolgen und eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör schlüssig aufzeigen (vgl BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 8; BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 7; ebenso Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 178a RdNr 6a, 6b und 7c).

13

Richtet sich die Anhörungsrüge - wie hier - gegen eine Entscheidung des Revisionsgerichts über die Nichtzulassung der Revision, muss dargelegt werden, dass das Revisionsgericht durch seine Entscheidung den Anspruch auf rechtliches Gehör neu und eigenständig verletzt hat. Diesen Anforderungen wird die Anhörungsrüge des Klägers offensichtlich nicht gerecht. Er rügt als Gehörsverletzung, dass der Senat eine Vorabentscheidung des EuGH hätte einholen müssen. Dieser Vortrag zeigt nicht auf, dass der Senat etwa sein Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen hätte. Vielmehr zielen seine zur Begründung der vermeintlichen Gehörsverletzung gemachten Ausführungen ausschließlich darauf ab, die Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung zu beanstanden. Dies ist nicht der Sinn und Zweck der Anhörungsrüge. Das Recht auf rechtliches Gehör gibt keine Gewährleistung dafür, dass Anträge oder Anregungen eines Verfahrensbeteiligten befolgt werden (vgl BSG Beschlüsse vom 29.11.2005, B 1 KR 94/05 B, und vom 23.12.2008, B 12 KR 2/08 C; BVerfG Kammer-Beschluss vom 14.5.2007 - 1 BvR 730/07, RdNr 14).

14

Nur zur Klarstellung wird - ohne dass die vorliegende Entscheidung darauf beruht - darauf hingewiesen, dass der Senat, wie ohne Weiteres aus den Gründen des angegriffenen Beschlusses (RdNr 10) ablesbar ist, das auf Gemeinschaftsrecht bezogene Vorbringen des Klägers in seiner Beschwerdebegründung vom 12.1.2010 (S 6 ff) durchaus zur Kenntnis genommen hat. Die Beschwerdebegründung erfüllte indes nicht die Darlegungserfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG.

15

3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 178a Abs 4 Satz 3 SGG).

16

4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Tatbestand

1

I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Kläger, Beschwerdeführer und Rügeführer (Kläger) abgewiesen, weil die Klagefrist nicht eingehalten worden war. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde nicht gewährt. Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat der angerufene Senat durch Beschluss vom 17. März 2010 X B 114/09, abgesandt am 29. April 2010, als unbegründet zurückgewiesen.

2

Gegen diesen Beschluss haben die Kläger die vorliegende Anhörungsrüge erhoben, die am 2. Juli 2010 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen ist. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, dass unter Berücksichtigung des dem Urteil zugrunde liegenden Streitstandes das Schreiben des Klägers vom 21. November 2007 an das FG nicht ausreichend gewürdigt worden sei. Das FG habe den darin enthaltenen Antrag auf das verfahrensrechtlich Mögliche stillschweigend reduziert, "ohne dass über den Hauptsachantrag entschieden wurde oder zumindest dem Kläger mitgeteilt wurde, dass die Aussetzungsentscheidung des Finanzamts keine Einspruchsentscheidung in der Hauptsache ist und diese abgewartet werden müsse, bis Klage erhoben werden kann". Es sei verfahrensrechtlich nicht zulässig, eine Klage überhaupt nicht zur Kenntnis zu nehmen. Hierdurch sei der Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden. Bei Berücksichtigung dieses Schreibens wäre den Klägern kein Verschulden für die Fristversäumung anzulasten gewesen, deshalb sei die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör auch für das Wiedereinsetzungsverfahren entscheidungsrelevant.

3

Hilfsweise beantragen die Kläger, ihr Vorbringen als Gegenvorstellung zu werten. Es liege ein Verstoß gegen die durch Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes garantierte Rechtsschutzgarantie vor, da die vom Kläger am 21. November 2007 eingereichte Klage nicht beschieden worden sei. Zudem habe der Kläger wegen der Beschlagnahme seiner gesamten Unterlagen während des bisherigen Besteuerungs- und Gerichtsverfahrens keine detaillierte Stellungnahme abgeben können. Da er die Akten am 26. März 2010 zurückerhalten habe, könne er nun die entsprechenden Aufstellungen fertigen. Im Übrigen liege kein gewerblicher Grundstückshandel vor. Sollte demgegenüber ein gewerblicher Grundstückshandel angenommen werden, begehren die Kläger die Berücksichtigung der Grundstücksveräußerungen der Jahre 1992 bis 1996, da sie nach ihren Berechnungen bei keinem Objekt einen Gewinn erzielt hätten.

Entscheidungsgründe

4

II. 1. Die gemäß § 133a der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte Anhörungsrüge ist als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht in der gesetzlichen Frist erhoben worden ist (§ 133a Abs. 4 Satz 1 FGO).

5

a) Gemäß § 133a Abs. 2 Satz 1 FGO ist die Rüge innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben. Der Beschluss des BFH vom 17. März 2010 wurde am 29. April 2010 abgesandt und gilt damit als am 3. Mai 2010 bekannt gegeben. Bereits mit der Bekanntgabe des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses erhielten die anwaltlich vertretenen Kläger Kenntnis von den Entscheidungsgründen und damit auch von dem Umstand, der ihrer Meinung nach eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör begründen soll, nämlich die --vermeintlich-- fehlende Berücksichtigung ihres Schreibens vom 21. November 2007. Für die Frage der Kenntnis i.S. des § 133a Abs. 2 Satz 1 FGO ist es dagegen unerheblich, wann ein bislang nicht beauftragter Prozessbevollmächtigter im Rahmen der Prüfung des Sachverhaltes und der Sichtung der von den Klägern zur Verfügung gestellten Unterlagen von dem Umstand einer Gehörsverletzung Kenntnis erlangt.

6

b) Die Kläger haben keine weitere Gehörsverletzung geltend gemacht, die nicht aus den Entscheidungsgründen ersichtlich gewesen wäre und bei der die Frist erst mit deren positiver Kenntniserlangung begonnen hätte (vgl. Zöller/Vollkommer, Zivilprozessordnung, 28. Aufl., § 321a Rz 14).

7

c) Die Anhörungsrüge ist erst am 2. Juli 2010 und damit verspätet beim BFH eingegangen. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind nicht geltend gemacht worden und aus den Akten auch nicht erkennbar.

8

2. Die hilfsweise erhobene Gegenvorstellung der Kläger ist nicht statthaft.

9

a) Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 25. November 2008  1 BvR 848/07, BVerfGE 122, 190) und des BFH (Beschlüsse vom 1. Juli 2009 V S 10/07, BFHE 225, 310, BStBl II 2009, 824; vom 19. November 2009 III S 43/09, BFH/NV 2010, 453, und vom 28. Mai 2010 III S 11/10, BFH/NV 2010, 1651) kann eine Gegenvorstellung nur noch gegen eine abänderbare Entscheidung des Gerichts erhoben werden. Die Entscheidung über die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde wird hingegen materiell rechtskräftig und ist daher nicht mehr änderbar.

10

b) Selbst wenn die Statthaftigkeit der Gegenvorstellung unterstellt würde, wäre sie nur dann zulässig, wenn substantiiert dargelegt würde, die angegriffene Entscheidung beruhe auf schwerwiegenden Grundrechtsverstößen oder sie entbehre jeder gesetzlichen Grundlage (BFH-Beschluss vom 13. Oktober 2005 IV S 10/05, BFHE 211, 13, BStBl II 2006, 76). Solche Einwendungen haben die Kläger nicht geltend gemacht. Insbesondere zeigt ihr Vortrag keine greifbare Gesetzeswidrigkeit der angegriffenen Entscheidung auf.

11

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133a Abs. 4 Satz 4 FGO).

12

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Gerichtskosten für die Anhörungsrüge richten sich nach Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz --GKG-- (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG). Es fällt eine Festgebühr von 50 € an. Im Übrigen ergeht die Entscheidung gerichtsgebührenfrei (BFH-Beschluss vom 14. November 2006 IX S 14/06, BFH/NV 2007, 474).

Ein Schriftstück kann dem Adressaten oder seinem rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter durch Aushändigung an der Amtsstelle zugestellt werden. Zum Nachweis der Zustellung ist auf dem Schriftstück und in den Akten zu vermerken, dass es zum Zwecke der Zustellung ausgehändigt wurde und wann das geschehen ist; bei Aushändigung an den Vertreter ist dies mit dem Zusatz zu vermerken, an wen das Schriftstück ausgehändigt wurde und dass die Vollmacht nach § 171 Satz 2 vorgelegt wurde. Der Vermerk ist von dem Bediensteten zu unterschreiben, der die Aushändigung vorgenommen hat.

(1) Anordnungen und Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, sowie Terminbestimmungen und Ladungen sind den Beteiligten zuzustellen, bei Verkündung jedoch nur, wenn es ausdrücklich vorgeschrieben ist.

(2) Zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung.

(3) Wer seinen Wohnsitz oder seinen Sitz nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat, hat auf Verlangen einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen. Geschieht dies nicht, so gilt eine Sendung mit der Aufgabe zur Post als zugestellt, selbst wenn sie als unbestellbar zurückkommt.

(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.

(6) § 131 Abs. 1 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Die Klagen sind vor Ablauf der Notfrist eines Monats zu erheben.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils. Nach Ablauf von fünf Jahren, von dem Tag der Rechtskraft des Urteils an gerechnet, sind die Klagen unstatthaft.

(3) Die Vorschriften des vorstehenden Absatzes sind auf die Nichtigkeitsklage wegen mangelnder Vertretung nicht anzuwenden; die Frist für die Erhebung der Klage läuft von dem Tag, an dem der Partei und bei mangelnder Prozessfähigkeit ihrem gesetzlichen Vertreter das Urteil zugestellt ist.

(4) Die Vorschrift des Absatzes 2 Satz 2 ist auf die Restitutionsklage nach § 580 Nummer 8 nicht anzuwenden.

(1) Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens kann durch Nichtigkeitsklage und durch Restitutionsklage erfolgen.

(2) Werden beide Klagen von derselben Partei oder von verschiedenen Parteien erhoben, so ist die Verhandlung und Entscheidung über die Restitutionsklage bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage auszusetzen.

(1) Die Klagen sind vor Ablauf der Notfrist eines Monats zu erheben.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils. Nach Ablauf von fünf Jahren, von dem Tag der Rechtskraft des Urteils an gerechnet, sind die Klagen unstatthaft.

(3) Die Vorschriften des vorstehenden Absatzes sind auf die Nichtigkeitsklage wegen mangelnder Vertretung nicht anzuwenden; die Frist für die Erhebung der Klage läuft von dem Tag, an dem der Partei und bei mangelnder Prozessfähigkeit ihrem gesetzlichen Vertreter das Urteil zugestellt ist.

(4) Die Vorschrift des Absatzes 2 Satz 2 ist auf die Restitutionsklage nach § 580 Nummer 8 nicht anzuwenden.