Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Jan. 2010 - I ZB 14/09

bei uns veröffentlicht am21.01.2010
vorgehend
Landgericht Dresden, 42 HKO 177/08, 16.12.2008
Oberlandesgericht Dresden, 3 W 2/09, 15.01.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 14/09
vom
21. Januar 2010
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Januar 2010 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Prof.
Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers werden der Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 15. Januar 2009 aufgehoben und der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Dresden vom 16. Dezember 2008 in seiner durch den Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 15. Januar 2009 berichtigten Fassung dahingehend abgeändert, dass der Beklagte der Klägerin über die in diesem Beschluss festgesetzten Kosten hinaus weitere 922,49 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. August 2008 zu erstatten hat.
Der Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittel zu tragen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 922,49 € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Der Kläger hat den Beklagten in einer Wettbewerbssache auf Unterlassung und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch genommen. Nachdem ihm die Klage am 8. Juli 2008 zugestellt worden war, rief der Beklagte am 11. Juli 2008 in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Klägers an und sprach mit der Rechtsanwältin, die die Sache vertretungsweise bearbeitete. Er verwies zunächst auf eine von ihm verfasste E-Mail an den Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 18. April 2008. Die Rechtsanwältin erklärte, dass sich eine E-Mail vom 18. April 2008 nicht bei der Akte befinde. Anschließend erörterte er mit der Rechtsanwältin die Möglichkeiten einer Beendigung des Verfahrens. Die Rechtsanwältin stellte ihm anheim, die Unterlassungserklärung abzugeben und die Abmahnpauschale auszugleichen und erklärte, der Kläger werde dann den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären. Nach diesem Telefonat ging eine E-Mail des Beklagten vom 18. April 2008 mit einer Stellungnahme des Beklagten vom 16. April 2008 in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Klägers ein. Daraufhin erklärte der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Der Beklagte stimmte dieser Erledigungserklärung zu.
2
Das Landgericht hat dem Beklagten gemäß § 91a ZPO die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Streitwert auf 20.000 € festgesetzt. Der Kläger hat die Festsetzung seiner Kosten beantragt und dabei eine 1,2-fache Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 RVG VV in Höhe von - einschließlich Umsatzsteuer - 922,49 € geltend gemacht.
3
Die Rechtspflegerin beim Landgericht hat die geltend gemachte Terminsgebühr bei der Kostenfestsetzung nicht berücksichtigt. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Das Beschwerdegericht hat http://www.juris.de/jportal/portal/t/247z/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR078800004BJNE000300000&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 4 - den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts nur wegen eines Rechenfehlers nach § 319 Abs. 1 ZPO berichtigt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Festsetzung der Terminsgebühr weiter.
4
II. Die aufgrund ihrer Zulassung durch das Beschwerdegericht statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde ist begründet; sie führt zur Festsetzung weiterer 922,49 € zugunsten des Klägers.
5
1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, das Telefonat des Beklagten mit der Vertreterin des Prozessbevollmächtigten des Klägers habe eine Terminsgebühr nicht begründet. Die Rechtsanwältin habe dem Beklagten nur die Möglichkeit aufgezeigt, die vom Kläger verlangte Erklärung abzugeben und in Aussicht gestellt, der Kläger werde den Rechtsstreit dann in der Hauptsache für erledigt erklären. Allein die Besprechung der grundsätzlichen Bereitschaft und abstrakten Möglichkeit, die Sache ohne richterliche Entscheidung zu erledigen, lasse nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Terminsgebühr nicht entstehen. Mit der Terminsgebühr werde das Bemühen des Anwalts honoriert , das gerichtliche Verfahren möglichst früh sowie der Sach- und Rechtslage entsprechend zu beenden. Das Anheimstellen der Erfüllung und das Aufzeigen einer prozessualen Möglichkeit zur Beendigung des Klageverfahrens sei kein Bemühen um eine Beendigung des Rechtsstreits.
6
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts ist aufgrund des Telefonats des Beklagten mit der Vertreterin des Prozessbevollmächtigten des Klägers gemäß § 2 Abs. 2 RVG i.V. mit Nr. 3104 i.V. mit Vorbemerkung 3 Abs. 3 Fall 3 RVG VV eine 1,2-fache Terminsgebühr aus einem Streitwert von 20.000 € in Höhe von 922,49 € entstanden.
7
Das Beschwerdegericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass ein allgemeines Gespräch über die grundsätzliche Bereitschaft oder abstrakte Möglichkeit einer außergerichtlichen Erledigung nicht schon die 1,2fache Terminsgebühr nach Nr. 3104 RVG VV auslöst (BGH, Beschl. v. 27.2.2007 - XI ZB 38/05, NJW 2007, 2858 Tz. 10). Vielmehr muss es sich gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 3 Fall 3 RVG VV um eine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung handeln. Das Beschwerdegericht hat jedoch rechtsfehlerhaft zu hohe Anforderungen an die Voraussetzungen einer auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung im Sinne dieser Bestimmung gestellt und das Entstehen einer Terminsgebühr daher zu Unrecht verneint. Mit der Regelung in Vorbemerkung 3 Abs. 3 Fall 3 RVG VV soll das ernsthafte Bemühen des Prozessbevollmächtigten um einen Abschluss des Verfahrens ohne Beteiligung des Gerichts honoriert und damit zugleich die außergerichtliche Streitbeilegung - auch zur Entlastung der Gerichte - gefördert werden (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf eines Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes , BT-Drucks. 15/1971, S. 148, 209). Danach ist beispielsweise schon dann von einer Besprechung im Sinne dieser Vorschrift auszugehen, wenn der Gegner eine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Erklärung zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine Partei entgegennimmt (BGH, Beschl. v. 20.11.2006 - II ZB 9/06, NJW-RR 2007, 286 Tz. 8).
8
Nach diesen Maßstäben ist auch das hier zu beurteilende Telefonat als eine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung zu werten. In diesem Telefonat hat die Rechtsanwältin, die die Sache vertretungsweise für den Prozessbevollmächtigten des Klägers bearbeitete, mit dem Beklagten die Möglichkeiten einer Beendigung des Verfahrens erörtert. Dabei handelte es sich nicht nur um ein allgemeines Gespräch über die abstrakte Möglichkeit einer außergerichtlichen Erledigung. Gegenstand der Besprechung war vielmehr ersichtlich die konkrete Frage, ob der Rechtsstreit mit Rücksicht auf die E-Mail des Beklagten vom 18. April 2008 ohne Beteiligung des Gerichts beigelegt werden könne. Diese E-Mail, die sich nach Darstellung der Rechtsanwältin nicht bei ihren Akten befand und die der Beklagte nach dem Telefonat übersandte, enthielt - wie sich dem Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 7. August 2008 entnehmen lässt - zwar nicht die geforderte, wohl aber eine inhaltsähnliche, etwas abgemilderte Unterlassungserklärung des Beklagten. Die Rechtsanwältin hatte dem Beklagten im Telefonat anheimgestellt, diese Unterlassungserklärung abzugeben und erklärt, der Kläger werde dann - falls sein Unterlassungsanspruch damit erfüllt sei - den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären. Sie hat dem Beklagten demnach zugesagt, im Falle der Abgabe der Überlassungserklärung zu prüfen, ob der Rechtsstreit mit Blick auf diese Erklärung namens des Klägers für erledigt erklärt werden kann. Sie hat dem Beklagten damit eine konkrete Möglichkeit zur außergerichtlichen Beendigung des Klageverfahrens aufgezeigt und sich somit ernsthaft um einen Abschluss des Verfahrens ohne Beteiligung des Gerichts bemüht.
9
III. Danach ist der angefochtene Beschluss des Beschwerdegerichts aufzuheben und der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts in seiner durch den angefochtenen Beschluss berichtigten Fassung dahingehend abzuändern, dass der Beklagte der Klägerin über die in diesem Beschluss festgesetzten Kosten hinaus weitere 922,49 € nebst Zinsen zu erstatten hat.
10
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm Büscher Schaffert
Kirchhoff Koch
Vorinstanzen:
LG Dresden, Entscheidung vom 16.12.2008 - 42 HKO 177/08 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 15.01.2009 - 3 W 2/09 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Jan. 2010 - I ZB 14/09

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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 575 Frist, Form und Begründung der Rechtsbeschwerde


(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der E

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91a Kosten bei Erledigung der Hauptsache


(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksich
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Zivilprozessordnung - ZPO | § 319 Berichtigung des Urteils


(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen. (2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil un

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 2 Höhe der Vergütung


(1) Die Gebühren werden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert). (2) Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1

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(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen.

(2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(3) Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.

(1) Die Gebühren werden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert).

(2) Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz. Gebühren werden auf den nächstliegenden Cent auf- oder abgerundet; 0,5 Cent werden aufgerundet.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI ZB 38/05
vom
27. Februar 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
RVG § 2; RVG VV Nr. 3202, 3104, Vorbem. 3 Abs. 3
Für die Entstehung einer Terminsgebühr gemäß Nr. 3202 i.V. mit Vorbemerkung
3 Abs. 3 des Vergütungsverzeichnisses reicht es aus, wenn bestimmte
Rahmenbedingungen für eine mögliche Einigung in mehreren Parallelverfahren
abgeklärt und/oder unterschiedliche Vorstellungen der Prozessparteien über die
Erledigung der Parallelfälle unter Einschluss des streitigen Verfahrens ausgetauscht
werden.
BGH, Beschluss vom 27. Februar 2007 - XI ZB 38/05 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Nobbe, die Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, die Richterin Mayen
und den Richter Dr. Grüneberg
am 27. Februar 2007

beschlossen:
Auf die Rechtsmittel der Kläger werden der Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 2. Dezember 2005 aufgehoben und der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Mannheim vom 4. August 2005 - 9 O 524/03 - dahingehend abgeändert, dass die Beklagte den Klägern über die in diesem Beschluss festgesetzten Kosten hinaus weitere 787,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. Mai 2005 zu erstatten hat.
Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 787,87 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die Parteien streiten über die Ersatzfähigkeit einer Terminsgebühr.
2
Die Kläger haben für das Berufungsverfahren die Festsetzung einer Terminsgebühr von 787,87 € zuzüglich Zinsen gemäß Nr. 3202 i.V. mit Vorbemerkung 3 Abs. 3 des Vergütungsverzeichnisses (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG, im Folgenden: RVG VV) beantragt. Zur Begründung haben sie vorgetragen, vor der Berufungsrücknahme durch die Beklagte habe ihr Prozessbevollmächtigter, der außer ihnen eine größere Anzahl weiterer Fondsgesellschafter vertreten habe, mit einem Mitarbeiter der beklagten Sparkasse telefonisch die Möglichkeiten einer außergerichtlichen Erledigung sämtlicher Verfahren unter Bildung verschiedener Fallgruppen erörtert. Die Gespräche hätten letztlich zur Rücknahme der Berufung durch die Beklagte geführt.
3
Landgericht Das hat die Festsetzung der Terminsgebühr abgelehnt. Die sofortige Beschwerde der Kläger hatte keinen Erfolg. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Oberlandesgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Terminsgebühr für eine außergerichtliche Besprechung über die Erledigung des anhängigen Verfahrens sei zwar grundsätzlich nach §§ 103, 104 ZPO festsetzungsfähig. Die restriktiv zu interpretierenden Voraussetzungen für das Entstehen einer Terminsgebühr lägen aber nicht vor. Eine gebührenrelevante Besprechung könne nicht schon bei einem beiläufigen und pauschalen Vorgespräch über eine mögliche Verfahrenserledigung bejaht werden, sondern setze eine für die angestrebte Erledigung des konkreten Rechtsstreits (möglicherweise) entscheidende Unterredung voraus. Das von den Klägern angeführte Telefongespräch erfülle diese Voraussetzungen ausgehend von der auszugsweise wiedergegebenen Aktennotiz nicht. Vielmehr habe es sich danach nur um ein allgemeines Sondierungsgespräch zur Vorbereitung späterer eventueller Vergleichsverhandlungen für sämtliche Parallelverfahren ohne hinreichend konkreten Bezug zur Klage der Kläger gehandelt.

II.


4
Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet; sie führt zur Festsetzung weiterer 787,87 € zugunsten der Kläger gemäß Nr. 3202, 7008 i.V. mit Vorbemerkung 3 Abs. 3 RVG VV.
5
1. Das Beschwerdegericht hat die von den Klägern beanspruchte Terminsgebühr zu Recht nach §§ 103, 104 ZPO als festsetzungsfähig angesehen (siehe BGH, Beschlüsse vom 14. Dezember 2006 - V ZB 11/06, Umdruck S. 4 f. Tz. 8 f. und vom 20. November 2006 - II ZB 6/06, Umdruck S. 4, Tz. 6; Hansens JurBüro 2004, 249, 250; Mayer, in: Mayer/ Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz 2. Aufl. Vorbem. 3 Rdn. 54). Die in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung zum Teil vertretene Gegenmeinung (vgl. OLG Jena AGS 2005, 516 f.; OLG Stuttgart NJW-RR 2006, 932 und NJW 2006, 2196) überzeugt nicht.
6
aa) Nach §§ 103, 104 ZPO sind grundsätzlich alle von der unterliegenden Partei gemäß § 91 Abs. 1 und 2 ZPO zu tragenden Kosten des Rechtsstreits festsetzungsfähig (vgl. MünchKommZPO/Belz, 2. Aufl. § 103 Rdn. 34; Musielak/Wolst, ZPO 5. Aufl. § 103 Rdn. 6). Dazu zählt auch die Gebühr für die Mitwirkung an einer auf die Erledigung des gerichtlichen Verfahrens gerichteten außergerichtlichen Besprechung, die einen ausreichenden Bezug zu dem jeweiligen Rechtsstreit aufweist. Der Einwand, die Voraussetzungen einer derartigen Gebühr ließen sich in der Praxis häufig nicht zuverlässig feststellen, greift nicht. Dass das formalisierte Kostenfestsetzungsverfahren im Interesse der Rechtssicherheit klarer und praktikabler Berechungsgrundlagen bedarf (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. September 2002 - III ZR 22/02, NJW 2002, 3713 und vom 28. März 2006 - VIII ZB 29/05, NJW 2006, 1523, 1524), bedeutet nicht, dass Kosten, die nicht ohne weiteres anhand der Gerichtsakten oder anderer Urkunden feststellbar sind, nicht festsetzungsfähig sind. Wie sich aus § 104 Abs. 2 ZPO ergibt, reicht für die Berücksichtigung einer prozessbezogenen Kostenposition deren Glaubhaftmachung aus, wobei sich der Rechtspfleger sämtlicher Beweismittel des § 294 Abs. 1 ZPO bedienen kann und muss (vgl. MünchKommZPO/Belz, aaO § 104 Rdn. 11; Bork, in: Stein/Jonas, ZPO 22. Aufl. § 104 Rdn. 3 f.). Folgerichtig werden z.B. durch die Terminswahrnehmung entstandene Reisekosten oder Verdienstausfälle der betroffenen Partei allgemein als festsetzungsfähig angesehen (vgl. MünchKommZPO/Belz, aaO § 91 Rdn. 23; Zöller/Herget, ZPO 26. Aufl. § 91 Rdn. 13 "Reisekosten", "Zeitversäumnis"

).


7
bb) Zwar hat der Bundesgerichtshof für die gerichtliche Festsetzung einer Vergleichs- oder Einigungsgebühr aus Gründen der Rechtssi- cherheit und Praktikabilität einen gerichtlich protokollierten Vergleich gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gefordert (BGH, Beschlüsse vom 26. September 2002 - III ZB 22/02, NJW 2002, 3713 f. und vom 28. März 2006 - VIII ZB 29/05, NJW 2006, 1523, 1524). Im Unterschied dazu bedarf es für die Feststellung, ob die Voraussetzungen einer Terminsgebühr im konkreten Streitfall vorliegen, aber in aller Regel nicht der Klärung schwieriger materiell-rechtlicher Fragen. Eine Parallele lässt sich daher entgegen der Ansicht der Beklagten nicht ziehen.
8
cc) Diese Betrachtungsweise entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Mit der Anerkennung der Terminsgebühr soll das ernsthafte Bemühen des Prozessbevollmächtigten um einen Abschluss des Verfahrens ohne Beteiligung des Gerichts honoriert und damit zugleich die außergerichtliche Streitbeilegung - auch zur Entlastung der Gerichte - gefördert werden (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 148, 209). Dieser Zielsetzung widerspräche es, wenn der Anwalt dazu veranlasst würde, entweder einen gerichtlichen Termin anzustreben, um damit eine Festsetzung der Terminsgebühr gemäß §§ 103 ff. ZPO sicherzustellen, oder ein eigenes gerichtliches Verfahren über seinen materiell-rechtlichen Erstattungsanspruch durchzuführen.
9
2. Indessen hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerhaft zu hohe Anforderungen an die Voraussetzungen der Terminsgebühr gestellt.
10
a) Zwar wird die Gebühr nicht schon durch ein allgemeines Gespräch über die grundsätzliche Bereitschaft oder abstrakte Möglichkeit einer außergerichtlichen Erledigung ausgelöst. Vielmehr muss es sich gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 3 RVG VV um eine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung handeln. Gerade bei komplexen Sachverhalten und/oder mehreren Parallelverfahren kann es aber nach Sinn und Zweck der Vorschrift ausreichen, wenn bestimmte Rahmenbedingungen für eine mögliche Einigung abgeklärt und/oder unterschiedliche Vorstellungen über die Erledigung der Parallelfälle unter Einschluss des streitigen Verfahrens ausgetauscht werden (vgl. OLG Nürnberg OLGReport 2006, 536 f.; OVG Hamburg NJW 2006, 1543 f.; MüllerRabe , in: Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz 17. Aufl. Vorbem. 3 VV Rdn. 97; Hansens RVGReport 2005, 434; Mayer, in: Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz 2. Aufl. Vorbem. 3 Rdn. 50). Dabei reicht es aus, wenn sich der Gesprächspartner an einer außergerichtlichen Erledigung des Rechtsstreits interessiert zeigt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. November 2006 - II ZB 9/06, Umdruck S. 4 f., juris Tz. 7 f.; OLG Nürnberg OLGReport 2006, 536 f.; Bischof, in: Bischof/Jungbauer/PodlechTrappmann , Kompaktkommentar RVG Teil 3 Nr. 3.3.3 (3) bis (5); MüllerRabe , in: Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz 17. Aufl. Vorbem. 3 VV Rdn. 92; Hergenröder AGS 2006, 106, 108). Dass der Gesetzgeber in erster Linie nur erfolgreiche außergerichtliche Verhandlungen der Parteien honorieren wollte, ist dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift (vgl. BTDrucks. 15/1971, S. 148, 209) nicht zu entnehmen.
11
b) Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Beschwerdegericht - wie die Kläger zu Recht geltend machen - das Entstehen einer Terminsgebühr zu Unrecht verneint. Nach der Aktennotiz des Klägervertreters hat er in dem Telefonat mit dem Mitarbeiter der Beklagten u.a. Möglichkeiten der Beendigung der anhängigen Berufungsverfahren einge- hend erörtert, zu denen auch das Verfahren der Kläger zählte. Hierbei wurde von dem Mitarbeiter der Beklagten die Rücknahme sämtlicher Berufungen sowie - nach Einholung eines entsprechenden Vorstandsbeschlusses - die Unterbreitung konkreter Vergleichsvorschläge binnen zweier Wochen in Aussicht gestellt. Danach hat sich der Klägervertreter in einer Besprechung mit dem Prozessgegner ernsthaft um eine außergerichtliche Erledigung des vorliegenden Rechtsstreits im Sinne der Vorbemerkung 3 Abs. 3 RVG VV bemüht.

III.


12
Beschluss Der des Beschwerdegerichts war danach aufzuheben (§ 577 Abs. 4 Satz 1, 1. Halbs. ZPO). Da es keiner weiteren Feststellungen bedurfte, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO).
Nobbe Müller Joeres Mayen Grüneberg
Vorinstanzen:
LG Mannheim, Entscheidung vom 04.08.2005 - 9 O 524/03 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 02.12.2005 - 15 W 55/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 9/06
vom
20. November 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
RVG § 2 Abs. 2; RVG VV Nr. 3104
Eine Terminsgebühr fällt an, wenn der Gegner eine auf die Erledigung des Verfahrens
gerichtete Erklärung zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine Partei
entgegennimmt.
BGH, Beschluss vom 20. November 2006 - II ZB 9/06 - OLG Nürnberg
LG Weiden i.d. Oberpfalz
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 20. November 2006
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly,
Kraemer, Prof. Dr. Gehrlein und Dr. Reichart

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin werden der Beschluss des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 22. Februar 2006 aufgehoben und der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Weiden in der Oberpfalz vom 25. Oktober 2005 abgeändert und wie folgt neu gefasst.
Die von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten werden auf 2.473,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2005 festgesetzt.
Der Beklagte trägt die Kosten der Beschwerdeverfahren.
Beschwerdewert: 455,94 €

Gründe:


1
I. Die Klägerin hat vor dem Landgericht Weiden in der Oberpfalz gegen den Beklagten zu 2 (nachfolgend Beklagter) einen Zahlungsanspruch wegen Nichtabführung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung verfolgt. Zwecks einverständlicher Erledigung des Rechtsstreits hat der Prozessbevoll- mächtigte der Klägerin - nach Rücknahme der gegen den Beklagten zu 1 als weiteren Gesamtschuldner erhobenen Klage - am 14. Juni 2005 mit dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten eine fernmündliche Unterredung geführt. Dabei äußerte der Vertreter des Beklagten, die Ausführungen der Klägerseite zur Kenntnis zu nehmen und an den Beklagten, der über das weitere Vorgehen entscheide, weiterzuleiten. Das Landgericht hat gegen den im Verhandlungstermin vom 29. Juli 2005 nicht erschienenen Beklagten ein - zwischenzeitlich rechtskräftiges - Versäumnisurteil auf Zahlung von 54.950,51 € erlassen; ferner sind dem Beklagten die Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin auferlegt worden.
2
Die Klägerin hat u.a. die Festsetzung einer 1,2-fachen Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) beantragt. Das Landgericht hat lediglich eine 0,5-fache Terminsgebühr (Nr. 3105 VV RVG) festgesetzt. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
3
II. Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Zugunsten der Klägerin ist gemäß § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 in Verbindung mit Nr. 3104 VV eine 1,2fache Terminsgebühr angefallen, so dass die ihr zu erstattenden Kosten um 455,94 € auf 2.473,95 € zu erhöhen sind.
4
1. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, eine Terminsgebühr falle zwar auch an, wenn kein Verhandlungstermin stattgefunden, der Rechtsanwalt aber eine außergerichtliche Besprechung mit dem Ziel der Erledigung des Verfahrens durchgeführt habe. Hierzu reiche eine kurzfristige telefonische Kontaktaufnahme aus, sofern der Gegner die Bereitschaft zeige, ein sachbezogenes, der Verfahrenserledigung dienendes Gespräch zu führen. Hier fehle es aber an dem gebotenen Meinungsaustausch über tatsächliche oder rechtliche Standpunkte , weil der Vertreter des Beklagten die Ausführungen des Klägers lediglich zur Kenntnis genommen habe, ohne in eine Verhandlung über die Sache selbst oder das weitere prozessuale Vorgehen einzutreten.
5
2. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
6
a) Nach § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 verdient der Rechtsanwalt die Terminsgebühr auch durch die Mitwirkung an einer auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts. Die Terminsgebühr ersetzt nach dem Willen des Gesetzgebers sowohl die frühere Verhandlungs- als auch die frühere Erörterungsgebühr. Im Vergleich zu diesen Gebühren ist der Anwendungsbereich der Terminsgebühr erweitert worden. Im Interesse der Vereinfachung und insbesondere zur Beseitigung früherer Streitfragen sind durch die Fassung des Gebührentatbestandes die Unterschiede zwischen einer streitigen oder nicht streitigen Verhandlung, ein- oder zweiseitiger Erörterung sowie zwischen Verhandlungen zur Sache oder zur Prozess - und Sachleitung entfallen (BT-Drucks. 15/1971 S. 209).
7
b) Entsprechend der gesetzgeberischen Intention, an das Merkmal einer - auch telefonisch durchführbaren (Sen.Beschl. v. 3. Juli 2006 - II ZB 31/05, Umdruck S. 5, z.V.b.; Schons in Hartung/Römermann/Schons, RVG 2. Aufl. Vorbemerkung 3 VV Rdn. 27; Keller in Riedel/Sußbauer, RVG 9. Aufl. VV Teil 3 Vorbemerkung 3 Rdn. 49) - Besprechung keine besonderen Anforderungen zu stellen, entsteht die Gebühr auch dann, wenn der Gegner - wie hier - die auf eine Erledigung des Verfahrens gerichteten Äußerungen zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine Partei zur Kenntnis nimmt.
8
Eine auf eine Erledigung gerichtete Besprechung setzt als mündlicher Austausch von Erklärungen (Keller aaO) die Bereitschaft der Gegenseite voraus , überhaupt in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten. Verweigert der Gegner von vornherein entweder ein sachbezogenes Gespräch oder eine gütliche Einigung, kommt eine Besprechung bereits im Ansatz nicht zustande (Müller-Rabe in Gerold/ Schmidt/von Eicken, RVG 17. Aufl. Vorbemerkung 3 VV Rdn. 92 f.). Im Unterschied dazu ist von einer Besprechung auszugehen, wenn sich der Gegner auf das Gespräch einlässt, indem er die ihm unterbreiteten Vorschläge zur Kenntnis nimmt und deren Prüfung zusagt. Da der Gebührentatbestand nicht an den Erfolg einer gütlichen Einigung anknüpft (Schons aaO Rdn. 34; Mayer in Mayer /Kroiß, RVG 2. Aufl. Vorbemerkung 3 Rdn. 50), sind an die mündliche Reaktion des Gegners über Kenntnisnahme und Prüfung des Vorschlags hinausgehende Anforderungen nicht zu stellen. Diese Würdigung steht im Einklang mit den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 15/1971 S. 209), wonach die Unterscheidung zwischen einer ein- und zweiseitigen Erörterung aufgegeben werden soll. Da der Bevollmächtigte des Beklagten die Vorschläge der Klägerin zwecks Weiterleitung an seine Partei zur Kenntnis genommen und damit (zumindest konkludent ) eine Prüfung zugesagt hat, ist die Terminsgebühr entstanden (OLG Koblenz NJW 2005, 2162 f.; Mayer aaO; Müller/Rabe aaO Rdn. 92 f.).
9
c) Danach ergibt sich - unter Korrektur (BGHZ 133, 184, 191; 106, 370, 373) eines offensichtlichen Schreibfehlers im Kostenfestsetzungsbeschluss (2.018,01 € statt 2.108,01 €) - folgende Abrechnung: Die der Klägerin tatsächlich zustehende 1,2-Gebühr ist - ausgehend von einer bei einem Streitwert von 54.950,51 € anfallenden 1,0-Gebühr über 1.123,00 € - mit 1.347,60 € zu bemessen , aber um die bereits zu ihren Gunsten berücksichtigte 0,5-Gebühr (561,50 €) zu reduzieren. Aus der Differenz in Höhe von 786,10 € kann die Klä- gerin die Erstattung der Hälfte (393,05 €) beanspruchen, so dass zuzüglich 16 % Umsatzsteuer (62,89 €) zu ihren Gunsten weitere 455,94 € festzusetzen sind. Mithin ergibt sich der im Tenor ausgewiesene Gesamtbetrag von 2.473,95 €.

Goette Kurzwelly Kraemer Gehrlein Reichart

Vorinstanzen:
LG Weiden i.d. OPf., Entscheidung vom 25.10.2005 - 1 O 756/03 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 22.02.2006 - 4 W 97/06 -

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.