Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Nov. 2016 - XII ZB 173/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:301116BXIIZB173.16.0
bei uns veröffentlicht am30.11.2016
vorgehend
Amtsgericht Eschwege, 5 F 619/14 AB, 24.07.2015
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 2 UF 327/15, 09.03.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 173/16
vom
30. November 2016
in der Abstammungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Der Anspruch aus § 1598 a Abs. 1 Satz 1 BGB setzt voraus, dass die leibliche
Abstammung des Kindes nicht bereits durch ein Abstammungsgutachten
geklärt ist.

b) Ausnahmsweise kann trotz vorliegenden Abstammungsgutachtens ein Bedürfnis
nach (weiterer) Klärung und damit ein Anspruch gemäß § 1598 a
Abs. 1 Satz 1 BGB gegeben sein. Das kann zum einen bei fehlerhafter
Durchführung der Begutachtung und zum anderen dann zu bejahen sein,
wenn das frühere Gutachten lediglich zu einem Grad der Gewissheit geführt
hat, der dem nach aktuellen wissenschaftlichen Standards zu erreichenden
eindeutig unterlegen ist. Letzteres ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn der
in dem schon erstellten Gutachten ermittelte Wahrscheinlichkeitsgrad nach
wie vor zur höchstmöglichen Wahrscheinlichkeitsstufe führen würde.
BGH, Beschluss vom 30. November 2016 - XII ZB 173/16 - OLG Frankfurt am Main
AG Eschwege
ECLI:DE:BGH:2016:301116BXIIZB173.16.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. November 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. NeddenBoeger und Guhling und die Richterin Dr. Krüger
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Familiensenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 9. März 2016 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen. Wert: 2.000 €

Gründe:

I.

1
Der Antragsteller macht gegen seinen Sohn und dessen Mutter den Anspruch auf Klärung der leiblichen Abstammung nach § 1598 a Abs. 1 Satz 1 BGB geltend.
2
Für den am 10. Oktober 1984 von der Beteiligten zu 3 (im Folgenden: Mutter) geborenen Beteiligten zu 1 (im Folgenden: Sohn) hatte das Amtsgericht Nürnberg mit Endurteil vom 14. November 1985 - rechtskräftig seit 4. Januar 1986 - die Vaterschaft des Antragstellers (Beteiligter zu 2) festgestellt. Dabei hatte es sich auf ein Blutgruppengutachten und ein Blutgruppenergänzungsgutachten unter Einbeziehung des HLA-Systems mit einer Vaterschaftswahr- scheinlichkeit nach Essen-Möller von 99,9945 % („Vaterschaft praktisch erwie- sen“) gestützt sowie auf die uneidliche Zeugenaussage der Mutter.
3
Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller beantragt, für seinen Sohn und dessen Mutter die Einwilligung in die Entnahme einer genetischen Probe zu ersetzen und die Duldung der Probeentnahme anzuordnen. Er hat unter anderem geltend gemacht, im September 2014 erfahren zu haben, dass die Mutter „freundschaftlichen“ Kontakt mit anderen Männern gehabt habe. Außerdem habe er schon im Jahre 1965 eine Hodensackprellung erlitten. Weder aus seiner ersten, 13 Jahre dauernden Ehe noch aus der 18 Jahre währenden Verbindung mit seiner zweiten Frau seien leibliche Kinder hervorgegangen. Daher habe er Zweifel an seiner Vaterschaft.
4
Das Amtsgericht hat erfolglos versucht, die Akte des Vaterschaftsfeststellungsverfahrens beizuziehen, und dem Begehren des Antragstellers stattgegeben , weil sich der seinerzeitige Verfahrensgang nicht nachvollziehen lasse. Auf die Beschwerde von Mutter und Sohn hat das Oberlandesgericht - nachdem die Verfahrensakte des Amtsgerichts Nürnberg aufgefunden und in vollständiger Kopie vorgelegt worden war - die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und den Antrag zurückgewiesen.
5
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde , mit der er das Ziel der Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses verfolgt.

II.

6
Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.
7
1. Das Oberlandesgericht hat seine unter anderem in FamRZ 2016, 1476 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:
8
Das Amtsgericht sei nach dem erstinstanzlichen Sachstand vertretbar davon ausgegangen, dass der Antragsteller ein Interesse haben könne, durch ein Sachverständigengutachten Gewissheit über seine Vaterschaft zu erhalten. Aufgrund der Nachermittlungen im Beschwerdeverfahren sei davon jedoch nicht mehr auszugehen. Aus der beigezogenen Akte ergebe sich, dass bereits zwei Blutgruppengutachten eingeholt worden seien, deren Ergebnisse eindeutig den Antragsteller als Vater auswiesen. Zwar setze § 1598 a BGB lediglich voraus, dass die rechtliche Vaterschaft bestehe, eine vorangegangene Aufforderung zur Mitwirkung erfolglos bleibe und nicht das Wohl eines minderjährigen Kindes entgegenstehe. Sei im Rahmen eines früheren Abstammungsverfahrens nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Vaterschaft des rechtlichen Vaters bereits bestätigt worden, könne aber ein Rechtsmissbrauch vorliegen.
9
Das sei hier eindeutig der Fall. Die Blutgruppengutachten wiesen keine Fehler auf, der Antragsteller berufe sich auch nicht auf solche. Aus seinem Vortrag zur erfolgreichen Anfechtung der Vaterschaft für seinen damals elfjährigen Sohn ergäben sich auch keine Hinweise auf eine Unfruchtbarkeit, so dass keinerlei Zweifel an der Richtigkeit der Blutgruppengutachten bestünden. Solche Zweifel folgten nicht allein aus der heute gegebenen Möglichkeit einer gendiagnostischen Begutachtung. Der Antragsteller könne sich auch nicht darauf berufen , dass er mit einem etwaig anders ausfallenden gendiagnostischen Gutachten nach § 185 FamFG ein Restitutionsverfahren für das seine Vaterschaft feststellende Urteil herbeiführen könne. Ein Restitutionsverfahren könne nur mit einem nach freiwilliger Mitwirkung der Mutter und des Kindes erstellten Gutachten geführt werden. Denn § 1598 a BGB müsse verfassungskonform dahin ausgelegt werden, dass der Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit nur gerechtfertigt sei, wenn auf der anderen Seite das Recht auf Kenntnis der Abstammung ernstlich betroffen sei. § 185 Abs. 1 FamFG gehe davon aus, dass das Restitutionsverfahren sich auf ein bereits vorliegendes Gutachten stütze. Die theoretische Möglichkeit eines solchen nachgelagerten Verfahrens könne daher das rechtliche Interesse an der Einholung eines Gutachtens im Sinne des § 1598 a BGB nicht ersetzen. Der Zusammenhang zwischen § 1598 a BGB und § 185 FamFG könne nicht dazu beitragen , dass rechtliche Väter jeweils nach Etablierung neuer Gutachtenmethoden die Mutter und das Kind in neue Untersuchungen zwängen, um einer bestehenden minimalen Aussicht auf Restitution nachzugehen. Solches sei weder mit der Einführung des § 1598 a BGB beabsichtigt gewesen noch könne die auf Rechtssicherheit im Statusverfahren abstellende Restitutionsmöglichkeit dahin ausgedehnt werden.
10
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Anspruch aus § 1598 a Abs. 1 Satz 1 BGB nicht zu, weil seine leibliche Vaterschaft für seinen Sohn bereits geklärt ist.
11
a) Nach § 1598 a Abs. 1 Satz 1 BGB können Vater, Mutter und Kind zur Klärung der leiblichen Abstammung des Kindes voneinander verlangen, in eine genetische Abstammungsuntersuchung einzuwilligen und die Entnahme einer für die Untersuchung geeigneten genetischen Probe zu dulden. Gemäß § 1598 a Abs. 2 BGB hat das Familiengericht auf Antrag eines Klärungsberechtigten eine nicht erteilte Einwilligung zu ersetzen und die Duldung einer Probeentnahme anzuordnen.
12
In Rechtsprechung und Literatur ist die Auffassung verbreitet, für den Anspruch aus § 1598 a Abs. 1 Satz 1 BGB bestünden über das in der Vorschrift bezeichnete Verwandtschaftsverhältnis hinaus keine weiteren Voraussetzungen (vgl. etwa OLG Koblenz FamRZ 2014, 406, 407; OLG München FamRZ 2011, 1878; OLG Stuttgart FamRZ 2010, 53; Grün in Heilmann Praxiskommentar Kindschaftsrecht § 1598 a Rn. 8; jurisPK-BGB/Nickel [Stand: 15. Oktober 2016] § 1598 a Rn. 15; Kemper NZFam 2016, 575; MünchKommBGB/Wellenhofer 6. Aufl. § 1598 a Rn. 5; Muscheler FPR 2008, 257, 261; Staudinger/Rauscher BGB [2011] § 1598 a Rn. 22). Der Anspruch werde - abgesehen von den in § 1598 a Abs. 3 BGB genannten Gründen des Kindeswohls bei minderjährigen Kindern - lediglich durch § 242 BGB in den Fällen des Rechtsmissbrauchs begrenzt (vgl. etwa OLG Koblenz FamRZ 2014, 406, 407; OLG München FamRZ 2011, 1878; OLG Stuttgart FamRZ 2010, 53; Grün in Heilmann Praxiskommentar Kindschaftsrecht § 1598 a Rn. 10; jurisPK-BGB/Nickel [Stand: 15. Oktober 2016] § 1598 a Rn. 15; Helms FamRZ 2008, 1033 f.; Schwonberg in Rahm/Künkel Handbuch Familien- und Familienverfahrensrecht [Stand: Juni 2016] I 9 B Rn. 158; Schwonberg FamRZ 2016, 1424, 1426; Staudinger /Rauscher BGB [2011] § 1598 a Rn. 24). Ein derartiger Rechtsmissbrauch soll etwa in Betracht kommen, wenn in einem vorangegangenen Abstammungsverfahren schon ein Abstammungsgutachten nach den anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen und mit einem eindeutigen Ergebnis erstattet worden ist (vgl. etwa OLG Koblenz FamRZ 2014, 406, 407; OLG München FamRZ 2011, 1878; OLG Stuttgart FamRZ 2010, 53).
13
Vertreten wird allerdings auch, der Anspruch selbst könne nur insoweit bestehen, als dies erforderlich sei, um die Kenntnis von der leiblichen Abstammung zu ermöglichen. Sei diese bereits hinreichend sicher vorhanden, sei der Anspruch gerade nicht erforderlich und § 1598 a BGB in seinem Anwendungsbereich daher entsprechend teleologisch zu reduzieren (vgl. Muscheler FPR 2008, 257, 261; vgl. auch BeckOGK/Reuß BGB [Stand: 1. September 2016] § 1598 a Rn. 154; offen gelassen von OLG Düsseldorf JAmt 2011, 31 f.).
14
b) Die letztgenannte Auffassung trifft insofern zu, als der Anspruch aus § 1598 a Abs. 1 Satz 1 BGB voraussetzt, dass die leibliche Abstammung des Kindes nicht bereits durch ein Abstammungsgutachten geklärt ist.
15
aa) Schon der Wortlaut der Vorschrift, die den Anspruch „zur Klärung der leiblichen Abstammung des Kindes“ gewährt, weist deutlich in diese Richtung (vgl. Muscheler FPR 2008, 257, 261). Die Regelung des § 1598 a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BGB erschöpft sich nicht darin, als Tatbestandsvoraussetzung für die in § 1598 a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BGB genannte Rechtsfolge einzelne Verwandtschaftsbeziehungen zwischen der anspruchsberechtigten Person und den Anspruchsverpflichteten aufzulisten, sondern stellt diesen eine ausdrückliche Zweckbestimmung voran. Dafür, dass dem Gesetzestext insoweit die Eigenschaft als weiteres Tatbestandsmerkmal abzusprechen wäre, sind der Norm keine Anhaltspunkte zu entnehmen. Wenn der Anspruch aber lediglich „zur Klä- rung“ eingeräumt wird, kann er nicht bestehen, wenn eine Klärung im Sinne des § 1598 a Abs. 1 Satz 1 BGB bereits erfolgt ist.
16
Mit dem Begriff der Klärung ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht eine rechtlich verbindliche Statusfeststellung gemeint, sondern allein eine Untersuchung der Abstammung des Kindes mittels naturwissenschaftlicher Methoden. Denn die Vorschrift betrifft nicht die rechtliche, sondern die leibliche Abstammung , die Gegenstand einer genetischen Untersuchung sein soll. Diese kann nur im Wege der Begutachtung durch einen Sachverständigen erfolgen. Demgegenüber sind für den Abstammungsnachweis im Statusverfahren stets auch andere Beweismittel wie etwa der Zeugenbeweis in Betracht zu ziehen, und zwar auch dann, wenn eine Begutachtung nach biostatistischen Methoden eine hohe Abstammungswahrscheinlichkeit ergibt. Denn der positive „Nachweis" der Elternschaft mit biometrischen (biostatistischen) Methoden beruht letztlich nur auf einer Wahrscheinlichkeitsrechnung, die die - wenn auch unter Umständen äußerst geringe - Möglichkeit einer anderen Abstammung des Kindes nicht mit absoluter mathematisch-naturwissenschaftlicher Gewissheit auszuschließen vermag. Dies würde nämlich einen in der Praxis nicht erreichbaren Wahrscheinlichkeitswert von W = 100 % erfordern (vgl. Senatsurteil BGHZ 168, 79 = FamRZ 2006, 1745, 1746 mwN).
17
Die Vorschrift ist mithin schon ihrem Wortlaut nach allein auf eine Klärung durch naturwissenschaftliche Begutachtung gerichtet. Ist eine solche aber bereits erfolgt, schließt dies grundsätzlich eine - dann nochmalige - sachverständige Abstammungsuntersuchung mangels Klärungsbedürfnisses aus.
18
bb) Dass § 1598 a BGB keinen solchen abermaligen Klärungsanspruch gewährt, wird durch die Gesetzgebungsgeschichte im Zusammenhang mit der Einfügung des § 1598 a BGB in das Bürgerliche Gesetzbuch durch das Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 441) mit Wirkung zum 1. April 2008 gestützt.
19
(1) Mit Urteilen vom 12. Januar 2005 (BGHZ 162, 1 = FamRZ 2005, 340 und XII ZR 60/03 - FamRZ 2005, 342) hatte der Senat entschieden, dass der für eine Vaterschaftsanfechtungsklage erforderliche Anfangsverdacht nicht durch ein heimlich eingeholtes DNA-Gutachten dargelegt werden kann. Denn die Verwendung und Untersuchung des DNA-Identifizierungsmusters ohne Zustimmung des Betroffenen verletzt dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Heimlich veranlasste DNA-Vaterschaftsanalysen sind deshalb rechtswidrig und im Vaterschaftsanfechtungsverfahren gegen den Willen des Kindes oder seines gesetzlichen Vertreters nicht verwertbar, und zwar auch nicht zur schlüssigen Darlegung von Zweifeln an der Vaterschaft im Sinne des § 1600 b BGB.
20
(2) Das Bundesverfassungsgericht hatte dies mit Urteil vom 13. Februar 2007 (FamRZ 2007, 441) bestätigt, zugleich aber dem Gesetzgeber aufgegeben , bis zum 31. März 2008 eine Regelung zu einem rechtsförmigen Verfahren zu treffen, mit dem die leibliche Abstammung eines Kindes von seinem rechtlichen Vater geklärt und nur ihr Bestehen oder Nichtbestehen festgestellt werden kann.
21
Dem lag die Erwägung zugrunde, dass Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG als Ausformung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht nur das Recht eines Mannes auf Kenntnis der Abstammung des ihm rechtlich zugeordneten Kindes gewährleistet, sondern auch auf Verwirklichung dieses Rechts. Die Rechtsordnung muss daher ein Verfahren bereitstellen, um dem rechtlichen Vater eine Feststellung der Vaterschaft zu ermöglichen (BVerfG FamRZ 2007, 441, 442). Dem wird das Anfechtungsverfahren gemäß §§ 1600 ff. BGB, das dazu dient, die rechtliche und die biologische Vaterschaft zusammenzuführen, und das die rechtliche Vaterschaft beendet, wenn sich die Nichtabstammung des Kindes von seinem rechtlichen Vater erweist, nicht gerecht (BVerfG FamRZ 2007, 441, 445). Denn ein solches Verfahren ist auf das Ziel der Beendigung der rechtlichen Vaterschaft ausgerichtet und damit für das grundrechtlich geschützte Begehren, allein oder zunächst einmal nur Kenntnis von der Abstammung des dem Vater rechtlich zugeordneten Kindes zu erlangen, zu weitgehend und nicht angemessen. Es zwingt den rechtlichen Vater dazu, bei Verfolgung seines Interesses, die Abstammung des Kindes von ihm zu erfahren, zugleich auch den möglichen Verlust seiner rechtlichen Vaterschaft in Kauf zu nehmen oder, wenn er dies nicht will, darauf zu verzichten, Kenntnis von der Abstammung des Kindes zu erlangen. Auch die gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen die Vaterschaft angefochten werden kann, sind, bezogen auf die Verfolgung des Interesses, Kenntnis von der Abstammung seines Kindes zu erlangen, unverhältnismäßig. Sie sind an dem Schutz ausgerichtet, der dem Kind und seiner Mutter im Hinblick auf den Bestand der rechtlichen und sozialen familiären Beziehung mit dem Vater zukommt, der bei einer Anfechtung der Vaterschaft gefährdet ist (BVerfG FamRZ 2007, 441, 446).
22
(3) In Umsetzung dieses Auftrags hat der Gesetzgeber mit § 1598 a BGB einen Anspruch geschaffen, der es möglich machen soll, die genetische Abstammung auf offenem Weg zu klären (BT-Drucks. 16/6561 S. 10). Der Gesetzgeber wollte den Anspruch in Anlehnung an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts bewusst niederschwellig ausgestalten. Der Anspruch soll unbefristet gelten und an keine besonderen Voraussetzungen gebunden sein. Auf ihn soll materiell-rechtlich lediglich die allgemeine Schranke missbräuchlicher Rechtsausübung Anwendung finden. Die Anspruchsberechtigung beruht nach den gesetzgeberischen Vorstellungen auf dem besonderen Interesse an der Klärung der Abstammung (BT-Drucks. 16/6561 S. 12).
23
(4) Wie bereits die Bezugnahme auf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts belegt, wollte der Gesetzgeber mit § 1598 a BGB nicht etwa einen Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung und auf Duldung der Probeentnahme völlig unabhängig davon schaffen, ob die leibliche Abstammung bereits geklärt ist. Denn das Bundesverfassungsgericht hatte im Ergebnis beanstandet, dass dem rechtlichen Vater in bestimmten Fallgestaltungen die Klärung seiner leiblichen Vaterschaft mittels Abstammungsgutachtens rechtlich vollständig versperrt war und er so keine naturwissenschaftlich gesicherte Kenntnis von der Abstammung des ihm rechtlich zugeordneten Kindes erhalten konnte. Ein Gesetzgebungsauftrag, bei bereits erfolgter Klärung in jedem Fall den Anspruch auf eine „Bestätigungsbegutachtung“ ein- zuführen, war damit jedoch nicht verbunden und sollte mithin durch § 1598 a BGB auch nicht umgesetzt werden. Vielmehr hat der Gesetzgeber gerade be- tont, dass es (allein) um die Klärung geht, was im Tatbestandsmerkmal „zur Klärung“ in § 1598 a Abs. 1 Satz 1 BGB seinen Niederschlag gefunden hat.
24
Dies ändert nichts daran, dass der Anspruch bei noch ausstehender Klä- rung „niederschwellig“ ausgestaltet ist, insbesondere anders als das Vater- schaftsanfechtungsverfahren keinen Anfangsverdacht voraussetzt, und lediglich - wie jeder zivilrechtliche Anspruch - durch die Grundsätze von Treu und Glauben nach § 242 BGB begrenzt wird.
25
cc) Für ein Gesetzesverständnis, das den Anspruch aus § 1598 a Abs. 1 Satz 1 BGB nur bei noch bestehendem (naturwissenschaftlichem) Klärungsbedarf zuerkennt, spricht des Weiteren der gesetzessystematische Zusammenhang.
26
§ 185 Abs. 1 FamFG hält für Abstammungssachen einen besonderen Wiederaufnahmegrund bereit. Danach ist der Restitutionsantrag gegen einen rechtskräftigen Beschluss, in dem über die Abstammung entschieden ist, auch statthaft, wenn ein Beteiligter ein neues Gutachten über die Abstammung vorlegt , das allein oder in Verbindung mit den im früheren Verfahren erhobenen Beweisen eine andere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Mit dieser Vorschrift wurde im Wesentlichen inhaltsgleich die früher in § 641 i Abs. 1 ZPO enthaltene Bestimmung übernommen, die bereits dem Ziel diente, unter Durchbrechung der Rechtskraft eine größtmögliche Übereinstimmung der gerichtlichen Entscheidung über die Abstammung mit den wahren Abstammungsverhältnissen herbeizuführen (vgl. Senatsurteil vom 2. März 1994 - XII ZR 207/92 - FamRZ 1994, 694, 695 mwN).
27
Würde man aber den Anspruch aus § 1598 a Abs. 1 Satz 1 BGB dem Grundsatz nach auch dann für gegeben halten, wenn bereits ein Abstammungsgutachten und damit eine naturwissenschaftliche Klärung der leiblichen Abstammung vorliegt, könnte - wie die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur und dieser folgend das Oberlandesgericht annehmen - der Anspruch in solchen Fällen nur wegen Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB ausgeschlossen sein. Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs würde jedoch regelmäßig voraussetzen, dass dem Anspruchsinhaber kein rechtlich schützenswertes Interesse an einer neuen Begutachtung zuzubilligen wäre. Dies lässt sich mit Blick auf § 185 Abs. 1 FamFG jedoch kaum begründen. Dass ein Gutachten nach § 1598 a BGB zur Darlegung des Anfangsverdachts im Rahmen einer Vaterschaftsanfechtung geeignet ist, ist unbestritten.
28
Darauf kommt es aber nicht an, wenn das Fehlen einer naturwissenschaftlichen Klärung - dem Gesetzeswortlaut entsprechend - als Tatbestandsvoraussetzung des Anspruchs angesehen wird.
29
dd) Hiermit stehen schließlich auch Sinn und Zweck des Gesetzes im Einklang, die es nicht erfordern, bei bereits geklärter leiblicher Abstammung einen Anspruch einzuräumen.
30
Der Klärungsmöglichkeit, die die Vorschrift bezweckt, bedarf es bei schon erfolgter naturwissenschaftlicher Klärung nicht mehr. In diesen Fällen besteht nicht die vom Bundesverfassungsgericht erkannte Schutzlücke für den rechtlichen Vater, die der Gesetzgeber mit der Vorschrift schließen wollte. Hinzu kommt, dass § 1598 a BGB die widerstreitenden Grundrechte der Beteiligten , insbesondere das Recht auf Kenntnis der Abstammung und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, in einen angemessenen Ausgleich bringen soll (BT-Drucks. 16/6561 S. 10, 12). Der mit der Probeentnahme verbundene Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung der Person, die mit der Probe ihre genetische Codierung zum Zwecke der Untersuchung preisgibt, wird durch das Recht auf Kenntnis der Abstammung derjenigen Person gerechtfertigt, die die Probe und die Untersuchung verlangt (vgl. BVerfG FamRZ 2007, 441, 443 f.; FamRZ 2016, 877 Rn. 45). Diese Rechtfertigung fehlt, wenn bereits eine naturwissenschaftlich gesicherte Kenntnis aufgrund erfolgter - rechtlich verwertbarer (vgl. Senatsurteile BGHZ 162, 1 = FamRZ 2005, 340 ff. und vom 12. Januar 2005 - XII ZR 60/03 - FamRZ 2005, 342, 343 f.) - Abstammungsbegutachtung vorliegt.
31
c) Eine Klärung der Abstammung, wie sie § 1598 a BGB statusneutral ermöglichen will, ist regelmäßig dann gegeben, wenn bereits - etwa in einem Verfahren auf Bestehen oder Nichtbestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses oder auch als Folge des Anspruchs aus § 1598 a Abs. 1 Satz 1 BGB - ein Abstammungsgutachten eingeholt worden ist.
32
Nur ausnahmsweise kann auch dann ein - in die Vortragslast des Anspruchsinhabers fallendes - Bedürfnis nach (weiterer) Klärung und damit ein Anspruch gemäß § 1598 a Abs. 1 Satz 1 BGB gegeben sein. Ein solches Bedürfnis kann sich zum einen daraus ergeben, dass die bereits erfolgte Begutachtung fehlerhaft durchgeführt worden und das vorliegende Abstammungsgutachten daher nicht geeignet ist, dem Anspruchsinhaber die ausreichend sichere naturwissenschaftliche Gewissheit und damit Kenntnis der Abstammung zu vermitteln. Zum anderen kann es an einer Klärung im Sinne des § 1598 a Abs. 1 BGB fehlen, wenn das frühere Gutachten lediglich zu einem Grad der Gewissheit geführt hat, der dem nach aktuellen wissenschaftlichen Standards zu erreichenden eindeutig unterlegen ist. Das ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn der in dem schon erstellten Gutachten ermittelte Wahrscheinlichkeitsgrad nach wie vor zur höchstmöglichen Wahrscheinlichkeitsstufe („Vaterschaft prak- tisch erwiesen“) führen würde (vgl. dazu etwa Senatsurteil BGHZ 168, 79 = FamRZ 2006, 1745, 1746 ff.).
33
d) Mit Blick auf das im Rahmen des Vaterschaftsfeststellungsverfahrens im Jahre 1985 eingeholte Abstammungsgutachten nebst Ergänzungsgutachten ist die Vaterschaft des Antragstellers für seinen Sohn im vorgenannten Sinne geklärt. Ein trotzdem bestehendes Klärungsbedürfnis ist nicht gegeben.
34
Dass die damalige Begutachtung fehlerhaft erfolgt wäre, macht der Antragsteller weder geltend noch ist dies anderweitig ersichtlich. Überlegene naturwissenschaftliche Erkenntnismöglichkeiten können eine nochmalige Begutachtung hier ebenfalls nicht rechtfertigen. Im Rahmen der bereits vorliegenden Gutachten wurde eine biostatistische Vaterschaftswahrscheinlichkeit von 99,9945 % ermittelt. Dieser Wert würde auch nach der aktuellen „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Anforderungen an die Durchführung genetischer Analysen zur Klärung der Abstammung und an die Qualifikation von ärztlichen und nichtärztlichen Sachverständigen gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 4 und Nr. 2b GenDG“ vom 17. Juli 2012 (Bundesgesundheitsblatt 2013, 169) zu dem die größtmögliche biostatistische Sicherheit repräsentierenden sachverständigen Prädikat „Verwandtschaftshypothese praktisch erwiesen“ führen, das nach Punkt 9.5 der Richtlinie einem W-Wert von größer oder gleich 99,9 % entspricht.
35
Mangels noch zu klärender Abstammung des Sohnes vom Antragsteller steht Letzterem mithin der Anspruch aus § 1598 a Abs. 1 Satz 1 BGB nicht zu, so dass eine Anordnung nach § 1598 a Abs. 2 BGB ausscheidet. Dose Klinkhammer Nedden-Boeger Guhling Krüger
Vorinstanzen:
AG Eschwege, Entscheidung vom 24.07.2015 - 5 F 619/14 AB -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 09.03.2016 - 2 UF 327/15 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Nov. 2016 - XII ZB 173/16

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(1) Anerkennung, Zustimmung und Widerruf sind nur unwirksam, wenn sie den Erfordernissen nach § 1594 Absatz 2 bis 4 und der §§ 1595 bis 1597 nicht genügen. Anerkennung und Zustimmung sind auch im Fall des § 1597a Absatz 3 und im Fall des § 1597a Absatz 4 in Verbindung mit Absatz 3 unwirksam.

(2) Sind seit der Eintragung in ein deutsches Personenstandsregister fünf Jahre verstrichen, so ist die Anerkennung wirksam, auch wenn sie den Erfordernissen der vorstehenden Vorschriften nicht genügt.

(1) Der Restitutionsantrag gegen einen rechtskräftigen Beschluss, in dem über die Abstammung entschieden ist, ist auch statthaft, wenn ein Beteiligter ein neues Gutachten über die Abstammung vorlegt, das allein oder in Verbindung mit den im früheren Verfahren erhobenen Beweisen eine andere Entscheidung herbeigeführt haben würde.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme kann auch von dem Beteiligten erhoben werden, der in dem früheren Verfahren obsiegt hat.

(3) Für den Antrag ist das Gericht ausschließlich zuständig, das im ersten Rechtszug entschieden hat; ist der angefochtene Beschluss von dem Beschwerdegericht oder dem Rechtsbeschwerdegericht erlassen, ist das Beschwerdegericht zuständig. Wird der Antrag mit einem Nichtigkeitsantrag oder mit einem Restitutionsantrag nach § 580 der Zivilprozessordnung verbunden, ist § 584 der Zivilprozessordnung anzuwenden.

(4) § 586 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 60/03 Verkündet am:
12. Januar 2005
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Januar 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 1. Familiensenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 6. März 2003 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt im Wege der Anfechtungsklage die Feststellung, nicht der Vater des am 10. Januar 1986 geborenen Beklagten zu sein. Die Mutter des Beklagten, die in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehr mit dem Kläger hatte, hatte diesem versichert, daß er der Vater des Beklagten sei. Am 11. Oktober 1989 erkannte der Kläger an, der Vater des Beklagten zu sein. Die Kindesmutter stimmte der Vaterschaftsanerkennung mit notarieller Urkunde vom gleichen Tage zu. Seitdem zahlt der Kläger Unterhalt für den Beklagten. Im Sommer 2001 erfuhr der Kläger von der Möglichkeit, eine private DNA-Vaterschaftsanalyse fertigen zu lassen. Etwa gleichzeitig wurde er von seiner Schwester darauf aufmerksam gemacht, daß sowohl zwischen ihm als
auch der Kindesmutter einerseits und dem Beklagten andererseits äußerlich und wesensmäßig keinerlei Ähnlichkeit bestehe. Daraufhin veranlaßte der Kläger eine DNA-Vaterschaftsanalyse, auf deren Grundlage die Gutachterin am 1. Oktober 2001 zu dem Ergebnis kam, eine Vaterschaft des Klägers sei offensichtlich unmöglich. Dieser Analyse lagen zum einen Mundschleimhautabstriche des Klägers selbst und zum anderen Haarwurzeln zugrunde, von denen der Kläger behauptet , sie stammten von dem Beklagten. Es handele sich um Haare, die seine Schwester dem Beklagten bei der Entfernung einer Zecke versehentlich ausgerissen habe. Durch das Gutachten habe er erstmalig von Umständen erfahren, die eindeutig gegen seine Vaterschaft sprächen. Der Beklagte bestreitet, daß die Haare von ihm stammen, und widerspricht der Verwertung des ohne seine Einwilligung eingeholten Gutachtens. Das Amtsgericht wies die Anfechtungsklage des Klägers ab. Das Oberlandesgericht , dessen Entscheidung u.a. in FamRZ 2003, 944 ff. veröffentlicht ist, wies die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurück. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg. 1. Das Berufungsgericht verneint, wie auch schon das Amtsgericht, die Schlüssigkeit der Anfechtungsklage. Die Behauptung des Klägers, das Kind sei
weder ihm noch der Kindesmutter ähnlich, sei für sich allein noch nicht geeignet , den hierfür erforderlichen Anfangsverdacht, das Kind stamme nicht von ihm, zu begründen. Auch das außergerichtlich eingeholte DNA-Gutachten sei hierzu nicht geeignet. Dessen Ergebnis könne nämlich aus prozessualen Gründen im Anfechtungsverfahren nicht verwertet werden, weil das untersuchte Material , soweit es von dem bei Gutachtenerstattung bereits 15-jährigen Beklagten stamme, ohne dessen Zustimmung und damit in rechtswidriger Weise erlangt sei. Denn die heimliche DNA-Analyse des genetischen Materials eines anderen verletze dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht in seiner Ausformung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG). Dem stehe zwar ein Recht des Klägers auf Kenntnis des Bestehens oder Nichtbestehens seiner Vaterschaft gegenüber. Die Abwägung dieser beiden gegenläufigen Grundrechtspositionen ergebe aber nicht, daß das Grundrecht des Beklagten auf informationelle Selbstbestimmung dahinter zurückstehen müsse. 2. Dies hält den Angriffen der Revision stand. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteile vom 22. April 1998 - XII ZR 229/96 - FamRZ 1998, 955, 956 und vom 30. Oktober 2002 - XII ZR 345/00 - FamRZ 2003, 155, 156) reicht das bloße Vorbringen des Klägers , er sei nicht der Vater des Kindes und ein gerichtliches Sachverständigengutachten werde seine Vaterschaft ausschließen, für eine Vaterschaftsanfechtungsklage nicht aus. Vielmehr muß der Kläger Umstände vortragen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Zweifel an der Abstammung des Kindes von dem als Vater geltenden Kläger zu wecken und die Möglichkeit der Abstammung des Kindes von einem anderen Mann als nicht ganz fernliegend erscheinen zu lassen.
Daran fehlt es, ohne daß es hier schon einer Entscheidung bedarf, welche Anforderungen an die Umstände, mit denen ein Anfangsverdacht zu begründen ist, im einzelnen gegebenenfalls weiterhin zu stellen sind.
a) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die vom Kläger ohne nähere Konkretisierung behauptete mangelnde Ähnlichkeit des Kin des mit ihm und der Kindesmutter reiche für einen solchen Anfangsverdacht nicht aus, hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand und wird von der Revision auch nicht angegriffen.
b) Entgegen der Auffassung der Revision begründet auch nicht schon die Weigerung des Beklagten, die Einholung des DNA-Gutachtens nachträglich zu genehmigen und in seine Verwertung einzuwilligen, als solche einen die Anfechtungsklage schlüssig machenden Anfangsverdacht. Sie stellt auch keine Beweisvereitelung dar. Insbesondere vermag der Senat sich nicht der von Mutschler (FamRZ 2003, 74, 76 a.E.) vertretenen Ansicht anzuschließen, allein die Weigerung der Mutter oder des Kindes, auf Bitten des (gesetzlichen) Vaters an einer DNA-Begutachtung mitzuwirken, könne je nach den Umständen des Falles einen ausreichenden Anfangsverdacht der Nichtvaterschaft begründen. Denn ein solches Verhalten ist Ausfluß des - negativen - informationellen Selbstbestimmungsrechts. Dieses würde ausgehöhlt, wenn die Weigerung, an einer außergerichtlichen Begutachtung mitzuwirken, die Vaterschaftsanfechtungsklage eröffnen würde, mit der Folge, daß die Informationen, die dieses Grundrecht schützen will, immer dann im Rahmen einer gerichtlichen Beweisaufnahme preisgegeben werden müßten, wenn dies dem Willen des Betroffenen zuwiderläuft und die freiwillige Preisgabe deshalb zuvor abgelehnt wurde. Erst recht kann hier die Weigerung des Beklagten, der Verwertung bereits rechtswidrig erlangter Informationen nachträglich zuzustimmen, nicht als
ein die Anfechtungsklage eröffnender Umstand angesehen werden. Denn wenn das Gesetz eine Verpflichtung, Untersuchungen zum Zwecke der Feststellung der Abstammung zu dulden, nur unter bestimmten Voraussetzungen vorsieht, kann ihre Verweigerung nicht dazu herangezogen werden, diese Voraussetzungen zu bejahen.
c) Auch die Vorlage eines heimlich eingeholten DNA-Gutachtens ist hier zur Darlegung eines Anfangsverdachts nicht geeignet. Denn auch die vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung, daß das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Beklagten nicht hinter dem Interesse des Klägers an der Feststellung seiner Nichtvaterschaft zurückstehen müsse, hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand. aa) Jede Untersuchung und Verwendung des DNA-Identifizierungsmusters greift in das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verbürgte Persönlichkeitsrecht, hier in der Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, ein. Dieses darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden; die Einschränkung darf nicht weiter gehen als es zum Schutz des öffentlichen Interesses unerläßlich ist (vgl. BVerfG NJW 2001, 2320, 2321). Welcher Stellenwert diesem Grundrecht beizumessen ist, ergibt sich beispielsweise aus der gesetzlichen Einschränkung des § 81 g StPO in Verbindung mit § 2 des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes (DNA-IFG vom 7. September 1998 BGBl. I 2646), die eine Feststellung und Speicherung des DNA-Identifizierungsmusters eines verurteilten Straftäters nur zuläßt, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß gegen ihn künftig erneut Strafverfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung zu führen sind.
Diesem Schutz des Grundrechts eines jeden Menschen, die Untersuchung seines Genoms grundsätzlich von seiner Zustimmung abhängig zu machen , dienen auch Art. 5 der Allgemeinen Erklärung zum menschlichen Genom und zu den Menschenrechten (UNESCO Universal Declaration on the Human Genome and Human Rights) vom 11. November 1997; Art. II-68 der Verfassung der Europäischen Union (Amtsblatt C 310/43 vom 16. Dezember 2004); Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention und, soweit es sich um das Recht eines Kindes handelt, Art. 8 Abs. 1 und Art. 16 der UN-Kinderrechtskonvention vom 20. November 1989 (BGBl. 1992 II 121). bb) Dies ist auch bei der Verwertung von Beweisen oder Kenntnissen im gerichtlichen Verfahren zu beachten, gleichgültig, ob es sich um einen Strafprozeß oder Zivilprozeß handelt. Denn der Richter hat kraft Verfassungsgebots zu prüfen, ob von der Anwendung zivilrechtlicher Vorschriften im Einzelfall Grundrechte berührt werden. Trifft dies zu, dann hat er diese Vorschriften im Lichte der Grundrechte auszulegen und anzuwenden (vgl. BVerfG NJW 1991, 2411 f. m.w.N.) und darf dies nicht als praxisfern (vgl. Huber FamRZ 2004, 825, 826) oder als Ausfluß einer "verfassungsrechtlichen Überhöhung" (vgl. Spickhoff FamRZ 2003, 1581 f.) abtun. So dürfen rechtswidrig erlangte Kenntnisse aus dem heimlichen Mithören eines Telefonats nur ganz ausnahmsweise in einem gerichtlichen Verfahren verwertet werden, etwa dann, wenn sich der Beweisführer in einer notwehrähnlichen Situation befindet oder erpresserischen Drohungen oder einem kriminellen Angriff auf seine berufliche Existenz auf andere Weise nicht begegnen kann. Demgegenüber reicht allein das Interesse, sich ein Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, nicht aus (vgl. BVerfG NJW 2002, 3619, 3624; BGH, Urteil vom 18. Februar 2003 - XI ZR 165/02 - NJW 2003,
3624; BGH, Urteil vom 18. Februar 2003 - XI ZR 165/02 - NJW 2003, 1727, 1728). Demgemäß ist eine ohne Wissen des Betroffenen vorgenommene DNA-Analyse beispielsweise auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht geeignet , eine Verdachtskündigung zu rechtfertigen, sondern unterliegt einem Verwertungsverbot (vgl. VGH Baden-Württemberg NJW 2001, 1082; vgl. auch EuGH NJW 1994, 3005 ff.: Aufhebung einer Entscheidung, soweit sie auf einem anläßlich einer Einstellungsuntersuchung ohne Einwilligung vorgenommenen Lymphozytentest beruht). cc) Dies führt dazu, daß heimlich veranlaßte DNA-Vaterschaftsanalysen rechtswidrig (vgl. Palandt/Diederichsen BGB 64. Aufl. Einf. vor § 1591, Rdn. 11) und im Vaterschaftsanfechtungsverfahren gegen den Willen des Kindes oder seines gesetzlichen Vertreters nicht verwertbar sind (vgl. Bohnert FPR 2002, 383, 389; Musielak-Foerste ZPO 4. Aufl. § 286 Rdn. 7), und zwar auch nicht zur schlüssigen Darlegung von Zweifeln an der Vaterschaft im Sinne des § 1600 b BGB (vgl. Zöller/Greger ZPO 25. Aufl. § 286 Rdn. 15 b a.E.; im Ergebnis ebenso OLG Köln FamRZ 2004, 1987 a.E.), weil auch dies einen erneuten Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht und die informationelle Selbstbestimmung des Kindes bedeuten würde (vgl. Rittner/Rittner NJW 2002, 1745, 1751).
d) Dieser Auffassung entsprechen offenbar auch Überlegungen der Bundesregierung , "heimliche" Vaterschaftsgutachten im Rahmen eines künftigen Gendiagnostikgesetzes (Gesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen ) insgesamt zu verbieten (Nachweise bei Staudinger/Rauscher BGB [2004] Einl. zu §§ 1589 ff. Rdn. 113 a.E.).
Derartige Bestrebungen sind auch außerhalb der Bundesrepublik Deutschland festzustellen, ohne daß die nachstehend angeführten Beispiele Anspruch auf Vollständigkeit erheben: In Belgien zielen mehrere Gesetzesinitiativen darauf ab, private DNAAnalysen auf Veranlassung des Vaters und/oder der Mutter zuzulassen, dies jedoch nur innerhalb des ersten Lebensjahres des Kindes, sowie auf Betreiben des Kindes innerhalb einer Frist von vier Jahren nach Eintritt seiner Volljährigkeit ; im übrigen sollen private Analysen unzulässig sein (vgl. z.B. Art. 5, 6 und 16 der Proposition de loi visant à réglementer l’usagedes analyses génétiques à des fins d’identification en matière de filiation, Chambre des Représentants de Belgique Dokument Nr. 51 0066/001); in Frankreich sind außergerichtliche DNA-Analysen ohne Zustimmung des Betroffenen untersagt (vgl. Art. 16-11 Code Civil, Art. 145-15 und Art. 14520 des Code de la Santé publique, eingefügt durch Gesetz Nr. 94-654 vom 29. Juli 1994 - Loi relative au don et à l’utilisation des éléments et produits du corps humain, à l’assistance médicale, à la procréation etau diagnostic prénatal , i.V.m. Art. 226-28 Code Pénal); in Großbritannien sind DNA-Analysen ohne Zustimmung des Betroffenen verboten (section 45 Human Tissue Act 2004); in Kanada (Provinz Quebec) bedürfen DNA-Analysen grundsätzlich der Zustimmung des Betroffenen und unterliegen andernfalls vor Gericht dem Verwertungsverbot des Art. 2858 Code Civil du Québec (vgl. Obadia, L’incidence des tests d’ADN sur le droit québécois de la filiation, McGill Law Journal 2000, 483, 502, 507);
in der Schweiz sollen außergerichtliche DNA-Analysen ohne Zustimmung des Betroffenen untersagt werden (vgl. Art. 5, 6, 32, 34 und 36 des Bundesgesetzes über genetische Untersuchungen beim Menschen - GUMG - vom 8. Oktober 2004 Bundesblatt 2004, 5483; Ablauf der Referendumsfrist: 27. Januar 2005).
e) Dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Kindes steht auch ein ebenfalls aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abzuleitendes Recht des Vaters oder Scheinvaters auf Kenntnis seiner Vaterschaft (vgl. BVerfG FamRZ 2003, 816, 820 unter C I 3 c; vgl. auch Senatsurteil vom 20. Januar 1999 - XII ZR 117/97 - FamRZ 1999, 716) nicht entgegen. Dieses ist nicht als höherwertig anzusehen (vgl. Rittner/Rittner aaO 1749; einschränkend Erman/ Holzhauer BGB 11. Aufl. § 1600 b Rdn. 8; a.A. Reichelt/Schmidt/Schmidtke FamRZ 1995, 777, 779 unter B I b; Staudinger/Rauscher aaO Einl. zu §§ 1589 ff. Rdn. 116). Das zeigt sich schon daran, daß seine Durchsetzung im Vaterschaftsanfechtungsverfahren u.a. durch die gesetzliche Fristenregelung des § 1600 b BGB wesentlich eingeschränkt ist, während das aus dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Kindes folgende Recht, der Erhebung oder Verwertung genetischer Daten zu widersprechen, demgegenüber keiner zeitlichen Schranke unterworfen ist. Auch hat der Gesetzgeber sich bei der Kindschaftsrechtsreform im Jahre 1997 dagegen entschieden, in jedem Fall die biologische Abstammung eines Kindes zu klären, und statt dessen hingenommen, daß die biologische Vaterschaft zugunsten des Kindeswohls unter anderem dann in den Hintergrund tritt, wenn ein Kind aufgrund seiner Geburt in der Ehe der Mutter bereits in einem Familienverbund aufwächst (vgl. Rittner/Rittner aaO 1749).
Zudem verleiht das Recht auf Kenntnis der eigenen Vaterschaft oder Nichtvaterschaft selbst dann, wenn es dem Grundrecht auf Kenntnis der eigenen Abstammung gleichzustellen wäre, noch kein Recht auf Verschaffung solcher Kenntnis (vgl. Senatsurteil BGHZ 156, 153, 164 f. m.N.).
Das Interesse des Vaters oder Scheinvaters, sich Gewißheit über seine Vaterschaft zu verschaffen, kann auch dann nicht als höherrangig angesehen werden, wenn es der Abwehr zivilrechtlicher Ansprüche, denen er als gesetzlicher Vater ausgesetzt ist, dienen soll.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Der Restitutionsantrag gegen einen rechtskräftigen Beschluss, in dem über die Abstammung entschieden ist, ist auch statthaft, wenn ein Beteiligter ein neues Gutachten über die Abstammung vorlegt, das allein oder in Verbindung mit den im früheren Verfahren erhobenen Beweisen eine andere Entscheidung herbeigeführt haben würde.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme kann auch von dem Beteiligten erhoben werden, der in dem früheren Verfahren obsiegt hat.

(3) Für den Antrag ist das Gericht ausschließlich zuständig, das im ersten Rechtszug entschieden hat; ist der angefochtene Beschluss von dem Beschwerdegericht oder dem Rechtsbeschwerdegericht erlassen, ist das Beschwerdegericht zuständig. Wird der Antrag mit einem Nichtigkeitsantrag oder mit einem Restitutionsantrag nach § 580 der Zivilprozessordnung verbunden, ist § 584 der Zivilprozessordnung anzuwenden.

(4) § 586 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Der Restitutionsantrag gegen einen rechtskräftigen Beschluss, in dem über die Abstammung entschieden ist, ist auch statthaft, wenn ein Beteiligter ein neues Gutachten über die Abstammung vorlegt, das allein oder in Verbindung mit den im früheren Verfahren erhobenen Beweisen eine andere Entscheidung herbeigeführt haben würde.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme kann auch von dem Beteiligten erhoben werden, der in dem früheren Verfahren obsiegt hat.

(3) Für den Antrag ist das Gericht ausschließlich zuständig, das im ersten Rechtszug entschieden hat; ist der angefochtene Beschluss von dem Beschwerdegericht oder dem Rechtsbeschwerdegericht erlassen, ist das Beschwerdegericht zuständig. Wird der Antrag mit einem Nichtigkeitsantrag oder mit einem Restitutionsantrag nach § 580 der Zivilprozessordnung verbunden, ist § 584 der Zivilprozessordnung anzuwenden.

(4) § 586 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 60/03 Verkündet am:
12. Januar 2005
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Januar 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 1. Familiensenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 6. März 2003 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt im Wege der Anfechtungsklage die Feststellung, nicht der Vater des am 10. Januar 1986 geborenen Beklagten zu sein. Die Mutter des Beklagten, die in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehr mit dem Kläger hatte, hatte diesem versichert, daß er der Vater des Beklagten sei. Am 11. Oktober 1989 erkannte der Kläger an, der Vater des Beklagten zu sein. Die Kindesmutter stimmte der Vaterschaftsanerkennung mit notarieller Urkunde vom gleichen Tage zu. Seitdem zahlt der Kläger Unterhalt für den Beklagten. Im Sommer 2001 erfuhr der Kläger von der Möglichkeit, eine private DNA-Vaterschaftsanalyse fertigen zu lassen. Etwa gleichzeitig wurde er von seiner Schwester darauf aufmerksam gemacht, daß sowohl zwischen ihm als
auch der Kindesmutter einerseits und dem Beklagten andererseits äußerlich und wesensmäßig keinerlei Ähnlichkeit bestehe. Daraufhin veranlaßte der Kläger eine DNA-Vaterschaftsanalyse, auf deren Grundlage die Gutachterin am 1. Oktober 2001 zu dem Ergebnis kam, eine Vaterschaft des Klägers sei offensichtlich unmöglich. Dieser Analyse lagen zum einen Mundschleimhautabstriche des Klägers selbst und zum anderen Haarwurzeln zugrunde, von denen der Kläger behauptet , sie stammten von dem Beklagten. Es handele sich um Haare, die seine Schwester dem Beklagten bei der Entfernung einer Zecke versehentlich ausgerissen habe. Durch das Gutachten habe er erstmalig von Umständen erfahren, die eindeutig gegen seine Vaterschaft sprächen. Der Beklagte bestreitet, daß die Haare von ihm stammen, und widerspricht der Verwertung des ohne seine Einwilligung eingeholten Gutachtens. Das Amtsgericht wies die Anfechtungsklage des Klägers ab. Das Oberlandesgericht , dessen Entscheidung u.a. in FamRZ 2003, 944 ff. veröffentlicht ist, wies die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurück. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg. 1. Das Berufungsgericht verneint, wie auch schon das Amtsgericht, die Schlüssigkeit der Anfechtungsklage. Die Behauptung des Klägers, das Kind sei
weder ihm noch der Kindesmutter ähnlich, sei für sich allein noch nicht geeignet , den hierfür erforderlichen Anfangsverdacht, das Kind stamme nicht von ihm, zu begründen. Auch das außergerichtlich eingeholte DNA-Gutachten sei hierzu nicht geeignet. Dessen Ergebnis könne nämlich aus prozessualen Gründen im Anfechtungsverfahren nicht verwertet werden, weil das untersuchte Material , soweit es von dem bei Gutachtenerstattung bereits 15-jährigen Beklagten stamme, ohne dessen Zustimmung und damit in rechtswidriger Weise erlangt sei. Denn die heimliche DNA-Analyse des genetischen Materials eines anderen verletze dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht in seiner Ausformung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG). Dem stehe zwar ein Recht des Klägers auf Kenntnis des Bestehens oder Nichtbestehens seiner Vaterschaft gegenüber. Die Abwägung dieser beiden gegenläufigen Grundrechtspositionen ergebe aber nicht, daß das Grundrecht des Beklagten auf informationelle Selbstbestimmung dahinter zurückstehen müsse. 2. Dies hält den Angriffen der Revision stand. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteile vom 22. April 1998 - XII ZR 229/96 - FamRZ 1998, 955, 956 und vom 30. Oktober 2002 - XII ZR 345/00 - FamRZ 2003, 155, 156) reicht das bloße Vorbringen des Klägers , er sei nicht der Vater des Kindes und ein gerichtliches Sachverständigengutachten werde seine Vaterschaft ausschließen, für eine Vaterschaftsanfechtungsklage nicht aus. Vielmehr muß der Kläger Umstände vortragen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Zweifel an der Abstammung des Kindes von dem als Vater geltenden Kläger zu wecken und die Möglichkeit der Abstammung des Kindes von einem anderen Mann als nicht ganz fernliegend erscheinen zu lassen.
Daran fehlt es, ohne daß es hier schon einer Entscheidung bedarf, welche Anforderungen an die Umstände, mit denen ein Anfangsverdacht zu begründen ist, im einzelnen gegebenenfalls weiterhin zu stellen sind.
a) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die vom Kläger ohne nähere Konkretisierung behauptete mangelnde Ähnlichkeit des Kin des mit ihm und der Kindesmutter reiche für einen solchen Anfangsverdacht nicht aus, hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand und wird von der Revision auch nicht angegriffen.
b) Entgegen der Auffassung der Revision begründet auch nicht schon die Weigerung des Beklagten, die Einholung des DNA-Gutachtens nachträglich zu genehmigen und in seine Verwertung einzuwilligen, als solche einen die Anfechtungsklage schlüssig machenden Anfangsverdacht. Sie stellt auch keine Beweisvereitelung dar. Insbesondere vermag der Senat sich nicht der von Mutschler (FamRZ 2003, 74, 76 a.E.) vertretenen Ansicht anzuschließen, allein die Weigerung der Mutter oder des Kindes, auf Bitten des (gesetzlichen) Vaters an einer DNA-Begutachtung mitzuwirken, könne je nach den Umständen des Falles einen ausreichenden Anfangsverdacht der Nichtvaterschaft begründen. Denn ein solches Verhalten ist Ausfluß des - negativen - informationellen Selbstbestimmungsrechts. Dieses würde ausgehöhlt, wenn die Weigerung, an einer außergerichtlichen Begutachtung mitzuwirken, die Vaterschaftsanfechtungsklage eröffnen würde, mit der Folge, daß die Informationen, die dieses Grundrecht schützen will, immer dann im Rahmen einer gerichtlichen Beweisaufnahme preisgegeben werden müßten, wenn dies dem Willen des Betroffenen zuwiderläuft und die freiwillige Preisgabe deshalb zuvor abgelehnt wurde. Erst recht kann hier die Weigerung des Beklagten, der Verwertung bereits rechtswidrig erlangter Informationen nachträglich zuzustimmen, nicht als
ein die Anfechtungsklage eröffnender Umstand angesehen werden. Denn wenn das Gesetz eine Verpflichtung, Untersuchungen zum Zwecke der Feststellung der Abstammung zu dulden, nur unter bestimmten Voraussetzungen vorsieht, kann ihre Verweigerung nicht dazu herangezogen werden, diese Voraussetzungen zu bejahen.
c) Auch die Vorlage eines heimlich eingeholten DNA-Gutachtens ist hier zur Darlegung eines Anfangsverdachts nicht geeignet. Denn auch die vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung, daß das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Beklagten nicht hinter dem Interesse des Klägers an der Feststellung seiner Nichtvaterschaft zurückstehen müsse, hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand. aa) Jede Untersuchung und Verwendung des DNA-Identifizierungsmusters greift in das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verbürgte Persönlichkeitsrecht, hier in der Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, ein. Dieses darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden; die Einschränkung darf nicht weiter gehen als es zum Schutz des öffentlichen Interesses unerläßlich ist (vgl. BVerfG NJW 2001, 2320, 2321). Welcher Stellenwert diesem Grundrecht beizumessen ist, ergibt sich beispielsweise aus der gesetzlichen Einschränkung des § 81 g StPO in Verbindung mit § 2 des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes (DNA-IFG vom 7. September 1998 BGBl. I 2646), die eine Feststellung und Speicherung des DNA-Identifizierungsmusters eines verurteilten Straftäters nur zuläßt, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß gegen ihn künftig erneut Strafverfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung zu führen sind.
Diesem Schutz des Grundrechts eines jeden Menschen, die Untersuchung seines Genoms grundsätzlich von seiner Zustimmung abhängig zu machen , dienen auch Art. 5 der Allgemeinen Erklärung zum menschlichen Genom und zu den Menschenrechten (UNESCO Universal Declaration on the Human Genome and Human Rights) vom 11. November 1997; Art. II-68 der Verfassung der Europäischen Union (Amtsblatt C 310/43 vom 16. Dezember 2004); Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention und, soweit es sich um das Recht eines Kindes handelt, Art. 8 Abs. 1 und Art. 16 der UN-Kinderrechtskonvention vom 20. November 1989 (BGBl. 1992 II 121). bb) Dies ist auch bei der Verwertung von Beweisen oder Kenntnissen im gerichtlichen Verfahren zu beachten, gleichgültig, ob es sich um einen Strafprozeß oder Zivilprozeß handelt. Denn der Richter hat kraft Verfassungsgebots zu prüfen, ob von der Anwendung zivilrechtlicher Vorschriften im Einzelfall Grundrechte berührt werden. Trifft dies zu, dann hat er diese Vorschriften im Lichte der Grundrechte auszulegen und anzuwenden (vgl. BVerfG NJW 1991, 2411 f. m.w.N.) und darf dies nicht als praxisfern (vgl. Huber FamRZ 2004, 825, 826) oder als Ausfluß einer "verfassungsrechtlichen Überhöhung" (vgl. Spickhoff FamRZ 2003, 1581 f.) abtun. So dürfen rechtswidrig erlangte Kenntnisse aus dem heimlichen Mithören eines Telefonats nur ganz ausnahmsweise in einem gerichtlichen Verfahren verwertet werden, etwa dann, wenn sich der Beweisführer in einer notwehrähnlichen Situation befindet oder erpresserischen Drohungen oder einem kriminellen Angriff auf seine berufliche Existenz auf andere Weise nicht begegnen kann. Demgegenüber reicht allein das Interesse, sich ein Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, nicht aus (vgl. BVerfG NJW 2002, 3619, 3624; BGH, Urteil vom 18. Februar 2003 - XI ZR 165/02 - NJW 2003,
3624; BGH, Urteil vom 18. Februar 2003 - XI ZR 165/02 - NJW 2003, 1727, 1728). Demgemäß ist eine ohne Wissen des Betroffenen vorgenommene DNA-Analyse beispielsweise auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht geeignet , eine Verdachtskündigung zu rechtfertigen, sondern unterliegt einem Verwertungsverbot (vgl. VGH Baden-Württemberg NJW 2001, 1082; vgl. auch EuGH NJW 1994, 3005 ff.: Aufhebung einer Entscheidung, soweit sie auf einem anläßlich einer Einstellungsuntersuchung ohne Einwilligung vorgenommenen Lymphozytentest beruht). cc) Dies führt dazu, daß heimlich veranlaßte DNA-Vaterschaftsanalysen rechtswidrig (vgl. Palandt/Diederichsen BGB 64. Aufl. Einf. vor § 1591, Rdn. 11) und im Vaterschaftsanfechtungsverfahren gegen den Willen des Kindes oder seines gesetzlichen Vertreters nicht verwertbar sind (vgl. Bohnert FPR 2002, 383, 389; Musielak-Foerste ZPO 4. Aufl. § 286 Rdn. 7), und zwar auch nicht zur schlüssigen Darlegung von Zweifeln an der Vaterschaft im Sinne des § 1600 b BGB (vgl. Zöller/Greger ZPO 25. Aufl. § 286 Rdn. 15 b a.E.; im Ergebnis ebenso OLG Köln FamRZ 2004, 1987 a.E.), weil auch dies einen erneuten Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht und die informationelle Selbstbestimmung des Kindes bedeuten würde (vgl. Rittner/Rittner NJW 2002, 1745, 1751).
d) Dieser Auffassung entsprechen offenbar auch Überlegungen der Bundesregierung , "heimliche" Vaterschaftsgutachten im Rahmen eines künftigen Gendiagnostikgesetzes (Gesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen ) insgesamt zu verbieten (Nachweise bei Staudinger/Rauscher BGB [2004] Einl. zu §§ 1589 ff. Rdn. 113 a.E.).
Derartige Bestrebungen sind auch außerhalb der Bundesrepublik Deutschland festzustellen, ohne daß die nachstehend angeführten Beispiele Anspruch auf Vollständigkeit erheben: In Belgien zielen mehrere Gesetzesinitiativen darauf ab, private DNAAnalysen auf Veranlassung des Vaters und/oder der Mutter zuzulassen, dies jedoch nur innerhalb des ersten Lebensjahres des Kindes, sowie auf Betreiben des Kindes innerhalb einer Frist von vier Jahren nach Eintritt seiner Volljährigkeit ; im übrigen sollen private Analysen unzulässig sein (vgl. z.B. Art. 5, 6 und 16 der Proposition de loi visant à réglementer l’usagedes analyses génétiques à des fins d’identification en matière de filiation, Chambre des Représentants de Belgique Dokument Nr. 51 0066/001); in Frankreich sind außergerichtliche DNA-Analysen ohne Zustimmung des Betroffenen untersagt (vgl. Art. 16-11 Code Civil, Art. 145-15 und Art. 14520 des Code de la Santé publique, eingefügt durch Gesetz Nr. 94-654 vom 29. Juli 1994 - Loi relative au don et à l’utilisation des éléments et produits du corps humain, à l’assistance médicale, à la procréation etau diagnostic prénatal , i.V.m. Art. 226-28 Code Pénal); in Großbritannien sind DNA-Analysen ohne Zustimmung des Betroffenen verboten (section 45 Human Tissue Act 2004); in Kanada (Provinz Quebec) bedürfen DNA-Analysen grundsätzlich der Zustimmung des Betroffenen und unterliegen andernfalls vor Gericht dem Verwertungsverbot des Art. 2858 Code Civil du Québec (vgl. Obadia, L’incidence des tests d’ADN sur le droit québécois de la filiation, McGill Law Journal 2000, 483, 502, 507);
in der Schweiz sollen außergerichtliche DNA-Analysen ohne Zustimmung des Betroffenen untersagt werden (vgl. Art. 5, 6, 32, 34 und 36 des Bundesgesetzes über genetische Untersuchungen beim Menschen - GUMG - vom 8. Oktober 2004 Bundesblatt 2004, 5483; Ablauf der Referendumsfrist: 27. Januar 2005).
e) Dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Kindes steht auch ein ebenfalls aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abzuleitendes Recht des Vaters oder Scheinvaters auf Kenntnis seiner Vaterschaft (vgl. BVerfG FamRZ 2003, 816, 820 unter C I 3 c; vgl. auch Senatsurteil vom 20. Januar 1999 - XII ZR 117/97 - FamRZ 1999, 716) nicht entgegen. Dieses ist nicht als höherwertig anzusehen (vgl. Rittner/Rittner aaO 1749; einschränkend Erman/ Holzhauer BGB 11. Aufl. § 1600 b Rdn. 8; a.A. Reichelt/Schmidt/Schmidtke FamRZ 1995, 777, 779 unter B I b; Staudinger/Rauscher aaO Einl. zu §§ 1589 ff. Rdn. 116). Das zeigt sich schon daran, daß seine Durchsetzung im Vaterschaftsanfechtungsverfahren u.a. durch die gesetzliche Fristenregelung des § 1600 b BGB wesentlich eingeschränkt ist, während das aus dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Kindes folgende Recht, der Erhebung oder Verwertung genetischer Daten zu widersprechen, demgegenüber keiner zeitlichen Schranke unterworfen ist. Auch hat der Gesetzgeber sich bei der Kindschaftsrechtsreform im Jahre 1997 dagegen entschieden, in jedem Fall die biologische Abstammung eines Kindes zu klären, und statt dessen hingenommen, daß die biologische Vaterschaft zugunsten des Kindeswohls unter anderem dann in den Hintergrund tritt, wenn ein Kind aufgrund seiner Geburt in der Ehe der Mutter bereits in einem Familienverbund aufwächst (vgl. Rittner/Rittner aaO 1749).
Zudem verleiht das Recht auf Kenntnis der eigenen Vaterschaft oder Nichtvaterschaft selbst dann, wenn es dem Grundrecht auf Kenntnis der eigenen Abstammung gleichzustellen wäre, noch kein Recht auf Verschaffung solcher Kenntnis (vgl. Senatsurteil BGHZ 156, 153, 164 f. m.N.).
Das Interesse des Vaters oder Scheinvaters, sich Gewißheit über seine Vaterschaft zu verschaffen, kann auch dann nicht als höherrangig angesehen werden, wenn es der Abwehr zivilrechtlicher Ansprüche, denen er als gesetzlicher Vater ausgesetzt ist, dienen soll.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose