Bundesgerichtshof Urteil, 20. Jan. 2016 - 1 StR 398/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:200116U1STR398.15.0
bei uns veröffentlicht am20.01.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 398/15
vom
20. Januar 2016
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
Notwendige Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen Raubes ist eine finale Verknüpfung
zwischen dem Einsatz der qualifizierten Nötigungsmittel und der Wegnahme
sowie eines räumlich-zeitlichen Zusammenhangs dergestalt, dass es zu einer
nötigungsbedingten Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Gewahrsamsinhabers
über das Tatobjekt gekommen ist.
BGH, Urteil vom 20. Januar 2016 – 1 StR 398/15 – LG München II
in der Strafsache
gegen
ECLI:DE:BGH:2016:200116U1STR398.15.0


wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Januar 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf, Prof. Dr. Jäger, Prof. Dr. Radtke und die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Fischer,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Verteidiger, Rechtsanwalt – in der Verhandlung – als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 27. April 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt.
2
Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

I.

3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts lernte der Angeklagte über die Website „P. “, die der Anbahnung homosexueller Kontakte dient, den späteren Geschädigten K. kennen. Der Angeklagte, der selbst ohne Wohnung und mittellos war, besuchte ihn am 10. Juli 2014. Sie verabredeten einen weiteren Besuch des Angeklagten für den Abend desselben Tages. Am Ende des Abends legten sie sich gemeinsam schlafen.
4
Spätestens gegen 5.00 Uhr am nächsten Morgen fasste der Angeklagte den Entschluss, den Geschädigten durch Schläge auf den Kopf „kampfunfähig“ zu machen, um ungestört die Wohnung nach Wertgegenständen durchsuchen zu können. Er holte aus der Küche einen hölzernen Fleischhammer mit einer Stiellänge von 29 cm, der an den Schlagflächen mit Metallplatten von 5 cm Durchmesser versehen war, und eine ungeöffnete Flasche Sekt mit einem Inhalt von 0,75 l und einem Gewicht von 1,6 kg. Den Hals der Flasche umwickelte er mit einer Serviette, um sich beim Zerbrechen der Flasche nicht zu verletzen.
5
Ihm war bewusst, dass heftige Schläge mit harten Gegenständen gegen den Kopf eines Menschen geeignet sind, lebensgefährliche Verletzungen hervorzurufen. Dies und den möglichen Tod des Geschädigten als Folge seines Handelns nahm der Angeklagte billigend in Kauf.
6
Mit dem Fleischhammer und der Sektflasche in den Händen trat der Angeklagte an das Bett des schlafenden Geschädigten heran und schlug ihm die Flasche und den Fleischhammer gegen den Kopf. Hierbei ging die Flasche zu Bruch. Der Geschädigte wachte auf und lief in den Flur. Dort schlug der Angeklagte dem Geschädigten ein Blumentopfgestell aus Acryl gegen den Kopf oder gegen die Schulter. Dabei zerbrach das Gestell. Das Geschehen verlagerte sich in die Küche und der Angeklagte schlug nunmehr mit einem Barhocker auf den Geschädigten ein. Als es dem Geschädigten gelang, den Angeklagten wegzudrücken, ließ dieser von weiteren Attacken ab. Insgesamt versetzte der Angeklagte dem Geschädigten mindestens fünf Schläge gegen den Kopf.
7
Der Geschädigte erlitt einen Schädelbasisbruch mit einem Bruch im Bereich der rechten Stirnhöhlen mit Verbringung von Fragmenten in die Stirnhöhle , einen Bruch des Nasenbeins sowie einen Bruch der unteren linken Augenhöhle , der inneren linken Augenhöhle und des Augenhöhlendachs links sowie weitere Verletzungen.
8
Aufgrund der erlittenen Kopfverletzungen blutete er stark, weswegen er fast nichts sah. Er ging deshalb ins Badezimmer, um sich zu säubern, und anschließend ins Schlafzimmer, um sich anzuziehen. Während dessen duschte der Angeklagte im Badezimmer. Dort nahm er aus einem Schrank eine im Ei- gentum des Geschädigten stehende Goldkette im Wert von mindestens 930 € an sich und kleidete sich in der Küche an. Das in der Küche liegende Smartphone des Geschädigten steckte er ebenfalls ein und begab sich zur Wohnungstür. Es gelang ihm aber nicht, den Mechanismus der Sperrkette zu öffnen , so dass ihm der Geschädigte öffnen musste.
9
Nachdem der Angeklagte gegangen war, verständigte der Geschädigte den Rettungsdienst.
10
Die Goldkette versetzte der Angeklagte in einem Leihhaus, erhielt 930 € und zahlte von diesem Geld Schulden zurück.
11
2. Die Strafkammer hat in ihrer rechtlichen Würdigung das Tatgeschehen als (besonders) schweren Raub (§ 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB) gewertet. Von dem Versuch des Mordes aus Habgier und zur Ermöglichung einer Straftat sei der Angeklagte strafbefreiend zurückgetreten.
12
Der Tatbestand des schweren Raubes sei gegeben, da der Angeklagte dem Geschädigten mit Gewalt in Form von Schlägen die Goldkette und das Smartphone weggenommen habe. Darauf sei sein Vorsatz von vorneherein gerichtet gewesen. Bei dem Raub habe er die Flasche Sekt und den Fleischhammer – zwei in der konkreten Verwendung gefährliche Werkzeuge – verwendet.

II.

13
Die Revision des Angeklagten ist begründet.
14
1. Die Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen (besonders) schweren Raubes (§ 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) nicht. Notwendige Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen Raubes ist eine finale Verknüpfung zwischen dem Einsatz der qualifizierten Nötigungsmittel und der Wegnahme sowie eines räumlich-zeitlichen Zusammenhangs dergestalt, dass es zu einer nötigungsbedingten Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Gewahrsamsinhabers über das Tatobjekt gekommen ist.
15
a) Nach ständiger Rechtsprechung muss zwischen der Drohung mit oder dem Einsatz von Gewalt und der Wegnahme beim Raub eine finale Verknüpfung bestehen; Gewalt oder Drohung müssen das Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein. An einer solchen Verknüpfung fehlt es, wenn eine Nötigungshandlung nicht zum Zwecke der Wegnahme vorgenommen wird, sondern der Täter den Entschluss zur Wegnahme erst nach Abschluss dieser Handlung fasst (vgl. BGH, Urteile vom 22. September 1983 – 4 StR 376/83, BGHSt 32, 88, 92 und vom 20. April 1995 – 4 StR 27/95, BGHSt 41, 123, 124; Beschlüsse vom 16. Januar 2003 – 4 StR 422/02, NStZ 2003, 431, 432, vom 21. März 2006 – 3 StR 3/06, NStZ 2006, 508, vom 24. Februar 2009 – 5 StR 39/09, NStZ 2009, 325, vom 25. September 2012 – 2 StR 340/12, NStZ-RR 2013, 45, 46 und vom 18. Februar 2014 – 5 StR 41/14, NStZ 2015, 156).
16
Deshalb genügt der Umstand, dass die Wirkungen eines ohne Wegnahmevorsatz eingesetzten Nötigungsmittels noch andauern und der Täter dies ausnutzt, für die Annahme eines Raubes nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2001 – 3 StR 176/01, vom 21. März 2006 – 3 StR 3/06, NStZ 2006, 508, vom 24. Februar 2009 – 5 StR 39/09, NStZ 2009, 325 und vom 25. September 2012 – 2 StR 340/12, NStZ-RR 2013, 45). Auch das bloße Ausnutzen der Angst eines der Einwirkung des Täters schutzlos ausgelieferten Opfers vor Fortführung bislang nicht auf die Ermöglichung der Wegnahme von Sachen gerichteter Gewalthandlungen reicht – ohne aktuelle Drohung erneuter Gewaltanwendung – nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2013 – 2 StR 558/12, NStZ 2013, 648; Beschlüsse vom 25. Februar 2014 – 4 StR 544/13, NStZ 2014, 269 und vom 18. Februar 2014 – 5 StR 41/14, NStZ 156, 157).
17
Demnach ist der Straftatbestand des Raubes regelmäßig dann gegeben, wenn mit dem Nötigungsmittel körperlicher Widerstand überwunden oder aufgrund der Zwangswirkung unterlassen und es hierdurch dem Täter ermöglicht wird, den Gewahrsam zu brechen. Der Tatbestand verlangt allerdings nicht, dass der Einsatz des Nötigungsmittels objektiv erforderlich ist oder die Wegnahme zumindest kausal fördert (BGH, Urteile vom 21. Mai 1953 – 4 StR 787/52, BGHSt 4, 210, 211 und vom 19. April 1963 – 4 StR 92/63, BGHSt 18, 329, 331). Es genügt, dass aus Sicht des Täters der Einsatz des Nötigungsmittels notwendig ist (Finalzusammenhang). Allein seine Vorstellung und sein Wille sind für den Finalzusammenhang maßgebend (BGH, Urteile vom 19. April 1963 – 4 StR 92/63, BGHSt 18, 329, 331 und vom 6. Oktober 1992 – 1 StR 554/92, NStZ 1993, 79; Beschluss vom 28. April 1989 – 4 StR 184/89, StV 1990, 159, 160).
18
Dieser maßgebliche Finalzusammenhang als solcher ist deshalb grundsätzlich unabhängig von der räumlichen und zeitlichen Einordnung der Wegnahmehandlung in das zweiaktige Tatgeschehen eines Raubes (vgl.Albrecht, Die Struktur des Raubtatbestandes (§ 249 Abs. 1 StGB), 2011, S. 103).
19
b) Nach den Feststellungen war der „subjektiv-finale Konnex“ gegeben. Der Angeklagte handelte während der Gewaltanwendung mit Zueignungsabsicht ; er wollte gegen das Opfer Gewalt ausüben, um nach der Gewaltanwendung ungehindert Wertgegenstände aus der Wohnung entwenden zu können und er hat die Gewalt gegen das Opfer zu diesem Zweck verübt. Aus seiner Sicht war die Anwendung von Gewalt erforderlich, um den Gewahrsam des Opfers zu brechen.
20
Der einzige Mangel des inneren Tatbestands betraf die Wirkungsweise der Gewalt. Während der Angeklagte bei der Gewaltanwendung annahm, der Geschädigte werde keinen Widerstand leisten, weil er ihn betäubt oder erschlagen hat, blieb er bei der Suche nach Wertgegenständen deshalb unbehelligt , weil sein Gewalteinsatz dazu geführt hatte, dass das Opfer schwer verletzt war, kaum noch etwas sah, sich vom Blut reinigte, anzog und dann den Rettungsdienst verständigte.
21
Diese Abweichung der Vorstellung des Angeklagten zum Zeitpunkt der Nötigungshandlung über die Verknüpfung von Nötigungshandlung und Wegnahme von der Verknüpfung, wie sie sich dann tatsächlich darstellte, hebt den Finalzusammenhang aber nicht auf; denn es handelte sich nur um eine unerhebliche Abweichung. Die angewendete Gewalt nötigte das Opfer, die Weg- nahme zu dulden und die Wegnahme wurde bei ununterbrochen fortbestehendem Wegnahmevorsatz (mit Zueignungsabsicht) auch umgesetzt.
22
In der Rechtsprechung ist als Rechtsfigur der unerheblichen Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf anerkannt, dass eine Divergenz zwischen dem eingetretenen und dem vom Täter gedachten Geschehensablauf im Rahmen der Prüfung des Vorsatzes regelmäßig dann unbeachtlich ist, wenn sie unwesentlich ist, namentlich weil beide Kausalverläufe gleichwertig sind (BGH, Urteile vom 21. April 1955 – 4 StB 552/54, BGHSt 7, 325, 329, vom 9. Oktober 1969 – 2 StR 376/69, BGHSt 23, 133, 135 und vom 10. April 2002 – 5 StR 613/01, NStZ 2002, 475, 476; Beschluss vom 11. Juli 1991 – 1 StR 357/91, BGHSt 38, 32, 34, Fischer, StGB, 63. Aufl., § 16 Rn. 7).
23
Dieser Gedanke gilt auch für Abweichungen des vorgestellten Finalzusammenhangs von der tatsächlichen Verknüpfung von Nötigungshandlung und Wegnahme. Abweichungen des tatsächlichen vom vorgestellten Finalverlauf sind für die rechtliche Bewertung bedeutungslos, wenn sie sich innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren halten und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen (vgl. entsprechend zum „Kausal- verlauf“, BGH, Beschluss vom 11. Juli 1991 – 1 StR 357/91, BGHSt 38, 32, 34).
24
Demnach ist es unerheblich, ob sich das Opfer nach Abschluss der vom Täter zum Zweck der Duldung der Wegnahme verübten Tathandlung entschließt , die Wegnahme wegen des zuvor angewendeten Nötigungsmittels zu dulden oder infolge des Einsatzes des Nötigungsmittels nicht mehr in der Lage ist, einen entsprechenden Willen zu bilden und umzusetzen wie dies bei Bewusstlosigkeit , schweren Verletzungen oder Fesselung der Fall ist. Ergreift das Opfer vor der Wegnahme die Flucht, liegt in diesem Verhalten die konkludente Preisgabe seines Eigentums. Aus Sicht des Opfers ist es gleichgültig, ob das Dulden der Wegnahme oder die Unmöglichkeit Widerstand zu leisten auf Fesselung , Bewusstlosigkeit oder verletzungsbedingter Wehrlosigkeit beruht (Fischer, StGB, 63. Aufl., § 249 Rn. 12b; vgl. Albrecht, aaO, S. 147 „Schwächung der … Verteidigungsfähigkeit oder -bereitschaft des Opfers als Nöti- gungserfolg“). Die je nach Konstitution und Persönlichkeit des Opfers unter- schiedlichen Reaktionen auf die Gewalthandlung des Täters sind für das Fortbestehen eines Finalzusammenhangs ohne Relevanz.
25
Der Finalzusammenhang war daher gegeben.
26
c) Über den Finalzusammenhang hinaus müssen Nötigung und Wegnahme aber im Hinblick auf den spezifischen Unrechtsgehalt des Raubes auch in einem bestimmten räumlichen und zeitlichen Verhältnis zueinanderstehen.
27
Dieses neben den Finalzusammenhang tretende eigenständige Merkmal folgt aus der gegenüber einem Diebstahl erhöhten Strafdrohung bei Raub. Sie beruht auf dem wesentlich höheren Schuld- und Unrechtsgehalt, der an den Einsatz von qualifizierten Nötigungsmitteln zur Herbeiführung des Gewahrsamsbruchs beim Opfer anknüpft (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 2009 – 5 StR 31/09, BGHSt 53, 234, 236; Streng GA 2010, 671, 675). Aus der unrechtssteigernden Funktionalisierung von Nötigungsmitteln für den Eingriff in fremdes Eigentum folgt, dass der subjektiv-final auf „Wegnahme mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben“ gerichtete Tatentschluss sich auch tatsächlich in einer „Wegnahme mit Gewalt“ oder „unter Anwendung von Drohungen“ realisieren muss und die den Raub konstituierenden Elemente der Nötigungshandlung und der Wegnahme eine raubspezifische Einheit bilden (vgl. Streng, aaO, S. 675). Sie dürfen nicht isoliert nebeneinanderstehen, sondern müssen das typische Tatbild eines Raubes ergeben. Eine solche raubspezifische Einheit von qualifizier- ter Nötigung und Wegnahme liegt regelmäßig lediglich dann vor, wenn es zu einer – in der Vorstellung des Täters nachvollzogenen – nötigungsbedingten Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Gewahrsamsinhabers über das Tatobjekt gekommen ist (vgl. Albrecht, aaO, S. 134 und S. 141).
28
Daran könnte es dann fehlen, wenn ein durch die Nötigung hervorgerufenes Verhalten des Opfers nach Abschluss der qualifizierten Nötigungshandlung weder objektiv noch nach der Tätervorstellung ein notwendiges Zwischenziel zur Begründung des Gewahrsams ist (vgl. Albrecht, aaO, S. 127).
29
Nicht gefordert für den raubspezifischen Zusammenhang ist, dass der Ort der Nötigungshandlung und der Wegnahmehandlung identisch sind oder ein bestimmtes Maß an zeitlicher oder örtlicher Differenz zwischen Nötigung und Wegnahme nicht überschritten werden darf (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 1983 – 4 StR 640/83, bei Holtz, MDR 1984, 276 und Beschluss vom 13. Oktober 2005 – 5 StR 366/05, NStZ 2006, 38; MünchKommStGB/Sander, 2. Aufl., § 249, Rn. 27). Es entscheiden jeweils die Umstände des Einzelfalls.
30
d) Ob der raubspezifische, also auf die nötigungsbedingte Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Opfers über das Tatobjekt bezogene, zeitliche und räumliche Zusammenhang vorlag, lässt sich den Feststellungen des Urteils nicht hinreichend sicher entnehmen.
31
Es bleibt offen, warum der Geschädigte nicht sofort nach Abschluss der Gewaltanwendung den Rettungsdienst verständigte, weshalb er später dem Angeklagten sogar beim Verlassen der Wohnung behilflich war, und weshalb der Angeklagte seinen nach den Feststellungen fortbestehenden Wegnahmevorsatz nicht sofort nach der Gewaltanwendung umgesetzt hat, obwohl der Geschädigte sichtbar unter der Wirkung der ausgeübten Gewalt stand. Dem Urteil lässt sich auch nicht entnehmen, ob der Angeklagte im Badezimmerschrank, in der Küche oder anderswo nach Wertsachen suchte und welche Zeit in etwa zwischen dem Ende der körperlichen Auseinandersetzung und der Wegnahme verstrichen ist.
32
Eine nähere Erklärung, weshalb der Angeklagte sich veranlasst sah, erst zu duschen und sich anzukleiden und nicht sofort mit etwaiger Beute die Flucht ergriff, findet sich im Urteil nicht.
33
Gab der Geschädigte die Wertgegenstände dem ungehinderten Zugriff des Angeklagten preis, weil er sich infolge der verübten Gewalt nicht mehr willens und in der Lage sah, seinen Gewahrsam zu schützen, spräche dies trotz der verstrichenen Zeit und der wiederholten Ortsveränderung von Täter und Opfer für den erforderlichen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen Nötigungshandlung und Wegnahme. Dasselbe gilt, soweit das Verhalten des Angeklagten der Vorbereitung seiner Flucht mit etwaiger Beute diente oder die vorangegangene Anwendung von Gewalt durch ausdrückliche oder konkludente Drohung aktualisiert wurde.
34
e) Wirkte die vorangegangene Gewaltanwendung bei der Wegnahme nicht willensbeugend, gab also der Geschädigte die Wertgegenstände in seiner Wohnung dem Zugriff des Angeklagten aus anderen Gründen preis, käme wegen des einen Gewahrsamsbruch ausschließenden Einverständnisses mit der Wegnahme lediglich ein versuchter Raub in Betracht.
35
2. Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung , da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Landgericht in neuer Hauptverhandlung Feststellungen zu treffen vermag, die eine Verurteilung wegen Raubes stützen. Der Senat hebt deshalb das Urteil einschließlich der Feststellungen insgesamt auf, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu geben, den Sachverhalt umfassend aufzuklären. Raum Graf Jäger Radtke Fischer

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(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 340/12
vom
25. September 2012
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 25. September 2012 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 11. April 2012 im Fall II.1 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes sowie wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang mit der Sachrüge Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2
Nach den zu Fall II.1 getroffenen Feststellungen nahm der Angeklagte am Abend des 9. März 2001 Kontakt zu der Geschädigten auf, die auf dem "Straßenstrich" der Prostitution nachging. Gegen Zahlung von 50 DM führte sie in seinem Pkw bei ihm den Oralverkehr durch. Nachdem dies auch nach längerer Zeit zu keiner Befriedigung des Angeklagten geführt und die Geschädigte ihre Dienstleistung daraufhin abgebrochen hatte, hinderte der Angeklagte die Geschädigte nach kurzer Diskussion und dem Verlassen des Fahrzeugs daran, sich vom Ort des Geschehens zu entfernen. Er drückte sie gegen einen Zaun und schlug ihr mit der Faust mehrfach ins Gesicht, bis sie zu Boden ging. Anschließend trat er mehrere Male kraftvoll auf ihren Kopf ein, bis sie sich aus Angst vor weiterer Gewaltanwendung nicht mehr rührte. In diesem Moment beschloss der Angeklagte, der Geschädigten die zuvor gezahlten 50 DM wieder wegzunehmen. Hierbei erkannte er, dass die Geschädigte dies dulden würde, weil sie weitere Tritte befürchtete. Diese Angst zielgerichtet ausnutzend nahm der Angeklagte nun die Jacke der Geschädigten an sich, in der sich neben dem betreffenden Geld ihr Mobiltelefon und weitere Wertgegenstände befanden, und fuhr davon.

II.

3
Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen besonders schweren Raubes (§ 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 3a StGB) nicht. Nach ständiger Rechtsprechung muss zwischen der Drohung mit oder dem Einsatz von Gewalt und der Wegnahme beim Raub eine finale Verknüpfung bestehen; Gewalt oder Drohung müssen das Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein. An einer solchen Verknüpfung fehlt es, wenn eine Nötigungshandlung nicht zum Zwecke der Wegnahme vorgenommen wird, sondern der Täter den Entschluss zur Wegnahme erst nach Abschluss dieser Handlung fasst (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 1983 – 4 StR 376/83, BGHSt 32, 88, 92; Urteil vom 20. April 1995 - 4 StR 27/95, BGHSt 41, 123, 124; Beschluss vom 16. Januar 2003 - 4 StR 422/02, NStZ 2003, 431, 432; Beschluss vom 24. Februar 2009 - 5 StR 39/09, NStZ 2009, 325; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 249 Rn. 6, 10 mwN). Hier hatte sich nach den Feststellungen der Angeklagte erst nach seiner letzten Gewaltanwendung zur Wegnahme entschlossen. Eine Äußerung oder sonstige Handlung des Angeklagten vor oder bei der Wegnahme, die eine – eventuell konkludent auf die vorausgehende Gewaltausübung Bezug nehmende – Drohung mit weiterer Gewalt beinhaltet, ist nicht festgestellt. Allein der Umstand, dass die Wirkungen der ohne Wegnahmeabsicht ausgeübten Gewalt noch andauern und der Täter dies ausnutzt, genügt für die Annahme eines Raubes nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 2006 - 3 StR 3/06, NStZ 2006, 508; Beschluss vom 24. Februar 2009 – 5 StR 39/09, NStZ 2009, 325f.).
4
Die Aufhebung der Verurteilung im Fall II.1 der Urteilsgründe führt zum Wegfall der zugehörigen Einzelstrafe und bedingt die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.
Becker RiBGH Dr. Appl befindet sich Berger im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Krehl Ott

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR41/14
vom
18. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Februar 2014 beschlossen
:
1. Auf die Revision des Angeklagten W. wird das Urteil
des Landgerichts Zwickau vom 30. Oktober 2013 – auch
soweit es die Mitangeklagte B. betrifft – nach § 349
Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten W. wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt; die nichtrevidierende Mitangeklagte B. hat es wegen Raubes in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen besuchten am 20. April 2013 der Angeklagte W. und die Angeklagte B. , die von ihrer Tochter und deren Freund, dem gesondert Verfolgten S. begleitet wurde, die geschädigten Eheleu- te F. in deren Wohnung. Über ein als unangemessen gewertetes Ansinnen erbost versetzte zunächst die Angeklagte B. , sodann der ebenfalls verärgerte Angeklagte W. dem Geschädigten Schläge in das Gesicht. Im Bewusstsein ihrer körperlichen Überlegenheit und in Ansehung des durch die Schläge deutlich eingeschüchterten Geschädigten kamen der Angeklagte W. und S. spontan überein, aus der Wohnung der Eheleute brauchbare Gegenstände wegzunehmen. Unter dem Eindruck der erhaltenen Schläge ließ es der Geschädigte F. widerstandslos zu, dass der Angeklagte W. und S. Gegenstände im Gesamtwert von ca. 100 € zusammenpackten. Dieses Tun billigte die Angeklagte B. , in deren Wohnung das Stehlgut anschließend verbracht wurde (Fall II.1 der Urteilsgründe).
3
Drei Tage später suchten der Angeklagte W. , die Angeklagte B. , ihre Tochter und S. erneut die Eheleute F. auf. Wiederum erzürnte sich die Angeklagte B. und schlug dem Geschädigten mehrfach in das Gesicht. Der Angeklagte W. und S. schlossen sich diesen Tätlichkeiten an. Weiterhin brachte der Angeklagte W. dem Geschädigten an den Händen mit einer glimmenden Zigarette Brandwunden bei. Nachdem es dem Geschädigten gelungen war, in ein anderes Zimmer der Wohnung zu flüchten, entwendeten der Angeklagte W. und S. aus der Wohnung der Eheleute F. „ungestört in Ausnutzung der fortwirkenden Gewalt“ Gegenstände im Gesamtwert von ca. 100 €. Die Angeklagte B. machte sich die Wegnahme zu eigen, indem sie half, die entwendeten Sachen in ihre Wohnung zu tragen (Fall II.2 der Urteilsgründe).
4
2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten W. wegen Raubes und besonders schweren Raubes (§ 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) nicht. Nach ständiger Rechtsprechung muss zwischen der Drohung mit oder dem Einsatz von Gewalt und der Wegnahme beim Raub eine finale Verknüpfung bestehen; Gewalt oder Drohung müssen das Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein. An einer solchen Verknüpfung fehlt es, wenn eine Nötigungshandlung nicht zum Zwecke der Wegnahme vorgenommen wird, sondern der Täter den Entschluss zur Wegnahme erst nach Abschluss dieser Handlung fasst (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 1983 – 4 StR 376/83, BGHSt 32, 88, 92; Urteil vom 20. April 1995 – 4 StR 27/95, BGHSt 41, 123, 124; Urteil vom 16. Januar 2003 – 4 StR 422/02, NStZ 2003, 431, 432; Beschluss vom 24. Februar 2009 – 5 StR 39/09, NStZ 2009, 325; MünchKomm/Sander, StGB, 2. Aufl., § 249 Rn. 31 mwN). Hier hatte sich der Angeklagte nach den Feststellungen jeweils erst nach seiner letzten Gewaltanwendung zur Wegnahme entschlossen. Eine Äußerung oder sonstige Handlung des Angeklagten vor der Wegnahme, die eine auch nur konkludente Drohung mit weiterer Gewalt beinhaltete, ist nicht festgestellt. Allein der Umstand, dass die Wirkungen eines ohne Wegnahmeabsicht eingesetzten Nötigungsmittels noch andauern und der Täter dies ausnutzt, genügt für die Annahme eines Raubes nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. März 2006 – 3 StR 3/06, NStZ 2006, 508; vom 24. Februar 2009 – 5 StR 39/09, NStZ 2009, 325; vom 25. September 2012 – 2 StR 340/12, NStZ-RR 2013, 45). Das bloße Ausnutzen der Angst eines der Einwirkung des Täters schutzlos ausgelieferten Opfers reicht nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2013 – 2 StR 558/12, NStZ 2013,

648).


5
3. Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung , da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Landgericht in neuer Hauptverhandlung Feststellungen zu treffen vermag, die eine Verurteilung wegen Raubdelikten stützen.
6
Da der aufgezeigte materiellrechtliche Fehler des Urteils die nicht revidierende Mitangeklagte B. in gleicher Weise betrifft, ist die Aufhebung auf sie zu erstrecken, nachdem sie – zum Antrag des Generalbundesanwalts auf Entscheidung nach § 357 StPO über ihren Verteidiger angehört – einer solchen Erstreckung nicht widersprochen hat.
Basdorf Sander Schneider
Berger Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 340/12
vom
25. September 2012
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 25. September 2012 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 11. April 2012 im Fall II.1 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes sowie wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang mit der Sachrüge Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2
Nach den zu Fall II.1 getroffenen Feststellungen nahm der Angeklagte am Abend des 9. März 2001 Kontakt zu der Geschädigten auf, die auf dem "Straßenstrich" der Prostitution nachging. Gegen Zahlung von 50 DM führte sie in seinem Pkw bei ihm den Oralverkehr durch. Nachdem dies auch nach längerer Zeit zu keiner Befriedigung des Angeklagten geführt und die Geschädigte ihre Dienstleistung daraufhin abgebrochen hatte, hinderte der Angeklagte die Geschädigte nach kurzer Diskussion und dem Verlassen des Fahrzeugs daran, sich vom Ort des Geschehens zu entfernen. Er drückte sie gegen einen Zaun und schlug ihr mit der Faust mehrfach ins Gesicht, bis sie zu Boden ging. Anschließend trat er mehrere Male kraftvoll auf ihren Kopf ein, bis sie sich aus Angst vor weiterer Gewaltanwendung nicht mehr rührte. In diesem Moment beschloss der Angeklagte, der Geschädigten die zuvor gezahlten 50 DM wieder wegzunehmen. Hierbei erkannte er, dass die Geschädigte dies dulden würde, weil sie weitere Tritte befürchtete. Diese Angst zielgerichtet ausnutzend nahm der Angeklagte nun die Jacke der Geschädigten an sich, in der sich neben dem betreffenden Geld ihr Mobiltelefon und weitere Wertgegenstände befanden, und fuhr davon.

II.

3
Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen besonders schweren Raubes (§ 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 3a StGB) nicht. Nach ständiger Rechtsprechung muss zwischen der Drohung mit oder dem Einsatz von Gewalt und der Wegnahme beim Raub eine finale Verknüpfung bestehen; Gewalt oder Drohung müssen das Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein. An einer solchen Verknüpfung fehlt es, wenn eine Nötigungshandlung nicht zum Zwecke der Wegnahme vorgenommen wird, sondern der Täter den Entschluss zur Wegnahme erst nach Abschluss dieser Handlung fasst (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 1983 – 4 StR 376/83, BGHSt 32, 88, 92; Urteil vom 20. April 1995 - 4 StR 27/95, BGHSt 41, 123, 124; Beschluss vom 16. Januar 2003 - 4 StR 422/02, NStZ 2003, 431, 432; Beschluss vom 24. Februar 2009 - 5 StR 39/09, NStZ 2009, 325; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 249 Rn. 6, 10 mwN). Hier hatte sich nach den Feststellungen der Angeklagte erst nach seiner letzten Gewaltanwendung zur Wegnahme entschlossen. Eine Äußerung oder sonstige Handlung des Angeklagten vor oder bei der Wegnahme, die eine – eventuell konkludent auf die vorausgehende Gewaltausübung Bezug nehmende – Drohung mit weiterer Gewalt beinhaltet, ist nicht festgestellt. Allein der Umstand, dass die Wirkungen der ohne Wegnahmeabsicht ausgeübten Gewalt noch andauern und der Täter dies ausnutzt, genügt für die Annahme eines Raubes nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 2006 - 3 StR 3/06, NStZ 2006, 508; Beschluss vom 24. Februar 2009 – 5 StR 39/09, NStZ 2009, 325f.).
4
Die Aufhebung der Verurteilung im Fall II.1 der Urteilsgründe führt zum Wegfall der zugehörigen Einzelstrafe und bedingt die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.
Becker RiBGH Dr. Appl befindet sich Berger im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Krehl Ott

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 558/12
vom
8. Mai 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. Mai 2013,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker
und die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach
sowie die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 16. Juli 2012 mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Raub und in weiterer Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung unter Einbeziehung früherer Urteile zu einer Einheitsjugendstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel führt aufgrund der Sachbeschwerde zur Urteilsaufhebung, gemäß § 301 StPO auch zugunsten des Angeklagten.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts überfiel der Angeklagte am 11. September 2011 die Nebenklägerin, als diese in einem zur Tatzeit menschenleeren Geschäftshaus Reinigungsarbeiten vornahm. Er folgte ihr zunächst unbemerkt in den Keller. Als die Nebenklägerin den Angeklagten bemerkte und fragte, was er hier wolle, reagierte er nicht. Die Nebenklägerin bekam Angst und wollte den Keller verlassen, wurde aber vom Angeklagten daran gehindert, indem er sie am Hals packte und so würgte, dass sie kaum noch atmen konnte und ein Schreien unterdrückt wurde. Dann presste der Angeklagte die Nebenklägerin an die Wand des Treppenhauses. Er verlangte, dass sie die Tür eines Abstellraums aufschloss, stieß sie dort hinein und verbot ihr, das Licht anzuschalten. Zwar hörte der Angeklagte nun damit auf, die Nebenklägerin zu würgen; jedoch hatte sie im Verlauf des weiteren Geschehens Angst vor erneuter Gewaltanwendung durch den Angeklagten und fügte sich deshalb seinen Weisungen. Er verlangte von ihr, dass sie sich entkleidete und versuchte den vaginalen sowie analen Geschlechtsverkehr, was ihm zumindest „ansatzweise gelang“. Dabei verursachteer der Geschädigten große Schmerzen. Der Angeklagte verlangte anschließend Oralverkehr, den die Nebenklägerin aus Angst vor Gewalt an ihm vollzog. Hiernach führte er mit ihr vaginalen Geschlechtsverkehr durch. Als der Angeklagte das Licht einschaltete, um sich und der Nebenklägerin das Ankleiden zu ermöglichen, entdeckte er drei goldene Ringe an ihren Händen, die er ihr wegnahm. Die Nebenklägerin ließ auch dies aus Angst vor erneuten Gewalthandlungen durch den Angeklagten geschehen.

II.

3
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet und zwar gemäß § 301 StGB sowohl zugunsten des Angeklagten als auch zu seinen Ungunsten.
4
1. Die bisherigen Feststellungen des Landgerichts tragen nicht die Verurteilung wegen Raubes. Nach § 249 Abs. 1 StGB wird nur derjenige bestraft, der mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen. Gewalt oder Drohung müssen dabei Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein (vgl. Senat, Urteil vom 15. Oktober 2003 – 2 StR 283/03, BGHSt 48, 365, 367). Folgt die Wegnahme einer Anwendung von Gewalt zu anderen Zwecken nur zeitlich nach, ohne dass diese finale Verknüpfung besteht , so scheidet ein Schuldspruch wegen Raubes insoweit aus (vgl. BGH, Beschluss vom 7. September 1994 – 2 StR 431/94, BGHR StGB § 249 Abs. 1 Gewalt 7). Zurzeit der Anwendung der Gewalt hatte der Angeklagte aber noch nicht mit der Zielrichtung gehandelt, der Geschädigten Sachen wegzunehmen. Es genügt zwar, wenn die zunächst zu anderen - etwa zu sexuellen - Zwecken begonnene Gewaltanwendung beim Fassen des Wegnahmevorsatzes fortgesetzt wird (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 1964 - 1 StR 267/64, BGHSt 20, 32, 33). Dies war hier aber nicht der Fall.
5
Eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben der Geschädigten als anderes Mittel der Wegnahme ist vom Landgericht nicht festgestellt worden. Das bloße Ausnutzen der Angst des Opfers vor erneuter Gewaltanwendung enthält für sich genommen noch keine Drohung. Zwar kann eine Drohung auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Erforderlich ist dafür jedoch , dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht. Es genügt nicht, wenn das Opfer nur erwartet, der Täter werde es an Leib oder Leben schädigen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 1987 – 4 StR 324/87, BGHR StGB § 249 Abs. 1 Drohung 1). Das bloße Ausnutzen der Angst eines der Einwirkung des Täters schutzlos ausgelieferten Opfers mag sich als das Ausnutzen einer hilflosen Lage darstellen, die vom Gesetzgeber indes ausschließlich in § 177 Abs. 1 StGB neben Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zu einem selbständigen tatbestandlichen Nötigungsmittel erhoben wurde.
6
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht weitere Feststellungen treffen kann, die zur Anwendung von § 249 StGB führen.
7
2. Wenn vom neuen Tatgericht ein Raub festgestellt würde, so wäre unter den weiteren Umständen des Falles auch zu erörtern, ob erpresserischer Menschenraub nach § 239a Abs. 1 StGB vorliegt. Diese Tat begeht nicht nur ein Täter, der einen Menschen entführt oder sich seiner bemächtigt, um von Anfang an die Sorge des Opfers um sein Wohl zu einer Erpressung auszunutzen , sondern auch derjenige, der die durch eine solche Handlung geschaffene Lage zu einer Erpressung ausnutzt. Raub ist dabei ein speziellerer Tatbestand als (räuberische) Erpressung, der auch die Möglichkeit eines hierauf bezogenen erpresserischen Menschenraubs eröffnet (vgl. Senat, Urteil vom 5. März 2003 – 2 StR 494/02, NStZ 2003, 604 f.).
8
Der Angeklagte kann sich der Geschädigten bemächtigt haben. Dazu muss er die physische Herrschaftsgewalt über das Opfer gewonnen, eine stabile Bemächtigungslage geschaffen und diese Lage zu einer Erpressung oder zum Raub ausgenutzt haben. Zwar muss der stabilisierten Bemächtigungslage mit Blick auf das Vermögensdelikt eigenständige Bedeutung zukommen. Damit ist aber nur gemeint, dass sich über die in jeder mit Gewalt oder Drohungen verbundenen Nötigungshandlung liegende Beherrschungssituation hinaus eine weiter gehende Drucksituation aus der stabilen Bemächtigungslage ergeben haben muss (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2012 – 3 StR 385/11, NStZ-RR 2012, 173, 174). Dies kommt hier in Betracht und wäre daher vom Tatgericht zu erörtern.

III.

9
Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:
10
Das zuletzt erkennende Tatgericht ist bei der Festsetzung einer einheitlichen Jugendstrafe nach § 31 JGG unter Einbeziehung früherer Urteile an die dortigen Wertungen nicht gebunden. Es hat eine neue Entscheidung unter Gesamtwürdigung aller Umstände, auch soweit sie sich aus bindenden Tatsachenfeststellungen zum früheren Tatgeschehen ergeben, in eigener Verantwortung zu treffen (vgl. Senat, Urteil vom 30. April 1990 – 2 StR 64/90, BGHSt 37, 34, 39 f.). Die Bezugnahme auf wertende Überlegungen früherer Gerichte begegnet daher Bedenken. Das neue Tatgericht ist frei in seiner Entscheidung über die angemessene Rechtsfolge, auch hinsichtlich der Frage, ob das Jugendstrafrecht anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 9. August 2001 – 1 StR 211/01, NJW 2002, 73, 75) und welche Sanktionsform innerhalb des Jugendgerichtsgesetzes angemessen ist. Auch dabei kann die Annahme des Vorliegens einer dissozialen Persönlichkeitsstörung, die besonderen Therapiebedarf über die erzieherischen Einwirkungen im Jugendstrafvollzug hinaus begründen könnte, von Bedeutung sein.
11
Bei der Bemessung einer nachträglich zu bildenden Einheitsjugendstrafe geht es nicht um das Maß einer Erhöhung der einzubeziehenden Jugendstrafen. Vielmehr sind die früher begangenen Straftaten im Rahmen einer Gesamtwürdigung neu zu bewerten und zusammen mit der neuen Tat zur Grundlage einer einheitlichen Sanktion zu machen. Dies gilt auch dann, wenn die früher verhängten Jugendstrafen zwischenzeitlich vollstreckt sind (vgl. Senat, Beschluss vom 31. März 2011 – 2 StR 8/11, StraFo 2011, 288 f.).
Becker Fischer Krehl Eschelbach Ott

(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

5 StR 613/01

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 10. April 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
10. April 2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt H
als Verteidiger des Angeklagten Z ,
Rechtsanwalt S
als Verteidiger des Angeklagten D ,
Rechtsanwältin Sa
als Verteidigerin des Angeklagten W ,
Justizhauptsekretärin N ,
Justizangestellte R
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 18. Juni 2001
a) in den Schuldsprüchen dahin geändert , daß die Angeklagten jeweils des Totschlags schuldig sind,
b) in den Rechtsfolgeaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
1. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt, den Angeklagten Z zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten , den Angeklagten D zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten sowie den Angeklagten W zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten. Gegen die Angeklagten Z und D hat es zudem die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen das Urteil richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge und dem Ziel einer Verurteilung der Angeklagten wegen vollendeten Totschlags. Die Revisionen haben Erfolg.

I.


Das Landgericht hat folgendes festgestellt: Die Angeklagten waren “Trinkkumpane” und kannten den Verstorbenen Ha sowie das Tatopfer K , die beide in demselben Haus wie der Angeklagte D wohnten und wie die Angeklagten im Übermaß Alkohol tranken. Nach dem Tod Ha bezichtigte K den Angeklagte Z zu Unrecht mehrfach in der Öffentlichkeit, Ha durch Beibringung von Gift oder Säure getötet zu haben. So geschah es auch am Vormittag des Tattages, als sich die Angeklagten und K an einem “Getränkestützpunkt” trafen. Der darüber verärgerte Angeklagte Z geriet mit K in einen Streit und äußerte vor den beiden anderen Angeklagten, daß er K “kaltmachen” werde. Später gab der Angeklagte Z den beiden Mitangeklagten zu verstehen, “daß K heute noch sterben muß”. Dabei verwies er auf eine vorgezeigte Einwegspritze, mit der er K Luft in eine Armvene injizieren wollte, um ihn dadurch zu töten. Die Angeklagten D und W nahmen das in dieser Situation noch nicht ernst. Am Abend trafen die Angeklagten mit K in der Wohnung des Angeklagten D zusammen. K machte den Angeklagten Z erneut für den Tod des Ha verantwortlich. Es entstand ein lauter Streit zwischen beiden. Der Angeklagte D forderte beide auf, Ruhe zu geben. Darauf erfaßte K den Angeklagten D am Hals, der sich befreien konnte und K zwei bis dreimal mit der Faust ins Gesicht schlug. K taumelte in Richtung des Angeklagten W , der ihn mindestens zweimal mit der Faust an Kopf und Hals schlug. In dieser Situation “entschloß sich der ... AngeklagteZ , sein Vorhaben, K mit einer Luftinjektion in eine Armvene zu töten,
in die Tat umzusetzen.º Er holte die dafür mitgebrachte Einwegspritze hervor , was die beiden Mitangeklagten erkannten. Ihnen war aufgrund der vorangegangenen Äuûerungen des Angeklagten Z auch klar, was er damit vorhatte. Unter dem unmittelbaren Eindruck der von K ausgegangenen Auseinandersetzung ªwollten jetzt auch die Angeklagten D und W K töten, seinen Tod in der vom Angeklagten Z vorgesehenen Art und Weise herbeiführen.º Der Angeklagte W ergriff ein Tuch, führte es K über den Mund und hielt ihn daran von hinten fest. Die Angeklagten D und Z schlugen derweil weiter, jeder mindestens zweimal auf das sich immer noch wehrende Opfer im Kopf- und Halsbereich ein, um dessen Widerstandsfähigkeit zu brechen. K lag am Boden, blutete aus Mund und Nase und war im Gesicht erheblich verletzt. Während der Angeklagte W das Opfer immer noch mit dem Tuch fixierte, hielt der Angeklagte D dessen linken Arm fest und der Angeklagte Z stach ihm mit der Spritze mindestens einmal in die linke Armbeuge und drückte die Luft aus der Spritze. Danach lieû der Angeklagte W los. Der Angeklagte Z fühlte bei dem sich nicht mehr rührenden K keinen Puls mehr und äuûerte, daû ªdie Sau jetzt tot istº. Die Angeklagten gingen davon aus, daû K so, wie sie es wollten, infolge der Luftinjektion gestorben war. Tatsächlich erstickte K . Aufgrund der Schläge war sein Kehlkopffortsatz abgebrochen und er atmete Blut ein. Selbst wenn die Spritzennadel in die Armvene eingedrungen wäre, was nicht der Fall war, hätte noch nicht einmal das zweifache Luftvolumen für die Herbeiführung des Todes ausgereicht. Das hatten die Angeklagten nicht erkannt.
Das Landgericht hat in dem Verhalten der Angeklagten ± lediglich ± einen versuchten Totschlag in Tateinheit mit Körperverletzung mit Todesfolge gefunden. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.



Aus den Feststellungen ergibt sich, daû die Angeklagten gemeinschaftlich einen vollendeten Totschlag begangen haben. Die Angeklagten haben durch gemeinsames Tun den Tod des Opfers verursacht. Dies war bei jedem von ihnen durch ± direkten ± Vorsatz gedeckt. 1. In der Rechtsprechung ist als Rechtsfigur der unerheblichen Abweichung des tatsächlichen Kausalverlaufs vom vorgestellten Kausalverlauf anerkannt, daû eine Divergenz zwischen dem eingetretenen und dem vom Täter gedachten Geschehensablauf unter Gesichtspunkten des Vorsatzes regelmäûig dann unbeachtlich ist, wenn sie unwesentlich ist, namentlich weil beide Kausalverläufe gleichwertig sind (BGHSt 7, 325, 329; 23, 133, 135; BGH GA 1955, 123, 125; BGH NJW 1960, 1261; BGH NJW 2002, 1057; ebenso schon RGSt 67, 258; RG DStR 1939, 177, 178). Danach gilt insbesondere folgendes: Bewirkt der Täter, der nach seiner Vorstellung vom Tatablauf den Taterfolg erst durch eine spätere Handlung herbeiführen will, diesen bereits durch eine frühere Handlung, so kommt eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Taterfolges dann in Betracht, wenn er bereits vor der Handlung, die den Taterfolg verursacht, die Schwelle zum Versuch überschritten hat oder sie zumindest mit dieser Handlung überschreitet (BGH GA 1955, 123, 124; BGH NJW 2002, 1057; RG DStR 1939, 177, 178). Dies alles findet weitgehend Zustimmung im Schrifttum (Cramer/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 15 Rdn. 58; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 16 Rdn. 7; Baumann/Weber/Mitsch AT 10. Aufl. § 20 Rdn. 24; Jeschek/Weigend AT 5. Aufl. S. 312; Maurach/Zipf AT 8. Aufl. § 23 Rdn. 36; Roxin AT 3. Aufl. § 12 Rdn. 170; anderer Ansicht Schroeder in LK 11. Aufl. § 16 Rdn. 34; Jakobs AT 2. Aufl. S. 300 f.).
2. So wie zuvor beschrieben liegt es hier: Die Angeklagten begingen die todesursächlichen Verletzungshandlungen, nachdem sie sich jeweils zur Tötung des Opfers ± durch Luftinjektion ± entschlossen hatten. In der darauf erfolgten tödlichen Gewaltanwendung liegt bereits das unmittelbare Anset-
zen zur Tötung im Sinne des § 22 StGB, da die gewaltsame Wehrlosmachung des Opfers und die Beibringung der Injektion in jeder Hinsicht eine Einheit bilden. Die beiden zu vergleichenden Kausalverläufe sind gleichwertig.
Auf die Faustschläge, die der Angeklagte W vor der Fassung des Tötungsvorsatzes dem Opfer gegen Kopf und Hals versetzte, kommt es deshalb nicht an, weil nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe auszuschlieûen ist, daû etwa schon diese Schläge für sich allein todesursächlich gewesen wären.

III.


Weitere Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten enthält das angefochtene Urteil nicht, ebensowenig wie Rechtsfehler zu deren Nachteil (§ 301 StPO).
Insbesondere hat das Landgericht das Vorliegen von Mordmerkmalen nach § 211 Abs. 2 StGB ohne Rechtsfehler verneint. Namentlich hat es für alle Angeklagte das Merkmal niedriger Beweggründe letztlich mit dem hinzunehmenden Argument ausgeschlossen, daû Zweifel daran bestünden, ªob sich die Angeklagten bei ihrer Tat der Umstände bewuût waren, die den Antrieb zur Tat als verwerflich erscheinen lassenº.

IV.


Danach kann der Senat den Schuldspruch ändern.
1. Dem steht nicht etwa der Gesichtspunkt entgegen, daû die Rechtsfigur der Unerheblichkeit der Abweichung des tatsächlichen Kausalverlaufs vom vorgestellten Kausalverlauf eine ªGleichwertigkeitº der beiden in Be-
tracht zu ziehenden Geschehensabläufe impliziert. Die Entscheidung über diese ªGleichwertigkeitº, nach Jeschek/Weigend aaO eine ªrechtlich-sittliche Bewertung der Tatº, ist nicht etwa als Tatsachenentscheidung dem Tatgericht vorbehalten, steht vielmehr als Subsumtionsentscheidung auch dem Revisionsgericht zu.
2. Auch Gesichtspunkte des § 265 StPO stehen hier der Schuldspruchänderung nicht entgegen; denn bereits mit der (unverändert zugelassenen ) Anklage wurde den Angeklagten ein gemeinschaftlicher Mord vorgeworfen , namentlich unter Benennung der Unbeachtlichkeit der Abweichung des tatsächlichen Kausalverlaufs vom vorgestellten Kausalverlauf.

V.


Da das Schwurgericht die Strafen wegen einer für § 212 Abs. 1 StGB vorgenommenen Strafrahmenverschiebung gemäû § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB jeweils dem Strafrahmen des § 227 Abs. 1 StGB entnommen hat, muû ein neuer Tatrichter über die gegen die Angeklagten zu verhängenden Rechtsfolgen umfassend neu befinden, und zwar ± auch ± auf der Grundlage der von ihm neu zu treffenden Feststellungen zur Person eines jeden Angeklagten. Beim Angeklagten W wird der neue Tatrichter zur Frage einer Maûregel nach § 64 StGB auf BGHR StGB § 64 Abs. 1 Gefährlichkeit 7 Bedacht zu nehmen haben.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum
5 StR 366/05

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 13. Oktober 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen erpresserischen Menschenraubes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Oktober 2005

beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 2. Mai 2005 werden nach § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Angeklagten statt wegen versuchter räuberischer Erpressung wegen versuchten schweren Raubes verurteilt sind.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e Das Landgericht hat die AngeklagtenB und K wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundsanwalts unbegründet. Jedoch ist entsprechend seines Antrags der Schuldspruch abzuändern.
Nach den Feststellungen glaubten die Angeklagten und die drei Nichtrevidenten, der Geschädigte sei Mittäter eines Diebstahls und wisse, wo das dabei erbeutete Geld – 45.000 Euro in registrierten Scheinen – versteckt sei. Sie lockten den Geschädigten in eine Gartenlaube, fesselten ihn an einen Stuhl und zwangen ihn mit Schlägen und unter Todesdrohungen, die Lage des angeblichen Geldverstecks „unter den Wurzeln einer Eiche“ preiszugeben. Zwei der Täter fuhren mehrmals zwischen der Laube und der be- zeichneten Stelle hin und her, weil sie das Geldversteck nicht finden konnten und den Verdacht hegten, der Geschädigte habe ihnen den falschen Ort benannt. Nach weiteren Gewaltanwendungen und Bedrohungen beschrieb der Geschädigte das angebliche Versteck noch genauer, so dass die Täter hofften , die Beute anhand der ergänzten Angaben doch noch zu finden.
Die Tat stellt sich entgegen der Auffassung des Landgerichts als versuchter schwerer Raub nach §§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 1b, 22, 23 StGB dar. Der Tatrichter hat bei der Annahme einer versuchten räuberischen Erpressung übersehen, dass die Angeklagten den Geschädigten allein deshalb gefesselt , geschlagen und bedroht haben, um die spätere Wegnahme des Geldes zu ermöglichen. Durch die erzwungene Preisgabe des Verstecks konnte für sich genommen noch kein Vermögensnachteil bewirkt werden. Auch der zwischen Gewaltanwendung und Wegnahme erforderliche örtliche und zeitliche Zusammenhang ist gegeben, da ein Teil der Täter den Geschädigten bewachte, während zwei andere mehrfach zwischen dem Ort der Bewachung und dem Ort des vermuteten Verstecks hin- und herfuhren. Dementsprechend wird auch bei erzwungener Bekanntgabe der Zahlenkombination eines Tresorschlosses, die den Täter in die Lage versetzen soll, die Beute später selbst wegzunehmen, die Bemächtigungslage nicht zu einer Erpressung ausgenutzt (vgl. BGH bei Holtz MDR 1984, 276; Herdegen in LK 11. Aufl. § 253 Rdn. 11; Träger/Schluckebier in LK § 239a Rdn. 15; Günther in SK-StGB 5. Aufl. (Stand April 1998) § 249 Rdn. 32; Sander in MK-StGB 2003 § 249 Rdn. 27).
Die Schuldspruchänderung lässt die tateinheitliche Verurteilung wegen erpresserischen Menschenraubs unberührt (vgl. Träger/Schluckebier aaO).
Harms Häger Gerhardt Raum Schaal