Bundesgerichtshof Urteil, 30. Dez. 2014 - 2 StR 439/13

bei uns veröffentlicht am30.12.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 S t R 4 3 9 / 1 3
vom
30. Dezember 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Mordes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
1. Oktober 2014 in der Sitzung am 30. Dezember 2014, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S. K. ,
Rechtsanwältin ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger der Angeklagten I. K. ,
Rechtsanwältin in der Verhandlung,
Rechtsanwalt in der Verhandlung,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger des Angeklagten W. K.,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin R. H. ,
Rechtsanwalt in der
Verhandlung
als Vertreter der Nebenklägerin J. R. ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Vertreter des Nebenklägers M. K.,
Justizangestellte in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen des Angeklagten S. K. und der Nebenklägerin R. H. werden verworfen. Der Beschwerdeführer S. K. hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den drei Nebenklägern hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die Beschwerdeführerin R. H. hat die Kosten ihres Rechtsmittels und die den Angeklagten I. und S. K. hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht verurteilte die drei Angeklagten in einem ersten Urteil jeweils wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Nach Aufhebung dieses Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht durch Urteil des Senats vom 22. Dezember 2011 - 2 StR 509/10 (BGHSt 57, 71 ff.) hat es den Angeklagten S. K. erneut wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, die Angeklagten W. und I. K. aber freigesprochen. Gegen dieses Urteil richten sich die Revision des Angeklagten S. K. , soweit er verurteilt wurde, und die Revision der Nebenklägerin R.
H. , soweit die Mitangeklagten freigesprochen wurden. Die Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

A.

2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Die Angeklagten S. und I. K. sind Geschwister, der Angeklagte W. K. ist der Ehemann von I. K. , deren Ehe trotz dringenden Kinderwunschs kinderlos blieb. Die Angeklagten I. und W. K. verfügten über ein Haus, in dem auch der Angeklagte S. K. nach seiner Übersiedlung von C. nach Kö. eine Wohnung erhielt. Dort nahm der Angeklagte S. K. im Jahre 2001 seine Ehefrau L. auf, die er auf den Philippinen geheiratet hatte. Am 7. Februar 2002 wurde der gemeinsame Sohn M. geboren.
4
Die Angeklagten I. und W. K. mischten sich in die Angelegenheiten der Eheleute L. und S. K. ein, insbesondere in die Erziehung des Kindes. Sie hegten zunehmend Vorbehalte gegen die Lebensführung von L. K. , die aus ärmlichen Verhältnissen stammte, keinen Beruf erlernt hatte und sich nicht an ihrem Erziehungsstil gegenüber dem Kind orientierte. Während der Angeklagte S. K. sich weniger um sein eheliches Kind kümmerte, wurde der Junge von den Angeklagten I. und W. K. wie ihr eigenes Kind behandelt.
5
Am 13. November 2003 reiste der Angeklagte S. K. auf die Philippinen und errichtete vor der Abreise ein Testament, in dem er sein nichteheliches erstes Kind und seine Ehefrau L. K. enterbte, seiner Schwester und seinem Schwager ein Vermächtnis zuwandte und seinen ehelichen Sohn zum Alleinerben bestimmte. L. K. befürchtete, dass ihr Ehemann auf den Philippinen eine außereheliche Beziehung unterhielt. Sie war während seiner Abwesenheit darauf angewiesen, mit „Wirtschaftsgeld“ auszukommen, welches ihr von der Angeklagten I. K. auf Geheiß von S. K. ausgezahlt wurde. Darüber war L. K. enttäuscht und besorgt. Auch in der Folgezeit gab es Streit um Geldangelegenheiten. L. K. nahm eine Arbeit als Reinigungskraft auf und die Angeklagte I. K. beaufsichtigte den Sohn M. K. während ihrer Arbeitszeit. Vor dem Hintergrund anhaltender Kritik kam es zu Spannungen zwischen den Eheleuten L. und S. K. . Die Angeklagten I. und W. K. verbrachten viel Zeit mit dem Kind, das ihre Zuwendungen gern annahm. L. K. fühlte sich aus ihrer Rolle als Mutter verdrängt und in ihrer Privatsphäre eingeschränkt. Den Vorschlag , eine andere Ehewohnung zu suchen, lehnte ihr Ehemann ab. L. K. sah ihn in einer Abhängigkeit von I. und W. K. gefangen. Sie äußerte einen Trennungswunsch und zog am 28. September 2005 für die Angeklagten überraschend und heimlich mit dem Kind in eine eigene Wohnung. Ihrem Ehemann ließ sie durch einen Rechtsanwalt den Wunsch nach einvernehmlicher Regelung des Trennungs- und Kindesunterhalts sowie des Umgangsrechts mitteilen.
6
Die Angeklagten waren über den Verlust des Kontakts zu dem Kind bestürzt , während sie L. K. nicht vermissten. Durch einen Rechtsanwalt ließ S. K. seiner Ehefrau den Wunsch nach seinem Umgangsrecht vermitteln , welches diese zusagte. Im Sorgerechtsstreit wurden aber wechselseitig Vorwürfe erhoben. Der Angeklagte S. K. erfuhr auch erst nach längerer Kommunikation mit dem Jugendamt von dem neuen Wohnsitz seiner Ehefrau und des Sohnes. Er wurde von seiner Schwester und seinem Schwager zu weiteren Schritten beim „Kampf um das Kind“ gedrängt. Seine Korrespondenz in dieser Sache, einschließlich der Entwürfe für Anwaltsschriftsätze, wurde von allen Angeklagten gemeinsam gestaltet.
7
Der Angeklagte W. K. bot L. K. Geld für den Fall an, dass sie das Land verlasse, aber das Kind im Hause K. aufwachsen lassen werde. L. K. lehnte dies ab und erklärte auch gegenüber dem Jugendamt, dass sie einerseits ihren Sohn niemals verlassen, andererseits auch nicht auf die Philippinen zurückkehren wolle.
8
Am 18. Januar 2006 einigten sich die Eheleute über den Unterhalt. Die Angeklagte I. K. beantragte ein eigenes Umgangsrecht mit dem Kind. Ihr Antrag, den sie durch alle Instanzen verfolgte, blieb ohne Erfolg. Der Angeklagte S. K. als Vater erhielt vom Familiengericht dagegen ein Umgangsrecht zugesprochen. Er erreichte allerdings nicht das weitere Ziel des alleinigen Sorgerechts. Er befürchtete, seine Ehefrau könne nach der Scheidung weiter wegziehen und seinen Kontakt mit dem Sohn vereiteln. Vor dem Hintergrund der drohenden Ehescheidung nahm er Finanztransaktionen vor, um L. K. einen Zugriff auf sein Vermögen zu erschweren.
9
Spätestens Ende März 2007 beschloss der Angeklagte S. K. , seine Ehefrau zu töten. Er wollte die Trennungssituation und deren Folgen für den Sohn nicht hinnehmen und befürchtete weitere Zahlungsverpflichtungen. Vor dem Hintergrund von Plänen seiner Ehefrau, zu einem Verwandtenbesuch auf die Philippinen zu reisen, was mangels ausreichender Mittel allerdings vorerst nicht realisierbar war, sah er die Möglichkeit, ein Verschwinden der Ehefrau als freiwilligen Aufenthaltswechsel darzustellen. Am 29. März 2007 schrieb er eine Vollmacht für I. und W. K. als Stellvertreter bei der Versor- gung des Kindes für die Zeit seiner „Abwesenheit“. Am gleichen Tag verfasste er ein weiteres Testament, wonach alle seine Vermögenswerte für den Sohn „aufgebraucht“ werden sollten und der Angeklagte W. K. zum Vermö- gensverwalter bestimmt wurde. Am 12. April 2007 bevollmächtigte der Ange- klagte S. K. die Mitangeklagten schriftlich dazu, den Wohnsitz seines Sohnes auf ihre Wohnung umzumelden.
10
Im April 2007 verhielt sich der Angeklagte S. K. gegenüber seiner Ehefrau hilfsbereit, womit er sie in Sicherheit wiegen wollte. Er wirkte bei Renovierungsarbeiten in ihrer Wohnung mit. L. K. hegte angesichts dieser Arbeiten die Hoffnung auf einen Neubeginn der Beziehung. Der Angeklagte S. K. erfuhr bei seinen Kontakten, dass L. K. derzeit nicht auf die Philippinen reisen wollte. Er wechselte ungefragt das intakte Schloss der Wohnungstür aus und behielt einen Schlüssel für sich, so dass er die Möglichkeit zum Zutritt in die Wohnung hatte, während für Dritte, anders als bisher, kein Zweitschlüssel mehr zur Verfügung stand.
11
Am Mittwoch, dem 18. April 2007, telefonierte L. K. mit einer Freundin. Sie beendete das Telefonat um 14.45 Uhr mit dem Hinweis, dass ihr Ehemann erscheine. Der Angeklagte S. K. suchte seine Ehefrau auf und tötete sie in der Zeit zwischen 14.45 Uhr und spätestens 20.00 Uhr, um zu ermöglichen, dass das Kind bei den Angeklagten aufwachsen könne. Einzelheiten zum Tatort und zur Art und Weise der Tatausführung der Tötung von L. K. blieben ungeklärt. Bis zum Arbeitsbeginn am nächsten Morgen beseitigte der Angeklagte S. K. auch die Leiche seiner Ehefrau so, dass sie bis heute nicht gefunden wurde. Das Landgericht hat die Tat des Angeklagten S. K. als Mord aus niedrigen Beweggründen bewertet. Eine Beteiligung der Angeklagten I. und W. K. hieran hat es nicht feststellen können.

B.

12
Die Revision des Angeklagten S. K. ist unbegründet.
13
I. Die Verfahrensrügen haben aus den vom Generalbundesanwalt erläuterten Gründen keinen Erfolg. Der Erörterung bedarf nur die Rüge der Verletzung von § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO. Sie ist im Ergebnis ebenfalls unbegründet.
14
1. Der Rüge liegt Folgendes zugrunde:
15
a) Am 28. April 2007 erstattete eine Bekannte von L. K. Vermisstenanzeige bei der Polizei. Durch Befragungen erfuhr die Polizei von der Trennungssituation der Eheleute, von dem Geldangebot an L. K. für den Fall, dass sie das Land verlasse und das Kind zurücklasse, und von den Reparaturarbeiten des Angeklagten S. K. in der Wohnung seiner Ehefrau. Der in der Vermisstensache zuständige Kriminalhauptkommissar Li. bat den Sachbearbeiter des Jugendamts G. am 3. August 2007 telefonisch um Unterstützung. Dies hielt der Zeuge G. in einer E-Mail an andere Mitarbeiter des Jugendamts wie folgt fest:
16
„Die Polizei (KK66, Herr Li. ) ermittelt in der Familie K. wegen einer Vermisstenanzeige bezüglich der vom Vater getrennten Kindesmutter. Diese ist seit drei Monaten verschwunden. Bei der Polizei ergeben sich verdichtende Verdachtsmomente gegen den Kindesvater. Herr Li. bittet um Mithilfe, da Herr K. sich in Widersprüche verstrickt (zeitliche Angaben, angebliche Telefonate mit der verschwundenen KM, plötzliche Anmeldung des Kindes beim Vater etc.). Das Kind M. (07.02.2002) lebt beim Vater und ist dort gemeldet. Herr Li. ist darum bemüht, die vom Vater gemachten Angaben mit dem Jugendamt abzugleichen. Es besteht ein sich verdichtender Tatverdacht.
17
Herr Li. bittet um Mitteilung bei weiteren hier aufkommenden Verdachtsmomenten. ...“
18
Zu einem weiteren Telefonkontakt am 6. August 2007 vermerkte der Jugendamtsmitarbeiter:
19
„Die Ermittlungen sind'ergebnisoffen', d.h. zum jetzigen Zeitpunkt kann noch nicht von einem Mordfall, sondern nur von einer Vermisstenmeldung gesprochen werden, die bearbeitet wird. Es haben sich allerdings in den Aussagen von Herrn K. Widersprüche und Ungereimtheiten ergeben. Sollte die Polizei später Informationen des Jugendamtes benötigen , wird sie sich hier melden. Bis dahin bleibt der Datenschutz durch das JA bestehen.
20
Nach Angaben von Herrn Li. ist aktenkundig, dass Herrn K. Schwester trotz-wegen Kinderlosigkeit einen extrem ausgeprägten Kinderwunsch besitzt, der nahezu pathologisch sei. Mit der Kindesmutter habe es eine Vereinbarung gegeben, der zufolge sie gegen Zahlung von 25.000 Euro in die Philippinen zurückkehren und auf M. verzichten wolle -solle.“
21
b) Der Angeklagte S. K. wurde am 14. August 2007 von Kriminalhauptkommissar Li. als Zeuge vernommen. Nach dem Vernehmungsprotokoll wurde er dabei über Rechte gemäß § 52 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 StPO belehrt. Die Vernehmung begann um 09.59 Uhr und wurde um 13.52 Uhr abgebrochen. Dann wollte der Angeklagte S. K. zur Arbeit fahren. Später reichte er schriftliche Anmerkungen ein.
22
Am 21. August 2007 hielt Kriminalhauptkommissar Li. die bisherigen Erkenntnisse in einem Zwischenvermerk zusammen. Dann gab er die Sache an das für Kapitalstrafsachen zuständige Kommissariat ab. Dieses gab sie an die Staatsanwaltschaft weiter, die am 22. August 2007 förmlich ein Strafverfahren gegen S. K. einleitete und beim Ermittlungsrichter die Gestattung von Überwachungsmaßnahmen erwirkte.
23
Am 6. November 2007 wurde der Angeklagte S. K. als Beschuldigter vernommen und dabei gemäß § 163a Abs. 4 und § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO belehrt.
24
c) In der Hauptverhandlung widersprach die Verteidigung nach jeder Zeugenvernehmung von Polizeibeamten, die zu den Aussagen des Angeklag- ten S. K. in seinen Vernehmungen im Vorverfahren Angaben machten , der Verwertung. Das Landgericht erhob zu der prozessualen Frage ergänzend Beweis.
25
Kriminalhauptkommissar Li. bekundete dabei, dass er zurzeit der Zeugenvernehmung des Angeklagten S. K. am 14. August 2007 noch keinen konkreten Tatverdacht gegen diesen gehabt habe. Ihm sei bei der Übernahme der Sachbearbeitung aufgefallen, dass der Ehemann der Verschollenen noch nicht förmlich vernommen worden sei. Auch sonst sei der Sachverhalt nicht „durchermittelt“ gewesen. Vor der Zeugenvernehmunghabe er sich ge- fragt, ob S. K. als Beschuldigter zu vernehmen sei. Es habe Unstimmigkeiten in dessen bisherigen Angaben zum Verschwinden seiner Ehefrau, jedoch noch keine ausreichenden Hinweise auf ein Verbrechen gegeben. Die vom Sachbearbeiter des Jugendamts festgehaltene Bemerkung von „sich ver- dichtenden Verdachtsmomenten“ entspreche nicht seinem Vokabular. Auch der Sachbearbeiter des Jugendamts bekundete jedoch als Zeuge in der Hauptverhandlung , dies entstamme nicht seinem Sprachgebrauch.
26
Das Landgericht verneinte das Vorliegen eines Beweisverwertungsverbots. Es nahm an, dass der Angeklagte S. K. zurzeit seiner Zeugenvernehmung am 14. August 2007 noch nicht als Beschuldigter einzustufen gewesen sei. Die Ermittlungen seien „ergebnisoffen“ geführt worden. Der Versuch einer Klärung der Verdachtslage habe noch nicht dazu gezwungen, ihn in den Status eines Beschuldigten zu versetzen. Der zunächst fehlende Verfolgungswille der Polizei ergebe sich aus der erst nachfolgenden Abgabe der Sache an die Staatsanwaltschaft. Entscheidend sei, dass der sachbearbeitende Kriminalhauptkommissar nicht von einem konkreten Tatverdacht ausgegangen sei. Bei der Bewertung der Verfahrenslage sei auch zu beachten, dass es dem Schutz des Betroffenen diene, wenn er nicht zu rasch in den Status eines Beschuldigten versetzt werde.
27
2. Diese Wertungen treffen nicht zu.
28
a) Die Beschuldigteneigenschaft setzt zwar nicht nur das objektive Bestehen eines Verdachts, sondern auch den Verfolgungswillen der Strafverfolgungsbehörde hinsichtlich einer Verdachtshypothese voraus, der sich in einem Willensakt manifestiert (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 1956 - 4 StR 278/56, BGHSt 10, 8, 12). Wird gegen eine Person förmlich ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, liegt darin ein solcher Willensakt. Aber auch ohne förmliche Verfahrenseröffnung gegen die Person ist die konkludente Zuweisung der Rolle als Beschuldigter möglich. Dies richtet sich danach, wie sich das Verhalten des ermittelnden Beamten bei seinen Aufklärungsmaßnahmen nach außen darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1992 - 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214, 228). Das Strafverfahren ist eingeleitet, sobald die Ermittlungsbehörde eine Maßnahme trifft, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild darauf abzielt, gegen jemanden strafrechtlich vorzugehen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 1997 - StB 14/96, NJW 1997, 1591, 1592). Ist eine Ermittlungshandlung darauf gerichtet, den Vernommenen als Täter einer Straftat zu überführen, kommt es daher nicht mehr darauf an, wie der Ermittlungsbeamte sein Verhalten rechtlich bewertet (vgl. Rogall in Festschrift für Frisch, 2013, S. 1119, 1223; Roxin JR 2008, 16, 17).
29
b) Nach diesem Maßstab lag bei der Vernehmung am 14. August 2007 eine auf Überführung des Angeklagten S. K. als Täter eines Tötungsdelikts gerichtete Maßnahme vor.
30
aa) Das wird aus dem vorangegangenen telefonischen Auskunftsersuchen vom 3. August 2007 an das Jugendamt deutlich. Dies war eine strafpro- zessuale Ermittlungshandlung (§ 161 Abs. 1 Satz 1 StPO). Aufgrund eines sich „verdichtenden Verdachts“ wurde dabei die fremde Behörde um Mitteilung wei- terer Verdachtsmomente gebeten. Dazu wurden die bisherigen Verdachtsmomente genannt. Der bestehende Verdacht war damit dem Jugendamt mitgeteilt worden, um zusätzliche Erkenntnisse zu erhalten. Die Relativierung im nachfolgenden Telefonat vom 6. August 2007 erfolgte, um die Geheimhaltung der be- reits genannten Verdachtsgründe sicherzustellen; insoweit sollte ein „Datenschutz“ gewahrt bleiben. Dies ändertaber nichts an der Qualität der vorher erfolgten Verdächtigung.
31
War das Ziel des Auskunftsersuchens vom 3. August 2007 die gegen S. K. gerichtete Vertiefung einer bestehenden Verdachtshypothese, so durften bei folgenden Maßnahmen die Schutznormen aus § 163a Abs. 4 Satz 1 und § 163a Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO nicht umgangen werden.
32
Wegen der bereits eingetretenen Außenwirkung der Verdachtsmitteilung an das Jugendamt spielt die verfahrensrechtliche Überlegung keine Rolle, dass im Allgemeinen nicht durch vorzeitige Inkulpation unnötige Nachteile für den Beschuldigten verursacht werden sollen; sie waren für den Angeklagten S. K. bereits bei dem in das Sorgerechtsverfahren eingebundenen Jugendamt eingetreten.
33
bb) Das für die Personensuche wegen Gefahr für Leib oder Leben einer vermissten Person maßgebliche Polizeirecht war dagegen für die Vernehmung am 14. August 2007 nicht maßgeblich. Das Polizeirecht des Landes sieht zwar auch vor, dass jede Person befragt werden kann, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie sachdienliche Angaben machen kann (vgl. § 9 Abs. 1 PolG NRW). Dazu kann die Person auch vorgeladen werden (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 1 PolG NRW). Die Einordnung der Person in eine bestimmte Prozessrolle als Beschuldigter oder Zeuge kennt das Polizeiverwaltungsrecht aber nicht. Eine Zeugenbelehrung nach § 52 und § 55 StPO, wie sie hier erfolgt ist, ist bei einer präventivpolizeilichen Befragung dementsprechend nicht vorgesehen. Für präventivpolizeiliche Zwecke war eine mehrstündige förmliche Vernehmung des Ehemanns der Vermissten auch nicht erforderlich, nur damit die Sache „durchermittelt“ erscheint. Eine förmliche Vernehmung des Beschuldigten nach Ermitt- lungen aller Art (§ 161 Abs. 1 Satz 1 StPO) ist vielmehr im Strafverfahren üblich.
34
cc) Es bestand nach allem ein bereits geäußerter Verdacht gegen den Angeklagten S. K. in einem auf strafrechtliche Ermittlungen gerichteten Verfahren. Das Ziel der Vernehmung bestand, ebenso wie das Ziel des vorangegangenen Auskunftsersuchens an das Jugendamt, in der Suche nach weiteren Verdachtsmomenten gegen ihn.
35
dd) Die Durchführung der Maßnahme als Zeugenvernehmung war dann aber rechtsfehlerhaft, weil die Schutzbestimmungen aus § 163a Abs. 4 i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO nicht beachtet wurden.
36
Der Verfahrensmangel wurde nicht durch die Belehrung gemäß § 55 Abs. 2 StPO kompensiert; denn diese Belehrung entspricht nicht dem Hinweis auf ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht als Beschuldigter (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 1992 - 5 StR 122/92, BGHSt 38, 302, 303 f.) und dessen Recht auf Verteidigerbeistand.
37
3. Das Unterlassen einer Belehrung gemäß § 163a Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO bei der Vernehmung am 14. August 2007 führt zu einem Beweisverwertungsverbot für diese Zeugenvernehmung (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1992 - 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214, 220 ff.; Urteil vom 3. Juli 2007 - 1 StR 3/07, BGHSt 51, 367, 376; Urteil vom 18. Dezember 2008 - 4 StR 455/08, BGHSt 53, 112, 115).
38
4. Die Unkenntnis darüber, dass die Zeugenvernehmung unverwertbar war, kann ferner dazu geführt haben, dass der Angeklagte S. K. bei der nachfolgenden Beschuldigtenvernehmung nur Angaben gemacht hat, weil er meinte, seine Zeugenaussage ergänzen zu müssen. Auch dadurch wurde die Entscheidungsfreiheit des Angeklagten S. K. darüber, ob er sich redend oder schweigend verteidigen will, berührt. Dies hätte durch eine qualifizierte Belehrung darüber, dass die vorherige Aussage als Zeuge unverwertbar ist, vermieden werden können (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2007 - 1 StR 3/07, BGHSt 51, 367, 376; Urteil vom 18. Dezember 2008 - 4 StR 455/08, BGHSt 53, 112, 115). Eine solche Belehrung ist jedoch nicht erteilt worden.
39
5. Es kann offen bleiben, ob deshalb mit einer in der Literatur vertretenen Ansicht ein Beweisverwertungsverbot auch für die Beschuldigtenvernehmung mangels qualifizierter Belehrung anzunehmen ist (vgl. Gless/Wennekers, JR 2008, 383, 384; SK/Rogall, StPO, 4. Aufl., § 136 Rn. 87; Roxin, HRRS 2009, 186, 187) oder ob dies mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von einer Abwägung des Strafverfolgungsinteresses mit dem Interesse des Beschuldigten an der Wahrung seiner Rechte abhängt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - 4 StR 455/08, BGHSt 53, 112, 116) und auch danach ein Beweisverwertungsverbot besteht. Der Senat kann nämlich hier ausschließen, dass das Urteil auf der Nichtbeachtung von Beweisverwertungsverboten bezüglich der Zeugenvernehmung oder - gegebenenfalls - bezüglich der Beschuldigtenvernehmung beruht.
40
Das Landgericht hat Widersprüche in den Äußerungen des Angeklagten S. K. zu den Umständen des Verschwindens seiner Ehefrau nicht nur aus den Angaben bei den genannten Vernehmungen, sondern auch aus seinen Angaben gegenüber den Zeugen P. , B. , T. , H. , Bo. , N. , W. , Mi. , F. , Kr. , C. - Pr. , Co. und Go. , in einem Telefax vom 30. April 2007 und in einer eidesstattlichen Versicherung vom 29. Mai 2007 entnommen. Insoweit kommt es auf die Angaben in den Vernehmungen nicht an. Die festzustellenden Widersprüche waren zudem nur ein Indiz in einer Reihe von Beweisanzeichen gegen den Angeklagten S. K. .
41
II. Die Sachrüge greift ebenfalls nicht durch. Die Beweiswürdigung des Landgerichts, die zu der Feststellung seiner Begehung eines Mordes an der Ehefrau geführt hat, weist keinen Rechtsfehler auf.
42
1. Zunächst hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei von der Tatsache überzeugt, dass die verschollene L. K. tot ist. Ihr letztes Lebenszeichen bestand in einem am 18. April 2007 bis um 14.45 Uhr geführten Telefonat. Nichts deutet darauf hin, dass sie sich danach freiwillig spurlos aus ihrem Umfeld entfernt hat und endgültig mit unbekanntem Ziel abgereist ist. Das Zurücklassen ihres Kindes, das Fehlen ausreichender Geldmittel und die Nichtbenachrichtigung aller Bekannten und Verwandten von dem dauerhaften Wechsel des Aufenthaltsorts sprechen dagegen.
43
2. Auch die Annahme, dass die junge gesunde Frau nicht ohne Verantwortlichkeit einer anderen Person zu Tode gekommen ist, kann revisionsrechtlich nicht beanstandet werden. Ein Unglücksfall wäre nicht spurlos verlaufen. Für einen Selbstmord spricht nichts. Eine Verschleppung oder Tötung durch unbekannte Dritte hat die Schwurgerichtskammer verneint, weil keine Spuren einer solchen Tat gefunden wurden. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern.
44
3. Auch die Annahme der Tötung durch den Angeklagten S. K. ist rechtsfehlerfrei.
45
Fehlt ein auf das Kerngeschehen der Tat bezogenes Beweismittel, so kann die Überführung eines Angeklagten dadurch erfolgen, dass alle konkret in Frage kommenden Alternativen ausgeschlossen werden (vgl. Senat, Urteil vom 2. Mai 2012 - 2 StR 395/11, StraFo 2012, 466, 467). Dies hat das Landgericht beachtet. Als Hinweise auf die Täterschaft des Angeklagten S. K. hat es insbesondere gewürdigt, - dass er ein Tatmotiv hatte, - dass er in zeitlicher Nähe zum Verschwinden seiner Ehefrau Vollmachten für die Mitangeklagten ausgestellt hat, damit sie ihn im Fall einer Verhinderung bei der Versorgung des Kindes vertreten und den Wohnsitz des Kindes auf ihre Wohnung ummelden könnten, - dass er zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt vor dem 18. April 2007 das Schloss an der Tür der Wohnung ausgewechselt hatte, obwohl ein technischer Grund dafür nicht vorlag, - dass er die letzte Person war, die nachweislich Kontakt mit der Verschollenen hatte, - dass er den Sohn am 18. April 2007 zu sich nahm, obwohl dies nicht der übliche Tag für die Ausübung seines Umgangsrechts war, - dass er am frühen Morgen des 19. April 2007 Anrufe auf dem Telefon von L. K. tätigte, obwohl sie dann nach Annahme des Schwurgerichts bereits tot war, - dass am 19. April 2007 vor Arbeitsbeginn ausweislich der Funkzellenkontakte seines Mobiltelefons seine Wohnung verließ und kurz darauf dorthin zurückkehrte , - dass er im Laufe der polizeilichen Ermittlungen und gegenüber Dritten vielfach widersprüchliche Angaben zur Abwesenheit seiner Ehefrau machte, - dass die Ummeldung des Sohnes beim Einwohnermeldeamt auf seinen Wohnsitz bereits am 23. April 2007 erfolgte, als noch kein Hinweis auf eine Verschollenheit der Kindesmutter vorlag und - dass die polizeilich versiegelte Wohnung seiner Ehefrau in der Zeit vom 22. April bis 28. April 2007 ohne Beschädigung des von ihm ausgewechselten Türschlosses aufgesucht wurde.
46
Das Landgericht hat sich auf eine Gesamtschau aller Umstände gestützt. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern. Mit dieser Beweiswürdigung hat das Landgericht auch ausgeschlossen, dass die Tat von den Mitangeklagten begangen wurde, ohne dass der Angeklagte S. K. daran beteiligt war. Zwar hatten auch die Mitangeklagten ein Motiv, aber nicht in gleicher Weise die Gelegenheit zur Tatbegehung. Schließlich deutet eine Vielzahl von Beweisanzeichen darauf hin, dass er die Tat, die er schließlich auch alleine begangen haben konnte, geplant und ausgeführt hat.
47
4. Alternativen zu einem Mord aus niedrigen Beweggründen hat das Landgericht ebenfalls rechtsfehlerfrei ausgeschlossen. Hat der Angeklagte S. K. seine Ehefrau getötet, so scheidet nach den konkreten Umständen ein anderes Motiv als das Streben nach dem Sorgerecht für den Sohn und dem Einsparen von Unterhaltszahlungen an die getrennt lebende Ehefrau aus. Dass theoretisch auch andere Möglichkeiten bestehen, ist rechtlich unerheblich.

C.

48
Die Revision der Nebenklägerin R. H. ist ebenfalls unbegründet. Sie deckt keinen Rechtsfehler zum Vorteil der freigesprochenen Angeklagten I. und W. K. auf.
49
Das Landgericht hat nicht übersehen, dass es erhebliche Verdachtsmomente gegen diese gibt, insbesondere durch Entgegennahme der Vertretungsvollmachten des Angeklagten S. K. zur Ummeldung des Wohnsitzes des Kindes, deren Erstellung schließlich auch als Indiz gegen diesen gewertet wurde. Das Landgericht hat der Herstellung und Übergabe der Vollmachten durch S. K. einerseits und deren Annahme durch die Mitangeklagten andererseits aber unterschiedliches Gewicht beigemessen und beides gesondert erläutert. Ein Rechtsfehler der Beweiswürdigung liegt daher nicht vor.
50
Die Schwurgerichtskammer hat auch unter Gesamtwürdigung aller Umstände , einschließlich der Motivlage, nicht die sichere Überzeugung von einer Tatbegehung oder Tatbeteiligung der Mitangeklagten gewinnen können. Dagegen bestehen im Ergebnis keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Fischer Schmitt Krehl Eschelbach Ott

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(Völker-)Strafrecht: Psychische Beihilfe bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Syrien

15.03.2021

Der Widerspruch des Beschuldigten ist grundsätzlich konstituierend für die gerichtliche Annahme eines Beweisverwertungsverbotes. Ein solcher muss rechtzeitig, d. h. bis zur Beendigung der Beweiserhebung nach § 257 StPO erfolgen. Sodann können die Beweise keinen Eingang in die Entscheidungsfindung des Gerichtes finden und werden „bedeutungslos“. Dies gilt aber grundsätzlich nicht für das Ermittlungs- und Zwischenverfahren – hier hat das Gericht Beweisverwertungsverbote von Amts wegen zu prüfen. Belastende Aussagen des Zeugen i. R. d. Zeugenvernehmung, die seine Beschuldigtenstellung begründen, dürfen noch verwertet werden. Wird der Beschuldigte nicht unmittelbar danach belehrt, so unterliegen die weiteren Aussagen einem Beweisverwertungsverbot – Dirk Streifler, Streifler & Kollegen, Rechtsanwalt für Strafrecht
2 Artikel zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 30. Dez. 2014 - 2 StR 439/13.

(Völker-)Strafrecht: Psychische Beihilfe bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Syrien

18.03.2021

Der Widerspruch des Beschuldigten ist grundsätzlich konstituierend für die gerichtliche Annahme eines Beweisverwertungsverbotes. Ein solcher muss rechtzeitig, d. h. bis zur Beendigung der Beweiserhebung nach § 257 StPO erfolgen. Sodann können die Beweise keinen Eingang in die Entscheidungsfindung des Gerichtes finden und werden „bedeutungslos“. Dies gilt aber grundsätzlich nicht für das Ermittlungs- und Zwischenverfahren – hier hat das Gericht Beweisverwertungsverbote von Amts wegen zu prüfen. Belastende Aussagen des Zeugen i. R. d. Zeugenvernehmung, die seine Beschuldigtenstellung begründen, dürfen noch verwertet werden. Wird der Beschuldigte nicht unmittelbar danach belehrt, so unterliegen die weiteren Aussagen einem Beweisverwertungsverbot – Dirk Streifler, Streifler & Kollegen, Rechtsanwalt für Strafrecht

(Völker-)Strafrecht: Psychische Beihilfe bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Syrien

15.03.2021

Der Widerspruch des Beschuldigten ist grundsätzlich konstituierend für die gerichtliche Annahme eines Beweisverwertungsverbotes. Ein solcher muss rechtzeitig, d. h. bis zur Beendigung der Beweiserhebung nach § 257 StPO erfolgen. Sodann können die Beweise keinen Eingang in die Entscheidungsfindung des Gerichtes finden und werden „bedeutungslos“. Dies gilt aber grundsätzlich nicht für das Ermittlungs- und Zwischenverfahren – hier hat das Gericht Beweisverwertungsverbote von Amts wegen zu prüfen. Belastende Aussagen des Zeugen i. R. d. Zeugenvernehmung, die seine Beschuldigtenstellung begründen, dürfen noch verwertet werden. Wird der Beschuldigte nicht unmittelbar danach belehrt, so unterliegen die weiteren Aussagen einem Beweisverwertungsverbot – Dirk Streifler, Streifler & Kollegen, Rechtsanwalt für Strafrecht

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 55 Auskunftsverweigerungsrecht


(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 52 Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen des Beschuldigten


(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt 1. der Verlobte des Beschuldigten;2. der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;2a. der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteh

Strafprozeßordnung - StPO | § 136 Vernehmung


(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern
Bundesgerichtshof Urteil, 30. Dez. 2014 - 2 StR 439/13 zitiert 7 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 55 Auskunftsverweigerungsrecht


(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 52 Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen des Beschuldigten


(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt 1. der Verlobte des Beschuldigten;2. der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;2a. der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteh

Strafprozeßordnung - StPO | § 136 Vernehmung


(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern

Strafprozeßordnung - StPO | § 163a Vernehmung des Beschuldigten


(1) Der Beschuldigte ist spätestens vor dem Abschluß der Ermittlungen zu vernehmen, es sei denn, daß das Verfahren zur Einstellung führt. In einfachen Sachen genügt es, daß ihm Gelegenheit gegeben wird, sich schriftlich zu äußern. (2) Beantragt d

Strafprozeßordnung - StPO | § 161 Allgemeine Ermittlungsbefugnis der Staatsanwaltschaft


(1) Zu dem in § 160 Abs. 1 bis 3 bezeichneten Zweck ist die Staatsanwaltschaft befugt, von allen Behörden Auskunft zu verlangen und Ermittlungen jeder Art entweder selbst vorzunehmen oder durch die Behörden und Beamten des Polizeidienstes vornehmen z

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Urteil, 30. Dez. 2014 - 2 StR 439/13 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 30. Dez. 2014 - 2 StR 439/13 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 18. Dez. 2008 - 4 StR 455/08

bei uns veröffentlicht am 18.12.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 StR 455/08 vom 18. Dezember 2008 in der Strafsache gegen Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja StPO § 136 Abs. 1 Satz 2 1. Wird ein Tatverdächtiger zunächst zu Unrecht als Zeuge vernommen

Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juli 2007 - 1 StR 3/07

bei uns veröffentlicht am 03.07.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 3/07 vom 3. Juli 2007 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja (nur I und II 1 bis 3) Veröffentlichung: ja ____________________________________ StPO § 136 Abs. 1, § 163a Abs. 4 Zur Begründung der Besch

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Dez. 2011 - 2 StR 509/10

bei uns veröffentlicht am 22.12.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 509/10 vom 22. Dezember 2011 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja GG Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, StPO § 100 f Ein in einem Kraftfahrzeug mittels akustischer Überwachung aufgezeichnetes Se

Bundesgerichtshof Urteil, 02. Mai 2012 - 2 StR 395/11

bei uns veröffentlicht am 02.05.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 395/11 vom 2. Mai 2012 in der Strafsache gegen wegen Mordes u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Sitzung vom 2. Mai 2012, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 30. Dez. 2014 - 2 StR 439/13.

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Juni 2019 - StB 14/19

bei uns veröffentlicht am 06.06.2019

Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja ___________________________________ StPO § 136 Abs. 1, § 163a Abs. 4 VStGB § 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 Nr. 5 StGB § 27 Abs. 1, § 52 Abs. 1, §§ 223 ff. 1. Im Ermittlungsverfahren sind Beweisverw

Bundesgerichtshof Urteil, 03. Mai 2018 - 3 StR 390/17

bei uns veröffentlicht am 03.05.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 390/17 vom 3. Mai 2018 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ECLI:DE:BGH:2018:030518U3STR390.17.0 Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Okt. 2015 - 2 StR 4/15

bei uns veröffentlicht am 27.10.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 4/15 vom 27. Oktober 2015 in der Strafsache gegen wegen Totschlags ECLI:DE:BGH:2015:271015B2STR4.15.0 Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführer

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Feb. 2015 - 5 StR 18/15

bei uns veröffentlicht am 25.02.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 5 StR 18/15 vom 25. Februar 2015 in der Strafsache gegen wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Februar 2015 beschlossen : Die Revision des

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 509/10
vom
22. Dezember 2011
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
Ein in einem Kraftfahrzeug mittels akustischer Überwachung aufgezeichnetes
Selbstgespräch eines sich unbeobachtet fühlenden Beschuldigten ist im Strafverfahren
– auch gegen Mitbeschuldigte – unverwertbar, da es dem durch Art. 2
Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 absolut geschützten Kernbereich der
Persönlichkeit zuzurechnen ist (im Anschluss an BGH, Urteil vom 10. August
2005 – 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206).
BGH, Urteil vom 22. Dezember 2011 - 2 StR 509/10 - LG Köln
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Mordes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 14. Dezember 2011 in der Sitzung am 22. Dezember 2011, an denen teilgenommen
haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Dr. Berger,
Dr. Eschelbach und
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Bundesanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S. K. ,
Rechtsanwältin und
Rechtsanwältin in der Verhandlung
als Verteidigerinnen der Angeklagten I. K. ,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger des Angeklagten W. K. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin
Justizhauptsekretärin und
Justizangestellte
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 11. Dezember 2009 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Hiergegen richten sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel haben mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

A.

2
Das Landgericht hat folgendes festgestellt:
3
Die Angeklagten S. und I. K. sind Geschwister, der Angeklagte W. K. ist der Ehemann von I. K. , deren Ehe trotz Kinderwunschs kinderlos blieb. Die Angeklagten I. und W. K. verfügen über ein Haus, in dem auch der Angeklagte S. K. nach seiner Übersiedlung aus Chemnitz nach der Wiedervereinigung Deutschlands eine Wohnung erhielt. Dort nahm der Angeklagte S. K. im Jahre 2001 seine Ehefrau L. auf, die er auf den Philippinen geheiratet hatte. Am 7. Februar 2002 wurde der Sohn M. der Eheleute geboren. Die Angeklagten I. und W. K. mischten sich in deren Angelegenheiten ein, was L. zunehmend störte. Während der Angeklagte S. K. sich wenig um sein Kind kümmerte, wurde der Junge von den Angeklagten I. und W. K. wie ihr eigenes Kind behandelt. Vor diesem Hintergrund kam es zu Spannungen zwischen den Eheleuten L. und S. K. . L. zog am 28. September 2005 zusammen mit ihrem Sohn aus der Ehewohnung aus und bezog eine eigene Wohnung in K. . Der Angeklagte W. K. bot ihr Geld für den Fall an, dass sie das Kind im Hause K. aufwachsen lassen werde. L. lehnte dies entschieden ab. Am 18. Januar 2006 einigten sich die Eheleute über den Unterhalt. Am 27. Januar 2006 beantragte die Angeklagte I. K. ein eigenes Umgangsrecht mit dem Kind; der Antrag blieb jedoch in allen Instanzen erfolglos. Der Angeklagte S. K. erhielt vom Familiengericht ein Umgangsrecht zugesprochen. Er befürchtete jedoch, dass seine Ehefrau nach der Scheidung weit wegziehen werde, um seinen Kontakt mit dem Sohn zu vereiteln.
4
Im Frühjahr 2007 beschlossen die Angeklagten, dass das Problem durch die Tötung von L. gelöst werden solle. Einzelheiten dazu waren nicht feststellbar.
5
Im März und April 2007 renovierte der Angeklagte S. K. das Kinderzimmer in der Wohnung von L. und führte weitere Arbeiten durch. Er wechselte auch das Schloss der Wohnungstür aus. L. hegte angesichts dieser Arbeiten die Hoffnung auf einen Neubeginn der Beziehung zu ihrem Ehemann, die sich jedoch nicht realisierte. Am Mittwoch, dem 18. April 2007 telefonierte sie zweimal mit ihrem Ehemann. Ein anschließendes Telefonat mit einer Freundin beendete sie um 14.45 Uhr mit dem Hinweis, dass ihr Ehemann erscheine. Der Angeklagte S. K. kam aber nicht alleine, sondern in Begleitung der Mitangeklagten I. und W. K. . Er nahm seinen Sohn in Empfang und sagte diesem, er dürfe jetzt 50mal beim Vater schlafen. Dann fuhren die Angeklagten mit dem Kind davon.
6
Der Angeklagte S. K. suchte später im Einvernehmen mit den Angeklagten I. und W. K. seine Ehefrau in deren Wohnung auf und tötete sie, um zu ermöglichen, dass das Kind bei den Angeklagten aufwachsen könne. Einzelheiten der Tatausführung blieben ungeklärt, da keine Spuren auffindbar waren. Trotz umfangreicher Suche der Ermittlungsbehörden wurde die Leiche der Getöteten nicht gefunden.
7
Das Landgericht hat dies als Mord aus niedrigen Beweggründen bewertet und die Angeklagten jeweils als Mittäter angesehen.

B.

8
Die Revisionen der Angeklagten haben mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
9
I. Im Vorverfahren wurden verschiedene verdeckte Überwachungsmaßnahmen durchgeführt. Unter anderem fand mit ermittlungsrichterlicher Gestattung gemäß § 100f StPO in Verbindung mit §§ 100b Abs. 1, 100d Abs. 2 StPO eine elektronische Überwachung im Auto des Angeklagten S. K. statt. Dabei wurden dessen Selbstgespräche, als er sich alleine im Auto befand, an mehreren Tagen aufgezeichnet und später in die Hauptverhandlung eingeführt sowie im Urteil des Landgerichts verwertet.
10
Am 22. Oktober 2007 war auf den umfangreichen Aufzeichnungen neben zahlreichen unerheblichen Äußerungen auch die Bemerkung zu hören: "… die L. ist schon lange tot, die wird auch nicht wieder … kannste natürlich nicht sagen ...". Am 23. Oktober 2007 fielen im Rahmen der Selbstgespräche die Worte: "Richter" und "wie? Mord?", … sowie "oho I kill her … oh yes, oh yes ... and this is my problem …”, ferner "… ich würde mal sagen, es wird jetzt wohl so sein, dass die Polizei mal auf eure Truppe kommt". Am 26. Oktober 2007 konnte den Selbstgesprächen die Anmerkung entnommen werden: "…ja, was soll ich sagen, die Situation ist kritisch …". Am 29. Oktober 2007 erklärte der Angeklagte S. K. im Selbstgespräch unter anderem, es sei: "… langweilig, der das Gehirn rausprügeln … kann ich dir sagen, joh und weg damit … werde auch keine mehr wegknallen … nö I. , wir haben sie tot gemacht …". Schließ- lich war aus einem weiteren Selbstgespräch am selben Tag zu späterer Stunde herauszuhören: "…ist eben lebenslang und fertig aus, lebenslang … war nicht alt …".
11
Das Landgericht hat darin ein geständnisgleiches Indiz für die Tötung von L. durch den Angeklagten S. K. gesehen. Die Bemerkung "nö I. , wir haben sie tot gemacht" deute zudem auf Mittäterschaft hin. Die Schwurgerichtskammer hat angenommen, die Selbstgespräche seien verwertbar. Der unantastbare Kernbereich der privaten Lebensgestaltung werde dadurch nicht berührt, denn es liege inhaltlich ein Bezug der Äußerungen zu dem Tötungsverbrechen vor. Dadurch verliere ein Selbstgespräch den Charakter des Höchstpersönlichen. Die Revisionen der Angeklagten machen demgegenüber ein Beweisverwertungsverbot geltend.
12
II. Die Verfahrensrüge ist begründet.
13
1. Das nichtöffentlich geführte Selbstgespräch unterliegt einem selbständigen Beweisverwertungsverbot von Verfassungs wegen (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 210; Dalakouras, Beweisverbote bezüglich der Achtung der Intimsphäre, 1988, S. 264; LR/Gössel, StPO, 26. Aufl., Einl. L Rn. 88; Jahn, Gutachten C zum 67. Deutschen Juristentag 2008, C 84; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, 26. Aufl., § 36 Rn. 45; SK/Wolter, StPO, 4. Aufl. 2010, § 100f Rn. 35).
14
a) Der absolut geschützte Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung wird aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Januar 1973 - 2 BvR 454/71, BVerfGE 34, 238, 245; Beschluss vom 14. September 1989 - 2 BvR 1062/87, BVerfGE 80, 367, 373). Sein Schutzbereich wird durch heimliche Aufzeichnung des nichtöffentlich geführten Selbstgesprächs der Zielperson staatlicher Ermittlungsmaßnahmen und deren Verwertung in der Hauptverhandlung berührt (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 212). Ob das nichtöffentlich gesprochene Wort zum absolut geschützten Kernbereich oder zu dem nur relativ geschützten Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehört, ist durch Gesamtbewertung aller Umstände im Einzelfall festzustellen. Aus einer Kumulation von Umständen folgt hier, dass die Selbstgespräche des Angeklagten S. K. dem Kernbereich zuzurechnen sind. Dazu zählen die Eindimensionalität der "Selbstkommunikation", die Nichtöffentlichkeit der Äußerungssituation , die mögliche Unbewusstheit der Äußerungen im Selbstgespräch, die Identität der Äußerung mit den inneren Gedanken beim Selbstgespräch und die Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes.
15
Der Grund für den absoluten Schutz eines Kernbereichs der Persönlichkeitsentfaltung besteht in der Eröffnung einer Möglichkeit für Menschen, sich in einem letzten Rückzugsraum mit dem eigenen Ich befassen zu können, ohne Angst davor haben zu müssen, dass staatliche Stellen dies überwachen (vgl. Senat, Urteil vom 16. März 1983 - 2 StR 775/82, BGHSt 31, 296, 299 f.). Die Gedanken sind grundsätzlich frei, weil Denken für Menschen eine Existenzbedingung darstellt (vgl. Mahrenholz/Böckenförde/Graßhof/Franßen in BVerfG, Beschluss vom 14. September 1989 - 2 BvR 1062/87, BVerfGE 80, 367, 381). Den Gedanken fehlt aus sich heraus die Gemeinschaftsbezogenheit, die jenseits des Kernbereichs der Persönlichkeitsentfaltung liegt. Gleiches gilt für die Gedankenäußerung im nicht öffentlich geführten Selbstgespräch (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 213). Gedanken werden typischerweise in Form eines "inneren Sprechens" entwickelt (vgl. Tönnies , Selbstkommunikation, 1994, S. 16). Denken und Sprache, die dem Menschen als einzigem Lebewesen zur Verfügung steht, sind untrennbar miteinander verbunden. Die Gedankeninhalte des inneren Sprechens treten vor allem in Situationen, in denen der Sprechende sich unbeobachtet fühlt, durch Aussprechen hervor. Das möglicherweise unbewusste "laute Denken" beim nichtöffentlich geführten Selbstgespräch nimmt sodann an der Gedankenfreiheit teil. Bedeutung für die Zuordnung zum Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung hat dabei auch die Nichtöffentlichkeit der Äußerungssituation. Zwar fanden die hier in Rede stehenden Selbstgespräche nicht in einer Wohnung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GG statt, woraus sich eine "Vermutung" hätte ergeben können, "dass der Kernbereich tangiert sein kann" (vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 210); dies folgt auch aus dem Zusammenhang von § 100c Abs. 4 mit § 100f StPO. Hieraus ist aber nicht zu schließen , dass der Schutz des Kernbereichs der Persönlichkeit in Bezug auf Äußerungen sich ausschließlich auf den räumlichen Bereich von Wohnungen beschränke. Vielmehr kann auch das "Alleinsein mit sich selbst" in einem Pkw diesen Schutz begründen. Es bestand aus der Sicht des Angeklagten S. K. nicht die Gefahr, dass andere Personen den Inhalt seiner Äußerungen im Selbstgespräch erfassten. Der rechtlich geringere Schutz des Aufenthaltsorts im Auto gegenüber der Wohnung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GG (zur Relativierung bei der Äußerung im Krankenzimmer BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 212) wird hier deshalb im Einzelfall dadurch kompensiert, dass tatsächlich das Risiko einer Außenwirkung der spontanen Äußerungen nahezu ausgeschlossen war; das Selbstgespräch konnte nur durch eine heimliche staatliche Überwachungsmaßnahme erfasst werden. Die Nichtöffentlichkeit der Gesprächssituation war daher bei einer Gesamtbewertung der Umstände des Einzelfalls derjenigen in einer Wohnung gleichzusetzen.
16
b) Auf den Inhalt der Gedankenäußerung und dessen mehr oder weniger großen Sozialbezug kommt es demgegenüber bei Selbstgesprächen nicht entscheidend an. Insoweit gilt etwas anderes als bei der Fixierung von Gedanken in einem Tagebuch oder bei der Erfassung des Gesprächs eines Beschuldigten mit Dritten.
17
Die Tagebuchentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 14. September 1989 - 2 BvR 1062/87, BVerfGE 80, 367, 374), bei der wegen Stimmengleichheit eine Grundrechtsverletzung nicht festgestellt werden konnte, kann nicht ohne Weiteres auf die Frage der Zuordnung des heimlich abgehörten Selbstgesprächs zum Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung oder zur allgemeinen Persönlichkeitssphäre übertragen werden. War dort der Raum, in dem die Anfertigung von Notizen stattfand, für die Frage der Verwertbarkeit der schriftlich fixierten Gedanken im Strafverfahren ohne Belang, weil die Notizen freiwillig der Sicherstellung preisgegeben wurden, so erlangt im vorliegenden Fall das Kriterium der Nichtöffentlichkeit des Ortes der Gedankenäußerung erhebliche Bedeutung. Spielte in der Tagebuchentscheidung die Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes keine Rolle, weil der Betroffene seine Gedanken dort im Tagebuch fixiert und bei diesem Schreibvorgang unter Umständen auch noch repetiert hatte, so erlangt die Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes als Abgrenzungskriterium im vorliegenden Fall besonderes Gewicht. In der Tagebuchentscheidung waren überdies auch präventive Überlegungen für die Annahme der Verwertbarkeit von Bedeutung (aaO S. 377, 380), weil die dort fraglichen Tagebuchaufzeichnungen vor der Tatbegehung gemacht worden waren und bei rechtzeitiger Erfassung durch die Polizeibehörden theoretisch auch zur Verhinderung der Tat als Maßnahme der Gefahrenabwehr hätten genutzt werden können. Dagegen spielt die Möglichkeit der Prävention zugunsten anderer Grundrechtsträger als Frage der Grundrechtskollision hier keine Rolle (vgl. auch BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206,

214).


18
Das "Selbstgespräch" kann auch nicht mit einem Zwiegespräch gleichgesetzt werden, das regelmäßig nicht dem absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung zuzuordnen ist, wenn es mit seinem Inhalt einen Tatbezug und damit Sozialbezug aufweist (vgl. BVerfG, Urteil vom 3. März 2004 - 1 BvR 2378/98, 1084/99, BVerfGE 109, 279, 319; Beschluss vom 12. Oktober 2011 - 2 BvR 236/08 u.a.; Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09 u.a.; vgl. auch § 100c Abs. 4 Satz 3 StPO). Es unterscheidet sich von einem solchen Gespräch schon dadurch, dass die Äußerungen nicht auf Verständlichkeit angelegt und jedenfalls auch durch unwillkürlich auftretende Bewusstseinsinhalte gekennzeichnet sind (BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 213).
19
c) Der somit gebotene Kernbereichsschutz entfällt nur, wenn der Grundrechtsträger den Bereich der privaten Lebensgestaltung von sich aus öffnet, bestimmte Angelegenheiten der Öffentlichkeit zugänglich macht und damit die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09). Dies geschieht nicht ohne weiteres schon dadurch, dass er sich außerhalb des besonders geschützten Bereichs seiner Wohnung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 GG aufhält, sofern er einen anderen Rückzugsraum wählt, in dem er sich unbeobachtet fühlen kann. Das war hier hinsichtlich des Pkw der Fall. Nach außen gerichtete Äußerungen in einem Pkw, in dem die betreffende Person allein ist, können nicht Äußerungen in der Öffentlichkeit gleichgestellt werden. Es bleibt deshalb bei der Zuordnung der Selbstgespräche des Angeklagten S. K. zum absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung mit der Folge ihrer Unverwertbarkeit.
20
2. Das Beweisverbot entfaltet wegen seiner Absolutheit, die ein Beweiserhebungsverbot für die Hauptverhandlung bezüglich der im Vorverfahren erlangten Informationen einschließt (vgl. Schwaben, Die personelle Reichweite von Beweisverwertungsverboten, 2005, S. 101 f.), seine Wirkung auch auf die nicht unmittelbar von der akustischen Überwachung im Vorverfahren betroffenen Mitangeklagten.
21
Die Unverwertbarkeit des Selbstgesprächs von S. K. als Indiz für und gegen alle Angeklagten (zur Frage der "Überkreuzverwertung" Jahn, Gutachten C zum 67. Deutschen Juristentag 2008, C 114 f.) entspricht den Verboten, die in §§ 100a Abs. 4 Satz 2, 100c Abs. 5 Satz 3 StPO für den Fall des Eingriffs in den absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung positivrechtlich geregelt sind. Der Gesetzgeber hat dort für den Fall, dass tatsächlich der Kernbereich betroffen ist, jede Verwendung der hierüber erlangten Informationen im Strafverfahren ausgeschlossen. Er ist damit nicht dem Gedanken gefolgt, dass Beweisverwertungsverbote auch mit Blick auf die Ambivalenz ihrer Beweisbedeutung als Be- oder Entlastungsbeweis ausschließlich den Bedeutungsgehalt von Belastungsverboten haben sollen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 10. August 2005 - 1 StR 140/05, BGHSt 50, 206, 215; Jahn aaO C 112 ff.). Zwar hat der Gesetzgeber in § 100f StPO auf eine entsprechende Kernbereichsregelung verzichtet, jedoch gilt für das unmittelbar aus der Verfassung abgeleitete Beweisverwertungsverbot in diesem Zusammenhang nichts anderes. Auch Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG spricht gegen die Verwertbarkeit der Selbstgesprächsinhalte für oder gegen Dritte, weil insoweit ein selbständiges Beweisverwertungsverbot begründet wird (vgl. zur ausnahmsweise absoluten Wirkung eines Beweisverbots im Übrigen auch §§ 136a Abs. 3, 69 Abs. 3 StPO).
22
3. Das Urteil beruht hinsichtlich aller Angeklagten auf der Verletzungvon Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Das Selbstgespräch wurde als Indiz für die Tatbegehung überhaupt sowie für die Täterschaft des Angeklagten S. K. herangezogen. Obwohl eine Reihe von weiteren Indizien für dieses Beweisergebnis spricht, kann der Senat nicht sicher ausschließen, dass die Verurteilung des Angeklagten S. K. auf der Verwertung seiner Äußerungen in den überwachten Selbstgesprächen beruht. Das Landgericht hat daraus auch Hinweise auf die Mittäterschaft der Mitangeklagten I. und W. K. entnommen. Auch deren Verurteilung beruht auf der Verwertung der Selbstgespräche. Ob eine Verurteilung eines Angeklagten oder mehrerer Angeklagten auch ohne die Verwertung der aufgezeichneten Selbstgespräche des Angeklagten S. K. möglich ist, muss dem neuen Tatrichter vorbehalten bleiben.
Fischer Appl Berger Eschelbach Ott

(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.

(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.

(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.

(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn

1.
dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder
2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
§ 58a Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) § 58b gilt entsprechend.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

(1) Der Beschuldigte ist spätestens vor dem Abschluß der Ermittlungen zu vernehmen, es sei denn, daß das Verfahren zur Einstellung führt. In einfachen Sachen genügt es, daß ihm Gelegenheit gegeben wird, sich schriftlich zu äußern.

(2) Beantragt der Beschuldigte zu seiner Entlastung die Aufnahme von Beweisen, so sind sie zu erheben, wenn sie von Bedeutung sind.

(3) Der Beschuldigte ist verpflichtet, auf Ladung vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen. Die §§ 133 bis 136a und 168c Abs. 1 und 5 gelten entsprechend. Über die Rechtmäßigkeit der Vorführung entscheidet auf Antrag des Beschuldigten das nach § 162 zuständige Gericht. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten entsprechend. Die Entscheidung des Gerichts ist unanfechtbar.

(4) Bei der Vernehmung des Beschuldigten durch Beamte des Polizeidienstes ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird. Im übrigen sind bei der Vernehmung des Beschuldigten durch Beamte des Polizeidienstes § 136 Absatz 1 Satz 2 bis 6, Absatz 2 bis 5 und § 136a anzuwenden. § 168c Absatz 1 und 5 gilt für den Verteidiger entsprechend.

(5) Die §§ 186 und 187 Absatz 1 bis 3 sowie § 189 Absatz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes gelten entsprechend.

(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.

(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.

(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.

(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn

1.
dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder
2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
§ 58a Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) § 58b gilt entsprechend.

(1) Zu dem in § 160 Abs. 1 bis 3 bezeichneten Zweck ist die Staatsanwaltschaft befugt, von allen Behörden Auskunft zu verlangen und Ermittlungen jeder Art entweder selbst vorzunehmen oder durch die Behörden und Beamten des Polizeidienstes vornehmen zu lassen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln. Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes sind verpflichtet, dem Ersuchen oder Auftrag der Staatsanwaltschaft zu genügen, und in diesem Falle befugt, von allen Behörden Auskunft zu verlangen.

(2) Soweit in diesem Gesetz die Löschung personenbezogener Daten ausdrücklich angeordnet wird, ist § 58 Absatz 3 des Bundesdatenschutzgesetzes nicht anzuwenden.

(3) Ist eine Maßnahme nach diesem Gesetz nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässig, so dürfen die auf Grund einer entsprechenden Maßnahme nach anderen Gesetzen erlangten personenbezogenen Daten ohne Einwilligung der von der Maßnahme betroffenen Personen zu Beweiszwecken im Strafverfahren nur zur Aufklärung solcher Straftaten verwendet werden, zu deren Aufklärung eine solche Maßnahme nach diesem Gesetz hätte angeordnet werden dürfen. § 100e Absatz 6 Nummer 3 bleibt unberührt.

(4) In oder aus einer Wohnung erlangte personenbezogene Daten aus einem Einsatz technischer Mittel zur Eigensicherung im Zuge nicht offener Ermittlungen auf polizeirechtlicher Grundlage dürfen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu Beweiszwecken nur verwendet werden (Artikel 13 Abs. 5 des Grundgesetzes), wenn das Amtsgericht (§ 162 Abs. 1), in dessen Bezirk die anordnende Stelle ihren Sitz hat, die Rechtmäßigkeit der Maßnahme festgestellt hat; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.

(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.

(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.

(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn

1.
dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder
2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
§ 58a Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) § 58b gilt entsprechend.

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.
der Verlobte des Beschuldigten;
2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

(1) Zu dem in § 160 Abs. 1 bis 3 bezeichneten Zweck ist die Staatsanwaltschaft befugt, von allen Behörden Auskunft zu verlangen und Ermittlungen jeder Art entweder selbst vorzunehmen oder durch die Behörden und Beamten des Polizeidienstes vornehmen zu lassen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln. Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes sind verpflichtet, dem Ersuchen oder Auftrag der Staatsanwaltschaft zu genügen, und in diesem Falle befugt, von allen Behörden Auskunft zu verlangen.

(2) Soweit in diesem Gesetz die Löschung personenbezogener Daten ausdrücklich angeordnet wird, ist § 58 Absatz 3 des Bundesdatenschutzgesetzes nicht anzuwenden.

(3) Ist eine Maßnahme nach diesem Gesetz nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässig, so dürfen die auf Grund einer entsprechenden Maßnahme nach anderen Gesetzen erlangten personenbezogenen Daten ohne Einwilligung der von der Maßnahme betroffenen Personen zu Beweiszwecken im Strafverfahren nur zur Aufklärung solcher Straftaten verwendet werden, zu deren Aufklärung eine solche Maßnahme nach diesem Gesetz hätte angeordnet werden dürfen. § 100e Absatz 6 Nummer 3 bleibt unberührt.

(4) In oder aus einer Wohnung erlangte personenbezogene Daten aus einem Einsatz technischer Mittel zur Eigensicherung im Zuge nicht offener Ermittlungen auf polizeirechtlicher Grundlage dürfen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu Beweiszwecken nur verwendet werden (Artikel 13 Abs. 5 des Grundgesetzes), wenn das Amtsgericht (§ 162 Abs. 1), in dessen Bezirk die anordnende Stelle ihren Sitz hat, die Rechtmäßigkeit der Maßnahme festgestellt hat; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.

(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.

(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.

(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn

1.
dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder
2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
§ 58a Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) § 58b gilt entsprechend.

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.

(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.

(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.

(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn

1.
dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder
2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
§ 58a Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) § 58b gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 3/07
vom
3. Juli 2007
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja (nur I und II 1 bis 3)
Veröffentlichung: ja
____________________________________
Zur Begründung der Beschuldigteneigenschaft durch die Art und Weise einer
Vernehmung (im Anschluss an BGHSt 38, 214).
BGH, Urt. vom 3. Juli 2007 - 1 StR 3/07 - LG Waldshut-Tiengen
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. Juli 2007,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers T. R. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin H. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers S. R. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 10. Mai 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen Totschlags an J. H. verurteilt worden ist,
b) im Gesamtstrafenausspruch. 3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Freiburg zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags in zwei Fällen zu lebenslanger Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt; von der Feststellung der besonderen Schuldschwere hat es abgesehen. Opfer der Taten waren seine Ehefrau G. H. und seine Tochter J. H. . Wegen des Totschlags an der Ehefrau hat das Landgericht eine Freiheitsstrafe von elf Jahren verhängt; den Totschlag an der Tochter hat es als besonders schweren Fall bewertet (§ 212 Abs. 2 StGB) und deswegen auf eine lebenslange Freiheitsstrafe erkannt.
2
Der Angeklagte wendet sich mit der auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde gestützten Revision gegen seine Verurteilung. Die Staatsanwaltschaft greift das Urteil mit der zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die Sachrüge gestützten Revision - beschränkt - insoweit an, als der Angeklagte "bezüglich der Tötung seiner Tochter J. H. wegen Totschlags und nicht wegen Mordes verurteilt" und "die besondere Schwere der Schuld nicht festgestellt" worden ist. Beide Rechtsmittel haben Erfolg. Allerdings führt die Revision der Staatsanwaltschaft entgegen ihrem Antrag auch zur Aufhebung der wegen der Tötung von J. H. verhängten Einzelstrafe und damit der Gesamtsstrafe.

I.

3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
Am 9. oder 10. Mai 2002 schlug der Angeklagte im gemeinsamen Wohnanwesen zunächst mehrmals mit großer Kraft einen schweren großflächigen Gegenstand gegen den Kopf seiner Ehefrau G. H. oder stieß - nach Eintritt der Bewusstlosigkeit - ihren Kopf mit großer Kraft gegen einen derartigen Gegenstand. G. H. erlitt drei Schädelbrüche, wobei eine der Frakturen auch durch den ungehemmten Aufprall des Kopfes infolge Bewusstlosigkeit verursacht worden sein kann. Anschließend tötete der Angeklagte in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang seine Tochter J. H. auf eine nicht bekannte Weise. Weitere Einzelheiten des eigentlichen Tathergangs hat das Landgericht nicht feststellen können.
5
Nach den Taten versteckte er die Leichen in einem 30 Kilometer entfernt liegenden Wald, nachdem er ihre Extremitäten mit Paketklebeband fixiert und sie mit Folie und Textilien umwickelt hatte. Mehr als drei Jahre später, am 23. August 2005, wurden die beiden Leichen in skelettiertem Zustand entdeckt.

II.

6
Revision des Angeklagten:
7
Die Revision des Angeklagten hat bereits mit der Verfahrensrüge Erfolg, die Kammer habe bei der Urteilsfindung rechtsfehlerhaft die Zeugenaussagen des Angeklagten am 26. September und 13. November 2002 verwertet, obwohl er als Beschuldigter hätte vernommen und dementsprechend belehrt werden müssen (Verstoß gegen § 136 Abs. 1, § 163a Abs. 4 StPO).
8
1. Der Rüge liegt folgendes Geschehen zugrunde:
9
Der Angeklagte zeigte am 13. Mai 2002 das Verschwinden von Ehefrau und Tochter an. Auf Grund dieser Vermisstenanzeige wurde zunächst lediglich bei der Polizei ein "Vermisstenvorgang" geführt. Der Angeklagte wurde am 13. Mai, 16. Mai, 12. August und 26. September 2002 von Polizeibeamten als Zeuge vernommen. Er wurde - nur - vor der Zeugenvernehmung am 26. September darauf hingewiesen, dass er "bei der Polizei … überhaupt nichts sagen" und jedenfalls "keine Angaben machen brauche(…), die … (ihn) belasten könnten". Bei den Vernehmungen äußerte sich der Angeklagte umfassend zur Sache. Am 4. Oktober 2002 legte die Polizei den Vorgang der Staatsanwaltschaft vor, die am 7. Oktober 2002 ein "Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts eines nichtnatürlichen Todesfalls" einleitete. Am 10. Oktober 2002 erfolgte eine Suchaktion mit Leichensuchhunden mit dem Einverständnis des Angeklagten auf seinem Grundstück einschließlich des Wohnhauses. Am 13. November 2002 sagte der Angeklagte bei der Polizei nochmals ergänzend als Zeuge zur Sache aus, ohne belehrt worden zu sein.
10
Als am 8. März 2003 ein Ledermäppchen mit Plastikkarten der Ehefrau in der Nähe des Anwesens des Angeklagten aufgefunden wurde, leitete die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 10. März 2003 gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen Mordes in zwei Fällen ein. Am 21. März 2003 wurde er als Beschuldigter vernommen; nach Beschuldigtenbelehrung, allerdings ohne dass auf die Nichtverwertbarkeit früherer Aussagen hingewiesen wurde (sog. qualifizierte Belehrung), machte er ergänzende Angaben zur Sache. Weil weitere Ermittlungen keine hinreichend sicheren Erkenntnisse über den Tod oder den Verbleib der beiden Frauen erbrachten, wurde das Verfahren am 3. Juni 2004 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
11
Nachdem die beiden Leichen - die der Ehefrau eingewickelt in einen aus dem gemeinsamen Haushalt stammenden Teppich - entdeckt worden waren, erging nach Wiederaufnahme der Ermittlungen am 26. August 2005 Haftbefehl gegen den Angeklagten, auf Grund dessen seit demselben Tag Untersuchungshaft gegen ihn vollzogen wird. Bei einer Beschuldigtenvernehmung am 29. August 2005 sagte der Angeklagte nach - nicht qualifizierter - Belehrung erneut ergänzend aus.
12
In der Hauptverhandlung, die am 27. Februar 2006 begann, machte der Angeklagte lediglich Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen und zu seinem Lebenslauf; zur Sache ließ er sich nicht ein. Die Verteidigung widersprach rechtzeitig der Verwertung der Aussagen des Angeklagten unter anderem vom 26. September und 13. November 2002, da der Angeklagte als Beschuldigter hätte belehrt werden müssen. Die Schwurgerichtskammer wies den Widerspruch zurück.
13
2. Die Revision macht geltend, dass der Angeklagte bei den Zeugenaussagen vom 26. September und 13. November 2002 aus Sicht der Vernehmungsbeamten "längst" Beschuldigter gewesen sei. Im Zentrum des Revisionsvorbringens steht dabei die Vernehmung am 26. September 2002; die Beschul- digteneigenschaft ergebe sich hier aus den zuvor bei den Ermittlungen gewonnenen Erkenntnissen sowie aus dieser Vernehmung selbst.
14
Zur Zeit der Vernehmung seien die Ehefrau und die Tochter des Angeklagten schon mehr als viereinhalb Monate lang verschwunden gewesen. Von der Polizei eingeleitete umfangreiche Suchmaßnahmen seien erfolglos geblieben. Nach den polizeilichen Erkenntnissen hätten die Vermissten keinen Kontakt zu Verwandten oder Freunden aufgenommen; auf dem Giro- und dem Kreditkartenkonto der Ehefrau seien keine Bewegungen zu verzeichnen gewesen.
15
Die Vernehmung sei von Vorhalten und Fragen geprägt, aus denen hervorgehe , dass der Vernehmungsbeamte "nicht nur im Sinne eines subjektiven 'Gefühls'", sondern "auf der Grundlage des aktuellen Ermittlungsstands einerseits davon überzeugt war, dass G. und J. H. tot waren, und andererseits, dass der Angeklagte mit dem Tod der beiden 'in Zusammenhang' stand". Der Vernehmungsbeamte habe auch zum Ausdruck gebracht, dass er die Angaben des Angeklagten insbesondere insoweit für nicht glaubhaft halte, als dieser Erinnerungsdefizite für die Tage nach dem Verschwinden behauptet habe.
16
3. Die Verwertung der Aussagen des Angeklagten vom 26. September und 13. November 2002 durch das Landgericht ist auf Grund der fehlenden Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2, § 163a Abs. 4 StPO rechtsfehlerhaft. Denn der Angeklagte erlangte mit der Vernehmung am 26. September 2002 und mit der anschließenden Suchmaßnahme auf seinem Anwesen den Status eines Beschuldigten.
17
a) Der § 136 StPO zugrunde liegende Beschuldigtenbegriff vereinigt subjektive und objektive Elemente. Die Beschuldigteneigenschaft setzt - subjektiv - den Verfolgungswillen der Strafverfolgungsbehörde voraus, der sich - objektiv - in einem Willensakt manifestiert (vgl. BGHSt 38, 214, 228; BGH NJW 1997, 1591; Rogall in SK-StPO 41. Lfg. vor § 133 Rdn. 33; vgl. auch § 397 Abs. 1 AO). Wird gegen eine Person ein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, liegt darin ein solcher Willensakt. Andernfalls beurteilt sich dessen Vorliegen danach, wie sich das Verhalten des ermittelnden Beamten nach außen, insbesondere in der Wahrnehmung des davon Betroffenen darstellt (BGHSt aaO). Dabei ist zwischen verschiedenen Ermittlungshandlungen wie folgt zu differenzieren :
18
Strafprozessuale Eingriffsmaßnahmen, die nur gegenüber dem Beschuldigten zulässig sind, sind Handlungen, die ohne weiteres auf den Verfolgungswillen der Strafverfolgungsbehörde schließen lassen (Rogall aaO Rdn. 23). Aber auch Eingriffsmaßnahmen, die an einen Tatverdacht anknüpfen, begründen grundsätzlich die Beschuldigteneigenschaft des von der Maßnahme betroffenen Verdächtigen, weil sie regelmäßig darauf abzielen, gegen diesen wegen einer Straftat strafrechtlich vorzugehen; so liegt die Beschuldigtenstellung des Verdächtigen auf der Hand, wenn eine Durchsuchung nach § 102 StPO dazu dient, für seine Überführung geeignete Beweismittel zu gewinnen (vgl. BGH NJW 1997, 1591, 1592; Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 136 Rdn. 4). Anders liegt es bei Vernehmungen. Bereits aus §§ 55, 60 Nr. 2 StPO ergibt sich, dass im Strafverfahren auch ein Verdächtiger im Einzelfall als Zeuge vernommen werden darf, ohne dass er über die Beschuldigtenrechte belehrt werden muss (vgl. BGHSt 10, 8, 10; 17, 128, 133; Hanack aaO; Rogall aaO Rdn. 11; ferner BVerfG [Kammer], Beschl. vom 8. Dezember 2005 - 2 BvR 1513/05). Der Vernehmende darf dabei auch die Verdachtslage weiter abklären ; da er mithin nicht gehindert ist, den Vernommenen mit dem Tatverdacht zu konfrontieren, sind hierauf zielende Vorhalte und Fragen nicht zwingend ein hinreichender Beleg dafür, dass der Vernehmende dem Vernommenen als Be- schuldigten gegenübertritt. Der Verfolgungswille kann sich jedoch aus dem Ziel, der Gestaltung und den Begleitumständen der Befragung ergeben.
19
Ergibt sich die Beschuldigteneigenschaft nicht aus einem Willensakt der Strafverfolgungsbehörden, kann - abhängig von der objektiven Stärke des Tatverdachts - unter dem Gesichtspunkt der Umgehung der Beschuldigtenrechte gleichwohl ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO vorliegen. Ob die Strafverfolgungsbehörde einen solchen Grad des Verdachts auf eine strafbare Handlung für gegeben hält, dass sie einen Verdächtigen als Beschuldigten vernimmt, unterliegt ihrer pflichtgemäßen Beurteilung. Im Rahmen der gebotenen sorgfältigen Abwägung aller Umstände des Einzelfalls kommt es dabei darauf an, inwieweit der Tatverdacht auf hinreichend gesicherten Erkenntnissen hinsichtlich Tat und Täter oder lediglich auf kriminalistischer Erfahrung beruht. Falls jedoch der Tatverdacht so stark ist, dass die Strafverfolgungsbehörde andernfalls willkürlich die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums überschreiten würde, ist es verfahrensfehlerhaft, wenn dennoch nicht zur Beschuldigtenvernehmung übergegangen wird (vgl. BGHSt 37, 48, 51 f.; 38, 214, 228; BGH NJW 1994, 2904, 2907; 1996, 2663; 1997, 1591; NStZ-RR 2002, 67 [bei Becker]; 2004, 368; Beschl. vom 25. Februar 2004 - 4 StR 475/03).
20
Andererseits kann der Umstand, dass die Strafverfolgungsbehörde - zumal bei Tötungsdelikten - erst bei einem konkreten und ernsthaften Tatverdacht zur Vernehmung des Verdächtigen als Beschuldigten verpflichtet ist, für ihn auch eine schützende Funktion haben. Denn der Vernommene wird hierdurch nicht vorschnell mit einem Ermittlungsverfahren überzogen, das erhebliche nachteilige Konsequenzen für ihn haben kann.
21
b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist es zwar nicht zu beanstanden, dass Staatsanwaltschaft und Polizei die Verdachtslage dahingehend beurteil- ten, dass noch keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für einen ernsthaften Tatverdacht auf ein Tötungsdelikt des Angeklagten vorhanden waren (nachfolgend aa). Jedoch zeigten die Ermittlungsbeamten bei der Vernehmung am 26. September 2002 und danach ein Verhalten, aus welchem sich für den Angeklagten ergab, dass sie ihm als Beschuldigten begegneten (nachfolgend bb).
22
aa) Nach der dienstlichen Stellungnahme des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft vom 6. März 2006 gingen Staatsanwaltschaft und Polizei bis zum Auffinden des Kartenmäppchens am 8. März 2003 - also bei sämtlichen Zeugenvernehmungen - davon aus, dass "noch keine Tatsachen vorlagen, die einen konkreten und ernsthaften Verdacht gegen den Angeklagten begründet hätten". Diese Beurteilung entsprach dem Stand der Ermittlungen. Denn die Erkenntnisse in dem Vermisstenfall erschöpften sich weitgehend darin, dass G. und J. H. schon längere Zeit - am 26. September 2002 seit mehr als viereinhalb Monaten - "spurlos" verschwunden waren. Dies gilt namentlich für die erfolglosen Suchaktionen, den ausbleibenden Kontakt zu Verwandten und Freunden sowie die fehlenden Kontenbewegungen. Auf der anderen Seite lagen Hinweise vor, die gegen einen Tatverdacht sprachen; so hatten sich etwa Personen bei der Polizei gemeldet, welche die Vermissten noch nach ihrem Verschwinden gesehen haben wollten.
23
Nach alledem durften die Vernehmungsbeamten zunächst davon ausgehen , dass keine gesicherten Erkenntnisse gegeben waren, die einen derart starken Tatverdacht gegen den Angeklagten begründeten, dass die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens von Rechts wegen geboten war. Den Strafverfolgungsbehörden fehlten hinreichende objektive Anhaltspunkte dafür, dass überhaupt Straftaten vorlagen. Allein die Vorstellung, falls sich entsprechende Tatsachen herausstellen sollten, werde in erster Linie gegen den Angeklagten vor- gegangen, begründete nicht dessen Beschuldigtenstellung (vgl. in diesem Sinne BGHSt 49, 29, 31 f.).
24
bb) Neben der Stärke des Tatverdachts ist jedoch auch von Bedeutung, wie sich das Verhalten des Beamten nach außen, auch in der Wahrnehmung des Vernommenen darstellt. Hier folgt der Verfolgungswille aus dem Ziel, der Gestaltung und den Begleitumständen der Vernehmung am 26. September 2002 und der darauf folgenden Suchmaßnahme auf dem Anwesen des Angeklagten :
25
Eine - aus der Sicht des Angeklagten zu beurteilende - Gesamtschau aller relevanten Umstände ergibt, dass die Vernehmung vornehmlich dazu diente, den Angeklagten, von dessen mutmaßlicher Täterschaft sich der Vernehmungsbeamte überzeugt zeigte, zu überführen. In der lediglich von kurzen Pausen unterbrochenen fast zehnstündigen Vernehmung ging es diesem erkennbar insbesondere darum, den Angeklagten mit Ungereimtheiten seines bisherigen Aussageverhaltens und zuletzt direkt mit dem Vorwurf von Tötungsverbrechen zu konfrontieren. Die Gestaltung der Vernehmung lässt erkennen, dass der Vernehmungsbeamte mittels kriminalistischer Taktik einen Tatnachweis ermöglichen oder einen gegebenenfalls erst später möglichen Tatnachweis erleichtern wollte. Die Vernehmung war von Vorhalten und Fragen geprägt , die erkennbar auf "Schwachstellen" in den bisherigen Aussagen zielten und zuletzt in eindringlicher Form auf ein Geständnis hinwirkten:
26
So äußerte der Vernehmungsbeamte schon zu Beginn der Vernehmung, dass nach seiner Überzeugung G. und J. H. tot seien. Noch in einem frühen Stadium erklärte er weiterhin, dass der Angeklagte bereits aus der Belehrung, sich nicht selbst belasten zu müssen, erkennen könne, dass der Vernehmungsbeamte ihm "im Zusammenhang mit dem Verschwinden von Frau und Kind … bis zu einem gewissen Grad Misstrauen entgegenbringe". Der Angeklagte bekundete beispielsweise, schon kurz nachdem Ehefrau und Tochter verschwunden gewesen seien, so "von der Rolle" gewesen zu sein, dass er nunmehr Erinnerungslücken habe, obwohl er zuvor ausgesagt hatte, die Ehe sei zerrüttet gewesen und seine Ehefrau habe schon früher unangekündigt auswärts übernachtet. Daraufhin äußerte der Vernehmungsbeamte, dass er dem Angeklagten insoweit nicht glaube ("ich glaube Ihnen kein Wort"); mit der Geltendmachung von Erinnerungslücken wolle der Angeklagte "nur umgehen, dass … (er) sich eventuell in Widersprüche zu(m) … etwaigen Ermittlungsergebnis verstricken" könnte. Sodann stellte der Vernehmungsbeamte zwar ausdrücklich die vergleichsweise schwache Beweislage heraus, indem er sagte: "Gut, Herr H. , ich kann Ihnen natürlich nicht das Gegenteil (davon) beweisen , dass es bei Ihnen so war. Das kann ich natürlich nicht." Als der Angeklagte auf den nochmaligen Vorhalt, seine Angaben seien nicht glaubhaft, so dass sich die Frage stelle, was er "mit dem Verschwinden von der G. und der J. zu tun" habe, auf diesen Angaben beharrte, äußerte der Vernehmungsbeamte jedoch auch, dass der Angeklagte sich durch sein derzeitiges Aussageverhalten "nur noch verdächtiger" mache. Im weiteren Verlauf hielt der Vernehmungsbeamte - vor dem Hintergrund erheblicher Probleme des Angeklagten mit der Zeugungsfähigkeit - ihm vor, er könnte in einem Streitgespräch mit seiner Ehefrau erfahren haben, dass er nicht der Erzeuger seiner Tochter sei. Um diese den Angeklagten belastende Sachverhaltsvariante "in den Griff (zu) bekommen", forderte er die Entbindung des behandelnden Arztes von der Schweigepflicht, die der Angeklagte auch erteilte. Schließlich wurden die Vorhalte zunehmend eindringlicher (etwa: "Das Gewissen plagt Sie nicht?" oder "Dass Sie uns eventuell sagen, wo die Leichen sind!"). Zuletzt forderte der Vernehmungsbeamte noch die Zustimmung des Angeklagten zu einer Nachschau in seinem Haus und die Abgabe einer Speichelprobe für eine DNA-Analyse; mit beidem erklärte sich dieser einverstanden.
27
Wie bereits ausgeführt (vgl. oben II. 3. a), führen auf den Tatverdacht zielende Vorhalte und Fragen nicht notwendig dazu, dass der Vernommene als Beschuldigter zu belehren ist. Die Vorhalte und Fragen dienten hier jedoch für den Angeklagten erkennbar zum einen dazu, neue Ermittlungsansätze gegen ihn zu gewinnen (Schweigepflichtsentbindung; Nachschau im Haus; DNAAnalyse ) und ein Geständnis von ihm zu erlangen. Zum anderen wollte der Vernehmungsbeamte Widersprüche im Aussageverhalten des Angeklagten aufdecken. So deutet etwa der Vorhalt, der Angeklagte wolle mit der Geltendmachung von Erinnerungslücken "nur umgehen, dass … (er) sich eventuell in Widersprüche zu(m) … etwaigen Ermittlungsergebnis verstricken" könnte, darauf hin, dass es dem Vernehmungsbeamten zu diesem Zeitpunkt, sollte der Angeklagte - wunschgemäß - präzisere Angaben machen, insbesondere auch um die Aufdeckung derartiger Widersprüche zum Zweck eines Tatnachweises ging. Entgegen der bereits erwähnten Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vom 6. März 2006 erfolgte somit die Befragung erkennbar gerade nicht vor dem Hintergrund , "dass ein Angehöriger bei einem Vermisstenfall zu den Umständen des Verschwindens unwahre oder unvollständige Angaben macht, die nichts mit der Verheimlichung eines von ihm selbst begangenen Tötungsdelikt zu tun haben". Unter Berücksichtigung aller Umstände war dieses Vorgehen daher im vorliegenden Fall mit einer Vernehmung des Angeklagten als Zeugen nicht mehr zu vereinbaren.
28
Der Wille der Strafverfolgungsbehörden, gegen den Angeklagten als Beschuldigten vorzugehen, ergibt sich weiterhin aus der Suchmaßnahme kurze Zeit später, zu der der Angeklagte bei der Vernehmung sein Einverständnis erteilt hatte. Am 10. Oktober 2002, noch vor der Vernehmung am 13. November 2002, suchten Ermittlungsbeamte das Anwesen des Angeklagten einschließlich des Wohnhauses mit Leichensuchhunden ab. Der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zufolge sollte die Maßnahme "der Klärung der Frage (dienen), ob die Vermissten eventuell - auf welche Weise auch immer - in dem Anwesen selbst zu Tode gekommen sein könnten". Diese Maßnahme bezweckte daher die Überführung des Angeklagten. Hätte sie nämlich Erfolg gehabt, wären also auf dem Anwesen Leichen oder Leichenteile oder sonstige Hinweise dafür gefunden worden, dass die Vermissten dort zu Tode gekommen sein könnten, wären alle anderen Möglichkeiten als vom Angeklagten begangene Tötungsdelikte kaum ernsthaft in Betracht gekommen. Dies gilt unabhängig davon, ob und wie viele andere Suchaktionen nach dem Verschwinden von G. und J. H. erfolgten. Die Beurteilung durch die Staatsanwaltschaft, dass die Suchmaßnahme am 10. Oktober 2002 "im Erfolgsfall (erst) zu einem Anfangsverdacht (hätte) führen können", ist deshalb nicht vertretbar.
29
c) Der Verstoß gegen die Belehrungspflicht nach § 136 Abs. 1 Satz 2, § 163a Abs. 4 StPO wurde nicht dadurch geheilt, dass der Angeklagte am 21. März 2003 und 29. August 2005 nach ordnungsgemäßer Beschuldigtenbelehrung erneut Angaben machte. Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, ob und inwieweit auch ohne Hinweis auf die Nichtverwertbarkeit der früheren Angaben (sog. qualifizierte Belehrung) eine Heilung der vorausgegangenen fehlerhaften Belehrung in Betracht kommt, wenn der Beschuldigte die Angaben - pauschal - bestätigt (insoweit offen gelassen von BGHSt 47, 172, 175). Denn die Aussagen vom 21. März 2003 und 29. August 2005 waren nur ergänzender Natur; der Angeklagte bestätigte seine früheren Angaben indessen nicht.
30
d) Da die Verteidigung der Verwertung der Aussagen des Angeklagten vom 26. September und 13. November 2002 rechtzeitig widersprochen hat, zog der Verstoß gegen die Pflicht zur Beschuldigtenbelehrung das Verbot einer Verwertung dieser Aussagen zu Beweiszwecken nach sich (st. Rspr. seit BGHSt 38, 214). Allein die Belehrung des Angeklagten dahingehend, bei der Polizei überhaupt nichts sagen zu müssen, und gemäß § 55 Abs. 2, § 163a Abs. 5 StPO dahingehend, jedenfalls keine Angaben machen zu müssen, die ihn belasten könnten, kann in aller Regel die gebotene Belehrung über das vollumfängliche Aussageverweigerungsrecht nicht ersetzen. Hinzu kommt, dass diese Belehrungen - anders als die Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO - keinen Hinweis auf das Recht zur Verteidigerkonsultation enthielten (vgl. in diesem Zusammenhang auch BGHSt 47, 172, 174).
31
4. Auf dem Rechtsfehler beruht das angegriffene Urteil (§ 337 Abs. 1 StPO). Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht anders entschieden hätte, wenn es nicht sämtliche Aussagen des Angeklagten in diesem Verfahren für verwertbar gehalten hätte. Soweit das Landgericht seine Überzeugung von der Schuld unter anderem darauf gestützt hat, dass das Verhalten des Angeklagten nach dem Verschwinden der Opfer nicht nachvollziehbar sei und seine Angaben in dem Verfahren vage und widersprüchlich gewesen oder widerlegt worden seien, hat es nämlich maßgebend auf die Vernehmung am 26. September 2002 Bezug genommen.
32
5. Der aufgezeigte Mangel führt zur Aufhebung des Urteils. Die Sachbeschwerde kann daher auf sich beruhen. Der Senat bemerkt jedoch, dass die Möglichkeit einer nur fahrlässigen Tötung von J. H. , deren ausdrückliche Erörterung die Revision des Angeklagten vermisst, nach der Gesamtschau der Urteilsgründe nicht nahe liegend erscheint.

III.

33
Revision der Staatsanwaltschaft:
34
Die Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht, dass die Schwurgerichtskammer das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht hinsichtlich der Tötung von J. H. verneint hat.
35
1. Dass der Angeklagte seine Tochter nicht in der Absicht tötete, den vorausgegangenen Totschlag an seiner Ehefrau zu verdecken, hat das Landgericht auf zwei - teilweise ineinander greifende - Erwägungen gestützt:
36
a) Zum einen geht es davon aus, die Verdeckungsabsicht hätte hier "zumindest eine gewisse Zeitspanne zwischen der Tötung beider Opfer" vorausgesetzt , "in der sich der Angeklagte unter Abwägung des Für und Wider zur Begehung der weiteren Tat" entschieden hätte. "Anhaltspunkte dafür, dass dem Angeklagten eine ausreichende Zeitspanne für derartige Überlegungen blieb", bestünden aber nicht. Vielmehr sei möglich, dass er sich "in Bruchteilen einer Sekunde" auch zur Tötung seiner Tochter entschlossen habe.
37
b) Zum anderen könne - unabhängig davon - ein sogenannter "Affektübersprung" nicht ausgeschlossen werden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei jedenfalls möglich, dass J. H. während einer heftigen ehelichen Auseinandersetzung anwesend und in diese involviert gewesen sein könnte. Weil sie um die Vorlieben des Angeklagten für pornographische Darstellungen im Internet wusste, sei es dann nahe liegend, dass sie in der für sie extrem belastenden Situation ihre Eltern mit diesem Wissen konfrontiert, sich erstmals in außergewöhnlicher Weise gegen den Vater aufgelehnt und für ihre Mutter Partei ergriffen habe. Möglich sei aber auch, dass sie - mit der Gewalttat des Vaters gegenüber der Mutter konfrontiert - geschrieen und geweint sowie eventuell neben ihrer Angst auch ihre Abscheu gegenüber dessen Verhalten zum Ausdruck gebracht habe. Vor diesem Hintergrund käme ein "Affektübersprung" in Betracht, obwohl der psychiatrische Sachverständige dies unter Hinweis auf den Altersunterschied des Opfers zum Angeklagten für fern liegend erachtet habe. Ein derartiger "Affektübersprung" hätte darauf beruhen können, dass dieser seine Tochter "gleichsam als eine weitere, mit seiner ihn zutiefst kränkenden Ehefrau verbündete ('ebenbürtige') 'Gegnerin' angesehen haben" könnte.
38
2. Schon für sich gesehen hält keine dieser Erwägungen sachlichrechtlicher Überprüfung stand; auf die Frage eines Zusammenspiels der Erwägungen kann es daher nicht ankommen. Die Ausführungen zu den rechtlichen Voraussetzungen der Verdeckungsabsicht zeigen, dass die Kammer insoweit von einem unzutreffenden Maßstab ausgegangen ist (nachfolgend a). Soweit die Kammer annimmt, ein "Affektübersprung" könne nicht ausgeschlossen werden , ist die Beweiswürdigung nicht frei von Rechtsfehlern (nachfolgend b).
39
a) Das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht kann auch bei einem in einer unvorhergesehenen Augenblickssituation spontan gefassten Tötungsentschluss gegeben sein. Die Absicht zur Verdeckung einer anderen Tat erfordert keine Überlegung des Täters im Sinne eines abwägenden Reflektierens über die eigenen Ziele. Vielmehr genügt es, dass er die "Verdeckungslage" gleichsam "auf einen Blick" erfasst (vgl. BGHSt 35, 116; BGH NJW 1999, 1039, 1041; Schneider in MünchKomm § 211 Rdn. 184 ff.; zu dem insoweit gleich zu behandelnden Ausnutzungsbewusstsein beim Mordmerkmal der Heimtücke vgl. Senat NStZ-RR 2005, 264, 265), wobei in der Regel ein vorhandenes gedankliches Mitbewusstsein ausreicht (BGH NJW aaO). Die Auffassung, der Annahme von Verdeckungsabsicht stünde entgegen, dass sich der Angeklagte angesichts der Reaktion seiner Tochter "in Bruchteilen einer Sekunde" auch zu ihrer Tö- tung entschlossen haben könnte, belegt, dass die Kammer von einem unzutreffenden Maßstab ausgegangen ist.
40
b) Der aufgezeigte Mangel wäre im Ergebnis unerheblich, wenn infolge des - von der Kammer als nicht ausschließbar angenommenen - "Affektübersprungs" dem Angeklagten das (gedankliche Mit-)Bewusstsein gefehlt hätte, dass die Tötung seiner Tochter die Aufklärung der Tötung der Ehefrau erschwert , und er nicht in diesem Sinne zielgerichtet gehandelt hätte. Jedoch hält die dieser Annahme zugrunde liegende Beweiswürdigung rechtlicher Überprüfung nicht stand.
41
Die Würdigung der Beweise ist Sache des Tatrichters. Ein Urteil ist jedoch aufzuheben, wenn die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn sie widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt; ferner dann, wenn der Tatrichter an die für die Überzeugungsbildung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen stellt (st. Rspr.; vgl. nur Senat NJW 2002, 2188, 2189; 2006, 1297, 1298; NStZ-RR 2003, 371 LS; 2005, 147 f.).
42
Gegen die Feststellungen zur Tötungsreihenfolge und zur affektbedingten Enthemmung des Angeklagten ist - im Ausgangspunkt - revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Basierend auf einer - noch - tragfähigen Tatsachengrundlage hat die Kammer insoweit namentlich aus dem Zustand der Ehe und dem Verhältnis des Angeklagten zu seiner Tochter sowie den Persönlichkeiten der Eheleute unter Berücksichtigung der hinsichtlich G. H. festgestellten Tötungshandlungen mögliche Schlüsse gezogen; zwingend brauchen diese nicht zu sein (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurt. vom 21. Februar 2006 - 1 StR 456/05 m.w.N.).
43
Die Beweiswürdigung zu einem die Verdeckungsabsicht ausschließenden "Affektübersprung" ist jedoch lückenhaft (nachfolgend aa) und lässt besorgen , dass das Landgericht an die für die Überzeugungsbildung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt hat (nachfolgend bb).
44
aa) Im Zusammenhang mit dem "Affektübersprung" ist lediglich angeführt , dass dieser "in Unkenntnis des tatsächlichen Verlaufs und der (etwaigen) Heftigkeit des Ehestreits nicht sicher auszuschließen" sei; auch der "befriedigende" Geschlechtsverkehr, den der Angeklagte erstmals in der Nacht vom 11. auf den 12. Mai 2002 mit D. hatte, spreche nicht dagegen.
45
Demgegenüber bleiben die gegen eine derart starke affektive Erregung sprechenden Umstände unerörtert. Im Zusammenhang mit der Ablehnung einer erheblich eingeschränkten Schuldfähigkeit ist die Kammer nämlich "zu der Überzeugung gelangt, dass weder die Persönlichkeit des Angeklagten noch die sich aus der Ehesituation möglicherweise ergebenden Konfliktlagen noch besondere tatnahe Umstände und Verhaltensweisen" für eine durch die affektive Belastung hervorgerufenen Bewusstseinsstörung im Sinne von § 21 StGB sprächen. Zudem fehlten sogenannte "konstellative Faktoren" wie etwa der Konsum von Alkohol. Insbesondere sei aber das Nachtatverhalten zu würdigen; neben dem Geschlechtsverkehr führt das Urteil in diesem Zusammenhang die gezielte Beseitigung von Tatspuren, das unauffällige Verhalten bei Kontakt mit Dritten im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit den Taten sowie die gekonnte Darstellung eines Vermisstenfalls an. Hieraus schließt die Kammer auf "eine (beim Angeklagten) zum Tatzeitpunkt vollständig vorhandene Einsichts- und Steuerungsfähigkeit".
46
All diese Umstände können jedoch auch für den vom Landgericht als nicht ausschließbar erachteten "Affektübersprung" relevant sein, ohne dass sie in diesem Zusammenhang allerdings erörtert sind. Dies wäre jedoch geboten gewesen, nachdem das Landgericht dem Zustand affektiver Erregung für die Ablehnung des Mordmerkmals der Verdeckungsabsicht entscheidende Bedeutung beimisst.
47
bb) Darüber hinaus lassen die Ausführungen im Urteil auch besorgen, dass die Kammer überspannte Anforderungen an die Feststellung gestellt hat, der Angeklagte habe J. H. mit Verdeckungsabsicht getötet. Insbesondere gebietet der Zweifelssatz nicht, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten - auch hinsichtlich innerer Tatsachen - zu unterstellen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurt. vom 11. Juli 2006 - 1 StR 188/06 m.w.N.). Das Urteil nennt weder im Zusammenhang mit der Verdeckungsabsicht noch an anderer Stelle Anhaltspunkte, die konkret darauf hinweisen könnten, der Zustand affektiver Erregung habe die Vorstellungen des Angeklagten bei der Tötung von J. H. völlig dominieren können. Das Urteil führt sogar an, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen ein "Affektübersprung" auf Grund des Altersunterschieds zwischen dem Angeklagten und seiner Tochter fern liege. Die Kammer hat sich offensichtlich dieser Wertung angeschlossen; jedenfalls ist Gegenteiliges nicht angeführt. Gleichwohl hat sie sich daran gehindert gesehen, einen solchen "Affektübersprung … sicher" auszuschließen. Dies lässt besorgen , dass sie für die Überzeugungsbildung von der Notwendigkeit einer jede denktheoretische Möglichkeit ausschließenden, von niemandem mehr anzweifelbaren Gewissheit ausgegangen ist (vgl. Schoreit in KK 5. Aufl. § 261 Rdn. 4 m.w.N.).
48
Hinsichtlich der Auswirkung einer affektiven Erregung auf das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht ist - zumal bei uneingeschränkter Schuldfähigkeit - auch zu berücksichtigen, dass eine affektive Erregung ohnehin bei den meisten Tötungsdelikten den Normalfall darstellt (BGH NStZ-RR 2003, 8) und für Verdeckungstötungen sogar typisch ist (vgl. BGH NJW 1999, 1039, 1041). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein solcher Erregungszustand dementsprechend im Regelfall keinen Einfluss auf die Verdeckungsabsicht (vgl. BGH NJW aaO; Urt. vom 15. Januar 2004 - 3 StR 382/03; zusammenfassend Schneider in MünchKomm § 211 Rdn. 187).
49
3. Die Aufhebung der Verurteilung wegen Totschlags an J. H. auf die Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung der deswegen verhängten lebenslangen Einzelfreiheitsstrafe sowie der lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe. Mit der Aufhebung des Schuldspruchs entfällt zugleich die Grundlage für den Strafausspruch. Eine Aufrechterhaltung der wegen der Tötung von J. H. von der Schwurgerichtskammer gemäß § 212 Abs. 2 StGB verhängten lebenslangen Einzelfreiheitsstrafe und der dementsprechenden Gesamtfreiheitsstrafe bei gleichzeitiger Aufhebung des zu Grunde liegenden Schuldspruchs ist nicht möglich (in vergleichbarem Sinne BGHR StPO § 267 Abs. 2 Schuldfähigkeit 1). Ist aber die lebenslange (Gesamt-)Freiheitsstrafe aufzuheben, so ist für die Prüfung der Frage, ob die Kammer zu Recht von der Feststellung besonderer Schuldschwere (§ 57a StGB) abgesehen hat, kein Raum mehr.

IV.

50
Der Senat macht - entsprechend auch den übereinstimmenden Anträgen von Verteidigung und Generalbundesanwalt in der Revisionshauptverhandlung - von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 StPO an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen.

V.

51
Die Revision des Angeklagten hat die Frage aufgeworfen, ob für die Aussagen des Angeklagten bei den Beschuldigtenvernehmungen am 21. März 2003 und 29. August 2005 mangels qualifizierter Belehrungen ein Beweisverwertungsverbot besteht. Diese Frage hätte vor allem dann Gewicht, wenn es aus der Sicht des neuen Tatrichters wiederum auf den Inhalt der in Rede stehenden Aussagen ankommen sollte.
52
1. Eine qualifizierte Belehrung dient in erster Linie der Heilung von Verstößen gegen Belehrungspflichten. War nämlich der Vernommene rechtsfehlerhaft nicht als Beschuldigter belehrt worden und erfolgt bei einer späteren Beschuldigtenvernehmung auch ein Hinweis auf die Unverwertbarkeit seiner früheren Aussage, ist diese frühere Aussage gleichwohl verwertbar, soweit er sie nach dem Hinweis - gegebenenfalls pauschal - bestätigt (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 136 Rdn. 9).
53
2. Dies beantwortet für sich genommen nicht die Frage, ob die nach - allerdings nicht qualifizierter - Beschuldigtenbelehrung gemachten Aussagen verwertbar sind.
54
a) Ist ein Beschuldigter gemäß § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO belehrt, nicht jedoch über die Unverwertbarkeit früherer Aussagen, so hat der Verstoß hinsichtlich der anschließenden Aussage jedenfalls kein Gewicht, das dem Gewicht eines Verstoßes gegen § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO entspräche. Wie der Bundesgerichtshof bereits im Zusammenhang mit anderen in ihrem Gewicht hinter einem Verstoß gegen § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO zurückbleibenden Fehlern der Vernehmenden bei Beschuldigtenvernehmungen entschieden hat, ist dann die Verwertbarkeit der Aussage durch Abwägung im Einzelfall zu ermitteln (vgl. BGHSt 42, 170, 174; NStZ 2006, 236, 237; NStZ-RR 2006, 181, 182 f.). All dies gilt hier entsprechend.
55
b) Bei einer solchen Abwägung wäre insbesondere von Bedeutung, wie gravierend der Verfahrensverstoß war, ob er also in bewusster oder willkürlicher Umgehung der Belehrungspflichten erfolgte, wofür hier nichts spricht (vgl. auch oben II. 3. b. aa). Auf der anderen Seite wäre das Interesse an der Sachaufklärung einzustellen, das von dem - hier massiven - Gewicht der Tat abhängt. Die Annahme eines Verwertungsverbots ist nach alledem - jedenfalls auf der Grundlage der bisher erkennbaren Umstände - fern liegend. VRiBGH Nack ist wegen Urlaubsabwesenheit an der Unterschrift gehindert. Wahl Wahl Boetticher Kolz Graf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 455/08
vom
18. Dezember 2008
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
1. Wird ein Tatverdächtiger zunächst zu Unrecht als Zeuge vernommen, so ist
er wegen des Belehrungsverstoßes (§ 136 Abs. 1 Satz 2 StPO) bei Beginn
der nachfolgenden Vernehmung als Beschuldigter auf die Nichtverwertbarkeit
der früheren Angaben hinzuweisen („qualifizierte“ Belehrung).
2. Unterbleibt die „qualifizierte“ Belehrung, sind trotz rechtzeitigen Widerspruchs
die nach der Belehrung als Beschuldigter gemachten Angaben
nach Maßgabe einer Abwägung im Einzelfall verwertbar.
3. Neben dem in die Abwägung einzubeziehenden Gewicht des Verfahrensverstoßes
und des Sachaufklärungsinteresses ist maßgeblich darauf abzustellen
, ob der Betreffende nach erfolgter Beschuldigtenbelehrung davon
ausgegangen ist, von seinen früheren Angaben nicht mehr abrücken zu
können [im Anschluss an BGH, Urteil vom 3. Juli 2007 – 1 StR 3/07 = StV
2007, 450, 452].
BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 – 4 StR 455/08 – Landgericht Arnsberg
1.
2.
3.
4.
wegen zu 1. bis 3. versuchten schweren Raubes u.a.
zu 4. Beihilfe zum versuchten schweren Raub
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Dezember
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Prof. Dr. Kuckein,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten Sch. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten T. ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin für den Angeklagten C. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten A. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 4. März 2008 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revisionen der Angeklagten T. und C. gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.
Es wird davon abgesehen, diesen Angeklagten die Kosten ihrer Rechtsmittel aufzuerlegen. Jedoch haben sie die durch ihre Rechtsmittel dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten Sch. , T. und C. jeweils des (gemeinschaftlich begangenen) versuchten schweren Raubes, den Angeklagten Sch. darüber hinaus der tateinheitlich begangenen gefährlichen Körperverletzung , für schuldig befunden. Den Angeklagten Sch. hat es zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten T. zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und den Angeklagten C. zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Gegen den Angeklagten A. hat das Landgericht wegen Beihilfe zum (gemeinschaftlich begangenen) versuchten schweren Raub eine Jugendstrafe von einem Jahr verhängt, deren Vollstreckung es zur Bewäh- rung ausgesetzt hat. Ferner hat das Landgericht ein Messer und einen Kabelschlagstock eingezogen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen, mit denen sie beanstandet, dass das Landgericht die Angeklagten nicht auch wegen eines versuchten Tötungsdelikts bzw. der Beteiligung daran für schuldig befunden hat. Die Angeklagten T. und C. rügen mit ihren Revisionen ebenfalls die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Der Angeklagte C. greift insoweit insbesondere die Beweiswürdigung und die Strafzumessung des angefochtenen Urteils an. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg. Dagegen erweisen sich die Revisionen der Angeklagten T. und C. als offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Das Landgericht hat festgestellt:
3
Die Angeklagten Sch. , T. und C. fassten im Verlauf des 30. Mai 2007 den Entschluss, durch einen Überfall auf den Kiosk der Eheleute S. zu Geld zu kommen, um sich anschließend Kokain zu besorgen. Sie vereinbarten, dass ein Messer eingesetzt werden sollte, um damit den Kioskinhaber S. bedrohen zu können. In diesem Zusammenhang forderte der Angeklagte T. den Angeklagten Sch. auf, aus seiner Wohnung ein Messer zu holen, das lang und spitz sein müsse, weil das stark übergewichtige Opfer so dick sei. Dementsprechend holte der Angeklagte Sch. aus seiner Wohnung ein Steakmesser mit 12,5 cm langer, spitz zulaufender und einseitig gezahnt geschliffener Klinge. Sodann rief absprachegemäß der Angeklagte C. den mit ihm befreundeten Angeklagten A. an und bat ihn, mit dem Pkw zu ihnen zu kommen, was A. auch tat. Gemeinsam fuhren sie dann am Kiosk der Eheleute S. vorbei, wobei A. erst zu diesem Zeitpunkt in den Tatplan eingeweiht wurde. Ob dabei auch über das Messer und dessen geplante Verwendung gesprochen wurde, vermochte das Landgericht nicht festzustellen. Der Angeklagte A. stellte den Pkw in der Nähe des vorgesehenen Tatortes ab und verblieb beim Fahrzeug, während die drei anderen Angeklagten auf dem Weg zum Kiosk die konkreten Einzelheiten der bis dahin nur grob geplanten Tat besprachen. Der Angeklagte T. überredete den Angeklagten Sch. , den Kioskbetreiber S. mit dem Messer "in Schach zu halten" und ihm "auf die Ohren zu boxen", falls dieser anfange zu schreien. Der Angeklagte Sch. traf als erster auf den Kioskbetreiber S. , als dieser sich gerade vor seinem Kiosk befand. Kurz bevor der Angeklagte Sch. ihn erreichte, richtete sich S. auf und drehte sich mit dem Oberkörper in Richtung des Angeklagten. Dieser "stach - enthemmt von dem fortdauernden Verlangen nach weiteren Drogen und überrascht und überfordert davon, dass der Geschädigte sich plötzlich in seine Richtung drehte - ungezielt mit nicht erheblichem Kraftaufwand auf den Geschädigten ein. Er fühlte sich dabei 'wie im Film'". Der Stich drang knapp oberhalb der rechten Gesäßhälfte maximal 3 cm in dessen Rücken ein. "Aus Panik und Überforderung mit der Situation" stach der Angeklagte Sch. mindestens drei weitere Male ungezielt auf sein Opfer ein, das blutüberströmt zu Boden sank. S. erlitt eine mindestens 15cm tiefe Stichwunde im Epigastrium mit Penetration des Bauchfells sowie Eröffnung der Bauchhöhle mit linksseitiger Verletzung der Leber, ferner einen ca. 6 cm tiefen Stich in den rechten Brustkorb sowie einen ca. 3 cm tiefen Stich in den linken Unterbauch; er verlor noch am Tatort 1,5 bis 2 Liter Blut. "Bei sämtlichen Stichen hatte der Angeklagte Sch. nicht den Tod des Geschädigten gewollt und nicht billigend in Kauf genommen und auch diese Möglichkeiten nicht in sein Bewusstsein aufgenommen". Während dessen begab sich der Angeklagte T. durch die seitliche Eingangstür in den Kiosk, gefolgt von dem Angeklagten C. . Dabei trafen die Angeklagten auf die Ehefrau des Geschädigten, die auf die Hilferufe ihres Mannes aus ihrem Wohnhaus in den angrenzenden Kiosk geeilt war. Auf ihren Zuruf: "Was wollt ihr hier? Macht, dass ihr rauskommt!" flüchteten beide Angeklagte aus dem Kiosk und rannten mit dem Angeklagten Sch. weg. Der Angeklagte A. hatte das Geschehen aus der Nähe beobachtet. Ihm war bewusst, dass die Ausführung des Raubes gescheitert war. Deshalb rannte er zu seinem Pkw und fuhr davon; er erhielt aber kurz darauf einen Anruf des Angeklagten C. , holte ihn ab und fuhr ihn nach Hause. Der blutüberströmt vor dem Kiosk liegende Geschädigte wurde von der Fahrerin eines vorbeifahrenden Linienbusses bemerkt, die den Notarzt und die Polizei verständigte. Die Stichverletzungen waren nicht unmittelbar lebensbedrohlich.

II.


4
Revision der Staatsanwaltschaft
5
Die Beschwerdeführerin hat schon mit ihren Verfahrensbeschwerden Erfolg. Mit diesen beanstandet sie, dass das Landgericht entgegen den Anträgen der Staatsanwaltschaft die Kriminalbeamten Schu. und B. sowie den Richter am Amtsgericht J. nicht als Zeugen zu den Angaben der Angeklagten C. und A. bei ihren Vernehmungen am 21. Juni 2007 vernommen und diese Angaben auch nicht verwertet hat. Daraus hätte sich ergeben, dass unter den Angeklagten Sch. , T. und C. von vornherein abgesprochen worden war, das mitgeführte Tatmesser gegen den Geschädigten S. einzusetzen, und der Angeklagte A. hiervon auch wusste.
6
Das Landgericht hat insoweit ein Beweiserhebungsverbot angenommen, weil die Polizeibeamten die Angeklagten C. und A. trotz gegen sie bereits bestehenden Tatverdachts als Zeugen vernommen und deshalb nicht ordnungsgemäß nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO belehrt hätten. Auch habe der Kriminalbeamte Schu. den Angeklagten C. im späteren Verlauf der Vernehmung ebenso wie der Ermittlungsrichter die beiden Angeklagten zwar als Beschuldigte belehrt; die Vernehmungspersonen hätten dabei aber den Hinweis auf die Unverwertbarkeit der bei den Vernehmungen als Zeugen gemachten Angaben unterlassen ("qualifizierte" Belehrung; vgl. Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 136 Rdn. 9 m.N.).
7
Die deshalb unterbliebene Beweiserhebung zu den Angaben der Angeklagten C. und A. im Ermittlungsverfahren rügt die Beschwerdeführerin im Ergebnis zu Recht.
8
1. Allerdings ist die Strafkammer zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte C. bereits auf Grund der Auswertung des von ihm noch in der Tatnacht mit dem Mitangeklagten T. geführten SMS-Verkehrs der Tatbeteiligung verdächtig war und er deshalb bereits zu Beginn seiner polizeilichen Vernehmung als Beschuldigter hätte belehrt werden müssen, auch wenn gegen ihn noch kein Ermittlungsverfahren eingeleitet war und er nicht die Stellung eines formell Beschuldigten hatte.
9
a) Zwar begründet nicht jeder Tatverdacht bereits die Beschuldigteneigenschaft mit der Folge einer entsprechenden Belehrungspflicht; vielmehr kommt es auf die Stärke des Tatverdachts an. Es obliegt der Strafverfolgungsbehörde , nach pflichtgemäßer Beurteilung darüber zu befinden, ob ein Tatverdacht sich bereits so verdichtet hat, dass die vernommene Person ernstlich als Täter oder Beteiligter der untersuchten Straftat in Betracht kommt (st. Rspr.; BGHSt 37, 48, 51 f.; 51, 367, 371; Senatsurteil vom 25. Februar 2004 - 4 StR 475/03). Falls der Tatverdacht aber so stark ist, dass die Strafverfolgungsbehörde anderenfalls willkürlich die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums überschreiten würde, ist es verfahrensfehlerhaft, wenn der Betreffende dennoch als Zeuge und nicht als Beschuldigter vernommen wird (vgl. BGHSt aaO).
10
So verhält es sich hier hinsichtlich des Angeklagten C. . Denn aus der Auswertung der SMS-Nachrichten und der Erklärung des C. anlässlich der Durchsuchung am frühen Morgen noch vor Beginn seiner Zeugenvernehmung, er habe die fraglichen SMS-Nachrichten an den Mitangeklagten T. versandt, ergab sich bereits zweifelsfrei, dass außer T. auch der Angeklagte C. am Tatort gewesen war und sie dort gemeinsam hatten Beute machen wollen. Zu Recht hat deshalb das Landgericht – nach Widerspruch – ein Beweiserhebungs - und Verwertungsverbot jedenfalls hinsichtlich der Angaben des Angeklagten C. angenommen, die dieser bei seiner Vernehmung durch den Kriminalbeamten Schu. vor der Beschuldigtenbelehrung als Zeuge gemacht hat (st. Rspr.; BGHSt 38, 214, 224 f.; 47, 172, 173 a.E.). Denn der Verstoß gegen die Belehrungspflicht wurde nicht dadurch geheilt, dass der Angeklagte C. anschließend nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO belehrt wurde und danach erneut aussagte (BGHSt 51, 367, 376 m. Anm. Roxin JR 2008, 16 ff.).
11
b) Daraus folgt jedoch noch nicht ohne Weiteres, dass auch die Angaben , die der Angeklagte C. im Ermittlungsverfahren nach erfolgter Beschuldigtenbelehrung gemacht hat, einem Beweiserhebungs- und Verwertungsverbot unterlagen.
12
aa) Allerdings hätte der Angeklagte C. – was nicht erfolgt ist – bei Beginn der Beschuldigtenvernehmung zusammen mit der Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO darauf hingewiesen werden müssen, dass wegen der bisher unterbliebenen Belehrung als Beschuldigter die vorangehende Zeugenaussage unverwertbar sei (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2007 – 1 StR 3/07, StV 2007, 450, 452, insoweit in BGHSt 51, 367 nicht abgedruckt; ferner BGH, Urteil vom 19. September 2000 – 1 StR 205/00 [der 1. Strafsenat ersichtlich unter Abweichung von seiner Entscheidung BGHSt 22, 129]; Diemer in KK-StPO 6. Aufl. § 136 Rdn. 27 m.w.N.; Gleß in Löwe-Rosenberg StPO 26. Aufl. § 136 Rdn. 106; Lesch in KMR StPO § 136, Rdn. 28; Roxin aaO S. 17; wohl auch Meyer-Goßner aaO § 136 Rdn. 9 m.w.N.).
13
Das Recht zu schweigen und das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen („nemo tenetur“-Grundsatz), gehören zum „Kernstück des von Art. 6 Abs. 1 EMRK garantierten fairen Verfahrens“ (EGMR NJW 2002, 499, 501; JR 2005, 423 m. Anm. Gaede; dazu weiter BGHSt – GS – 42, 139, 151 ff.). Gerade deshalb muss die rechtsstaatliche Ordnung Vorkehrungen in Form einer „qualifizierten“ Belehrung treffen, die verhindert, dass ein Beschuldigter auf sein Aussageverweigerungsrecht nur deshalb verzichtet, weil er möglicherweise glaubt, eine frühere, unter Verstoß gegen die Belehrungspflicht zustande gekommene Selbstbelastung nicht mehr aus der Welt schaffen zu können (Roxin aaO). Zwar ergibt sich ein gewisser Widerspruch insofern, als die Rechtsprechung bislang bei den – schwerer wiegenden – Verstößen nach § 136 a StPO eine solche „qualifizierte“ Belehrung nicht verlangt (vgl. Meyer-Goßner aaO § 136 a Rdn. 30 m.N.); ob daran festzuhalten ist, hat der Senat hier jedoch nicht zu entscheiden.
14
bb) Der Verstoß gegen die Pflicht zur "qualifizierten" Belehrung hat allerdings nicht dasselbe Gewicht wie der Verstoß gegen die Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO. Deshalb ist in einem solchen Fall die Verwertbarkeit der weiteren Aussagen nach erfolgter Beschuldigtenbelehrung nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch Abwägung im Einzelfall zu ermitteln (BGH, Urteil vom 3. Juli 2007 – 1 StR 3/07, StV 2007, 450, 452; krit. dazu Roxin aaO S. 17; Meyer-Goßner aaO § 136 Rdn. 9 a.E.).
15
Bei einer solchen Abwägung ist zum einen auf das Gewicht des Verfahrensverstoßes abzustellen und dabei insbesondere zu berücksichtigen, ob die Vernehmung als Zeuge - wofür hier nichts spricht - in bewusster Umgehung der Belehrungspflichten erfolgt ist; weiter muss das Interesse an der Sachaufklärung Beachtung finden (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2007 aaO; BGHSt 42, 139, 157 [Hörfalle]; 47, 172, 179 f.; BGH NJW 2007, 3138, 3142). Darüber hinaus ist maßgeblich darauf abzustellen, ob sich aus den Umständen des Falles ergibt, dass der Vernommene davon ausgegangen ist, von seinen vor der Beschuldigtenbelehrung gemachten Angaben als Zeuge bei seiner weiteren Vernehmung als Beschuldigter nicht mehr abrücken zu können. Dies wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn sich die Beschuldigtenvernehmung inhaltlich als bloße Wiederholung oder Fortsetzung der in der Zeugenvernehmung gemachten Angaben darstellt. So verhält es sich hier jedoch nicht. Denn der Angeklagte C. hat nach seiner Belehrung als Beschuldigter gerade nicht seine früheren Angaben lediglich im Wesentlichen wiederholt. Er hat auch nicht nur weiterhin – nunmehr allerdings detailliert – die Mitangeklagten Sch. und T. belastet. Vielmehr hat er erstmals auch sich selbst massiv belastende Angaben gemacht, denen zufolge Sch. das Opfer "auf jeden Fall abstechen" sollte und ihm, C. , "absolut klar (war), dass der Mann dabei sterben kann". Angesichts dessen liegt die Annahme eher fern, dass sich der Angeklagte C.
seiner Entscheidungsfreiheit nach ordnungsgemäßer Beschuldigtenbelehrung nicht bewusst war und dass deshalb der ursprüngliche Belehrungsverstoß fortwirkte. Jedenfalls spricht danach die – vom Landgericht unterlassene – Abwägung hier gegen das von der Jugendkammer angenommene Beweiserhebungsund -verwertungsverbot hinsichtlich der nach erfolgter Beschuldigtenbelehrung gemachten Angaben des Angeklagten C. ; das Gericht hätte deshalb den entsprechenden Anträgen der Staatsanwaltschaft auf Vernehmung des Kriminalbeamten Schu. und des Ermittlungsrichters stattgeben müssen.
16
2. Soweit die Beschwerdeführerin die unterbliebene Beweiserhebung und -verwertung hinsichtlich der Angaben des Angeklagten A. beanstandet, die dieser bei seinen Vernehmungen als Zeuge durch den Kriminalbeamten B. am 21. Juni 2006 und nachfolgend als Beschuldigter bei seiner richterlichen Vernehmung am selben Tage gemacht hat, dringt die Rüge schon deshalb durch, weil der vom Landgericht auch insoweit angenommene Belehrungsverstoß nicht vorliegt. Anders als bei dem Angeklagten C. bestand gegen ihn bei seiner zeugenschaftlichen Vernehmung noch kein solcher Verdacht der Beteiligung an dem Überfall auf den Kiosk, dass nach den aufgezeigten Maßstäben der vernehmende Beamte die Grenzen seines Beurteilungsspielraums willkürlich überschritt, indem er den Angeklagten A. nicht von vornherein als Beschuldigten vernahm (vgl. BGH NStZ 2008, 48). Denn bezüglich A. stand selbst nach Auswertung der zwischen den Angeklagten C. und T. ausgewerteten SMS-Nachrichten vom Tattag nur fest, dass er Anschlussinhaber des von dem Angeklagten C. benutzten Mobil-Telefons war. Das allein genügte jedoch nicht, um einen hinreichenden Tatverdacht der Beteiligung an dem Überfall gegen ihn zu begründen. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat, musste der Vernehmungsbeamte auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Strafbarkeit nach § 138 StGB zu einer Beschuldigtenvernehmung übergehen, nachdem der Angeklagte seine Anwesenheit am Tatort eingeräumt hatte. Denn A. hatte weiter angegeben, er habe mit der Sache nichts zu tun haben wollen und habe noch versucht, den Anderen die Tat auszureden. Insoweit war die erfolgte Belehrung nach § 55 StPO durch den Vernehmungsbeamten ausreichend, um den Angeklagten vor einer übereilten, sich selbst belastenden Aussage zu schützen (vgl. BGH aaO). Hinderungsgründe, die der Beweisaufnahme und der Verwertung seiner Angaben im Ermittlungsverfahren entgegengestanden hätten, lagen danach nicht vor.
17
3. Auf der unterbliebenen Beweiserhebung zu den Angaben des Angeklagten C. nach seiner Belehrung als Beschuldigter und denjenigen des Angeklagten A. im Ermittlungsverfahren beruht das angefochtene Urteil (§ 337 StPO). Denn es liegt nahe, dass der Tatrichter, hätte er die Vernehmungspersonen gehört und die betreffenden Angaben der Angeklagten verwertet, sich entgegen der Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil die Überzeugung verschafft hätte, dass es dem Plan der Angeklagten entsprach, dass der Angeklagte Sch. auf den Geschädigten S. auch um den Preis seines Todes einstechen sollte.
18
4. Dringen die Verfahrensbeschwerden der Staatsanwaltschaft somit schon deshalb durch, weil das Landgericht zu Unrecht Angaben der Angeklagten C. und A. im Ermittlungsverfahren für unverwertbar erachtet hat, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob der Auffassung zu folgen ist, dass ein Verwertungsverbot wegen eines Verstoßes gegen die Belehrungspflicht jeweils nur zu Gunsten desjenigen Angeklagten wirkt, demgegenüber der Verstoß begangen wurde, nicht aber auch zu Gunsten von Mitbeschuldigten und Mitangeklagten (so aber BGH NStZ 1994, 595, 596; ebenso BGH wistra 2000, 311, 313; NJW 2002, 1279; zustimmend Diemer aaO § 136 Rdn. 26; Meyer-Goßner aaO § 136 Rdn. 20; a.A. Gleß in Löwe-Rosenberg aaO Rdn. 90 m.w.N.).

III.


19
Revisionen der Angeklagten T. und C.
20
Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen der beiden Beschwerdeführer hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil dieser Angeklagten ergeben. Insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seinen Antragsschriften vom 14. Oktober 2008 nach § 349 Abs. 2 StPO.
Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović Mutzbauer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 3/07
vom
3. Juli 2007
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja (nur I und II 1 bis 3)
Veröffentlichung: ja
____________________________________
Zur Begründung der Beschuldigteneigenschaft durch die Art und Weise einer
Vernehmung (im Anschluss an BGHSt 38, 214).
BGH, Urt. vom 3. Juli 2007 - 1 StR 3/07 - LG Waldshut-Tiengen
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. Juli 2007,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Dr. Graf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers T. R. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin H. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers S. R. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 10. Mai 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen Totschlags an J. H. verurteilt worden ist,
b) im Gesamtstrafenausspruch. 3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Freiburg zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags in zwei Fällen zu lebenslanger Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt; von der Feststellung der besonderen Schuldschwere hat es abgesehen. Opfer der Taten waren seine Ehefrau G. H. und seine Tochter J. H. . Wegen des Totschlags an der Ehefrau hat das Landgericht eine Freiheitsstrafe von elf Jahren verhängt; den Totschlag an der Tochter hat es als besonders schweren Fall bewertet (§ 212 Abs. 2 StGB) und deswegen auf eine lebenslange Freiheitsstrafe erkannt.
2
Der Angeklagte wendet sich mit der auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde gestützten Revision gegen seine Verurteilung. Die Staatsanwaltschaft greift das Urteil mit der zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die Sachrüge gestützten Revision - beschränkt - insoweit an, als der Angeklagte "bezüglich der Tötung seiner Tochter J. H. wegen Totschlags und nicht wegen Mordes verurteilt" und "die besondere Schwere der Schuld nicht festgestellt" worden ist. Beide Rechtsmittel haben Erfolg. Allerdings führt die Revision der Staatsanwaltschaft entgegen ihrem Antrag auch zur Aufhebung der wegen der Tötung von J. H. verhängten Einzelstrafe und damit der Gesamtsstrafe.

I.

3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
Am 9. oder 10. Mai 2002 schlug der Angeklagte im gemeinsamen Wohnanwesen zunächst mehrmals mit großer Kraft einen schweren großflächigen Gegenstand gegen den Kopf seiner Ehefrau G. H. oder stieß - nach Eintritt der Bewusstlosigkeit - ihren Kopf mit großer Kraft gegen einen derartigen Gegenstand. G. H. erlitt drei Schädelbrüche, wobei eine der Frakturen auch durch den ungehemmten Aufprall des Kopfes infolge Bewusstlosigkeit verursacht worden sein kann. Anschließend tötete der Angeklagte in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang seine Tochter J. H. auf eine nicht bekannte Weise. Weitere Einzelheiten des eigentlichen Tathergangs hat das Landgericht nicht feststellen können.
5
Nach den Taten versteckte er die Leichen in einem 30 Kilometer entfernt liegenden Wald, nachdem er ihre Extremitäten mit Paketklebeband fixiert und sie mit Folie und Textilien umwickelt hatte. Mehr als drei Jahre später, am 23. August 2005, wurden die beiden Leichen in skelettiertem Zustand entdeckt.

II.

6
Revision des Angeklagten:
7
Die Revision des Angeklagten hat bereits mit der Verfahrensrüge Erfolg, die Kammer habe bei der Urteilsfindung rechtsfehlerhaft die Zeugenaussagen des Angeklagten am 26. September und 13. November 2002 verwertet, obwohl er als Beschuldigter hätte vernommen und dementsprechend belehrt werden müssen (Verstoß gegen § 136 Abs. 1, § 163a Abs. 4 StPO).
8
1. Der Rüge liegt folgendes Geschehen zugrunde:
9
Der Angeklagte zeigte am 13. Mai 2002 das Verschwinden von Ehefrau und Tochter an. Auf Grund dieser Vermisstenanzeige wurde zunächst lediglich bei der Polizei ein "Vermisstenvorgang" geführt. Der Angeklagte wurde am 13. Mai, 16. Mai, 12. August und 26. September 2002 von Polizeibeamten als Zeuge vernommen. Er wurde - nur - vor der Zeugenvernehmung am 26. September darauf hingewiesen, dass er "bei der Polizei … überhaupt nichts sagen" und jedenfalls "keine Angaben machen brauche(…), die … (ihn) belasten könnten". Bei den Vernehmungen äußerte sich der Angeklagte umfassend zur Sache. Am 4. Oktober 2002 legte die Polizei den Vorgang der Staatsanwaltschaft vor, die am 7. Oktober 2002 ein "Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts eines nichtnatürlichen Todesfalls" einleitete. Am 10. Oktober 2002 erfolgte eine Suchaktion mit Leichensuchhunden mit dem Einverständnis des Angeklagten auf seinem Grundstück einschließlich des Wohnhauses. Am 13. November 2002 sagte der Angeklagte bei der Polizei nochmals ergänzend als Zeuge zur Sache aus, ohne belehrt worden zu sein.
10
Als am 8. März 2003 ein Ledermäppchen mit Plastikkarten der Ehefrau in der Nähe des Anwesens des Angeklagten aufgefunden wurde, leitete die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 10. März 2003 gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen Mordes in zwei Fällen ein. Am 21. März 2003 wurde er als Beschuldigter vernommen; nach Beschuldigtenbelehrung, allerdings ohne dass auf die Nichtverwertbarkeit früherer Aussagen hingewiesen wurde (sog. qualifizierte Belehrung), machte er ergänzende Angaben zur Sache. Weil weitere Ermittlungen keine hinreichend sicheren Erkenntnisse über den Tod oder den Verbleib der beiden Frauen erbrachten, wurde das Verfahren am 3. Juni 2004 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
11
Nachdem die beiden Leichen - die der Ehefrau eingewickelt in einen aus dem gemeinsamen Haushalt stammenden Teppich - entdeckt worden waren, erging nach Wiederaufnahme der Ermittlungen am 26. August 2005 Haftbefehl gegen den Angeklagten, auf Grund dessen seit demselben Tag Untersuchungshaft gegen ihn vollzogen wird. Bei einer Beschuldigtenvernehmung am 29. August 2005 sagte der Angeklagte nach - nicht qualifizierter - Belehrung erneut ergänzend aus.
12
In der Hauptverhandlung, die am 27. Februar 2006 begann, machte der Angeklagte lediglich Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen und zu seinem Lebenslauf; zur Sache ließ er sich nicht ein. Die Verteidigung widersprach rechtzeitig der Verwertung der Aussagen des Angeklagten unter anderem vom 26. September und 13. November 2002, da der Angeklagte als Beschuldigter hätte belehrt werden müssen. Die Schwurgerichtskammer wies den Widerspruch zurück.
13
2. Die Revision macht geltend, dass der Angeklagte bei den Zeugenaussagen vom 26. September und 13. November 2002 aus Sicht der Vernehmungsbeamten "längst" Beschuldigter gewesen sei. Im Zentrum des Revisionsvorbringens steht dabei die Vernehmung am 26. September 2002; die Beschul- digteneigenschaft ergebe sich hier aus den zuvor bei den Ermittlungen gewonnenen Erkenntnissen sowie aus dieser Vernehmung selbst.
14
Zur Zeit der Vernehmung seien die Ehefrau und die Tochter des Angeklagten schon mehr als viereinhalb Monate lang verschwunden gewesen. Von der Polizei eingeleitete umfangreiche Suchmaßnahmen seien erfolglos geblieben. Nach den polizeilichen Erkenntnissen hätten die Vermissten keinen Kontakt zu Verwandten oder Freunden aufgenommen; auf dem Giro- und dem Kreditkartenkonto der Ehefrau seien keine Bewegungen zu verzeichnen gewesen.
15
Die Vernehmung sei von Vorhalten und Fragen geprägt, aus denen hervorgehe , dass der Vernehmungsbeamte "nicht nur im Sinne eines subjektiven 'Gefühls'", sondern "auf der Grundlage des aktuellen Ermittlungsstands einerseits davon überzeugt war, dass G. und J. H. tot waren, und andererseits, dass der Angeklagte mit dem Tod der beiden 'in Zusammenhang' stand". Der Vernehmungsbeamte habe auch zum Ausdruck gebracht, dass er die Angaben des Angeklagten insbesondere insoweit für nicht glaubhaft halte, als dieser Erinnerungsdefizite für die Tage nach dem Verschwinden behauptet habe.
16
3. Die Verwertung der Aussagen des Angeklagten vom 26. September und 13. November 2002 durch das Landgericht ist auf Grund der fehlenden Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2, § 163a Abs. 4 StPO rechtsfehlerhaft. Denn der Angeklagte erlangte mit der Vernehmung am 26. September 2002 und mit der anschließenden Suchmaßnahme auf seinem Anwesen den Status eines Beschuldigten.
17
a) Der § 136 StPO zugrunde liegende Beschuldigtenbegriff vereinigt subjektive und objektive Elemente. Die Beschuldigteneigenschaft setzt - subjektiv - den Verfolgungswillen der Strafverfolgungsbehörde voraus, der sich - objektiv - in einem Willensakt manifestiert (vgl. BGHSt 38, 214, 228; BGH NJW 1997, 1591; Rogall in SK-StPO 41. Lfg. vor § 133 Rdn. 33; vgl. auch § 397 Abs. 1 AO). Wird gegen eine Person ein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, liegt darin ein solcher Willensakt. Andernfalls beurteilt sich dessen Vorliegen danach, wie sich das Verhalten des ermittelnden Beamten nach außen, insbesondere in der Wahrnehmung des davon Betroffenen darstellt (BGHSt aaO). Dabei ist zwischen verschiedenen Ermittlungshandlungen wie folgt zu differenzieren :
18
Strafprozessuale Eingriffsmaßnahmen, die nur gegenüber dem Beschuldigten zulässig sind, sind Handlungen, die ohne weiteres auf den Verfolgungswillen der Strafverfolgungsbehörde schließen lassen (Rogall aaO Rdn. 23). Aber auch Eingriffsmaßnahmen, die an einen Tatverdacht anknüpfen, begründen grundsätzlich die Beschuldigteneigenschaft des von der Maßnahme betroffenen Verdächtigen, weil sie regelmäßig darauf abzielen, gegen diesen wegen einer Straftat strafrechtlich vorzugehen; so liegt die Beschuldigtenstellung des Verdächtigen auf der Hand, wenn eine Durchsuchung nach § 102 StPO dazu dient, für seine Überführung geeignete Beweismittel zu gewinnen (vgl. BGH NJW 1997, 1591, 1592; Hanack in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 136 Rdn. 4). Anders liegt es bei Vernehmungen. Bereits aus §§ 55, 60 Nr. 2 StPO ergibt sich, dass im Strafverfahren auch ein Verdächtiger im Einzelfall als Zeuge vernommen werden darf, ohne dass er über die Beschuldigtenrechte belehrt werden muss (vgl. BGHSt 10, 8, 10; 17, 128, 133; Hanack aaO; Rogall aaO Rdn. 11; ferner BVerfG [Kammer], Beschl. vom 8. Dezember 2005 - 2 BvR 1513/05). Der Vernehmende darf dabei auch die Verdachtslage weiter abklären ; da er mithin nicht gehindert ist, den Vernommenen mit dem Tatverdacht zu konfrontieren, sind hierauf zielende Vorhalte und Fragen nicht zwingend ein hinreichender Beleg dafür, dass der Vernehmende dem Vernommenen als Be- schuldigten gegenübertritt. Der Verfolgungswille kann sich jedoch aus dem Ziel, der Gestaltung und den Begleitumständen der Befragung ergeben.
19
Ergibt sich die Beschuldigteneigenschaft nicht aus einem Willensakt der Strafverfolgungsbehörden, kann - abhängig von der objektiven Stärke des Tatverdachts - unter dem Gesichtspunkt der Umgehung der Beschuldigtenrechte gleichwohl ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO vorliegen. Ob die Strafverfolgungsbehörde einen solchen Grad des Verdachts auf eine strafbare Handlung für gegeben hält, dass sie einen Verdächtigen als Beschuldigten vernimmt, unterliegt ihrer pflichtgemäßen Beurteilung. Im Rahmen der gebotenen sorgfältigen Abwägung aller Umstände des Einzelfalls kommt es dabei darauf an, inwieweit der Tatverdacht auf hinreichend gesicherten Erkenntnissen hinsichtlich Tat und Täter oder lediglich auf kriminalistischer Erfahrung beruht. Falls jedoch der Tatverdacht so stark ist, dass die Strafverfolgungsbehörde andernfalls willkürlich die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums überschreiten würde, ist es verfahrensfehlerhaft, wenn dennoch nicht zur Beschuldigtenvernehmung übergegangen wird (vgl. BGHSt 37, 48, 51 f.; 38, 214, 228; BGH NJW 1994, 2904, 2907; 1996, 2663; 1997, 1591; NStZ-RR 2002, 67 [bei Becker]; 2004, 368; Beschl. vom 25. Februar 2004 - 4 StR 475/03).
20
Andererseits kann der Umstand, dass die Strafverfolgungsbehörde - zumal bei Tötungsdelikten - erst bei einem konkreten und ernsthaften Tatverdacht zur Vernehmung des Verdächtigen als Beschuldigten verpflichtet ist, für ihn auch eine schützende Funktion haben. Denn der Vernommene wird hierdurch nicht vorschnell mit einem Ermittlungsverfahren überzogen, das erhebliche nachteilige Konsequenzen für ihn haben kann.
21
b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist es zwar nicht zu beanstanden, dass Staatsanwaltschaft und Polizei die Verdachtslage dahingehend beurteil- ten, dass noch keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für einen ernsthaften Tatverdacht auf ein Tötungsdelikt des Angeklagten vorhanden waren (nachfolgend aa). Jedoch zeigten die Ermittlungsbeamten bei der Vernehmung am 26. September 2002 und danach ein Verhalten, aus welchem sich für den Angeklagten ergab, dass sie ihm als Beschuldigten begegneten (nachfolgend bb).
22
aa) Nach der dienstlichen Stellungnahme des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft vom 6. März 2006 gingen Staatsanwaltschaft und Polizei bis zum Auffinden des Kartenmäppchens am 8. März 2003 - also bei sämtlichen Zeugenvernehmungen - davon aus, dass "noch keine Tatsachen vorlagen, die einen konkreten und ernsthaften Verdacht gegen den Angeklagten begründet hätten". Diese Beurteilung entsprach dem Stand der Ermittlungen. Denn die Erkenntnisse in dem Vermisstenfall erschöpften sich weitgehend darin, dass G. und J. H. schon längere Zeit - am 26. September 2002 seit mehr als viereinhalb Monaten - "spurlos" verschwunden waren. Dies gilt namentlich für die erfolglosen Suchaktionen, den ausbleibenden Kontakt zu Verwandten und Freunden sowie die fehlenden Kontenbewegungen. Auf der anderen Seite lagen Hinweise vor, die gegen einen Tatverdacht sprachen; so hatten sich etwa Personen bei der Polizei gemeldet, welche die Vermissten noch nach ihrem Verschwinden gesehen haben wollten.
23
Nach alledem durften die Vernehmungsbeamten zunächst davon ausgehen , dass keine gesicherten Erkenntnisse gegeben waren, die einen derart starken Tatverdacht gegen den Angeklagten begründeten, dass die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens von Rechts wegen geboten war. Den Strafverfolgungsbehörden fehlten hinreichende objektive Anhaltspunkte dafür, dass überhaupt Straftaten vorlagen. Allein die Vorstellung, falls sich entsprechende Tatsachen herausstellen sollten, werde in erster Linie gegen den Angeklagten vor- gegangen, begründete nicht dessen Beschuldigtenstellung (vgl. in diesem Sinne BGHSt 49, 29, 31 f.).
24
bb) Neben der Stärke des Tatverdachts ist jedoch auch von Bedeutung, wie sich das Verhalten des Beamten nach außen, auch in der Wahrnehmung des Vernommenen darstellt. Hier folgt der Verfolgungswille aus dem Ziel, der Gestaltung und den Begleitumständen der Vernehmung am 26. September 2002 und der darauf folgenden Suchmaßnahme auf dem Anwesen des Angeklagten :
25
Eine - aus der Sicht des Angeklagten zu beurteilende - Gesamtschau aller relevanten Umstände ergibt, dass die Vernehmung vornehmlich dazu diente, den Angeklagten, von dessen mutmaßlicher Täterschaft sich der Vernehmungsbeamte überzeugt zeigte, zu überführen. In der lediglich von kurzen Pausen unterbrochenen fast zehnstündigen Vernehmung ging es diesem erkennbar insbesondere darum, den Angeklagten mit Ungereimtheiten seines bisherigen Aussageverhaltens und zuletzt direkt mit dem Vorwurf von Tötungsverbrechen zu konfrontieren. Die Gestaltung der Vernehmung lässt erkennen, dass der Vernehmungsbeamte mittels kriminalistischer Taktik einen Tatnachweis ermöglichen oder einen gegebenenfalls erst später möglichen Tatnachweis erleichtern wollte. Die Vernehmung war von Vorhalten und Fragen geprägt , die erkennbar auf "Schwachstellen" in den bisherigen Aussagen zielten und zuletzt in eindringlicher Form auf ein Geständnis hinwirkten:
26
So äußerte der Vernehmungsbeamte schon zu Beginn der Vernehmung, dass nach seiner Überzeugung G. und J. H. tot seien. Noch in einem frühen Stadium erklärte er weiterhin, dass der Angeklagte bereits aus der Belehrung, sich nicht selbst belasten zu müssen, erkennen könne, dass der Vernehmungsbeamte ihm "im Zusammenhang mit dem Verschwinden von Frau und Kind … bis zu einem gewissen Grad Misstrauen entgegenbringe". Der Angeklagte bekundete beispielsweise, schon kurz nachdem Ehefrau und Tochter verschwunden gewesen seien, so "von der Rolle" gewesen zu sein, dass er nunmehr Erinnerungslücken habe, obwohl er zuvor ausgesagt hatte, die Ehe sei zerrüttet gewesen und seine Ehefrau habe schon früher unangekündigt auswärts übernachtet. Daraufhin äußerte der Vernehmungsbeamte, dass er dem Angeklagten insoweit nicht glaube ("ich glaube Ihnen kein Wort"); mit der Geltendmachung von Erinnerungslücken wolle der Angeklagte "nur umgehen, dass … (er) sich eventuell in Widersprüche zu(m) … etwaigen Ermittlungsergebnis verstricken" könnte. Sodann stellte der Vernehmungsbeamte zwar ausdrücklich die vergleichsweise schwache Beweislage heraus, indem er sagte: "Gut, Herr H. , ich kann Ihnen natürlich nicht das Gegenteil (davon) beweisen , dass es bei Ihnen so war. Das kann ich natürlich nicht." Als der Angeklagte auf den nochmaligen Vorhalt, seine Angaben seien nicht glaubhaft, so dass sich die Frage stelle, was er "mit dem Verschwinden von der G. und der J. zu tun" habe, auf diesen Angaben beharrte, äußerte der Vernehmungsbeamte jedoch auch, dass der Angeklagte sich durch sein derzeitiges Aussageverhalten "nur noch verdächtiger" mache. Im weiteren Verlauf hielt der Vernehmungsbeamte - vor dem Hintergrund erheblicher Probleme des Angeklagten mit der Zeugungsfähigkeit - ihm vor, er könnte in einem Streitgespräch mit seiner Ehefrau erfahren haben, dass er nicht der Erzeuger seiner Tochter sei. Um diese den Angeklagten belastende Sachverhaltsvariante "in den Griff (zu) bekommen", forderte er die Entbindung des behandelnden Arztes von der Schweigepflicht, die der Angeklagte auch erteilte. Schließlich wurden die Vorhalte zunehmend eindringlicher (etwa: "Das Gewissen plagt Sie nicht?" oder "Dass Sie uns eventuell sagen, wo die Leichen sind!"). Zuletzt forderte der Vernehmungsbeamte noch die Zustimmung des Angeklagten zu einer Nachschau in seinem Haus und die Abgabe einer Speichelprobe für eine DNA-Analyse; mit beidem erklärte sich dieser einverstanden.
27
Wie bereits ausgeführt (vgl. oben II. 3. a), führen auf den Tatverdacht zielende Vorhalte und Fragen nicht notwendig dazu, dass der Vernommene als Beschuldigter zu belehren ist. Die Vorhalte und Fragen dienten hier jedoch für den Angeklagten erkennbar zum einen dazu, neue Ermittlungsansätze gegen ihn zu gewinnen (Schweigepflichtsentbindung; Nachschau im Haus; DNAAnalyse ) und ein Geständnis von ihm zu erlangen. Zum anderen wollte der Vernehmungsbeamte Widersprüche im Aussageverhalten des Angeklagten aufdecken. So deutet etwa der Vorhalt, der Angeklagte wolle mit der Geltendmachung von Erinnerungslücken "nur umgehen, dass … (er) sich eventuell in Widersprüche zu(m) … etwaigen Ermittlungsergebnis verstricken" könnte, darauf hin, dass es dem Vernehmungsbeamten zu diesem Zeitpunkt, sollte der Angeklagte - wunschgemäß - präzisere Angaben machen, insbesondere auch um die Aufdeckung derartiger Widersprüche zum Zweck eines Tatnachweises ging. Entgegen der bereits erwähnten Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vom 6. März 2006 erfolgte somit die Befragung erkennbar gerade nicht vor dem Hintergrund , "dass ein Angehöriger bei einem Vermisstenfall zu den Umständen des Verschwindens unwahre oder unvollständige Angaben macht, die nichts mit der Verheimlichung eines von ihm selbst begangenen Tötungsdelikt zu tun haben". Unter Berücksichtigung aller Umstände war dieses Vorgehen daher im vorliegenden Fall mit einer Vernehmung des Angeklagten als Zeugen nicht mehr zu vereinbaren.
28
Der Wille der Strafverfolgungsbehörden, gegen den Angeklagten als Beschuldigten vorzugehen, ergibt sich weiterhin aus der Suchmaßnahme kurze Zeit später, zu der der Angeklagte bei der Vernehmung sein Einverständnis erteilt hatte. Am 10. Oktober 2002, noch vor der Vernehmung am 13. November 2002, suchten Ermittlungsbeamte das Anwesen des Angeklagten einschließlich des Wohnhauses mit Leichensuchhunden ab. Der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zufolge sollte die Maßnahme "der Klärung der Frage (dienen), ob die Vermissten eventuell - auf welche Weise auch immer - in dem Anwesen selbst zu Tode gekommen sein könnten". Diese Maßnahme bezweckte daher die Überführung des Angeklagten. Hätte sie nämlich Erfolg gehabt, wären also auf dem Anwesen Leichen oder Leichenteile oder sonstige Hinweise dafür gefunden worden, dass die Vermissten dort zu Tode gekommen sein könnten, wären alle anderen Möglichkeiten als vom Angeklagten begangene Tötungsdelikte kaum ernsthaft in Betracht gekommen. Dies gilt unabhängig davon, ob und wie viele andere Suchaktionen nach dem Verschwinden von G. und J. H. erfolgten. Die Beurteilung durch die Staatsanwaltschaft, dass die Suchmaßnahme am 10. Oktober 2002 "im Erfolgsfall (erst) zu einem Anfangsverdacht (hätte) führen können", ist deshalb nicht vertretbar.
29
c) Der Verstoß gegen die Belehrungspflicht nach § 136 Abs. 1 Satz 2, § 163a Abs. 4 StPO wurde nicht dadurch geheilt, dass der Angeklagte am 21. März 2003 und 29. August 2005 nach ordnungsgemäßer Beschuldigtenbelehrung erneut Angaben machte. Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, ob und inwieweit auch ohne Hinweis auf die Nichtverwertbarkeit der früheren Angaben (sog. qualifizierte Belehrung) eine Heilung der vorausgegangenen fehlerhaften Belehrung in Betracht kommt, wenn der Beschuldigte die Angaben - pauschal - bestätigt (insoweit offen gelassen von BGHSt 47, 172, 175). Denn die Aussagen vom 21. März 2003 und 29. August 2005 waren nur ergänzender Natur; der Angeklagte bestätigte seine früheren Angaben indessen nicht.
30
d) Da die Verteidigung der Verwertung der Aussagen des Angeklagten vom 26. September und 13. November 2002 rechtzeitig widersprochen hat, zog der Verstoß gegen die Pflicht zur Beschuldigtenbelehrung das Verbot einer Verwertung dieser Aussagen zu Beweiszwecken nach sich (st. Rspr. seit BGHSt 38, 214). Allein die Belehrung des Angeklagten dahingehend, bei der Polizei überhaupt nichts sagen zu müssen, und gemäß § 55 Abs. 2, § 163a Abs. 5 StPO dahingehend, jedenfalls keine Angaben machen zu müssen, die ihn belasten könnten, kann in aller Regel die gebotene Belehrung über das vollumfängliche Aussageverweigerungsrecht nicht ersetzen. Hinzu kommt, dass diese Belehrungen - anders als die Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO - keinen Hinweis auf das Recht zur Verteidigerkonsultation enthielten (vgl. in diesem Zusammenhang auch BGHSt 47, 172, 174).
31
4. Auf dem Rechtsfehler beruht das angegriffene Urteil (§ 337 Abs. 1 StPO). Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht anders entschieden hätte, wenn es nicht sämtliche Aussagen des Angeklagten in diesem Verfahren für verwertbar gehalten hätte. Soweit das Landgericht seine Überzeugung von der Schuld unter anderem darauf gestützt hat, dass das Verhalten des Angeklagten nach dem Verschwinden der Opfer nicht nachvollziehbar sei und seine Angaben in dem Verfahren vage und widersprüchlich gewesen oder widerlegt worden seien, hat es nämlich maßgebend auf die Vernehmung am 26. September 2002 Bezug genommen.
32
5. Der aufgezeigte Mangel führt zur Aufhebung des Urteils. Die Sachbeschwerde kann daher auf sich beruhen. Der Senat bemerkt jedoch, dass die Möglichkeit einer nur fahrlässigen Tötung von J. H. , deren ausdrückliche Erörterung die Revision des Angeklagten vermisst, nach der Gesamtschau der Urteilsgründe nicht nahe liegend erscheint.

III.

33
Revision der Staatsanwaltschaft:
34
Die Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht, dass die Schwurgerichtskammer das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht hinsichtlich der Tötung von J. H. verneint hat.
35
1. Dass der Angeklagte seine Tochter nicht in der Absicht tötete, den vorausgegangenen Totschlag an seiner Ehefrau zu verdecken, hat das Landgericht auf zwei - teilweise ineinander greifende - Erwägungen gestützt:
36
a) Zum einen geht es davon aus, die Verdeckungsabsicht hätte hier "zumindest eine gewisse Zeitspanne zwischen der Tötung beider Opfer" vorausgesetzt , "in der sich der Angeklagte unter Abwägung des Für und Wider zur Begehung der weiteren Tat" entschieden hätte. "Anhaltspunkte dafür, dass dem Angeklagten eine ausreichende Zeitspanne für derartige Überlegungen blieb", bestünden aber nicht. Vielmehr sei möglich, dass er sich "in Bruchteilen einer Sekunde" auch zur Tötung seiner Tochter entschlossen habe.
37
b) Zum anderen könne - unabhängig davon - ein sogenannter "Affektübersprung" nicht ausgeschlossen werden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei jedenfalls möglich, dass J. H. während einer heftigen ehelichen Auseinandersetzung anwesend und in diese involviert gewesen sein könnte. Weil sie um die Vorlieben des Angeklagten für pornographische Darstellungen im Internet wusste, sei es dann nahe liegend, dass sie in der für sie extrem belastenden Situation ihre Eltern mit diesem Wissen konfrontiert, sich erstmals in außergewöhnlicher Weise gegen den Vater aufgelehnt und für ihre Mutter Partei ergriffen habe. Möglich sei aber auch, dass sie - mit der Gewalttat des Vaters gegenüber der Mutter konfrontiert - geschrieen und geweint sowie eventuell neben ihrer Angst auch ihre Abscheu gegenüber dessen Verhalten zum Ausdruck gebracht habe. Vor diesem Hintergrund käme ein "Affektübersprung" in Betracht, obwohl der psychiatrische Sachverständige dies unter Hinweis auf den Altersunterschied des Opfers zum Angeklagten für fern liegend erachtet habe. Ein derartiger "Affektübersprung" hätte darauf beruhen können, dass dieser seine Tochter "gleichsam als eine weitere, mit seiner ihn zutiefst kränkenden Ehefrau verbündete ('ebenbürtige') 'Gegnerin' angesehen haben" könnte.
38
2. Schon für sich gesehen hält keine dieser Erwägungen sachlichrechtlicher Überprüfung stand; auf die Frage eines Zusammenspiels der Erwägungen kann es daher nicht ankommen. Die Ausführungen zu den rechtlichen Voraussetzungen der Verdeckungsabsicht zeigen, dass die Kammer insoweit von einem unzutreffenden Maßstab ausgegangen ist (nachfolgend a). Soweit die Kammer annimmt, ein "Affektübersprung" könne nicht ausgeschlossen werden , ist die Beweiswürdigung nicht frei von Rechtsfehlern (nachfolgend b).
39
a) Das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht kann auch bei einem in einer unvorhergesehenen Augenblickssituation spontan gefassten Tötungsentschluss gegeben sein. Die Absicht zur Verdeckung einer anderen Tat erfordert keine Überlegung des Täters im Sinne eines abwägenden Reflektierens über die eigenen Ziele. Vielmehr genügt es, dass er die "Verdeckungslage" gleichsam "auf einen Blick" erfasst (vgl. BGHSt 35, 116; BGH NJW 1999, 1039, 1041; Schneider in MünchKomm § 211 Rdn. 184 ff.; zu dem insoweit gleich zu behandelnden Ausnutzungsbewusstsein beim Mordmerkmal der Heimtücke vgl. Senat NStZ-RR 2005, 264, 265), wobei in der Regel ein vorhandenes gedankliches Mitbewusstsein ausreicht (BGH NJW aaO). Die Auffassung, der Annahme von Verdeckungsabsicht stünde entgegen, dass sich der Angeklagte angesichts der Reaktion seiner Tochter "in Bruchteilen einer Sekunde" auch zu ihrer Tö- tung entschlossen haben könnte, belegt, dass die Kammer von einem unzutreffenden Maßstab ausgegangen ist.
40
b) Der aufgezeigte Mangel wäre im Ergebnis unerheblich, wenn infolge des - von der Kammer als nicht ausschließbar angenommenen - "Affektübersprungs" dem Angeklagten das (gedankliche Mit-)Bewusstsein gefehlt hätte, dass die Tötung seiner Tochter die Aufklärung der Tötung der Ehefrau erschwert , und er nicht in diesem Sinne zielgerichtet gehandelt hätte. Jedoch hält die dieser Annahme zugrunde liegende Beweiswürdigung rechtlicher Überprüfung nicht stand.
41
Die Würdigung der Beweise ist Sache des Tatrichters. Ein Urteil ist jedoch aufzuheben, wenn die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn sie widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt; ferner dann, wenn der Tatrichter an die für die Überzeugungsbildung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen stellt (st. Rspr.; vgl. nur Senat NJW 2002, 2188, 2189; 2006, 1297, 1298; NStZ-RR 2003, 371 LS; 2005, 147 f.).
42
Gegen die Feststellungen zur Tötungsreihenfolge und zur affektbedingten Enthemmung des Angeklagten ist - im Ausgangspunkt - revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Basierend auf einer - noch - tragfähigen Tatsachengrundlage hat die Kammer insoweit namentlich aus dem Zustand der Ehe und dem Verhältnis des Angeklagten zu seiner Tochter sowie den Persönlichkeiten der Eheleute unter Berücksichtigung der hinsichtlich G. H. festgestellten Tötungshandlungen mögliche Schlüsse gezogen; zwingend brauchen diese nicht zu sein (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurt. vom 21. Februar 2006 - 1 StR 456/05 m.w.N.).
43
Die Beweiswürdigung zu einem die Verdeckungsabsicht ausschließenden "Affektübersprung" ist jedoch lückenhaft (nachfolgend aa) und lässt besorgen , dass das Landgericht an die für die Überzeugungsbildung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt hat (nachfolgend bb).
44
aa) Im Zusammenhang mit dem "Affektübersprung" ist lediglich angeführt , dass dieser "in Unkenntnis des tatsächlichen Verlaufs und der (etwaigen) Heftigkeit des Ehestreits nicht sicher auszuschließen" sei; auch der "befriedigende" Geschlechtsverkehr, den der Angeklagte erstmals in der Nacht vom 11. auf den 12. Mai 2002 mit D. hatte, spreche nicht dagegen.
45
Demgegenüber bleiben die gegen eine derart starke affektive Erregung sprechenden Umstände unerörtert. Im Zusammenhang mit der Ablehnung einer erheblich eingeschränkten Schuldfähigkeit ist die Kammer nämlich "zu der Überzeugung gelangt, dass weder die Persönlichkeit des Angeklagten noch die sich aus der Ehesituation möglicherweise ergebenden Konfliktlagen noch besondere tatnahe Umstände und Verhaltensweisen" für eine durch die affektive Belastung hervorgerufenen Bewusstseinsstörung im Sinne von § 21 StGB sprächen. Zudem fehlten sogenannte "konstellative Faktoren" wie etwa der Konsum von Alkohol. Insbesondere sei aber das Nachtatverhalten zu würdigen; neben dem Geschlechtsverkehr führt das Urteil in diesem Zusammenhang die gezielte Beseitigung von Tatspuren, das unauffällige Verhalten bei Kontakt mit Dritten im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit den Taten sowie die gekonnte Darstellung eines Vermisstenfalls an. Hieraus schließt die Kammer auf "eine (beim Angeklagten) zum Tatzeitpunkt vollständig vorhandene Einsichts- und Steuerungsfähigkeit".
46
All diese Umstände können jedoch auch für den vom Landgericht als nicht ausschließbar erachteten "Affektübersprung" relevant sein, ohne dass sie in diesem Zusammenhang allerdings erörtert sind. Dies wäre jedoch geboten gewesen, nachdem das Landgericht dem Zustand affektiver Erregung für die Ablehnung des Mordmerkmals der Verdeckungsabsicht entscheidende Bedeutung beimisst.
47
bb) Darüber hinaus lassen die Ausführungen im Urteil auch besorgen, dass die Kammer überspannte Anforderungen an die Feststellung gestellt hat, der Angeklagte habe J. H. mit Verdeckungsabsicht getötet. Insbesondere gebietet der Zweifelssatz nicht, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten - auch hinsichtlich innerer Tatsachen - zu unterstellen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten Anhaltspunkte erbracht hat (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurt. vom 11. Juli 2006 - 1 StR 188/06 m.w.N.). Das Urteil nennt weder im Zusammenhang mit der Verdeckungsabsicht noch an anderer Stelle Anhaltspunkte, die konkret darauf hinweisen könnten, der Zustand affektiver Erregung habe die Vorstellungen des Angeklagten bei der Tötung von J. H. völlig dominieren können. Das Urteil führt sogar an, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen ein "Affektübersprung" auf Grund des Altersunterschieds zwischen dem Angeklagten und seiner Tochter fern liege. Die Kammer hat sich offensichtlich dieser Wertung angeschlossen; jedenfalls ist Gegenteiliges nicht angeführt. Gleichwohl hat sie sich daran gehindert gesehen, einen solchen "Affektübersprung … sicher" auszuschließen. Dies lässt besorgen , dass sie für die Überzeugungsbildung von der Notwendigkeit einer jede denktheoretische Möglichkeit ausschließenden, von niemandem mehr anzweifelbaren Gewissheit ausgegangen ist (vgl. Schoreit in KK 5. Aufl. § 261 Rdn. 4 m.w.N.).
48
Hinsichtlich der Auswirkung einer affektiven Erregung auf das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht ist - zumal bei uneingeschränkter Schuldfähigkeit - auch zu berücksichtigen, dass eine affektive Erregung ohnehin bei den meisten Tötungsdelikten den Normalfall darstellt (BGH NStZ-RR 2003, 8) und für Verdeckungstötungen sogar typisch ist (vgl. BGH NJW 1999, 1039, 1041). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein solcher Erregungszustand dementsprechend im Regelfall keinen Einfluss auf die Verdeckungsabsicht (vgl. BGH NJW aaO; Urt. vom 15. Januar 2004 - 3 StR 382/03; zusammenfassend Schneider in MünchKomm § 211 Rdn. 187).
49
3. Die Aufhebung der Verurteilung wegen Totschlags an J. H. auf die Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung der deswegen verhängten lebenslangen Einzelfreiheitsstrafe sowie der lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe. Mit der Aufhebung des Schuldspruchs entfällt zugleich die Grundlage für den Strafausspruch. Eine Aufrechterhaltung der wegen der Tötung von J. H. von der Schwurgerichtskammer gemäß § 212 Abs. 2 StGB verhängten lebenslangen Einzelfreiheitsstrafe und der dementsprechenden Gesamtfreiheitsstrafe bei gleichzeitiger Aufhebung des zu Grunde liegenden Schuldspruchs ist nicht möglich (in vergleichbarem Sinne BGHR StPO § 267 Abs. 2 Schuldfähigkeit 1). Ist aber die lebenslange (Gesamt-)Freiheitsstrafe aufzuheben, so ist für die Prüfung der Frage, ob die Kammer zu Recht von der Feststellung besonderer Schuldschwere (§ 57a StGB) abgesehen hat, kein Raum mehr.

IV.

50
Der Senat macht - entsprechend auch den übereinstimmenden Anträgen von Verteidigung und Generalbundesanwalt in der Revisionshauptverhandlung - von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 StPO an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen.

V.

51
Die Revision des Angeklagten hat die Frage aufgeworfen, ob für die Aussagen des Angeklagten bei den Beschuldigtenvernehmungen am 21. März 2003 und 29. August 2005 mangels qualifizierter Belehrungen ein Beweisverwertungsverbot besteht. Diese Frage hätte vor allem dann Gewicht, wenn es aus der Sicht des neuen Tatrichters wiederum auf den Inhalt der in Rede stehenden Aussagen ankommen sollte.
52
1. Eine qualifizierte Belehrung dient in erster Linie der Heilung von Verstößen gegen Belehrungspflichten. War nämlich der Vernommene rechtsfehlerhaft nicht als Beschuldigter belehrt worden und erfolgt bei einer späteren Beschuldigtenvernehmung auch ein Hinweis auf die Unverwertbarkeit seiner früheren Aussage, ist diese frühere Aussage gleichwohl verwertbar, soweit er sie nach dem Hinweis - gegebenenfalls pauschal - bestätigt (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 136 Rdn. 9).
53
2. Dies beantwortet für sich genommen nicht die Frage, ob die nach - allerdings nicht qualifizierter - Beschuldigtenbelehrung gemachten Aussagen verwertbar sind.
54
a) Ist ein Beschuldigter gemäß § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO belehrt, nicht jedoch über die Unverwertbarkeit früherer Aussagen, so hat der Verstoß hinsichtlich der anschließenden Aussage jedenfalls kein Gewicht, das dem Gewicht eines Verstoßes gegen § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO entspräche. Wie der Bundesgerichtshof bereits im Zusammenhang mit anderen in ihrem Gewicht hinter einem Verstoß gegen § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO zurückbleibenden Fehlern der Vernehmenden bei Beschuldigtenvernehmungen entschieden hat, ist dann die Verwertbarkeit der Aussage durch Abwägung im Einzelfall zu ermitteln (vgl. BGHSt 42, 170, 174; NStZ 2006, 236, 237; NStZ-RR 2006, 181, 182 f.). All dies gilt hier entsprechend.
55
b) Bei einer solchen Abwägung wäre insbesondere von Bedeutung, wie gravierend der Verfahrensverstoß war, ob er also in bewusster oder willkürlicher Umgehung der Belehrungspflichten erfolgte, wofür hier nichts spricht (vgl. auch oben II. 3. b. aa). Auf der anderen Seite wäre das Interesse an der Sachaufklärung einzustellen, das von dem - hier massiven - Gewicht der Tat abhängt. Die Annahme eines Verwertungsverbots ist nach alledem - jedenfalls auf der Grundlage der bisher erkennbaren Umstände - fern liegend. VRiBGH Nack ist wegen Urlaubsabwesenheit an der Unterschrift gehindert. Wahl Wahl Boetticher Kolz Graf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 455/08
vom
18. Dezember 2008
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
1. Wird ein Tatverdächtiger zunächst zu Unrecht als Zeuge vernommen, so ist
er wegen des Belehrungsverstoßes (§ 136 Abs. 1 Satz 2 StPO) bei Beginn
der nachfolgenden Vernehmung als Beschuldigter auf die Nichtverwertbarkeit
der früheren Angaben hinzuweisen („qualifizierte“ Belehrung).
2. Unterbleibt die „qualifizierte“ Belehrung, sind trotz rechtzeitigen Widerspruchs
die nach der Belehrung als Beschuldigter gemachten Angaben
nach Maßgabe einer Abwägung im Einzelfall verwertbar.
3. Neben dem in die Abwägung einzubeziehenden Gewicht des Verfahrensverstoßes
und des Sachaufklärungsinteresses ist maßgeblich darauf abzustellen
, ob der Betreffende nach erfolgter Beschuldigtenbelehrung davon
ausgegangen ist, von seinen früheren Angaben nicht mehr abrücken zu
können [im Anschluss an BGH, Urteil vom 3. Juli 2007 – 1 StR 3/07 = StV
2007, 450, 452].
BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 – 4 StR 455/08 – Landgericht Arnsberg
1.
2.
3.
4.
wegen zu 1. bis 3. versuchten schweren Raubes u.a.
zu 4. Beihilfe zum versuchten schweren Raub
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Dezember
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Prof. Dr. Kuckein,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten Sch. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten T. ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin für den Angeklagten C. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten A. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 4. März 2008 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revisionen der Angeklagten T. und C. gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.
Es wird davon abgesehen, diesen Angeklagten die Kosten ihrer Rechtsmittel aufzuerlegen. Jedoch haben sie die durch ihre Rechtsmittel dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten Sch. , T. und C. jeweils des (gemeinschaftlich begangenen) versuchten schweren Raubes, den Angeklagten Sch. darüber hinaus der tateinheitlich begangenen gefährlichen Körperverletzung , für schuldig befunden. Den Angeklagten Sch. hat es zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten T. zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und den Angeklagten C. zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Gegen den Angeklagten A. hat das Landgericht wegen Beihilfe zum (gemeinschaftlich begangenen) versuchten schweren Raub eine Jugendstrafe von einem Jahr verhängt, deren Vollstreckung es zur Bewäh- rung ausgesetzt hat. Ferner hat das Landgericht ein Messer und einen Kabelschlagstock eingezogen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen, mit denen sie beanstandet, dass das Landgericht die Angeklagten nicht auch wegen eines versuchten Tötungsdelikts bzw. der Beteiligung daran für schuldig befunden hat. Die Angeklagten T. und C. rügen mit ihren Revisionen ebenfalls die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Der Angeklagte C. greift insoweit insbesondere die Beweiswürdigung und die Strafzumessung des angefochtenen Urteils an. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben Erfolg. Dagegen erweisen sich die Revisionen der Angeklagten T. und C. als offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Das Landgericht hat festgestellt:
3
Die Angeklagten Sch. , T. und C. fassten im Verlauf des 30. Mai 2007 den Entschluss, durch einen Überfall auf den Kiosk der Eheleute S. zu Geld zu kommen, um sich anschließend Kokain zu besorgen. Sie vereinbarten, dass ein Messer eingesetzt werden sollte, um damit den Kioskinhaber S. bedrohen zu können. In diesem Zusammenhang forderte der Angeklagte T. den Angeklagten Sch. auf, aus seiner Wohnung ein Messer zu holen, das lang und spitz sein müsse, weil das stark übergewichtige Opfer so dick sei. Dementsprechend holte der Angeklagte Sch. aus seiner Wohnung ein Steakmesser mit 12,5 cm langer, spitz zulaufender und einseitig gezahnt geschliffener Klinge. Sodann rief absprachegemäß der Angeklagte C. den mit ihm befreundeten Angeklagten A. an und bat ihn, mit dem Pkw zu ihnen zu kommen, was A. auch tat. Gemeinsam fuhren sie dann am Kiosk der Eheleute S. vorbei, wobei A. erst zu diesem Zeitpunkt in den Tatplan eingeweiht wurde. Ob dabei auch über das Messer und dessen geplante Verwendung gesprochen wurde, vermochte das Landgericht nicht festzustellen. Der Angeklagte A. stellte den Pkw in der Nähe des vorgesehenen Tatortes ab und verblieb beim Fahrzeug, während die drei anderen Angeklagten auf dem Weg zum Kiosk die konkreten Einzelheiten der bis dahin nur grob geplanten Tat besprachen. Der Angeklagte T. überredete den Angeklagten Sch. , den Kioskbetreiber S. mit dem Messer "in Schach zu halten" und ihm "auf die Ohren zu boxen", falls dieser anfange zu schreien. Der Angeklagte Sch. traf als erster auf den Kioskbetreiber S. , als dieser sich gerade vor seinem Kiosk befand. Kurz bevor der Angeklagte Sch. ihn erreichte, richtete sich S. auf und drehte sich mit dem Oberkörper in Richtung des Angeklagten. Dieser "stach - enthemmt von dem fortdauernden Verlangen nach weiteren Drogen und überrascht und überfordert davon, dass der Geschädigte sich plötzlich in seine Richtung drehte - ungezielt mit nicht erheblichem Kraftaufwand auf den Geschädigten ein. Er fühlte sich dabei 'wie im Film'". Der Stich drang knapp oberhalb der rechten Gesäßhälfte maximal 3 cm in dessen Rücken ein. "Aus Panik und Überforderung mit der Situation" stach der Angeklagte Sch. mindestens drei weitere Male ungezielt auf sein Opfer ein, das blutüberströmt zu Boden sank. S. erlitt eine mindestens 15cm tiefe Stichwunde im Epigastrium mit Penetration des Bauchfells sowie Eröffnung der Bauchhöhle mit linksseitiger Verletzung der Leber, ferner einen ca. 6 cm tiefen Stich in den rechten Brustkorb sowie einen ca. 3 cm tiefen Stich in den linken Unterbauch; er verlor noch am Tatort 1,5 bis 2 Liter Blut. "Bei sämtlichen Stichen hatte der Angeklagte Sch. nicht den Tod des Geschädigten gewollt und nicht billigend in Kauf genommen und auch diese Möglichkeiten nicht in sein Bewusstsein aufgenommen". Während dessen begab sich der Angeklagte T. durch die seitliche Eingangstür in den Kiosk, gefolgt von dem Angeklagten C. . Dabei trafen die Angeklagten auf die Ehefrau des Geschädigten, die auf die Hilferufe ihres Mannes aus ihrem Wohnhaus in den angrenzenden Kiosk geeilt war. Auf ihren Zuruf: "Was wollt ihr hier? Macht, dass ihr rauskommt!" flüchteten beide Angeklagte aus dem Kiosk und rannten mit dem Angeklagten Sch. weg. Der Angeklagte A. hatte das Geschehen aus der Nähe beobachtet. Ihm war bewusst, dass die Ausführung des Raubes gescheitert war. Deshalb rannte er zu seinem Pkw und fuhr davon; er erhielt aber kurz darauf einen Anruf des Angeklagten C. , holte ihn ab und fuhr ihn nach Hause. Der blutüberströmt vor dem Kiosk liegende Geschädigte wurde von der Fahrerin eines vorbeifahrenden Linienbusses bemerkt, die den Notarzt und die Polizei verständigte. Die Stichverletzungen waren nicht unmittelbar lebensbedrohlich.

II.


4
Revision der Staatsanwaltschaft
5
Die Beschwerdeführerin hat schon mit ihren Verfahrensbeschwerden Erfolg. Mit diesen beanstandet sie, dass das Landgericht entgegen den Anträgen der Staatsanwaltschaft die Kriminalbeamten Schu. und B. sowie den Richter am Amtsgericht J. nicht als Zeugen zu den Angaben der Angeklagten C. und A. bei ihren Vernehmungen am 21. Juni 2007 vernommen und diese Angaben auch nicht verwertet hat. Daraus hätte sich ergeben, dass unter den Angeklagten Sch. , T. und C. von vornherein abgesprochen worden war, das mitgeführte Tatmesser gegen den Geschädigten S. einzusetzen, und der Angeklagte A. hiervon auch wusste.
6
Das Landgericht hat insoweit ein Beweiserhebungsverbot angenommen, weil die Polizeibeamten die Angeklagten C. und A. trotz gegen sie bereits bestehenden Tatverdachts als Zeugen vernommen und deshalb nicht ordnungsgemäß nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO belehrt hätten. Auch habe der Kriminalbeamte Schu. den Angeklagten C. im späteren Verlauf der Vernehmung ebenso wie der Ermittlungsrichter die beiden Angeklagten zwar als Beschuldigte belehrt; die Vernehmungspersonen hätten dabei aber den Hinweis auf die Unverwertbarkeit der bei den Vernehmungen als Zeugen gemachten Angaben unterlassen ("qualifizierte" Belehrung; vgl. Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 136 Rdn. 9 m.N.).
7
Die deshalb unterbliebene Beweiserhebung zu den Angaben der Angeklagten C. und A. im Ermittlungsverfahren rügt die Beschwerdeführerin im Ergebnis zu Recht.
8
1. Allerdings ist die Strafkammer zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte C. bereits auf Grund der Auswertung des von ihm noch in der Tatnacht mit dem Mitangeklagten T. geführten SMS-Verkehrs der Tatbeteiligung verdächtig war und er deshalb bereits zu Beginn seiner polizeilichen Vernehmung als Beschuldigter hätte belehrt werden müssen, auch wenn gegen ihn noch kein Ermittlungsverfahren eingeleitet war und er nicht die Stellung eines formell Beschuldigten hatte.
9
a) Zwar begründet nicht jeder Tatverdacht bereits die Beschuldigteneigenschaft mit der Folge einer entsprechenden Belehrungspflicht; vielmehr kommt es auf die Stärke des Tatverdachts an. Es obliegt der Strafverfolgungsbehörde , nach pflichtgemäßer Beurteilung darüber zu befinden, ob ein Tatverdacht sich bereits so verdichtet hat, dass die vernommene Person ernstlich als Täter oder Beteiligter der untersuchten Straftat in Betracht kommt (st. Rspr.; BGHSt 37, 48, 51 f.; 51, 367, 371; Senatsurteil vom 25. Februar 2004 - 4 StR 475/03). Falls der Tatverdacht aber so stark ist, dass die Strafverfolgungsbehörde anderenfalls willkürlich die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums überschreiten würde, ist es verfahrensfehlerhaft, wenn der Betreffende dennoch als Zeuge und nicht als Beschuldigter vernommen wird (vgl. BGHSt aaO).
10
So verhält es sich hier hinsichtlich des Angeklagten C. . Denn aus der Auswertung der SMS-Nachrichten und der Erklärung des C. anlässlich der Durchsuchung am frühen Morgen noch vor Beginn seiner Zeugenvernehmung, er habe die fraglichen SMS-Nachrichten an den Mitangeklagten T. versandt, ergab sich bereits zweifelsfrei, dass außer T. auch der Angeklagte C. am Tatort gewesen war und sie dort gemeinsam hatten Beute machen wollen. Zu Recht hat deshalb das Landgericht – nach Widerspruch – ein Beweiserhebungs - und Verwertungsverbot jedenfalls hinsichtlich der Angaben des Angeklagten C. angenommen, die dieser bei seiner Vernehmung durch den Kriminalbeamten Schu. vor der Beschuldigtenbelehrung als Zeuge gemacht hat (st. Rspr.; BGHSt 38, 214, 224 f.; 47, 172, 173 a.E.). Denn der Verstoß gegen die Belehrungspflicht wurde nicht dadurch geheilt, dass der Angeklagte C. anschließend nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO belehrt wurde und danach erneut aussagte (BGHSt 51, 367, 376 m. Anm. Roxin JR 2008, 16 ff.).
11
b) Daraus folgt jedoch noch nicht ohne Weiteres, dass auch die Angaben , die der Angeklagte C. im Ermittlungsverfahren nach erfolgter Beschuldigtenbelehrung gemacht hat, einem Beweiserhebungs- und Verwertungsverbot unterlagen.
12
aa) Allerdings hätte der Angeklagte C. – was nicht erfolgt ist – bei Beginn der Beschuldigtenvernehmung zusammen mit der Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO darauf hingewiesen werden müssen, dass wegen der bisher unterbliebenen Belehrung als Beschuldigter die vorangehende Zeugenaussage unverwertbar sei (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2007 – 1 StR 3/07, StV 2007, 450, 452, insoweit in BGHSt 51, 367 nicht abgedruckt; ferner BGH, Urteil vom 19. September 2000 – 1 StR 205/00 [der 1. Strafsenat ersichtlich unter Abweichung von seiner Entscheidung BGHSt 22, 129]; Diemer in KK-StPO 6. Aufl. § 136 Rdn. 27 m.w.N.; Gleß in Löwe-Rosenberg StPO 26. Aufl. § 136 Rdn. 106; Lesch in KMR StPO § 136, Rdn. 28; Roxin aaO S. 17; wohl auch Meyer-Goßner aaO § 136 Rdn. 9 m.w.N.).
13
Das Recht zu schweigen und das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen („nemo tenetur“-Grundsatz), gehören zum „Kernstück des von Art. 6 Abs. 1 EMRK garantierten fairen Verfahrens“ (EGMR NJW 2002, 499, 501; JR 2005, 423 m. Anm. Gaede; dazu weiter BGHSt – GS – 42, 139, 151 ff.). Gerade deshalb muss die rechtsstaatliche Ordnung Vorkehrungen in Form einer „qualifizierten“ Belehrung treffen, die verhindert, dass ein Beschuldigter auf sein Aussageverweigerungsrecht nur deshalb verzichtet, weil er möglicherweise glaubt, eine frühere, unter Verstoß gegen die Belehrungspflicht zustande gekommene Selbstbelastung nicht mehr aus der Welt schaffen zu können (Roxin aaO). Zwar ergibt sich ein gewisser Widerspruch insofern, als die Rechtsprechung bislang bei den – schwerer wiegenden – Verstößen nach § 136 a StPO eine solche „qualifizierte“ Belehrung nicht verlangt (vgl. Meyer-Goßner aaO § 136 a Rdn. 30 m.N.); ob daran festzuhalten ist, hat der Senat hier jedoch nicht zu entscheiden.
14
bb) Der Verstoß gegen die Pflicht zur "qualifizierten" Belehrung hat allerdings nicht dasselbe Gewicht wie der Verstoß gegen die Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO. Deshalb ist in einem solchen Fall die Verwertbarkeit der weiteren Aussagen nach erfolgter Beschuldigtenbelehrung nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch Abwägung im Einzelfall zu ermitteln (BGH, Urteil vom 3. Juli 2007 – 1 StR 3/07, StV 2007, 450, 452; krit. dazu Roxin aaO S. 17; Meyer-Goßner aaO § 136 Rdn. 9 a.E.).
15
Bei einer solchen Abwägung ist zum einen auf das Gewicht des Verfahrensverstoßes abzustellen und dabei insbesondere zu berücksichtigen, ob die Vernehmung als Zeuge - wofür hier nichts spricht - in bewusster Umgehung der Belehrungspflichten erfolgt ist; weiter muss das Interesse an der Sachaufklärung Beachtung finden (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2007 aaO; BGHSt 42, 139, 157 [Hörfalle]; 47, 172, 179 f.; BGH NJW 2007, 3138, 3142). Darüber hinaus ist maßgeblich darauf abzustellen, ob sich aus den Umständen des Falles ergibt, dass der Vernommene davon ausgegangen ist, von seinen vor der Beschuldigtenbelehrung gemachten Angaben als Zeuge bei seiner weiteren Vernehmung als Beschuldigter nicht mehr abrücken zu können. Dies wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn sich die Beschuldigtenvernehmung inhaltlich als bloße Wiederholung oder Fortsetzung der in der Zeugenvernehmung gemachten Angaben darstellt. So verhält es sich hier jedoch nicht. Denn der Angeklagte C. hat nach seiner Belehrung als Beschuldigter gerade nicht seine früheren Angaben lediglich im Wesentlichen wiederholt. Er hat auch nicht nur weiterhin – nunmehr allerdings detailliert – die Mitangeklagten Sch. und T. belastet. Vielmehr hat er erstmals auch sich selbst massiv belastende Angaben gemacht, denen zufolge Sch. das Opfer "auf jeden Fall abstechen" sollte und ihm, C. , "absolut klar (war), dass der Mann dabei sterben kann". Angesichts dessen liegt die Annahme eher fern, dass sich der Angeklagte C.
seiner Entscheidungsfreiheit nach ordnungsgemäßer Beschuldigtenbelehrung nicht bewusst war und dass deshalb der ursprüngliche Belehrungsverstoß fortwirkte. Jedenfalls spricht danach die – vom Landgericht unterlassene – Abwägung hier gegen das von der Jugendkammer angenommene Beweiserhebungsund -verwertungsverbot hinsichtlich der nach erfolgter Beschuldigtenbelehrung gemachten Angaben des Angeklagten C. ; das Gericht hätte deshalb den entsprechenden Anträgen der Staatsanwaltschaft auf Vernehmung des Kriminalbeamten Schu. und des Ermittlungsrichters stattgeben müssen.
16
2. Soweit die Beschwerdeführerin die unterbliebene Beweiserhebung und -verwertung hinsichtlich der Angaben des Angeklagten A. beanstandet, die dieser bei seinen Vernehmungen als Zeuge durch den Kriminalbeamten B. am 21. Juni 2006 und nachfolgend als Beschuldigter bei seiner richterlichen Vernehmung am selben Tage gemacht hat, dringt die Rüge schon deshalb durch, weil der vom Landgericht auch insoweit angenommene Belehrungsverstoß nicht vorliegt. Anders als bei dem Angeklagten C. bestand gegen ihn bei seiner zeugenschaftlichen Vernehmung noch kein solcher Verdacht der Beteiligung an dem Überfall auf den Kiosk, dass nach den aufgezeigten Maßstäben der vernehmende Beamte die Grenzen seines Beurteilungsspielraums willkürlich überschritt, indem er den Angeklagten A. nicht von vornherein als Beschuldigten vernahm (vgl. BGH NStZ 2008, 48). Denn bezüglich A. stand selbst nach Auswertung der zwischen den Angeklagten C. und T. ausgewerteten SMS-Nachrichten vom Tattag nur fest, dass er Anschlussinhaber des von dem Angeklagten C. benutzten Mobil-Telefons war. Das allein genügte jedoch nicht, um einen hinreichenden Tatverdacht der Beteiligung an dem Überfall gegen ihn zu begründen. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat, musste der Vernehmungsbeamte auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Strafbarkeit nach § 138 StGB zu einer Beschuldigtenvernehmung übergehen, nachdem der Angeklagte seine Anwesenheit am Tatort eingeräumt hatte. Denn A. hatte weiter angegeben, er habe mit der Sache nichts zu tun haben wollen und habe noch versucht, den Anderen die Tat auszureden. Insoweit war die erfolgte Belehrung nach § 55 StPO durch den Vernehmungsbeamten ausreichend, um den Angeklagten vor einer übereilten, sich selbst belastenden Aussage zu schützen (vgl. BGH aaO). Hinderungsgründe, die der Beweisaufnahme und der Verwertung seiner Angaben im Ermittlungsverfahren entgegengestanden hätten, lagen danach nicht vor.
17
3. Auf der unterbliebenen Beweiserhebung zu den Angaben des Angeklagten C. nach seiner Belehrung als Beschuldigter und denjenigen des Angeklagten A. im Ermittlungsverfahren beruht das angefochtene Urteil (§ 337 StPO). Denn es liegt nahe, dass der Tatrichter, hätte er die Vernehmungspersonen gehört und die betreffenden Angaben der Angeklagten verwertet, sich entgegen der Beweiswürdigung im angefochtenen Urteil die Überzeugung verschafft hätte, dass es dem Plan der Angeklagten entsprach, dass der Angeklagte Sch. auf den Geschädigten S. auch um den Preis seines Todes einstechen sollte.
18
4. Dringen die Verfahrensbeschwerden der Staatsanwaltschaft somit schon deshalb durch, weil das Landgericht zu Unrecht Angaben der Angeklagten C. und A. im Ermittlungsverfahren für unverwertbar erachtet hat, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob der Auffassung zu folgen ist, dass ein Verwertungsverbot wegen eines Verstoßes gegen die Belehrungspflicht jeweils nur zu Gunsten desjenigen Angeklagten wirkt, demgegenüber der Verstoß begangen wurde, nicht aber auch zu Gunsten von Mitbeschuldigten und Mitangeklagten (so aber BGH NStZ 1994, 595, 596; ebenso BGH wistra 2000, 311, 313; NJW 2002, 1279; zustimmend Diemer aaO § 136 Rdn. 26; Meyer-Goßner aaO § 136 Rdn. 20; a.A. Gleß in Löwe-Rosenberg aaO Rdn. 90 m.w.N.).

III.


19
Revisionen der Angeklagten T. und C.
20
Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen der beiden Beschwerdeführer hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil dieser Angeklagten ergeben. Insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seinen Antragsschriften vom 14. Oktober 2008 nach § 349 Abs. 2 StPO.
Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović Mutzbauer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 395/11
vom
2. Mai 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Sitzung vom 2. Mai
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach und
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Bundesanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Trier vom 25. Februar 2011 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes und versuchter Anstiftung zum Mord zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, der die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel ist unbegründet.

I.

2
1. Das Landgericht hat festgestellt:
3
a) Die Vorgeschichte der abgeurteilten Taten gestaltete sich wie folgt: Das Tatopfer K. hatte ein Gehöft in dem abgelegenen Dorf R. betrieben, das Eigentum daran aber verloren und nur ein lebenslanges Wohnrecht zurückbehalten. Das Anwesen hatte früher seinen Eltern gehört, ab dem Jahre 1964 hatte es K. in unrentabler Weise bewirtschaftet, bis es zwangsversteigert werden musste. Später kaufte er es zwar zurück, konnte aber den Kaufpreis nicht aufbringen. Deshalb verkaufte er es an B.
weiter, die dort ein Pflegeheim errichten wollte. K. behielt ein lebenslanges Wohnrecht an einem Zimmer als beschränkt persönliche Dienstbarkeit. In seinem Zimmer hatte er weder fließendes Wasser noch Strom zur Verfügung und lebte in Unrat. Mit B. und allen späteren Mitbewohnern kam es fortlaufend zu Streitigkeiten, weil sich K. nicht mit dem Verlust des Eigentums abfinden konnte. B. wollte deshalb das Anwesen weiterverkaufen , was zunächst scheiterte. Schließlich kauften der Angeklagte und seine Ehefrau C. im Jahre 1987 das Anwesen in der Erwartung, dass es mit K. Ärger geben werde. Sie wollten aber für ihre fünf Schäferhunde und zahlreiche Katzen genügend Platz haben und der Natur nahe sein. K. lehnte ein Angebot von C. S. , ihm sein Wohnrecht abzukaufen , ab.
4
Am 8. Januar 1988 kehrte K. nach der Arbeit und im Anschluss an einen Besuch bei seiner Bekannten J. spät nach Hause zurück und machte sich am Tor der Zufahrt zu schaffen, als der Angeklagte, der auf sein Erscheinen gewartet hatte, in Militärbekleidung mit geladener Selbstladepistole im Hosenbund erschien. Nach kurzem Wortwechsel zog der Angeklagte die Pistole und schoss zweimal mit Tötungsvorsatz auf K. , der aber nur leicht verletzt wurde und in der Dunkelheit fliehen konnte. Der Angeklagte wurde deshalb wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe verurteilt; seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wurde angeordnet. Der Angeklagte konnte aus der Untersuchungshaft fliehen und hielt sich bis zum Eintritt der Vollstreckungsverjährung verborgen. Seine Ehefrau folgte ihm. Während der Flucht wurde ein Abwesenheitspfleger für den Angeklagten bestellt. Seine Mutter vermittelte eine Vermietung des Anwesens an S. F. und deren Lebensgefährten E. W. . Im Zeitraum zwischen November 2001 und April 2002 kehrten der Angeklagte und seine Ehefrau in das Anwesen zurück und bezogen von den Mietern und dem Wohn- rechtsinhaber ungenutzte Räume. Anfangs kam es nicht zu Streitigkeiten mit K. , danach begannen auch wiederum wechselseitige Strafanzeigen.
5
b) Einige Wochen vor dem Auszug der Mieter F. und W. im Juni 2002 aus dem Haus unterbreitete der Angeklagte dem Mieter E. W. das Angebot, ihm 10.000 Euro zu zahlen, wenn er K. töten würde. E. W. lehnte das Ansinnen empört ab, berichtete seiner Lebensgefährtin davon und auch diese wies das Angebot zurück, als der Angeklagte am nächsten Morgen nachfragte. Danach kam es zu Schikanen des Angeklagten gegenüber den Mietern, die schließlich auszogen, ohne eine Strafanzeige zu erstatten.
6
c) Im Sommer 2007 drohte der Angeklagte mit einer Schaufel in der Hand K. mit den Worten, er werde ihm "das Hirn aus dem Kopf schlagen". Später folgten weitere Drohungen. Am 4. September 2007 kam K. gegen 22.30 Uhr nach Hause und stellte sein Auto vor der Einfahrt ab, weil der Angeklagte diese blockiert hatte. Danach wurde K. nicht mehr gesehen. Am 5. September 2007 hatte er einen Arzttermin und war anschließend mit J. verabredet, er erschien aber nicht mehr und ist verschollen.
7
Die Schwurgerichtskammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte K. in der Nacht vom 4. zum 5. September oder am Morgen des 5. September 2007 getötet hat. Anschließend fuhr er nach Überzeugung des Gerichts dessen Auto in das 45 km entfernte C. in Luxemburg und stellte es dort in einer Parkbucht ab. Am Abend des 5. September 2007 wurde das Auto an seinem Abstellort in C. zufällig beschädigt. Die Suche nach dem Halter blieb erfolglos. Nachdem das Auto alsbald nach Verschwinden von K. entdeckt worden war und die Polizei deshalb das Anwesen in R. aufsuchte, verschwanden der Angeklagte und seine Ehefrau am 7. September 2007 plötzlich unter Zurücklassen von Wäsche auf der Leine und unversorgten Haustieren. Nach zwei Wochen kehrten sie zurück und behaupteten , sie seien in Frankreich und Belgien in Urlaub gewesen, wo sie im Auto übernachtet hätten. Die aufwändige weitere Suche der Ermittlungsbehörden nach K. blieb erfolglos.
8
2. Das Landgericht ist im Rahmen seiner Beweiswürdigung davon ausgegangen , dass K. getötet wurde. Er war nach den Feststellungen gesundheitlich kaum beeinträchtigt und nicht depressiv. Für die Annahme eines Todes infolge von Krankheit besteht kein Anlass und für Selbstmord fehlt ein Grund; die Vereinbarung der Termine am 5. September 2007 sprechen nach Auffassung des Tatgerichts dagegen, die Verschollenheit des K. deutet auf ein Tötungsverbrechen hin, zu dessen Realisierung der Angeklagte wiederholt angesetzt und das er angedroht hatte.
9
Von dem Angebot des Angeklagten an E. W. , ihm für die Tötung von K. Geld zu zahlen, hat sich das Landgericht durch Zeugenbeweis überzeugt. Die Annahme, dass K. danach vorsätzlich getötet wurde, hat das Landgericht auf die Umstände seines Verschwindens gestützt. Zu C. , wo sein Fahrzeug gefunden wurde, habe er keine Beziehung gehabt. Das zufällig bald entdeckte Abstellen seines Autos hat das Landgericht als Ablenkungsmanöver bewertet. Es hat sich ferner davon überzeugt, dass der Angeklagte und seine Ehefrau unabhängig davon jedenfalls in C. gesehen worden sind. Der Angeklagte hatte nach Ansicht des Schwurgerichts zudem ein Motiv für die Tötung des unerwünschten Mitbewohners. Die der vollendeten Tötung vorangegangenen Vortaten runden nach seiner Auffassung das Bild ab. Für eine Tatbegehung durch eine andere Person fehle jeder Hinweis. Auch das plötzliche Verschwinden des Angeklagten und seiner Ehefrau am 7. September 2007 sei ein ergänzender Hinweis auf die Täterschaft des Angeklagten. Seine Ehefrau hat das Tatgericht als Täterin ausgeschlossen, unter anderem deshalb, weil sie mit K. ausgekommen war, als der Angeklagte sich wegen des bereits abgeurteilten Tötungsversuchs zunächst in Untersuchungshaft befunden hatte.
10
Der Angeklagte leidet nach den Feststellungen der Schwurgerichtskammer an einer schizotypen Persönlichkeitsstörung. Das begründet nach ihrer Ansicht jedoch kein Eingangsmerkmal im Sinne der §§ 20, 21 StGB.
11
3. Rechtlich hat das Landgericht die Tötung von K. als Mord aus niedrigen Beweggründen bewertet. Vorangegangen war nach seiner Wertung ein fehlgeschlagener Versuch der Anstiftung zum Habgiermord.

II.

12
Der Besetzungseinwand des Angeklagten geht fehl. Der Senat verweist dazu auf seine Urteile vom 11. Januar 2012 - 2 StR 482/11 und 8. Februar 2012 - 2 StR 346/11.

III.

13
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet. Die Verfahrensrügen greifen aus den vom Generalbundesanwalt genannten Gründen nicht durch. Auch die Sachbeschwerde bleibt ohne Erfolg.
14
1. Von dem Versuch der Anstiftung des Mieters E. W. hat sich das Gericht rechtsfehlerfrei überzeugt. Rechtlich ist gegen die Bewertung dieser Tat als fehlgeschlagener Versuch der Anstiftung zum Mord nichts einzuwenden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Mord und Totschlag selbständige Tatbestände. Danach begründen die Mordmerkmale des § 211 Abs. 2 StGB die Strafbarkeit, so dass auf Teilnehmer nur § 28 Abs. 1 StGB anwendbar ist und eine Anwendung von § 28 Abs. 2 StGB ausscheidet. Deshalb kommt es für den Schuldspruch nicht darauf an, wie sich der Tatbeitrag des Teilnehmers in seiner Person darstellt; er ist akzessorisch nach der Haupttat zu verurteilen (vgl. Senat, Urteil vom 12. Januar 2005 - 2 StR 229/04, BGHSt 50, 1, 5). Sollte der Haupttäter aus der Sicht des Angeklagten bei dessen Anstiftungsversuch (§ 30 StGB) gegen Entgelt töten, so hätte bei diesem Habgier vorgelegen. Daher ist der Beteiligungsversuch als versuchte Anstiftung zum Habgiermord zu bewerten.
15
2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen vollendeten Mordes an K. aus niedrigen Beweggründen, nämlich um ihn als missliebigen Mitbewohner zu beseitigen, ist ebenfalls ohne Rechtsfehler erfolgt. Ihr steht nicht entgegen, dass Tatsachenfeststellungen zum eigentlichen Tatgeschehen nicht getroffen werden konnten.
16
a) Die Tatsache, dass der verschollene K. tot ist, wurde im angefochtenen Urteil rechtsfehlerfrei anhand der Gesamtumstände des plötzlichen Verschwindens mit Hilfe von Indizien festgestellt. Der Annahme eines Tötungsverbrechens steht die Tatsache, dass der Ablauf beim eigentlichen Tatgeschehen unbekannt geblieben ist, nicht entgegen, weil für eine vorsätzliche Tötung jede Art der bewussten und gewollten Verursachung des Todes eines anderen Menschen ausreicht.
17
b) Das Tatgericht war auch rechtlich nicht daran gehindert, in einem Ausschlussverfahren, das alle konkret in Frage kommenden Alternativen zurückweist , Rückschlüsse auf die vorsätzliche Verursachung des Todes des Opfers durch den Angeklagten zu ziehen.
18
Dieses methodische Vorgehen ist allerdings nur dann eine tragfähige Grundlage für die Verurteilung wegen eines Tötungsverbrechens und für die Feststellung der Täterschaft des Angeklagten, wenn alle relevanten Alternativen mit einer den Mindestanforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung genügenden Weise abgelehnt werden, wobei ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit genügt, das vernünftige und nicht bloß auf denktheoretische Möglichkeiten gegründete Zweifel nicht zulässt (vgl. Senat, Urteil vom 2. August 1995 - 2 StR 221/94, BGHSt 41, 206, 214; Urteil vom 6. November 1998 - 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16). Die zur richterlichen Überzeugung erforderliche persönliche Gewissheit setzt zudem ausreichende objektive Grundlagen voraus. Deshalb müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer nachvollziehbaren Tatsachengrundlage beruht und dass sich die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht als bloße Vermutung erweist, die nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 1980 - 3 StR 204/80, NStZ 1981, 33; Beschluss vom 26. September 1994 - 5 StR 453/94, StV 1995, 453 f.). Fehlen für die Täterschaft anderer Personen als des Angeklagten hier auch unmittelbar tatbezogene Indizien, so darf selbst eine fernliegende Tatbegehung durch einen Dritten nicht ohne Weiteres außer Betracht gelassen werden. Vielmehr muss auch die Möglichkeit der Täterschaft eines Dritten anhand von Tatsachen ausgeschlossen werden, um den Angeklagten belasten zu können (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 1999 - 1 StR 171/98, NJW 1999, 1562, 1563 f.).
19
Das Landgericht hat alle nach Feststellung des Todes des Verschollenen im konkreten Einzelfall in Betracht kommende Alternativen einer Selbsttötung, eines krankheitsbedingten natürlichen Todes oder der schuldhaften Verursachung des Todes von K. durch eine dritte Person erwogen und diese jeweils mit rechtsfehlerfreien Erwägungen verworfen.
20
Dabei ist insbesondere von Bedeutung, dass der Angeklagte ebenso wie das Tatopfer zur Tatzeit zurückgezogen lebten und kaum soziale Kontakte hatten , ferner dass sie abgeschieden wohnten und bei dieser Sachlage konkrete Hinweise auf die Beteiligung eines Dritten am Verschwinden von K. und an der Verursachung seines Todes fehlen. Nur der Angeklagte hatte wiederholt ein Interesse an der Beseitigung der Person von K. gezeigt und zur Tötung im Jahre 1987 sowie zum Versuch der Anstiftung des Mieters E. W. zum Mord an K. im Jahre 2002 angesetzt. Nachdem die Mieter aus dem Anwesen ausgezogen waren, stand - außer der Ehefrau des Angeklagten - keine weitere Person zur Verfügung, die als Täter entweder aus eigenem Antrieb oder aufgrund einer Anstiftungshandlung des Angeklagten in Frage gekommen wäre (zu den Anforderungen an die Beweiswürdigung hinsichtlich der Alternative eines anderen Auftragsgebers beim Anstiftungsversuch BGH, Urteil vom 4. Dezember 2003 - 5 StR 250/03, NStZ-RR 2004, 116, 117). Die Ehefrau des Angeklagten wurde vom Landgericht mit rechtsfehlerfreier Begründung als Täterin des Tötungsverbrechens im Jahre 2007 ausgeschlossen. Die Möglichkeit, dass eine dritte Person K. getötet und die Leiche beseitigt hat, erweist sich nach allem als eine nur theoretisch denkbare Alternative , welche der tatrichterlichen Überzeugungsbildung von der Täterschaft des Angeklagten bei der vorsätzlichen Tötung von Rechts wegen nicht entgegen steht.
21
c) Die Feststellung eines Mordmerkmals ist rechtsfehlerfrei erfolgt.
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Allerdings setzt dies voraus, dass bei sämtlichen Sachverhaltsvarianten, welche der Tatrichter nach Ausschöpfung aller Beweismittel unter Ausschluss anderweitiger Geschehensabläufe für möglich erachtet, ein Mordmerkmal erfüllt ist (vgl. Senat, Urteil vom 16. Dezember 1998 - 2 StR 340/98, NStZ-RR 1999, 106, 107). Niedrige Beweggründe standen latent hinter dem Gesamtgesche- hen, insbesondere den der vollendeten Tötung vorangegangenen Taten, die auch auf eine Tötung von K. ausgerichtet waren. Das Streben des Angeklagten war über Jahrzehnte hinweg darauf gerichtet, den lästigen Mitbewohner los zu werden. Bei dieser Sachlage ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht dieses - bei theoretisch möglichem Vorliegen vertypter niedriger Beweggründe subsidiäre - Motiv als bestimmenden Handlungsantrieb zur eigentlichen Tatbegehung zu Grunde gelegt hat. Dabei handelt es sich um eine Mindestfeststellung unter Ausschluss aller derjenigen Alternativen, welche hinter dem Anforderungsprofil eines Mordes zurückbleiben würden. Nur denkbare weitere Mordmerkmale, die hinzukommen könnten, wie Heimtücke bei der Art der Tatausführung, die aber nicht feststellbar sind, würden diese Verurteilung ebenfalls nicht ausschließen.
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3. Das Vorliegen eines erheblich verminderten Hemmungsvermögens bei der Tatbegehung (§ 21 StGB) hat das Landgericht rechtsfehlerfrei verneint. Irgendwelche Einflüsse durch Alkohol- oder Drogenkonsum lagen nicht nahe, weil der Angeklagte, soweit es den Urteilsfeststellungen zu entnehmen ist, generell nicht zu solchem Konsum neigte. Die vom Landgericht allgemein festgestellte schizotype Persönlichkeitsstörung genügt nicht zur Annahme des Vorliegens eines Eingangsmerkmals im Sinne der §§ 20, 21 StGB. Ein Anhaltspunkt dafür, dass dies zur Tatzeit in stärkerem Maße dennoch der Fall gewesen sein könnte, ist nicht erkennbar. Bei dieser Sachlage ist es rechtlich nicht zu beanstanden , dass das Landgericht von dem Grundsatz ausgegangen ist, dass gesunde Erwachsene in vollem Umfang schuldfähig sind.
Ernemann Appl Krehl Eschelbach Ott