Bundesgerichtshof Urteil, 09. Apr. 2014 - VIII ZR 107/13

bei uns veröffentlicht am09.04.2014
vorgehend
Amtsgericht Hamburg-Harburg, 645 C 484/09, 20.04.2012
Landgericht Hamburg, 307 S 55/12, 28.03.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 107/13 Verkündet am:
9. April 2014
Ring
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Vorlage einer "frei erfundenen" Vorvermieterbescheinigung stellt eine erhebliche
Verletzung (vor)vertraglicher Pflichten dar, die eine Vertragsfortsetzung für den Vermieter
unzumutbar machen und somit eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann.
Mit dem Wirksamwerden der Enthaftungserklärung des Treuhänders gemäß § 109
Abs. 1 Satz 2 InsO ("Freigabeerklärung") erhält der Mieter die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis
über seine Wohnung zurück. Eine Kündigung des Vermieters ist ab
diesem Zeitpunkt dem Mieter gegenüber auszusprechen (im Anschluss an Senatsurteil
vom 9. Mai 2012 - VIII ZR 327/11, NJW 2012, 2270 Rn. 32).
BGH, Urteil vom 9. April 2014 - VIII ZR 107/13 - LG Hamburg
AG Hamburg-Harburg
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. April 2014 durch den Richter Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Milger sowie
die Richter Dr. Achilles, Dr. Schneider und Kosziol

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Hamburg - Zivilkammer 7 - vom 28. März 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist seit dem 1. April 2007 Mieter einer Wohnung der Beklagten in H. . Vor Abschluss des Mietvertrages erhielt der Kläger von der Verwalterin der Beklagten ein Formular einer so genannten "Vorvermieterbescheinigung". Darin sollte der bisherige Vermieter des Klägers bestätigen, wie lange das Mietverhältnis gedauert habe und ob der Mieter die Kaution und die Miete pünktlich gezahlt habe und seinen sonstigen Verpflichtungen aus dem Mietvertrag nachgekommen sei. Der Kläger gab die Formulare vor Vertragsschluss ausgefüllt zurück. Danach hatte er seit 2003 von einem Herrn B.
eine Wohnung zu einer Miete von 695 € gemietet und seine Pflichten aus dem Mietvertrag stets pünktlich erfüllt.
2
Am 5. November 2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet. Der vom Gericht eingesetzte Treuhänder erklärte mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 die „Freigabe“ des Mietverhältnisses gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO. Mit Schreiben vom 16. September 2010 erklärten die Beklagten gegenüber dem Kläger die fristlose Kündigung des Mietvertrags, weil die Vorvermieterbescheinigung gefälscht ("frei erfunden") gewesen sei. Weder habe der Kläger an der angegebenen Adresse gewohnt noch mit dem genannten Vermieter in dem genannten Zeitraum überhaupt einen Mietvertrag abgeschlossen. Vielmehr sei er in der Zeit vom 16. März 2005 bis 31. März 2007 Mieter einer in einem anderen Stadtteil gelegenen Wohnung der H. Siedlungsgesellschaft gewesen.
3
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch der von den Beklagten im Wege der Widerklage geltend gemachte Räumungsanspruch. Das Amtsgericht hat die Widerklage insoweit abgewiesen, das Landgericht hat auf die Berufung der Beklagten das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und der Räumungsklage stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

4
Die Revision hat Erfolg.

I.

5
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
6
Die fristlose Kündigung der Beklagten vom 16. September 2010 habe das Mietverhältnis der Parteien beendet. Die Kündigung sei - wie geschehen - ungeachtet des noch nicht abgeschlossenen Insolvenzverfahrens gegenüber dem Kläger und nicht gegenüber dem Treuhänder zu erklären gewesen. Denn der Treuhänder habe mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 die "Freigabe" des Mietverhältnisses gemäß § 109 InsO erklärt. Der Meinungsstreit, ob die Enthaftungserklärung des Treuhänders nur zur Folge habe, dass die Masse für die späteren Verbindlichkeiten aus dem Mietvertrag nicht mehr hafte, oder ob darüber hinaus das Mietverhältnis vollständig in die Verfügungs- und Verwaltungsmasse des Mieters zurückfalle, sei im Sinne der letztgenannten Auffassung zu entscheiden. Hierfür spreche insbesondere die Gesetzesbegründung, die von einer Fortsetzung des Mietverhältnisses mit dem Schuldner ausgehe.
7
Die Beklagten seien auch zur fristlosen Kündigung berechtigt gewesen. Aufgrund der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Kläger eine gefälschte Vorvermieterbescheinigung vorgelegt habe. Der Kläger habe im Übrigen auch selbst eingeräumt, dass ihm der in der Bescheinigung genannte Vorvermieter nicht bekannt sei. Es handele sich dabei um eine erhebliche Pflichtverletzung, die die fristlose Kündigung rechtfertige.

II.

8
Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
9
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Kündigung der Beklagten nach der Freigabeerklärung des Treuhänders und dem Ablauf der in § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO bestimmten Frist die Kündigung - wie geschehen - gegenüber dem Kläger zu erklären war.
10
Die Frage, welche Auswirkungen die Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO und der Ablauf der in § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO genannten Frist für das betreffende Wohnraummietverhältnis hat, wird unterschiedlich beurteilt.
11
a) Teilweise wird die Auffassung vertreten, die Bedeutung der Enthaftungserklärung nach § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO beschränke sich darauf, dass die Masse für die nach Ablauf der Kündigungsfrist fällig werdenden Verbindlichkeiten nicht mehr hafte. Das Mietverhältnis bleibe aber weiterhin massebehaftet und der Treuhänder weiterhin Mietvertragspartei, denn § 109 Abs. 1 Satz 2 InsOenthalte keinen Hinweis darauf, dass die Rechtswirkungen des § 80 Abs. 1 InsO mit dem Wirksamwerden der Enthaftungserklärung entfallen sollten (Uhlenbruck/Wegener, InsO, 13. Aufl., § 109 Rn. 22 ff; Eckert, NZM 2006, 803, 806; Cymutta, WuM 2008, 441, 443; Flatow, NZM 2011, 607, 610). Nach dieser Auffassung kann der Vermieter nur durch eine gegenüber dem Treuhänder abgegebene Erklärung wirksam kündigen.
12
b) Nach der Gegenauffassung kann der Vermieter nach dem Wirksamwerden der Erklärung gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO gegenüber dem Mieter selbst kündigen (Kübler/Prütting/Tintelnot, InsO, § 109 Rn. 21; Pape, NZM 2004, 401, 410 f.; Marotzke in Heidelberger Kommentar, InsO, 7. Aufl., § 109 Rn. 16). Die Enthaftungserklärung des Treuhänders bewirke, dass das Mietverhältnis "freigegeben" werde und vollständig der alleinigen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Mieters unterliege (vgl. auch MünchKommInsO/Eckert, 3. Aufl., § 109 Rn. 56 unter Hinweis auf das zu den Auswirkungen des § 35 Abs. 2 InsO ergangene Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. Februar 2012 - IX ZR 75/11, BGHZ 192, 322).
13
c) Der Senat entscheidet die von ihm bisher offen gelassene Frage (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2012 - VIII ZR 327/11, NJW 2012, 2270 Rn. 32) nunmehr im letztgenannten Sinn.
14
Zwar geht die Erklärung des Treuhänders nach dem Wortlaut des § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO lediglich dahin, dass die Masse für künftige Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis nicht mehr hafte. Daraus, dass die Erklärung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO an die Stelle der Kündigung tritt, ergibt sich indes, dass die Zuständigkeit des Verwalters für die weitere Vertragsdurchführung ab diesem Zeitpunkt wieder dem Mieter zufällt, dieser also die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis zurückerhält.
15
Für eine derartige Wirkung der Erklärung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO spricht außerdem, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, die Gesetzesbegründung. Danach dient die Regelung dem Schutz des Wohnraummieters , der seine Wohnung nicht verlieren soll, wenn der Treuhänder das Mietverhältnis nicht fortsetzen will; das Mietverhältnis soll vielmehr nach Ablauf der Kündigungsfrist mit dem Mieter fortgesetzt werden (vgl. BT-Drucks. 14/5680, S. 27). Eine Fortdauer der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Verwalters über den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Erklärung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO hinaus wäre im Übrigen für die Parteien des Mietvertrages um- ständlich und wenig praktikabel und für den Treuhänder mit einem Verwaltungsaufwand verbunden, der sich für die Masse nachteilig auswirken könnte. Denn sämtliche Erklärungen des Vermieters (Abmahnung, Kündigung, Mieterhöhung , Betriebskostenabrechnung) müssten zunächst dem Treuhänder gegenüber erklärt und von diesem an den Mieter weitergeleitet werden. Auch ein Rechtsstreit, etwa eine Klage des Vermieters auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung , müsste gegen den Treuhänder geführt werden, obwohl dieser Prozess allein für die ursprünglichen Mietvertragsparteien von Interesse ist, nicht aber für den Treuhänder oder die Masse.
16
Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass die Mietkaution (beziehungsweise der bedingte Rückgewähranspruch) in die Masse fällt, keine andere Beurteilung. Ein tragfähiger Rückschluss, dass aus diesem Grund von einer fortbestehenden Verfügungsbefugnis des Treuhänders auszugehen sei, ergibt sich daraus nicht. Denn dem Gesetzgeber ging es nicht vorrangig darum, dass die Kaution der Masse zur Verfügung steht. Vielmehr sollte der Mieter davor bewahrt werden, dass der Treuhänder den Mietvertrag kündigt, um die Kaution verwerten zu können (vgl. BT-Drucks. 14/5680, S. 27). Die Frage, ob mit einem Übergang der Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis auch ein (bedingter) Kautionsrückzahlungsanspruch auf den Mieter zurückfällt (bejahend FKInsO /Wegener, 7. Aufl., § 109 Rn. 16; Flatow, aaO; a.A. Hain, ZInsO 2007, 192, 197; Pape, aaO S. 411), bedarf hier deshalb keiner abschließenden Entscheidung.
17
2. Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, dass die Vorlage einer gefälschten oder "frei erfundenen" Vorvermieterbescheinigung eine erhebliche Verletzung (vor)vertraglicher Pflichten darstellt, die eine Vertragsfortset- zung für den Vermieter unzumutbar machen und die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertigen kann.
18
Entgegen der Auffassung der Revision entfällt eine Pflichtverletzung nicht deswegen, weil die in dem Formular über das vorangegangene Mietverhältnis gestellten Fragen unzulässig gewesen wären und es dem Beklagten deshalb freigestanden hätte, insoweit unwahre Angaben zu machen. Fragen nach der Person und Anschrift des Vorvermieters, der Dauer des vorangegangenen Mietverhältnisses und der Erfüllung der mietvertraglichen Pflichten sind - ebenso wie Fragen nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen - grundsätzlich geeignet, sich über die Bonität und Zuverlässigkeit des potentiellen Mieters ein gewisses Bild zu machen; es handelt sich auch nicht um Fragen , die den persönlichen oder intimen Lebensbereich des Mieters betreffen und aus diesem Grund unzulässig sein könnten.
19
Zwar hat der Mieter nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteil vom 30. September 2009 - VIII ZR 238/08, NJW 2010, 1135 Rn. 18 ff.) keinen Anspruch gegen seinen bisherigen Vermieter auf Ausstellung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung. Dies führt entgegen der Auffassung der Revision aber nicht dazu, dass der neue Vermieter vor Abschluss eines Mietvertrages eine diesbezügliche Bescheinigung vom Mietinteressenten nicht erbitten und dieser eine solche Bescheinigung fälschen dürfte.
20
3. Mit Erfolg rügt die Revision indes, dass das Berufungsgericht das unter Beweis gestellte Vorbringen des Klägers, den Beklagten sei bereits im Jahr 2007 bekannt geworden, dass die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung des Vorvermieters gefälscht war, nicht berücksichtigt hat. Dieses Vorbringen ist erheblich , weil in diesem Fall die am 16. September 2010 - also drei Jahre später - ausgesprochene Kündigung möglicherweise nicht mehr innerhalb einer an- gemessenen Frist erfolgt wäre und sie deshalb mit Rücksicht auf Treu und Glauben oder nach § 314 Abs. 3 BGB (vgl. Senatsbeschluss vom 13. April 2010 - VIII ZR 206/09, NZM 2011, 32 Rn. 5) unwirksam sein könnte.

III.

21
Das Urteil des Berufungsgerichts kann mithin keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht entscheidungsreife Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Dr. Frellesen Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Schneider Kosziol
Vorinstanzen:
AG Hamburg-Harburg, Entscheidung vom 20.04.2012 - 645 C 484/09 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 28.03.2013 - 307 S 55/12 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 09. Apr. 2014 - VIII ZR 107/13

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 562 Aufhebung des angefochtenen Urteils


(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 543 Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund


(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vert
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(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn

1.
dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird,
2.
der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder sie unbefugt einem Dritten überlässt oder
3.
der Mieter
a)
für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder
b)
in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
Im Falle des Satzes 1 Nr. 3 ist die Kündigung ausgeschlossen, wenn der Vermieter vorher befriedigt wird. Sie wird unwirksam, wenn sich der Mieter von seiner Schuld durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die Aufrechnung erklärt.

(3) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Dies gilt nicht, wenn

1.
eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht,
2.
die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist oder
3.
der Mieter mit der Entrichtung der Miete im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3 in Verzug ist.

(4) Auf das dem Mieter nach Absatz 2 Nr. 1 zustehende Kündigungsrecht sind die §§ 536b und 536d entsprechend anzuwenden. Ist streitig, ob der Vermieter den Gebrauch der Mietsache rechtzeitig gewährt oder die Abhilfe vor Ablauf der hierzu bestimmten Frist bewirkt hat, so trifft ihn die Beweislast.

(1) Ein Miet- oder Pachtverhältnis über einen unbeweglichen Gegenstand oder über Räume, das der Schuldner als Mieter oder Pächter eingegangen war, kann der Insolvenzverwalter ohne Rücksicht auf die vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung kündigen; die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist. Ist Gegenstand des Mietverhältnisses die Wohnung des Schuldners, so tritt an die Stelle der Kündigung das Recht des Insolvenzverwalters zu erklären, dass Ansprüche, die nach Ablauf der in Satz 1 genannten Frist fällig werden, nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. Kündigt der Verwalter nach Satz 1 oder gibt er die Erklärung nach Satz 2 ab, so kann der andere Teil wegen der vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses oder wegen der Folgen der Erklärung als Insolvenzgläubiger Schadenersatz verlangen.

(2) Waren dem Schuldner der unbewegliche Gegenstand oder die Räume zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens noch nicht überlassen, so kann sowohl der Verwalter als auch der andere Teil vom Vertrag zurücktreten. Tritt der Verwalter zurück, so kann der andere Teil wegen der vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses als Insolvenzgläubiger Schadenersatz verlangen. Jeder Teil hat dem anderen auf dessen Verlangen binnen zwei Wochen zu erklären, ob er vom Vertrag zurücktreten will; unterläßt er dies, so verliert er das Rücktrittsrecht.

(1) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über.

(2) Ein gegen den Schuldner bestehendes Veräußerungsverbot, das nur den Schutz bestimmter Personen bezweckt (§§ 135, 136 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), hat im Verfahren keine Wirkung. Die Vorschriften über die Wirkungen einer Pfändung oder einer Beschlagnahme im Wege der Zwangsvollstreckung bleiben unberührt.

(1) Ein Miet- oder Pachtverhältnis über einen unbeweglichen Gegenstand oder über Räume, das der Schuldner als Mieter oder Pächter eingegangen war, kann der Insolvenzverwalter ohne Rücksicht auf die vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung kündigen; die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist. Ist Gegenstand des Mietverhältnisses die Wohnung des Schuldners, so tritt an die Stelle der Kündigung das Recht des Insolvenzverwalters zu erklären, dass Ansprüche, die nach Ablauf der in Satz 1 genannten Frist fällig werden, nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. Kündigt der Verwalter nach Satz 1 oder gibt er die Erklärung nach Satz 2 ab, so kann der andere Teil wegen der vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses oder wegen der Folgen der Erklärung als Insolvenzgläubiger Schadenersatz verlangen.

(2) Waren dem Schuldner der unbewegliche Gegenstand oder die Räume zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens noch nicht überlassen, so kann sowohl der Verwalter als auch der andere Teil vom Vertrag zurücktreten. Tritt der Verwalter zurück, so kann der andere Teil wegen der vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses als Insolvenzgläubiger Schadenersatz verlangen. Jeder Teil hat dem anderen auf dessen Verlangen binnen zwei Wochen zu erklären, ob er vom Vertrag zurücktreten will; unterläßt er dies, so verliert er das Rücktrittsrecht.

(1) Das Insolvenzverfahren erfaßt das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).

(2) Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. § 295a gilt entsprechend. Auf Antrag des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung ordnet das Insolvenzgericht die Unwirksamkeit der Erklärung an.

(3) Der Schuldner hat den Verwalter unverzüglich über die Aufnahme oder Fortführung einer selbständigen Tätigkeit zu informieren. Ersucht der Schuldner den Verwalter um die Freigabe einer solchen Tätigkeit, hat sich der Verwalter unverzüglich, spätestens nach einem Monat zu dem Ersuchen zu erklären.

(4) Die Erklärung des Insolvenzverwalters ist dem Gericht gegenüber anzuzeigen. Das Gericht hat die Erklärung und den Beschluss über ihre Unwirksamkeit öffentlich bekannt zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 75/11
Verkündet am:
9. Februar 2012
Kluckow
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Gibt der Insolvenzverwalter das Vermögen des Schuldners aus einer selbständigen
Tätigkeit frei, können auf die selbständige Tätigkeit bezogene vertragliche
Ansprüche von Gläubigern, die nach dem Zugang der Erklärung beim Schuldner
entstehen, nur gegen den Schuldner und nicht gegen die Masse verfolgt werden.
Versäumt der Insolvenzverwalter nach Verfahrenseröffnung die Kündigung eines
von dem Schuldner begründeten Dauerschuldverhältnisses, trifft ihn eine Schadensersatzpflicht
nur für solche Verbindlichkeiten, die nach dem Zeitpunkt entstehen
, zu dem bei einer frühestmöglichen Kündigungserklärung der Vertrag geendet
hätte.
BGH, Urteil vom 9. Februar 2012 - IX ZR 75/11 - OLG Dresden
LG Leipzig
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. Februar 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die
Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, die Richterin Lohmann und den Richter
Dr. Fischer

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 4. Mai 2011 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 23. Juni 2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittel fallen der Klägerin zur Last.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Beklagte zu 1 ist Verwalter in dem über das Vermögen des K. (nachfolgend: Schuldner) am 20. Januar 2009 eröffneten Insolvenzverfahren.
2
Die Klägerin vermietete dem Schuldner durch Vertrag vom 5./9. März 1998 für eine Miete in Höhe von zuletzt 420,07 € in L. gelegene Räumlichkeiten , in denen der Schuldner eine Autoreparaturwerkstatt betreibt. Am 19. Februar 2009 gab der Beklagte zu 1 durch Erklärung gegenüber dem Schuldner das Vermögen aus dessen freiberuflicher Tätigkeit frei. Von dieser Maßnahme setzte der Beklagte zu 1 das Insolvenzgericht mit Schreiben vom 27. Februar 2009 in Kenntnis.
3
Nachdem die Klägerin wegen rückständiger Miete am 24. September 2009 einen Mahnbescheid gegen den Schuldner erwirkt hatte, unterrichtete sie der Beklagte zu 1 am 8. Oktober 2009 über das gegen den Schuldner eröffnete Insolvenzverfahren. Mit Rücksicht auf die von der Klägerin als Masseverbindlichkeit beanspruchte laufende Miete kündigte der Beklagte zu 1 das Mietverhältnis durch Schreiben vom 16. Oktober 2009 ordentlich sowie hilfsweise außerordentlich. Der Beklagte zu 1 zeigte am 24. Februar 2010 Masseunzulänglichkeit an.
4
Die Klägerin, nach deren Auffassung das Mietverhältnis infolge der Kündigung des Beklagten zu 1 zum 30. Juni 2010 endete, begehrt gegenüber dem Beklagten zu 1 als Insolvenzverwalter die Feststellung der laufenden Miete vom 20. Januar 2009 bis zum 24. Februar 2010 in Höhe von 5.563,38 € als Masseverbindlichkeit sowie die Zahlung der laufenden Miete vom 25. Februar 2010 bis zum 30. Juni 2010 in Höhe von 1.740,28 € als Neumasseverbindlichkeit. Ferner nimmt sie den Beklagten zu 2 persönlich im Wege des Schadensersatzes auf Zahlung der offenen Miete über insgesamt 7.303,73 € in Anspruch.
5
Das Landgericht hat der Klage lediglich dahin stattgegeben, dass der Beklagte zu 1 verpflichtet ist, die Miete für den Zeitraum vom 20. Januar 2009 bis einschließlich 19. Februar 2009 in Höhe von 447,54 € als Altmasseverbindlichkeit gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO festzustellen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass der Beklagte zu 1 verpflichtet ist, an die Klägerin 5.563,38 € zu zahlen, ferner hat es den Beklagten zu 1 ver- urteilt, an die Klägerin die laufende Miete für den Zeitraum vom 25. Februar 2010 bis 30. Juni 2010 in Höhe von 1.740,28 € als Neumasseverbindlichkeit zu bezahlen. Den Beklagten zu 2 hat es verurteilt, an die Klägerin 2.470,72 € zu bezahlen. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Begehren auf Zurückweisung der Berufung der Klägerin weiter.

Entscheidungsgründe:


6
Die Revision ist begründet und führt zur Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.

I.


7
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, zwar fehle für eine Zahlungsklage, die auf die Begleichung von Neumasseverbindlichkeiten gerichtet sei, das Rechtsschutzbedürfnis, wenn eine die Verfahrenskosten deckende Masse nicht vorhanden sei. Diese Feststellung könne vorliegend aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit getroffen werden.
8
In der Sache meint das Berufungsgericht, die Negativerklärung gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO führe nicht dazu, dass Verbindlichkeiten aus einem bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Mietverhältnis für die Zeit nach der Freigabe ohne die Notwendigkeit einer Kündigung ihren Charakter als Masseverbindlichkeiten verlören. Zu dem Vermögen, das aus der Insolvenzmasse ausscheide, gehöre nach dem Wortlaut des § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO lediglich dasjenige Vermögen, das der Schuldner nach Verfahrenseröffnung aufgrund seiner selbständigen Tätigkeit erwerbe. Die Erklärung sei nach ihrem Wortlaut und Regelungszusammenhang nur auf die Zuordnung des Neuerwerbs des Schuldners zu beziehen, gebiete indessen nicht die Herauslösung des vollständigen, der selbständigen Tätigkeit des Schuldners gewidmeten Vermögens. Die Vorschrift des § 35 Abs. 2 InsO wolle verhindern, dass die von dem Schuldner für den Neuerwerb begründeten Verbindlichkeiten aus der Insolvenzmasse zu begleichen seien. Von dieser Zielsetzung sei dagegen nicht die Zuordnung des gesamten der Erwerbstätigkeit gewidmeten Schuldnervermögens gedeckt. Sinn und Zweck der Regelung rechtfertigten nicht, die Insolvenzmasse unabhängig von den Bestimmungen der §§ 108 f InsO von der Haftung für Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen freizustellen. Der Erklärung gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO könne nicht die Wirkung einer Erklärung nach § 109 Abs. 1 InsO zugesprochen werden, weil Empfänger dieser Erklärung der Vermieter sei, der sich auf die Beendigung des Mietverhältnisses einstellen könne. Vor diesem Hintergrund verbleibe es für den Zeitraum vom 20. Januar 2009 bis zum 30. Juni 2010 bei einer Verpflichtung der Masse.
9
Der Anspruch gegen den Beklagten zu 2 auf Zahlung von 2.470,72 € ergebe sich aus § 61 InsO. Der Beklagte zu 2 habe eine Masseverbindlichkeit begründet, weil er es unterlassen habe, von seinem Sonderkündigungsrecht nach § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO Gebrauch zu machen. Da eine Kündigung frühestens zum 30. April 2009 möglich gewesen sei, erstrecke sich die Schadensersatzpflicht auf die danach bis zum Wirksamwerden der ordentlichen Kündigung am 30. Juni 2010 entstandenen Mietzahlungsansprüche.

II.


10
Der rechtlichen Würdigung des Berufungsgerichts kann in der Sache nicht beigetreten werden. Der Klägerin stehen gegen den Beklagten zu 1 aufgrund der von ihm gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO abgegebenen Freigabeerklärung lediglich die von dem Landgericht bis zur Erteilung dieser Erklärung am 19. Februar 2009 zuerkannten Mietforderungen als Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2, § 108 Abs. 1 Satz 1, § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO) zu. Für einen wegen der Nichterfüllung einer Masseverbindlichkeit auf § 61 InsO gestützten Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 2 ist kein Raum.
11
1. Der von der Klägerin gegen den Beklagten zu 1 verfolgte Zahlungsantrag für die Miete vom 25. Februar 2010 bis 30. Juni 2010 als Neumasseverbindlichkeit ist entgegen der Auffassung der Revision zulässig.
12
Nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit ist die Leistungsklage eines Neumassegläubigers (§ 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO) gegen den Insolvenzverwalter unzulässig, wenn er aus der freien Masse nicht befriedigt werden kann, ohne dass daneben die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt sind (BGH, Urteil vom 13. April 2006 - IX ZR 22/05, BGHZ 167, 178 Rn. 25 ff). Das Berufungsgericht vermochte auf der Grundlage des Beklagtenvorbringens nicht festzustellen , dass eine die Verfahrenskosten deckende Masse nicht vorhanden ist. Diese tatbestandliche Feststellung (§ 314 ZPO) ist mangels eines von dem Beklagten zu 1 gestellten Tatbestandsberichtigungsantrags für das Revisionsverfahren bindend (BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 - IX ZR 206/08, WM 2010, 136 Rn. 11).
13
2. Die Klägerin kann nach Abgabe der Erklärung gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO durch den Beklagten zu 1 die gegen den Schuldner im Zeitraum vom 20. Februar 2009 bis 30. Juni 2010 begründeten Mietforderungen nicht als Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 2, § 108 Abs. 1 Satz 1, § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO) verfolgen. Neben der Erklärung nach § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO erforderte die Enthaftung der Masse nicht außerdem die Kündigung des Mietverhältnisses des Schuldners zu der Klägerin durch den Beklagten zu 1.
14
a) Übt der Schuldner als natürliche Person eine selbständige Tätigkeit aus, kann der Insolvenzverwalter gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO erklären, dass Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit des Schuldners nicht zur Insolvenzmasse gehört und Ansprüche aus dieser Tätigkeit nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. Der Gesetzgeber trägt mit dieser Regelung dem Interesse des Schuldners Rechnung, sich durch eine gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit eine neue wirtschaftliche Existenz zu schaffen (BTDrucks. 16/3227, S. 17). Zu diesem Zweck soll dem Schuldner die Möglichkeit eröffnet werden, außerhalb des Insolvenzverfahrens einer selbständigen Tätigkeit nachzugehen. Es handelt sich um eine Art Freigabe des Vermögens, welches der gewerblichen Tätigkeit gewidmet ist, einschließlich der dazu gehörenden Vertragsverhältnisse (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2011 - IX ZB 175/10, WM 2011, 1344 Rn. 7). Das gesetzliche Regelungsmodell geht dahin, einerseits die aus seiner fortgesetzten gewerblichen Tätigkeit erzielten Einkünfte des Schuldners den (Neu-)Gläubigern, die nach Verfahrenseröffnung mit dem Schuldner kontrahiert haben, als selbständige Haftungsmasse zur Verfügung zu stellen und andererseits die Masse des bereits eröffneten Verfahrens von Verbindlichkeiten des Schuldners aus seiner weiteren gewerblichen Tätigkeit freizustellen (BT-Drucks., aaO).
15
b) In Rechtsprechung und Schrifttum wird kontrovers beurteilt, gegen wen nach einer Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters Forderungen aus von dem Schuldner vor Insolvenzeröffnung begründeten und im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit fortgesetzten Dauerschuldverhältnissen geltend gemacht werden können. Teils wird - in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht - angenommen, dass Verbindlichkeiten aus den von dem Schuldner eingegangenen Dauerschuldverhältnissen auch nach einer Freigabeerklärung bis zu einer wirksamen Kündigung durch den Insolvenzverwalter die Masse treffen (Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 35 Rn. 101; HK-InsO/Eickmann, 6. Aufl., § 35 Rn. 59; FK-InsO/Schumacher, 6. Aufl., § 35 Rn. 20; BK-InsO/Amelung/ Wagner, § 35 Rn. 139; Wischemeyer/Schur, ZInsO 2007, 1240, 1242 ff; Gutsche, ZVI 2008, 41, 44 ff; Berger, ZInsO 2008, 1101, 1107; Smid DZWiR 2008, 133, 140 f; Wischemeyer, ZInsO 2009, 937, 942 f; 2009, 2121, 2124 f). Die wohl überwiegende Meinung geht demgegenüber davon aus, dass kraft der Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen ohne die Notwendigkeit weiterer, insbesondere auf eine Vertragskündigung gerichteter Erklärungen des Insolvenzverwalters nur noch gegen den Schuldner und nicht mehr gegen die Masse durchgesetzt werden können (LG Krefeld, NZI 2010, 485 f; ArbG Berlin, ZIP 2010, 1914; HmbKomm-InsO/Lüdtke, 3. Aufl., § 35 Rn. 262, 263; Holzer in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2007, § 35 Rn. 114, 115; Braun/Bäuerle, InsO, 4. Aufl., § 35 Rn. 84; Smid/Leonhardt in Leonhardt/Smid/Zeuner, InsO, 3. Aufl., § 35 Rn. 36; Pannen/Riedemann, NZI 2006, 193, 196; Ahrens, NZI 2007, 622, 624 f; Haarmeyer, ZInsO 2007, 696, 697; Holzer, ZVI 2007, 289, 292; Heinze ZVI 2007, 349, 354 f; Zipperer, ZVI 2007, 541, 542; Ries, ZInsO 2009, 2030, 2033 f; Stiller, ZInsO 2010, 1374 ff).
16
3. Zutreffend ist die zuletzt angeführte Auffassung.
17
a) Bereits den Gesetzesmaterialien ist - wie auch Vertreter der Gegenansicht einräumen (Uhlenbruck/Hirte, aaO) - zu entnehmen, dass Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen, die nach Freigabe der selbständigen Tätigkeit des Schuldners durch den Insolvenzverwalter entstehen, unabhängig von einer Kündigungserklärung nicht mehr dem Insolvenzverfahren unterliegen und auf den Schuldner übergeleitet werden.
18
aa) Der Gesetzgeber hat ausdrücklich angenommen, dass die Freigabe des Vermögens aus der selbständigen Tätigkeit damit verbundene Vertragsverhältnisse einschließt. Diese Rechtsfolge entspricht zudem allein Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung.
19
(1) Die Bestimmung des § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO soll dem Schuldner nach der Vorstellung des Gesetzgebers ermöglichen, im Einverständnis mit dem Insolvenzverwalter eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen oder fortzusetzen. Die Freigabe erstreckt sich folgerichtig auf das Vermögen des Schuldners , das seiner gewerblichen Tätigkeit gewidmet ist, "einschließlich der dazu gehörenden Vertragsverhältnisse" (BT-Drucks., aaO; vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2011, aaO; HmbKomm-InsO/Lüdtke, aaO, § 35 Rn. 262). Die freigabeähnliche Erklärung nach § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO betrifft demnach im Unterschied zu der in § 32 Abs. 3 Satz 1 InsO als zulässig vorausgesetzten echten Freigabe nicht nur einzelne Vermögensgegenstände, sondern eine Gesamtheit von Gegenständen und Werten (BT-Drucks., aaO, S. 26 f). Die Freigabe verwirklicht sich ohne die Notwendigkeit zusätzlicher Erklärungen bereits mit dem Zugang der Freigabeerklärung bei dem Schuldner (Haarmeyer, aaO, S. 697; Ries, aaO, S. 2033; HmbKomm-InsO/Lüdtke, aaO, § 35 Rn. 257). Allein die Erklärung nach § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO zerschneidet das rechtliche Band zwischen der Insolvenzmasse und der durch den Schuldner ausgeübten selbstän- digen Tätigkeit (vgl. Holzer, ZVI 2007, 289, 292; Haarmeyer, aaO) und leitet die der selbständigen Tätigkeit dienenden Vertragsverhältnisse von der Masse auf die Person des Schuldners über (vgl. Zipperer, aaO).
20
(2) Die endgültige Fassung des § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO beruht auf einem Änderungsvorschlag des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages. Im Unterschied zu dem in dem Regierungsentwurf dem Insolvenzverwalter durch das Tatbestandsmerkmal "kann" eingeräumten Ermessen, sich zu einer selbständigen Tätigkeit des Schuldners zu erklären, sieht der Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 1 InsO durch den anstelle von "kann" eingefügten Begriff "hat" nunmehr ausdrücklich vor, dass der Insolvenzverwalter eine Erklärung abgeben muss, ob Vermögen aus einer selbständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört oder nicht. Der Rechtsausschuss befürchtete, im Falle der bloßen Duldung einer selbständigen Tätigkeit durch den sich einer Erklärung enthaltenden Insolvenzverwalter könnten Zweifel hinsichtlich der grundsätzlichen Entstehung von Masseverbindlichkeiten und deren Höhe aufkommen. Durch die Verpflichtung zur Abgabe einer Erklärung soll demgegenüber zweifelsfrei klargestellt werden, ob im Rahmen der selbständigen Tätigkeit des Schuldners begründete Verbindlichkeiten Masseverbindlichkeiten darstellen oder nicht (BT-Drucks. 16/4194, S. 14). Auf diese Weise hat der Gesetzgeber im Zuge seiner Beratung abermals zum Ausdruck gebracht, dass bereits allein der Inhalt der Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters darüber entscheidet, ob aus der selbständigen Tätigkeit des Schuldners weitere Masseverbindlichkeiten erwachsen.
21
bb) Zu Unrecht meint das Berufungsgericht im Anschluss an eine Stellungnahme des Schrifttums (Wischemeyer, ZInsO 2009, 2121, 2124; siehe aber Wischemeyer/Schur, ZInsO 2007, 1240, 1242), der in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers zur Freigabe auch beste- hender Vertragsverhältnisse habe im Wortlaut des § 35 Abs. 2 Satz 1 keinen hinreichenden Ausdruck gefunden.
22
Bei der Auslegung dieser Vorschrift ist zu berücksichtigen, dass die Befugnis des Insolvenzverwalters, einzelne Vermögensbestandteile aus dem Insolvenzbeschlag zu Gunsten des Schuldners freizugeben, seit jeher auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung anerkannt war (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2005 - IX ZR 281/03, BGHZ 163, 32, 34 mwN; BT-Drucks., aaO; Holzer, aaO). Während sich die gewohnheitsrechtlich gebilligte Freigabe auf bestimmte Vermögensgegenstände bezieht (BT-Drucks., aaO), erfasst die Erklärung nach § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO eine Gesamtheit von Gegenständen und Werten (BT-Drucks., aaO, S. 26 f). Da die in § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO geregelte Freigabe im Unterschied zur Freigabe einzelner Vermögensgegenstände umfassender Natur ist, bestehen keine Bedenken, die in § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO gestattete Freigabe von "Vermögen aus einer selbständigen Tätigkeit“ auch auf bestehende Vertragsverhältnisse zu erstrecken (vgl. Stiller, aaO, S. 1375 f).
23
cc) Soweit der Gesetzgeber hinsichtlich der Rechtsfolgen der Freigabeerklärung nach § 35 Abs. 2 Satz 1 die Regelung des § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO anführt (BT-Drucks., aaO, S. 17), kann daraus entgegen Äußerungen des Schrifttums (Uhlenbruck/Hirte, aaO, § 35 Rn. 101; Wischemeyer/Schur, aaO, S. 1242 f; Gutsche, aaO, S. 44 ff) nicht die Notwendigkeit einer zusätzlichen Kündigungserklärung des Insolvenzverwalters zum Zweck der Beendigung von Dauerschuldverhältnissen mit Wirkung für die Masse hergeleitet werden.
24
Durch den Hinweis auf § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO hat der Gesetzgeber lediglich beispielhaft die auch in anderem Zusammenhang bestehende Möglichkeit einer Enthaftung der Insolvenzmasse betont, aber gerade nicht die dort geregelten Kündigungsfristen für verbindlich erklärt. Tatsächlich ergibt sich aus § 35 Abs. 3 Satz 1 und 2 InsO, wonach die Erklärung des Insolvenzverwalters dem Gericht anzuzeigen und von diesem öffentlich bekannt zu machen ist, die Entbehrlichkeit auf eine Vertragsbeendigung gerichteter Kündigungserklärungen. Die Freigabe tritt zwar - wie dargelegt - ohne die Notwendigkeit zusätzlicher Erklärungen bereits mit dem Zugang der Freigabeerklärung bei dem Schuldner ein. Folglich ist die anschließende Veröffentlichung der Freigabeerklärung keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Freigabe und rein deklaratorischer Natur (HmbKomm-InsO/Lüdtke, aaO; § 35 Rn. 268; Haarmeyer, aaO, S. 698). Die Bekanntmachung der Freigabeerklärung erleichtert vielmehr den Nachweis, dass der Verwalter hinsichtlich des Vermögens aus der selbständigen Tätigkeit endgültig und unbedingt auf seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis verzichtet hat, und informiert die Neugläubiger und allgemein den Geschäftsverkehr , dass die Masse nicht für die Verbindlichkeiten aus der selbständigen Tätigkeit des Schuldners haftet (BT-Drucks., aaO). Bei Verfahrensbeteiligten und Dritten können mithin keine Unklarheiten im Zusammenhang mit den durch den Schuldner im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit abgegebenen Erklärungen auftreten (BT-Drucks. 16/4196, aaO). Dient die Bekanntmachung dem Zweck, die Gläubiger zeitnah darüber zu unterrichten, dass die Masse für Verbindlichkeiten des Schuldners aus seiner selbständigen Tätigkeit nicht mehr haftet (Smid/Leonhardt, aaO, § 35 Rn. 44), bedarf es keiner weiteren auf die Beendigung von Vertragsverhältnissen gerichteten Erklärungen des Insolvenzverwalters. Nach Sinn und Zweck der Regelung haben die Anzeige gegenüber dem Insolvenzgericht und die Veröffentlichung unverzüglich zu erfolgen. Verzögerungen können Schadensersatzansprüche des Gläubigers begründen.
25
b) Nur eine solche Auslegung des § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO, derzufolge bereits aufgrund der Freigabeerklärung die mit der selbständigen Tätigkeit in Zusammenhang stehenden Vertragsverhältnisse unter Vermeidung einer Kündigung auf den Schuldner übergehen, trägt den Belangen der Beteiligten angemessen Rechnung und schafft in der gebotenen Klarheit den rechtlichen Rahmen für die Aufnahme oder Fortsetzung einer selbständigen Tätigkeit des Schuldners.
26
aa) Zur Wahrnehmung einer selbständigen Tätigkeit ist der Schuldner auf den Fortbestand bestimmter Dauerschuldverhältnisse wie insbesondere Miet-, Pacht- oder Dienstverträge (vgl. Berger, aaO, S. 1107) zwingend angewiesen. Die Vorschrift des § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO verleiht dem Insolvenzverwalter die Gestaltungsmacht, derartige Dauerschuldverhältnisse, die er im Interesse der Gläubigergemeinschaft zur Verringerung der Masseverbindlichkeiten andernfalls kündigen müsste, zu Gunsten des einer selbständigen Tätigkeit nachgehenden Schuldners freizugeben (Braun/Bäuerle, aaO). Müsste der Insolvenzverwalter die von Gläubigern mit dem Schuldner geschlossenen Verträge zur Verwirklichung einer Enthaftung der Masse kündigen, wäre nicht erklärlich , inwieweit der Schuldner aus diesen Verträgen zum Zweck der Ausübung seiner selbständigen Tätigkeit gegenüber den Vertragspartnern Rechte herleiten könnte. Nach einer wirksamen Kündigung durch den Insolvenzverwalter würden sich die Vertragspartner des Schuldners wegen dessen Insolvenz vielfach nicht entschließen, mit ihm neue Vertragsbeziehungen anzuknüpfen. Damit würden dem Schuldner die für eine Fortführung seiner Tätigkeit unentbehrlichen Betriebsgrundlagen entzogen (HmbKomm-InsO/Lüdtke, aaO, § 35 Rn. 263; Heinze, aaO, S. 354; Stiller, aaO, S. 1375).
27
bb) Die mit der Freigabeerklärung verbundene allgemeine Überleitung der Vertragsverhältnisse von der Masse auf den Schuldner ermöglicht eine klare Abgrenzung der die Masse und der den Schuldner treffenden, aus der selbständigen Tätigkeit herrührenden Verbindlichkeiten. Da die Freigabeerklärung mit dem Zugang an den Schuldner wirksam wird, sind danach entstehende Verbindlichkeiten allein gegen ihn zu verfolgen.
28
(1) Sofern der Insolvenzverwalter das Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit des Schuldners freigibt, können die Neugläubiger, die nach der Freigabeerklärung Forderungen gegen den Schuldner erworben haben, auf die ab diesem Zeitpunkt durch die selbständige Tätigkeit erwirtschafteten Vermögenswerte des Schuldners als eigenständige Haftungsmasse zugreifen. Den Altgläubigern ist hingegen gemäß § 89 InsO eine Vollstreckung in diese Vermögensgegenstände verwehrt (BT-Drucks. 16/3227, S. 17; HmbKomm-InsO/ Lüdtke, aaO, § 35 Rn. 258). Wird dem Schuldner eine selbständige Tätigkeit gestattet, kann überdies - wie der Senat durch Beschluss vom 9. Juni 2011 entschieden hat (IX ZB 175/10, WM 2011, 1344, Rn. 7 ff) - auf Antrag eines Neugläubigers ein auf dieses Vermögen beschränktes zweites Insolvenzverfahren gegen den Schuldner eröffnet werden. Die von dem Schuldner aus der selbständigen Tätigkeit von der Freigabeerklärung an erzielten Einkünfte stehen den Gläubigern, deren Forderungen erst nach der Freigabeerklärung entstanden sind, als Haftungsmasse zur Verfügung (BGH, aaO, Rn. 7). Der Neuerwerb haftet während des eröffneten (Erst-)Verfahrens nur den Neugläubigern, nicht den (Alt-)Insolvenzgläubigern (BGH, aaO, Rn. 11).
29
(2) Mit Rücksicht sowohl auf die Befugnis einer Vollstreckung allein der Neugläubiger in die durch die selbständige Tätigkeit des Schuldners geschaffene Haftungsmasse als auch die Möglichkeit der Eröffnung eines Insolvenzver- fahrens über diese Haftungsmasse im Interesse der Neugläubiger bedarf es einer eindeutigen Abgrenzung, inwieweit Gläubiger ihre Verbindlichkeiten entweder gegen die Altmasse oder den Schuldner beziehungsweise die Masse eines Zweitinsolvenzverfahrens zu verfolgen haben. Die Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters nach § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO ermöglicht die im Interesse der Rechtssicherheit gebotene klare Unterscheidung.
30
Wird dem Schuldner die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit eröffnet, so ist zu berücksichtigen, dass der Schuldner zum Aufbau einer neuen wirtschaftlichen Existenz regelmäßig eine Vielzahl von Verträgen schließen muss. Soweit derartige Verträge, die vor Insolvenzeröffnung vereinbart wurden und mit der Eröffnung nicht in Wegfall geraten sind, im Zuge der selbständigen Tätigkeit von dem Schuldner fortgesetzt werden sollen, kann nicht auf eine klare zeitliche Zäsur verzichtet werden, wann Rechte und Pflichten von der Masse auf den Schuldner übergehen. Da es sich dabei regelmäßig um ein Bündel von Rechtsbeziehungen handelt, wäre es kaum praktikabel, auf die dem Insolvenzverwalter im Rahmen der §§ 103 ff InsO eröffneten, höchst unterschiedlich ausgestalteten Lösungsrechte abzustellen. Bei diesem Verständnis würde § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO weitgehend seiner Funktion beraubt, einen einheitlichen Übergang des der selbständigen Tätigkeit dienenden Vermögens einschließlich der darauf bezogenen Vertragsverhältnisse von der Masse auf den Schuldner zu bewirken. Vielmehr werden Unklarheiten weitgehend vermieden, indem kraft der mit dem Zugang bei dem Schuldner wirksam werdenden Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters sämtliche noch fortbestehenden, der selbständigen Tätigkeit dienenden Vertragsverhältnisse und daraus sich ergebende Verbindlichkeiten auf den Schuldner übergeleitet werden (vgl. Ries, aaO, S. 2033 f). Die Anknüpfung an den Zugang der Freigabeerklärung bei dem Schuldner gestattet insoweit eine eindeutige zeitliche Differenzierung.

31
(3) Würden Vertragsverhältnisse erst nach Ablauf einer Kündigungsfrist auf den Schuldner übergehen, wäre der Insolvenzverwalter zwecks Entlastung der Masse von den zwischenzeitlich entstehenden Verbindlichkeiten gehalten, vor der Freigabe mit dem Schuldner eine Nutzungsvereinbarung zu schließen (vgl. Stiller, aaO, S. 1375). Käme der Schuldner seiner Zahlungspflicht nicht nach und würde im Blick auf seine selbständige Tätigkeit ein weiteres Insolvenzverfahren eröffnet, würde die Erstmasse als Gläubigerin an diesem Verfahren teilnehmen. Dann würde das an die Freigabe der selbständigen Tätigkeit geknüpfte Vertrauen der Neugläubiger beeinträchtigt, nicht in eine Konkurrenz mit Ansprüchen der Altmasse treten zu müssen. Auch diese Verfahrenskomplikation wird vermieden, wenn die Vertragsverhältnisse mit Zugang der Freigabeerklärung auf den Schuldner übergehen.

III.


32
Schadensersatzansprüche der Klägerin aus § 61 InsO wegen der Nichterfüllung einer Masseverbindlichkeit sind gegen den Beklagten zu 2 nicht begründet.
33
1. Die Regelung des § 61 InsO eröffnet zu Gunsten von Vertragsgläubigern einen Schadensersatzanspruch gegen den Insolvenzverwalter, der durch den Abschluss von Verträgen Verbindlichkeiten eingeht, obwohl diese - wie er erkennen kann - aus der Insolvenzmasse nicht voll erfüllt werden können. Die Ersatzpflicht greift auch ein, wenn der Insolvenzverwalter eine rechtlich zulässige Kündigung von Dauerschuldverhältnissen versäumt (HK-InsO/Lohmann, aaO, § 61 Rn. 3; HmbKomm-InsO/Weitzmann, aaO, § 61 Rn. 7). In diesem Fall kommt eine Ersatzpflicht aber nur für die Verbindlichkeiten in Betracht, die nach dem Zeitpunkt entstehen, zu dem bei einer frühestmöglichen Kündigungserklärung der Vertrag geendet hätte (HK-InsO/Lohmann, aaO, § 61 Rn. 8; HmbKomm -InsO/Weitzmann, aaO; Uhlenbruck/Sinz, aaO, § 61 Rn. 6; vgl. auch BGH, Urteil vom 3. April 2003 - IX ZR 101/02, BGHZ 154, 358, 364).
34
2. Im Streitfall ist lediglich die im Zeitraum der Verfahrenseröffnung am 20. Januar 2009 bis zum Wirksamwerden der Freigabeerklärung am 20. Februar 2009 entstandene Mietforderung über 447,54 € als Masseforderung offen geblieben. Der Beklagte zu 2 hätte das Mietverhältnis zu der Klägerin nach Verfahrenseröffnung gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO mangels einer anderweitigen mietvertraglichen Abrede nur mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende kündigen können. Bei dieser Sachlage scheidet eine Ersatzpflicht des Beklagten zu 2 aus, weil die offene Forderung der Klägerin auch bei sofortiger Ausübung des Kündigungsrechts wegen der zu beachtenden Kündigungsfrist nicht vermeidbar war.

IV.


35
Auf die begründete Revision der Beklagten ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da es keiner weiteren Feststellungen bedarf, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts zurückweisen (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Kayser Gehrlein Vill
Lohmann Fischer
Vorinstanzen:
LG Leipzig, Entscheidung vom 23.06.2010 - 1 O 359/10 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 04.05.2011 - 13 U 1007/10 -
32
Es bedarf allerdings keiner Entscheidung, ob die vom Treuhänder abgegebene Enthaftungserklärung, der der Gesetzgeber die Wirkung beilegen wollte , dass dadurch der Mietvertrag nicht beendet, sondern vom Schuldner fortgesetzt wird (BT-Drucks. 14/5680, S. 27), im Ergebnis zu der beschriebenen Freigabewirkung geführt hat. Zwar wird für diesen Fall vereinzelt vertreten, dass bereits nach Abgabe der Enthaftungserklärung eine Kündigung des Vermieters nur noch gegenüber dem Mieter und nicht mehr gegenüber dem Verwalter zu erklären sei (Tintelnot in Kübler/Prütting, Kommentar zur Insolvenzordnung, Stand November 2011, § 109 Rn. 21). Ganz überwiegend wird aber der Eintritt einer Freigabe- oder Enthaftungswirkung erst mit dem - hier bei Abgabe der Kündigungserklärung vom 7. Juli 2009 noch nicht erfolgten - Ablauf der dreimonatigen Kündigungsfrist gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 InsO angenommen (Uhlenbruck/Wegener, aaO, § 109 Rn. 19; Andres/Leithaus, Insolvenzordnung , 2. Aufl., § 109 Rn. 14; Dahl, NZM 2008, 585, 586; Tetzlaff, NZI 2006, 87, 91; AG Göttingen, NZM 2009, 617 f.).

(1) Ein Miet- oder Pachtverhältnis über einen unbeweglichen Gegenstand oder über Räume, das der Schuldner als Mieter oder Pächter eingegangen war, kann der Insolvenzverwalter ohne Rücksicht auf die vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung kündigen; die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist. Ist Gegenstand des Mietverhältnisses die Wohnung des Schuldners, so tritt an die Stelle der Kündigung das Recht des Insolvenzverwalters zu erklären, dass Ansprüche, die nach Ablauf der in Satz 1 genannten Frist fällig werden, nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. Kündigt der Verwalter nach Satz 1 oder gibt er die Erklärung nach Satz 2 ab, so kann der andere Teil wegen der vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses oder wegen der Folgen der Erklärung als Insolvenzgläubiger Schadenersatz verlangen.

(2) Waren dem Schuldner der unbewegliche Gegenstand oder die Räume zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens noch nicht überlassen, so kann sowohl der Verwalter als auch der andere Teil vom Vertrag zurücktreten. Tritt der Verwalter zurück, so kann der andere Teil wegen der vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses als Insolvenzgläubiger Schadenersatz verlangen. Jeder Teil hat dem anderen auf dessen Verlangen binnen zwei Wochen zu erklären, ob er vom Vertrag zurücktreten will; unterläßt er dies, so verliert er das Rücktrittsrecht.

18
Der dargestellte Charakter der Mietschuldenfreiheitsbescheinigung als einer über das bloße Empfangsbekenntnis hinausgehenden Erklärung verbietet es entgegen der Auffassung der Revision auch, in dieser Bescheinigung lediglich eine in anderer Form zu erteilende Quittung im Sinne von § 368 Satz 2 BGB sehen zu wollen. Zu einer über den tatsächlichen Leistungsempfang hinausgehenden Erklärung, wegen der zugrunde liegenden Schuld befriedigt zu sein, kann § 368 BGB keine Anspruchsgrundlage bilden (vgl. MünchKommBGB /Wenzel, 5. Aufl., § 368 Rdnr. 2; Staudinger/Olzen, BGB (2006), § 368 Rdnr. 7).

(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

(2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Für die Entbehrlichkeit der Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und für die Entbehrlichkeit einer Abmahnung findet § 323 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechende Anwendung. Die Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und eine Abmahnung sind auch entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen.

(3) Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.

(4) Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen.

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a) Der Ausspruch einer fristlosen außerordentlichen Kündigung nach § 569 Abs. 1 Satz 1 BGB ist zwar an sich an keine Frist gebunden. Gleichwohl ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit langem anerkannt, dass eine längere Verzögerung der Kündigungserklärung nicht ohne Rechtsfolgen bleibt. Bei den Kündigungstatbeständen, die an eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses anknüpfen (vgl. § 543 Abs. 1 BGB), hat der Senat bei einer überlangen Hinauszögerung der Kündigung den Schluss für gerechtfertigt erachtet, die Vertragsfortsetzung sei für den Kündigenden nicht unzumutbar (vgl. etwa Senatsurteil vom 23. September 1987 - VIII ZR 265/86, NJW-RR 1988, 77, unter II 2 a, m.w.N. zu § 554a BGB aF). Für die vom Gesetzgeber normierten typisierten Fälle der Unzumutbarkeit (§ 543 Abs. 2 BGB) hat der Bundesgerichtshof ausgesprochen, dass das Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls treuwidrig oder verwirkt sein kann (Senatsurteil vom 29. April 2009, aaO; BGH, Urteil vom 18. Oktober 2006 - XII ZR 33/04, NJW 2007, 147, Tz. 11 m.w.N.). Ob und in welchen Fällen daneben die in § 314 Abs. 3 BGB für eine Kündigung von Dauerschuldverhältnissen vorgesehene zeitliche Schranke auch im Wohnraummietrecht gilt, hat der Senat bislang offen gelassen (Senatsurteil vom 11. März 2009, aaO). Der XII. Zivilsenat hat dagegen im Bereich der Gewerberaummiete eine auf § 543 Abs. 1 BGB gestützte Kündigung an § 314 Abs. 3 BGB gemessen (Urteil vom 21. März 2007 - XII ZR 36/05, NJW-RR 2007, 886, Tz. 21). Vorliegend bedarf die Frage der Anwendbarkeit des § 314 Abs. 3 BGB keiner Klärung.

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.