Bundesgerichtshof Urteil, 24. Feb. 2015 - XI ZR 193/14

bei uns veröffentlicht am24.02.2015
vorgehend
Amtsgericht Frankfurt am Main, 30 C 128/13, 02.07.2013
Landgericht Frankfurt am Main, 24 S 139/13, 21.03.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X I Z R 1 9 3 / 1 4 Verkündet am:
24. Februar 2015
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Staat kann die Erfüllung privatrechtlicher Zahlungsansprüche aus von ihm begebenen
Schuldverschreibungen gegenüber Privatpersonen weder unter Berufung
auf den wegen Zahlungsunfähigkeit erklärten Staatsnotstand noch wegen einer
mit der Mehrheit der Gläubiger freiwillig zustande gekommenen Umschuldung
verweigern.
BGH, Urteil vom 24. Februar 2015 - XI ZR 193/14 - LG Frankfurt am Main
AG Frankfurt am Main
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Februar 2015 durch den Richter Dr. Joeres als Vorsitzenden, die Richter
Dr. Grüneberg und Maihold sowie die Richterinnen Dr. Menges und
Dr. Derstadt

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21. März 2014 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger macht gegen den beklagten Staat Ansprüche aus einer von diesem begebenen Inhaberschuldverschreibung geltend.
2
Die Beklagte emittierte im Jahr 1997 die 8% Deutsche Mark-Anleihe 1997/2009 im Gesamtnennbetrag von 1 Mrd. DM (Wertpapierkennnummer …90), die durch untereinander gleichrangige, auf den Inhaber lautende Schuldverschreibungen zu je 1.000 DM in einer dauerhaften Global-InhaberSchuldverschreibung verbrieft ist; effektive Stücke von Schuldverschreibungen oder Zinsscheinen wurden nicht ausgegeben. In den Anleihebedingungen wurden die Anwendung deutschen Rechts und der Gerichtsstand Frankfurt am Main bestimmt. Ferner verpflichtete sich die Beklagte in § 4 der Anleihebedingungen zur Rückzahlung der Schuldverschreibungen zum Nennbetrag am 30. Oktober 2009. Nach § 3 der Anleihebedingungen war die Schuldverschreibung mit jährlich 8% zu verzinsen, wobei die Zinsen nachträglich zum 30. Oktober eines jeden Jahres zahlbar waren, erstmals zum 30. Oktober 1998. Der Kläger erwarb von der Anleihe einen Anteil von 6.000 DM (= 3.067,75 €).
3
Die Beklagte sieht sich seit 1999 mit erheblichen volkswirtschaftlichen Problemen konfrontiert, die sich zumindest zeitweise bis zu einer Finanzkrise des Staates ausgeweitet hatten. Mit Gesetz Nr. 25.561 über den öffentlichen Notstand und die Reform des Wechselkurssystems vom 6. Januar 2002 erklärte sie den "öffentlichen Notstand auf sozialem, wirtschaftlichem, administrativem, finanziellem und währungspolitischem Gebiet". Auf der Grundlage der daraufhin erlassenen Verordnung Nr. 256/2002 vom 6. Februar 2002 zur Umstrukturierung der Verbindlichkeiten und Schuldenzahlungen der argentinischen Regierung wurde der Auslandsschuldendienst durch die Beklagte ausgesetzt, um ihn neu zu ordnen. Das Gesetz über den öffentlichen Notstand wurde immer wieder - zuletzt bis zum 31. Dezember 2015 - verlängert. Aufgrund dessen fiel auch der Kläger mit der von ihm erworbenen Staatsanleihe einschließlich Zinsen aus. Die Zinsansprüche für die Jahre 2002 bis 2007 klagte er in einem anderen Rechtsstreit mit Erfolg ein.
4
Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten die Zahlung des am 30. Oktober 2009 fällig gewordenen Nominalbetrags von 3.067,75 € nebst Zinsen in Höhe von 8% p.a. seit dem 31. Oktober 2009 und der rückständigen Zinsen für die Jahre 2008 und 2009 in Höhe von jeweils 245,42 € gegen Mitteilung der Zahlung an seine Depotbank zwecks Ausbuchung der InhaberSchuldverschreibung zur Wertpapierkennnummer …90 aus seinem Depot in Höhe der Zahlung. Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation des Klägers und beruft sich im Hinblick auf das von ihr erklärte Zahlungsmoratorium und die mit anderen Gläubigern geschlossenen Umstrukturierungsvereinbarungen auf ein völkerrechtliches Leistungsverweigerungsrecht gegenüber sogenannten Holdout -Gläubigern. Das Amtsgericht hat der Klage mit Ausnahme der für das Jahr 2008 begehrten Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision ist unbegründet.

I.

6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - ausgeführt:
7
Das Amtsgericht habe zu Recht einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aus der streitgegenständlichen Inhaberschuldverschreibung auf Zahlung des Nominalbetrags von 3.067,75 € und des am 30. Oktober 2009 fällig gewordenen Zinsbetrags von 245,42 € gemäß § 793 BGB in Verbindung mit den Anleihebedingungen bejaht. Der Kläger habe seine Aktivlegitimation durch Vorlage eines Depotauszugs der Kreissparkasse K. vom 4. Juni 2013 hinreichend nachgewiesen.
8
Der Beklagten stehe gegenüber dem Kläger kein Leistungsverweigerungsrecht zu. Das von der Beklagten insoweit vorgelegte Rechtsgutachten von Tietje/Lehmann, wonach aufgrund völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts die wirtschaftliche und finanzielle Staatsinsolvenz der Beklagten zu berücksichtigen sei, sei nicht überzeugend. Das Gutachten begründe nicht die Feststellung einer entsprechenden völkerrechtlichen Regel oder eines Völkergewohnheitsrechts , wonach eine solche nachträgliche Einwirkung auf die von privaten Gläubigern erworbenen Staatsanleihen gerechtfertigt sein könnte. Das Gutachten beruhe vor allem auf der These, dass im Hinblick auf die jüngsten Entwicklungen im Rahmen der internationalen Staatengemeinschaft grundsätzlich ein völkerrechtliches Gewohnheitsrecht in dem Sinne erkannt werden müsste, dass im Falle einer qualifizierten Mehrheitsentscheidung (75 Prozent der Gläubiger solcher Inhaberschuldverschreibungen) alle Gläubiger an den Konsens gebunden seien und sich eine Minderheit nicht auf Kosten der Mehrheit einen Sondervorteil sichern dürfe. Dem könne indes bereits deswegen nicht gefolgt werden, weil in dem Gutachten ein solches völkerrechtliches Gewohnheitsrecht nicht nachvollziehbar dargestellt werde. Das Gutachten begründe dies damit, dass die Bedingungen von Staatsanleihen heute regelmäßig sogenannte Collective Action Clauses enthielten, die eine Schuldenumstrukturierung durch Mehrheitsentscheid der Gläubiger ermöglichen würden. Dies übersehe jedoch, dass es auch im völkerrechtlichen Bereich erst der Einführung solcher Klauseln bedurft habe, um überhaupt eine solche Möglichkeit im Rahmen von Staatsanleihen zu schaffen. Aufgrund dessen verbiete es sich, in der Schaffung und Einbeziehung solcher Klauseln rückwirkend eine entsprechende gewohnheitsrechtliche Praxis zu sehen, weil es dann solcher Klauseln als Grundlage späterer Schuldumschaffungen nicht bedurft hätte.
9
Darüber hinaus überzeuge das Gutachten auch deshalb nicht, weil die Autoren ihren Auftraggeber nicht benannt hätten, so dass Misstrauen gegen die wissenschaftliche Neutralität der von ihnen vertretenen Rechtsmeinung bestehen würde. Außerdem hätten die Gutachter durch die Bezugnahme auf den Schuldenschnitt für Griechenland oder die Forderungskürzung für Gläubiger zyprischer Banken weder eine für die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht erforderliche gefestigte Praxis (consuetudo) noch die zugehörige Überzeugung rechtlicher Verbindlichkeit (opinio iuris) belegt. Der "Fall Zypern" sei bereits deshalb nicht vergleichbar, weil die dortigen Maßnahmen private Schuldner betroffen hätten. Der "Fall Griechenland" sei erkennbar kein Beleg für eine gefestigte völkerrechtliche Praxis. Gegen eine solche Praxis spreche schließlich auch, dass die in dem Gutachten in Bezug genommenen "Principles on Promoting Responsible Sovereign Lending and Borrowing" der United Nations Conference on Trade and Development vom 10. Januar 2012 lediglich eine in die Zukunft gerichtete Empfehlung für den Fall einer Umstrukturierung von Staatsschulden seien und ihnen keine allgemeine, rückwirkende Geltung zukommen könne.

II.

10
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Das Berufungsgericht hat zu Recht den vom Kläger im Berufungsverfahren noch geltend gemachten Anspruch auf Zahlung des Nominalbetrags der von ihm erworbenen Schuldverschreibung in Höhe von 3.067,75 € nebst Zinsen und des am 30. Oktober 2009 fällig gewordenen Zinsbetrags von 245,42 € gemäß § 793 BGB in Verbindung mit den Anleihebedingungen bejaht.
11
1. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Kläger aktivlegitimiert ist.
12
Bei in Globalurkunden und nicht in effektiven Stücken verbrieften Teilschuldverschreibungen kann der Gläubiger seine - insoweit ohnehin nur formelle - Berechtigung nicht durch Vorlage der Urkunde nachweisen (vgl. dazu Senatsurteil vom 14. Mai 2013 - XI ZR 160/12, WM 2013, 1264 Rn. 8), sondern in der Regel nur durch Vorlage eines Depotauszuges oder mittels Zeugenbeweises. Davon ist das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen; es hat die Aktivlegitimation des Klägers durch Vorlage eines Depotauszugs als hinreichend nachgewiesen angesehen. Diese tatrichterliche Beurteilung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie kann vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüft werden. Lediglich wenn die ihr zugrunde liegende Würdigung unvollständig oder widersprüchlich ist oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt, darf das Revisionsgericht eine solche Wertung beanstanden. Einen solchen Fehler zeigt die Revision nicht auf.
13
2. Entgegen der Auffassung der Revision steht der Beklagten auch kein auf dem Völkerrecht beruhendes Leistungsverweigerungsrecht zu. Es ist keine allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG feststellbar, die einen Staat gegenüber Privatpersonen berechtigt, die Erfüllung - wie hier - fälliger privatrechtlicher Zahlungsansprüche unter Berufung auf ein rechtlich zu missbilligendes Verhalten von sogenannten Holdout-Gläubigern zu verweigern, um diese dadurch zu einer Beteiligung an einer mit der Mehrheit der Gläubiger zustande gekommenen Umschuldung der emittierten Staatsanleihen zu zwingen.
14
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Regel des Völkerrechts dann allgemein im Sinne des Art. 25 GG, wenn sie von der überwiegenden Mehrheit der Staaten anerkannt wird (vgl. BVerfGE 15, 25, 34; 118, 124, 134). Die Allgemeinheit der Regel bezieht sich auf deren Geltung, nicht auf den Inhalt, wobei eine Anerkennung durch alle Staaten nicht erforder- lich ist. Ebenso wenig ist es erforderlich, dass gerade die Bundesrepublik Deutschland die Regel anerkannt hat. Allgemeine Regeln des Völkerrechts sind Regeln des universell geltenden Völkergewohnheitsrechts, ergänzt durch aus den nationalen Rechtsordnungen tradierte allgemeine Rechtsgrundsätze (vgl. BVerfGE 15, 25, 32 ff.; 16, 27, 33; 23, 288, 317; 94, 315, 328; 96, 68, 86; 118, 124, 134). Ob eine Regel eine solche des Völkergewohnheitsrechts ist oder ob es sich um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz handelt, ergibt sich aus dem Völkerrecht selbst, welches die Kriterien für die Völkerrechtsquellen vorgibt. Nach einhelliger Auffassung bezieht sich Art. 25 GG dagegen nicht auf völkervertragliche Regelungen. Völkerrechtliche Verträge sind von den Fachgerichten selbst anzuwenden und auszulegen (vgl. BVerfGE 15, 25, 32 f., 34 f.; 16, 27, 33; 18, 441, 450; 59, 63, 89; 99, 145, 160; 118, 124, 134 f.). An die Feststellung einer allgemeinen Regel des Völkerrechts sind wegen der darin zum Ausdruck kommenden grundsätzlichen Verpflichtung aller Staaten hohe Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfGE 118, 124, 135).
15
Völkergewohnheitsrecht ist der Brauch, hinter dem die Überzeugung rechtlicher Verpflichtung steht. Seine Entstehung ist demnach an zwei Voraussetzungen geknüpft: erstens an das zeitlich andauernde und möglichst einheitliche Verhalten unter weit gestreuter und repräsentativer Beteiligung von Staaten und anderen, rechtsetzungsbefugten Völkerrechtssubjekten; zweitens an die hinter dieser Übung stehende Auffassung, "im Rahmen des völkerrechtlich Gebotenen und Erlaubten oder Notwendigen zu handeln" (opinio iuris sive necessitatis , vgl. BVerfGE 66, 39, 64 f.; 96, 68, 86 f.; 109, 13, 27 f.). Zu seiner Ermittlung sind die einschlägige Staatspraxis, die sich aus dem völkerrechtlich erheblichen Verhalten der Staatsorgane ergibt, sowie als Hilfsmittel richterliche Entscheidungen und völkerrechtliche Lehrmeinungen heranzuziehen. Ebenfalls zu berücksichtigen sind die Handlungen von Organen internationaler Organisationen und internationaler Gerichte sowie die Arbeiten der Völkerrechtskommissi- on der Vereinten Nationen und weitere Vorschläge zur Kodifikation des Völkerrechts (BVerfGE 109, 13, 28; 117, 141, 150 f., 161; jeweils mwN).
16
Die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Völkerrechts (Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut) sind im Wege der Rechtsvergleichung in einer Gesamtschau der großen Rechtsordnungen zu entwickelnde Prinzipien, die sich von ihrem Inhalt her auf die Rechtsbeziehungen in der Völkergemeinschaft und auf das Recht internationaler Organisationen übertragen lassen (vgl. BVerfGE 94, 315, 328; 96, 68, 86; 117, 141, 149 f.; BVerfG [1. Kammer des Zweiten Senats], NJW 1988, 1462, 1463). Dazu gehören etwa das Prinzip von Treu und Glauben (vgl. BVerfGE 16, 27, 63), der Vertrauensschutz oder die Verwirkung. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Völkerrechts haben in erster Linie lückenfüllende Bedeutung (in Ergänzung von Völkervertrags- und Völkergewohnheitsrecht; vgl. Maunz/Dürig/Herdegen, GG, Stand: Juli 2014, Art. 25 Rn. 35 mwN).
17
b) Nach diesen Maßgaben hat das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2007 - auf mehrere Vorlagen des Amtsgerichts Frankfurt am Main - im Zusammenhang mit anderen Staatsanleihen der Beklagten festgestellt, dass das Völkerrecht weder ein einheitliches noch ein kodifiziertes Konkursrecht der Staaten kennt (BVerfGE 118, 124, 135). Das Bundesverfassungsgericht hat dies damit begründet, dass zwar einzelne völkerrechtliche Abkommen allgemeine Notstandsklauseln enthielten, es aber bereits im Einzelfall eine Frage der Auslegung sei, ob diese sich überhaupt auf den wirtschaftlichen Notstand und auf privatrechtliche Rechtsverhältnisse beziehen würden. Aufgrund dessen seien die Regelungen der Rechtsfolgen der Zahlungsunfähigkeit eines Staates nur fragmentarischer Natur und könnten, wenn sich die entsprechende Verfestigung anhand der völkerrechtlichen Kriterien nachweisen lasse, nur dem Völkergewohnheitsrecht oder den allgemeinen Rechtsgrundsätzen zuzuordnen sein (BVerfG aaO).
18
Des Weiteren hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass zwar im Völkergewohnheitsrecht die Berufung auf den Staatsnotstand in solchen Rechtsverhältnissen anerkannt sei, die ausschließlich dem Völkerrecht unterliegen ; für eine Erstreckung der Rechtfertigung auf Privatrechtsverhältnisse zu privaten Gläubigern fehle es hingegen an Belegen für eine von der notwendigen Rechtsüberzeugung (opinio juris sive necessitatis) getragene Staatenpraxis (vgl. BVerfGE 118, 124, 135). Dabei hat sich das Bundesverfassungsgericht insbesondere mit Art. 25 des von der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen (International Law Commission - ILC) im Jahre 2001 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vorgelegten Konventionsentwurfs zum Thema Responsibility of States for internationally wrongful acts befasst, der die Staatenverantwortlichkeit betrifft (im Folgenden: Art. 25 der ILC-Artikel zur Staatenverantwortlichkeit ). Diese Vorschrift stelle zwar geltendes Völkergewohnheitsrecht dar, enthalte aber lediglich einen Rechtfertigungsgrund in einem Völkerrechtsverhältnis (BVerfG aaO, S. 136 ff.). Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der einschlägigen Rechtsprechung internationaler und nationaler Gerichte und den Stellungnahmen des völkerrechtlichen Schrifttums. Vielmehr erlaubten auch diese nicht die positive Feststellung einer allgemeinen Regel des Völkerrechts, wonach ein Staat über den auf Völkerrechtsverhältnisse beschränkten Anwendungsbereich des Art. 25 der ILC-Artikel zur Staatenverantwortlichkeit hinaus berechtigt wäre, nach Erklärung des Staatsnotstandes wegen Zahlungsunfähigkeit auch die Erfüllung fälliger Zahlungsansprüche in Privatrechtsverhältnissen gegenüber privaten Gläubigern zeitweise zu verweigern. Es fehle an einer einheitlichen Staatenpraxis, die einen solchen Rechtfertigungsgrund kraft Völkerrechts anerkenne (BVerfG aaO, S. 138 ff.).
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c) Diese Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts haben nach wie vor Gültigkeit. Entgegen der Auffassung der Revision hat sich insbesondere nicht als Folge der Weltfinanzmarktkrise in den Jahren 2008 und 2009 und der sogenannten Euro-Rettungsmaßnahmen für Griechenland und Zypern eine allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG mit dem Inhalt herausgebildet , dass sich sämtliche privaten Gläubiger eines Staates im Falle eines wirtschaftlichen und finanziellen Staatsnotstands an einer Umstrukturierung der Schulden beteiligen müssen und dem notleidend gewordenen Staat bis zu einer entsprechenden Vereinbarung ein Leistungsverweigerungsrecht hinsichtlich fälliger Zahlungsansprüche aus Privatrechtsverhältnissen zusteht.
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aa) Soweit die Revision ein Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten aus einer nach Art. 25 GG zu berücksichtigenden allgemeinen Regel des Völkerrechts zu begründen versucht, dass auf der Grundlage der von den Kulturvölkern anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze gemäß Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut zwei verallgemeinerungsfähige Prinzipien, nämlich die Gleichbehandlung aller Gläubiger und die Integrität eines geordneten Insolvenzverfahrens , herzuleiten seien, kann sie damit keinen Erfolg haben.
21
Denn in der Sache besagt dieser Ansatz nichts anderes, als dass dadurch das völkergewohnheitsrechtliche Institut des Notstands für den Sonderfall der Zahlungsunfähigkeit in Voraussetzungen und Rechtsfolgen konkretisiert wird. Im Kern beinhaltet er damit die Behauptung eines von der Staatengemeinschaft anerkannten Insolvenzrechts der Staaten. Ein solches besteht indes unzweifelhaft nicht. Nach den Regeln des Völkerrechts kann ein Staat die Erfüllung privatrechtlicher Zahlungsansprüche gegenüber Privatpersonen nicht unter Berufung auf einen wegen Zahlungsunfähigkeit erklärten Staatsnotstand verweigern (vgl. BVerfGE 118, 124; BGH, Beschluss vom 25. September 2007 - XI ZR 343/06, juris).
22
(1) Nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung vom 8. Mai 2007 kannte das Völkerrecht zu diesem Zeitpunkt weder ein einheitliches noch ein kodifiziertes Konkursrecht der Staaten (BVerfGE 118, 124, 135). Das Bundesverfassungsgericht hat dies - wie bereits oben näher ausgeführt worden ist - vor allem damit begründet, dass zwar einzelne völkerrechtliche Abkommen allgemeine Notstandsklauseln enthielten, es aber bereits im Einzelfall eine Frage der Auslegung sei, ob diese sich überhaupt auf den wirtschaftlichen Notstand und auf privatrechtliche Rechtsverhältnisse beziehen würden. Aufgrund dessen seien die Regelungen der Rechtsfolgen der Zahlungsunfähigkeit eines Staates nur fragmentarischer Natur. An diesem Befund hat sich seitdem nichts geändert.
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(2) Dies wird bereits durch die Resolution Nr. A/Res/68/304 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 9. September 2014 (Towards the establishment of a multilateral legal framework for sovereign debt restructuring processes; abrufbar unter: www.un.org) bestätigt, in dem die Anregung der Group of 77 and China aufgegriffen wird, die Bemühungen um die Etablierung eines Staateninsolvenzverfahrens voranzutreiben. Daran wird deutlich, dass es bislang an völkerrechtlichen Regelungen fehlt, die die Zahlungseinstellung eines Staates in geordnete Bahnen lenken und die Gläubiger zu einer Zwangsgemeinschaft zusammenführen würden. Dies wird auch - entgegen der Revision - durch die auf freiwilliger Basis beruhenden Umschuldungsmaßnahmen in den Fällen Zypern und Griechenland belegt.
24
(3) Dies entspricht auch der einschlägigen Rechtsprechung internationaler und nationaler Gerichte.
25
Das International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID), das als Schiedsgericht fungiert und organisatorisch der Weltbank angegliedert ist, hat im Rahmen einer Schiedsklage 180.000 italienischer Anleihegläubiger gegen die Beklagte am 4. August 2011 angenommen, dass es kein völkerrecht- liches Insolvenzrecht für Staaten gebe, das eine Nichtzahlung rechtfertigen könne (Abaclat and Others v. Argentine Republik, ICSID Case No. ARB/07/5, Award, Rn. 323 und 325, abrufbar unter: http://italaw.com; siehe dazu auch Bischoff, WM 2012, 1371,1373).
26
In den zahlreichen Klagen von Anlegern gegen die Beklagte vor New Yorker Bundesgerichten stand zuletzt nur noch die Problematik der pari passuKlauseln zur Diskussion, während ein Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten nicht erörtert wurde (vgl. etwa Urteil des New Yorker Court of Appeal vom 26. Oktober 2012 in Sachen NML Capital Ltd. v. Republic of Argentina; dazu und zu weiteren Entscheidungen siehe Sandrock, RIW 2014, 703 ff. mwN). Zuletzt hat der US Supreme Court mit Urteil vom 16. Juni 2014 die im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens getroffene discovery-Anordnung eines New Yorker Gerichts hinsichtlich desjenigen Vermögens der Beklagten, das außerhalb der USA belegen ist, in vollem Umfang bestätigt (Republic of Argentina v. NML Capital Ltd., No. 12-842; abrufbar unter: www.supremecourt.gov).
27
In Deutschland hat neben dem Berufungsgericht auch das in diversen Verfahren mit Argentinien-Anleihen befasste Oberlandesgericht Frankfurt am Main ein Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten verneint (vgl. nur OLG Frankfurt am Main, NJW 2006, 2931, 2932 ff.; Urteile vom 9. März 2012 - 8 U 149/11, juris Rn. 45, 47 und vom 4. Mai 2012 - 8 U 188/11, juris Rn. 29). Ein solches ist bislang auch vom Senat nicht angenommen worden (vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 2013 - XI ZR 160/12, WM 2013, 1264 ff.; Senatsbeschlüsse vom 25. September 2007 - XI ZR 343/06, juris und vom 13. November 2012 - XI ZR 161/12, juris).
28
(4) Schließlich wird auch im völkerrechtlichen Schrifttum - soweit es sich dazu überhaupt äußert - die Einführung eines Restrukturierungsverfahrens für Staatsinsolvenzen zwar für wünschenswert gehalten, das verbindliche Vorhandensein solcher Regelungen aber einhellig verneint (vgl. nur Herdegen, WM 2011, 913, 914 ff.; Paulus/van den Busch, WM 2014, 2025; Sester, WM 2011, 1057, 1062 ff.; jeweils mwN).
29
(5) Die Revision kann ihre abweichende Rechtsauffassung auch nicht auf das UNCTAD-Prinzip Nr. 7 stützen. Dieses hat sinngemäß folgenden Wortlaut: "Treten Umstände ein, in denen ein Staat offenkundig nicht in der Lage ist, seine Schulden zu bedienen, haben alle Kreditgeber die Pflicht, sich nach Treu und Glauben und kooperativ zu verhalten, um eine einvernehmliche Umschuldung der Verbindlichkeiten zu erreichen. Gläubiger sollten eine schnelle und geordnete Lösung für das Problem anstreben."
30
In dem UNCTAD-Prinzip Nr. 7 kommt jedoch noch keine für die Staatengemeinschaft verbindliche Grundregel nationaler Insolvenzrechtsordnungen dahingehend zum Ausdruck, dass es zu einer bestmöglichen Befriedigung unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebots aller Gläubiger kommen soll. Zielsetzung der UNCTAD-Prinzipien ist vielmehr - was auch die Resolution Nr. A/Res/68/304 der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 9. September 2014 eindeutig belegt - erst die Schaffung neuen Rechts, nicht dagegen die Beschreibung bereits bestehenden Völkerrechts. Dies ergibt sich aus der konsolidierten Fassung des UNCTAD-Papiers vom 10. Januar 2012 (abrufbar unter: www.unctad.org). Danach sollte die UNCTAD in einem "ersten Schritt" lediglich allgemeine Prinzipien für die staatliche Aufnahme und Vergabe von Krediten als Leitlinien entwickeln und Einigkeit über eine Reihe international anerkannter Prinzipien "zur Verhinderung einer unverantwortlichen Staatsfinanzierung" erzielen. In einem zweiten Schritt sollten auf staatlicher und regionaler Ebene Rückmeldungen zur Gestaltung der Prinzipien und zur Möglichkeit ihrer freiwilligen Umsetzung durch die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen eingeholt werden.
31
Dieser bloß in die Zukunft weisende Charakter des UNCTAD-Prinzips Nr. 7 kommt auch unzweifelhaft in der mit "Konsequenzen" ("implications") überschriebenen Begründung dieses Vorschlags zum Ausdruck. Darin heißt es zutreffend, dass "bis heute … kein universeller Mechanismus zur Restrukturierung von Staatsschulden eingerichtet worden" ist. Gerate ein Schuldnerstaat in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten, habe er daher keine andere Wahl, als an seine Gläubiger mit dem Ziel einer "einvernehmlichen Umschuldung" der Schuldenlast heranzutreten. Aufgrund dessen "sollten" Kreditgeber bereit sein, nach Treu und Glauben in Verhandlungen mit dem Schuldner und anderen Gläubigern einzutreten, um eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung zu finden. Ferner wird noch ergänzend ausgeführt, dass ein Gläubiger, der Schuldverschreibungen eines Staates in finanzieller Notlage mit der Absicht erwerbe, außerhalb des einvernehmlichen Umschuldungsprozesses eine bevorzugte Befriedigung seiner Forderung zu erzwingen, rechtsmissbräuchlich handle.
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(6) Schließlich zeigt die Revision keine entgegenstehende einschlägige Rechtsprechung internationaler und nationaler Gerichte oder bedeutsame Stimmen aus dem völkerrechtlichen Schrifttum auf, die Zweifel an dem Fehlen völkerrechtlicher Regelungen für eine in geordneten, insolvenzrechtsähnlichen Bahnen geleitete Restrukturierung eines Staates erwecken könnten, geschweige denn, das Bestehen solcher Regelungen belegen würden. In dem von ihr vorgelegten Privatgutachten Goldmann werden vielmehr lediglich Lösungsansätze gesucht, um dem als ordnungspolitisch unerwünscht eingestuften Verhalten der Holdout-Gläubiger zu begegnen. Dabei wird eingeräumt, dass bislang kein Gericht einem Schuldnerstaat eine (dauerhafte) Einrede gegen Holdout- Gläubiger wegen Rechtsmissbräuchlichkeit zugestanden habe (S. 31) und sich das Völkerrecht erst in der Phase der Anpassung befinde (S. 22). Davon abgesehen wird in dem Gutachten auch verkannt, dass die Staaten - was im Einzelnen nachfolgend ausgeführt wird - mehrheitlich nicht einen insolvenzrechtlichen , d.h. öffentlich-rechtlichen Ansatz eines geordneten Umschuldungsverfahrens , sondern einen privatrechtlichen Ansatz einer Einbeziehung sogenannter Collective Action Clauses verfolgen.
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bb) Entgegen der Revision ergibt sich aus der in den letzten Jahren zu verzeichnenden sukzessiven Verbreitung von sogenannten Collective Action Clauses (im Folgenden: CAC) nichts anderes. Dabei handelt es sich um einen Oberbegriff für im Einzelfall unterschiedlich ausgestaltete Anleihebedingungen, denen gemein ist, dass sie qualifizierte Mehrheitsentscheidungen auf Gläubigerseite mit Bindungswirkung für alle Gläubiger vorsehen. Solche Klauseln müssen jedoch zu ihrer Anwendbarkeit wirksam Bestandteil der Anleihebedingungen geworden sein und können nicht unabhängig davon als rechtsverbindlich angesehen werden, ob eine entsprechende vertragliche Vereinbarung getroffen worden ist.
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(1) Wie aus dem von der Beklagten beauftragten Rechtsgutachten von Tietje/Lehmann hervorgeht, waren CAC im englischen Recht bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts gebräuchlich. Des Weiteren wurden im Jahre 1922 tschechische Anleihen in Absprache mit dem Völkerbund ausgegeben, die eine Mehrheitsentscheidung von Gläubigern ermöglichten, um die Anleihebedingungen nachträglich zu ändern. Auch in Japan sollen CAC bereits vor dem Jahr 2002 obligatorisch gewesen sein (Gutachten, S. 21 mwN; siehe auch Seitz, Umschuldungsklauseln (Collective Action Clauses) in Staatsanleihen des europäischen Währungsraumes, 2014, S. 30 ff.). Am 20. April 2002 beschlossen die Finanzminister und Notenbankchefs der G-7-Staaten einen Aktionsplan für emerging markets (abrufbar unter: www.g7.utoronto.ca) und forderten unter anderem, Staatsanleihen nur noch mit CAC auszugeben. Im April 2003 verpflichteten sich die EU-Mitgliedstaaten in der Absicht, "mit gutem Beispiel" voranzugehen , künftig Umschuldungsklauseln in ihre nach fremdem Recht emittierten Anleihen aufzunehmen (siehe dazu Mitteilung der Kommission an den Rat - Überprüfung der Fazilität des mittelfristigen finanziellen Beistands zur Stützung der Zahlungsbilanzen der Mitgliedstaaten nach Artikel 119 EG-Vertrag vom 25. Juli 2005, KOM/2005/0331 endg., abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu; Monatsbericht der Europäischen Zentralbank, November 2003, S. 75).
35
Diese Umstände haben indes dem Bundesverfassungsgericht keinen Anlass gegeben, sie in der maßgeblichen Entscheidung vom 8. Mai 2007 zu erörtern , obwohl sich daraus - vom Rechtsstandpunkt der Revision aus gesehen - eine allgemeine Regel des Völkerrechts ergeben soll, die einen Staat gegenüber Privatpersonen berechtigt, die Erfüllung fälliger privatrechtlicher Zahlungsansprüche unter Berufung auf den wegen Zahlungsunfähigkeit erklärten Staatsnotstand zeitweise oder unter Berufung auf den Abschluss einer Umschuldungsvereinbarung mit den Gläubigern (hier: die Umschuldungsvereinbarung aus dem Jahr 2005) teilweise zu verweigern. Daraus kann nur der Schluss gezogen werden, dass das Bundesverfassungsgericht ein solches Leistungsverweigerungsrecht verneint hat, falls nicht in den streitgegenständlichen Anleihebedingungen - wie hier nicht - eine solche Möglichkeit rechtsverbindlich vereinbart worden ist.
36
(2) Diese Sichtweise entspricht auch dem gegenwärtigen Rechtszustand. Danach müssen CAC zu ihrer Gültigkeit ausdrücklich in den Anleihebedingungen vereinbart worden sein. Dies ergibt sich aus den einschlägigen Rechtsgrundlagen.
37
In der Europäischen Union sind CAC durch Art. 12 Abs. 3 des Vertrages über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zwingend für Staatsanleihen im Euroraum seit dem 1. Januar 2013 vorgesehen. Damit haben sich die Mitgliedstaaten der Eurozone für eine Lösung auf vertraglicher, d.h. zivilrechtlicher Grundlage entschieden und damit die vor allem vom IWF befürwortete "große" Lösung eines umfassenden insolvenzrechtlichen Ansatzes, also der Einführung eines insolvenzartigen Verfahrens für Staaten namens "Sovereign Debt Resolution Mechanism" (SDRM; siehe dazu Keller in Baums/Cahn, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts, 2004, S. 155, 165; Paulus, WM 2002, 725) - zumindest vorerst - zurückgestellt (vgl. European Council, EUCO 10/11 vom 25. März 2011, S. 29; siehe auch Sester, WM 2011, 1057 f. mwN; Seitz, Umschuldungsklauseln (Collective Action Clauses) in Staatsanleihen des europäischen Währungsraumes, 2014, S. 15 spricht sogar von einem politischen Scheitern des SDRM).
38
Vergleichbare Regelungen im nationalen (deutschen) Recht sehen die bereits am 5. August 2009 in Kraft getretenen §§ 5 ff. des Schuldverschreibungsgesetzes für die Anleihebedingungen der unter dieses Gesetz fallenden Schuldverschreibungen und die mit Wirkung zum 19. September 2012 eingefügten §§ 4a bis 4k des Bundesschuldenwesengesetzes für die Emissionsbedingungen der vom Bund begebenen Schuldverschreibungen mit einer Laufzeit von über einem Jahr vor. Ihnen ist gemein, dass die Möglichkeit zu einer Änderung der Anleihebedingungen, wie insbesondere eine solche zum Zwecke der Umschuldung, bereits in den ursprünglichen Anleihebedingungen vorgesehen sein muss. Die Änderung des Bundesschuldenwesengesetzes diente der Umsetzung der Verpflichtung der Mitgliedstaaten aus Art. 12 Abs. 3 des Vertrages über den Europäischen Stabilitätsmechanismus, die Verwendung von Umschuldungsklauseln durch Ergänzung der Emissionsbedingungen von Bundeswertpapieren mit einer Laufzeit von über zwölf Monaten vorzusehen. Dies wäre allerdings auch ohne eine Gesetzesänderung durch schlichte Einfügung entsprechender Klauseln in den Anleihebedingungen möglich gewesen. Die Gesetzesänderung sollte daher vor allem dem Umstand Rechnung tragen, dass Emissionsbedingungen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteile vom 5. Oktober 1992 - II ZR 172/91, BGHZ 119, 305, 312, vom 28. Juni 2005 - XI ZR 363/04, BGHZ 163, 311, 314, vom 30. Juni 2009 - XI ZR 364/08, WM 2009, 1500 Rn. 20 und vom 29. April 2014 - II ZR 395/12, WM 2014, 1076 Rn. 24) Allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen und daher einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Um die Anleihebedingungen insoweit der gerichtlichen Kontrolle zu entziehen, übernehmen das Schuldverschreibungsgesetz und das Bundesschuldenwesengesetz jeweils die Funktion eines Leitbildes, das die wesentlichen Inhalte der unter den Staaten der Eurozone abgestimmten Umschuldungsklauseln nachzeichnet und damit "kontrollfest" macht (BT-Drucks. 16/12814, S. 1 f., 13 f. und BT-Drucks. 17/9049, S. 1 f., 7; zur Möglichkeit der Änderung der Anleihebedingungen von Altschuldverschreibungen nach § 24 Abs. 2 SchVG siehe BGH, Urteil vom 1. Juli 2014 - II ZR 381/13, BGHZ 202, 7).
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(3) Diese Rechtslage spricht eindeutig gegen eine allein völkerrechtlich begründete Geltung von CAC ohne eine entsprechende Vereinbarung in den Anleihebedingungen. Es sind insoweit keine Rechtsprechung internationaler und nationaler Gerichte oder bedeutsame Stimmen aus dem völkerrechtlichen Schrifttum ersichtlich, die ein darauf gründendes Leistungsverweigerungsrecht des insolventen Staates bejaht hätten. Die oben angeführten Entscheidungen des ICSID-Schiedsgerichts und der US-amerikanischen Gerichte haben ein solches Recht nicht angenommen. Soweit im völkerrechtlichen Schrifttum das zivilrechtliche Modell der Vereinbarung von CAC erörtert wird, wird - teilweise unausgesprochen - davon ausgegangen, dass solche Umschuldungsklauseln nur im Falle ihrer ausdrücklichen Vereinbarung in den Anleihebedingungen Geltung beanspruchen können, ihnen jedoch keine rückwirkende Geltung als allgemeine Regel zukommt (vgl. Herdegen, WM 2011, 913, 914 f.; Kolling, BKR 2007, 481, 488; Paulus/van den Busch, WM 2014, 2025, 2029 ff.; Sester, WM 2011, 1057, 1063 f.; Tietje/Szodruch, ZBB 2007, 498, 503).
40
Die Bemühungen zur Verwirklichung einer Gleichbehandlung der Gläubiger eines überschuldeten Staates, zu denen neben der Einbeziehung von CAC in die Anleihebedingungen auch das vom IWF entwickelte SDRM-Konzept gehört , wären unnötig, wenn die Gläubiger schon heute bzw. nach Auffassung der Revision sogar schon seit Beginn des 21. Jahrhunderts aufgrund einer allgemeinen Regel des Völkerrechts zu einem kooperativen Schuldenmanagement verpflichtet wären und einem dazu nicht bereiten Gläubiger kein Rechtsschutz gewährt werden dürfte (so bereits Ohler, JZ 2005, 590, 595).
41
(4) Weder die Revision noch die von der Beklagten vorgelegten Rechtsgutachten zeigen insoweit einschlägige Rechtsprechung internationaler und nationaler Gerichte oder bedeutsame Stimmen aus dem völkerrechtlichen Schrifttum auf, die eine Geltung von CAC auch ohne eine entsprechende Vereinbarung , d.h. in Form einer allgemein anerkannten Regel des Völkerrechts, bejahen. Insoweit legt die Revision auch nicht dar, welchen näheren Inhalt diese Regel haben sollte. Wie die genannten gesetzlichen Vorschriften des Schuldverschreibungsgesetzes und des Bundesschuldenwesengesetzes wie auch entsprechende Anleihebedingungen zeigen, regeln diese - entgegen der Revision - nicht "nur noch Feinheiten" eines solchen Verfahrens zur Änderung der Anleihebedingungen, sondern legen deren Grundlagen - insbesondere auch zum Schutz der Gläubiger - fest. Ohne entsprechende Regelungen bliebe unter anderem offen, welche Maßnahmen Gegenstand einer Beschlussfassung der Gläubiger sein können, mit welchem Stimmenquorum sie zu ihrer Verbindlichkeit getroffen werden müssen, wer stimmberechtigt ist, wie er seine Stimme abgeben kann, ob er sich vertreten lassen kann, wer mit welcher Frist und an welchem Ort die Gläubigerversammlung einberufen kann, wie dies und gegebenenfalls gefasste Beschlüsse bekannt zu machen sind und auf welche Weise solche Beschlüsse einer gerichtlichen Kontrolle unterworfen werden können.
42
d) Einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 2 i.V.m. Art. 25 GG bedarf es nicht. Danach ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen, wenn in einem Rechtsstreit objektiv zweifelhaft ist, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (vgl. BVerfGE 109, 13, 23 f.). Dies setzt voraus, dass das erkennende Gericht bei der Prüfung der Frage, ob und mit welcher Tragweite eine allgemeine Regel des Völkerrechts gilt, auf ernstzunehmende Zweifel stößt, mag das Gericht selbst auch keine Zweifel haben (vgl. BVerfGE 23, 288, 316 ff.; 64, 1, 13 ff.; 96, 68, 77; 109, 13, 23). Ernstzunehmende Zweifel bestehen dann, wenn das Gericht von der Meinung eines Verfassungsorgans oder von den Entscheidungen hoher deutscher , ausländischer oder internationaler Gerichte oder von den Lehren anerkannter Autoren der Völkerrechtswissenschaft abweichen würde (vgl. BVerfGE 23, 288, 319; 96, 68, 77; 109, 13, 23). Anzeichen mangelnder Eindeutigkeit sind Meinungsverschiedenheiten in der Frage, ob oder mit welcher Tragweite eine allgemeine Regel des Völkerrechts gilt (vgl. BVerfGE 64, 1, 15). Bestehen solche Zweifel nicht, ist die Rechtslage also offenkundig, sind die Gerichte dagegen auch in Völkerrechtsfragen uneingeschränkt selbst prüfungs- und entscheidungsberechtigt und -verpflichtet (vgl. BVerfG [1. Kammer des Zweiten Senats], NJW 1986, 1427; BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 - III ZR 245/98, BGHZ 155, 279, 284 f.). So liegt der Fall hier.
43
Im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Mai 2007 (BVerfGE 118, 124) war die erste Umschuldung durch die Beklag- te, bei der mehr als 75% aller Anleihegläubiger ihre notleidenden gegen neue Staatsanleihen getauscht hatten (vgl. Sester, NJW 2006, 2891), bereits erfolgt, ohne dass das Bundesverfassungsgericht - sei es auch nur auf einen entsprechenden Vortrag der Beklagten - Anlass gesehen hätte, diesen Gesichtspunkt in seiner Entscheidung zu erörtern, obwohl bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Revision als richtig die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage dann nicht gegeben gewesen wäre. Aufgrund dessen spricht nichts dafür, dass bereits vor Mai 2007 eine von der Revision behauptete Regel des Völkerrechts mit dem Inhalt bestanden hätte, dem insolventen Staat stehe gegenüber seinen Gläubigern bis zum Abschluss einer Umschuldungsvereinbarung ein Leistungsverweigerungsrecht zu.
44
Wie oben im Einzelnen dargelegt worden ist, bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich eine solche Regel im Hinblick auf die Weltfinanzmarktkrise nach dem Jahr 2007 entwickelt hätte. Vielmehr lässt sich dies eindeutig verneinen. Ernsthafte objektive Zweifel, die gegen diesen Befund sprechen könnten, bestehen nicht und werden auch von der Revision nicht aufgezeigt.
45
3. Davon abgesehen steht der Beklagten vorliegend auch dann kein Leistungsverweigerungsrecht zu, wenn eine ihrer Behauptung entsprechende allgemeine Regel des Völkerrechts existieren würde, wonach auch private Gläubiger grundsätzlich verpflichtet sind, sich an einer geordneten Umstrukturierung der Schulden eines notleidend gewordenen Staates zu beteiligen. Die Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Berechtigung der Einrede obliegt dem Fachgericht und unterfällt nicht der Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 2 GG (vgl. BVerfG, NJW 2006, 2907 Rn. 7 ff.; Beschluss vom 14. September 2006 - 2 BvR 1504/06 u.a., Umdruck, S. 7; BGH, Beschluss vom 25. September 2007 - XI ZR 343/06, juris).
46
a) Nach allgemeinen Grundsätzen - auf die auch die Revision unter Anknüpfung an § 242 BGB und § 313 BGB abstellt - gebieten Treu und Glauben, dass die Parteien eines Schuldverhältnisses je nach dessen Inhalt auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils Rücksicht zu nehmen haben. Allerdings muss eine Vertragspartei keine allgemeine Interessenverfolgung zu Gunsten der anderen betreiben, weil die Parteien häufig gegenläufige Interessen haben. Deshalb sind sie nicht verpflichtet, gleich- oder höherrangige Interessen hinter die des anderen Teils zurückzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2012 - VIII ZR 220/11, NJW 2012, 2184 Rn. 23). Nicht jede einschneidende Veränderung der bei Vertragsabschluss bestehenden oder gemeinsam erwarteten Verhältnisse rechtfertigen eine Vertragsanpassung oder eine Kündigung. Eine gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage ist vielmehr erst dann als missbräuchlich und unzulässig anzusehen, wenn dem anderen Vertragsteil ein Festhalten an den vertraglichen Vereinbarungen unzumutbar ist (vgl. nur BGH, Urteile vom 8. Februar 2006 - VIII ZR 304/04, NJW-RR 2006, 1037 Rn. 10 und vom 1. Februar 2012 - VIII ZR 307/10, WM 2012, 2020 Rn. 30). Unzumutbarkeit setzt in der Regel voraus, dass das Festhalten am Vertrag für den betroffenen Vertragspartner zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden Ergebnissen führen würde. Dies erfordert eine umfassende Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung (vgl. BGH, Urteile vom 11. Oktober 1994 - XI ZR 189/93, BGHZ 127, 212, 218 und vom 1. Februar 2012 - VIII ZR 307/10, WM 2012, 2020 Rn. 30).
47
b) Nach diesen Maßgaben kann ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers nicht bejaht werden. Nach Auffassung der Beklagten handele der Kläger rechtsmissbräuchlich, soweit er mehr verlange, als er bei einer Teilnahme an den Umschuldungen in den Jahren 2005 und 2010 erhalten hätte. Damit wolle er im Ergebnis einen ungerechtfertigten Sondervorteil auf Kosten derjenigen Gläubiger der Beklagten erlangen, die durch ihre Vermögensopfer die Sanierung des Staatshaushalts der Beklagten ermöglicht hätten. Damit kann sie indes nicht durchdringen.
48
aa) Die Voraussetzungen für die von der Beklagten erhobene Einrede des Rechtsmissbrauchs, wonach ein privater Gläubiger treuwidrig handele, wenn er sich nicht an einer geordneten Umstrukturierung der Schulden eines notleidend gewordenen Staates beteilige, liegen bereits im Ausgangspunkt nicht vor. Bei dem Erlass des argentinischen Notstandsgesetzes und des Zahlungsmoratoriums handelt es sich nicht um ein geordnetes Umschuldungsverfahren , sondern um einseitige Maßnahmen der Beklagten als Schuldnerin, mit denen sie eigenständig über die Aussetzung der Zahlungen an ihre Gläubiger entschieden hat. Die von ihr erlassenen Vorschriften dienen in erster Linie den Interessen des argentinischen Staates (vgl. Art. 1 und 19 des Gesetzes Nr. 25.561).
49
bb) Dem Kläger war es mangels Vorhandenseins eines einheitlichen oder eines kodifizierten Konkursrechts der Staaten oder internationaler Normen für die Durchführung eines Umschuldungsverfahrens weder zuzumuten, sich an dem von der Beklagten durchgeführten Restrukturierungsverfahren zu beteiligen , noch muss er sich dessen Ergebnis entgegenhalten lassen. Für ihn war insbesondere nicht erkennbar, auf welcher Grundlage und nach welchen Maßgaben die Gläubiger auf den Umschuldungsvorschlag der Beklagten eingegangen sind. Insbesondere ist offen, ob die Verhandlungen einen für die Gläubiger günstigeren Ausgang genommen hätten (z.B. in Form von Besserungsscheinen ), wenn sie - etwa im Rahmen eines geordneten Insolvenzverfahrens - besser organisiert gewesen wären (vgl. dazu Sester, NJW 2006, 2891, 2892). Des Weiteren durfte der Kläger darauf vertrauen, dass die Beklagte - unabhängig von der Frage der Wirksamkeit solcher Klauseln in Deutschland - wegen des Fehlens einer Umschuldungsklausel in den Anleihebedingungen die von ihm gezeichnete Anleihe auch im Falle wirtschaftlicher Schwierigkeiten in voller Höhe bedienen und ihm jedenfalls nicht eine mit anderen Gläubigern getroffene Umschuldungsvereinbarung entgegenhalten würde. Dieses Vertrauen durfte der Kläger darauf gründen, dass die Beklagte in anderen Staaten auch Anleihen mit CAC unterschiedlichen Inhalts emittiert hat (vgl. dazu Kolling, BKR 2007, 481, 487 f.; Sester, WM 2011, 1057, 1061).
50
Darüber hinaus fehlt es an einem substantiierten Vorbringen der Beklagten , dass die Bezahlung der eingeklagten Forderung in Höhe von 3.067,75 € nebst Zinsen eine schwerwiegende Bedrohung eines essenziellen Interesses, wie zum Beispiel den Ausfall oder einen drohenden Ausfall essenzieller Staatsfunktionen im Bereich der Sicherheit und Daseinsvorsorge zur Folge hätte (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Lübbe-Wolff in ihrem Sondervotum, BVerfGE 118, 124, 146, 150 ff.).
51
Schließlich spricht gegen ein Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten nach Treu und Glauben auch der Umstand, dass die Beklagte dieses nicht gegenüber allen Gläubigern durchsetzen kann, wie etwa das in den USA anhängige Verfahren der Beklagten gegen NML Capital Ltd. zeigt. In der bislang letzten Entscheidung des Supreme Court of the United States vom 16. Juni 2014 (No. 12-842), die ein Vollstreckungsverfahren betrifft, ergibt sich aus den Gründen nicht, dass die Beklagte unter Berufung auf eine allgemeine Regel des Völkerrechts ein daraus abgeleitetes Leistungsverweigerungsrecht geltend gemacht hätte.
52
4. Entgegen der Revision steht der Beklagten die Einrede eines Leistungshindernisses wegen des argentinischen Zahlungsmoratoriums auch nicht nach den Regeln des Internationalen Privatrechts zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Senats kann ein Staat die Erfüllung privatrechtlicher Zahlungsansprüche gegenüber Privatpersonen nicht unter Berufung auf den wegen Zahlungsunfähigkeit erklärten Staatsnotstand verweigern (vgl. BVerfGE 118, 124; Senatsbeschluss vom 25. September 2007 - XI ZR 343/06, juris).
53
Die dagegen von der Revision vorgebrachten Einwände rechtfertigen keine andere Entscheidung. Da die Anleihe vor dem 17. Dezember 2009 begeben wurde, unterliegt sie gemäß Art. 28 Rom-I-VO nicht den Regelungen dieser Verordnung, sondern Art. 27 ff. EGBGB a.F. Entgegen der Revision kann danach das argentinische Zahlungsmoratorium kein Leistungshindernis begründen. Bei dem Zahlungsmoratorium und den zu seiner Durchsetzung erlassenen Regelungen handelt es sich aus interlokaler Sicht um "ausländische" international zwingende Bestimmungen (Eingriffsnormen; vgl. MünchKommBGB/Martiny, 4. Aufl., Art. 34 EGBGB Rn. 7 ff., 9; Palandt/Thorn, BGB, 68. Aufl., Art. 34 EGBGB Rn. 4, 5), und zwar hier aus einer Rechtsordnung, die weder das Vertragsstatut stellt, noch der lex fori angehört (sog. drittstaatliche Normen; vgl. BGH, Urteil vom 17. November 1994 - III ZR 70/93, BGHZ 128, 41, 52; MünchKomm /Martiny, aaO Rn. 37). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind ausländische Eingriffsnormen, die - wie hier - allein der Verwirklichung wirtschaftlicher oder staatspolitischer Ziele des rechtsetzenden Staates selbst dienen, nur zu beachten, wenn und soweit dieser die Möglichkeit besitzt, die Bestimmungen durchzusetzen, etwa, wenn sie auf seinem Territorium belegene Sachen und Rechte oder Handlungen, die dort zu vollziehen sind, betreffen (vgl. BGH, Urteile vom 17. Dezember 1959 - VII ZR 198/58, BGHZ 31, 367, 371, vom 16. April 1975 - I ZR 40/73, BGHZ 64, 183, 188 ff. und vom 17. November 1994 - III ZR 70/93, BGHZ 128, 41, 52 f.). Das ist hier nicht der Fall.
54
Die Revision kann sich auch nicht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Wirkungen eines Auslandskonkurses oder eines ausländischen Zwangsvergleichs im Inland berufen. Nach dieser Rechtsprechung erfasst ein solches Verfahren das im Inland belegene Vermögen des Gemeinschuldners , weil der Konkurs oder der Zwangsvergleich - anders als Enteignung und Konfiskation - nicht dem Staat, sondern ausschließlich allen Gläubigern des Gemeinschuldners und ihrer gleichmäßigen Befriedigung dient (vgl. BGH, Urteile vom 11. Juli 1985 - IX ZR 178/84, BGHZ 95, 256, 263 ff. und vom 14. November 1996 - IX ZR 339/95, BGHZ 134, 79, 80 ff.). Voraussetzung für die Anerkennung ist allerdings, dass es sich bei dem Auslandsverfahren nach den inländischen Rechtsgrundsätzen überhaupt um ein Insolvenz-(Konkurs- oder Vergleichs-)Verfahren handelt (vgl. BGH, Urteile vom 11. Juli 1985 - IX ZR 178/84, BGHZ 95, 256, 269 f. und vom 14. November 1996 - IX ZR 339/95, BGHZ 134, 79, 80). Daran fehlt es hier. Das argentinische Notstandsgesetz und das Zahlungsmoratorium sind einem Insolvenzverfahren funktionell nicht vergleichbar , weil die Beklagte als Schuldnerin eigenständig über die Aussetzung der Zahlungen an ihre Gläubiger entschieden hat und es sich daher nicht um ein staatlich geordnetes Verfahren handelt, das der Kontrolle und Aufsicht durch eine neutrale Stelle unterliegt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 14. November 1996 - IX ZR 339/95, BGHZ 134, 79, 89). Zudem dienen die von der Beklagten erlassenen Vorschriften in erster Linie den Interessen des argentinischen Staates (vgl. Art. 1 und 19 des Gesetzes Nr. 25.561).
55
Soweit aufgrund dessen die argentinische Notstandsgesetzgebung allenfalls auf materiell-rechtlicher Ebene, d.h. hier nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) oder nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB), Berücksichtigung finden können, scheidet dies vorliegend - wie bereits oben ausgeführt worden ist - aus.
Joeres Grüneberg Maihold Menges Derstadt

Vorinstanzen:
AG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 02.07.2013 - 30 C 128/13 (32) -
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 21.03.2014 - 2-24 S 139/13 -

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 24. Feb. 2015 - XI ZR 193/14

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 24. Feb. 2015 - XI ZR 193/14

Referenzen - Gesetze

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 313 Störung der Geschäftsgrundlage


(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kan

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 100


(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassu
Bundesgerichtshof Urteil, 24. Feb. 2015 - XI ZR 193/14 zitiert 12 §§.

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 25


Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 793 Rechte aus der Schuldverschreibung auf den Inhaber


(1) Hat jemand eine Urkunde ausgestellt, in der er dem Inhaber der Urkunde eine Leistung verspricht (Schuldverschreibung auf den Inhaber), so kann der Inhaber von ihm die Leistung nach Maßgabe des Versprechens verlangen, es sei denn, dass er zur Verf

Schuldverschreibungsgesetz - SchVG | § 24 Übergangsbestimmungen


(1) Dieses Gesetz ist nicht anzuwenden auf Schuldverschreibungen, die vor dem 5. August 2009 ausgegeben wurden. Auf diese Schuldverschreibungen ist das Gesetz betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen in der im Bundesge

Gesetz zur Regelung des Schuldenwesens des Bundes


Bundesschuldenwesengesetz - BSchuWG

Bundesschuldenwesengesetz - BSchuWG | § 4a Einführung von Umschuldungsklauseln


Die Emissionsbedingungen der vom Bund begebenen Schuldverschreibungen mit einer ursprünglichen Laufzeit von über einem Jahr können Klauseln enthalten, die zum Zwecke der Umschuldung eine Änderung der Emissionsbedingungen durch Mehrheitsbeschluss der

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(1) Hat jemand eine Urkunde ausgestellt, in der er dem Inhaber der Urkunde eine Leistung verspricht (Schuldverschreibung auf den Inhaber), so kann der Inhaber von ihm die Leistung nach Maßgabe des Versprechens verlangen, es sei denn, dass er zur Verfügung über die Urkunde nicht berechtigt ist. Der Aussteller wird jedoch auch durch die Leistung an einen nicht zur Verfügung berechtigten Inhaber befreit.

(2) Die Gültigkeit der Unterzeichnung kann durch eine in die Urkunde aufgenommene Bestimmung von der Beobachtung einer besonderen Form abhängig gemacht werden. Zur Unterzeichnung genügt eine im Wege der mechanischen Vervielfältigung hergestellte Namensunterschrift.

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1. Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass das Gesetz zwischen dem Besitz der eine Forderung verbriefenden Urkunde und der rechtlichen Verfügungsbefugnis über die Urkunde unterscheidet. So kann der Inhaber einer Urkunde, in welcher dem jeweiligen Inhaber eine Leistung versprochen wird, gemäß § 793 Abs. 1 Satz 1 BGB vom Aussteller die Leistung nach Maßgabe des Versprechens verlangen, es sei denn, er ist nicht zur Verfügung über die Urkunde berechtigt. Das Berufungsgericht hat daraus jedoch zu Unrecht den Schluss gezogen, dass für den Zweiterwerb der Gläubigerstellung beide Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein müssen. Wie das Verfahren der Kraftloserklärung nach § 799 BGB zeigt, büßt der Inhaber einer in einer Schuldverschreibung verbrieften Forderung das verbriefte Recht nicht durch den bloßen Besitzverlust an der Urkunde ein (Staudinger/Marburger, BGB, Neubearbeitung 2009, § 793 Rn. 15, 30), sondern bleibt auch weiterhin deren Gläubiger. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der tatsächliche neue Inhaber der Urkunde vom Aussteller Zahlung verlangt und dieser - gemäß § 793 Abs. 1 Satz 2 BGB mit schuldbefreiender Wirkung - leistet. § 793 Abs. 1 Satz 1 BGB verschafft dem Urkundeninhaber lediglich Legitimationswirkung gegenüber dem Aussteller (Staudinger/Marburger, BGB, Neubearbeitung 2009, § 793 Rn. 23 ff.), macht ihn aber nicht zum materiell Berechtigten der verbrieften Forderung.

Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.

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1. Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass das Gesetz zwischen dem Besitz der eine Forderung verbriefenden Urkunde und der rechtlichen Verfügungsbefugnis über die Urkunde unterscheidet. So kann der Inhaber einer Urkunde, in welcher dem jeweiligen Inhaber eine Leistung versprochen wird, gemäß § 793 Abs. 1 Satz 1 BGB vom Aussteller die Leistung nach Maßgabe des Versprechens verlangen, es sei denn, er ist nicht zur Verfügung über die Urkunde berechtigt. Das Berufungsgericht hat daraus jedoch zu Unrecht den Schluss gezogen, dass für den Zweiterwerb der Gläubigerstellung beide Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein müssen. Wie das Verfahren der Kraftloserklärung nach § 799 BGB zeigt, büßt der Inhaber einer in einer Schuldverschreibung verbrieften Forderung das verbriefte Recht nicht durch den bloßen Besitzverlust an der Urkunde ein (Staudinger/Marburger, BGB, Neubearbeitung 2009, § 793 Rn. 15, 30), sondern bleibt auch weiterhin deren Gläubiger. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der tatsächliche neue Inhaber der Urkunde vom Aussteller Zahlung verlangt und dieser - gemäß § 793 Abs. 1 Satz 2 BGB mit schuldbefreiender Wirkung - leistet. § 793 Abs. 1 Satz 1 BGB verschafft dem Urkundeninhaber lediglich Legitimationswirkung gegenüber dem Aussteller (Staudinger/Marburger, BGB, Neubearbeitung 2009, § 793 Rn. 23 ff.), macht ihn aber nicht zum materiell Berechtigten der verbrieften Forderung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 363/04 Verkündet am:
28. Juni 2005
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
_____________________
AGBG §§ 1, 2
Anleihebedingungen von Inhaberschuldverschreibungen fallen nicht in den
Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 AGBG (jetzt: § 305 Abs. 2 BGB).
BGH, Urteil vom 28. Juni 2005 - XI ZR 363/04 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. Juni 2005 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, den
Richter Dr. Joeres, die Richterin Mayen und die Richter Dr. Ellenberger
und Prof. Dr. Schmitt

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 13. Oktober 2004 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin nimmt die beklagte Bank auf Tilgung e iner Aktienanleihe zum Nennbetrag, hilfsweise auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Aufklärung über die Anleihebedingungen in Anspruch.
Die Klägerin, die bereits zweimal Aktienanleihen v on der Beklagten erworben hatte, kaufte, vertreten durch ihren Sohn, am 12. Juli 2000 zum Kurs von 98,20 von der Beklagten Teilschuldverschreibungen im Nennwert von 6.000 €. Diese waren Teile einer von der Beklagten selbst emittierten und mit einem Zinssatz von 16% ausgestatteten Inhaberschuldverschreibung. Nach den Inhaberschuldverschreibungsbedingungen, die Bestandteil der Global-Inhaberschuldverschreibung waren, war die Ausgabe effektiver Teilschuldverschreibungen ausgeschlossen. Die Teilschuldverschreibungen waren am 21. Juni 2001 zum Nennbetrag zu tilgen , sofern nicht der Kurs der N. -Aktien am Bewertungstag den Basispreis von 52,63 € unterschritt. In diesem Fall hatte die Tilgung durch Lieferung von 19 Aktien je 1.000 € Schuldverschreibung zu erfolgen. Die Inhaberschuldverschreibungsbedingungen wurden der Klägerin nicht ausgehändigt.
Die Beklagte kündigte der Klägerin mit Schreiben v om 2. Juni 2001 an, daß die Anleihe am 21. Juni fällig und der Einlösebetrag ihrem Konto gutgeschrieben werde. Mit Schreiben vom 22. Juni 2001 teilte sie ihr mit, die Einlösung der Anleihe sei durch Lieferung von 114 Aktien zum Kurs von 26,65 € erfolgt. Diese schrieb sie dem Wertpapierdepot der Klägerin gut. Das Schreiben vom 2. Juni 2001 erklärte die Beklagte in einem weiteren Schreiben vom 5. Juli 2001 mit einem Programmfehler.
Die Klägerin macht geltend, mit Schreiben vom 2. J uni 2001 habe die Beklagte die Zahlung des Nennbetrages gewählt. Hilfsweise macht die Klägerin geltend, die Beklagte habe ihre Pflicht, über die gegebenenfalls durch die Lieferung von Aktien erfolgende Tilgung sowie über den Bewertungstag und den Basispreis aufzuklären, verletzt. Die Beklagte
hat demgegenüber vorgetragen, sie habe dem Sohn der Klägerin eine schriftliche Kurzbeschreibung der Anleihe ausgehändigt, die die gewünschten Informationen enthalten habe.
Das Landgericht (WM 2005, 1078) hat die Klage auf Rückzahlung des Nennbetrages in Höhe von 6.000 €, hilfsweise auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 5.952,49 €, jeweils nebst Zinsen und Zug-umZug gegen Herausgabe der Aktien, abgewiesen. Das Berufungsgericht (BKR 2005, 117) hat ihr mit dem Hauptantrag stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebun g des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung der Berufung der Klägerin.

I.


Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im wes entlichen wie folgt begründet:
Die Beklagte sei aufgrund der Ausübung ihres Wahlr echts zur Rückzahlung des Nennbetrages der Anleihe verpflichtet. Die Inhaberschuldverschreibungsbedingungen , die kein Wahlrecht der Beklagten, sondern die Verpflichtung enthielten, bei Unterschreitung des vereinbar-
ten Basispreises die versprochenen Aktien zu liefern, seien nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden, weil der Klägerin nicht die Möglichkeit verschafft worden sei, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen (§ 2 AGBG). Der vorliegende Fall des direkten Verkaufs einer Anleihe vom Emittenten an den Anleger, die sog. Eigenemission ohne Einschaltung einer Konsortialbank, könne nicht im Interesse der Funktionsfähigkeit des Wertpapierhandels vom Anwendungsbereich des § 2 AGBG ausgenommen werden. Dies sei aus Sicht des Verbraucherschutzes nicht gerechtfertigt und zur Wahrung der Fungibilität der Wertpapiere nicht erforderlich. § 2 AGBG könne problemlos eingehalten werden, indem der Emittent dem ersten Inhaber der Schuldverschreibungen deren Bedingungen übergebe. Erst bei der Person des Zweiterwerbers träten Fragen auf, die sich nicht mit der Einbeziehung in den Vertrag gemäß § 2 AGBG lösen ließen.
Da die Parteien einen Vertrag ohne Geltung der Inh aberschuldverschreibungsbedingungen geschlossen hätten (§ 6 AGBG) und als Rückzahlungsarten die Zahlung des Nennbetrages und die Lieferung von Aktien in Betracht kämen, sei von einem Wahlrecht der Beklagten gemäß § 262 BGB auszugehen. Dieses habe die Beklagte mit Schreiben vom 2. Juni 2001 im Sinne der Rückzahlung des Nennbetrages ausgeübt. Diese Erklärung habe sie mit ihrem Schreiben vom 5. Juli 2001 nicht wirksam angefochten, weil kein Irrtum im Sinne des § 119 BGB vorliege. Software-Fehler beträfen nur die Erklärungsvorbereitung und berechtigten nicht zur Irrtumsanfechtung.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
Die Klägerin hat aufgrund des Leistungsversprechen s, das die Beklagte durch die Ausstellung der Global-Inhaberschuldverschreibung abgegeben hat, keinen Anspruch gemäß § 793 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Rückzahlung des Nennbetrages der Teilschuldverschreibungen in Höhe von 6.000 €. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Inhaberschuldverschreibungsbedingungen seien nicht wirksam in den Vertrag zwischen den Parteien einbezogen worden, ist rechtsfehlerhaft.
1. Ob die Inhaberschuldverschreibungsbedingungen V ertragsbestandteil geworden sind, ist, anders als das Berufungsgericht meint, nicht nach § 2 Abs. 1 AGBG, sondern nach §§ 145 ff. BGB zu beurteilen.
Anleihebedingungen von Inhaberschuldverschreibunge n sind nach ganz herrschender Meinung Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 AGBG (Begr.RegE AGBG BT-Drucks. 7/3919 S. 18; BGHZ 119, 305, 312 und OLG Düsseldorf WM 1991, 1375, 1379 für Genußscheinbedingungen; Grundmann, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 112 Rdn. 115; Bosch, in: Hellner /Steuer, Bankrecht und Bankpraxis Rdn. 10/159 ff.; Claussen, Bankund Börsenrecht 3. Aufl. Rdn. 319; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht 3. Aufl. Rdn. 9.203; Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, AGBG 9. Aufl. § 2 Rdn. 13; Wolf, in: Wolf/Horn/Lindacher, AGBG 4. Aufl. § 1 Rdn. 13; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht Rdn. 7.110 und
8.113; Masuch, Anleihebedingungen und AGB-Gesetz S. 58; Schwintowski /Schäfer, Bankrecht 2. Aufl. § 23 Rdn. 103; Stucke, Die Rechte der Gläubiger bei DM-Auslandsanleihen S. 257; Hopt, in: Festschrift Steindorff S. 341, 364; Köndgen NJW 1996, 558, 563; Rozijn ZBB 1998, 77, 92; ebenso für Eigenemissionen: Hartwig-Jacob, Die Vertragsbeziehungen und die Rechte der Anleger bei internationalen Anleiheemissionen S. 232 ff.; Kallrath, Die Inhaltskontrolle der Wertpapierbedingungen von Wandel- und Optionsanleihen, Gewinnschuldverschreibungen und Genußscheinen S. 41 ff.; Bungert DZWir 1996, 185, 187 ff.; Joussen WM 1995, 1861, 1863 ff.; a.A. Ekkenga ZHR 160 (1996), 59, 71 ff.; Assmann WM 2005, 1053, 1057 f.).
Sie fallen aber nach der im Schrifttum (Kümpel, Ba nk- und Kapitalmarktrecht 3. Aufl. Rdn. 9.214 ff.; Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen/ Schmidt, AGBG 9. Aufl. § 2 Rdn. 14 a; Claussen, Bank- und Börsenrecht 3. Aufl. Rdn. 319; Masuch, Anleihebedingungen und AGB-Gesetz S. 73 ff.; Grundmann, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 112 Rdn. 115; von Randow, in: Baums/Cahn, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts S. 25, 46 unter Aufgabe von ZBB 1994, 23, 27 ff.; Hopt, in: Festschrift Steindorff S. 341, 367; Bungert DZWir 1996, 185, 193; a.A. Palandt/Heinrichs, BGB 64. Aufl. § 305 Rdn. 27; Than, in: Festschrift für Heinsius S. 809, 831; vgl. aber Than, in: Baums/Cahn, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts S. 3, 23) ganz überwiegend vertretenen Auffassung nicht in den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 AGBG. Dieser Meinung schließt sich der Senat an.

a) Anleihebedingungen fallen zwar nicht unter die Bereichs- und Einzelausnahmen, auf die § 2 Abs. 1 AGBG gemäß § 23 Abs. 1, Abs. 2
Nr. 1, 1 a, 1 b und Abs. 3 AGBG keine Anwendung findet. § 23 AGBG ist aber trotz seines Ausnahmecharakters nicht abschließender Natur, sondern läßt weitere Ausnahmen für andere Rechtsgebiete und Vertragstypen zu (Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, AGBG 9. Aufl. § 23 Rdn. 1; Staudinger/Schlosser, BGB 13. Bearb. § 23 AGBG Rdn. 1; Horn, in: Wolf/Horn/Lindacher, AGBG 4. Aufl. § 23 Rdn. 3; Masuch, Anleihebedingungen und AGB-Gesetz S. 59; a.A. Soergel/Stein, BGB 12. Aufl. § 23 AGBG Rdn. 2).

b) In bezug auf Anleihebedingungen unterliegt der Wortlaut des § 2 Abs. 1 AGBG mit Rücksicht auf den Willen des Gesetzgebers, den Rechtsverkehr durch § 2 AGBG nicht unnötig zu behindern (vgl. Begr.RegE AGBG BT-Drucks. 7/3919 S. 13; siehe ferner den vom Bundesministerium der Justiz im April 2003 vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Schuldverschreibungsrechts, S. 11) und Teilschuldverschreibungen als fungible Wertpapiere auszugestalten (vgl. § 793 Abs. 1 Satz 1, § 796 BGB), einer funktionalen Reduktion.
aa) Das Berufungsgericht ist im Ansatz zu Recht da von ausgegangen , daß Emittenten, die Teilschuldverschreibungen unmittelbar an Verbraucher ausgeben, die Einbeziehungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 AGBG durch die Aushändigung der Anleihebedingungen ohne weiteres einhalten können. Dies reicht aber zur Wahrung der Fungibilität der Schuldverschreibungen und damit der Funktionsfähigkeit des Wertpapierhandels nicht aus, weil für Rechtsnachfolger der Ersterwerber nicht sicher erkennbar ist, ob die Anleihebedingungen wirksam Vertragsbestandteil geworden sind. In dem bei der Bewältigung des heutigen Massengeschäfts üblichen und auch im vorliegenden Fall praktizierten stü-
ckelosen Effektenverkehr (Senat, Urteile vom 30. November 2004 - XI ZR 200/03, WM 2005, 272, 273, für BGHZ vorgesehen, und vom 30. November 2004 - XI ZR 49/04, WM 2005, 274, 275) können die Anforderungen des § 2 Abs. 1 AGBG in aller Regel nicht durch Übergabe von Wertpapierurkunden, auf denen die Anleihebedingungen abgedruckt sind, eingehalten werden (Grundmann, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 112 Rdn. 115; Ulmer, in: Ulmer/ Brandner/Hensen/Schmidt, AGBG 9. Aufl. § 2 Rdn. 14 a; Wolf, in: Festschrift Zöllner I S. 651, 652 f.). Der Emittent müßte den Anforderungen des § 2 Abs. 1 AGBG auf andere Weise, etwa durch die individuelle Aushändigung der Anleihebedingungen an jeden Ersterwerber, genügen. Für spätere Erwerber wäre dann nicht mehr erkennbar, ob bei der Emission der von ihm erworbenen Teilschuldverschreibung die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AGBG erfüllt worden und die Anleihebedingungen Vertragsbestandteil geworden sind (Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen/ Schmidt, AGBG 9. Aufl. § 2 Rdn. 14 a; Masuch, Anleihebedingungen und AGB-Gesetz S. 66).
Die Ungewißheit späterer Erwerber über die Konditi onen ihrer Teilschuldverschreibung würde noch dadurch verstärkt, daß es unterschiedliche Emissionsformen mit unterschiedlichen rechtlichen Anforderungen gibt und für die Rechtsnachfolger der Ersterwerber nicht erkennbar ist, in welcher Weise ihre Teilschuldverschreibungen emittiert worden sind. Bei einer Fremdemission werden die Anleihebedingungen Bestandteil des Übernahmevertrages zwischen Emittenten und Konsortialbank (Bosch, in: Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis Rdn. 10/166), auf den § 2 Abs. 1 AGBG gemäß § 24 Satz 1 AGBG nicht anwendbar ist. Da die Anleihebedingungen durch den Übernahmevertrag Bestandteil des
verbrieften Rechts werden, müssen sie in die Verträge der Konsortialbank mit den einzelnen Anlegern nicht erneut einbezogen werden (Begr.RegE AGBG BT-Drucks. 7/3919 S. 18; OLG Frankfurt am Main WM 1993, 2089; Bosch, in: Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis Rdn. 10/166; Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, AGBG 9. Aufl. § 2 Rdn. 14; Wolf, in: Wolf/Horn/Lindacher, AGBG 4. Aufl. § 2 Rdn. 3; Stucke, Die Rechte der Gläubiger bei DM-Auslandsanleihen S. 259). Auch Eigenemissionen gegenüber Unternehmern im Sinne des § 14 Abs. 1 BGB unterliegen nach § 24 Satz 1 AGBG nicht den Anforderungen des § 2 Abs. 1 AGBG. Wäre § 2 Abs. 1 AGBG allein auf Eigenemissionen gegenüber Verbrauchern im Sinne des § 13 BGB anzuwenden, könnten in Abhängigkeit von der Einhaltung der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 AGBG inhaltlich unterschiedlich ausgestaltete Schuldverschreibungen entstehen, die im Handel nicht hinreichend unterscheidbar wären. Rechtsnachfolger der Ersterwerber blieben über den Inhalt der erworbenen Rechte im Unklaren (Assmann WM 2005, 1053, 1060 f.). Ohne Sicherheit über die inhaltliche Austauschbarkeit aller Wertpapiere derselben Emission wäre aber die Funktionsfähigkeit des auf schnelle und anonyme Abwicklung des Massengeschäfts ausgerichteten Kapitalmarkts gefährdet (Masuch, Anleihebedingungen und AGB-Gesetz S. 66).
bb) Gegen die Anwendbarkeit des § 2 Abs. 1 AGBG sp richt auch der Grundsatz, daß die Auslegung von Schuldverschreibungen für alle Stücke einheitlich und ohne Rücksicht auf Besonderheiten in der Person des einzelnen Inhabers erfolgen muß. Dieser Grundsatz, der die Verkehrsfähigkeit der Kapitalmarktpapiere sichern soll (vgl. RGZ 117, 379, 382; BGHZ 28, 259, 263), ist auf die Einbeziehung von Anleihebedingungen übertragbar (Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht 3. Aufl.
Rdn. 9.214). Dem Bedürfnis des Kapitalmarktes nach einem einheitlichen , standardisierten Inhalt der Wertpapiere widerspräche es, wenn Wertpapiere derselben Emission unterschiedlichen Anforderungen an die Einbeziehung der Anleihebedingungen unterlägen und infolgedessen unter Umständen unterschiedlich ausgestaltete Rechte verbrieften (Wolf, in: Wolf/Horn/Lindacher, AGBG 4. Aufl. § 2 Rdn. 30; Bungert DZWir 1996, 185, 193; von Randow, in: Baums/Cahn, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts S. 25, 64).

c) Daß § 2 Abs. 1 AGBG auf Anleihebedingungen kein e Anwendung findet, ist mit der Schutzfunktion dieser Vorschrift vereinbar.
aa) Der durch die gesetzliche Einbeziehungskontrol le gewährte Schutz wirkt bei Inhaberschuldverschreibungen und anderen Wertpapieren ohnehin nur zugunsten von Ersterwerbern. Wenn die Anleihebedingungen wirksam in den Vertrag mit dem Ersterwerber einbezogen worden sind, gelten sie auch ohne erneute Einbeziehung gegenüber derivativen Erwerbern, weil diese nicht mehr oder andere Rechte als ihre Rechtsvorgänger erwerben können (vgl. Begr.RegE AGBG BTDrucks. 7/3919 S. 18; OLG Frankfurt am Main WM 1993, 2089; Bosch, in: Hellner/Steuer, Bankrecht und Bankpraxis Rdn. 10/166; Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, AGBG 9. Aufl. § 2 Rdn. 14; Wolf, in: Wolf/Horn/Lindacher, AGBG 4. Aufl. § 2 Rdn. 3; Stucke, Die Rechte der Gläubiger bei DM-Auslandsanleihen S. 259; Hopt, in: Festschrift Steindorff S. 341, 366).
bb) Zudem wird der Schutzzweck des § 2 Abs. 1 AGBG , die Offenlegung der Anleihebedingungen gegenüber Anlegern, durch die in der
Börsenzulassungs-Verordnung und dem Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz geregelten kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten erreicht (Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht 3. Aufl. Rdn. 9.216; Masuch, Anleihebedingungen und AGB-Gesetz S. 74; von Randow, in: Baums/Cahn, Die Reform des Schuldverschreibungsrechts S. 25, 45 f.; siehe auch Assmann WM 2005, 1053, 1066 f.). Diese Pflichten dienen ebenfalls dem Schutz des Anlegers und werden vom Gesetzgeber insoweit als ausreichend angesehen (vgl. Masuch, Anleihebedingungen und AGB-Gesetz S. 74).

d) Die Unanwendbarkeit des § 2 Abs. 1 AGBG auf Anl eihebedingungen ist, anders als die Revisionserwiderung meint, mit der Richtlinie 93/13/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 5. April 1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. EG 1993, Nr. L 95 S. 29 ff.) vereinbar. Die Richtlinie enthält keine ausdrücklichen Regeln über die Einbeziehung vorformulierter Klauseln in einen Vertrag. Allerdings müssen Vertragsklauseln nach Art. 5 Satz 1 stets klar und verständlich abgefaßt sein. Dies schließt nach der Präambelerwägung Nr. 20 die tatsächliche Möglichkeit der Kenntnisnahme ein. Diese ist bei Anleihebedingungen aufgrund der kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten gewährleistet. Im übrigen bleibt in der Richtlinie die Rechtsfolge eines etwaigen Verstoßes gegen das Transparenzgebot offen. Die Nichteinbeziehung der betreffenden Klausel als Sanktion ist der Richtlinie nicht zu entnehmen (vgl. MünchKomm/Basedow, BGB 4. Aufl. § 305 Rdn. 49).
2. Da § 2 Abs. 1 AGBG nicht anwendbar ist, genügt für die Einbeziehung der Anleihebedingungen in den Vertrag zwischen den Parteien
eine zumindest konkludente Einbeziehungsvereinbarung (vgl. für Fälle des § 23 Abs. 2: Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, AGBG 9. Aufl. § 23 Rdn. 34 und 36 f.; Staudinger/Schlosser, BGB 13. Bearb. § 23 AGBG Rdn. 17). Eine solche haben die Parteien getroffen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte den Sohn der Klägerin zwar nicht ausdrücklich auf die Geltung der Anleihebedingungen hingewiesen. Der Sohn der Klägerin wußte aber, daß er, wie bereits in früheren Fällen, Aktienanleihen erwarb, deren inhaltliche Ausgestaltung sich nur aus den Anleihebedingungen ergeben konnte. Diese sind als notwendiger Bestandteil des Vertrages von den Parteien stillschweigend vereinbart worden. Die Klägerin hatte bei Vertragsschluß auch die Möglichkeit , die Anleihebedingungen einzusehen und sich aushändigen zu lassen. Sie hat zwar bestritten, die Kurzinformation der Beklagten erhalten zu haben, aber nicht vorgetragen, die Beklagte habe ihr die Anleihebedingungen während der Vertragsverhandlungen trotz einer Bitte um Aushändigung vorenthalten.
3. Gemäß § 3 Nr. 2 der somit Vertragsbestandteil g ewordenen Anleihebedingungen , die kein Wahlrecht der Beklagten vorsehen, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Tilgung zum Nennbetrag, weil der Kurs der N. -Aktie den Basispreis am Bewertungstag unstreitig unterschritten hat.

III.


Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nic ht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

1. Mit der Revision der Beklagten gegen ihre Verur teilung aus dem Hauptanspruch ist auch der Hilfsanspruch der Revisionsinstanz angefallen (vgl. Senat, Urteil vom 25. November 2003 - XI ZR 379/02, WM 2004, 121, 123 m.w.Nachw.).
2. Der auf Schadensersatz in Höhe des entrichteten Kaufpreises gerichtete Hilfsanspruch ist unbegründet.

a) Die Parteien haben durch die Aufnahme eines Ber atungsgespräches konkludent einen Beratungsvertrag geschlossen (vgl. Senat BGHZ 123, 126, 128 sowie Urteil vom 9. Mai 2000 - XI ZR 159/99, WM 2000, 1441, 1442). Der Klägerin steht aber kein Anspruch wegen positiver Vertragsverletzung zu, weil von einer Verletzung der Pflichten der Beklagten aus dem Beratungsvertrag nicht ausgegangen werden kann. Die Beklagte war zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet (Senat BGHZ 123, 126, 128). Dazu gehören, soweit erforderlich , eine Exploration des Kunden sowie eine zutreffende, vollständige und geordnete Aufklärung über das Anlageobjekt (Nobbe, in: Horn/Schimansky, Bankrecht 1998 S. 235, 241 ff.).
aa) Im vorliegenden Fall war eine erneute Ermittlu ng der Anlageziele , der finanziellen Verhältnisse sowie der einschlägigen Erfahrungen und Kenntnisse der Klägerin bzw. ihres Sohnes nicht erforderlich, weil die Klägerin bereits in den letzten eineinhalb Jahren vor Abschluß des streitgegenständlichen Geschäfts zwei Aktienanleihen bei der Beklagten erworben hatte, von denen eine erst am 2. Mai 2000 fällig geworden war.
Da der erneute Erwerb von Aktienanleihen dem bisherigen Anlageverhalten der Klägerin entsprach, war eine Exploration nicht mehr erforderlich.
bb) Die Beklagte mußte die Klägerin auch nicht dar über aufklären, daß die Tilgungsart nicht von der Ausübung eines Wahlrechts der Beklagten abhing, sondern in den Anleihebedingungen verbindlich geregelt war.
Ein erfahrener Anleger, der - wie die Klägerin - b ereits wiederholt Aktienanleihen erworben hat, ist ungefragt nur über risikoerhöhende besondere Umstände aufzuklären, die erkennbar für seinen Kaufentschluß von wesentlicher Bedeutung sind, etwa weil sie die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Spekulation erheblich beeinträchtigen können, und über die er nach Treu und Glauben und der Verkehrsauffassung eine Aufklärung erwarten darf (vgl. Senat BGHZ 117, 135, 143 für Aktienoptionsgeschäfte ). Das Risiko des Anlegers ändert sich aber nicht dadurch, daß der Inhalt der Rückgewährpflicht nicht von einem Wahlrecht der Emittentin , sondern von dem Aktienkurs an einem bestimmten Referenztag abhängt (vgl. Lenenbach NZG 2001, 481, 484). Der Erwerber einer Aktienanleihe muß davon ausgehen, daß sich der Emittent bei einer Unterschreitung des Basiswertes, die nach den im vorliegenden Fall vereinbarten Anleihebedingungen zu einer Tilgung durch Lieferung von Aktien führt, auch im Falle eines Wahlrechts für diese ihm günstigere Alternative entscheidet.
Die Klägerin macht auch ohne Erfolg geltend, die B eklagte habe sie nicht über den Bewertungstag und den Basispreis aufgeklärt. Nach dem Vorbringen der Beklagten hat der Sohn der Klägerin eine Kurzbe-
schreibung der Anleihe ausgehändigt erhalten. Dieses Vorbringen ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht widerlegt. Das vom Berufungsgericht nach Beweisaufnahme insoweit angenommene non liquet geht zu Lasten der für die Aufklärungspflichtverletzung beweisbelasteten Klägerin.

b) Da die Beklagte ihre Pflichten zur Exploration und Aufklärung nicht verletzt hat, hat sie auch nicht gegen § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 WpHG verstoßen. Deshalb braucht nicht entschieden zu werden, ob diese Vorschrift ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist (vgl. Senat BGHZ 142, 345, 356; 147, 343, 348; Urteil vom 24. Juli 2001 - XI ZR 329/00, WM 2001, 1718, 1719).

IV.


Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 56 2 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Berufung zurückweisen.
Nobbe Joeres Mayen
Richter am Bundesge- Schmitt richtshof Dr. Ellenberger ist wegen Urlaubs verhindert seine Unterschrift beizufügen. Nobbe
24
aa) In Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendete Rechtsbegriffe sind in der Regel entsprechend ihrer juristischen Fachbedeutung zu verstehen, insbesondere wenn sie - wie hier der Begriff des Bilanzverlusts in den Genussscheinbedingungen - erkennbar auf eine gesetzliche Regelung Bezug nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 2003 - VIII ZR 135/02, ZIP 2003, 1095, 1096). Genussscheinbedingungen sind allgemeine Geschäftsbedingungen (BGH, Urteil vom 5. Oktober 1992 - II ZR 172/91, BGHZ 119, 305, 312; Urteil vom 28. Mai 2013 - II ZR 67/12, ZIP 2013, 1570 Rn. 32).

(1) Dieses Gesetz ist nicht anzuwenden auf Schuldverschreibungen, die vor dem 5. August 2009 ausgegeben wurden. Auf diese Schuldverschreibungen ist das Gesetz betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 4134-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 53 des Gesetzes vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2911) geändert worden ist, weiter anzuwenden, soweit sich aus Absatz 2 nichts anderes ergibt.

(2) Gläubiger von Schuldverschreibungen, die vor dem 5. August 2009 ausgegeben wurden, können mit Zustimmung des Schuldners eine Änderung der Anleihebedingungen oder den Austausch der Schuldverschreibungen gegen neue Schuldverschreibungen mit geänderten Anleihebedingungen beschließen, um von den in diesem Gesetz gewährten Wahlmöglichkeiten Gebrauch machen zu können. Für die Beschlussfassung gelten die Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend; der Beschluss bedarf der qualifizierten Mehrheit.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I I Z R 3 8 1 / 1 3 Verkündet am:
1. Juli 2014
Stoll,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Die Übergangsvorschrift des § 24 Abs. 2 SchVG findet auf nach deutschem
Recht begebene inhaltsgleiche Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen,
die vor dem 5. August 2009 ausgegeben wurden, Anwendung, auch wenn sie
nicht dem Schuldverschreibungsgesetz von 1899 unterfielen.

b) Der Beschluss der Gläubigerversammlung und die Änderung der Anleihebedingungen
sind unabhängig vom Vollzug des Änderungsbeschlusses nichtig, wenn
der Beschluss nicht gleiche Bedingungen für alle Gläubiger vorsieht.
BGH, Urteil vom 1. Juli 2014 - II ZR 381/13 - OLG Frankfurt
LG Darmstadt
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 1. Juli 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann und den
Richter Prof. Dr. Strohn, die Richterin Dr. Reichart sowie die Richter
Dr. Drescher und Born

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 24. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15. März 2013 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Kläger erwarben im Jahr 2006 auf den Namen des Inhabers lautende , durch Indossament übertragbare und mit 5 % p.a. fest verzinsliche Wandelgenussscheine der Beklagten zu einem Nennkapital von 18.000 €. In den Anleihebedingungen heißt es u.a.: "10.3 Laufzeit Die Laufzeit beginnt am 01.09.2001 und endet am 31.08.2011. Die Genussscheine sind am Ende der Laufzeit fällig zur Einlösung zum Nennbetrag, sofern der Berechtigte sein Wandlungsrecht in Aktien der Gesellschaft nicht ausgeübt hat. Wegen des Inhalts des Wandlungsrechts wird auf Abschnitt 11 dieses Prospekts verwiesen. … 10.5 Rangstellung der Genussrechte Vor Ausübung des Wandlungsrechts ist der Genussscheininhaber als Gläubiger der AG gesellschaftsrechtlich nicht an möglichen Verlusten beteiligt. In einem etwaigen Insolvenzfalle haben jedoch die Forderungen aus den Genussrechten den Nachrang nach den Forderungen aller anderen Gläubiger der Gesellschaft. 11 Das Wandlungsrecht der Genussscheinberechtigten Mit den Genussscheinen ist das Wahlrecht verbunden, vor dem Ende der Laufzeit anstelle der Einlösung zum Nennwert die Wandlung in Aktien der Gesell- schaft zu verlangen … 11.2 Ausübung des Wandlungsrechts Das Wandlungsrecht wird durch schriftliche Erklärung an die Gesellschaft ausgeübt. Die Frist zur Abgabe der Erklärung (Wandlungserklärungsfrist) beginnt zwei Monate vor dem Ende der Laufzeit der Genussscheine, somit am 30.06.2011, und läuft einen Monat, bis zum 31.07.2011. 11.3 Wandlungspreis Die Wandlung erfolgt zu einem Preis, der der Hälfte des Durchschnittskurses der amtlich festgestellten Tageskurse der letzten 20 Börsentage vor Beginn der Wandlungserklärungsfrist entspricht, mindestens jedoch zum Nennwert der Aktien. Sollten die Aktien der Gesellschaft vier Monate vor Ende der Laufzeit der Genussscheine nicht zum Handel an einer deutschen Börse zugelassen oder in den Freiverkehr einbezogen sein, tritt an die Stelle des Durchschnittskurses der letzten 20 Börsentage der geschätzte, auf die Aktien der Gesellschaft anteilig entfallende Nettovermögenswert (Net Asset Value). In diesem Falle wird der Nettovermögenswert durch das Gutachten eines von der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main zu bestimmenden öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für alle Beteiligten rechtlich verbindlich ermittelt."
2
Die Kläger übten das Wandlungsrecht nicht aus und forderten nach dem 31. August 2011 das Genussscheinkapital zum Nennwert von 18.000 € zurück. Mit der Klage haben sie die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 18.000 € nebst Zinsen und vorprozessualen Rechtsanwaltskosten beantragt. Die Klage hatte vor dem Landgericht Erfolg.
3
Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte eine Abstimmung der Gläubiger ohne Versammlung vorgetragen, die mit qualifizierter Mehrheit folgende Änderung der Anleihebedingungen ergeben habe: "Die Wandelgenussscheinbedingungen werden dahingehend ergänzt, dass das Schuldverschreibungsgesetz vom 31. Juli 2009 Anwendung findet, d.h. dass die Wandelgenussscheine hinsichtlich der Anwendbarkeit dieses Gesetzes so behandelt werden, als wären sie erst nach dem 5. August 2009 ausgegeben worden. Insbesondere sollen die in dem Gesetz vorgesehenen Wahlmöglichkeiten Anwendung finden.
a) Gegenstand des Wandlungsrechts sind die Vorzugsaktien der I. AG & Co. Verwaltungs KGaA …
b) Die Laufzeit der Wandelgenussscheine wird um vier Jahre bis zum 31.08.2015 verlängert.
c) Die Frist zur Abgabe der Wandlungserklärung (Wandlungserklärungsfrist) wird ebenfalls um vier Jahre bis zum 31.07.2015 verlängert …
d) Inhaber von Wandelgenussscheinen, die für diesen Beschlussvorschlag gestimmt haben, können von der Gesellschaft schon vor dem Ende der verlängerten Laufzeit den Rückkauf ihrer Wandelgenussscheine zum Nennwert verlan- gen, wenn sie auf ihr Wandlungsrecht verzichten … … Ein Rückkaufsanspruch vor dem Ende der verlängerten Laufzeit ist ausge- schlossen, wenn der Wandelgenussscheininhaber sich nicht an die geänderten Wandlungsbedingungen hält, auch wenn er nicht für die Änderung gestimmt hat."
4
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten , die ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision hat keinen Erfolg.
6
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Rückzahlungsanspruch der Kläger sei fällig. Er stehe nicht unter der aufschiebenden Bedingung der Ausgabe von Aktien. Die von der Beklagten durchgeführte Abstimmung ohne Versammlung habe im Verhältnis zu den Klägern nicht zu einer wirksamen Änderung der Anleihebedingungen geführt. Zwar könne die Beklagte die Tatsache der Durchführung und das Ergebnis der Abstimmung in das Berufungsverfahren einführen. Die rückwirkende Verlängerung der Laufzeit sei aber gesetzeswidrig und nichtig. Weder für eine unter der Geltung des Gesetzes betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen vom 4. Dezember 1899 (RGBl. S. 691, im Folgenden: SchVG 1899) noch für eine neue, unter dem am 5. August 2009 in Kraft getretenen Gesetz über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen (Schuldverschreibungsgesetz - SchVG) vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2512) begebene Anleihe sei eine Laufzeitverlängerung möglich gewesen. Dem Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden, er habe mit § 24 Abs. 2 SchVG für die auslaufende Gruppe der vor Inkrafttreten des Schuldverschreibungsgesetzes begebenen Altanleihen ein besonderes Recht mit der Möglichkeit schaffen wollen, diese unbeschränkt von den Grenzen sowohl des SchVG 1899 als auch des Schuldverschreibungsgesetzes nach dem Belieben der Mehrheit der Gläubiger im Einvernehmen mit dem Schuldner zu ändern.
7
II. Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
8
1. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht eine Änderung der Anleihebedingungen für ausgeschlossen erachtet, weil weder die Grenzen des SchVG 1899 für Änderungen der Anleihebedingungen durch Mehrheitsentscheidungen eingehalten sind noch in den Anleihebedingungen der Wandelgenussscheine Mehrheitsentscheidungen vorgesehen sind. Die Genussscheingläubiger der Beklagten konnten beschließen, von den Möglichkeiten der §§ 5 ff. SchVG Gebrauch zu machen. Auf die vor dem 5. August 2009 begebenen Genussscheine findet § 24 Abs. 2 SchVG Anwendung, wonach Gläubiger von Schuldverschreibungen, die vor dem 5. August 2009 ausgegeben wurden, mit Zustimmung des Schuldners eine Änderung der Anleihebedingungen oder den Austausch der Schuldverschreibungen gegen neue Schuldverschreibungen mit geänderten Anleihebedingungen beschließen können, um von den im Schuldverschreibungsgesetz gewährten Möglichkeiten Gebrauch machen zu können.
9
a) Dabei kann dahinstehen, ob auf die Genussscheine der Beklagten das SchVG 1899 anwendbar war. § 24 Abs. 2 SchVG findet auf nach deutschem Recht begebene inhaltsgleiche Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen (§ 1 Abs. 1 SchVG) Anwendung, auch wenn sie nicht dem SchVG 1899 unterfielen (OLG Schleswig, ZIP 2014, 221; LG Frankfurt, ZIP 2011, 2306; Baums/Schmidtbleicher, ZIP 2012, 204, 205 ff.; Paulus, WM 2012, 1109, 1112 f.; Keller, BKR 2012, 15, 17; Hartwig-Jacob/Friedl in FraKommSchVG, § 24 Rn. 13; aA Horn, Gedächtnisschrift Hübner, 2012, S. 521, 529). Das folgt schon aus dem Wortlaut der Übergangsvorschrift. § 24 Abs. 2 SchVG enthält eine eigenständige Regelung für alle Schuldverschreibungen im Sinn von § 1 Abs. 1 SchVG. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SchVG ist das Schuldverschreibungsgesetz zwar auf Schuldverschreibungen, die vor dem 5. August 2009 ausgegeben wurden, nicht anzuwenden, und nach § 24 Abs. 1 Satz 2 SchVG ist das SchVG 1899 auf solche Schuldverschreibungen weiter anzuwenden. § 24 Abs. 2 SchVG bezieht sich dem Wortlaut nach aber wieder auf alle Schuldverschreibungen , die vor dem 5. August 2009 ausgegeben wurden, nicht nur auf solche, die dem SchVG 1899 unterfielen, und damit auch auf Schuldverschreibungen , für die die Geltung des SchVG 1899 - wie für Genussscheine - zweifelhaft war.
10
Eine Beschränkung der Möglichkeit, durch Mehrheitsbeschluss für die Anwendung des neuen Schuldverschreibungsgesetzes zu optieren, auf die dem SchVG 1899 unterfallenden Schuldverschreibungen widerspräche der vom Gesetzgeber beabsichtigten weiten Geltung der neuen Regelungen. Der Gesetzgeber wollte mit dem Schuldverschreibungsgesetz die Schwächen des SchVG 1899, das nur für inländische Schuldner galt, beseitigen und auch von ausländischen Schuldnern nach deutschem Recht begebene Anleihen erfassen (Regierungsentwurf BT-Drucks. 16/12814 S. 13). Ein Nebeneinander von alten Schuldverschreibungen mit der Möglichkeit, Mehrheitsentscheidungen zu treffen , und solchen ohne diese Möglichkeit entspricht nicht der Zielsetzung des Gesetzgebers, Mehrheitsentscheidungen vor allem im Sanierungsfall zu ermöglichen , und führte zu einer Anwendung von § 24 Abs. 2 SchVG nur in einem tatsächlich schmalen Bereich der von inländischen Emittenten begebenen Schuldverschreibungen nach § 1 SchVG 1899. Nach der Gesetzesbegründung sollten dagegen alle Gläubiger die Möglichkeit erhalten, durch Mehrheitsbeschluss für die Anwendung des neuen Schuldverschreibungsgesetzes zu optieren (Regierungsentwurf BT-Drucks. 16/12814 S. 27). Dagegen kann auch nicht eingewandt werden, dass bei nicht dem SchVG 1899 unterfallenden Schuldverschreibungen Mehrheitsentscheidungen über eine Beschränkung der Gläubigerrechte in weiterem Umfang als nach § 11 Abs. 1 Satz 2 SchVG in den Anleihebedingungen hätten vorgesehen werden können. Das lässt den Bedarf, nachträglich eine Möglichkeit einer Mehrheitsentscheidung für Änderungen der Anleihebedingungen zu eröffnen, nicht entfallen. Ein Verzicht auf Mehrheitsentscheidungen in den Anleihebedingungen kann gerade auf der Unsicherheit über den Umfang der Anwendung des SchVG 1899 oder auf der fehlenden Regelung eines Verfahrens zur Überprüfung der Mehrheitsentscheidung beruht haben.
11
b) Nach § 24 Abs. 2 SchVG können die Anleihebedingungen, um von den im Schuldverschreibungsgesetz gewährten Wahlmöglichkeiten Gebrauch machen zu können, auch für Altschuldverschreibungen, die vor dem 5. August 2009 begeben wurden, geändert werden, bei denen in den Anleihebedingungen keine Mehrheitsentscheidung vorgesehen war (aA OLG Frankfurt, ZIP 2012, 725; LG Frankfurt, ZIP 2012, 474) oder bei denen, wie nach § 11 SchVG 1899, eine Mehrheitsentscheidung nur sehr beschränkt möglich war. Weder dem Wortlaut von § 24 Abs. 2 SchVG noch dem Sinnzusammenhang lässt sich eine Einschränkung für die Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen auf solche Schuldverschreibungen entnehmen. Sie folgt entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts auch nicht daraus, dass § 5 Abs. 1 SchVG Mehrheitsentscheidungen der Anleihegläubiger nur zulässt, wenn sie in den Anleihebedingungen vorgesehen sind. Für Altanleihen sollen Mehrheitsentscheidungen durch § 24 Abs. 2 SchVG gerade ermöglicht werden.
12
Die Ermöglichung von Mehrheitsentscheidungen für die in § 5 Abs. 2 SchVG aufgezählten Änderungen der Anleihebedingungen ist kein unzulässiger rückwirkender Eingriff in die Rechte der Anleihegläubiger. Eine echte Rückwirkung liegt nicht vor, soweit der Rückzahlungsanspruch bei Inkrafttreten des Schuldverschreibungsgesetzes noch nicht fällig war. Es wird kein abgeschlossener Sachverhalt geregelt, sondern während eines Dauerschuldverhältnisses das anwendbare Recht geändert. Eine solche unechte Rückwirkung bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Zwar können sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit ergeben. Diese Grenzen sind aber erst überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (BVerfGE 116, 96, 132; 101, 239, 263; 95, 64, 86; vgl. auch BGH, Urteil vom 22. März 2010 - II ZR 12/08, BGHZ 185, 44 Rn. 40 - ADCOCOM). Die Bestandsinteressen der Betroffenen überwiegen hier die Veränderungsgründe nicht. Der Gesetzgeber wollte auch für teilweise noch einige Zeit laufende Schuldverschreibungen die Befugnisse der Gläubigergesamtheit stärken, weil vorher Einstimmigkeit erforderlich war, die praktisch nie erreichbar war und einer unter Umständen auch im Interesse der Mehrheit der Gläubiger liegenden Sanierung im Wege stand. Das überwiegt das Blockadeinteresse einzelner Gläubiger und ihr Interesse, vor Veränderungen der Anleihebedingungen verschont zu werden. Die unechte Rückwirkung ist zur Erreichung dieses Gesetzeszwecks geeignet und auch erforderlich.
13
Soweit das Berufungsgericht wegen der bereits abgelaufenen Laufzeit für die Genussscheine der Beklagten von einer unzulässigen Rückwirkung ausgegangen ist, ist nicht die Rückwirkung der Übergangsvorschrift des § 24 Abs. 2 SchVG betroffen, sondern die Zulässigkeit einer Laufzeitverlängerung im konkreten Einzelfall und damit die Wirksamkeit des Beschlusses der Gläubiger nach dem Schuldverschreibungsgesetz.
14
c) Die von der Beklagten ausgegebenen Wandelgenussscheine fallen unter § 24 Abs. 2 SchVG, weil nach § 1 Abs. 1 SchVG das Gesetz auf Genussscheine anwendbar ist, die aus einer Gesamtemission stammen (Hartwig-Jacob in FraKommSchVG § 1 Rn. 29 f.), und auch Namensschuldverschreibungen erfasst werden (Hartwig-Jacob in FraKommSchVG § 1 Rn. 60).
15
2. Das Berufungsurteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig. Der Beschluss der Gläubiger über eine Verlängerung der Laufzeit ist unwirksam , weil insoweit nicht für alle Gläubiger gleiche Bedingungen vorgesehen sind (§ 5 Abs. 2 Satz 2 SchVG). Ohne wirksamen Gläubigerbeschluss ist auch die Änderung der Laufzeit in den Anleihebedingungen unwirksam, unabhängig davon, ob die beschlossenen Änderungen in der Urkunde oder in den Anleihebedingungen vollzogen wurden (§ 2 Satz 3 SchVG). Da die Kläger von ihrem Wandlungsrecht keinen Gebrauch gemacht haben und ihr Rückzahlungsanspruch mit dem Ende der ursprünglichen Laufzeit am 31. August 2011 fällig wurde (10. der Anleihebedingungen), können sie Zahlung des Nennbetrags von 18.000 € nebst Zinsen und Nebenkosten verlangen.
16
a) Der Beschluss der Gläubigerversammlung und die Änderung der Anleihebedingungen sind unabhängig vom Vollzug des Änderungsbeschlusses nach §§ 21, 2 Satz 3 SchVG nichtig, wenn der Beschluss nicht gleiche Bedingungen für alle Gläubiger vorsieht (§ 5 Abs. 2 Satz 2 SchVG).
17
aa) Ein Mehrheitsbeschluss der Gläubiger, der gegen das Gesetz verstößt , kann wirksam werden, wenn er nicht durch Klage angefochten wird. Nach den Bestimmungen der §§ 20 ff. SchVG verhindert eine erfolgreiche Anfechtung das Wirksamwerden des gefassten Mehrheitsbeschlusses.
18
Die Änderung der Anleihebedingungen durch einen Mehrheitsbeschluss der Gläubiger wird wirksam, wenn sie in der Urkunde oder in den Anleihebedingungen vollzogen worden ist (§ 2 Satz 3 SchVG). Nach § 21 SchVG muss der Beschluss dadurch vollzogen werden, dass die maßgebliche Sammelurkunde ergänzt oder geändert wird. Die Anfechtung des Beschlusses hindert diese Vollziehung und damit das Wirksamwerden. Vor einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts darf der angefochtene Beschluss nach § 20 Abs. 3 Satz 4 SchVG nicht vollzogen werden, es sei denn, das zuständige Oberlandesgericht hat auf Antrag des Schuldners nach Maßgabe des § 246a des Aktiengesetzes festgestellt, dass die Erhebung der Klage dem Vollzug des angefochtenen Beschlusses nicht entgegensteht. Das ist dahin zu verstehen, dass ein Erfolg der Anfechtungsklage die Vollziehung und damit das Wirksamwerden der Änderungen dauerhaft verhindert, auch ohne dass - mangels einer § 241 Nr. 5 AktG entsprechenden Vorschrift - der Beschluss für nichtig erklärt wird.
19
bb) Ein Beschluss über eine Änderung von Anleihebedingungen ist darüber hinaus auch ohne erfolgreiche Anfechtung nichtig, wenn er nicht gleiche Bedingungen für alle Gläubiger vorsieht.
20
Beschlüsse der Gläubigerversammlung können nach allgemeiner Meinung im Ausnahmefall auch nichtig oder unwirksam und die Nichtigkeit auch ohne erfolgreiche Anfechtung zu beachten sein (vgl. Friedl in FraKommSchVG § 20 Rn. 99 f.; Baums, ZBB 2009, 1, 4; Horn, ZHR 173 (2009), 12, 62; MaierReimer , NJW 2010, 1317, 1319; Schmidtbleicher, Die Anleihegläubigermehrheit , 2010, S. 194 f.; Schönhaar, Die kollektive Wahrnehmung der Gläubigerrechte in der Gläubigerversammlung nach dem neuen Schuldverschreibungs- gesetz, 2011, S. 255; Leber, Der Schutz und die Organisation der Obligationäre nach dem Schuldverschreibungsgesetz, 2012, S. 196 f.; Cagalj, Restrukturierung von Anleihen nach dem neuen Schuldverschreibungsgesetz, 2012, S. 327). Nichtigkeitsvorschriften entsprechend § 241 Nr. 1 bis 4 AktG fehlen allerdings. Zwar wird teilweise vorgeschlagen, jedenfalls die Nichtigkeitsvorschriften in § 241 AktG entsprechend anzuwenden oder die Nichtigkeit in Anlehnung an diese Vorschrift zu bestimmen (Friedl in FraKommSchVG § 20 Rn. 99 f.; Baums, ZBB 2009, 1, 4; Leber, Der Schutz und die Organisation der Obligationäre nach dem Schuldverschreibungsgesetz, 2012, S. 196 f.; Schönhaar, Die kollektive Wahrnehmung der Gläubigerrechte in der Gläubigerversammlung nach dem neuen Schuldverschreibungsgesetz, 2011, S. 255; Cagalj, Restrukturierung von Anleihen nach dem neuen Schuldverschreibungsgesetz , 2012, S. 328). Ob dem zu folgen ist, kann hier aber offenbleiben.
21
Mit § 5 Abs. 2 Satz 2 SchVG enthält das Schuldverschreibungsgesetz eine Vorschrift, die die Nichtigkeit eines Beschlusses der Gläubigerversammlung unabhängig von einer erfolgreichen Anfechtung anordnet. Danach ist ein Mehrheitsbeschluss, der nicht gleiche Bedingungen für alle Gläubiger vorsieht, unwirksam. Die Unwirksamkeit tritt unabhängig von der Anfechtung des Beschlusses ein. Der Mehrheitsbeschluss über eine Änderung der Anleihebedingungen , der die Gläubiger nicht gleich behandelt, ist bereits nach dem Wortlaut von § 5 Abs. 2 Satz 2 SchVG unwirksam. Das ist dahin zu verstehen, dass auch die beschlossene Änderung der Anleihebedingungen von vorneherein unwirksam ist und nicht, auch nicht bei formell ordnungsgemäßer Vollziehung, wirksam werden kann. Ein Beschluss, der nicht angefochten ist, kann dagegen vollzogen werden, ist also nicht unwirksam, und die beschlossenen Änderungen der Anleihebedingungen können durch die Vollziehung wirksam werden. Es entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, dass ein nach § 5 Abs. 2 Satz 2 SchVG unwirksamer Beschluss nichtig ist, unabhängig von einer Anfechtung nicht verbindlich werden und nicht zu einer wirksamen, für alle Gläubiger ver- bindlichen Änderung der Anleihebedingungen führen kann. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs sind Beschlüsse der Gläubiger verbindlich, soweit sie nicht nichtig oder erfolgreich mit der Klage angefochten sind. Weiter heißt es dort (BT-Drucks. 16/12814 S. 18): "Ein Beschluss ist nach § 5 Abs. 2 Satz 2 SchVG unwirksam und nichtig, wenn er nicht gleiche Bedingungen für alle Gläubiger vorsieht."
22
b) Der Beschluss über die Verlängerung der Laufzeit ist nach § 5 Abs. 2 Satz 2 SchVG nichtig und die Laufzeitverlängerung damit nicht verbindlich geworden.
23
aa) Auf die Wirksamkeit der von den Gläubigern der Wandelanleihe der Beklagten gefassten Beschlüsse, nach denen die im Schuldverschreibungsgesetz vorgesehenen Wahlmöglichkeiten Anwendung finden sollen und einzelne Anleihebedingungen geändert werden, sind die Vorschriften des Schuldverschreibungsgesetzes anzuwenden.
24
Die Vorschriften des Schuldverschreibungsgesetzes sind auf die Entscheidung der Gläubiger von vor dem 5. August 2009 ausgegebenen Schuldverschreibungen , eine Änderung der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss nach dem Schuldverschreibungsgesetz zuzulassen, ihre Vollziehung sowie die folgenden bzw. damit verbundenen Entscheidungen über eine Änderung der Anleihebedingungen anzuwenden. Auf die Beschlussfassung, mit der die Änderung der Anleihebedingungen durch Mehrheitsentscheidung für solche Altanleihen erstmals eröffnet wird, ist das Schuldverschreibungsgesetz nach § 24 Abs. 2 Satz 2 SchVG entsprechend anwendbar. Die Vorschriften des Schuldverschreibungsgesetzes müssen dann auch für das Wirksamwerden des Beschlusses, die Anleihebedingungen für Mehrheitsentscheidungen der Gläubiger zu öffnen, und der Beschlüsse über einzelne Maßnahmen nach § 5 Abs. 3 SchVG sowie ihre Anfechtung gelten (vgl. Hartwig-Jacob/Friedl in FraKommSchVG § 24 Rn. 15).
25
bb) Der Beschluss über die Laufzeitverlängerung und die damit verbundene Verschiebung der Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs ist aber nichtig, weil er nicht gleiche Bedingungen für alle Gläubiger vorsieht. Nach d) des Beschlusses können Inhaber von Wandelgenussscheinen, die für den Beschlussvorschlag gestimmt haben, von der Gesellschaft schon vor dem Ende der verlängerten Laufzeit den Rückkauf ihrer Wandelgenussscheine zum Nennwert verlangen, wenn sie auf ihr Wandlungsrecht verzichten. Dieser Teil des Beschlusses regelt zwar formal nicht die Laufzeit und betrifft sie nicht unmittelbar. Tatsächlich ermöglicht er aber denjenigen, die für den Beschluss gestimmt haben , ihren Rückzahlungsanspruch vor Ablauf der verlängerten Laufzeit und sogar sofort geltend zu machen. Für diese Gläubiger wird die weitere Laufzeit damit in ihr Belieben gestellt und sie werden gegenüber den Gläubigern, die ebenfalls vom Wandlungsrecht keinen Gebrauch machen wollen und gegen den Beschluss stimmen, begünstigt. Damit gilt die Laufzeitverlängerung nicht für alle Gläubiger gleichermaßen. Die benachteiligten Gläubiger haben auch nicht alle der Ungleichbehandlung zugestimmt (§ 5 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 SchVG), da die Beschlüsse über die Laufzeitverlängerung und die vorzeitige Rückgabemöglichkeit unter einem Abstimmungspunkt zusammengefasst waren und es Gegenstimmen gab. Ob mit der vorzeitigen Rückgabemöglichkeit auch Vorteile für die Abstimmung in einem bestimmten Sinn angeboten wurden, was nach § 6 Abs. 2 und 3 SchVG verboten und nach § 23 Abs. 1 Nr. 5 und 6 SchVG ordnungswidrig ist, und ob ein solcher Stimmenkauf bzw. die Bestechlichkeit Auswirkungen auf die Stimmabgabe und den gefassten Beschluss hat, kann danach offenbleiben. Bergmann Strohn Reichart Drescher Born
Vorinstanzen:
LG Darmstadt, Entscheidung vom 25.04.2012 - 19 O 316/11 -
OLG Frankfurt in Darmstadt, Entscheidung vom 15.03.2013 - 24 U 97/12 -

Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 245/98
Verkündet am:
26. Juni 2003
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Die Anerkennung des Urteils eines griechischen Gerichts, durch das die Bundesrepublik Deutschland
wegen Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht in Griechenland im Zweiten Weltkrieg zur
Zahlung von Schadensersatz an verletzte griechische Staatsangehörige verurteilt wurde, ist ausgeschlossen
, weil ein solches Urteil dem völkerrechlichen Grundsatz der Staatenimmunität widerspricht.
LondSchAbk v. 27.2.1953 (BGBl. II S. 331)
Die "Zurückstellung der Prüfung" der in Art. 5 Abs. 2 des Londoner Schuldenabkommmens bezeichneten
Forderungen hat mit dem Inkrafttreten des Vertrages vom 12. September 1990 über die
abschließende Regelung in bezug auf Deutschland (Zwei-plus-Vier-Vertrag) geendet.
Haager Landkriegsordnung (HLKO) Art. 2, 3
Nach der im Zweiten Weltkrieg gegebenen Rechtslage standen im Falle von Verletzungen des
Kriegsvölkerrechts etwaige Schadensersatzansprüche gegen den verantwortlichen fremden Staat
nicht einzelnen geschädigten Personen, sondern nur deren Heimatstaat zu.
BGB § 839 Fk; WRV Art. 131
Jedenfalls nach dem Verständnis des deutschen Amtshaftungsrechts in der Zeit bis zum Ende des
Zweiten Weltkriegs waren dem Staat zurechenbare militärische Handlungen während des Krieges
im Ausland von dem Amtshaftungstatbestand des § 839 BGB i.V.m. Art. 131 WRV ausgenommen.
BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 - III ZR 245/98 - OLG Köln
LG Bonn
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Juni 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Dr. Wurm, Streck, Schlick und Dörr

für Recht erkannt:
Das Versäumnisurteil vom 14. Oktober 1999 wird aufrechterhalten. Die Kläger haben die weiteren Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die Kläger sind griechische Staatsangehörige. Ihre Eltern wurden am 10. Juni 1944 im damals besetzten Griechenland von Angehörigen einer in die deutsche Wehrmacht eingegliederten SS-Einheit nach einer vorausgegangenen bewaffneten Auseinandersetzung mit Partisanen im Zuge einer gegen das Dorf Distomo (Böotien) gerichteten "Sühnemaßnahme" erschossen, zusammen mit weiteren 300 an den Partisanenkämpfen unbeteiligten Dorfbewohnern - überwiegend Frauen und Kindern - sowie zwölf gefangengenommenen Partisanen. Das Dorf wurde niedergebrannt.
Die Kläger nehmen die beklagte Bundesrepublik Deutschland aus übergegangenem Recht (wegen Zerstörung des elterlichen Hauses nebst Inventar
und Warenbestand des von ihren Eltern geführten Einzelhandelsgeschäfts) und aus eigenem Recht (wegen gesundheitlicher Schäden und Nachteile in der beruflichen Ausbildung und in ihrem Fortkommen) im Wege einer Feststellungsklage auf Schadensersatz, hilfsweise auf Entschädigung in Anspruch.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgen die Kläger ihre Ansprüche weiter.
In der ersten Revisionsverhandlung sind die Kläger nicht erschienen. Es ist Versäumnisurteil gegen sie ergangen, gegen das sie rechtzeitig Einspruch eingelegt haben.
In einem in Griechenland von der Präfektur Böotien unter anderem auch in Vertretung der Kläger geführten Schadensersatzprozeß wegen des DistomoMassakers gegen die Bundesrepublik Deutschland hat die Zivilkammer des Landgerichts Livadeia durch Versäumnisurteil vom 30. Oktober 1997 unter anderem den Klägern des vorliegenden Prozesses näher bezifferte Zahlungsansprüche zuerkannt. Den von der Bundesrepublik Deutschland gestellten Antrag auf Kassation dieses Urteils hat das Plenum des griechischen Areopag durch Urteil vom 4. Mai 2000 zurückgewiesen. Die Vollstreckung aus diesem Urteil in Vermögen der Beklagten in Griechenland ist gescheitert, weil Griechenland nicht die nach dortigem Recht erforderliche Genehmigung erteilt hat.

Entscheidungsgründe


Das Versäumnisurteil vom 14. Oktober 1999 ist aufrechtzuerhalten, denn die - insgesamt zulässige - Revision der Kläger gegen das klagabweisende Urteil des Berufungsgerichts ist nicht begründet.

A.


Zutreffend hat das Berufungsgericht die auf Feststellung einer Ersatzbzw. Entschädigungspflicht der Beklagten gerichtete Klage als zulässig angesehen.
Zu Unrecht meint die Beklagte, ein Feststellungsinteresse der Kläger im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO sei zu verneinen, weil sie auf Leistung klagen könnten und dies für sie zumutbar sei (vgl. Zöller/Greger ZPO 23. Aufl. § 256 Rn. 7a m.w.N.). Indessen besteht keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungs - gegenüber der Leistungsklage. Erstere ist trotz der Möglichkeit, Leistungsklage zu erheben, zulässig, wenn sie unter dem Gesichtspunkt der Prozeßwirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 1978 - VIII ZR 166/77 - NJW 1978, 1520, 1521; Senatsurteil vom 9. Juni 1983 - III ZR 74/82 - NJW 1984, 1118, 1119). Das ist in der Regel anzunehmen, wenn es sich, wie hier, bei der beklagten Partei um eine öffentliche Körperschaft handelt, so daß zu erwarten ist, daß sie sich auch einem eventuellen Feststellungsurteil beugen wird (Senatsurteil vom 9. Juni 1983 aaO). Soweit die Beklagte dem entgegenhält , sie werde sich einem etwaigen Feststellungsurteil im Sinne der Klage nicht einfach beugen können, weil es zur Höhe der geltend gemachten Schadens - bzw. Entschädigungspositionen weiteren Streit geben werde, ist nicht ersichtlich, daß letzteres zu einem weiteren Prozeß (einer Leistungsklage der Kläger) führen müßte.

B.


Die Klage ist jedoch, wie das Berufungsgericht zu Recht ausgesprochen hat, unbegründet. Die von den Klägern geltend gemachten Schadensersatzbzw. Entschädigungsansprüche gegen die Beklagte bestehen nicht.

I.


Einer Zurückweisung der Revision (Abweisung der Klage) im vorliegenden Rechtsstreit steht nicht schon die materielle Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Livadeia vom 30. Oktober 1997 - im Sinne des Verbots einer abweichenden Entscheidung (vgl. BGH, Urteile vom 20. März 1964 - V ZR 34/62 - NJW 1964, 1626 und vom 26. November 1986 - IVb ZR 90/85 - NJW 1987, 1146) - entgegen, soweit dieses bestimmten Schadensersatzansprüchen der Kläger stattgegeben hat und die Parteien und Streitgegenstände des vorliegenden Prozesses und jenes Rechtsstreits in Griechenland in dem betreffenden Umfang identisch sind. Eine inhaltliche Bindung an die ausländische Entscheidung kommt nur in Betracht, wenn und soweit diese von deutschen Gerichten anzuerkennen ist. Daran fehlt es hier.
1. Die Frage, ob das (rechtskräftige) Urteil des Landgerichts Livadeia anzuerkennen ist, richtet sich nicht nach dem Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ). Denn zu den Zivil- und Handelssachen, in denen dieses multilaterale Abkommen gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuGVÜ anzuwenden ist, gehört - bei einer vertragsautonomen Qualifikation dieses Be-
griffes - nicht der Schadensersatzanspruch gegen einen Hoheitsträger, der in Ausübung hoheitlicher Befugnisse gehandelt hat (vgl. EuGH, Urteil vom 21. April 1993 - Rs. C-172/91 - IPRax 1994, 37 m. Anm. Heß aaO S. 10; Kropholler Europäisches Zivilprozeßrecht 6. Aufl. [1998] Art. 1 EuGVÜ Rn. 8).
2. Auch eine Anerkennung des griechischen Urteils auf der Grundlage des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivilund Handelssachen vom 4. November 1961 (BGBl. 1963 II S. 109) oder auf der Grundlage von § 328 ZPO kommt im Ergebnis nicht in Betracht. Auf nähere Einzelheiten braucht insoweit nicht eingegangen zu werden.
Voraussetzung der Anerkennung des Urteils des Landgerichts Livadeia ist nämlich sowohl nach dem deutsch-griechischen Vertrag vom 4. November 1961 als auch nach § 328 ZPO, daß der dortige Streitgegenstand überhaupt der - von der Bundesrepublik Deutschland in Abrede gestellten - Gerichtsbarkeit des griechischen Staates unterlag. Das wird zwar in den maßgeblichen Vorschriften nicht ausdrücklich ausgesprochen, ergibt sich aber zumindest mittelbar aus dem Erfordernis der internationalen Zuständigkeit des ausländischen Gerichts (vgl. § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO einerseits, Art. 3 Nr. 3 des deutsch-griechischen Abkommens vom 4. November 1961 andererseits) und aus dem Gesichtspunkt des (deutschen) ordre public (§ 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO; Art. 3 Nr. 1 des Abkommens vom 4. November 1961). Diese Anerkennungsvoraussetzung ist nicht erfüllt.

a) Nach dem völkerrechtlichen Grundsatz der (begrenzten) Staatenimmunität kann ein Staat Befreiung von der Gerichtsbarkeit - schon im Erkenntnisverfahren - eines fremden Staats beanspruchen, soweit es um die Beurteilung seines hoheitlichen Verhaltens ("acta iure imperii") geht, während ein Staat nicht gehalten ist, einem fremden Staat in einem gegen diesen gerichteten Erkenntnisverfahren, das über dessen nicht-hoheitliches Verhalten ("acta iure gestionis") befindet, Befreiung von der Gerichtsbarkeit zu gewähren (vgl. BVerfGE 16, 27; 46, 342; Gloria, in: Ipsen, Völkerrecht 4. Aufl. [1999] § 26 Rn. 16 ff; von der Beklagten vorgelegtes Gutachten Tomuschat/McCaffrey v. 24. Oktober 2000, S. 6 ff, 8, 14). Aus dieser herkömmlichen Sicht war Gegenstand des Prozesses vor dem Landgericht Livadeia ein hoheitliches Handeln deutscher Streitkräfte im besetzten Griechenland während des Zweiten Weltkriegs. Dies gilt auf den ersten Blick, wenn man (lex fori des Anerkennungsstaats ) deutsches Recht zugrunde legt, aber grundsätzlich auch nach griechischem Recht, in dem hoheitliches und nicht hoheitliches Handeln ähnlich wie im deutschen Recht unterschieden wird. Soweit das Landgericht Livadeia in seinem Urteil vom 30. Oktober 1997 eine Qualifizierung des in Rede stehenden Kriegsverbrechens (im Kern nur wegen der Schwere des Rechtsverstoßes) als hoheitliches Handeln verneint hat, ist dies methodisch nicht überzeugend.

b) Demgegenüber gibt es in neuerer Zeit Bestrebungen, den Grundsatz der Staatenimmunität noch enger zu fassen und diese bei Verstößen gegen zwingende Normen des Völkerrechts ("ius cogens") nicht anzuerkennen (s. die Darstellungen von Wirth, Jura 2000, 70, 72 ff; Ambos JZ 1999, 16, 21 ff). Das ist jedoch nach überwiegender Meinung nicht geltendes Völkerrecht (vgl. Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten [1992] S. 292 f; Kämmerer, Kriegsrepres-
salie oder Kriegsverbrechen ? ArchVölkerR Bd. 37 [1999] S. 307 f; Rensmann IPRax 1998, 44, 47; Seidl-Hohenveldern IPRax 1996, 52, 53 f; Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte [1997], 87 f; a.A. Kokott, Festschrift Rudolf Bernhardt [1995], 135, 148 f); der Immunitätsvorbehalt liefe sonst auch weitgehend leer (vgl. Reimann IPRax 1995, 123, 127).
Ein anderer Ansatz für eine (weitere) Einschränkung des Grundsatzes der Staatenimmunität ergibt sich aus neueren Konventionen beziehungsweise Konventionsentwürfen, etwa dem Europäischen Übereinkommen vom 16. Mai 1972 (BGBl. II 34), dem allerdings Griechenland bisher nicht beigetreten ist. Nach Art. 11 dieses Europäischen Übereinkommens kann ein Vertragsstaat vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität nicht beanspruchen, wenn das Verfahren den Ersatz eines Personen- oder Sachschadens betrifft, das schädigende Ereignis im Gerichtsstaat eingetreten ist und der Schädiger sich bei Eintritt des Ereignisses in diesem Staat aufgehalten hat. Dem Wortlaut nach wären hiervon schadensstiftende Handlungen im Gerichtsstaat unabhängig davon betroffen, ob es sich um "acta iure imperii" handelte oder nicht (vgl. Geiger NJW 1987, 1124, 1125; Heß aaO S. 293). Andererseits geht der Ursprung dieser Regelung eher in die Richtung der Bewältigung von Vorfällen, die mit den hier streitgegenständlichen Handlungen nichts zu tun haben (z.B. Verkehrsunfälle bei Dienstfahrten ausländischer Diplomaten; vgl. Heß aaO; Gutachten Tomuschat/McCaffrey S. 24). Jedenfalls besagt Art. 31 des Übereinkommens vom 16. Mai 1972 ausdrücklich, daß dieses nicht die Immunität oder Vorrechte berührt, die ein Vertragsstaat für alle Handlungen oder Unterlassungen genießt, "die von seinen Streitkräften oder im Zusammenhang mit diesen im Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaats begangen werden".
Schließlich ist die rückwirkende Anwendung einer "Deliktsklausel" der in Rede stehenden Art bedenklich (vgl. Gutachten Tomuschat/McCaffrey S. 32).

c) Es sprechen danach weiterhin die überwiegenden Gesichtspunkte gegen die Annahme, bei Regeln wie Art. 11 des Europäischen Übereinkommens vom 16. Mai 1972 handele es sich um mittlerweile geltendes Völkergewohnheitsrecht (vgl. Heß IPRax 1994, 10, 14; zweifelnd Geimer, Internationales Zivilprozeßrecht 3. Aufl. [1997] Rn. 626c; ablehnend Steinberger, State Immunity , in: R. Bernhardt, Encyclopedia of Public International Law 10. Lieferung S. 439). Jedenfalls wird eine militärische Aktion der hier in Rede stehenden Art während eines Krieges hiervon nicht erfaßt, schon gar nicht mit "Rückwirkung" für den Zweiten Weltkrieg.

d) Der Senat ist an der Beurteilung, daß die Beklagte sich gegenüber der Inanspruchnahme vor einem griechischen Gericht wegen des DistomoMassakers im Zweiten Weltkrieg auf die Staatenimmunität berufen konnte, nicht durch Art. 100 Abs. 2 GG gehindert. Nach dieser Vorschrift hat das Gericht eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn zweifelhaft ist, ob eine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts ist (Art. 25 GG), also auch dann, wenn zweifelhaft ist, ob eine Regel des Völkerrechts , die die dargestellten prozessualen Auswirkungen hätte, überhaupt existiert.
Solche möglicherweise ursprünglich vorhandenen (objektiven) Zweifel, ob die hier erörterte Völkerrechtsregel existiert, sind indessen jedenfalls durch die nachfolgenden höchstrichterlichen Entscheidungen beseitigt worden:
Das Oberste Sondergericht Griechenlands hat am 17. September 2002 auf eine Vorlage des Areopag in einem anderen Rechtsstreit wegen gleichgelagerter Ansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland entschieden,
"daß es nach dem gegenwärtigen Entwicklungsstand des Völkerrechts nach wie vor eine allgemein anerkannte Norm dieses Rechts gibt, nach der es unzulässig ist, einen Staat vor dem Gericht eines anderen Staates auf Schadensersatz wegen irgendeines im Hoheitsgebiet des Gerichtsstaats verübten Delikts, an dem in irgendeiner Weise (Art) Streitkräfte des beklagten Landes beteiligt waren, zu verklagen, und zwar sowohl im Kriegs- als auch im Friedensfall", wodurch auch der gegenteilige Ausspruch des Plenums des Areopag vom 4. Mai 2000 betreffend den Prozeß der Kläger vor dem Landgericht Livadeia, was die allgemeine völkerrechtliche Beurteilung durch die Gerichte in Griechenland angeht, als "überholt" anzusehen ist.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mit Beschluß vom 12. Dezember 2002 die Beschwerde der im Prozeß vor dem Landgericht Livadeia obsiegenden Kläger dagegen, daß Griechenland die nach der griechischen Zivilprozeßordnung erforderliche Genehmigung zur Zwangsvollstrekkung aus dem Urteil in in Griechenland belegenes Vermögen der Bundesrepublik Deutschland verweigerte (was im Vollstreckungsverfahren die griechischen Gerichte bestätigten), für unzulässig erklärt und zur Begründung ausgeführt, er sehe es nicht für erwiesen an,
"... daß es zum jetzigen Zeitpunkt eine Akzeptanz im Völkerrecht gäbe, wonach Staaten in bezug auf Schadensersatzklagen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit , die in einem anderen Staat geltend gemacht werden, nicht mehr zur Immunität berech-
tigt sein sollten (s. Al-Adsani ./. Vereinigtes Königreich [sc. Nr. 35763/97 EGMR 2001 - XI], ebd., Rn. 66). Demnach könne von der griechischen Regierung nicht verlangt werden, die Regel der Staatenimmunität gegen ihren Willen zu durchbrechen. Dies treffe jedenfalls auf den gegenwärtigen Stand im Völkerrecht zu, wie der Gerichtshof in der vorbezeichneten Rechtssache Al-Adsani erkannt hat, was aber eine Weiterentwicklung des Völkergewohnheitsrechts in der Zukunft nicht ausschließt". Beide Erkenntnisse stehen im Einklang mit der Sicht des Senats.

II.


Hinsichtlich der vom Berufungsgericht in Betracht gezogenen Anspruchsgrundlagen für das Klagebegehren der Kläger ist zu unterscheiden, ob eine Einstandspflicht der Beklagten unter dem Gesichtspunkt einer selbständigen Nachkriegsverpflichtung der Bundesrepublik Deutschland in Betracht kommt oder eine Haftung der Bundesrepublik Deutschland für eine Schuld des zusammengebrochenen Deutschen Reichs aus dem Zweiten Weltkrieg - etwa unter dem Gesichtspunkt der Funktionsnachfolge (vgl. Art. 134 Abs. 4, 135a Abs. 1 Nr. 1 GG; BVerfGE 15, 126, 133 ff; Senatsurteile BGHZ 16, 184, 188 f; 36, 245, 248 f; Kreft in BGB-RGRK 12. Aufl. § 839 Rn. 67).
Eine Anspruchsgrundlage der zuerst genannten Art scheidet hier nach den rechtsfehlerfreien Ausführungen des Berufungsgerichts aus. Es hat mit Recht angenommen, daß das Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (Bundesentschädigungsgesetz - BEG) vom 18. September 1953 (BGBl. I S. 1387) die vorliegenden Ansprüche der Kläger nicht abdeckt. Gemäß § 1 Abs. 1 BEG hat einen Anspruch nach diesem Gesetz nur derjenige, der in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 (Verfolgungszeit ) wegen seiner gegen den Nationalsozialismus gerichteten politi-
schen Überzeugung, aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung (Verfolgungsgründe) durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen verfolgt worden ist und hierdurch Schaden an Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen oder in seinem beruflichen und wirtschaftlichen Fortkommen erlitten hat (Verfolgter). Der Verfolgung wegen politischer Überzeugung gleichgestellt wird eine Verfolgung, die darauf beruht, daß der Verfolgte aufgrund eigener Gewissensentscheidung sich unter Gefährdung seiner Person aktiv gegen die Mißachtung der Menschenwürde oder gegen die sittlich , auch durch den Krieg, nicht gerechtfertigte Vernichtung von Menschenleben eingesetzt hat (§ 1 Abs. 2 BEG). Nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen in diesem Sinne sind deshalb nur gegeben, wenn sie aus den genannten Verfolgungsgründen vorgenommen worden sind (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BEG). Um Maßnahmen dieser Art handelte es sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei der Zerstörung des Dorfes Distomo und der Exekution ihrer Bewohner jedoch nicht. Die tatrichterliche Feststellung, Gründe der politischen Gegnerschaft oder der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung hätten diesen Vorgängen nicht zugrunde gelegen, wird von der Revision nicht angegriffen.

III.


1. Das Berufungsgericht, das auch Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs verneint, hat sich nicht durch Art. 5 Abs. 2 des Abkommens über deutsche Auslandsschulden vom 27. Februar 1953 (BGBl. II 1953, 336; Londoner Schuldenabkommen - LondSchAbk) - dessen Anwendbarkeit im Streitfall es offengelassen hat - ge-
hindert gesehen, den Klageanspruch unter diesem Gesichtspunkt zu prüfen und die Klage insoweit endgültig abzuweisen. Das ist im Ergebnis richtig.

a) Durch Art. 5 Abs. 2 des Londoner Schuldenabkommens, das auch für das Königreich Griechenland Geltung erlangt hat (vgl. Bekanntmachung vom 4. Juli 1956, BGBl. II S. 864; in Kraft getreten am 21. April 1956) wurde "eine Prüfung der aus dem Zweiten Weltkrieg herrührenden Forderungen von Staaten , die sich mit Deutschland im Kriegszustand befanden oder deren Gebiet von Deutschland besetzt war, und von Staatsangehörigen dieser Staaten gegen das Reich und im Auftrage des Reichs handelnde Stellen oder Personen ... bis zur endgültigen Regelung der Reparationsfrage zurückgestellt". Das kam nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in seiner rechtlichen Wirkung - bis zum Zustandekommen der vorgesehenen "Regelung" der Reparationsfrage - einem auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Stillhalteabkommen (Moratorium) gleich. Die genannten Forderungen waren also vorläufig gestundet und deshalb regelmäßig mangels Fälligkeit als zur Zeit unbegründet abzuweisen (BGHZ 16, 207, 211 f; 18, 22, 30; BGH, Urteile vom 26. Februar 1963 - VI ZR 85/62 - MDR 1963, 492 und vom 19. Juni 1973 - VI ZR 74/70 - NJW 1973, 1549, 1552). Das heißt, daß, soweit die Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 LondSchAbk greift, die Klageforderung grundsätzlich sachlich nicht geprüft - also im Regelfall auch nicht endgültig abgewiesen - werden konnte (BGH, Urteile vom 26. Februar 1963 aaO und vom 19. Juni 1973 aaO).

b) Das Londoner Schuldenabkommen ist jedoch durch die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland ("Zwei-plus-Vier-Vertrag" vom 12. September 1990, BGBl. II S. 1318; in Kraft seit dem 15. März 1991, BGBl. II S. 585) im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung Deutschlands als Moratorium
gegenstandslos geworden. Der Senat folgt insoweit der obergerichtlichen Rechtsprechung (OVG Münster NJW 1998, 2302; OLG Stuttgart NJW 2000, 2680; OLG Hamm NJW 2000, 3577, 3579; KG KGReport 2000, 257,259 f) und der in diesem Punkt jedenfalls im Ergebnis einhelligen Fachliteratur (vgl. SeidlHohenveldern Völkerrecht 9. Aufl. Rn. 1871 ff; Blumenwitz NJW 1990, 3041, 3042; Dolzer NJW 2000, 2480, 2481; Eichhorn, Reparation als völkerrechtliche Deliktshaftung [1992], S. 144 ff; v. Goetze NJW 1990, 2161, 2168; Kämmerer ArchVölkerR Bd. 37 [1999], 283 ff, 312 ff, 315; Kempen, Die deutsch-polnische Grenze nach der Regelung des Zwei-plus-Vier-Vertrages [1997], 208 ff, 218 f; Paech KritJustiz 1999, 381, 391; Rauschning DVBl. 1990, 1275, 1279 f ; ders. JuS 1991, 977, 983; Weiß JA 1991, 56, 60). Der Zwei-plus-Vier-Vertrag mag zwar nicht als Friedensvertrag im herkömmlichen Sinne, der üblicherweise die Beendigung des Kriegszustandes, die Aufnahme friedlicher Beziehungen und eine umfassende Regelung der durch den Krieg entstandenen Rechtsfragen erfaßt, zu qualifizieren sein. Er hatte aber erklärtermaßen das Ziel, eine abschließende Regelung in bezug auf Deutschland herbeizuführen, und es wurde deutlich, daß es weitere (friedens-)vertragliche Regelungen über rechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg nicht geben wird. Hieraus ergab sich auch, daß die Reparationsfrage in bezug auf Deutschland nach dem Willen der Vertragspartner nicht mehr vertraglich geregelt werden soll. Die Bundesregierung hat auch am 27. Oktober 1997 im Bundestag ausdrücklich die Erklärung abgegeben, daß es zwar wegen der bekannten Gegensätze der vier Hauptsiegermächte in der Nachkriegszeit nicht zu der im Londoner Schuldenabkommen vorgesehenen endgültigen Regelung der Reparationszahlungen gekommen sei, daß jedoch fünfzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges "die Reparationsfrage obsolet" geworden sei und daß in diesem Verständnis die Bundesregierung den Vertrag über die abschließende Regelung in be-
zug auf Deutschland abgeschlossen habe (BT-Drucks.13/8840 S. 2; in diesem Sinne auch MdB Bosbach in der Plenardebatte des Bundestages am 6. Juli 2000, BT-Plenarprot. 14/114 S. 10755). Daran ist die Beklagte festzuhalten. Soweit sie im vorliegenden Prozeß darüber hinaus meint, der Zwei-plus-Vier- Vertrag schließe sämtliche unter Art. 5 Abs. 2 LondSchAbk fallenden Individualansprüche endgültig aus (vgl. auch Eichhorn aaO S. 144 f), hat dies allerdings , was die streitigen Ansprüche der Kläger angeht, keine Grundlage, weil - abgesehen davon, daß Griechenland nicht Vertragspartei war - nicht ersichtlich ist, woraus sich ein Verzicht dieses Staates auf individuelle Ansprüche zu Lasten seiner Angehörigen ergeben und seine Wirksamkeit herleiten soll. Schon in dem Vertrag vom 18. März 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland über Leistungen zugunsten griechischer Staatsangehöriger, die von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffen sind (BGBl. II S. 1597), aufgrund dessen die Beklagte an Griechenland 115 Millionen DM gezahlt hat, waren von der Erledigungsklausel in Art. III ausdrücklich "etwaige gesetzliche Ansprüche griechischer Staatsangehöriger" gegen die Bundesrepublik Deutschland ausgenommen worden.
2. Ausgehend davon, daß Art. 5 Abs. 2 LondSchAbk für den Klageanspruch zwar einschlägig war, aber dessen Prüfung jetzt nicht mehr hindert, kann dem Anspruch auch nicht - was das Berufungsgericht ebenfalls offenläßt - das Gesetz zur allgemeinen Regelung durch den Krieg und den Zusammenbruch des Deutschen Reiches entstandener Schäden (Allgemeines Kriegsfolgengesetz - AKG) vom 5. November 1957 (BGBl. I S. 1747) entgegenstehen, das das Erlöschen bestimmter Ansprüche unter anderem gegen das Deutsche Reich anordnet, jedoch ausspricht, daß das Londoner Schuldenabkommen durch dieses Gesetz nicht berührt wird (§ 101 AKG; dazu Féaux de la Croix,
AKG [1959], § 101 Anm. 3 f), d.h. daß Ansprüche, die dem Londoner Schuldenabkommen unterliegen, vom Allgemeinen Kriegsfolgengesetz nicht erfaßt werden (Kämmerer aaO S. 312 Fn. 127).
3. Schließlich wird der vorliegende Anspruch auch nicht durch den bereits erwähnten deutsch-griechischen Vertrag vom 18. März 1960 ausgeschlossen. Denn dieser Vertrag regelt nur die Folgen nationalsozialistischer Verfolgungsmaßnahmen und läßt etwaige gesetzliche Ansprüche griechischer Staatsangehöriger ausdrücklich unberührt.

IV.


Für die Beurteilung etwaiger Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche gegen das Deutsche Reich, für die die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls haften müßte, kommt es auf die Rechtslage zu der Zeit, als die hier in Rede stehende Tat begangen wurde (1944), an. Denn es handelte sich bei solchen Schulden, auch wenn sie von der Bundesrepublik Deutschland zu erfüllen wären, immer nur um "Verbindlichkeiten des Reiches" (vgl. Art. 135a Abs. 1 Nr. 1 GG). Selbst auf der Grundlage der Identität des Bundes mit dem Reiche (vgl. BVerfGE 36, 1, 15 f; BGH, Beschluß vom 17. Dezember 1998 - IX ZB 59/97 - NJW-RR 1999, 1007) würde sich nicht eine Einstandspflicht der Bundesrepublik Deutschland für Reichsschulden wie für seit ihrer Entstehung neu begründete eigene Verbindlichkeiten ergeben (BVerfGE 15, 126, 145; zur Abgrenzung vgl. Senatsurteile BGHZ 29, 22 f; 36, 245, 247). Dies bedeutet insbesondere, daß hinsichtlich der gegen das Reich in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen rechtliche Fortentwicklungen bzw. veränderte Rechtsanschauungen - etwa im Lichte des heute geltenden Grundgesetzes oder von Änderungen des internationalen Rechts - außer Betracht bleiben müssen. Bei alledem versteht sich von selbst, daß bei der Ermittlung und Würdigung der maßgeblichen Rechtslage im Jahre 1944 nationalsozialistisches Gedankengut unberücksichtigt zu bleiben hat.
Jedenfalls aus diesem Blickwinkel ergibt sich, daß den Klägern aus dem Geschehen vom 10. Juni 1944 in Distomo keine Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche gegen das Deutsche Reich, für die die Bundesrepublik Deutschland einzustehen hätte, erwachsen sind.
1. Einen Schadensersatz- bzw. Entschädigungsanspruch der Kläger wegen eines völkerrechtlichen Delikts verneint das Berufungsgericht mit der Begründung , zwar handele es sich um ein Kriegsverbrechen, nach den überkommenen Grundsätzen des Völkerrechts stünden jedoch darauf gegründete Ersatzansprüche regelmäßig nicht der verletzten Person selbst zu, sondern nur ihrem Heimatstaat.

a) Diese Rechtsauffassung trifft jedenfalls für den hier zu beurteilenden Zeitpunkt zu (s. BVerfGE 94, 315, 329 f): Die traditionelle Konzeption des Völkerrechts als eines zwischenstaatlichen Rechts versteht den einzelnen nicht als Völkerrechtssubjekt, sondern gewährt ihm nur mittelbaren internationalen Schutz. Bei völkerrechtlichen Delikten durch Handlungen gegenüber fremden Staatsbürgern steht ein Anspruch nicht dem Betroffenen selbst, sondern nur seinem Heimatstaat zu. Der Staat macht im Wege des diplomatischen Schutzes sein eigenes Recht darauf geltend, daß das Völkerrecht in der Person seines Staatsangehörigen beachtet wird. Dieses Prinzip einer ausschließlichen Staatenberechtigung galt in den Jahren 1943 bis 1945 auch für die Verletzung von Menschenrechten. Der einzelne konnte grundsätzlich weder die Feststellung des Unrechts noch einen Unrechtsausgleich verlangen. Auch hatte er weder nach Völkerrecht noch in der Regel nach dem innerstaatlichen Recht des einzelnen Staates einen subjektiven, durchsetzbaren Anspruch darauf, daß sein Heimatstaat den diplomatischen Schutz ausübt. Dementsprechend finden nach Art. 2 des Abkommens betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs vom 18. Oktober 1907 (Haager Landkriegsordnung - HLKO) deren Bestimmungen "nur zwischen den Vertragsmächten Anwendung", und gemäß Art. 3 HLKO ist gegebenenfalls "die Kriegspartei" (gegenüber der anderen Kriegspartei) zum Schadensersatz verpflichtet.

Wie das Bundesverfassungsgericht (aaO) weiter ausgeführt hat, gewährt das Völkerrecht erst in der neueren Entwicklung eines erweiterten Schutzes der Menschenrechte dem einzelnen ein eigenes Recht, berechtigt andere Völkerrechtssubjekte auf der Grundlage von Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zur Intervention bei gravierenden Verstößen und entwickelt vertragliche Schutzsysteme, in denen der einzelne seinen Anspruch auch selbst verfolgen kann. Auf letzteres kann es indessen, wie gesagt, im Streitfall nicht ankommen.

b) Auch in Verbindung mit Art. 4 WRV ergab sich für die Kläger keine eigene (völkerrechtliche) Anspruchsposition. Zwar begründete diese Verfassungsbestimmung die "direkte Anwendung völkerrechtlicher Normen", auch zugunsten von Einzelpersonen, die damit unter Berufung auf das Völkerrecht gegebenenfalls Klageansprüche erheben konnten (Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 12. Aufl. S. 61). Das setzte aber voraus, daß das maßgebliche Völkerrecht seinem Inhalt nach eine Grundlage für solche Einzelansprüche bot. Das war bei Art. 3 HLKO, der insoweit allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kam, nicht der Fall.

c) Die bisherige Sicht wird - bezogen auf den hier maßgeblichen Tatzeitpunkt - auch nicht durch die Ausführungen in dem von den Klägern vorgelegten Gutachten Fleiner (S. 23 f) über die fortschreitende Anerkennung der Völkerrechtssubjektivität von Individuen in Frage gestellt. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, Art. 3 HLKO räume dem in seinen Rechten verletzten Individuum nicht die Befugnis ein, von einem Staat in einem gerichtsförmigen Verfahren Schadensersatz zu verlangen, wird hierdurch nicht entkräftet, auch nicht
durch die Qualifizierung, es handele sich um "individualisierte" Verbrechen (Fleiner S. 29), über die die betroffenen Staaten gar keine Abkommen schlie- ßen könnten; für eine derartige Sicht - im Jahre 1944 - gibt es keine Anhaltspunkte. Ebensowenig steht der herkömmlichen Beurteilung (nach Völkerrecht) - für den hier maßgeblichen Zeitpunkt - die Auffassung entgegen, es habe sich bei den hier zu beurteilenden Handlungen um zwar (auch) dem Kriegsvölkerrecht unterfallende, jedoch außerhalb des "Kriegsgeschehens" liegende Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung im Sinne einer bloßen "Polizeiaktion" der Besatzungsmacht gehandelt (Gutachten Fleiner S. 19; vgl. auch Paech Krit. Justiz 1999, 380, 395 f). Das zweifelsfrei verbrecherische Massaker von Distomo geschah nach dem vorliegenden - unstreitigen - Sachverhalt, wonach es sich um die "Sühnemaßnahme" einer in die Wehrmacht eingegliederten SS-Einheit im Zusammenhang mit einer vorausgegangenen bewaffneten Auseinandersetzung mit Partisanen handelte, in Ausübung militärischer Gewalt auf besetztem feindlichen Gebiet, fällt also in einen von der Haager Landkriegsordnung unmittelbar erfaßten Bereich (vgl. Art. 42 ff, 46, 50 der Anlage zum Abkommen). Der Umstand, daß die wehrlose, an dem vorausgegangenen Kampfgeschehen unbeteiligte Zivilbevölkerung das Opfer war, ändert an diesen Zusammenhängen und der Würdigung, daß es sich um eine - wenn auch in jeder Hinsicht rechtswidrige - militärische Operation handelte, nichts. Mit dieser Beurteilung stimmt überein, daß auch das Griechische Oberste Sondergericht in seinem Urteil vom 17. September 2002 (s. oben I. 2. d.) vergleichbare andere Vorgänge im besetzten Griechenland als "Kriegshandlungen" bezeichnet und bewertet hat.
2. Jedenfalls im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht auch einen Schadensersatzanspruch der Kläger gegen das Deutsche Reich wegen Amtspflichtverletzung nach nationalem Recht - hier also gemäß den allgemeinen
kollisionsrechtlichen Regeln nach deutschem Staatshaftungsrecht (Kreuzer, in: MünchKomm/BGB 3. Aufl. Art. 38 EGBGB Rn. 277 m.w.N.) - verneint.
Für etwaige individuelle ("zivilrechtliche") Ersatzansprüche der verletzten Personen aus nationalem Recht ist und war allerdings neben einem völkerrechtlichen Anspruch ihres Heimatstaats gegen den Staat, dem das in Rede stehende Kriegsverbrechen zuzurechnen ist, durchaus Raum. Zwar wird von einem Teil der Literatur der Grundsatz der völkerrechtlichen Exklusivität in dem Sinne vertreten, daß individuelle Reparationsansprüche in den zwischenstaatlichen Reparationsansprüchen aufgehen (vgl. Granow, AÖR 77 [1951/52], 67, 72 f; Féaux de la Croix, NJW 1960, 2268, 2269; Eichhorn, Reparation als völkerrechtliche Deliktshaftung [1992], S. 78 f: "Absorption des Individualreparationsanspruches" ). Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch ausgesprochen, daß es eine allgemeine Regel des Völkerrechts, wonach Ansprüche aus innerstaatlichem Recht, die auf Kriegsereignissen beruhen, nicht individuell durchsetzbar sind, sondern nur auf zwischenstaatlicher Ebene geltend gemacht werden können, nicht gibt (BVerfGE 94, 315, 330 ff). Eine solche allgemeine Regel mag, ohne daß dies näher untersucht zu werden braucht, auch für die Zeit des Zweiten Weltkriegs nicht nachweisbar sein.

a) Das Berufungsgericht verneint einen Schadensersatzanspruch nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 131 WRV mit folgender Begründung: Schadensersatz werde nach diesen Vorschriften nur geschuldet, wenn die im einzelnen verletzte Amtspflicht gerade auch gegenüber dem Geschädigten bestanden habe (sogenannte Drittbezogenheit der Amtspflicht; vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 5. Aufl. S. 56 ff). Die Drittbezogenheit der Amtspflicht werde zwar nach allgemeiner Meinung gerade bei der Verletzung absoluter Rechte
bejaht. Der unmittelbar Verletzte könne deshalb in einem solchen Fall die Beseitigung der Unrechtsfolgen verlangen. Das gelte jedoch grundsätzlich nicht für Kriegsschäden, also für solche Nachteile und Verluste, die Nichtkombattanten an ihrer Person, ihrem Eigentum oder ihrem Vermögen durch Kriegsoder Besetzungshandlungen, namentlich durch die Anwendung bewaffneter Gewalt, erlitten. Der Krieg sei ein Ausnahmezustand des Völkerrechts. Sein Wesen bestehe im umfassenden Rückgriff auf die Gewalt, die nicht nur die Rechtsgüter eines Staates und seiner Bürger bedrohe, sondern auch zur Grundlage aller Beziehungen zwischen mehreren Staaten werde. In dem von Gewaltanwendung geprägten Zustand werde die bisher geltende Rechtsordnung weitgehend suspendiert und an die Stelle der suspendierten Vorschriften der normalerweise geltenden Rechtsordnung trete eine Ausnahmeordnung ("ius in bello"). In dieser Ausnahmeordnung hätten jene Normen keine Geltung, die im Rahmen der Friedensordnung bestimmten, unter welchen Voraussetzungen für die Verletzung von Amtspflichten gehaftet werde. Die Vorstellung, die kriegführenden Parteien hafteten den Millionen von Opfern und Geschädigten gegenüber nach Deliktsgrundsätzen, sei deshalb "dem Amtshaftungsrecht systemfremd"; es hätten vielmehr bei bewaffneten Auseinandersetzungen die Regelungen des internationalen Kriegsrechts zu gelten, die das Amtshaftungsrecht überlagerten.
Etwas anderes könnte allerdings gelten - erwägt das Berufungsgericht weiter -, wenn sich wie hier die handelnden Organe außerhalb des für die Kriegsführung geltenden Regelwerks stellten, namentlich, wenn die in der Haager Landkriegsordnung postulierten Handlungs- und Unterlassungspflichten verletzt würden. Die Frage sei, ob für diesen Fall nicht nur dem Staat, sondern auch dem einzelnen, der in seinen Rechten verletzt worden sei, ein An-
spruch auf Beseitigung der Unrechtsfolgen eingeräumt werde. Unter diesem Gesichtspunkt zieht das Berufungsgericht Art. 3 HLKO in Betracht, gelangt jedoch zu dem Ergebnis, diese Vorschrift gewähre nicht dem verletzten Individuum , sondern nur der betroffenen "Kriegspartei" ein subjektives Recht auf Schadensersatz.

b) Diesen Ausführungen schließt sich der Senat jedenfalls im Ergebnis an. Nach dem Verständnis und Gesamtzusammenhang des zur Tatzeit (1944) geltenden deutschen Rechts waren die dem Deutschen Reich völkerrechtlich zurechenbaren militärischen Handlungen während des Kriegs im Ausland von dem - eine innerstaatliche Verantwortlichkeit des Staats auslösenden - Amtshaftungstatbestand des § 839 BGB i.V.m. Art. 131 WRV ausgenommen (zur Frage der Fortgeltung des Art. 131 WRV vgl. Staudinger/Wurm [2002] § 839 Rn. 8).
aa) Zwar sind die Tatbestandselemente des § 839 Abs. 1 BGB dem Wortlaut der Vorschrift nach sämtlich erfüllt: Bei der "Sühnemaßnahme" der deutschen SS-Einheit vom 10. Juni 1944 gegen das Dorf Distomo mit einer Massenexekution und der Zerstörung der Häuser handelte es sich um einen Akt der deutschen militärischen Besatzungsmacht, dessen hoheitliche Natur und Zurechnung unbeschadet dessen außer Frage steht, daß der verantwortliche Einheitsführer den Anweisungen der vorgesetzten Stellen zuwiderhandelte und sein Befehl zu dem Massaker ein Kriegsverbrechen darstellte. An dem Zusammenhang mit dem Kriegsgeschehen ändert, wie bereits ausgeführt, auch der Umstand nichts, daß es sich bei dem Massaker in Distomo um ein Verbrechen der SS handelte. Die beteiligte SS-Einheit war in die deutsche Wehrmacht eingegliedert. Angesichts der taktischen Zuordnung der Waffen-SS zu
den kämpfenden Truppen im allgemeinen und der konkreten Zusammenhänge - es waren Kämpfe mit Partisanen vorausgegangen - läßt sich dieses Geschehen amtshaftungsrechtlich vom Kriegsgeschehen insgesamt nicht abtrennen. Es bedarf auch keiner weiteren Ausführungen dazu, daß es - auch in der damaligen Zeit und im Krieg - zu den Amtspflichten eines deutschen Soldaten gehörte, sich nicht in völkerrechtswidriger, kriegsverbrecherischer Art und Weise an fremdem Leben und Eigentum zu vergreifen, wie es hier - vorsätzlich - geschehen ist. Diese Amtspflichten waren entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch bezogen auf die betroffenen Personen (Opfer) zwangsläufig im amtshaftungsrechtlichen Sinne "drittgerichtet".
bb) Gleichwohl ist davon auszugehen, daß nach dem damaligen Verständnis des Kriegsgeschehens im allgemeinen, des anerkannten (weitgehend als ausschließlich verstandenen) völkerrechtlichen Haftungssystems für Verstöße gegen die Regeln des Krieges und der überkommenen Regelung des Art. 131 WRV, wonach die Verantwortlichkeit des Staates für die Amtspflichtverletzungen seiner Beamten nur "grundsätzlich" gegeben war, eine Einstandspflicht des Staates nach innerstaatlichem Amtshaftungsrecht gegenüber durch Kriegshandlungen im Ausland geschädigten Ausländern nicht gegeben war.
(1) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, wurde der Krieg als völkerrechtlicher Ausnahmezustand gesehen, der seinem Wesen nach auf Gewaltanwendung ausgerichtet ist und die im Frieden geltende Rechtsordnung weitgehend suspendiert. Die Verantwortlichkeit für den Beginn eines Kriegs und die Folgen der damit zwangsläufig verbundenen kollektiven Gewaltanwendung wie auch die Haftung für individuelle Kriegsverbrechen der zu den be-
waffneten Mächten gehörenden Personen wurde auf der Ebene der kriegsführenden Staaten geregelt bzw. als regelungsbedürftig angesehen. Dementsprechend haftet nach allgemeinem Völkerrecht der illegale Kriegseröffner für alle Schäden, die dem verletzten Staat aus dieser illegalen Kriegseröffnung erwachsen (vgl. Berber, Lehrbuch des Völkerrechts II. Bd. Kriegsrecht 2. Aufl. [1969] § 48 S. 238 f). Gleichermaßen hat die Kriegspartei, die bei der Kriegsführung anerkannte Grundsätze des Völkerrechts verletzt, dem betroffenen Staat für den aus dieser Verletzung entstehenden Schaden einzustehen; dies umfaßt die Haftung für die Handlungen aller zu der bewaffneten Macht gehörenden Personen, und zwar nicht nur, wenn diese Personen kompetenzmäßige Akte begehen, sondern auch dann, wenn sie ohne oder gegen Befehle handeln (vgl. Berber aaO S. 238). Aus dieser Sicht des Kriegs als eines in erster Linie kollektiven Gewaltakts, der als "Verhältnis von Staat zu Staat" aufgefaßt wurde (vgl. Gursky, AWD 1961, 12, 14 f; bezeichnend für diese Sicht ist auch die Darstellung von Féaux de la Croix, NJW 1960, 2268, 2269), lag - jedenfalls damals - die Vorstellung fern, ein kriegsführender Staat könne sich durch Delikte seiner bewaffneten Macht während des Kriegs im Ausland (auch) gegenüber den Opfern unmittelbar schadensersatzpflichtig machen. Selbst Kelsen (Unrecht und Unrechtsfolge im Völkerrecht, ZöR Bd. XII [1932], 481, 522 f), der bereits 1932 den Standpunkt vertreten hat, durch ein völkerrechtliches Unrecht könne rechtlich nicht nur ein Staat, sondern auch ein einzelner Mensch verletzt werden, hat es lediglich für möglich gehalten, daß diesem selbst eine Parteistellung vor einem internationalen Gericht gewährt werden könnte; zugleich stellt er jedoch fest, daß es nach geltendem Recht immer nur ein Staat sei, der die völkerrechtliche Unrechtsfolge zu realisieren habe.
(2) Das Ergebnis, daß es zumindest nach der damaligen Rechtsauffassung ausgeschlossen erscheint, daß das Deutsche Reich mit seinem nationalen Amtshaftungsrecht auch durch völkerrechtswidrige Kriegshandlungen deutscher Soldaten im Ausland verletzten ausländischen Personen individuelle Schadensersatzansprüche einräumen wollte, bestätigt sich vor dem Hintergrund des in § 7 des Gesetzes über die Haftung des Reiches für seine Beamten - Reichsbeamtenhaftungsgesetz (RBHG) - vom 22. Mai 1910 (RGBl. S. 798) geregelten Haftungsausschlusses.
Nach dieser Vorschrift stand den Angehörigen eines auswärtigen Staates ein Ersatzanspruch aufgrund dieses Gesetzes gegen das Deutsche Reich nur insoweit zu, als nach einer im Reichs-Gesetzblatt enthaltenen Bekanntmachung des Reichskanzlers durch die Gesetzgebung des ausländischen Staates oder durch Staatsvertrag die Gegenseitigkeit verbürgt war. Der Ausschluß der Staatshaftung gegenüber Ausländern in diesem Umfang, der für die Bundesrepublik Deutschland erst mit Wirkung vom 1. Juli 1992 geändert worden ist (Art. 6 des Gesetzes über dienstrechtliche Regelungen für Verwendungen im Ausland vom 28. Juli 1993 [BGBl. I S. 1394, 1398]) - allerdings seit der Geltung des Grundgesetzes und insbesondere nach dem Inkrafttreten des europäischen Gemeinschaftsrechts verfassungsrechtlich und rechtspolitisch umstritten ist (vgl. Ossenbühl aaO S. 98 ff m.w.N.; MünchKomm-Papier 3. Aufl. § 839 Rn. 340 ff) -, stand nach dem allgemeinen Verständnis des deutschen Staatshaftungsrechts bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs rechtlich außer Frage (vgl. RG JW 1926, 1332; RGZ 128, 238, 240; Anschütz aaO 14. Aufl. II. Hauptteil Art. 131 Anm. 14 S. 613; Delius, Die Beamtenhaftpflichtgesetze 4. Aufl. S. 23 f), zumal unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung die Verantwortlichkeit des Staats für amtspflichtwidriges Verhalten seiner Amtsträ-
ger zweifelsfrei und anerkanntermaßen unter einem Gesetzesvorbehalt für Ausnahmen - wenn auch in engen Grenzen - stand (Art. 131 WRV; hierzu Anschütz aaO Anm. 13 S. 612 f; zur Auslegung des heute geltenden Art. 34 GG vgl. Ossenbühl aaO S. 96 f; Papier aaO Rn. 332 jeweils m.w.N.). Andererseits war eine "Verbürgung der Gegenseitigkeit" - die im übrigen im Verhältnis zu Griechenland allgemein erst ab der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gegeben war (vgl. Bekanntmachung vom 31. Mai 1957; BGBl. I S. 607) -, was die individualrechtliche Staatshaftung für die Auswirkungen von Kriegshandlungen im Ausland anging, schon im Hinblick auf die vorstehend erörterte einhellige völkerrechtliche "Bewältigung" der Haftungsfrage bei völkerrechtlichen Delikten im Krieg von vornherein nicht zu erwarten, d.h. praktisch ausgeschlossen.
(3) Vor diesem damaligen Hintergrund erscheint es erklärbar, daß das Deutsche Reich während des Zweiten Weltkrieges eine Reihe von Bestimmungen erließ, die ebenfalls - ohne daß es sich insoweit um spezifisch nationalsozialistisches Unrecht (vgl. BVerfGE 23, 98, 106; 54, 53, 68; BGHZ 16, 350, 353 f; 26, 91, 93) handelte - keinerlei Anhalt dafür bieten, daß nach dem maßgebenden Rechtsverständnis im Jahre 1944 eine Haftung des Deutschen Reiches für völkerrechtswidrige Kriegshandlungen seiner Truppen im Ausland gegenüber geschädigten Individualpersonen in Betracht kam.
(aa) Bezüglich der Kriegspersonenschäden sah die Verordnung über die Entschädigung von Personenschäden (Personenschädenverordnung - PersonenschädenVO ) vom 10. November 1940 (RGBl. I S. 1482) vor, daß deutsche Staatsangehörige wegen - im Reich oder außerhalb des Reichs (vgl. Däubler DJ 1943, 36, 38) - durch Kampfhandlungen erlittener Schäden an Leib oder Leben "Fürsorge und Versorgung" erhalten sollten. Zugleich griff die Perso-
nenschädenverordnung in das Schadensersatzrecht ein, indem sie unter anderem in § 10 vorschrieb, daß Ansprüche gegen das Reich nur nach Maßgabe dieser Verordnung bestünden. Dies wurde dahin verstanden, daß wegen eines im Ausland erlittenen Kriegsschadens eines deutschen Staatsangehörigen kein Schadensersatzanspruch gegen das Reich erhoben werden könne (Däubler aaO S. 38), was nahelegt, daß für Schadensersatzansprüche von Ausländern wegen Personenschäden durch im Ausland begangene deutsche Kriegshandlungen erst recht keine Grundlage gesehen werden konnte.
(bb) Bezüglich der Kriegssachschäden sah die Kriegssachschädenverordnung - KriegssachschädenVO - vom 30. November 1940 (RGBl. I S. 1547) Entschädigungsansprüche für Schäden aus Kampfhandlungen innerhalb des Gebiets des großdeutschen Reichs vor. Später wurde die Kriegssachschädenverordnung auf bestimmte, außerhalb des Reichsgebiets eingetretene Schäden ausgedehnt (Erste, Zweite, Dritte und Vierte Verordnung über die Ausdehnung der Kriegssachschädenverordnung auf außerhalb des Reichsgebiets eingetretene Schäden vom 18. April 1941, 18. Februar 1942, 7. Juli 1942 und 26. November 1942 [RGBl. 1941 I S. 215, RGBl. 1942 I S. 84, 446, 665]). Ausländer konnten - soweit überhaupt - nur mit Genehmigung der oberen Verwaltungsbehörde Anträge auf Ersatz von Kriegssachschäden stellen (§ 13 Abs. 2). Kehrseite der Regelung war, daß wegen eines unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KriegssachschädenVO entstandenen Schadens - also aus Kampfhandlungen oder aus hiermit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden militärischen Maßnahmen - gesetzliche Schadensersatzansprüche gegen das Reich nicht geltend gemacht werden konnten (§ 28 Abs. 2 KriegssachschädenVO ). Was Kriegssachschäden deutscher Staatsangehöriger außerhalb des Reiches anging, wurde von Däubler (aaO S. 38) allerdings der Standpunkt
vertreten, hier könne eine dem Zweck der Kriegssachschädenverordnung entsprechende Auslegung nicht zu einer Anwendung des § 28 Abs. 2 führen, vielmehr dürfe, da die Kriegssachschädenverordnung nach ihrer positiven Seite hin ausscheide, die negative Bestimmung des § 28 Abs. 2 nicht für sich allein angewendet werden. Für Sachschäden von Ausländern bei Kampfhandlungen im Ausland stellte er derartige Erwägungen indessen nicht an.
cc) Ob nach dem heutigen Amtshaftungsrecht der Bundesrepublik Deutschland im Lichte des Grundgesetzes und der Weiterentwicklungen im internationalen Recht ähnliches gelten würde oder ob etwa auch im Blick auf § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG der von Ossenbühl (aaO S. 126 f) zum Rechtsinstitut des allgemeinen Aufopferungsanspruchs geäußerte Gedanke ohne weiteres durchgriffe, dieser Anspruch sei nur für den "Normalfall" gedacht - staatliche Katastrophenfälle wie namentlich Kriege, könnten in ihren Auswirkungen nicht über den allgemeinen Aufopferungsanspruch entschädigungsrechtlich reguliert werden, sondern sie bedürften besonderer Ausgleichsnormen und Ausgleichsmaßstäbe, die in entsprechenden Gesetzen niederzulegen seien -, kann dahinstehen. Denn es geht, wie gesagt, im Streitfall um einen Amtshaftungsanspruch nach dem Recht des Deutschen Reichs (§ 839 BGB i.V.m. Art. 131 WRV), der nach allem verneint werden muß.
3. Schließlich hat das Berufungsgericht auch unter dem Gesichtspunkt eines (rechtswidrigen) enteignungsgleichen bzw. aufopferungsgleichen Eingriffs (vgl. hierzu Ossenbühl aaO S. 131 ff, 213 ff) eine Anspruchsgrundlage für das Begehren der Kläger rechtsfehlerfrei verneint. Dabei wäre aus der damaligen Sicht der Rechtsprechung (vgl. RGZ 140, 285) für die Heranziehung des Aufopferungsgedankens wohl schon deshalb kein Raum, weil schuldhaft rechts-
widrige Maßnahmen, die in Ausübung öffentlicher Gewalt getroffen waren, nach damaliger Ansicht lediglich einen Amtshaftungsanspruch auslösen konnten (vgl. Kreft in BGB-RGRK 12. Aufl. vor § 839 Rn. 8). Jedenfalls war der aus den §§ 74, 75 EinlALR hergeleitete Aufopferungsgedanke, der auch dem Rechtsin-
stitut des enteignungsgleichen Eingriffs zugrunde liegt, auf Maßnahmen der Verwaltung eingeengt, Kriegsschäden waren ausgeklammert (vgl. Ossenbühl aaO S. 126, 127, oben B. IV. 2. bb).
Rinne Wurm Streck Schlick Dörr

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

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aa) In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass die in einem Schuldverhältnis je nach seinem Inhalt bestehende (Neben-)Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils (§ 241 Abs. 2 BGB) auch die Pflicht umfassen kann, die Interessen der anderen Partei gegenüber Dritten aktiv wahrzunehmen (MünchKommBGB/Roth, 5. Aufl., § 241 Rn. 80 ff. mwN; Staudinger/Olzen, BGB, Neubearb. 2009, § 241 Rn. 253 ff. mwN). Das kommt allerdings nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht. Eine Vertragspartei muss keine allgemeine Interessenverfolgung zugunsten der anderen betreiben. Denn die Parteien haben häufig gegenläufige Interessen. Deshalb sind sie nicht verpflichtet, gleich- oder höherrangige Interessen hinter die des anderen Teils zurückzustellen (MünchKommBGB /Roth, aaO).

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

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(1) Das Berufungsgericht hat verkannt, dass allein der Wegfall der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB noch nicht zu einer Vertragsanpassung berechtigt. Vielmehr muss nach dieser Vorschrift als weitere Voraussetzung hinzukommen, dass dem betroffenen Vertragspartner "unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann". Durch diese Formulierung kommt zum Ausdruck, dass nicht jede einschneidende Veränderung der bei Vertragsabschluss bestehenden oder gemeinsam erwarteten Verhältnisse eine Vertragsanpassung oder eine Kündigung (§ 313 Abs. 3 BGB) rechtfertigt. Hierfür ist vielmehr erforderlich, dass ein Festhalten an der vereinbarten Regelung für die betroffene Partei zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt (so schon - vor Inkrafttreten des § 313 BGB - BGH, Urteile vom 11. Oktober 1994 - XI ZR 189/93, BGHZ 127, 212, 218; vom 5. Januar 1995 - IX ZR 85/94, BGHZ 128, 230, 238 f.; vgl. auch Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 313 Rn. 24).

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.