Bundesverfassungsgericht Urteil, 02. Juni 2015 - 2 BvE 7/11

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2015:es20150602.2bve000711
bei uns veröffentlicht am02.06.2015

Tenor

1. Die Antragsgegnerin hat durch ihre Antworten (Bundestagsdrucksache 17/6022) auf die Fragen 10. e) und g) der Kleinen Anfrage vom 16. Mai 2011 (Bundestagsdrucksache 17/5847) die Antragstellerin in ihren Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes verletzt.

2. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Gegenstand des Organstreitverfahrens sind Antworten der Bundesregierung auf Kleine Anfragen der Antragstellerin, einer Fraktion des Deutschen Bundestages, zu Unterstützungseinsätzen der Bundespolizei für mehrere Länder.

I.

2

1. Grundlage für Unterstützungseinsätze der Bundespolizei ist § 11 des Gesetzes über die Bundespolizei (BPolG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Bundespolizeigesetzes und anderer Gesetze vom 26. Februar 2008 (BGBl I S. 215). Der im vorliegenden Verfahren relevante § 11 Abs. 1 Nr. 1 BPolG entspricht Art. 35 Abs. 2 Satz 1 GG, wonach zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ein Land in Fällen von besonderer Bedeutung Kräfte und Einrichtungen des Bundesgrenzschutzes - der heutigen Bundespolizei - zur Unterstützung seiner Polizei anfordern kann, wenn die Polizei ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen könnte.

3

Formelle Voraussetzung eines Unterstützungseinsatzes ist in diesen Fällen nach § 11 Abs. 4 BPolG die Anforderung der Bundespolizei durch ein Land. Die Anforderung, für die das Gesetz keine Form vorschreibt, soll nach § 11 Abs. 4 Satz 2 BPolG alle für die Entscheidung wesentlichen Merkmale des Einsatzauftrags enthalten. Die Entscheidung über die Verwendung der Bundespolizei zur Unterstützung eines Landes aufgrund einer Anforderung gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 BPolG trifft nach § 11 Abs. 3 Satz 1 BPolG das Bundesministerium des Innern. Dieses hat seine Entscheidungsbefugnis gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 BPolG durch eine Verwaltungsvorschrift auf das Bundespolizeipräsidium übertragen (Verwaltungsvorschrift "Einsätze der Bundespolizei zur Unterstützung der Länder - Übertragung der Entscheidungsbefugnis in bestimmten Fällen auf das Bundespolizeipräsidium" vom 22. Februar 2008, GMBl 2008, S. 267). Nach Ziffer 1.2 dieser Verwaltungsvorschrift prüft das Bundespolizeipräsidium die Verfügbarkeit geeigneter Bundespolizeikräfte. Auf dieser Grundlage sowie anhand des Gesamtunterstützungsbedarfs und gegebenenfalls überbehördlicher Bindungen trifft es die Entscheidung und übermittelt ein konkretes Kräfteangebot an das jeweils ersuchende Land oder die ersuchenden Länder. Nach der Annahme dieses Angebots durch das anfordernde Land weist das Bundespolizeipräsidium die Unterstützung an. Die Unterstützung eines Landes durch die Bundespolizei richtet sich gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 BPolG nach dem für das anfordernde Land geltenden Recht, also nach dem jeweiligen Landesrecht und dem sachlich einschlägigen Bundesrecht, etwa dem Versammlungs-, Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrecht (Drewes/ Malmberg/Walter, BPolG, 4. Aufl. 2010, § 11 Rn. 51). Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BPolG unterliegt die Bundespolizei bei Unterstützungseinsätzen den fachlichen Weisungen des Landes, während die Weisungsbefugnis im Hinblick auf Organisation und Dienstrecht beim Bund verbleibt (Drewes/Malmberg/Walter, a.a.O., § 11 Rn. 54 m.w.N.).

4

2. Die Vorschrift des § 11 BPolG lautet:

"§ 11 Verwendung zur Unterstützung eines Landes

(1) Die Bundespolizei kann zur Unterstützung eines Landes verwendet werden

1. zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung in Fällen von besonderer Bedeutung nach Artikel 35 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes,

2. zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall nach Artikel 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 des Grundgesetzes,

3. zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes nach Artikel 91 Abs. 1 des Grundgesetzes,

soweit das Land ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen kann.

(2) 1Die Unterstützung eines Landes durch die Bundespolizei nach Absatz 1 richtet sich nach dem für das Land geltenden Recht. 2Vorbehaltlich des Artikels 35 Abs. 3 des Grundgesetzes unterliegt die Bundespolizei dabei den fachlichen Weisungen des Landes.

(3) 1Die Entscheidung über eine Verwendung der Bundespolizei nach Absatz 1 trifft im Fall des Artikels 35 Abs. 3 des Grundgesetzes die Bundesregierung, im übrigen das Bundesministerium des Innern auf Anforderung des Landes. 2Das Bundesministerium des Innern kann seine Entscheidungsbefugnis in bestimmten Fällen durch Verwaltungsvorschrift auf eine Bundespolizeibehörde übertragen.

(4) 1Einer Anforderung der Bundespolizei ist zu entsprechen, soweit nicht eine Verwendung der Bundespolizei für Bundesaufgaben dringender ist als die Unterstützung des Landes. 2Die Anforderung soll alle für die Entscheidung wesentlichen Merkmale des Einsatzauftrages enthalten. 3Die durch eine Unterstützung eines Landes nach Absatz 1 entstehenden Mehrkosten trägt das Land, sofern nicht im Einzelfall aus besonderen Gründen in einer Verwaltungsvereinbarung etwas anderes bestimmt wird.

(5) Die Verpflichtung zur Amtshilfe bleibt unberührt."

II.

5

Dem Verfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

6

1. Am 19. Februar 2011 fand in Dresden anlässlich des Jahrestages der Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg ein Aufmarsch von Anhängern des rechtsradikalen Spektrums statt. Es gab eine Gegendemonstration, an der nach Angaben des Veranstalters etwa 20.000 Personen teilnahmen. Am Polizeieinsatz an jenem Tage waren neben der Landespolizei des Freistaates Sachsen Polizeibeamte anderer Länder und der Bundespolizei beteiligt.

7

2. Hinsichtlich dieses Polizeieinsatzes richteten die Antragstellerin sowie verschiedene Mitglieder des Bundestages am 1. März 2011 eine Kleine Anfrage mit dem Titel "Gewaltsames Vorgehen der Polizei gegen Antifaschistinnen und Antifaschisten am 19. Februar 2011 in Dresden" an die Antragsgegnerin (BTDrucks 17/4992). Diese Kleine Anfrage bezog sich zum einen auf den Bereich der originären Aufgabenwahrnehmung durch die Bundespolizei, dabei vor allem auf die Erfüllung bahnpolizeilicher Aufgaben, zum anderen auf die Unterstützung der Sächsischen Landespolizei durch Beamte der Bundespolizei gemäß § 11 BPolG. In der Vorbemerkung zu dieser Kleinen Anfrage heißt es unter anderem:

"Rund 20 000 Antifaschistinnen und Antifaschisten haben am 19. Februar 2011 in Dresden der Neonaziszene eine klare Niederlage bereitet. Der geplante Aufmarsch der extremen Rechten wurde durch das entschlossene Handeln der antifaschistischen Demonstrantinnen und Demonstranten vereitelt, die damit ihren Erfolg aus dem Vorjahr, als sie den Naziaufmarsch ebenfalls verhindern konnten, noch übertrafen.

Das Einsatzkonzept der sächsischen Polizei - die von Einheiten der Bundespolizei unterstützt wurde - sah aber die rigorose Abschottung der Gegendemonstranten vor. Dabei kam es mitunter zu äußerst gewaltsamem und eskalierendem Vorgehen, wie durch zahlreiche Videos im Internet und Augenzeugenberichte dokumentiert. Insbesondere über massiven und ohne Vorwarnung erfolgten Einsatz von Pfefferspray bzw. Pepperball sowie von Wasserwerfern wird berichtet (www.youtube.com/watch?v=EdXsLFLY_fs, Pfeffersprayeinsatz gegen abziehende Personengruppe; www.youtube.com/watch?v =9bAVcACehOc&feature=player_embedded, Pfeffersprayeinsatz auf gewaltfreien Demonstranten, möglicherweise einen Journalisten). Um einen besonders eklatanten Fall von Polizeigewalt handelt es sich beim anlasslosen Angriff eines Wasserwerfers auf eine Menschenmenge, die sich friedlich über eine Kreuzung bewegte (www.youtube.com/watch?v=N1vYuHpGKlI&feature= player_embedded).

[…]

Der Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Dr. h. c. Wolfgang Thierse, kommentierte die Ereignisse in der Presse folgendermaßen: 'Die Polizei ist eben vollauf damit beschäftigt, die Neonazis zu schützen (…). Das ist sächsische Demokratie.'

Es muss aufgeklärt werden, inwiefern Einheiten der Bundespolizei zu dieser Art der Demokratiedurchsetzung beigetragen haben. Wenn eine Landespolizei brutal gegen Antifaschisten vorgeht, um Nazis zu schützen, sollte die Bundespolizei dies nicht auch noch unterstützen."

8

In der Vorbemerkung der Antwort auf diese Kleine Anfrage (BTDrucks 17/5270, S. 2, Anlage Ast. 2) stellte die Antragsgegnerin fest:

"Polizeiliche Einsatzlagen im Zusammenhang mit Demonstrationen und Versammlungen fallen in die Zuständigkeit der Länder. Die Bundesregierung nimmt zu polizeilichen Einsätzen, soweit sie im Verantwortungsbereich eines Landes liegen - hier des Freistaates Sachsen - keine Stellung und bewertet diese nicht."

9

Folgende Fragen und Antworten sind streitgegenständlich:

10

Frage: "3. c) Wie ist der Einsatz in der Praxis durchgeführt worden und wer hat ihn geführt, von wem hat die Bundespolizei Weisungen erhalten, und wie ist die Koordination ihres Einsatzes im Rahmen des Gesamteinsatzes sichergestellt worden?"

11

Antwort: "Im originären Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei erfolgte der Einsatz eigenverantwortlich durch eine eingerichtete 'Besondere Aufbauorganisation' unter Führung der Bundespolizeidirektion Pirna."

12

Frage: "4. Wie sah das Einsatzkonzept aus, und wie bewertet die Bundesregierung dessen Umsetzung?"

13

Antwort: "Soweit die Frage auf das Einsatzkonzept der sächsischen Polizei zielt, wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

14

Frage: "5. Wie bewertet die Bundesregierung den von zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Proteste sowie auf Videos dokumentierten großflächigen Einsatz von Pfefferspray?"

15

Antwort: "Es wird auf die Antwort zu Frage 6a verwiesen."

16

Frage: "6. Haben Angehörige der Bundespolizei Pfefferspray oder andere Reizmittel verwendet, und wenn ja,

a) wann und wo genau,"

17

Antwort: "Ein Einsatz von Pfefferspray oder anderer Reizmittel im originären Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei wird ausgeschlossen. Hinsichtlich der Frage des Einsatzes von Pfefferspray oder anderer Reizmittel im Aufgabenbereich des Freistaates Sachsen wird auf die dortige einsatzführende Zuständigkeit und auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

18

Frage: "b) wie viele Sprühdosen wurden verbraucht bzw. welcher Ersatzbedarf wurde angezeigt (bitte jeweils die Füllmenge angeben)?"

19

Antwort: "Hinsichtlich der Frage des Verbrauchs von Sprühdosen und zum entsprechenden Ersatzbedarf im Aufgabenbereich des Freistaates Sachsen wird auf die dortige einsatzführende Zuständigkeit verwiesen."

20

Frage: "7. Hat die Bundespolizei Wasserwerfer eingesetzt, und wenn ja

a) wann und wo genau, und inwiefern waren dem Wasser Reizstoffe beigemischt?

b) Inwiefern wurden die Opfer des Einsatzes vorgewarnt, bzw. in welchen Fällen ist dies unterblieben (bitte begründen)?

c) Inwiefern war die Bundespolizei am Wasserwerfereinsatz, wie er auf youtube (www.youtube.com) dokumentiert ist, beteiligt?"

21

Antwort: "Die im originären Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei eingesetzten Wasserwerfer haben kein Wasser während des Einsatzes abgegeben. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

22

Frage: "9. Wie bewertet die Bundesregierung die Durchsuchung des Pressebüros des Bündnisses 'Dresden Nazifrei', bei der auch Räume der Partei DIE LINKE. durchsucht und Computer sowie Mobiltelefone beschlagnahmt wurden?

Welche rechtliche Grundlage gab es für diese Aktion, und inwiefern waren Bundespolizisten daran beteiligt?"

23

Antwort: "Die Bundespolizei war an den Durchsuchungsmaßnahmen des Pressebüros des Bündnisses 'Dresden Nazifrei' nicht beteiligt. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

24

Frage: "11. Waren Bundespolizisten während der Angriffe von Nazis auf das linke Hausprojekt 'Praxis' zugegen, und wie erklärt sich die Bundesregierung, dass die anwesende Polizei diesen Überfall nur beobachtete und es den Nazis möglich war, sich an diesem Tag unter den Augen der Polizei diesem Gebäude zu nähern?"

25

Antwort: "Angehörige der Bundespolizei waren bei dem geschilderten Ereignis nicht zugegen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

26

Frage: "12. Ist in der Vorbereitung des Polizeieinsatzes auf eine besondere Gefährdung von Gebäuden, die linke Projekte oder Parteien beherbergen, hingewiesen worden, und welche Planungen wurden für den Fall eines Naziangriffs vorgenommen?"

27

Antwort: "Die benannten Objekte befinden sich nicht auf Bahnanlagen und damit nicht im originären Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

28

Frage: "13. Gab es nach Kenntnis der Bundesregierung Anweisungen, Abgeordnete der Partei DIE LINKE. nicht durch Polizeisperren zu lassen und sie gezielt anders zu behandeln, als Abgeordnete anderer Parteien?"

29

Antwort: "Entsprechende Anweisungen im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei gab es nicht. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

30

Frage: "14. a) Wer leitet die Sonderkommission, und wer gehört ihr außerdem noch an?

b) Wird der Überfall auf das 'Haus der Begegnung' am Abend des 19. Februar 2011 ebenfalls Untersuchungsgegenstand der Sonderkommission sein?

c) Welche Vorkommnisse sind aus Sicht der Bundesregierung vorrangig zu prüfen, und welche Verdachtsfälle unverhältnismäßiger Polizeigewalt gehören hierzu?"

31

Antwort: "Die Leitung der Sonderkommission obliegt der Polizeidirektion Dresden. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

32

Frage: "18. Wie bewertet die Bundesregierung den politischen Schaden, der entsteht, wenn eine Landespolizei mit Unterstützung der Bundespolizei, wie am 19. Februar 2011 in Dresden, ihre Kraft vorrangig darauf konzentriert, den Naziaufmarsch zu schützen, und dafür ganze Stadtteile frei von Antifaschisten zu halten?"

33

Antwort: "Es wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

34

Frage: "19. Beabsichtigt die Bundesregierung, die Erfahrungen von Dresden im Rahmen der Innenministerkonferenz zu thematisieren und Konsequenzen für künftige Polizeieinsätze anlässlich von Naziaufmärschen zu ziehen, und wenn ja, welche Konsequenzen erwägt sie?"

35

Antwort: "Eine Behandlung der Thematik auf der ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder ist seitens der Bundesregierung nicht geplant. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen."

36

3. Zum selben Sachverhalt richteten die Antragstellerin sowie mehrere Abgeordnete am 20. April 2011 eine weitere Kleine Anfrage an die Antragsgegnerin (BTDrucks 17/5639). In einer "Vorbemerkung" drückten die Fragesteller ihr Missfallen über die Antworten der Bundesregierung auf die oben angeführte Kleine Anfrage aus. Sie sahen darin eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG und führten dies in der Vorbemerkung weiter aus.

37

Auf die in dieser Kleinen Anfrage gestellten Fragen antwortete die Antragsgegnerin (BTDrucks 17/5737) unter anderem wie folgt:

38

Frage: "4. Wie sah das Einsatzkonzept der sächsischen Polizei aus, von dem die Bundespolizei im Rahmen der Abstimmung der Einsatzkonzepte sowie der Tätigkeit der Verbindungsbeamten Kenntnis erhalten hat, welche Elemente hat die Bundespolizei bei der Abstimmung als besonders wichtig eingebracht, und wie bewertet die Bundesregierung die Umsetzung des abgestimmten Einsatzkonzeptes?"

39

Antwort: "Nach Kenntnis der Bundesregierung sah das Einsatzkonzept die Gewährleistung friedlicher Versammlungen und Kundgebungen sowie den Schutz deren Teilnehmer vor. An der Erstellung des Einsatzkonzeptes der Polizei des Freistaates Sachsen hat die Bundespolizei nicht mitgewirkt. Die den Einsatz der Bundespolizei führende Bundespolizeidirektion Pirna hat im Rahmen der Einsatzvorbereitung über einzelne Teilabschnitte des Einsatzkonzeptes Kenntnis erhalten, bei denen Schnittstellen zum Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei betroffen waren. Dabei hat die Bundespolizei ihr eigenes Einsatzkonzept thematisiert.

Die Bewertung des Polizeieinsatzes in der Zuständigkeit und der Verantwortung der Polizei des Freistaates Sachsen obliegt den dort zuständigen Stellen. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 4 auf Bundestagsdrucksache 17/5270 verwiesen."

40

Frage: "6. Wie bewertet die Bundesregierung die Durchsuchung des Pressebüros des Bündnisses 'Dresden Nazifrei', bei der auch Räume der Partei DIE LINKE. durchsucht und Computer sowie Mobiltelefone beschlagnahmt wurden?

Welche rechtliche Grundlage gab es nach Kenntnis der Bundesregierung für diese Aktion?"

41

Antwort: "Die Bundespolizei war an der Durchsuchung des Pressebüros des in der Frage genannten Bündnisses nicht beteiligt. Insofern liegen der Bundesregierung hierzu keine Erkenntnisse vor. Im Übrigen obliegt die Bewertung den hierfür zuständigen Stellen des Freistaates Sachsen."

42

Fragen: "8. Haben Angehörige der Bundespolizei, die dem Freistaat Sachsen unterstellt worden waren, Pfefferspray oder andere Reizmittel verwendet, und wenn ja,

a) wann und wo genau,

b) wie viele Sprühdosen wurden verbraucht, bzw. welcher Ersatzbedarf wurde angezeigt (bitte jeweils die Füllmenge angeben)?

9. Haben die drei Wasserwerfer der Bundespolizei, die dem Freistaat unterstellt worden sind, während des Einsatzes Wasser abgegeben, und wenn ja,

a) wann und wo genau, und inwiefern waren dem Wasser Reizstoffe beigemischt,

b) inwiefern wurden die Opfer des Einsatzes vorgewarnt, bzw. in welchen Fällen ist dies unterblieben (bitte begründen),

c) inwiefern war die Bundespolizei am Wasserwerfereinsatz, wie er auf www.youtube.com/ dokumentiert ist, beteiligt, und falls sie beteiligt war, wie schätzt die Bundesregierung die rechtliche Zulässigkeit dieses Einsatzes ein?"

43

Antwort: "Soweit Angehörige der Bundespolizei gemäß § 11 BPolG zur Unterstützung des Landes eingesetzt waren, obliegt die Zuständigkeit und Verantwortung für die Durchführung des Einsatzes dem Freistaat Sachsen. Aussagen und Bewertungen zu diesem Einsatz im Zuständigkeitsbereich des Freistaates Sachsen sind durch die dort zuständigen Stellen zu treffen."

44

4. Am 1. Mai 2011 kam es zu einem Einsatz der Bundespolizei in Berlin, Heilbronn und an anderen Orten, der Gegenstand einer weiteren Kleinen Anfrage (BTDrucks 17/5847, Antwort: BTDrucks 17/6022) der Antragstellerin und mehrerer Bundestagsabgeordneter war. In der Vorbemerkung zu dieser Kleinen Anfrage heißt es unter anderem:

"Während Zeitungen wie die 'BZ' bereits Wochen vor dem 1. Mai 2011 Krawalle in Berlin prophezeiten, zeigte sich der Senator für Inneres und Sport von Berlin, Dr. Ehrhart Körting, am 2. Mai 2011 'hochzufrieden' mit dem Verlauf des 1. Mai 2011 und der Walpurgisnacht am 30. April 2011. Es habe deutlich weniger Festnahmen und weniger 'Krawall' gegeben, als in den Vorjahren.

Umso mehr Gewalt ging dafür offenbar von Seiten der Polizei aus. Insbesondere am Kottbusser Tor, wo vornehmlich Angehörige der Bundespolizei eingesetzt waren, hat es einen umfassenden Einsatz von Pfefferspray gegeben. Es seien 'immer wieder Trupps von rund 20 Polizisten im Zickzack durch die bis dahin friedliche Menschenmenge' gezogen, berichtete die 'tageszeitung' ('taz') am 3. Mai 2011. Sie hätten dabei 'wahllos Umstehende mit Fäusten traktiert und immer wieder Pfefferspray eingesetzt.'

Dass diese Ausführungen zutreffend sind, legt die Tatsache nahe, dass Polizisten, die in Zivil eingesetzt waren, selbst Opfer ihrer uniformierten Kollegen geworden sind. Mindestens zwei Zivilfahnder seien 'plötzlich von Pfefferspray getroffen und zudem durch Faustschläge im Gesicht verletzt worden. Die beiden Polizisten hätten anschließend aufgrund von Augenreizungen und Prellungen vom Dienst abtreten müssen. Zudem sollen nach Polizeiangaben in diesem Zusammenhang weitere sechs Beamte durch Reizgaseinwirkungen verletzt worden sein', heißt es in der 'taz' weiter. Sanitäter sprachen von über 200 durch Pfefferspray verletzten Personen, die sie zu versorgen hatten.

Die Fraktion DIE LINKE. sieht sich durch solche Berichte in ihrer Annahme bestätigt, dass Pfefferspray von der Polizei, auch der Bundespolizei, häufig unverhältnismäßig eingesetzt wird.

[…]

Die Fraktion DIE LINKE. will nun erfahren, welche Einsätze von der Bundespolizei am 1. Mai 2011 bundesweit durchgeführt worden sind."

45

In der Kleinen Anfrage wurden unter anderem die nachfolgenden Fragen gestellt:

Frage: " 3. b) Wie viele Wasserwerfer hatte die Bundespolizei am Maiwochenende im Einsatz (bitte nach einzelnen Städten angeben)?

c) Aus wie vielen dieser Wasserwerfer wurde Wasser abgegeben (bitte nach einzelnen Städten und mit genauen Orten und Zeiten angeben)?

d) In welchen Fällen waren dem Wasser Reizstoffe beigemischt?"

46

Antwort: "Im originären Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei wurden keine Wasserwerfer eingesetzt. Zur Unterstützung der Länder gemäß § 11 BPolG wurde das Land Berlin mit drei und das Land Hamburg mit zwei Wasserwerfern unterstützt. Die Zuständigkeit und Verantwortung für die Durchführung dieser Einsätze obliegt den jeweiligen Ländern. Aussagen zu den Einsätzen im Zuständigkeitsbereich eines Landes sind durch die dort zuständigen Stellen zu treffen."

47

Frage: "4. Wie viele Bundespolizistinnen und Bundespolizisten waren mit Reizmittelsprühgeräten ausgestattet, und wie viele von ihnen haben diese auch eingesetzt?

a) Welche Reizmittel sind dabei verwendet worden? (bitte nach Typ und Fabrikat aufschlüsseln)

b) Wann und wo genau sind diese Geräte benutzt worden?

48

Antwort: "Die Polizeibeamten der Bundespolizei sind mit Reizstoff-Sprühgeräten (RSG 3) ausgestattet. Einsatzeinheiten der Bundespolizei werden zusätzlich mit dem Reizstoff-Sprühgerät RSG 4 ausgestattet. Die Reizstoff-Sprühgeräte der Bundespolizei enthalten den synthetischen Wirkstoff PAVA (Pelargonsäurevanillylamid) des Herstellers Carl Hoernecke GmbH & Co. KG und IDC SYSTEM AG in den Füllmengen 63ml und 30ml (RSG 3) sowie 400ml (RSG 4).

Nach Kenntnis der Bundesregierung hat die Bundespolizei im originären Zuständigkeitsbereich am 30. April 2011 am Bahnhof Bremen-Neustadt fünfmal das Reizstoff-Sprühgerät (RSG 3) eingesetzt.

Soweit Angehörige der Bundespolizei im Rahmen eines Einsatzes gemäß § 11 BPolG eingesetzt waren, obliegt die Zuständigkeit und Verantwortung für die Durchführung des Einsatzes dem jeweiligen Land. Aussagen und Bewertungen zu den Einsätzen im Zuständigkeitsbereich eines Landes sind durch die dort zuständigen Stellen zu treffen."

49

Frage: "6. Wie viele freiheitsentziehende Maßnahmen und Platzverweise sind von der Bundespolizei am Maiwochenende vorgenommen bzw. ausgesprochen worden (bitte mit Begründungen, nach Maßnahmen und Orten bzw. Zeitpunkt aufgliedern)?"

50

Antwort: "Nach Kenntnis der Bundesregierung hat die Bundespolizei im Rahmen der originären bahnpolizeilichen Aufgabenwahrnehmung im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei (Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes) zur Gefahrenabwehr insgesamt 1195 Platzverweise [es folgen detaillierte, nach Orten aufgeschlüsselte numerische Angaben] und 30 freiheitsentziehende Maßnahmen auf Grundlage der Strafprozessordnung ausgesprochen [es folgen detaillierte, nach Orten aufgeschlüsselte numerische Angaben].

Soweit Angehörige der Bundespolizei im Rahmen eines Einsatzes gemäß § 11 BPolG eingesetzt waren, obliegt die Zuständigkeit und Verantwortung für die Durchführung des Einsatzes dem jeweiligen Land. Aussagen und Bewertungen zu den Einsätzen im Zuständigkeitsbereich eines Landes sind durch die dort zuständigen Stellen zu treffen."

51

Frage: "7. Wie ist der Einsatz von Bundespolizisten im Zusammenhang mit dem Maiwochenende konkret geregelt worden?

a) Welche Gremien und Stäbe sind eingerichtet worden, in denen die Bundespolizei vertreten war (bitte Anzahl der Vertreter, die entsendenden Behörden unter Angabe der jeweiligen Abteilung, die Gesamtzusammensetzung der Gremien und jeweilige Aufgaben nennen und für jedes Land bzw. jede Stadt einzeln angeben)?

b) Inwiefern ist die Bundespolizei in die jeweilige Einsatzstrategie und -taktik eingeweiht worden, bzw. inwiefern hat sie diese mitgestaltet?

c) Wer hat die Einsätze geführt, von wem hat die Bundespolizei Weisungen erhalten, wie ist die Koordination des Einsatzes im Rahmen des Gesamteinsatzes jeweils sichergestellt worden, und wie sind die Einsätze in der Praxis durchgeführt worden?"

52

Antwort: "Im originären Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei wurde die Einsatzlage durch die einsatzführenden, regional zuständigen Bundespolizeidirektionen eigenverantwortlich geführt. Die Bundespolizeidirektionen Bad Bramstedt, Berlin und Stuttgart haben hierzu eigenständige Einsatzstäbe eingerichtet.

Die Bundespolizei hat in den Führungsstab der Polizei des Landes Mecklenburg-Vorpommern einen Polizeibeamten und in den Führungsstab der Polizei des Landes Berlin drei Polizeibeamte als Verbindungsbeamte entsandt. Zwischen der Polizeidirektion Heilbronn und der Bundespolizeidirektion Stuttgart wurden wechselseitig Verbindungsbeamte ausgetauscht.

Die Verbindungsbeamten stellen im Einsatz die Kommunikation zwischen den Führungsstäben der Polizeien des Landes und der Bundespolizei sicher. Der Austausch von Verbindungsbeamten zwischen benachbarten Polizeibehörden im Einsatz ist übliche Praxis und hat sich bewährt.

Die Zuständigkeit und Verantwortung für Polizeieinsätze in den Ländern obliegt den jeweiligen dort zuständigen Behörden."

53

Frage: "9. Inwieweit waren Beamte der Bundespolizei während der 'Revolutionären 1. Mai Demonstration' in Berlin im Einsatz?

a) Wer leitete diesen Einsatz?

b) Wie lautete der Auftrag der hier eingesetzten Bundespolizeibeamten?

c) Inwieweit kam es hier zu freiheitsentziehenden Maßnahmen durch Beamte der Bundespolizei?

d) Inwieweit setzten Beamte der Bundespolizei hier Pfefferspray ein?"

54

Antwort: "Die Bundespolizei hat am 1. Mai 2011 das Land Berlin mit insgesamt 982 Polizeibeamten unterstützt (am 30. April 2011 mit 852 Polizeibeamten). Die polizeiliche Einsatzlage im Zusammenhang mit der in Frage 9 aufgeführten Demonstration lag im Verantwortungsbereich und Zuständigkeit des Landes Berlin. Aussagen und Bewertungen zu diesem Einsatz obliegen den dort zuständigen Stellen.

Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 und 2 verwiesen."

55

Frage: "10. Inwieweit waren Beamte der Bundespolizei im Anschluss an die Berliner 'Revolutionäre 1. Mai Demonstration' in den Abend- und Nachtstunden am Kottbusser Tor im Einsatz?

a) Wie viele Bundespolizistinnen und Bundespolizisten waren an diesem Ort im Einsatz?

b) Wer leitete diesen Einsatz?

c) Wie lautete der Auftrag der hier eingesetzten Bundespolizeibeamten?

d) Inwieweit kam es hier zu freiheitsentziehenden Maßnahmen durch Beamte der Bundespolizei?

e) Inwieweit setzten Beamte der Bundespolizei hier Pfefferspray ein?

f) Gab es nach Kenntnis der Bundesregierung in den Abend- und Nachtstunden des 1. Mai 2011 am Kottbusser Tor eine polizeiliche Aufforderung, den Platz zu verlassen, und wenn ja, zu welcher Zeit?

g) Inwieweit bewertet die Bundesregierung den Polizeieinsatz und insbesondere den exzessiven Gebrauch von Pfefferspray in den Abend- und Nachtstunden des 1. Mai 2011 am Kottbusser Tor in Berlin als verhältnismäßig?"

56

Antwort: "Es wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen."

57

Frage: "11. Wie sah das Einsatzkonzept in Heilbronn aus, und wie bewertet die Bundesregierung dessen Umsetzung?"

58

Antwort: "Das Einsatzkonzept der Bundespolizei im originären Zuständigkeitsbereich sah die Bildung einer besonderen Aufbauorganisation vor. Ziel des Einsatzkonzeptes war es, die anreisenden Demonstrationsteilnehmer aus dem Hauptbahnhof Heilbronn in den Zuständigkeitsbereich der Landespolizei Baden-Württemberg zu begleiten und unbeteiligte Reisende sowie die Bahnanlagen zu schützen. Nach Kenntnis der Bundesregierung konnte die bundespolizeiliche Einsatzlage mit diesem Einsatzkonzept bewältigt werden.

Die Verantwortung für den Polizeieinsatz im Stadtgebiet Heilbronn lag bei der Polizei des Landes Baden-Württemberg. Insofern obliegen Aussagen hierzu den dort zuständigen Stellen."

59

Frage: "12. Wie bewertet die Bundesregierung die stundenlangen Einkesselungen mehrerer Hundert Menschen in Heilbronn, wobei die Betroffenen lange Zeit weder mit Wasser versorgt wurden noch Zugang zu Toiletten erhielten?"

60

Antwort: "Die Bundespolizei war an dem in der Frage beschriebenen Sachverhalt nicht beteiligt. Die Verantwortung für den Polizeieinsatz im Stadtgebiet Heilbronn lag bei der Polizei des Landes Baden-Württemberg. Insofern obliegen Aussagen hierzu den dort zuständigen Stellen.

Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 11 verwiesen."

III.

61

Die Antragstellerin sieht sich dadurch in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt, dass die Antragsgegnerin in ihren Antworten auf die oben wiedergegebenen Kleinen Anfragen die Auskunft über Unterstützungseinsätze der Bundespolizei nach § 11 BPolG teilweise zu Unrecht verweigert habe.

62

1. Die Kleine Anfrage bezüglich des Einsatzes der Bundespolizei am 19. Februar 2011 in Dresden habe darauf abgezielt, Aufklärung darüber zu erlangen, inwiefern und in welcher Weise Einheiten der Bundespolizei gegen Teilnehmer der Gegendemonstration vorgegangen waren. Die Antragsgegnerin habe mit ihrer Vorbemerkung, wonach zu polizeilichen Einsätzen im Verantwortungsbereich eines Landes nicht Stellung genommen werde, die Marschroute für die Einzelfragen vorgegeben. Diese seien bezüglich des Einsatzes der Bundespolizei nach § 11 BPolG nicht beantwortet worden.

63

Auch nach ausdrücklichem Hinweis auf das Fragerecht der Antragstellerin in der weiteren Kleinen Anfrage bezüglich des Einsatzes der Bundespolizei am 19. Februar 2011 in Dresdenhabe die Antragsgegnerin Antworten zum Unterstützungseinsatz der Bundespolizei verweigert.

64

Anlass der Kleinen Anfrage bezüglich des Einsatzes der Bundespolizei am 1. Mai 2011 in Berlin, Heilbronn und an anderen Ortensei "ein sehr hartes Vorgehen gerade von Bundespolizisten gegen Demonstranten bzw. Menschenansammlungen" auch "unter Einsatz von Pfefferspray und körperlicher Gewalt" gewesen, wodurch eine nicht unerhebliche Anzahl an Menschen verletzt worden sein solle. Im Rahmen des Einsatzes in Heilbronn, an dem offenbar Bundespolizisten beteiligt gewesen seien, solle es zu einem mehrstündigen Einkesseln von Demonstranten, zu körperlicher Gewalt und möglicherweise willkürlichen Festnahmen gekommen sein. Ziel der Kleinen Anfrage sei die Feststellung gewesen, welche Einsätze von der Bundespolizei vorgenommen worden seien und wie deren Angehörige dabei vorgegangen seien.

65

2. Die Antragstellerin hält ihren Antrag im Organstreitverfahren für zulässig. Auf Anfragen in den Landtagen müsse sie sich nicht verweisen lassen. In Baden-Württemberg existiere schon keine Fraktion der Linkspartei. Im Übrigen habe die Antragstellerin kein Durchgriffsrecht auf ihr politisch gleichgeordnete Landtagsfraktionen, welche die Kosten und Mühen für eine etwaige verfassungsgerichtliche Durchsetzung des Informationsanspruchs durchaus scheuen könnten. Kenntnisse der Antragsgegnerin, wie sie das Ziel der Fragen der Antragstellerin gewesen seien, könnten über die Landesregierungen ohnehin nicht erlangt werden.

66

3. Die Antragsgegnerin sei verpflichtet gewesen, Angaben zu den streitgegenständlichen Unterstützungseinsätzen zu machen.

67

a) Eine Antwortpflicht der Bundesregierung bestehe für alle Fragen zu Vorgängen aus ihrem Verantwortungsbereich. Dieser sei weiter als die Gegenstände der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes und umfasse alle Bereiche, in denen sich die Bundesregierung finanziell engagiere, sowie alles, worauf sie direkt oder indirekt Einfluss nehmen könne, etwa durch mögliche legislative Konsequenzen auf Bundesebene oder durch Maßnahmen der Bundesaufsicht. Im Zweifel sei der Verantwortungsbereich eröffnet.

68

Unterstützungseinsätze der Bundespolizei gehörten zum Verantwortungsbereich der Bundesregierung. Es gehe um die Tätigkeit einer der Antragsgegnerin nachgeordneten Behörde. Auch könne die Antragsgegnerin bei der Prüfung einer Anfrage gemäß § 11 Abs. 4 Satz 2 BPolG die Einsätze beeinflussen oder gar die Verwendung der Bundespolizei verweigern. Im Dresdener Fall sei die Bundespolizei nach den Angaben der Antragsgegnerin mit zwei Verbindungsbeamten im Führungsstab und mit einem Mitarbeiter im Vorbereitungsstab der Polizeidirektion Dresden vertreten gewesen, wodurch sie konkret Einfluss genommen habe, etwa bei der Abstimmung der Einsatzkonzepte und bei den fortwährenden Einsatzbesprechungen. Ohnehin verbleibe jedem Führer einer Einsatzhundertschaft innerhalb des Einsatzkonzepts ein gewisser Entscheidungsspielraum. Die Aktivität der Antragsgegnerin gehe über eine finanzielle Beteiligung hinaus, könne zu Grundrechtsbeeinträchtigungen von Bürgern führen und Amtshaftungsansprüche gegen den Bund auslösen. Gleichzeitig obliege der Antragsgegnerin eine Fürsorgepflicht für die am Einsatz beteiligten Bundespolizisten. Schließlich habe die Antragsgegnerin die Möglichkeit, legislative Konsequenzen aus einem Einsatz zu ziehen und etwa eine Änderung von § 11 BPolG zu initiieren.

69

Für den Verfassungsschutz habe das Bundesverfassungsgericht den Verantwortungsbereich schon wegen der Möglichkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Daten der Landesverfassungsschutzbehörden zu nutzen, sowie wegen der gegenseitigen Unterrichtung der Verfassungsschutzämter als betroffen angesehen (BVerfGE 124, 161 <196>). Die Antragsgegnerin sei verpflichtet, sich durch Befragung der eingesetzten Bundesbeamten oder durch Einsicht in deren verfasste Einsatzberichte Kenntnisse zu verschaffen.

70

b) Auch wenn man die Unterstützungseinsätze als Organleihe qualifizieren wollte, schlösse dies die Auskunftspflicht nicht aus. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestehe unter bestimmten Voraussetzungen eine Untersuchungsbefugnis des Bundestages im Verhältnis zu den Ländern (BVerfGE 77, 1 <5>). Diese Voraussetzungen lägen hier vor: Die verfahrensgegenständlichen Einsätze hätten in zehn Ländern stattgefunden und eine Vielzahl von Menschen im gesamten Bundesgebiet betroffen; ein Gewalteinsatz gegen Demonstranten verstoße möglicherweise auch gegen Bundesrecht, etwa gegen Strafvorschriften wie § 340 StGB.

71

c) Fragen nach der Koordination zwischen Bundespolizei und Landespolizeien, nach der Erteilung von Weisungen an die Bundespolizei, nach dem Einsatzkonzept und nach der zwischen Bundespolizei und jeweiligem Land im Vorfeld abgestimmten und im Nachgang besprochenen Einsatzorganisation beträfen nicht erst die konkrete Durchführung eines Einsatzes. Auch Fragen zur Vertretung der Bundespolizei in Gremien und Stäben sowie nach ihrer Einweihung in die Einsatzstrategie und deren Mitgestaltung gingen über die bloße Einsatzdurchführung hinaus. Fragen nach der Ausrüstung der Bundespolizei berührten schon aus Fürsorgegründen Aufgaben der Antragsgegnerin.

72

d) Die anerkannten Grenzen des parlamentarischen Informationsrechts seien nicht einschlägig. Weder liege die Sachmaterie völlig und absolut außerhalb des Verantwortungsbereichs der Antragsgegnerin noch seien der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung hinsichtlich laufender Vorgänge betroffen oder die Funktionsfähigkeit der Regierung beeinträchtigt. Eine Geheimhaltungsbedürftigkeit sei nicht erkennbar, auch die Antragsgegnerin lege eine solche nicht begründet dar. Gegen einen Geheimhaltungsbedarf spreche zudem, dass die Einsätze in der Öffentlichkeit stattgefunden hätten.

73

Auch Fragen nach bestimmten Bewertungen durch die Regierung seien zu beantworten. Abgeordnete seien auf Kenntnisse über die politische Bewertung von Vorgängen durch die Regierung angewiesen, um der Bewertung gegebenenfalls, etwa durch Gesetzesinitiativen, entgegenwirken zu können. Öffentliche Debatten mit Argument und Gegenargument lebten nicht von Tatsacheninformationen allein, weswegen das Fragerecht auch die Erkundung von Bewertungen beinhalte. Dass sie sich zu den Vorgängen bislang keine Meinung gebildet habe, habe die Antragsgegnerin in ihren Antworten nicht geltend gemacht. Es sei auch wenig glaubhaft, dass im Bundesministerium des Innern keine Bewertung der Einsätze stattgefunden habe, welche als Grundlage für neue Entscheidungen über Unterstützungseinsätze der Bundespolizei dienen könne.

74

e) Die Antragsgegnerin habe die Rechte der Antragstellerin auch dadurch verletzt, dass sie ihre Antwortverweigerung nicht ausreichend begründet habe. Ein pauschaler Hinweis auf die Zuständigkeit des Landes könne die erforderliche einzelfallbezogene Argumentation nicht ersetzen. Die Begründungsanforderungen seien in Fällen, in denen die Bundesregierung ihren Verantwortungsbereich für nicht eröffnet halte, nicht auf bloße Plausibilisierungspflichten reduziert.

75

4. Zu den Fragen 3. c) und 4. in BTDrucks 17/5270 trägt die Antragstellerin vor, diese bezögen sich nicht auf den konkreten Ablauf des Einsatzes, sondern auf die Koordination zwischen Bundespolizei und Landespolizei, auf die erteilten Weisungen und das im Rahmen der Anforderung besprochene Einsatzkonzept. Die Frage 12. betreffe ebenfalls die Vorbereitung des Einsatzes, soweit die Antragsgegnerin vor ihrer Entscheidung über die Anforderung davon Kenntnis erhalten habe. Auch Frage 14. zur "Sonderkommission" betreffe die Einsatzorganisation und dabei das Verhältnis zwischen Bund und Land.

76

Hinsichtlich der Fragen in BTDrucks 17/5847 führt die Antragstellerin ergänzend aus, Fragen nach der Ausrüstung der Bundespolizeibeamten gehörten aus Gründen der Fürsorge zum Verantwortungsbereich der Antragsgegnerin. Die Mitwirkung der Bundespolizei in Gremien und Stäben ziele ebenfalls auf die Zusammenarbeit von Bund und Ländern, insbesondere auf die Einflussnahme durch die Bundespolizei. Fragen nach dem Auftrag beträfen auch den Gesichtspunkt, ob das anfordernde Land gemäß § 11 Abs. 1 BPolG für den Auftrag nicht genügend eigene Kräfte gehabt habe, was bei der Entscheidung über die Anforderung habe geprüft werden müssen.

IV.

77

1. Die Antragsgegnerin verweist einleitend darauf, dass alle Fragen zum Einsatz der Bundespolizei im Bereich des Bahnschutzes beantwortet worden seien. Gleiches gelte für die Fragen zu Anzahl und Ausrüstung der den Ländern zur Verfügung gestellten Bundesbeamten. Lediglich Fragen zu den Einsatzmodalitäten habe sie aus Rechtsgründen nicht beantwortet. Alle relevanten Kenntnisse, auch solche aus gemeinsamen Einsatzvorbesprechungen, habe sie offengelegt.

78

2. Die Antragsgegnerin hält den Antrag für unzulässig. Die gerügten Maßnahmen oder Unterlassungen seien nicht hinreichend genau bezeichnet. Die Antragstellerin liste nicht im Einzelnen auf, welche Antworten auf welche Fragen konkret ihr Fragerecht verletzten, und setze sich nicht substantiiert mit den erteilten Antworten auf ihre Fragen auseinander. Auch fehle der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis, da sie anderweitig leichter an die begehrten Informationen gelangen könne. Über das Fragerecht der ihr politisch gleichgerichteten Fraktionen in allen betroffenen Landtagen könnten die Fragen direkt an die zuständigen Landesregierungen gerichtet werden.

79

3. Zumindest sei der Antrag unbegründet. Der Informationsanspruch des Bundestages umfasse wegen der Eigenstaatlichkeit der Länder allein den Verantwortungsbereich der Bundesregierung, während für Unterstützungseinsätze nach § 11 BPolG die jeweils anfordernde Landesregierung verantwortlich sei. Vorhandene Kenntnisse habe die Antragsgegnerin offengelegt. Zur Vornahme von Bewertungen sei sie nicht verpflichtet. Ihre Antwortverweigerung habe sie hinlänglich begründet.

80

a) Der parlamentarische Informationsanspruch reiche nur so weit wie die - mindestens mittelbare - Verantwortlichkeit der Antragsgegnerin für einen Sachverhalt. Grenzen ergäben sich insbesondere aus der föderalen Struktur der Bundesrepublik. Wie bei einem Untersuchungsausschuss sei das Auskunftsrecht an die Grenzen der Informations- und Kontrollaufgaben des Parlaments gebunden. In den Wirkungsbereich der Länder dürfe der Bund nur insoweit eingreifen, als ihm nach dem Grundgesetz Aufsichts- und Kontrollrechte zukämen. Maßnahmen der Landesexekutive seien dementsprechend nicht Gegenstand der parlamentarischen Kontrolle auf Bundesebene.

81

b) Während die Antragsgegnerin die vorhandenen Kenntnisse mitgeteilt habe, habe sie sich zu Recht nicht darum bemüht, an weitere Kenntnisse über einen Polizeieinsatz zu gelangen, in dessen Rahmen die Bundespolizei in Organleihe für das anfordernde Land - also nach dessen Recht und auf dessen Weisung - tätig geworden sei. Im Wege der Organleihe nehme die Bundespolizei funktional Länderaufgaben wahr. Wissen, welches Beamte der Bundespolizei im Rahmen eines Unterstützungseinsatzes erwürben, sei Länderwissen und unterstehe nicht der Verantwortlichkeit der Antragsgegnerin.

82

c) Die Fürsorgepflicht des Bundes für seine Beamten spiele lediglich im Rahmen der Entscheidung über eine Anforderung, bei der Wahl der Ausrüstung und bei auf Hinweis des Landes nachträglich geführten Disziplinarverfahren eine Rolle. § 11 Abs. 4 Satz 2 BPolG erweitere die Verantwortlichkeit des Bundes nicht auf die Durchführung des Einsatzes, sondern solle der Bundesregierung nur die Entscheidung über eine Anforderung ermöglichen. Keineswegs müsse bei einer Anforderung ein konkretes Einsatzkonzept mitgeteilt werden.

83

d) Diese Abgrenzung der Verantwortungsbereiche im föderalen System decke sich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Untersuchungsausschuss "Neue Heimat" (BVerfGE 77, 1). Die dort genannten - bereits großzügigen - Kriterien für eine Verantwortlichkeit des Bundes, nämlich mögliche Verstöße gegen Bundesrecht, die Betroffenheit von Haushaltsmitteln des Bundes in beträchtlichem Umfang und von einer Vielzahl an Personen im gesamten Bundesgebiet, seien vorliegend nicht erfüllt. Sachspezifisches Bundesrecht sei nicht berührt, Haushaltsmittel des Bundes in beträchtlichem Umfang seien angesichts der Kostentragung durch die Länder nicht einzusetzen, und die Maßnahmen der Bundespolizei hätten - wenn man nicht unzulässigerweise unabhängige Einsätze gemeinsam betrachte - auch keine Vielzahl von Personen im gesamten Bundesgebiet betroffen.

84

Aus einer Berechtigung zu staatlicher Informationspolitik folge nicht zugleich eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Informationserteilung. Einen Fall legitimationsbedürftigen Verwaltungshandelns des Bundes stelle der Unterstützungseinsatz in Organleihe nicht dar, es handele sich vielmehr um ein rein exekutivisches Länderhandeln. Diesem könne die Antragsgegnerin von vornherein keine demokratische Legitimation verschaffen. An der ausschließlichen Verantwortung des anfordernden Landes ändere auch der erhöhte Grundrechtsbezug nichts. Wie § 11 Abs. 2 Satz 1 BPolG verdeutliche, habe allein das Land die Wahrung der Grundrechte sicherzustellen. Auch sei es allein etwaigen Amtshaftungsansprüchen ausgesetzt.

85

Die Möglichkeit legislativer Konsequenzen auf Bundesebene könne für sich genommen kein Informationsrecht begründen, da sonst das Informationsrecht grenzenlos würde. Art. 76 Abs. 1 GG sei kein tauglicher Anknüpfungspunkt, zumal die Norm auch für Verfassungsänderungen gelte. Für eine mögliche gesetzgeberische Änderung von § 11 BPolG bedürfe es zudem keiner Informationen über Einsätze vor Ort.

86

Der den Bundespolizisten im Einsatz verbleibende Spielraum sei nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BPolG stets nach dem für das Land geltenden Recht auszufüllen. Insoweit bestehe keine Verantwortung der Antragsgegnerin. Tatsachenkenntnisse der eingesetzten Bundespolizisten begründeten eine solche Verantwortung ebenso wenig, da die Beamten funktional Länderaufgaben wahrgenommen hätten. Aufgabe der "im Rahmen der bewährten Praxis" in Dresden eingesetzten Verbindungsbeamten der Bundespolizei sei lediglich der rasche Informationsaustausch gewesen. Relevante Einblicke in die Einsatzplanung des Landes hätten die Beamten nicht erhalten. Erlangte Kenntnisse seien übermittelt worden, so der Umstand, dass bei den Einsatzvorbesprechungen "eine Gefährdung des […] Hausprojekts nicht angesprochen worden" sei (Antwort auf Frage 7 in BTDrucks 17/5737, S. 5).

87

e) Eine Regelung, nach der der Verantwortungsbereich der Antragsgegnerin im Zweifel weit auszulegen sei, möge für die Zuordnung von Einzelfällen zum Verantwortungsbereich der Antragsgegnerin greifen, setzte aber dessen sachgerechte Bestimmung voraus.

88

f) Selbst innerhalb ihres Verantwortungsbereichs sei die Antragsgegnerin nicht zur Bewertung von Sachverhalten verpflichtet. Grund des parlamentarischen Fragerechts sei - wie sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts klar ergebe - die Informationsdominanz der Antragsgegnerin. Auch der Thüringer Verfassungsgerichtshof unterscheide zu Recht zwischen tatsachenbezogenen und "tendenziellen" Anfragen, die auf "meinungsmäßige Stellungnahme" bezogen seien. Bei letzteren bestehe nur die Pflicht, ein bereits existierendes Meinungsbild mitzuteilen, aber keine Pflicht zur Bildung einer Meinung. Hinsichtlich der Frage, ob sie in einen Prozess des Meinungsaustauschs eintreten wolle, verfüge die Regierung über einen Entscheidungsspielraum, in dessen Rahmen sie das öffentliche Interesse an der Meinungsbildung berücksichtigen müsse. Zur Debattenteilnahme gezwungen werden könne die Antragsgegnerin nicht.

89

Eine Pflicht zur Bewertung ergebe sich auch nicht aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung oder aus dem Gleichheitsgrundsatz. Insbesondere setze eine aus dem Aspekt der Dienstordnungsmäßigkeit von Verhaltensweisen von Bundesbeamten resultierende Pflicht zur Meinungsbildung voraus, dass diese in Erfüllung von Bundesaufgaben handelten. Dies sei hier nicht der Fall.

90

g) Ihren Begründungspflichten habe die Antragsgegnerin genügt. In dem hier vorliegenden Fall fehlender Verantwortlichkeit müsse die Nichtbeantwortung nicht vergleichbar ausführlich begründet werden wie etwa eine Antwortverweigerung aus Geheimhaltungsgründen. Die Begründungsanforderungen seien umso niedriger, je deutlicher die Unzuständigkeit der Bundesregierung sei.

91

4. Hinsichtlich der von der Antragstellerin gegebenen Erläuterungen zu einzelnen Fragen ist die Antragsgegnerin der Ansicht, diese stellten lediglich einen Versuch dar, im Wege der Interpretation neue Fragen zu formulieren, die nicht Gegenstand des Verfahrens seien. In Wahrheit seien die Fragen teils erkennbar auf die konkrete Einsatzdurchführung gerichtet, teils bereits beantwortet worden.

V.

92

Der Landtag von Rheinland-Pfalz hat zum Verfahren Stellung genommen. Er ist der Ansicht, dass soweit wie das fachliche Weisungsrecht eines Landes bezüglich eines Einsatzes reiche, keine Informationspflicht der Antragsgegnerin bestehe. Das gelte auch für die Beantwortung von Dreiecksfragen zur Bewertung eines Einsatzes. Fragen zur Organisation der Bundespolizei, zur Dienstaufsicht über die eingesetzten Bundesbeamten und zu faktischen Einflussnahmen der Bundespolizei auf den Einsatzverlauf seien dagegen zu beantworten. Auch könnten Unterstützungseinsätze mittelbarer Gegenstand des Fragerechts sein, wenn Bundesrecht - wie das Versammlungsgesetz des Bundes - angewendet werde, allerdings lediglich insoweit, wie die Ausübung oder Nichtausübung der Aufsichtsbefugnisse nach Art. 84 Abs. 3 Satz 1 GG betroffen sei. Ein uneingeschränktes Fragerecht bestehe hinsichtlich des Anforderungsverfahrens, also bezogen auf das Anforderungsgesuch, die der Entscheidung der Bundesregierung zugrunde liegenden Erwägungen und den Umfang der gewährten Unterstützung.

VI.

93

In der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2015 haben die Beteiligten ihren Vortrag vertieft und ergänzt. Als sachkundige Dritte gemäß § 27a BVerfGG hat das Bundesverfassungsgericht den Präsidenten der Deutschen Hochschule der Polizei sowie Einsatzleiter der Bereitschaftspolizeien der Länder Hessen, Niedersachsen und Sachsen und einen Einsatzleiter der Bundespolizei angehört.

B.

94

Der Antrag ist zulässig.

I.

95

1. Die Antragstellerin ist als Fraktion, die bei Antragstellung im 17. Deutschen Bundestag vertreten war und auch im derzeitigen 18. Deutschen Bundestag vertreten ist, nach § 63 BVerfGG in Organstreitigkeiten parteifähig (§ 13 Nr. 5, § 63 BVerfGG) und berechtigt, sowohl eigene Rechte als auch Rechte des Deutschen Bundestages im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen (vgl. BVerfGE 2, 143 <165>; 67, 100 <125>; 131, 152 <190>; stRspr). Dies ist Ausdruck der Kontrollfunktion des Parlaments und zugleich ein Instrument des Minderheitenschutzes (vgl. BVerfGE 45, 1 <29 f.>; 60, 319 <325 f.>; 68, 1 <77 f.>; 121, 135 <151>; 131, 152 <190>). Die Bundesregierung ist nach § 63 BVerfGG taugliche Antragsgegnerin.

96

2. Die Antragstellerin hat die Maßnahmen beziehungsweise Unterlassungen im Sinne von § 64 Abs. 1 BVerfGG hinreichend konkret bezeichnet, durch die die Antragsgegnerin sie und den Deutschen Bundestag in ihrem Frage- und Informationsrecht verletzt haben soll. Bei der Bestimmung des prozessualen Begehrens ist das Bundesverfassungsgericht nicht an die wörtliche Fassung des Antrages gebunden, insbesondere kann es bei dessen Auslegung die Antragsbegründung berücksichtigen (vgl. BVerfGE 1, 14 <39>; 68, 1 <68>; 103, 242 <257>). Die Antragstellerin hat in der Antragsbegründung die Fragen und Antworten im Wortlaut aufgeführt und das gerügte Antwortverhalten spezifiziert. Angegriffen wird danach die teilweise Nichtbeantwortung der Fragen zu Unterstützungseinsätzen der Bundespolizei nach § 11 BPolG unter Verweis auf die Verantwortlichkeit des jeweiligen Landes. Der Gegenstand des Organstreitverfahrens wird damit hinreichend deutlich. Die Antragstellerin hat zudem gemäß § 64 Abs. 2 BVerfGG die Bestimmungen des Grundgesetzes bezeichnet, gegen die die beanstandeten Maßnahmen ihrer Ansicht nach verstoßen.

97

3. Der - fristgerecht eingereichte - Antrag bezieht sich auf taugliche Antragsgegenstände. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG kann Antragsgegenstand im Organstreitverfahren sowohl eine Maßnahme als auch ein Unterlassen sein. Es kommt somit nicht darauf an, ob es sich bei den gerügten Antworten der Antragsgegnerin jeweils um eine Maßnahme in Form der Verweigerung einer hinreichenden Antwort oder um ein Unterlassen in Form einer pflichtwidrigen Nichtbeantwortung oder einer nicht hinreichenden Beantwortung der jeweiligen Anfrage handelt. Die teilweise Verweigerung von Antworten auf Fragen der Antragstellerin kann die Antragstellerin und den Deutschen Bundestag in ihrem aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Auskunftsrecht ebenso verletzen wie die Nichtbeantwortung oder die nicht hinreichende Beantwortung der Anfragen. Somit sind die Maßnahmen oder Unterlassungen auch rechtserheblich (vgl. BVerfGE 96, 264 <277>; 103, 81 <86>; 104, 310 <324>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 21. Oktober 2014 - 2 BvE 5/11 -, juris, Rn. 106).

II.

98

Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Ein die Antragstellerin und den Deutschen Bundestag einerseits und die Antragsgegnerin andererseits umschließendes Verfassungsrechtsverhältnis (vgl. etwa BVerfGE 1, 208 <221>; 84, 290 <297>; 124, 161 <185>) liegt vor. Die Antragstellerin beanstandet Antworten der Antragsgegnerin auf an diese gerichtete parlamentarische Anfragen. Der Organstreit betrifft damit die Reichweite des verfassungsrechtlich verankerten, in der Geschäftsordnung des Bundestags näher ausgestalteten Fragerechts sowie die grundsätzliche Verpflichtung der Bundesregierung, auf Fragen im Parlament Rede und Antwort zu stehen (vgl. BVerfGE 124, 161 <185>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 21. Oktober 2014 - 2 BvE 5/11 -, juris, Rn. 108). Das betreffende Recht auf Information stellt sowohl ein eigenes Recht der Fraktionen aus dem innerparlamentarischen Raum (vgl. BVerfGE 91, 246 <250 f.>; 100, 266 <270>) dar, das der Bundesregierung gegenüber geltend gemacht werden kann (vgl. BVerfGE 124, 161 <187>), als auch ein Recht des Deutschen Bundestages aus Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG, auf welches die Antragstellerin sich im Wege der Prozessstandschaft berufen kann (vgl. BVerfGE 124, 161 <187>).

99

Es kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin Rechte des Bundestages und eigene Rechte der Antragstellerin, die aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten erwachsen, verletzt (vgl. BVerfGE 94, 351 <362 f.>; 112, 363 <365>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 21. Oktober 2014 - 2 BvE 5/11 -, juris, Rn. 108). Vielmehr erscheint es möglich, dass die Antragsgegnerin durch ihre Antworten einen Informationsanspruch der Antragstellerin und des Deutschen Bundestages aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG in unzulässiger Weise verkürzt hat. Die Antragstellerin hat hinreichend dargelegt, dass sie und der Deutsche Bundestag durch das angegriffene Verhalten der Antragsgegnerin in Rechten verletzt sein können, die ihnen durch das Grundgesetz übertragen worden sind.Sie macht die Möglichkeit einer Verletzung des parlamentarischen Fragerechts durch konkrete Antworten der Antragsgegnerin geltend. Aus der Antragsbegründung geht hervor, dass sie die Antworten auf die darin hervorgehobenen Fragen jeweils nur hinsichtlich der Unterstützungseinsätze der Bundespolizei, nicht aber hinsichtlich deren originärer Aufgabenerfüllung rügt. Bezüglich der Unterstützungseinsätze wurden Fragen teilweise nicht beantwortet, ohne dass offensichtlich wäre, dass ein Auskunftsrecht der Antragstellerin und des Deutschen Bundestages nicht bestanden hätte.

III.

100

1. Dem Begehren der Antragstellerin fehlt nicht deswegen das Rechtsschutzbedürfnis, weil sie im Wege der Kooperation mit ihr politisch gleichgerichteten Fraktionen der Landesparlamente leichter an die begehrten Informationen gelangen könnte. Ungeachtet der Frage, ob die Antragstellerin tatsächlich über geeignete Beziehungen zu Fraktionen in allen einschlägigen Landesparlamenten verfügt, muss sie sich auf diese Alternative nicht verweisen lassen. Denn sie stellt schon deshalb keinen gleichwertigen verfassungsrechtlichen Weg zur Verfolgung ihres Prozessziels dar, weil Informationen über Kenntnisse und Bewertungen gerade der Antragsgegnerin auf diese Weise nicht zu erlangen sind.

101

2. Der zwischenzeitliche Ablauf der Legislaturperiode lässt das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen. Die Antragstellerin ist weiterhin als Fraktion im Deutschen Bundestag vertreten und die begehrte Entscheidung bezieht sich nicht auf eine Fallgestaltung, die maßgeblich durch die besonderen und deshalb nicht wiederholbaren Verhältnisse der abgelaufenen Wahlperiode geprägt wird.

C.

102

Der Antrag ist teilweise begründet.

I.

103

1. Aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG folgt ein Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung, an dem die einzelnen Abgeordneten und die Fraktionen als Zusammenschlüsse von Abgeordneten nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages teilhaben und dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregierung korrespondiert (vgl. BVerfGE 124, 161 <188>; stRspr). Aus dem Frage- und Interpellationsrecht des Parlaments folgt für die Mitglieder der Bundesregierung die verfassungsrechtliche Verpflichtung, auf Fragen Rede und Antwort zu stehen. Die Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen und auf Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages sollen dazu dienen, dem Bundestag und den einzelnen Abgeordneten die für ihre Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen. Die Bundesregierung schafft so mit ihren Antworten auf parlamentarische Anfragen die Voraussetzungen für eine sachgerechte Arbeit innerhalb des Parlaments (vgl. zum Ganzen BVerfGE 13, 123 <125>; 57, 1 <5>; 105, 252 <270>; 105, 279 <306>; 124, 161 <187 ff.>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 21. Oktober 2014 - 2 BvE 5/11 -, juris, Rn. 130).

104

Das parlamentarische Regierungssystem wird auch durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt. Die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Verwaltung verwirklicht den Grundsatz der Gewaltenteilung, der für das Grundgesetz ein tragendes Funktions- und Organisationsprinzip darstellt. Der Gewaltenteilungsgrundsatz zielt dabei nicht auf eine vollständige Trennung der Funktionen der Staatsgewalt, sondern auf die politische Machtverteilung, das Ineinandergreifen der drei Gewalten und die daraus resultierende gegenseitige Kontrolle und Begrenzung mit der Folge der Mäßigung der Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 3, 225 <247>; 7, 183 <188>; 9, 268 <279>; 22, 106 <111>; 34, 52 <59>; 95, 1 <15>). Er gebietet gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung, zumal wegen mangelnder Eingriffsmöglichkeiten des Parlaments in den der Exekutive zukommenden Bereich unmittelbarer Handlungsinitiative und Gesetzesanwendung, eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle auch tatsächlich wirksam werden kann. Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann das Parlament sein Kontrollrecht gegenüber der Regierung nicht ausüben. Daher kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 21. Oktober 2014 - 2 BvE 5/11 -, juris, Rn. 131).

105

Die Kontrollfunktion ist zugleich Ausdruck der aus dem Demokratieprinzip folgenden Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG gestaltet den Grundsatz der Volkssouveränität aus. Er legt fest, dass das Volk die Staatsgewalt, deren Träger es ist, außer durch Wahlen und Abstimmungen durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausübt. Das setzt voraus, dass das Volk einen effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt durch diese Organe hat. Deren Akte müssen sich auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <66>; 130, 76 <123>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 21. Oktober 2014 - 2 BvE 5/11 -, juris, Rn. 132).

106

Dieser Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft wird außer durch die Wahl des Parlaments, die vom Parlament beschlossenen Gesetze als Maßstab der vollziehenden Gewalt und die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung auch durch den parlamentarischen Einfluss auf die Politik der Regierung hergestellt. Das "Ausgehen der Staatsgewalt" vom Volk muss für das Volk wie auch für die Staatsorgane jeweils konkret erfahrbar und praktisch wirksam sein. Es muss ein hinreichender Gehalt an demokratischer Legitimation erreicht werden, ein bestimmtes Legitimationsniveau (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <67>; 107, 59 <87>; 130, 76 <124>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 21. Oktober 2014 - 2 BvE 5/11 -, juris, Rn. 132). Nur das vom Volk gewählte Parlament kann den Organ- und Funktionsträgern der Verwaltung auf allen ihren Ebenen demokratische Legitimation vermitteln. Im Fall der nicht durch unmittelbare Volkswahl legitimierten Amtswalter und Organe setzt die demokratische Legitimation der Ausübung von Staatsgewalt regelmäßig voraus, dass sich die Bestellung der Amtsträger auf das Staatsvolk zurückführen lässt und ihr Handeln eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation erfährt. In personeller Hinsicht ist eine hoheitliche Entscheidung demokratisch legitimiert, wenn sich die Bestellung desjenigen, der sie trifft, durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf das Staatsvolk zurückführen lässt. Die sachlich-inhaltliche Legitimation wird durch Gesetzesbindung und Bindung an Aufträge und Weisungen der Regierung vermittelt. Letztere entfaltet Legitimationswirkung aufgrund der Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung (BVerfGE 93, 37 <67 f.>; 107, 59 <87 f.>; 130, 76 <124>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 21. Oktober 2014 - 2 BvE 5/11 -, juris, Rn. 132). Hieraus folgt, dass sich der Informationsanspruch des Bundestages und der einzelnen Abgeordneten von vornherein nicht auf Angelegenheiten beziehen kann, die nicht in die Zuständigkeit der Bundesregierung fallen, da es insoweit an einer Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag fehlt (vgl. BVerfGE 124, 161 <189, 196>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 21. Oktober 2014 - 2 BvE 5/11 -, juris, Rn. 135).

107

2. Im föderal verfassten Staat des Grundgesetzes kann demokratische Legitimation grundsätzlich nur durch das Bundes- oder Landesvolk für seinen jeweiligen Bereich vermittelt werden (BVerfGE 119, 331 <366>). Staatliche Aufgaben müssen daher durch Organe und Amtswalter unter Bedingungen wahrgenommen werden, die eine klare Verantwortungszuordnung ermöglichen. Der Bürger muss wissen können, wen er wofür verantwortlich machen kann (BVerfGE 119, 331 <366>). Die Kompetenzaufteilung nach Art. 30 und Art. 83 ff. GG ist somit zum einen wichtige Ausformung des bundesstaatlichen Prinzips im Grundgesetz, die dazu dient, die Länder vor einem Eindringen des Bundes in den ihnen vorbehaltenen Bereich der Verwaltung zu schützen. Zum anderen wird durch die organisatorische und funktionelle Trennung der Verwaltung des Bundes und der Verwaltung der Länder im Sinne von in sich geschlossenen Einheiten (vgl. hierzu BVerfGE 108, 169 <181 f.>; 119, 331 <364>) die Zuordnung von Verantwortung ermöglicht, die Voraussetzung für eine effektive parlamentarische Kontrolle durch den Deutschen Bundestag und die Volksvertretungen der Länder ist und über die staatliches Handeln auf das Volk als Souverän des Bundes und des jeweiligen Landes rückgeführt werden kann (BVerfG, Urteil vom 7. Oktober 2014 - 2 BvR 1641/11 -, juris, Rn. 81).

108

Die Verwaltungszuständigkeiten von Bund und Ländern sind in den Art. 83 ff. GG erschöpfend geregelt und grundsätzlich nicht abdingbares Recht (vgl. BVerfGE 32, 145 <156>; 41, 291 <311>; 63, 1 <39>; 119, 331 <364>). Es gilt der allgemeine Verfassungssatz, dass weder der Bund noch die Länder über ihre im Grundgesetz festgelegten Kompetenzen verfügen können (vgl. BVerfGE 4, 115 <139>); Kompetenzverschiebungen zwischen Bund und Ländern sind selbst mit Zustimmung der Beteiligten nicht zulässig (vgl. BVerfGE 32, 145 <156>). Aus dem Normgefüge der Art. 83 ff. GG folgt, dass Mitplanungs-, Mitverwaltungs- und Mitentscheidungsbefugnisse gleich welcher Art im Aufgabenbereich der Länder, wenn die Verfassung dem Bund entsprechende Sachkompetenzen nicht übertragen hat, durch das Grundgesetz ausgeschlossen sind (vgl. BVerfGE 32, 145 <156>; 108, 169 <182>; 119, 331 <365>). Das Grundgesetz schließt, von begrenzten Ausnahmen abgesehen, auch eine sogenannte Mischverwaltung aus (vgl. BVerfGE 63, 1 <38 ff.>; 108, 169 <182>; 119, 331 <365>; BVerfG, Urteil vom 7. Oktober 2014 - 2 BvR 1641/11 -, juris, Rn. 80 ff.).

109

3. Vor diesem Hintergrund ist der Einsatz von Kräften der Bundespolizei zur Wahrnehmung von Aufgaben eines Landes nur aufgrund ausdrücklicher verfassungsrechtlicher Ermächtigung zulässig, wie sie das Grundgesetz in Art. 35 Abs. 2 Satz 1 für Fälle von besonderer Bedeutung unter engen Voraussetzungen vorsieht. Ein darüber hinausgehender regelmäßiger Einsatz von Kräften der Bundespolizei zur Wahrnehmung von Aufgaben der Länder wäre ebenso wenig zulässig wie der Ausbau der mit begrenzten Aufgaben betrauten Bundespolizei zu einer allgemeinen, mit der Polizei der Länder konkurrierenden Polizei des Bundes (vgl. BVerfGE 97, 198 <217 f.>). Zudem hat der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Verwaltungszuständigkeiten die rechtsstaatlichen Grundsätze der Normenklarheit und Widerspruchsfreiheit zu beachten, um die Länder vor einem Eindringen des Bundes in den ihnen vorbehaltenen Bereich der Verwaltung zu schützen und eine Aushöhlung des Grundsatzes des Art. 30 GG zu verhindern (vgl. BVerfGE 108, 169 <181 f.>; 119, 331 <366>). Die einfachrechtlichen Regelungen über die Zuständigkeiten bei Unterstützungseinsätzen der Bundespolizei für die Länder sind daher so auszugestalten, dass sie eine klare und widerspruchsfreie Zuordnung der Kompetenzen und der Verantwortung des Bundes und des jeweiligen Landes ermöglichen.

II.

110

1. Das Frage- und Auskunftsrecht des Deutschen Bundestages, seiner Abgeordneten und Fraktionen gegenüber der Bundesregierung kann sich hinsichtlich der Unterstützungseinsätze nach Art. 35 Abs. 2 Satz 1 GG danach nur auf Umstände beziehen, die nach der im Grundgesetz angelegten und im Gesetz über die Bundespolizei näher geregelten Verteilung der Zuständigkeiten in den Verantwortungsbereich des Bundes fallen.

111

a) Die Bundesregierung hat daher zunächst auf parlamentarische Fragen zu der Entscheidung über das Ersuchen eines Landes um Unterstützung durch die Bundespolizei zu antworten. Dies gilt unabhängig davon, ob die Entscheidung wie üblich durch das Bundespolizeipräsidium getroffen wurde oder durch das Bundesministerium des Innern aufgrund seines Entscheidungsvorbehalts gemäß Ziffer 2 der Verwaltungsvorschrift "Einsätze der Bundespolizei zur Unterstützung der Länder - Übertragung der Entscheidungsbefugnis in bestimmten Fällen auf das Bundespolizeipräsidium" vom 22. Februar 2008 (GMBl 2008, S. 267). Dabei sind gegebenenfalls auch Tatsachen mitzuteilen, die zwar aus dem Bereich des anfragenden Landes stammen, aber die Grundlage für die Entscheidung über das Ersuchen bildeten, also etwa die in der Anforderung angegebenen wesentlichen Merkmale des Einsatzauftrages (vgl. § 11 Abs. 4 Satz 2 BPolG), der Umfang der angefragten Kräfte oder spezielle Anforderungen an die Art der zu entsendenden Unterstützungskräfte oder deren Ausrüstung.

112

b) Weiter sind Fragen zu beantworten, die sich auf Begleitumstände eines Unterstützungseinsatzes beziehen, für die eine Behörde des Bundes aufgrund ihrer Eigenschaft als Dienstherr der eingesetzten Beamten die Verantwortung trägt. Dies ist etwa der Fall bei Fragen zur Ausbildung und Ausrüstung der eingesetzten Bundespolizistinnen und -polizisten oder zu Disziplinarverfahren, die nach einem Unterstützungseinsatz gegen einzelne Beamte aufgrund ihres Verhaltens während des Einsatzes eingeleitet wurden. Mitzuteilen wären dabei auch etwaige, dem Dienstherrn bekannt gewordene Strafverfahren, die die Justizbehörden der Länder aufgrund eines solchen Verhaltens gegen Bundesbeamte eingeleitet haben (zu den diesbezüglichen Mitteilungspflichten siehe Nr. 15 der "Anordnung über die Mitteilungen in Strafsachen" in der Fassung vom 19. Mai 2008, BAnz Nr. 126a vom 21. August 2008).

113

c) Entsprechendes gilt für sonstige Aspekte des Unterstützungseinsatzes, die in den Verantwortungsbereich des Bundes fallen, wie etwa Fragen zu den einsatzbedingten Mehrkosten. Auch wenn diese letztlich nach § 11 Abs. 4 Satz 3 BPolG vom Land zu tragen sind, ist die Berechnung der Kosten, die der Bund von dem unterstützten Land erstattet verlangt, ein Vorgang, der in die alleinige Zuständigkeit und Verantwortung des Bundes fällt.

114

d) Die Bundesregierung ist hingegen grundsätzlich nicht verpflichtet, sich zu dem Konzept des in die Verantwortung der Landespolizei fallenden Gesamteinsatzes sowie zu dessen Vorbereitung, Planung und Durchführung zu äußern. Die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung durch polizeiliche Maßnahmen abzuwehren, liegt nach Art. 30, 70, 83 GG in der Zuständigkeit und Verantwortung der Länder (vgl. BVerfGE 97, 198 <214 ff.>). Dies kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass im Fall des Art. 35 Abs. 2 Satz 1 GG schon nach dem Wortlaut der Norm die Bundespolizei das jeweilige Land bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Aufgabe unterstützt. Dadurch, dass der Bund dem Land Einheiten seiner Bereitschaftspolizei zur Verfügung stellt, übernimmt er weder faktisch noch rechtlich die Verantwortung für die Leitung des Gesamteinsatzes. Auf die Frage, ob die Unterstützungsleistung rechtlich als Organleihe oder als Amtshilfe zu qualifizieren ist, kommt es für die Bestimmung der Zuständigkeiten, der Verantwortlichkeiten und der demokratischen Legitimation des Handelns der am Einsatz beteiligten Beamten des Bundes nicht an (zum Meinungsstreit vgl. Peilert, in: Heesen/Hönle/ders./Martens, Bundespolizeigesetz, 5. Aufl. 2012, § 11 Rn. 4 ff.).

115

Nach § 11 Abs. 2 BPolG richtet sich die Unterstützung eines Landes durch die Bundespolizei in den hier relevanten Fällen nach dem für das Land geltenden Recht; die Bundespolizei unterliegt dabei den fachlichen Weisungen des Landes. Hieraus folgt, dass das Land für das auf Weisung seiner Beamten erfolgende Handeln der Beamten der Bundespolizei die Verantwortung trägt. Da sich die Landesregierung für dieses Handeln gegebenenfalls gegenüber der Volksvertretung des jeweiligen Landes rechtfertigen muss, entsteht auch keine Lücke im Bereich der demokratischen Legitimation und der parlamentarischen Kontrolle staatlichen Handelns. Dass die Partei DIE LINKE nicht in allen Landesparlamenten durch Fraktionen vertreten ist und eine Bundestagsfraktion vorhandene Fraktionen in den Landesparlamenten nicht zwingen kann, ein bestimmtes Verhalten von Beamten der Bundespolizei bei Unterstützungseinsätzen für Länder durch parlamentarische Anfragen gegenüber der jeweiligen Landesregierung zu überprüfen, stellt keine Legitimations- oder Kontrolllücke dar, sondern ist Folge des föderalen Staatsaufbaus. Dem staatlichen Handeln wird in diesen Fällen demokratische Legitimation durch die Verantwortlichkeit der Landesregierung gegenüber der Volksvertretung des Landes verliehen. Auf deren konkrete Zusammensetzung kommt es dabei nicht an. Ebenso wenig ist für das Maß demokratischer Legitimation relevant, ob die in den Landesparlamenten vertretenen Fraktionen und Abgeordneten das staatliche Handeln zum Gegenstand parlamentarischer Anfragen machen oder nicht. Die Legitimation wird dem Handeln durch die Möglichkeit der parlamentarischen Kontrolle verliehen, nicht durch ihre tatsächliche Ausübung.

116

Der Bund trägt allerdings - ungeachtet der Weisungsbefugnis des Landes - die dienstrechtliche Verantwortung für etwaiges rechtswidriges Verhalten seiner eingesetzten Beamten, denn diese sind gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Parlamentarische Anfragen zu rechtswidrigem, disziplinarrechtlich relevantem Verhalten einzelner Bundespolizisten im Rahmen von Unterstützungseinsätzen sind daher zu beantworten. Die Fragen müssen aber hinreichend klar erkennen lassen, dass und aufgrund welcher Tatsachen der begründete Verdacht eines rechtswidrigen Verhaltens von Bundespolizisten besteht. In einem solchen Fall ist die Bundesregierung zur Mitteilung verpflichtet, welche Weisungslage bestand, ob sich die betreffenden Beamten der Bundespolizei an diese Weisungen gehalten haben und, für den Fall der Abweichung, welche Gründe für eine solche vorlagen sowie welche Konsequenzen nach Beendigung des Einsatzes gezogen wurden. Nur diese Angaben ermöglichen die Aufdeckung etwaiger Dienstpflichtverletzungen, bei denen dem parlamentarischen Informationsinteresse besonders hohes Gewicht zukommt (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <123>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 21. Oktober 2014 - 2 BvE 5/11 -, juris, Rn. 131).

117

e) Die Bundesregierung ist nicht verpflichtet, sich zu Vorgängen aus dem Verantwortungsbereich eines Landes eine Meinung zu bilden und diese auf eine parlamentarische Anfrage hin mitzuteilen. Hat allerdings innerhalb der Bundesregierung eine derartige Meinungsbildung tatsächlich stattgefunden, so ist deren Ergebnis auf Verlangen offenzulegen. Dies gilt auch für die Bewertung eines Einsatzes durch das Bundesministerium des Innern oder das ihm nachgeordnete Bundespolizeipräsidium.

118

Die Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Parlament besteht auch dann, wenn Abgeordnete und Fraktionen Fragen zu Vorgängen an die Bundesregierung richten, die in die Zuständigkeit eines Ressorts fallen und durch dieses ohne Befassung des Kabinetts abschließend behandelt werden. Die Bundesregierung darf in diesem Fall eine Antwort nicht durch Verweis auf das Ressortprinzip verweigern (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 21. Oktober 2014 - 2 BvE 5/11 -, juris, Rn. 213). Bereitet ein Ressort hingegen durch eine interne Stellungnahme die Meinungsbildung im Kabinett lediglich vor und ist diese noch nicht abgeschlossen, so darf die Bundesregierung unter Umständen mit entsprechender Begründung die Antwort auf die Anfrage unter Berufung auf den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung als Ausprägung des Gewaltenteilungsgrundsatzes verweigern (zu den Voraussetzungen siehe BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 21. Oktober 2014 - 2 BvE 5/11 -, juris, Rn. 136 ff.).

119

Nehmen der Bund und das den Einsatz leitende Land oder die an dem Einsatz beteiligten Länder eine gemeinsame Auswertung des Einsatzes vor, so ist diese - etwa in Form eines gemeinsamen Abschlussberichts - auf Anfrage zu übermitteln, wenn nicht Geheimhaltungsgründe vorliegen. Nehmen Beamte des Bundes hingegen lediglich an einem durch das Land eingerichteten Gremium teil, das eine solche Aus- und Bewertung für das Land in dessen alleiniger Federführung vornimmt, so ist der Verantwortungsbereich der Bundesregierung und der ihr nachgeordneten Verwaltung des Bundes nicht betroffen und es besteht keine Antwortpflicht.

120

2. Aus der verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages grundsätzlich zu erfüllen, folgt, dass sie im Falle einer Weigerung der Auskunfterteilung die Gründe darlegen muss, aus denen sie die erbetenen Auskünfte verweigert. Denn der Bundestag kann seine Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns nur dann effektiv wahrnehmen, wenn er anhand einer der jeweiligen Problemlage angemessen ausführlichen Begründung beurteilen und entscheiden kann, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen. Hierzu muss er Abwägungen betroffener Belange, die zur Versagung von Auskünften geführt haben, auf ihre Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüfen können. Eine Begründung der Antwortverweigerung ist daher nur dann entbehrlich, wenn die Geheimhaltungsbedürftigkeit evident ist (vgl. zum Ganzen BVerfGE 124, 161 <193>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 21. Oktober 2014 - 2 BvE 5/11 -, juris, Rn. 157).

121

Verweigert die Bundesregierung die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage zu einem Unterstützungseinsatz der Bundespolizei für die Polizei eines Landes aufgrund fehlender eigener Verantwortlichkeit, so genügt zur Begründung der Verweis auf die Zuständigkeit des Landes. Diese Angabe versetzt den Fragesteller in die Lage, für die jeweilige Frage zu prüfen, ob die Umstände in den Verantwortlichkeitsbereich des Landes oder des Bundes fallen.

122

Einer ausführlicheren Begründung bedarf es, wenn die Bundesregierung Auskünfte zu Umständen aus ihrem Verantwortungsbereich verweigern will, etwa weil es sich um einen Vorgang aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung handelt oder weil in seltenen Ausnahmefällen Gründe des Staatswohls der Auskunfterteilung entgegenstehen (vgl. zu diesen Antwortverweigerungsgründen BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 21. Oktober 2014 - 2 BvE 5/11 -, juris, Rn. 134 ff.). In diesen Fällen bedarf der Fragesteller näherer Angaben, um die Abwägung zwischen dem parlamentarischen Informationsrecht einerseits und den betroffenen Belangen, die zur Versagung der Auskünfte geführt haben, andererseits auf ihre Plausibilität hin überprüfen zu können.

III.

123

Nach diesen Maßstäben hat die Antragsgegnerin mit den Antworten auf die streitgegenständlichen Kleinen Anfragen der Antragstellerin deren Rechte aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG teilweise verletzt.

124

1. Die Antworten der Antragsgegnerin vom 23. März 2011 (BTDrucks 17/5270 vom 25. März 2011) auf die Kleine Anfrage der Antragstellerin vom 1. März 2011 (BTDrucks 17/4992 vom 4. März 2011) sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die den Antworten auf die einzelnen Fragen der Antragstellerin zu Grunde liegende Vorbemerkung der Antragsgegnerin (BTDrucks 17/5270, S. 2), wonach polizeiliche Einsatzlagen im Zusammenhang mit Demonstrationen und Versammlungen in die Zuständigkeit der Länder fallen, lässt erkennen, dass sie sich bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage verpflichtet sah, auf Fragen zu Vorgängen aus ihrem eigenen Verantwortungsbereich, aber auch nur auf diese, zu antworten. In ihren jeweiligen Antworten hat die Bundesregierung die Verantwortungsbereiche des Bundes und des jeweiligen Landes, hier des Freistaates Sachsen, zutreffend abgegrenzt.

125

a) Die mit der Frage 3. c) angesprochene Koordination des Einsatzes der Unterstützungskräfte der Bundespolizei und die diesen erteilten Weisungen fallen grundsätzlich in den Verantwortungsbereich der Polizei des unterstützten Landes, soweit nicht der originäre Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei betroffen war. Dadurch, dass die Antragsgegnerin in ihrer Antwort lediglich Angaben zu dem Einsatz der Bundespolizei in deren originärem Zuständigkeitsbereich machte, hat sie daher keine Rechte der Antragstellerin verletzt. Angesichts der Vorbemerkung zur Verantwortlichkeit des Landes für derartige polizeiliche Einsätze bedurfte es auch keiner weiteren Begründung der Antwortverweigerung.

126

Eine Antwortpflicht der Bundesregierung wurde auch nicht dadurch begründet, dass die Antragstellerin in ihrer Vorbemerkung zu der Kleinen Anfrage ausgeführt hat, es sei zu gewaltsamem und eskalierendem Vorgehen der Polizei gekommen, insbesondere zu massivem und ohne Vorwarnung erfolgtem Einsatz von Pfefferspray beziehungsweise Pepperball sowie von Wasserwerfern; einen besonders eklatanten Fall von Polizeigewalt stelle der anlasslose Angriff eines Wasserwerfers auf eine Menschenmenge dar, die sich friedlich über eine Kreuzung bewegt habe (BTDrucks 17/4992, S. 1). Soweit der Einsatz von Pepperball-Systemen gerügt wird, ergibt sich aus der Antwort der Antragsgegnerin auf Frage 6. c), dass die Bundespolizei über solche Systeme nicht verfügt. Im Übrigen ist nicht hinreichend klar erkennbar, dass sich der Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens konkret gegen Beamte der Bundespolizei richtet und nicht gegen Beamte der Polizei des Freistaates Sachsen oder anderer, am Einsatz mit Unterstützungskräften beteiligter Länder. Eine solche Zuordnung im Rahmen der Fragestellung wäre aber erforderlich gewesen, da nur hierdurch ein Bezug zum Verantwortungsbereich der Antragsgegnerin hergestellt wird. Der Senat verkennt nicht, dass es für die Fragesteller im Einzelfall schwierig sein kann, festzustellen, ob ein aus ihrer Sicht beanstandungswürdiges Verhalten von Beamten der Bundespolizei ausging oder von Beamten eines einsatzbeteiligten Landes. Diese Schwierigkeiten können aber nicht dazu führen, dass in Zweifelsfällen die Bundesregierung verpflichtet wäre, zu ermitteln und in ihrer Antwort darzulegen, ob eine Maßnahme in den Verantwortungsbereich der Bundespolizei fällt oder nicht. Mit einer derart weit gefassten Antwortpflicht würde der Grundsatz, dass sich die Bundesregierung nur zu Umständen aus dem eigenen Verantwortungsbereich äußern muss, im Ergebnis aufgehoben.

127

b) Auch für das Einsatzkonzept, auf das Frage 4. abzielt, trägt die Polizei des Freistaates Sachsen die Verantwortung. Soweit nach einer Bewertung der Umsetzung des Konzeptes durch die Bundesregierung gefragt wurde, muss die Antwort der Antragsgegnerin so verstanden werden, dass eine Meinungsbildung hierzu zum Zeitpunkt der Fragestellung nicht stattgefunden hatte. Eine Verpflichtung, sich eine solche Meinung zu bilden, traf die Antragsgegnerin nicht.

128

c) Entsprechendes gilt für die Fragen 5., 6., 6. a) und b) sowie 7. Die Weisungsbefugnis und damit auch die Verantwortung für den etwaigen Einsatz von Pfefferspray und Wasserwerfern lagen bei der Einsatzleitung des Landes. Konkrete Anhaltspunkte für ein rechtswidriges Handeln gerade von Beamten der Bundespolizei wurden auch in diesen Fragen nicht vorgebracht. Zu einer diesbezüglichen Meinungsbildung und zur Bewertung dieser Maßnahmen war die Antragsgegnerin nicht verpflichtet. Ihre Antwort ist so zu verstehen, dass eine dahingehende Meinungsbildung der Bundesregierung zum Zeitpunkt der Fragestellung nicht stattgefunden hatte.

129

d) Die Frage 9. zur Durchsuchung des Pressebüros des Bündnisses "Dresden Nazifrei" ist mit der Angabe der Antragsgegnerin, die Bundespolizei sei an den Durchsuchungsmaßnahmen nicht beteiligt gewesen, hinreichend beantwortet worden. Zu der erbetenen Bewertung der Maßnahme war die Antragsgegnerin nicht verpflichtet. Ihre Antwort ist so zu verstehen, dass eine dahingehende Meinungsbildung der Bundesregierung zum Zeitpunkt der Fragestellung nicht stattgefunden hatte. Entsprechendes gilt für die Antwort auf Frage 11.

130

e) Die mit der Frage 12. angesprochene Vorbereitung und Planung des Polizeieinsatzes fällt einschließlich der Einschätzung der Gefährdung von Gebäuden in die Zuständigkeit und Verantwortlichkeit des Landes. Die Antragsgegnerin durfte sich daher darauf beschränken, auf die Vorbemerkung Bezug zu nehmen.

131

f) Auch etwaige Anweisungen hinsichtlich der Polizeisperren unterfielen dem Weisungsrecht der Landespolizei, so dass auch bei der Antwort auf Frage 13. eine Bezugnahme auf die Vorbemerkung der Antragsgegnerin genügte. Einen konkreten Vorwurf, Beamte der Bundespolizei hätten Abgeordnete der Partei DIE LINKE dabei anders behandelt als Abgeordnete anderer Parteien, enthielt die Frage nicht. Es kann daher dahinstehen, ob allein dieser Umstand den Verdacht eines diskriminierenden und damit rechtswidrigen Verhaltens begründen würde.

132

g) Die Frage 14. bezog sich insgesamt auf eine Sonderkommission, die gemäß der Antwort der Antragsgegnerin durch die Polizeidirektion Dresden geleitet wurde. Die Antragsgegnerin durfte sich daher mit einem Hinweis auf die Vorbemerkung zu den Verantwortungsbereichen von Bund und Land begnügen.

133

h) Zu der mit Frage 18. erbetenen Bewertung eines von der Antragstellerin unterstellten politischen Schadens durch das Einsatzkonzept des Landes und seine Umsetzung war die Antragsgegnerin nicht verpflichtet. Ihre Antwort ist so zu verstehen, dass eine dahingehende Meinungsbildung der Bundesregierung zum Zeitpunkt der Fragestellung nicht stattgefunden hatte.

134

i) Aus der Antwort auf Frage 19., wonach eine Behandlung des Einsatzes auf der ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder seitens der Antragsgegnerin nicht geplant sei, geht aufgrund der Bezugnahme auf die Vorbemerkung wiederum hinreichend deutlich hervor, dass eine Bewertung des Einsatzes durch die Bundesregierung angesichts der Zuständigkeit und Verantwortlichkeit des Landes nicht beabsichtigt war.

135

2. Auch durch die Antworten der Antragsgegnerin vom 5. Mai 2011 (BTDrucks 17/5737 vom 6. Mai 2011) auf die weitere Kleine Anfrage der Antragstellerin vom 20. April 2011 (BTDrucks 17/5639 vom 20. April 2011) wurden deren Rechte aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG nicht verletzt.

136

a) Die Frage 4. betraf das Einsatzkonzept der sächsischen Polizei, das in deren alleinige Verantwortung fiel und an dessen Erstellung die Bundespolizei nach Angaben der Antragsgegnerin nicht mitgewirkt hatte. Weitere Ausführungen hierzu waren daher nicht erforderlich. Soweit die Antragsgegnerin um eine Bewertung der Umsetzung des Einsatzkonzeptes gebeten wurde, war sie hierzu nicht verpflichtet. Ihre Antwort ist so zu verstehen, dass eine dahingehende Meinungsbildung der Bundesregierung zum Zeitpunkt der Fragestellung nicht stattgefunden hatte. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Antwort auf Frage 6., mit der ebenfalls um eine Bewertung gebeten wurde.

137

b) Die Fragen 8. und 9. betrafen erneut den Einsatz von Pfefferspray und Wasserwerfern. Insofern wird auf die Ausführungen oben unter 1. a) und c) verwiesen (Rn. 125 f. und 128).

138

3. Die Antworten der Antragsgegnerin vom 27. Mai 2011 (BTDrucks 17/6022 vom 31. Mai 2011) auf die Kleine Anfrage der Antragstellerin vom 16. Mai 2011 (BTDrucks 17/5847 vom 16. Mai 2011) zu dem Einsatz der Bundespolizei in Berlin, Heilbronn und an anderen Orten stellen hingegen teilweise eine Verkürzung des Fragerechts der Antragstellerin und damit eine Verletzung der Antwortpflicht der Antragsgegnerin dar.

139

a) Die Fragen 3. b), c), d) und 4. betrafen den Einsatz von Wasserwerfern und Reizstoffsprühgeräten. Sie wurden ausreichend beantwortet, soweit sie den originären Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei und die in die Verantwortung der Antragsgegnerin fallende Ausrüstung der Beamten der Bundespolizei betrafen. Im Übrigen wird auf die Ausführungen oben unter 1. a) und c) verwiesen (Rn. 125 f. und 128).

140

b) Die Frage 6. zu freiheitsentziehenden Maßnahmen und Platzverweisen hat die Antragsgegnerin hinsichtlich der originären bahnpolizeilichen Aufgabenwahrnehmung im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei beantwortet. Im Übrigen durfte sie auf die Zuständigkeit und Verantwortung des jeweiligen Landes für die Durchführung des Einsatzes verweisen.

141

c) Die Fragen 7. und 7. a) hat die Antragsgegnerin hinsichtlich der von den Bundespolizeidirektionen eingerichteten Einsatzstäbe und der von der Bundespolizei in die Führungsstäbe der Länder entsandten Verbindungsbeamten beantwortet. Die weitere Zusammensetzung der Gremien der Polizei der jeweiligen Länder fällt nicht in ihren Verantwortungsbereich. Dies gilt auch für die Einsatzstrategie und -taktik des jeweiligen Landes (Frage 7. b), selbst wenn Beamte der Bundespolizei diese mitgestaltet haben sollten. Hinsichtlich der Koordination des Einsatzes der Unterstützungskräfte der Bundespolizei und der diesen erteilten Weisungen (Frage 7. c) wird auf die Ausführungen unter 1. a) (Rn. 125) verwiesen.

142

d) Die Frage 9. wurde hinsichtlich der Anzahl eingesetzter Beamter der Bundespolizei beantwortet. Die Teilfragen 9. a), b), c) und d) zur Einsatzleitung, zum Auftrag der eingesetzten Bundespolizeibeamten und zu freiheitsentziehenden Maßnahmen betrafen den Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich der bei der Einsatzdurchführung weisungsbefugten Landespolizei, so dass sich die Antragsgegnerin insoweit auf einen entsprechenden Hinweis beschränken durfte. Entsprechendes gilt für die Beantwortung der Fragen 10. a), b), c), d) und f).

143

Die Antragsgegnerin wäre jedoch verpflichtet gewesen, auf die Fragen 10. e) und g) dieser Kleinen Anfrage zu antworten. In der Vorbemerkung zu der Kleinen Anfrage hat die Antragstellerin ausgeführt, laut Presseberichten habe es insbesondere am Kottbusser Tor in Berlin, wo vornehmlich Angehörige der Bundespolizei eingesetzt gewesen seien, einen umfassenden und nach Einschätzung der Antragstellerin unverhältnismäßigen Einsatz von Pfefferspray und Reizgas gegeben. Damit hat die Antragstellerin Tatsachen vorgebracht, die den konkreten Verdacht disziplinarrechtlich relevanten Verhaltens von Bundespolizisten begründeten. Die Antragsgegnerin wäre daher verpflichtet gewesen, über ihr nachgeordnete Behörden aufzuklären, ob es tatsächlich zu einem solchen Verhalten von Beamten der Bundespolizei kam. Das Ergebnis dieser Prüfung hätte sie in ihrer Antwort mitteilen müssen. Für den Fall, dass es sich um Maßnahmen der Bundespolizei gehandelt haben sollte, hätte sie darüber hinaus angeben müssen, ob diese auf einer Weisung der Einsatzleitung des Landes beruhten und, falls dies nicht der Fall gewesen sein sollte, weshalb die Maßnahmen ohne eine solche Weisung ergriffen wurden.

144

Soweit mit Frage 10. g) um eine Bewertung des beanstandeten Einsatzes von Pfefferspray gebeten wurde, war die Antragsgegnerin zu einer solchen zwar grundsätzlich nicht verpflichtet und ist ihre Antwort so zu verstehen, dass eine dahingehende Meinungsbildung der Bundesregierung zum Zeitpunkt der Fragestellung nicht stattgefunden hatte. Die Frage ist aber im Kontext des Vorwurfs rechtswidrigen Verhaltens von Bundespolizisten zu sehen. Für den Fall, dass die Maßnahmen von der Bundespolizei getroffen worden sein sollten, hätte seitens der jeweiligen Disziplinarvorgesetzten ohnehin eine Bewertung erfolgen müssen. Die Antragsgegnerin war deshalb gehalten, sich zu dem in der Frage erhobenen Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens von Bundespolizisten zu äußern.

145

e) Die Frage 11. betraf das Einsatzkonzept in Heilbronn. Sie wurde hinsichtlich des originären Zuständigkeitsbereichs der Bundespolizei beantwortet. Soweit sie auch das Einsatzkonzept der Polizei des Landes Baden-Württemberg betraf, wird auf die Ausführungen unter 1. b) (Rn. 127) verwiesen.

146

f) Die Frage 12. zu den "stundenlangen Einkesselungen mehrerer Hundert Menschen in Heilbronn" wurde dahingehend beantwortet, dass die Bundespolizei an dem in der Frage beschriebenen Sachverhalt nicht beteiligt gewesen sei. Zu der erbetenen Bewertung des in die Verantwortung der Polizei des Landes Baden-Württemberg fallenden Einsatzes war die Antragsgegnerin nicht verpflichtet. Ihre Antwort ist so zu verstehen, dass eine dahingehende Meinungsbildung der Bundesregierung zum Zeitpunkt der Fragestellung nicht stattgefunden hatte.

IV.

147

Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), liegen nicht vor.

Urteilsbesprechung zu Bundesverfassungsgericht Urteil, 02. Juni 2015 - 2 BvE 7/11

Urteilsbesprechungen zu Bundesverfassungsgericht Urteil, 02. Juni 2015 - 2 BvE 7/11

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 34a


(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen ein
Bundesverfassungsgericht Urteil, 02. Juni 2015 - 2 BvE 7/11 zitiert 21 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 34a


(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen ein

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 70


(1) Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. (2) Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern bemißt sich nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes über d

Gesetz über die Bundespolizei


Bundespolizeigesetz - BPolG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 38


(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. (2) W

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 84


(1) Führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, so regeln sie die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren. Wenn Bundesgesetze etwas anderes bestimmen, können die Länder davon abweichende Regelungen treffen. Hat ein

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 13


Das Bundesverfassungsgericht entscheidet 1. über die Verwirkung von Grundrechten (Artikel 18 des Grundgesetzes),2. über die Verfassungswidrigkeit von Parteien (Artikel 21 Abs. 2 des Grundgesetzes),2a. über den Ausschluss von Parteien von staatlicher

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 30


Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 83


Die Länder führen die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zuläßt.

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 64


(1) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, daß er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt od

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 35


(1) Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe. (2) Zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung kann ein Land in Fällen von besonderer Bedeutung Kräfte und Einrich

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 76


(1) Gesetzesvorlagen werden beim Bundestage durch die Bundesregierung, aus der Mitte des Bundestages oder durch den Bundesrat eingebracht. (2) Vorlagen der Bundesregierung sind zunächst dem Bundesrat zuzuleiten. Der Bundesrat ist berechtigt, innerha

Strafgesetzbuch - StGB | § 340 Körperverletzung im Amt


(1) Ein Amtsträger, der während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst eine Körperverletzung begeht oder begehen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 27a


Das Bundesverfassungsgericht kann sachkundigen Dritten Gelegenheit zur Stellungnahme geben.

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 63


Antragsteller und Antragsgegner können nur sein: der Bundespräsident, der Bundestag, der Bundesrat, die Bundesregierung und die im Grundgesetz oder in den Geschäftsordnungen des Bundestages und des Bundesrates mit eigenen Rechten ausgestatteten Teile

Bundespolizeigesetz - BGSG 1994 | § 11 Verwendung zur Unterstützung eines Landes


(1) Die Bundespolizei kann zur Unterstützung eines Landes verwendet werden 1. zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung in Fällen von besonderer Bedeutung nach Artikel 35 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes,2.

Referenzen - Urteile

Bundesverfassungsgericht Urteil, 02. Juni 2015 - 2 BvE 7/11 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Bundesverfassungsgericht Urteil, 02. Juni 2015 - 2 BvE 7/11 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesverfassungsgericht Urteil, 21. Okt. 2014 - 2 BvE 5/11

bei uns veröffentlicht am 21.10.2014

Tenor 1. Die Antragsgegnerin hat a) den Antragsteller zu 1. durch die Antworten auf die in der Fragestunde des Deutschen Bu

Bundesverfassungsgericht Urteil, 07. Okt. 2014 - 2 BvR 1641/11

bei uns veröffentlicht am 07.10.2014

Tenor 1. § 6a Absatz 2 Satz 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch in der Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3. August 2010 ist mit
5 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesverfassungsgericht Urteil, 02. Juni 2015 - 2 BvE 7/11.

Bundessozialgericht Urteil, 14. Feb. 2018 - B 14 AS 12/17 R

bei uns veröffentlicht am 14.02.2018

Tenor Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 18. Oktober 2016 und des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 18. Dezember 2013 sowie der Mah

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 21. Juli 2017 - 1 S 1240/16

bei uns veröffentlicht am 21.07.2017

Tenor Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 11. Mai 2016 - 4 K 2062/14 - wird zurückgewiesen.Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.Die Revision wird zugelassen. Tatbestand   1 Die Kläg

Bundesverfassungsgericht Urteil, 03. Mai 2016 - 2 BvE 4/14

bei uns veröffentlicht am 03.05.2016

Gründe A. 1 Gegenstand des Organstreitverfahrens sind auf verschiedenen Normebenen angesiedelte

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 25. Juni 2015 - 7 C 2/14

bei uns veröffentlicht am 25.06.2015

Tatbestand 1 Der Kläger begehrt Zugang zu Unterlagen des Deutschen Bundestages. 2

Referenzen

(1) Die Bundespolizei kann zur Unterstützung eines Landes verwendet werden

1.
zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung in Fällen von besonderer Bedeutung nach Artikel 35 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes,
2.
zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall nach Artikel 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 des Grundgesetzes,
3.
zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes nach Artikel 91 Abs. 1 des Grundgesetzes,
soweit das Land ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen kann.

(2) Die Unterstützung eines Landes durch die Bundespolizei nach Absatz 1 richtet sich nach dem für das Land geltenden Recht. Vorbehaltlich des Artikels 35 Abs. 3 des Grundgesetzes unterliegt die Bundespolizei dabei den fachlichen Weisungen des Landes.

(3) Die Entscheidung über eine Verwendung der Bundespolizei nach Absatz 1 trifft im Fall des Artikels 35 Abs. 3 des Grundgesetzes die Bundesregierung, im übrigen das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat auf Anforderung des Landes. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann seine Entscheidungsbefugnis in bestimmten Fällen durch Verwaltungsvorschrift auf eine Bundespolizeibehörde übertragen.

(4) Einer Anforderung der Bundespolizei ist zu entsprechen, soweit nicht eine Verwendung der Bundespolizei für Bundesaufgaben dringender ist als die Unterstützung des Landes. Die Anforderung soll alle für die Entscheidung wesentlichen Merkmale des Einsatzauftrages enthalten. Die durch eine Unterstützung eines Landes nach Absatz 1 entstehenden Mehrkosten trägt das Land, sofern nicht im Einzelfall aus besonderen Gründen in einer Verwaltungsvereinbarung etwas anderes bestimmt wird.

(5) Die Verpflichtung zur Amtshilfe bleibt unberührt.

(1) Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe.

(2) Zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung kann ein Land in Fällen von besonderer Bedeutung Kräfte und Einrichtungen des Bundesgrenzschutzes zur Unterstützung seiner Polizei anfordern, wenn die Polizei ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen könnte. Zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall kann ein Land Polizeikräfte anderer Länder, Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen sowie des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte anfordern.

(3) Gefährdet die Naturkatastrophe oder der Unglücksfall das Gebiet mehr als eines Landes, so kann die Bundesregierung, soweit es zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist, den Landesregierungen die Weisung erteilen, Polizeikräfte anderen Ländern zur Verfügung zu stellen, sowie Einheiten des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte einsetzen. Maßnahmen der Bundesregierung nach Satz 1 sind jederzeit auf Verlangen des Bundesrates, im übrigen unverzüglich nach Beseitigung der Gefahr aufzuheben.

(1) Die Bundespolizei kann zur Unterstützung eines Landes verwendet werden

1.
zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung in Fällen von besonderer Bedeutung nach Artikel 35 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes,
2.
zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall nach Artikel 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 des Grundgesetzes,
3.
zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes nach Artikel 91 Abs. 1 des Grundgesetzes,
soweit das Land ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen kann.

(2) Die Unterstützung eines Landes durch die Bundespolizei nach Absatz 1 richtet sich nach dem für das Land geltenden Recht. Vorbehaltlich des Artikels 35 Abs. 3 des Grundgesetzes unterliegt die Bundespolizei dabei den fachlichen Weisungen des Landes.

(3) Die Entscheidung über eine Verwendung der Bundespolizei nach Absatz 1 trifft im Fall des Artikels 35 Abs. 3 des Grundgesetzes die Bundesregierung, im übrigen das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat auf Anforderung des Landes. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann seine Entscheidungsbefugnis in bestimmten Fällen durch Verwaltungsvorschrift auf eine Bundespolizeibehörde übertragen.

(4) Einer Anforderung der Bundespolizei ist zu entsprechen, soweit nicht eine Verwendung der Bundespolizei für Bundesaufgaben dringender ist als die Unterstützung des Landes. Die Anforderung soll alle für die Entscheidung wesentlichen Merkmale des Einsatzauftrages enthalten. Die durch eine Unterstützung eines Landes nach Absatz 1 entstehenden Mehrkosten trägt das Land, sofern nicht im Einzelfall aus besonderen Gründen in einer Verwaltungsvereinbarung etwas anderes bestimmt wird.

(5) Die Verpflichtung zur Amtshilfe bleibt unberührt.

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Bundespolizei kann zur Unterstützung eines Landes verwendet werden

1.
zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung in Fällen von besonderer Bedeutung nach Artikel 35 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes,
2.
zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall nach Artikel 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 des Grundgesetzes,
3.
zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes nach Artikel 91 Abs. 1 des Grundgesetzes,
soweit das Land ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen kann.

(2) Die Unterstützung eines Landes durch die Bundespolizei nach Absatz 1 richtet sich nach dem für das Land geltenden Recht. Vorbehaltlich des Artikels 35 Abs. 3 des Grundgesetzes unterliegt die Bundespolizei dabei den fachlichen Weisungen des Landes.

(3) Die Entscheidung über eine Verwendung der Bundespolizei nach Absatz 1 trifft im Fall des Artikels 35 Abs. 3 des Grundgesetzes die Bundesregierung, im übrigen das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat auf Anforderung des Landes. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann seine Entscheidungsbefugnis in bestimmten Fällen durch Verwaltungsvorschrift auf eine Bundespolizeibehörde übertragen.

(4) Einer Anforderung der Bundespolizei ist zu entsprechen, soweit nicht eine Verwendung der Bundespolizei für Bundesaufgaben dringender ist als die Unterstützung des Landes. Die Anforderung soll alle für die Entscheidung wesentlichen Merkmale des Einsatzauftrages enthalten. Die durch eine Unterstützung eines Landes nach Absatz 1 entstehenden Mehrkosten trägt das Land, sofern nicht im Einzelfall aus besonderen Gründen in einer Verwaltungsvereinbarung etwas anderes bestimmt wird.

(5) Die Verpflichtung zur Amtshilfe bleibt unberührt.

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Bundespolizei kann zur Unterstützung eines Landes verwendet werden

1.
zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung in Fällen von besonderer Bedeutung nach Artikel 35 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes,
2.
zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall nach Artikel 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 des Grundgesetzes,
3.
zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes nach Artikel 91 Abs. 1 des Grundgesetzes,
soweit das Land ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen kann.

(2) Die Unterstützung eines Landes durch die Bundespolizei nach Absatz 1 richtet sich nach dem für das Land geltenden Recht. Vorbehaltlich des Artikels 35 Abs. 3 des Grundgesetzes unterliegt die Bundespolizei dabei den fachlichen Weisungen des Landes.

(3) Die Entscheidung über eine Verwendung der Bundespolizei nach Absatz 1 trifft im Fall des Artikels 35 Abs. 3 des Grundgesetzes die Bundesregierung, im übrigen das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat auf Anforderung des Landes. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann seine Entscheidungsbefugnis in bestimmten Fällen durch Verwaltungsvorschrift auf eine Bundespolizeibehörde übertragen.

(4) Einer Anforderung der Bundespolizei ist zu entsprechen, soweit nicht eine Verwendung der Bundespolizei für Bundesaufgaben dringender ist als die Unterstützung des Landes. Die Anforderung soll alle für die Entscheidung wesentlichen Merkmale des Einsatzauftrages enthalten. Die durch eine Unterstützung eines Landes nach Absatz 1 entstehenden Mehrkosten trägt das Land, sofern nicht im Einzelfall aus besonderen Gründen in einer Verwaltungsvereinbarung etwas anderes bestimmt wird.

(5) Die Verpflichtung zur Amtshilfe bleibt unberührt.

(1) Ein Amtsträger, der während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst eine Körperverletzung begeht oder begehen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Die §§ 224 bis 229 gelten für Straftaten nach Absatz 1 Satz 1 entsprechend.

(1) Die Bundespolizei kann zur Unterstützung eines Landes verwendet werden

1.
zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung in Fällen von besonderer Bedeutung nach Artikel 35 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes,
2.
zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall nach Artikel 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 des Grundgesetzes,
3.
zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes nach Artikel 91 Abs. 1 des Grundgesetzes,
soweit das Land ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen kann.

(2) Die Unterstützung eines Landes durch die Bundespolizei nach Absatz 1 richtet sich nach dem für das Land geltenden Recht. Vorbehaltlich des Artikels 35 Abs. 3 des Grundgesetzes unterliegt die Bundespolizei dabei den fachlichen Weisungen des Landes.

(3) Die Entscheidung über eine Verwendung der Bundespolizei nach Absatz 1 trifft im Fall des Artikels 35 Abs. 3 des Grundgesetzes die Bundesregierung, im übrigen das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat auf Anforderung des Landes. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann seine Entscheidungsbefugnis in bestimmten Fällen durch Verwaltungsvorschrift auf eine Bundespolizeibehörde übertragen.

(4) Einer Anforderung der Bundespolizei ist zu entsprechen, soweit nicht eine Verwendung der Bundespolizei für Bundesaufgaben dringender ist als die Unterstützung des Landes. Die Anforderung soll alle für die Entscheidung wesentlichen Merkmale des Einsatzauftrages enthalten. Die durch eine Unterstützung eines Landes nach Absatz 1 entstehenden Mehrkosten trägt das Land, sofern nicht im Einzelfall aus besonderen Gründen in einer Verwaltungsvereinbarung etwas anderes bestimmt wird.

(5) Die Verpflichtung zur Amtshilfe bleibt unberührt.

(1) Gesetzesvorlagen werden beim Bundestage durch die Bundesregierung, aus der Mitte des Bundestages oder durch den Bundesrat eingebracht.

(2) Vorlagen der Bundesregierung sind zunächst dem Bundesrat zuzuleiten. Der Bundesrat ist berechtigt, innerhalb von sechs Wochen zu diesen Vorlagen Stellung zu nehmen. Verlangt er aus wichtigem Grunde, insbesondere mit Rücksicht auf den Umfang einer Vorlage, eine Fristverlängerung, so beträgt die Frist neun Wochen. Die Bundesregierung kann eine Vorlage, die sie bei der Zuleitung an den Bundesrat ausnahmsweise als besonders eilbedürftig bezeichnet hat, nach drei Wochen oder, wenn der Bundesrat ein Verlangen nach Satz 3 geäußert hat, nach sechs Wochen dem Bundestag zuleiten, auch wenn die Stellungnahme des Bundesrates noch nicht bei ihr eingegangen ist; sie hat die Stellungnahme des Bundesrates unverzüglich nach Eingang dem Bundestag nachzureichen. Bei Vorlagen zur Änderung dieses Grundgesetzes und zur Übertragung von Hoheitsrechten nach Artikel 23 oder Artikel 24 beträgt die Frist zur Stellungnahme neun Wochen; Satz 4 findet keine Anwendung.

(3) Vorlagen des Bundesrates sind dem Bundestag durch die Bundesregierung innerhalb von sechs Wochen zuzuleiten. Sie soll hierbei ihre Auffassung darlegen. Verlangt sie aus wichtigem Grunde, insbesondere mit Rücksicht auf den Umfang einer Vorlage, eine Fristverlängerung, so beträgt die Frist neun Wochen. Wenn der Bundesrat eine Vorlage ausnahmsweise als besonders eilbedürftig bezeichnet hat, beträgt die Frist drei Wochen oder, wenn die Bundesregierung ein Verlangen nach Satz 3 geäußert hat, sechs Wochen. Bei Vorlagen zur Änderung dieses Grundgesetzes und zur Übertragung von Hoheitsrechten nach Artikel 23 oder Artikel 24 beträgt die Frist neun Wochen; Satz 4 findet keine Anwendung. Der Bundestag hat über die Vorlagen in angemessener Frist zu beraten und Beschluß zu fassen.

(1) Die Bundespolizei kann zur Unterstützung eines Landes verwendet werden

1.
zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung in Fällen von besonderer Bedeutung nach Artikel 35 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes,
2.
zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall nach Artikel 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 des Grundgesetzes,
3.
zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes nach Artikel 91 Abs. 1 des Grundgesetzes,
soweit das Land ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen kann.

(2) Die Unterstützung eines Landes durch die Bundespolizei nach Absatz 1 richtet sich nach dem für das Land geltenden Recht. Vorbehaltlich des Artikels 35 Abs. 3 des Grundgesetzes unterliegt die Bundespolizei dabei den fachlichen Weisungen des Landes.

(3) Die Entscheidung über eine Verwendung der Bundespolizei nach Absatz 1 trifft im Fall des Artikels 35 Abs. 3 des Grundgesetzes die Bundesregierung, im übrigen das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat auf Anforderung des Landes. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann seine Entscheidungsbefugnis in bestimmten Fällen durch Verwaltungsvorschrift auf eine Bundespolizeibehörde übertragen.

(4) Einer Anforderung der Bundespolizei ist zu entsprechen, soweit nicht eine Verwendung der Bundespolizei für Bundesaufgaben dringender ist als die Unterstützung des Landes. Die Anforderung soll alle für die Entscheidung wesentlichen Merkmale des Einsatzauftrages enthalten. Die durch eine Unterstützung eines Landes nach Absatz 1 entstehenden Mehrkosten trägt das Land, sofern nicht im Einzelfall aus besonderen Gründen in einer Verwaltungsvereinbarung etwas anderes bestimmt wird.

(5) Die Verpflichtung zur Amtshilfe bleibt unberührt.

(1) Führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, so regeln sie die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren. Wenn Bundesgesetze etwas anderes bestimmen, können die Länder davon abweichende Regelungen treffen. Hat ein Land eine abweichende Regelung nach Satz 2 getroffen, treten in diesem Land hierauf bezogene spätere bundesgesetzliche Regelungen der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens frühestens sechs Monate nach ihrer Verkündung in Kraft, soweit nicht mit Zustimmung des Bundesrates anderes bestimmt ist. Artikel 72 Abs. 3 Satz 3 gilt entsprechend. In Ausnahmefällen kann der Bund wegen eines besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung das Verwaltungsverfahren ohne Abweichungsmöglichkeit für die Länder regeln. Diese Gesetze bedürfen der Zustimmung des Bundesrates. Durch Bundesgesetz dürfen Gemeinden und Gemeindeverbänden Aufgaben nicht übertragen werden.

(2) Die Bundesregierung kann mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen.

(3) Die Bundesregierung übt die Aufsicht darüber aus, daß die Länder die Bundesgesetze dem geltenden Rechte gemäß ausführen. Die Bundesregierung kann zu diesem Zwecke Beauftragte zu den obersten Landesbehörden entsenden, mit deren Zustimmung und, falls diese Zustimmung versagt wird, mit Zustimmung des Bundesrates auch zu den nachgeordneten Behörden.

(4) Werden Mängel, die die Bundesregierung bei der Ausführung der Bundesgesetze in den Ländern festgestellt hat, nicht beseitigt, so beschließt auf Antrag der Bundesregierung oder des Landes der Bundesrat, ob das Land das Recht verletzt hat. Gegen den Beschluß des Bundesrates kann das Bundesverfassungsgericht angerufen werden.

(5) Der Bundesregierung kann durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zur Ausführung von Bundesgesetzen die Befugnis verliehen werden, für besondere Fälle Einzelweisungen zu erteilen. Sie sind, außer wenn die Bundesregierung den Fall für dringlich erachtet, an die obersten Landesbehörden zu richten.

Das Bundesverfassungsgericht kann sachkundigen Dritten Gelegenheit zur Stellungnahme geben.

Antragsteller und Antragsgegner können nur sein: der Bundespräsident, der Bundestag, der Bundesrat, die Bundesregierung und die im Grundgesetz oder in den Geschäftsordnungen des Bundestages und des Bundesrates mit eigenen Rechten ausgestatteten Teile dieser Organe.

Das Bundesverfassungsgericht entscheidet

1.
über die Verwirkung von Grundrechten (Artikel 18 des Grundgesetzes),
2.
über die Verfassungswidrigkeit von Parteien (Artikel 21 Abs. 2 des Grundgesetzes),
2a.
über den Ausschluss von Parteien von staatlicher Finanzierung (Artikel 21 Absatz 3 des Grundgesetzes),
3.
über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundestages, die die Gültigkeit einer Wahl oder den Erwerb oder Verlust der Mitgliedschaft eines Abgeordneten beim Bundestag betreffen (Artikel 41 Abs. 2 des Grundgesetzes),
3a.
über Beschwerden von Vereinigungen gegen ihre Nichtanerkennung als Partei für die Wahl zum Bundestag (Artikel 93 Absatz 1 Nummer 4c des Grundgesetzes),
4.
über Anklagen des Bundestages oder des Bundesrates gegen den Bundespräsidenten (Artikel 61 des Grundgesetzes),
5.
über die Auslegung des Grundgesetzes aus Anlaß von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans oder anderer Beteiligter, die durch das Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind (Artikel 93 Abs. 1 Nr. 1 des Grundgesetzes),
6.
bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche oder sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit dem Grundgesetz oder die Vereinbarkeit von Landesrecht mit sonstigem Bundesrecht auf Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Viertels der Mitglieder des Bundestages (Artikel 93 Abs. 1 Nr. 2 des Grundgesetzes),
6a.
bei Meinungsverschiedenheiten, ob ein Gesetz den Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 des Grundgesetzes entspricht, auf Antrag des Bundesrates, einer Landesregierung oder der Volksvertretung eines Landes (Artikel 93 Abs. 1 Nr. 2a des Grundgesetzes),
6b.
darüber, ob im Falle des Artikels 72 Abs. 4 die Erforderlichkeit für eine bundesgesetzliche Regelung nach Artikel 72 Abs. 2 nicht mehr besteht oder Bundesrecht in den Fällen des Artikels 125a Abs. 2 Satz 1 nicht mehr erlassen werden könnte, auf Antrag des Bundesrates, einer Landesregierung oder der Volksvertretung eines Landes (Artikel 93 Abs. 2 des Grundgesetzes),
7.
bei Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder, insbesondere bei der Ausführung von Bundesrecht durch die Länder und bei der Ausübung der Bundesaufsicht (Artikel 93 Abs. 1 Nr. 3 und Artikel 84 Abs. 4 Satz 2 des Grundgesetzes),
8.
in anderen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zwischen dem Bund und den Ländern, zwischen verschiedenen Ländern oder innerhalb eines Landes, soweit nicht ein anderer Rechtsweg gegeben ist (Artikel 93 Abs. 1 Nr. 4 des Grundgesetzes),
8a.
über Verfassungsbeschwerden (Artikel 93 Abs. 1 Nr. 4a und 4b des Grundgesetzes),
9.
über Richteranklagen gegen Bundesrichter und Landesrichter (Artikel 98 Abs. 2 und 5 des Grundgesetzes),
10.
über Verfassungsstreitigkeiten innerhalb eines Landes, wenn diese Entscheidung durch Landesgesetz dem Bundesverfassungsgericht zugewiesen ist (Artikel 99 des Grundgesetzes),
11.
über die Vereinbarkeit eines Bundesgesetzes oder eines Landesgesetzes mit dem Grundgesetz oder die Vereinbarkeit eines Landesgesetzes oder sonstigen Landesrechts mit einem Bundesgesetz auf Antrag eines Gerichts (Artikel 100 Abs. 1 des Grundgesetzes),
11a.
über die Vereinbarkeit eines Beschlusses des Deutschen Bundestages zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses mit dem Grundgesetz auf Vorlage nach § 36 Abs. 2 des Untersuchungsausschussgesetzes,
12.
bei Zweifeln darüber, ob eine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den einzelnen erzeugt, auf Antrag des Gerichts (Artikel 100 Abs. 2 des Grundgesetzes),
13.
wenn das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder des Verfassungsgerichts eines anderen Landes abweichen will, auf Antrag dieses Verfassungsgerichts (Artikel 100 Abs. 3 des Grundgesetzes),
14.
bei Meinungsverschiedenheiten über das Fortgelten von Recht als Bundesrecht (Artikel 126 des Grundgesetzes),
15.
in den ihm sonst durch Bundesgesetz zugewiesenen Fällen (Artikel 93 Abs. 3 des Grundgesetzes).

Antragsteller und Antragsgegner können nur sein: der Bundespräsident, der Bundestag, der Bundesrat, die Bundesregierung und die im Grundgesetz oder in den Geschäftsordnungen des Bundestages und des Bundesrates mit eigenen Rechten ausgestatteten Teile dieser Organe.

(1) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, daß er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist.

(2) Im Antrag ist die Bestimmung des Grundgesetzes zu bezeichnen, gegen die durch die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners verstoßen wird.

(3) Der Antrag muß binnen sechs Monaten, nachdem die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung dem Antragsteller bekannt geworden ist, gestellt werden.

(4) Soweit die Frist bei Inkrafttreten dieses Gesetzes verstrichen ist, kann der Antrag noch binnen drei Monaten nach Inkrafttreten gestellt werden.

(1) Die Bundespolizei kann zur Unterstützung eines Landes verwendet werden

1.
zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung in Fällen von besonderer Bedeutung nach Artikel 35 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes,
2.
zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall nach Artikel 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 des Grundgesetzes,
3.
zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes nach Artikel 91 Abs. 1 des Grundgesetzes,
soweit das Land ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen kann.

(2) Die Unterstützung eines Landes durch die Bundespolizei nach Absatz 1 richtet sich nach dem für das Land geltenden Recht. Vorbehaltlich des Artikels 35 Abs. 3 des Grundgesetzes unterliegt die Bundespolizei dabei den fachlichen Weisungen des Landes.

(3) Die Entscheidung über eine Verwendung der Bundespolizei nach Absatz 1 trifft im Fall des Artikels 35 Abs. 3 des Grundgesetzes die Bundesregierung, im übrigen das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat auf Anforderung des Landes. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann seine Entscheidungsbefugnis in bestimmten Fällen durch Verwaltungsvorschrift auf eine Bundespolizeibehörde übertragen.

(4) Einer Anforderung der Bundespolizei ist zu entsprechen, soweit nicht eine Verwendung der Bundespolizei für Bundesaufgaben dringender ist als die Unterstützung des Landes. Die Anforderung soll alle für die Entscheidung wesentlichen Merkmale des Einsatzauftrages enthalten. Die durch eine Unterstützung eines Landes nach Absatz 1 entstehenden Mehrkosten trägt das Land, sofern nicht im Einzelfall aus besonderen Gründen in einer Verwaltungsvereinbarung etwas anderes bestimmt wird.

(5) Die Verpflichtung zur Amtshilfe bleibt unberührt.

(1) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, daß er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist.

(2) Im Antrag ist die Bestimmung des Grundgesetzes zu bezeichnen, gegen die durch die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners verstoßen wird.

(3) Der Antrag muß binnen sechs Monaten, nachdem die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung dem Antragsteller bekannt geworden ist, gestellt werden.

(4) Soweit die Frist bei Inkrafttreten dieses Gesetzes verstrichen ist, kann der Antrag noch binnen drei Monaten nach Inkrafttreten gestellt werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

1. Die Antragsgegnerin hat

a) den Antragsteller zu 1. durch die Antworten auf die in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 6. Juli 2011 gestellte Frage PlenProt 17/119, S. 13802 D, soweit sich diese auf die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien bezieht, und auf die schriftliche Frage 7/193 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) soweit sich diese darauf bezieht, ob eine positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates vorliegt,

b) die Antragstellerin zu 2. durch die Antwort auf die schriftliche Frage 7/132 von Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 24) soweit sich die Frage darauf bezieht, ob eine positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates vorliegt,

nach Maßgabe der Gründe in deren Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes verletzt.

2. In dem unter B.II.2. genannten Umfang werden die Anträge verworfen und im Übrigen zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Antragsteller sind Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Sie wenden sich dagegen, dass die Bundesregierung, die Antragsgegnerin, verschiedene Anfragen zu Kriegswaffenexporten nicht oder nur unzureichend beantwortet habe. Die Fragen betrafen die nach Presseberichten angeblich von der Antragsgegnerin erteilte Genehmigung für die Lieferung von 200 Panzern des Typs Leopard 2 an Saudi-Arabien sowie Waffenexporte nach Saudi-Arabien und Algerien.

I.

2

1. Die Ordnung der Kriegswaffenexportkontrolle hat in Deutschland Verfassungsrang. Nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG dürfen zur Kriegsführung bestimmte Waffen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt nach Satz 2 ein Bundesgesetz.

3

Das Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen - Kriegswaffenkontrollgesetz - KWKG) regelt die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Beförderung von Kriegswaffen innerhalb und außerhalb des Bundesgebietes sowie die Vermittlung und den Abschluss von Verträgen über den Erwerb oder das Überlassen von Kriegswaffen, die sich außerhalb des Bundesgebietes befinden. Kriegswaffen im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes sind gemäß § 1 Abs. 1 KWKG die in der dem Gesetz als Anlage beigefügten Kriegswaffenliste aufgeführten Gegenstände, Stoffe und Organismen. Die Ausfuhr von Kriegswaffen setzt nach § 3 Abs. 3 KWKG eine Beförderungsgenehmigung voraus. Über diese Genehmigung, die jederzeit widerrufen werden kann, wird nach Ermessen entschieden, sofern keine zwingenden Versagungsgründe nach § 6 Abs. 3 KWKG vorliegen. Zu versagen ist die Genehmigung unter anderem, wenn die Gefahr besteht, dass die Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung, insbesondere bei einem Angriffskrieg, verwendet werden, § 6 Abs. 3 Nr. 1 KWKG. Leitlinien für die Ermessensentscheidung bilden die "Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" vom 19. Januar 2000 (Bundesanzeiger Nr. 19 vom 28. Januar 2000, S. 1299 ff.). Gemäß § 3 Abs. 4, § 4 Abs. 2 und § 4a Abs. 4 KWKG können allgemeine Genehmigungen erteilt werden. Dies erfolgt durch Rechtsverordnungen der Bundesregierung, die der Zustimmung des Bundesrates nicht bedürfen, § 8 Abs. 1 und 4 KWKG.

4

Da alle Kriegswaffen im Sinne des KWKG zugleich in der Ausfuhrliste der Verordnung zur Durchführung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWV - Anlage AL) aufgeführt sind, ist für deren Ausfuhr regelmäßig auch eine Genehmigung nach dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) erforderlich (Ehrlich, in: Bieneck (Hrsg.), Handbuch des Außenwirtschaftsrechts, 2. Aufl. 2005, § 2 Rn. 4). Weitere Genehmigungsanforderungen für den Export militärisch relevanter Güter können sich aus Unionsrecht ergeben, namentlich aus der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 des Rates vom 5. Mai 2009 über eine Gemeinschaftsregelung für die Kontrolle der Ausfuhr, der Verbringung, der Vermittlung und der Durchfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck (sogenannte "Dual-Use-Verordnung", ABl L 134 vom 29. Mai 2009, S. 1 ff.) zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 388/2012 vom 19. April 2012 (ABl L 129 vom 16. Mai 2012, S. 12 ff.).

5

Zuständig für die Erteilung oder Versagung von Ausfuhrgenehmigungen nach dem AWG und der AWV ist gemäß § 13 Abs. 1 AWG grundsätzlich das zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (ehemals Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie) gehörende Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Außenwirtschaftsrechts (BGBl I 2013 S. 1482) am 1. September 2013 ergab sich diese Zuständigkeit aus § 28 Abs. 3 Nr. 1 AWG in Verbindung mit § 1 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten im Außenwirtschaftsverkehr vom 18. Juli 1977 (BGBl I S. 1308), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 27. Juli 2011 zur Umsetzung der Richtlinie 2009/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 zur Vereinfachung der Bedingungen für die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern (BGBl I S. 1595).

6

Die Zuständigkeit für die Erteilung der Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen liegt nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG, § 11 Abs. 1 KWKG bei der Bundesregierung. Durch § 11 Abs. 2 und 3 KWKG wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates nicht bedarf, die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung auf bestimmte Bundesministerien für ihren jeweiligen Geschäftsbereich zu übertragen. Von dieser Delegationsbefugnis hat die Bundesregierung mit Erlass der Ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen vom 1. Juni 1961 (BGBl I S. 649), zuletzt geändert durch Art. 344 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl I S. 2407, 2453) Gebrauch gemacht. Durch § 1 der Ersten Durchführungsverordnung wird die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung für den Bereich der Bundeswehr auf das Bundesministerium für Verteidigung (Abs. 1 Nr. 1), für den Bereich des Zollgrenzdienstes auf das Bundesministerium der Finanzen (Abs. 1 Nr. 2), für den Bereich der für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörden oder Dienststellen sowie der Behörden des Strafvollzugs auf das Bundesministerium des Innern (Abs. 1 Nr. 3) und für alle übrigen Bereiche auf das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Abs. 1 Nr. 4) übertragen. Für die Beförderung von Kriegswaffen mit deutschen Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im Ausland überträgt § 1 Abs. 2 Satz 1 der Ersten Durchführungsverordnung die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung auf das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, das diese Befugnis nach Satz 2 im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt ausübt.

7

§ 10 KWKG enthält Bestimmungen über Inhalt und Form der Genehmigung, die weiteren Einzelheiten des Genehmigungsverfahrens sind geregelt in der auf der Grundlage von § 11 Abs. 4 KWKG von der Bundesregierung erlassenen Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen vom 1. Juni 1961 (BGBl I S. 649), zuletzt geändert durch Art. 31 des Gesetzes über die Zusammenlegung des Bundesamtes für Wirtschaft mit dem Bundesausfuhramt vom 21. Dezember 2000 (BGBl I S. 1956).

8

In der Praxis der Genehmigungsverfahren nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz und dem Außenwirtschaftsgesetz hat sich das gesetzlich nicht geregelte Institut der Voranfrage herausgebildet. Durch eine Voranfrage kann ein Unternehmen frühzeitig klären, ob die für ein beabsichtigtes Exportgeschäft erforderliche Genehmigung voraussichtlich erteilt würde. Über Voranfragen wird nach den gleichen Kriterien entschieden wie über Genehmigungsanträge. Voranfragen zu Kriegswaffenausfuhren sind an das Auswärtige Amt und bei sonstigen Rüstungsgütern an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zu richten. Auch das weitere Verfahren entspricht der Bearbeitung von Anträgen auf Genehmigungserteilung. Bedeutende Vorhaben werden dem Bundessicherheitsrat vorgelegt. Die Voranfrage ersetzt nicht die - im Regelfall erst nach Abschluss des jeweiligen Kaufvertrages - zu beantragende Genehmigung (siehe zum Ganzen den vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie herausgegebenen "Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahre 2013 - Rüstungsexportbericht 2013" vom Mai 2014, S. 6 f.).

9

Bei Ausfuhrvorhaben, die im Hinblick auf das Empfängerland, das Rüstungsgut oder den Geschäftsumfang von besonderer Bedeutung sind, wird in der Regel der Bundessicherheitsrat befasst (Rüstungsexportbericht 2013, S. 7). Beim Bundessicherheitsrat handelt es sich um einen Kabinettausschuss zur ressortübergreifenden Koordinierung von Aspekten der Verteidigungs- und Außenpolitik sowie von Gesichtspunkten des Außenwirtschaftsrechts (Busse/Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, 5. Aufl. 2010, S. 97). Den Vorsitz im Bundessicherheitsrat führt die Bundeskanzlerin, weitere Mitglieder sind die Bundesministerinnen und Bundesminister des Auswärtigen, des Innern, der Justiz und für Verbraucherschutz, der Finanzen, für Wirtschaft und Energie, der Verteidigung, für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und der Chef des Bundeskanzleramtes (Rüstungsexportbericht 2013, ebd.). Andere Teilnehmer werden bei Bedarf mit beratender Stimme hinzugezogen, so etwa andere Bundesministerinnen und -minister, der Generalinspekteur der Bundeswehr, die Chefs des Bundespräsidialamtes und des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, die Beauftragte der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle usw. Die Abstimmung im Bundessicherheitsrat erfolgt nach den Grundsätzen, die § 24 der Geschäftsordnung der Bundesregierung für Kabinettsitzungen vorsieht. Die Sitzungen des Bundessicherheitsrates werden durch ein beim Bundeskanzleramt angesiedeltes interministerielles Sekretariat und einen Ausschuss auf Staatssekretärsebene vorbereitet. Die Ergebnisse der Beratungen des Bundessicherheitsrates werden in Sitzungsprotokollen festgehalten, die mit dem Geheimhaltungsgrad "Geheim" eingestuft sind (zum Ganzen Glawe, Organkompetenzen und Handlungsinstrumente auf dem Gebiet der nationalen Sicherheit, 2011, S. 35 ff.; Zähle, Der Staat 44 (2005), S. 462 <471 ff.>).

10

2. Die Bundesregierung informiert durch ihre jährlichen Rüstungsexportberichte über die im vorangegangenen Kalenderjahr erteilten Genehmigungen zur Ausfuhr von Rüstungsgütern und die tatsächlich erfolgten Ausfuhren von Kriegswaffen. Die Berichte werden bislang regelmäßig in der zweiten Jahreshälfte des auf das Berichtsjahr folgenden Jahres veröffentlicht (zu beabsichtigten Änderungen siehe Rn. 103). Sie enthalten statistische Angaben zu den erteilten Genehmigungen ohne Nennung des jeweiligen Exportunternehmens und Angaben in allgemeiner Form zu abgelehnten Anträgen. Begründungen für die Genehmigung oder Ablehnung eines Rüstungsexportgeschäftes werden nicht mitgeteilt soweit nicht nach dem Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern (ABl L 335 vom 13. Dezember 2008, S. 99 ff.) im Rahmen der danach vorgesehenen Ablehnungsanzeigen (sogenannte denial notifications) Ablehnungsgründe mitgeteilt wurden. Auch über die in dem jeweiligen Berichtsjahr beschiedenen Voranfragen betreffend die Genehmigungsfähigkeit bestimmter Ausfuhrvorhaben wird nicht berichtet (siehe zum Ganzen Rüstungsexportbericht 2013, S. 17).

11

Bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen beruft sich die Bundesregierung in ständiger Praxis darauf, dass Sitzungen und Entscheidungen des Bundessicherheitsrates der Geheimhaltung unterlägen und deshalb keine Auskunft gegeben werden könne (vgl. etwa BTDrucks 14/383, S. 2; 14/1466 S. 2; 14/1938, S. 3; PlenProt 14/68, S. 6063 A, 6066 A; BTDrucks 14/2483, S. 27 f.; 14/3619, S. 4 und 5; 14/3657, S. 3; 14/6958, S. 1 f.; 15/288, S. 26; 15/5998, S. 16; 16/7969, S. 6; PlenProt 16/97, S. 9947 C; PlenProt 16/99, S. 10101 D, 10102 A; zu einzelnen Ausnahmen vgl. etwa PlenProt 14/68, S. 6063 D und PlenProt 16/223, S. 24509).

12

Zu Voranfragen über die Genehmigungsfähigkeit bestimmter Ausfuhrvorhaben äußert sich die Bundesregierung bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen grundsätzlich nicht (vgl. BTDrucks 17/10520). Teilweise wurde in der Vergangenheit allerdings mitgeteilt, ob eine Voranfrage hinsichtlich der Genehmigungsaussichten eines bestimmten Exportgeschäfts (vgl. etwa BTDrucks 14/383, S. 1 und 2; 14/1466, S. 2; PlenProt 14/107, S. 10045 C und D, 10046 B; BTDrucks 14/3619, S. 2 und 3; 16/7969, S. 6) oder ein Genehmigungsantrag vorliegt (vgl. BTDrucks 14/3619, S. 3; 14/4213, S. 25; 14/4364, S. 3; 15/4295, S. 21 f.; 16/3430, S. 3; 17/9710, S. 12; 17/2889, S. 3). Nach Darstellung der Bundesregierung wird über abgelehnte Anträge, soweit sie den Bundessicherheitsrat involvieren, überhaupt nicht, ansonsten nur in Form des Rüstungsexportberichts Auskunft gegeben (vgl. PlenProt 17/161, S. 19141 B).

13

Die Gründe für die Ablehnung von Anträgen teilt die Bundesregierung auf parlamentarische Anfragen hin grundsätzlich nur mit, wenn diese nach dem Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP ohnehin als denial notification anzuzeigen sind (vgl. BTDrucks 16/12673, S. 8; 17/8275, S. 11 f.; 17/3391, S. 8).

II.

14

Dem Verfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

15

1. Anfang Juli 2011 berichteten mehrere Zeitschriften, Saudi-Arabien habe an mehr als 200 Panzern "Leopard" in der modernsten Version Interesse. Der Bundessicherheitsrat habe den Export grundsätzlich gebilligt. Die Artikel kritisierten die Panzerlieferung unter Verweis darauf, dass saudi-arabische Truppen im benachbarten Bahrain geholfen hätten, Proteste gegen die Regierung niederzuschlagen, und dass Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien in jüngerer Zeit stets abgelehnt worden seien. Zudem wurde berichtet, Deutschland wolle mit Algerien "milliardenschwere Rüstungsexporte abwickeln".

16

2. In der Fragestunde im Deutschen Bundestag am 6. Juli 2011 stellte der Abgeordnete Volker Beck die dringliche Frage 1, wie die Bundesregierung die Genehmigung der Lieferung von mehr als 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien vor dem Hintergrund von Saudi-Arabiens Intervention in Bahrain und der Lage im Nahen Osten rechtfertige. Hierauf antwortete der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Hans-Joachim Otto, nach allgemeinen Ausführungen über die Entscheidungsgrundlagen für Rüstungsexporte (PlenProt 17/119, S. 13797 D):

17

" (...) Bei etwaigen Ausfuhrvorhaben, die besonders brisant oder von besonderem Interesse sind, entscheidet in der Regel der Bundessicherheitsrat. (...) Herr Kollege Beck, Sie wissen genauso gut wie ich, dass der Bundessicherheitsrat seit jeher geheim tagt. Auch die Tagesordnungen und die Ergebnisse sind als Geheim eingestuft. Daher kann - dafür haben Sie sicherlich Verständnis - die Bundesregierung zu den Presseberichten über angebliche Entscheidungen des Bundessicherheitsrates keine Stellung nehmen. Ich möchte hinzufügen: Das war noch nie anders.

Die Notwendigkeit zur Geheimhaltung - das will ich noch erläutern - entsteht nicht aus irgendwelchen subjektiven Interessen oder Wünschen des Kabinetts oder des Bundessicherheitsrates, sondern es geht vorrangig um das Schutzbedürfnis der Beziehungen Deutschlands zu den möglichen Empfängerländern. Ein weiterer Grund ist der Schutz der Interessen des Empfängerlandes.

Zu den konkreten Presseberichten kann und darf ich deshalb nicht Stellung nehmen. Ich will aber trotzdem kurz zu Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien allgemein Stellung nehmen. (...)"

18

Auf eine Zusatzfrage des Abgeordneten Beck hin führte der Parlamentarische Staatssekretär Otto unter anderem aus:

"Herr Kollege Beck, erstens liegen Sie falsch, wenn Sie meinen, dass die Ergebnisse der Sitzungen des Bundessicherheitsrats in die Öffentlichkeit getragen werden dürfen. Es ist sogar so, dass man sich strafrechtlich zu verantworten hätte, wenn man der Öffentlichkeit Dienstgeheimnisse preisgäbe. (…) Weil das so ist - weil der Bundessicherheitsrat nicht öffentlich, sondern geheim tagt und auch die Ergebnisse geheim sind -, kann ich zum Thema Bahrain nicht im Einzelnen Stellung nehmen. (...) Ich kann weder bestätigen noch dementieren, dass es überhaupt eine Entscheidung gegeben hat."

19

Nach weiteren Zusatzfragen stellte der Antragsteller zu 1. die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13802 D):

"Herr Staatssekretär, Sie haben gerade auf die Fragen des Kollegen geantwortet, die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien sei anders als die in Deutschland. Ich frage Sie deshalb: Ist der Bundesregierung bekannt, dass in Saudi-Arabien von Amts wegen - also von Staats wegen - Menschen ausgepeitscht, in entwürdigender Art und Weise hingerichtet und unterdrückt werden, dass keine Bürgerrechte gelten, dass insbesondere Frauen, die nicht einmal Auto fahren dürfen, unterdrückt werden? Gibt die Bundesregierung mir recht, dass es sich hierbei um eine innere Repression sowie um eine fortdauernde und systematische Menschenrechtsverletzung handelt? Ist es, wenn solche Voraussetzungen vorliegen, nach den Richtlinien für Rüstungsexporte in solche Länder so, dass Genehmigungen nicht in Betracht kommen?"

20

Antwort Otto:

"Herr Kollege Ströbele, sollte es zu einer Entscheidung gekommen sein oder sollte es noch zu einer Entscheidung kommen, sind all diese Dinge zu berücksichtigen. Es ist nicht meine Aufgabe, jetzt hier eine Menschenrechtslage im Detail zu beurteilen. Ich bin Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Im Übrigen gibt es in Bezug auf diese Gesichtspunkte einen Abwägungsprozess. Auch die Menschenrechtslage ist im Rahmen eines Abwägungsprozesses zu berücksichtigen. Ich habe Ihnen bzw. Kollegen von Ihnen schon gesagt, dass wir uns - sonst würden wir den Menschenrechtsdialog nicht führen - Verbesserungen an dieser Front wünschen und diese anstreben. Wie Sie wissen, macht die EU das. Das gilt auch für die Bundesregierung. Detailfragen aber - ob Auspeitschungen und ähnliche Dinge vorkommen - sind nicht an den Bundeswirtschaftsminister zu richten."

21

Der Bundestagspräsident wies darauf hin, dass die Antworten unbeschadet der Aufteilung auf die Ressorts an die Regierung gerichtet und von dieser beantwortet würden.

22

Nach einer weiteren Zusatzfrage stellte die Antragstellerin zu 2. die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13803 D):

" (...) Herr Staatssekretär, Sie haben zu Beginn Ihrer Ausführungen die Rechtsgrundlagen dargelegt und die Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung zitiert. Danach sind Kriegswaffenexporte in Drittstaaten grundsätzlich verboten. Von diesem Grundsatz darf nur ausnahmsweise, beim Vorliegen besonderer sicherheitspolitischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland, abgewichen werden."

23

Antwort Otto:

"Korrekt".

24

Die Antragstellerin zu 2.:

"Dort steht aber auch: Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine Rolle spielen."

25

Antwort Otto:

"Keine ausschlaggebende."

26

Die Antragstellerin zu 2.:

"Können Sie ausschließen, dass bei der Entscheidung des Bundessicherheitsrates beschäftigungspolitische oder gar industriepolitische Gründe eine Rolle gespielt haben?"

27

Antwort Otto:

"Frau Kollegin, zunächst einmal: Ich kann Ihnen aus den bekannten Gründen gar keine Auskunft darüber geben, ob diese Entscheidung getroffen worden ist oder nicht. Ich möchte aber, um das klarzustellen, die entsprechende Stelle der Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung zitieren. In den Politischen Grundsätzen heißt es: Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine ausschlaggebende Rolle spielen. Dies bedeutet allerdings im Umkehrschluss, dass sie eine gewisse Rolle spielen dürfen, sozusagen als nachrangige Gründe. Ich kann mir vorstellen, dass dies auch bei ähnlichen Entscheidungen in der Vergangenheit der Fall war. Das wäre auch völlig legitim gewesen, weil die Politischen Grundsätze wie erwähnt niedergelegt worden sind. Ausschlaggebend ist das sicherheits- und bündnispolitische Interesse. Nachrangig können auch beschäftigungspolitische Gründe eine Rolle spielen."

28

Die Antragstellerin zu 3. schloss die Zusatzfrage an (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B):

" (...) Herr Otto, meine erste Frage. In der heutigen Ausgabe der seriösen Süddeutschen Zeitung war zu lesen: Aus Regierungskreisen verlautete, dass im Vorfeld der Entscheidung im Bundessicherheitsrat am 27. Juni dieses Jahres die Zustimmung von Israel und den USA eingeholt worden sei und dass beide Staaten nicht nur konsultiert worden seien, sondern auch keine Bedenken angemeldet hätten. - Stimmen diese Verlautbarungen aus Regierungskreisen? Meine zweite Frage. Sie haben vorhin gesagt, es gehe darum, dass die deutsche Außenpolitik die Werteordnung in der Region, in Saudi-Arabien, stabilisieren will. Von welcher Werteordnung sprechen Sie? Sind Menschenrechte Ihrer Meinung nach nicht universell gültig, sondern ist ihre Geltung von der jeweiligen Region abhängig?"

29

Antwort Otto:

"Ich möchte zunächst zu Ihrer zweiten Frage Stellung nehmen. Selbstverständlich sind Menschenrechte - sie sind in der UN-Menschenrechtscharta niedergelegt - weltweit gültig. (…)

Insofern: Die Standards, an denen wir die Menschenrechtslage messen, sind in der UN-Menschenrechtscharta niedergelegt, und an dieser universell geltenden Charta halten wir fest. Ich habe bereits geschildert, dass es in Saudi-Arabien diesbezüglich Defizite gibt. Sonst würden wir auch nicht in einem ständigen Dialog stehen.

Zu dem ersten Teil Ihrer Frage würde Herr Staatsminister von Klaeden gerne Stellung nehmen, wenn, Herr Präsident, das erlaubt ist."

30

Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin:

"Frau Kollegin Roth, es gilt das, was Kollege Staatssekretär Otto bereits gesagt hat, nämlich dass wir zu den Sitzungen des Bundessicherheitsrates keine Auskunft geben. Das gilt dann eben auch für die Frage, ob Pressemeldungen dementiert oder bestätigt werden. Ich will aber gerne noch einmal die Gelegenheit nutzen, einige Sätze zu unseren Beziehungen zu Saudi-Arabien zu sagen, damit hier kein unausgewogenes Bild entsteht. Hinsichtlich der Menschenrechtslage in Saudi-Arabien besteht zwischen der Einschätzung der seriösen Menschenrechts- und Außenpolitiker des Bundestages und der Einschätzung der Bundesregierung keine Differenz. Warum Saudi-Arabien trotz seiner schwierigen Menschenrechtssituation gleichwohl ein wichtiger Partner für uns ist, will ich an folgenden Punkten deutlich machen: (...)"

31

Nach weiteren Zusatzfragen zur Rolle Saudi-Arabiens in Bezug auf terroristische Aktivitäten und die Ereignisse in Bahrain stellte der Abgeordnete Dr. Frithjof Schmidt die Zusatzfrage, ob die Bundeskanzlerin die Ermächtigung erteilen könne, über Sitzungen des Bundessicherheitsrates Auskunft zu geben, und ob eine politische Begründung genannt werden könne, weshalb sie dies nicht tue.

32

Antwort Otto:

"Ich nehme hier nicht die Rolle der Bundeskanzlerin ein. Ich sitze nicht auf ihrem Platz, sondern daneben. Aber ganz klar ist, dass es zumindest seit dem Jahr 2000 völlig unstreitig ist, (...) dass der Verlauf und die Ergebnisse der Sitzungen des Bundessicherheitsrats als Geheim einzustufen sind, was zur Folge hat, dass niemand, auch nicht die Bundeskanzlerin, das Recht hat, dies sozusagen durch freie Entscheidung zu öffnen. (...)"

33

Anschließend wurde die dringliche Frage 2 des Antragstellers zu 1) (BTDrucks 17/6438, S. 1) aufgerufen (PlenProt 17/119, S. 13807 A):

"Welche Angaben macht die Bundesregierung zum jetzt bekannt gewordenen Zustandekommen des Waffengeschäfts über die Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern von Deutschland an Saudi-Arabien hinsichtlich der Zahlung 'nützlicher Aufwendungen' sowie der Vermittler, Unterstützer in der Bundesregierung und Nutznießer dieses Waffengeschäfts?"

34

Antwort Otto:

"Herr Kollege Ströbele, ein Teil Ihrer Frage bezieht sich auf das, was wir eben schon ausgiebig diskutiert haben. Ich nehme Bezug auf das, was ich eben schon gesagt habe, und möchte das nicht verlängern. Im Übrigen kann ich Ihnen mitteilen, dass der Bundesregierung keinerlei Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vorliegen, die irgendwie im Zusammenhang mit dem in der Presseberichterstattung genannten Geschäft stehen könnten. Wäre es anders, würde die Bundesregierung von irgendeiner gesetzwidrigen Zahlung Erkenntnisse bekommen, dann wäre das eine Sache der Strafverfolgungsbehörden. Auch insofern verweise ich auf die Richtlinie der Bundesregierung zur Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung vom 30. Juli 2004. Sie werden sie sicherlich noch gut kennen; sie ist nämlich in der Zeit der rot-grünen Regierungskoalition verabschiedet worden. Auch sie, Herr Kollege Ströbele, gilt unverändert fort."

35

Der Antragsteller zu 1. stellte folgende Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C):

"Herr Staatssekretär, Ihre Auffassung, dass Sie hier jegliche Auskunft über das Geschäft verweigern dürfen, ist nicht nur abenteuerlich, sondern verfassungswidrig. Sie hebeln faktisch das Recht des Deutschen Bundestages, die Bundesregierung zu kontrollieren, in diesem wichtigen Punkt, der mindestens die Hälfte der deutschen Bevölkerung beschäftigt, für ein Jahr aus.

Meine Frage an Sie lautet: Wie viel kosten die 200 Leopard-Kampfpanzer, wenn man sie in Deutschland kauft bzw. verkauft, und wie viel soll die saudi-arabische Regierung dafür bezahlen? Denn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Kaufpreis und dem, was tatsächlich gezahlt wird, gilt wie schon im Jahr 1991 als sogenannte nützliche Aufwendungen, das heißt Bestechungsgelder.

Deshalb richte ich als Abgeordneter des Bundestages, der die Bundesregierung auch bei diesem Geschäft kontrollieren muss, diese Frage an Sie."

36

Antwort Otto:

"Herr Kollege Ströbele, mit allem Respekt: Es ist sehr mutig, was Sie hier machen. Zunächst einmal weise ich den Vorwurf, ich würde mich verfassungswidrig verhalten, mit allem Nachdruck zurück. Ich mache genau das, was alle Bundesregierungen bisher aus gutem Grund gemacht haben. Nennen Sie mir einen einzigen Fall aus den vergangenen Jahren, auch unter rot-grüner Regierung, in dem sich ein Staatssekretär hier hingestellt hat und gesagt hat: Herr Ströbele, das und das ist im Bundessicherheitsrat beschlossen worden. - Das hat es nie gegeben, und dafür gibt es gute Gründe. Das hat mit Verfassungswidrigkeit nichts zu tun. Es war die rot-grüne Bundesregierung, die noch einmal festgestellt hat, dass die Berichterstattung über die Beschlüsse des Bundessicherheitsrates und die Rüstungsexportpolitik in einem jährlichen Rüstungsexportbericht niedergelegt wird. Dadurch wird das Parlament beteiligt.

Der Rüstungsexportbericht für 2010 wird in Kürze veröffentlicht. Ich kann Ihnen die Zahlen für Saudi-Arabien geben. Im Übrigen, Herr Kollege Ströbele, zu dem, was Sie da an Spekulationen geäußert haben - also zur Preisdifferenz; das, was in der Presse steht -, will ich in keiner Weise Stellung nehmen. Ich halte Ihre Spekulationen wirklich für abenteuerlich und weise sie zurück. Die Annahme, dass ein in Saudi-Arabien gegenüber Deutschland veränderter Preis automatisch mit nützlichen Aufwendungen, kriminellen Handlungen verbunden ist, ist wirklich - mit Verlaub - Ihre private Meinung. Das ist nicht die Meinung der Bundesregierung."

37

Der Antragsteller zu 1. stellte folgende zweite Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13807 D, S. 13808 A):

"Herr Staatssekretär, bis zum Jahre 1999 habe ich es auch als abenteuerlich angesehen, dass ein ausgewachsener deutscher Bundeskanzler Barbeträge, gebündeltes Bares von Spendern anonym entgegennimmt und in seine Jackentasche steckt. Ich habe es auch als abenteuerlich angesehen, dass 220 Millionen Euro an sogenannten nützlichen Aufwendungen gezahlt wurden, von denen 1 Million an die CDU, an deren Schatzmeister, geflossen sind. Das war alles abenteuerlich. Seit dem Jahr 1999 weiß ich, dass so etwas in der Bundesrepublik Deutschland möglich ist. Deshalb stelle ich Ihnen nochmals die Frage: Sind Sie bereit, über Einzelheiten dieses Geschäfts dem Deutschen Bundestag Auskunft zu geben, oder verweigern Sie diese weiterhin in verfassungswidriger Weise?"

38

Antwort Otto:

"Herr Kollege Ströbele, in aller Klarheit: Der Vorwurf an ein Mitglied der Bundesregierung, sich verfassungswidrig zu verhalten, ist starker Tobak. Sie wissen genauso gut wie ich, weil Sie langjähriger Parlamentarier sind: Niemand von denen, die hier Zwischenrufe machen, würde sich anders verhalten, wenn er in meiner Situation wäre, niemand. Ich würde mich sogar strafbar machen, wenn ich irgendwelche Erkenntnisse, die ich als Mitglied der Bundesregierung erhalten habe, hier offenbarte. Das geht nicht anders. Das war zu Ihrer Zeit auch nicht anders. Dafür gibt es gute Gründe; das habe ich schon gesagt. Das hat mit Verfassungswidrigkeit gar nichts zu tun, Herr Kollege Ströbele, bei allem Respekt. Zu dem, was Sie zu früheren Zeiten, zu 1999, gesagt haben - auch ich war in dem Untersuchungsausschuss Mitglied -: Das ist aufgeklärt worden. Das wird sich auch nicht wiederholen. Ich hoffe nicht, dass durch Ihre Frage intoniert werden sollte, die jetzige Bundesregierung hätte Ähnliches vor oder getan. Ich weise das in aller Klarheit zurück. Das ist aufgearbeitet worden. Es hat auch Strafverfahren gegeben. Dass Sie das jetzt in einen Zusammenhang mit diesen Presseberichten stellen, finde ich schon sehr fragwürdig."

39

Zu weiteren Zusatzfragen zu bisherigen Anfragen Saudi-Arabiens wegen des Erwerbs von Panzern führte der Parlamentarische Staatssekretär Otto aus:

"Diese Antwort habe ich genauso zu verweigern wie jede andere. Auch solche Anfragen sind geheimschutzbedürftig. Ich bin nicht befugt, jede Frage nach Anfragen nach Rüstungsgütern zu beantworten. Das ist sehr naheliegend; denn wenn die Bundesregierung verpflichtet wäre, schon bei Eingang einer Anfrage die Öffentlichkeit zu informieren, dann würden viele - vielleicht sogar nach Ihrer Meinung - notwendige Geschäfte vereitelt. Das gilt übrigens auch für Anfragen jenseits von Rüstungsgütern, zum Beispiel nach Dual-use-Gütern. Die Verwaltung ist nicht befugt, Auskünfte über Anfragen nach Rüstungsgütern oder sonstige Exportgenehmigungen zu erteilen. Genauso wie bei jedem anderen Verwaltungshandeln ist das alles diskret zu behandeln. Darüber werden in der Öffentlichkeit keine Auskünfte gegeben. All das, was notwendig ist, um das Parlament zu unterrichten, enthält der Rüstungsexportbericht. Der Rüstungsexportbericht und die Stellung des Bundessicherheitsrates gehen nicht auf diese Regierung zurück. Es handelt sich hier um eine jahrzehntelange Praxis."

40

Nach weiteren Zusatzfragen zur Auslegung und Verbindlichkeit der Rüstungsexportrichtlinien, zur Bundesregierung als dem "Erfüllungsgehilfen der deutschen Rüstungslobby" und zum Entscheidungsverfahren im Bundessicherheitsrat wurde die dringliche Frage 3 der Antragstellerin zu 2. (BTDrucks 17/6438, S. 1) aufgerufen (PlenProt 17/119, S. 13810 D):

"Welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe führt die Bundesregierung für die Genehmigung der am 4. Juli 2011 durch das Magazin Der Spiegel gemeldeten Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien an, und wie bewertet die Bundesregierung die Vereinbarkeit dieser Lieferung mit den einzelnen Kriterien des EU-Kodex für Waffenausfuhren?"

41

Antwort Otto:

"Frau Kollegin Keul, nachdem ich schon recht ausführlich zu den dringlichen Fragen 1 und 2 Stellung genommen habe, kann ich in Ihrer Frage keinen zusätzlichen Gehalt erkennen, der über den der dringlichen Frage 1 hinausgeht. Deswegen wiederhole ich das, was ich auf die Frage des Kollegen Beck gesagt habe, auch Ihnen gegenüber."

42

Die Antragstellerin zu 2. stellte die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13811 A):

"Ich wüsste gerne, auf welche Weise die Bundesregierung ausschließt, dass die für Saudi-Arabien genehmigten Rüstungsexportgüter zu innerer Repression genutzt werden."

43

Antwort Otto:

"Frau Kollegin Keul, wenn ich dazu Stellung nähme, würde ich eine Auskunft geben, dass es eine Entscheidung gegeben hat oder dass es keine Entscheidung gegeben hat. Da ich diese Auskunft aus den bekannten Gründen nicht geben kann, kann ich Ihre Frage nicht beantworten. Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Grundsätze, sowohl die Politischen Grundsätze der Bundesregierung als auch die des Europäischen Rates, in jedem Einzelfall zu beachten sind und von der Bundesregierung in jedem Fall auch peinlich beachtet werden. Das ist die klare Aussage. Das ist eine Selbstbindung der Bundesregierung, die nach wie vor gilt. Da gibt es keine Veränderung. Es ist genau so wie in den Jahren vorher."

44

Als im Folgenden thematisiert wurde, ob es einen Austausch mit anderen Regierungen im Hinblick auf die Genehmigung gegeben habe, antwortete der Parlamentarische Staatssekretär Otto:

" (…) Das betrifft nicht den Bundessicherheitsrat, aber dabei handelt es sich um sicherheitspolitische Interessen, die hier nicht auf dem Markt verhandelt werden können. (…) Sicherheitspolitische Absprachen zwischen Bündnisländern können hier nicht im Einzelfall besprochen werden. Das kann nicht anders sein, und das gilt unabhängig von Rüstungsexportfragen. (…) Das sind Rücksichtnahmen auch auf bilaterale Beziehungen. (…)"

45

Später wurde die dringliche Frage 4 des Abgeordneten Niema Movassat aufgerufen:

"Wie vereinbart die Bundesregierung die geplante Lieferung von Panzern an Saudi-Arabien mit ihren Äußerungen, an der Seite der Demokratiebewegung in den arabischen Ländern zu stehen?"

46

Hierzu stellte die Antragstellerin zu 3. folgende Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13814 B):

"Herr Westerwelle hat in seinen ersten außenpolitischen Leitlinien dafür plädiert, dass jenen Staaten die Entwicklungshilfe zu streichen sei, in denen Männer und Frauen nur deshalb hingerichtet werden, weil sie homosexuell sind.

Unseres Wissens gibt es in Saudi-Arabien eine drakonische Verfolgung von Schwulen und von Lesben. Sie müssen mit der Todesstrafe rechnen, wenn man ihnen Homosexualität nachweisen kann. Muss ich Ihre Äußerungen jetzt so interpretieren, dass Saudi-Arabien keine Entwicklungshilfe, wenn es welche beantragen würde - Konjunktiv! -, bekommen würde, weil dort Homosexualität verfolgt wird, aber Panzer bekommen würde, weil diese zur Stabilisierung der Region beitragen?"

47

Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt:

"Frau Abgeordnete, was die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien anbelangt, will ich unterstreichen, was Sie gesagt haben: Die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien ist auf keinen Fall zu akzeptieren. Sie ist sehr unbefriedigend, auch wenn sich die Regierung seit einigen Jahren für Menschenrechtsthemen öffnet. 2009 gab es 69 Hinrichtungen und 2010 immer noch 29. Schlimm sind auch die religiöse Intoleranz, Frauendiskriminierung und Rechtlosigkeit ausländischer Arbeitskräfte und vieles andere mehr. Bei realistischer Einschätzung muss man sagen, dass die Bemühungen der Regierung und des Schura-Rates, also des rein beratenden und vom König ernannten Parlaments, die wichtigsten internationalen Menschenrechtsstandards in nationales Recht umzusetzen, sicher erst in Jahren erfolgreich sein werden. Das ist sehr unbefriedigend; da gebe ich Ihnen recht. Sehen Sie bitte auf der anderen Seite, dass wir an der Stabilität in dieser Region und an einer entsprechenden Sicherheitspolitik interessiert sind und deshalb auch nach Strohhalmen greifen. Es ist wichtig, dass sich Saudi-Arabien - Staatsminister von Klaeden hat es bereits gesagt - für Friedensinitiativen in der Region engagiert, wie es 2002 der Fall war."

48

3. Im Juli stellte die Antragstellerin zu 2. die schriftliche Anfrage an die Bundesregierung (Frage 7/132; BTDrucks 17/6658, S. 24):

"Wann hat die Bundesregierung den Verkauf von Transportpanzern Fuchs, Last- und Geländewagen, Fregatten oder Verteidigungs- und Sicherheitselektronik für den Grenzschutz bzw. dazu bestimmte Fertigungsanlagen an Algerien genehmigt (vgl. Handelsblatt, "Deutschland gibt Rüstung für Algerien frei", 3. Juli 2011) und welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe führt sie jeweils für die Genehmigung an?"

49

Für die Bundesregierung antwortete der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Jochen Homann, am 15. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 24 f.):

"Über Rüstungsexporte entscheidet die Bundesregierung im Einzelfall und im Lichte der jeweiligen Situation. Grundlage hierfür sind (…).

Bei Ausfuhrvorhaben, die im Hinblick auf das Empfängerland, das Rüstungsgut oder den Geschäftsumfang von besonderer Bedeutung sind, wird in der Regel der Bundessicherheitsrat befasst. (…).

Der Bundessicherheitsrat tagt geheim. Tagesordnung und Ergebnisse sind ebenso eingestuft. Daher kann die Bundesregierung zu den Presseberichten über Entscheidungen des Bundessicherheitsrats keine Stellung nehmen.

Die Notwendigkeit zur Geheimhaltung ergibt sich vorrangig aus dem Schutzbedürfnis der Beziehungen Deutschlands zu den möglichen Empfängerländern. Der Schutz der Interessen des Empfängerlands ist ein weiterer Grund.

Die Bundesregierung informiert über die erteilten Exportgenehmigungen für Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter nach Algerien in ihrem jährlichen Rüstungsexportbericht im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen. Bei der Entscheidung über Rüstungsexporte nach Algerien werden insbesondere die Zusammenarbeit mit Algerien im Kampf gegen den Terrorismus, die legitimen Sicherheitsinteressen Algeriens sowie die Menschenrechtslage in Algerien berücksichtigt."

50

Am 8. Juli 2011 stellte der Antragsteller zu 1. die Frage zur schriftlichen Beantwortung an die Bundesregierung (Frage 7/84; BTDrucks 17/6658, S. 56):

"Inwieweit trifft im Einzelnen zu, dass die Bundeswehr schon im 3. Quartal dieses Jahres - also in den jetzigen Monaten - Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien schicken (bzw. durch den Hersteller schicken lassen) wird und dort - wie schon zu Anfang 2011 in Katar - auf deren Klima- bzw. Wüstentauglichkeit sowie Kampffähigkeit testen lassen will, wie am 24. Mai 2011 der Abteilungsleiter im Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, [Herr] E., oder ein anderer Redner von dem Panzerbataillon 33 in der Wilhelmstein-Kaserne anlässlich der öffentlichen Soldaten-Verabschiedung nach Afghanistan angekündigt haben soll, und sofern dies grundsätzlich zutrifft, wie steht dieses Vorhaben im Zusammenhang mit dem offenbar genehmigten Verkauf von 200 Leopard-Panzern nach Saudi-Arabien?"

51

Für die Bundesregierung antwortete der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium Christian Schmidt am 18. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 56):

" (…) Nach den im BMVg vorliegenden Redetexten der Veranstaltung vom 24. Mai 2011 beim Panzerbataillon 33 lässt sich nicht erkennen, dass einer der Redner die Aussage getätigt hat, Leopard-Panzer sollen durch die Bundeswehr, oder in deren Auftrag durch den Hersteller KMW, in Saudi-Arabien getestet werden.

Ich darf Ihnen mitteilen, dass weder die Bundeswehr selbst noch durch Beauftragte die Klima- bzw. Wüstentauglichkeit sowie Kampffähigkeit von Leopard-Panzern in Saudi-Arabien feststellen lässt."

52

Am 14. Juli 2011 stellte der Antragsteller zu 1. die Frage zur schriftlichen Beantwortung an die Bundesregierung (Frage 7/193; BTDrucks 17/6658, S. 28):

"Welche Angaben macht die Bundesregierung zu getroffenen Entscheidungen der Bundesregierung bzw. ihrer Ausschüsse oder nachgeordneten Stellen betreffend die Lieferung von ca. 200 Panzer LEO in die Krisenregion am arabischen Golf nach Saudi-Arabien, insbesondere zu der bisherigen Verbindlichkeit der Entscheidungen und zu den Inhalten der Entscheidungen wie Verkaufspreise, Lieferbedingungen oder eventuellen Auflagen zum Einsatz in diesem Land oder in anderen Ländern, und wie rechtfertigt die Bundesregierung Entscheidungen über diese Kriegswaffenexporte angesichts der Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung, nach denen solche Kriegswaffenlieferungen in Länder wie Saudi-Arabien, in den fortdauernd und systematisch Menschenrechte verletzt werden, nicht in Betracht kommen?"

53

Für die Bundesregierung antwortete der Staatssekretär beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Dr. Bernhard Heitzer am 21. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 29):

"Der Bundesregierung sind die aktuellen Presseberichte über eine angebliche rüstungsexportkontrollpolitische Entscheidung des Bundessicherheitsrats zur Ausfuhr von 200 Panzern Leopard nach Saudi-Arabien bekannt. Tagesordnung und Entscheidungen des Bundessicherheitsrats unterliegen der Geheimhaltung. Daher kann die Bundesregierung hierzu nicht Stellung nehmen.

In allgemeiner Form kann jedoch gesagt werden:

Über Rüstungsexporte entscheidet die Bundesregierung im Einzelfall und im Lichte der jeweiligen Situation nach sorgfältiger Prüfung unter Einbeziehung außen- und sicherheitspolitischer Erwägungen. Grundlage hierfür sind die 'Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern' aus dem Jahr 2000 und der 'Gemeinsame Standpunkt 2008/944/GASP des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern'. Der Beachtung der Menschenrechte im Empfängerland und den Möglichkeiten eines Missbrauchs des konkreten Rüstungsguts kommen im Rahmen der hiernach vorzunehmenden Gesamtabwägung eine besondere Bedeutung zu.

Saudi-Arabien ist ein stabilisierender Faktor in der Region und wichtiger Partner der Bundesrepublik Deutschland.

Im Rahmen ihrer bilateralen Beziehungen mit Saudi-Arabien setzt sich die Bundesregierung für die Einhaltung von demokratischen Werten und Menschenrechten ein. (…)

(…) Die Bundesregierung verfolgt die aktuellen Entwicklungen in Saudi-Arabien und der Region sehr genau."

54

Am 14. Juli 2011 stellte die Antragstellerin zu 3. die schriftliche Frage an die Bundesregierung (Frage 7/174; BTDrucks 17/6658, S. 26):

"Wie begründet die Bundesregierung die Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern an Saudi-Arabien angesichts der geltenden Richtlinien für Rüstungsexporte, die Waffengeschäfte mit [Staaten wie] Saudi-Arabien aufgrund der hinreichenden Belege für massive und alltägliche Menschenrechtsverletzungen verbieten?"

55

Die Antwort des Staatssekretärs beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Dr. Bernhard Heitzer für die Bundesregierung am 21. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 26 f.) ist wortgleich mit der am gleichen Tag erteilten Antwort auf die Frage des Antragstellers zu 1. vom 14. Juli 2011.

56

Ebenfalls am 14. Juli 2011 stellte die Antragstellerin zu 3. die schriftliche Frage an die Bundesregierung (Frage 7/175; BTDrucks 17/6658, S. 27):

"Welche Angaben macht die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag gegenüber zum bekannt gewordenen Zustandekommen der Leopard-Kampfpanzerlieferung an Saudi-Arabien hinsichtlich der Zahlung 'nützlicher Aufwendungen' sowie der Vermittler, Unterstützer in der Bundesregierung und Nutznießer dieses Waffengeschäfts?"

57

Für die Bundesregierung antwortete der Staatssekretär beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Dr. Bernhard Heitzer am 21. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 27):

"Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, die im Zusammenhang mit dem in der Presseberichterstattung genannten Geschäfte stehen könnten. Anderenfalls wären bereits die Strafverfolgungsbehörden unterrichtet worden. Im Übrigen wird auf die Richtlinie der Bundesregierung zur Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung vom 30. Juli 2004 verwiesen."

III.

58

Die Antragsteller begehren die Feststellung, sie seien durch die Antragsgegnerin dadurch in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt worden, dass ihre oben wiedergegebenen Fragen beziehungsweise Nachfragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages vom 6. Juli 2011 und ihre oben wiedergegebenen schriftlichen Fragen durch die Antragsgegnerin nicht beziehungsweise unzureichend beantwortet worden seien.

59

1. Die Antragsteller sehen ihre Anträge als zulässig an. Insbesondere sei die Bundesregierung die richtige Antragsgegnerin. Sie könne nicht etwa auf eine Zuständigkeit des Bundessicherheitsrates verweisen, denn der Informationsanspruch der Abgeordneten und des Gesamtparlaments richte sich nach Maßgabe der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages gegen die Bundesregierung. Außerdem sei der Bundessicherheitsrat ein Ausschuss der Antragsgegnerin und damit Teil derselben.

60

2. Durch die Art der Beantwortung der Fragen habe die Antragsgegnerin sie in ihren verfassungsrechtlichen Rechten verletzt.

61

a) Aus Art. 38 Abs. 1 GG folge ein Informationsanspruch der Abgeordneten, dem hier auch angesichts der Regelung des Art. 26 Abs. 2 GG keine wesentlichen Schranken - etwa durch Geheimhaltungsbedürftigkeit im Hinblick auf den Bundessicherheitsrat als besonderen Entscheidungsträger - gesetzt werden könnten.

62

Art. 26 Abs. 2 GG sei als Verbot mit Befreiungsvorbehalt zu verstehen. Die Genehmigung selbst müsse jeweils unter Berücksichtigung der Ziele des Art. 26 Abs. 1 GG, jede Friedensstörung möglichst weitgehend zu vermeiden, gerechtfertigt werden. Dass Kriegswaffen nach Art. 26 Abs. 2 GG "nur mit Genehmigung der Bundesregierung" in Verkehr gebracht werden dürften, spreche im Zusammenhang mit Art. 62 GG dafür, dass nur die gesamte Bundesregierung im Kabinett eine entsprechende Entscheidung treffen könne. Eine Delegation an ein anderes Gremium sei in höchstem Maße verfassungsrechtlich bedenklich. Jedenfalls müsse die Bundesregierung selbst dann, wenn eine solche Delegation möglich wäre, in vollem Umfang die Verantwortung für die getroffenen Maßnahmen übernehmen.

63

Weil Art. 26 Abs. 2 GG der Bundesregierung eine besondere Verantwortung zuweise und die Ausübung dieser Verantwortung effektiv nur durch das Parlament kontrolliert werden könne, bestehe eine besonders stringente Informationspflicht gegenüber dem Parlament. Andere Kontrollmechanismen seien nur bedingt wirksam. Hinsichtlich der Genehmigungen bestehe im Wesentlichen ein ungebundenes Ermessen mit der Folge besonderer Korruptionsanfälligkeit. Dies zeigten auch die Feststellungen des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages in der 14. Wahlperiode zu Schmiergeld im Zusammenhang mit der Lieferung von Fuchs-Panzern an Saudi-Arabien. Vor dem damaligen Untersuchungsausschuss hätten die Zeugen Dr. Kohl und Genscher öffentlich über den Gang der Beratungen und die Entscheidung im Bundessicherheitsrat detailliert ausgesagt.

64

Das Informationsinteresse der Antragsteller sei vorliegend zudem besonders hoch gewesen. Die Pressemeldungen über den Export von 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien hätten bei vielen Mitgliedern des Deutschen Bundestages und in der Öffentlichkeit zu Unruhe und Empörung geführt, weil die Bundesrepublik die Demokratiebewegungen des "arabischen Frühling(s)" begrüßt und unterstützt habe, gerade die Regierung des Königreichs Saudi-Arabien aber einige Wochen vorher nicht nur Demokraten im eigenen Land unterdrückt und systematisch Menschenrechte verletzt habe, sondern auch in Bahrain mit Panzern eingerückt sei, um zu helfen, die Demokratiebewegung dort blutig niederzuwalzen. Dies sei wiederum von zahlreichen Regierungen und Abgeordneten übereinstimmend verurteilt worden. Gerade die Leopard-Panzer Typ 2 A7 seien besonders ausgerüstet und geeignet für den Einsatz gegen Menschenmengen und für den Straßenkampf.

65

b) Geheimhaltungsgründe, die dem parlamentarischen Informationsrecht entgegenstehen könnten, habe die Antragsgegnerin nicht beziehungsweise nicht substantiiert dargetan. Die Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrats könne einen Geheimhaltungsbedarf nicht bindend gegenüber dem Parlament begründen. Im Übrigen könne und müsse die Geheimhaltung aufgehoben werden, wenn keine hinreichenden Gründe für diese bestünden.

66

Die Antragsgegnerin könne nicht auf die Erfüllung des parlamentarischen Informationsanspruchs durch den jährlichen Rüstungsexportbericht verweisen. Nicht die Antragsgegnerin bestimme, in welcher Weise und wann das Parlament Informationen erhalte, sondern allein das nach den Maßgaben der Geschäftsordnung des Bundestages an sie herangetragene Informationsbegehren.

67

Die Geheimhaltungsbedürftigkeit könne auch nicht mit rechtlich geschützten Interessen der Exporteure begründet werden. Da deren Geschäfte von der Verfassung gerade grundsätzlich missbilligt würden, fehle es an einer verfassungsrechtlich schützenswerten Rechtsposition. Hersteller und Verkäufer von Kriegswaffen müssten ebenso wie Abnehmer mit Rücksicht auf die Friedensverpflichtung aus Art. 26 GG mit einer nur eingeschränkten Geltung von Betriebsgeheimnissen jedenfalls gegenüber dem Parlament rechnen. Dass Saudi-Arabien Interesse am Kauf deutscher Panzer einer bestimmten Firma habe, sei überdies seit Jahren bekannt und kein schützenswertes Betriebsgeheimnis mehr.

68

Einen Schutz des Kernbereichs der Entscheidungsfindung könne die Antragsgegnerin grundsätzlich nur bei laufenden Vorgängen in Anspruch nehmen. Solange sie nicht klar sage, ob und von wem eine Entscheidung überhaupt getroffen worden sei, berufe sie sich nicht substantiiert auf den Kernbereichsschutz. Der Gesichtspunkt der "Aufklärung von Missständen" gebiete zudem vorliegend einen engen Zuschnitt des Kernbereichs auch bei laufenden Vorgängen. Überdies sei der Vorgang bereits mit der politischen Entscheidung des Bundessicherheitsrates und nicht etwa erst mit der Erteilung des Genehmigungsbescheids "abgeschlossen" im Sinne der Kernbereichs-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dies gelte auch bei Voranfragen. Die Fragen der Antragsteller seien zudem gerade nicht auf die Ausforschung der Willensbildung der Regierung gerichtet, sondern wollten nur die Kontrolle von gefällten Entscheidungen ermöglichen. Bei einer gegenüber Volk und Parlament verantwortlichen Regierung verbiete es sich, die öffentliche oder parlamentarische Debatte selbst als Eingriff in den Kernbereich der Regierung oder als "verbotenes Mitregieren" anzusehen.

69

Auf eine Beeinträchtigung des Staatswohls durch eine Offenlegung des "Ob" und der Einzelheiten einer Genehmigungsentscheidung habe sich die Antragsgegnerin bisher hinsichtlich des Rüstungsexportes nach Saudi-Arabien nicht klar berufen. Sollte sie anführen wollen, dass die Offenlegung von Einzelheiten über den Export zur Beeinträchtigung des Verhältnisses zu anderen Staaten führen könne, so stimme dieses Bild nicht mit den Wertungen des Art. 26 Abs. 2 GG überein. Da vor den friedenssichernden Zielen des Art. 26 GG jeder Export rechtfertigungsbedürftig sei und im demokratisch verfassten Deutschland eine Rechtfertigung grundsätzlich öffentlich vor dem Parlament erfolge, könne die Ausübung der Kontrollpflichten des Bundestages das Staatswohl nicht beeinträchtigen.

70

Soweit die Antragsgegnerin nun im Organstreitverfahren auf sicherheits- und verteidigungspolitische Belange verweise, fehle es am konkreten Bezug zu den Fragen. Das sicherheitspolitische Interesse der Bundesrepublik an Panzerlieferungen auf die arabische Halbinsel erschließe sich nicht. Auf die Belastung außenpolitischer Beziehungen durch Bekanntwerden kritischer Bewertungen potentieller Empfängerländer könne sich die Antragsgegnerin schon deshalb nicht berufen, weil im Fall Saudi-Arabien die Menschenrechtslage jährlich durch den Menschenrechtsbericht öffentlich kritisch bewertet werde. Selbst wenn an einzelnen Punkten Geheimhaltungsbedürftigkeit bestehen sollte, hätte die Antragsgegnerin das Parlament vertraulich informieren müssen.

71

Es handle sich auch nicht um unzulässige hypothetische Fragen. Frageziel der Antragsteller sei gewesen zu erfahren, ob eine politische Entscheidung getroffen worden sei und welche Bewertungen dieser Entscheidung zugrunde gelegen hätten. Die Fragen hinsichtlich der Bewertung seien nur deshalb "hypothetisch" gewesen, weil die Antragsgegnerin rechtswidrigerweise schon die Antwort auf das "Ob" verweigert habe.

72

Angesichts der öffentlichen Diskussion dränge sich der Eindruck auf, dass die Antragsgegnerin sich hinter dem Argument der Geheimhaltung verstecke. Die Verfassung berechtige die Antragsgegnerin jedoch nicht zu einer alleinigen Steuerung des gesamten parlamentarischen und öffentlichen Kommunikationsprozesses im Bereich der Rüstungsexporte. Andere Staaten ließen hier mehr Transparenz und parlamentarische Kontrolle zu. Die Antragsgegnerin dürfe nicht den Zeitpunkt einer öffentlichen Debatte beeinflussen und diese fern der politischen Entscheidung halten. Politische Debatten fänden zeitnah zur Entscheidung der Regierung statt.

73

3. Die Antragsteller sind der Ansicht, die Antragsgegnerin habe die Frage, ob die thematisierten Waffenlieferungen von der Bundesregierung genehmigt worden seien, mit dem bloßen Hinweis auf den geheim tagenden Bundessicherheitsrat beantwortet. Fragen zu Einzelheiten der Waffenlieferungen habe sie überhaupt nicht beantwortet. Vielmehr habe sie lediglich allgemeine Erwägungen zu dem Für und Wider von Waffengeschäften unter Bezugnahme auf gesetzliche Regelungen und Rüstungsexportrichtlinien mitgeteilt.

74

a) Hinsichtlich der dringlichen Anfrage des Antragstellers zu 1. (PlenProt 17/119, S. 13807 A) habe die Antragsgegnerin Bezug genommen auf Antworten, die auf die vorangegangene dringliche Frage des Abgeordneten Volker Beck und die dazu gestellten Zusatzfragen gegeben worden seien. Mit dem auf diese Weise in Bezug genommenen Hinweis auf die Geheimhaltung für Sitzungen des Bundessicherheitsrates sei jegliche Antwort darauf verweigert worden, ob überhaupt schon eine Genehmigung für die Panzerlieferung erteilt worden sei. Schon gar nicht sei die Teilfrage beantwortet worden, ob "nützliche Aufwendungen" gezahlt worden seien und wer am Zustandekommen des Kriegswaffengeschäfts beteiligt gewesen sei.

75

Hinsichtlich einer Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. (PlenProt 17/119, S. 13802 D) sei seitens der Antragsgegnerin die Antwort mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit anderer Ressorts verweigert worden. Auch ein Hinweis des Bundestagspräsidenten habe nicht zu einer ergänzenden Antwort geführt. Insbesondere sei die Teilfrage nicht beantwortet worden, ob nach dem Wortlaut der Rüstungsexportrichtlinien eine Lieferung von Kriegswaffen in Länder, in denen fortdauernd und systematisch Menschenrechte verletzt würden, gar nicht in Betracht komme.

76

Hinsichtlich der ersten Nachfrage des Antragstellers zu 1. zu seiner dringlichen Frage (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C) habe die Antragsgegnerin Informationen über den Preis der Leopard-Panzer in Deutschland und darüber, wieviel Saudi-Arabien dafür zahle, vollständig verweigert. Damit bleibe sie eine Antwort auf die implizite Vorfrage, ob ein Export genehmigt worden sei, schuldig.

77

Mit seiner zweiten Nachfrage zu seiner dringlichen Frage (PlenProt 17/119, S. 13807 D, S. 13808 A) habe der Antragsteller zu 1. ersichtlich wiederum Einzelheiten über den Waffenexport zu erfahren versucht. Die Antragsgegnerin habe die Antwort darauf mit dem generellen Hinweis auf ein Offenbarungsverbot umfassend verweigert.

78

Auch die schriftliche Frage des Antragstellers zu 1. nach getroffenen Entscheidungen betreffend die Panzerlieferung, zu deren Verbindlichkeit und Inhalten wie Verkaufspreisen, Lieferbedingungen und Auflagen (Frage 7/193) sei wiederum nicht beantwortet worden.

79

In ihrer Antwort auf die schriftliche Frage 7/84 des Antragstellers zu 1. habe die Bundesregierung verschwiegen, dass in der Zeit vom 26. Juni bis 30. Juli 2011 sehr wohl deutsche Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 A7 auf ihre Klima- und Wüstentauglichkeit unter Beteiligung von Bundeswehrsoldaten getestet worden seien, und zwar in dem Golfstaat Arabische Emirate. Mit ihrer unvollständigen Antwort, die ausschließlich am Wortlaut der Frage orientiert sei, ignoriere die Bundesregierung bewusst den offensichtlichen Sinn und das Ziel der Fragestellung.

80

b) Die dringliche Frage der Antragstellerin zu 2. nach den Gründen der Entscheidung über die Lieferung der Leopard-Panzer (PlenProt 17/119, S. 13810 D) sei nicht beantwortet worden, weil die Antragsgegnerin schon den Mantel des Schweigens darüber decke, ob überhaupt ein Export genehmigt worden sei. Gleiches gelte für beide Zusatzfragen der Antragstellerin zu 2. nach Vorkehrungen und Vertragsbedingungen gegen den Einsatz der Leopard-Panzer zur inneren Repression in Saudi-Arabien (PlenProt 17/119, S. 13811 A) und nach der Rolle beschäftigungs- und industriepolitischer Gründe bei der Entscheidung (PlenProt 17/119, S. 13803 D).

81

Die schriftliche Anfrage 7/132 nach der Genehmigung des Verkaufs von Panzern und Rüstungsgütern nach Algerien und den Gründen dafür sei mit dem bloßen Hinweis auf die Geheimhaltung von Entscheidungen des Bundessicherheitsrates überhaupt nicht beantwortet worden.

82

c) Die Zusatzfrage der Antragstellerin zu 3. nach der Konsultation von Israel und den USA vor der Entscheidung über den Verkauf der Panzer an Saudi-Arabien (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B) sei wiederum im Kern allein mit der Begründung nicht beantwortet worden, dass schon das "Ob" der Entscheidung geheim sei.

83

Die Antragsgegnerin habe auch nicht die Frage beantwortet, ob Entwicklungshilfe an Saudi-Arabien nicht gewährt werden könne, weil Homosexualität dort verfolgt werde, während Panzer geliefert werden könnten (PlenProt 17/119, S. 13814 B).

84

Die Antwort auf die konkret gestellte schriftliche Frage Nr. 7/174 der Antragstellerin zu 3. nach der Begründung der Panzerlieferung an Saudi-Arabien werde mit Verweis auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit verweigert, weil die Antragsgegnerin wiederum schon die Vorfrage, ob ein Export genehmigt worden sei, nicht beantworten wolle.

85

Hinsichtlich der schriftlichen Frage Nr. 7/175 der Antragstellerin zu 3. habe die Antragsgegnerin eine Frage beantwortet, die gar nicht gestellt worden sei, nämlich nach "gesetzeswidrigen Zahlungen". Gefragt gewesen sei nach "nützlichen Aufwendungen", die nicht gesetzeswidrig sein müssten und die bis 1999 steuerabzugsfähig gewesen seien. Den letzten Frageteil nach "Vermittlern, Unterstützern in der Bundesregierung und Nutznießern des Waffengeschäfts" habe die Antragsgegnerin vollkommen ignoriert.

IV.

86

Nach Auffassung der Antragsgegnerin haben die Anträge keine Aussicht auf Erfolg.

87

1. Die Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs in Form der Geheimhaltungsbedürftigkeit und des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung würden durch Art. 26 Abs. 2 GG nicht relativiert. Ob es sich bei Art. 26 Abs. 2 GG um ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt handle, sei zweifelhaft. Die Einbindung des Bundessicherheitsrates, dessen Entscheidungen lediglich politische, nicht aber rechtliche Verbindlichkeit zukomme, sei rechtlich unbedenklicher Ausdruck der Organisationskompetenz der Antragsgegnerin. Jedenfalls begründe aber die grundgesetzliche Sensibilität gegenüber dem Umgang mit Kriegswaffen, die in Art. 26 GG zum Ausdruck komme, keine herausgehobene Stellung des Parlaments und damit auch keine gesteigerten Informationsrechte. Die Norm schaffe keinen Entscheidungsverband von Parlament und Regierung, sondern weise im Gegenteil gerade der Bundesregierung eine bedeutende Rolle zu. Der Verweis auf fehlende gerichtliche Kontrolle und Korruptionsgefahr sei nicht ausschlaggebend, da die Antragsgegnerin ihre Rüstungsexportpolitik einmal im Jahr im Rüstungsexportbericht offenlege.

88

Die Geheimhaltungsbedürftigkeit der Sitzungen des Bundessicherheitsrates gründe in dem Schutz der Integrität der Bundesrepublik Deutschland, der Länder und des Kabinetts in sicherheits- und verteidigungspolitischen Belangen sowie dem Schutz der Beziehungen Deutschlands zu möglichen Empfängerländern. Ferner gehe es um die grundsätzlich schutzwürdigen Belange anderer Staaten und um die Wahrung von Betriebsgeheimnissen der jeweiligen Rüstungsunternehmen. Diese Gründe stünden auch der Veröffentlichung des "Ob" einer Sitzung, von deren Ergebnissen und ihrer Begründung entgegen. Insbesondere kritische Bewertungen potentieller Empfängerländer seitens des Bundessicherheitsrates würden im Fall des Publikwerdens regelmäßig die außenpolitischen Beziehungen der Bundesrepublik zu diesen Ländern belasten. Außerdem könnten sie Rückschlüsse auf die Informationsquelle zulassen und damit die schutzwürdigen Interessen Dritter beeinträchtigen. Aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin sich in ihren Menschenrechtsberichten kritisch zur Menschenrechtslage in einzelnen Ländern äußere, folge nicht, dass eine öffentliche Debatte über konkrete Exportgenehmigungsentscheidungen die außen-, sicherheits- und verteidigungspolitischen Belange der Bundesrepublik nicht beeinträchtigen könnte. Das Bestreben, im diplomatischen Kontakt auf eine Verbesserung der Menschenrechtslage hinzuwirken, würde konterkariert, wenn die betroffenen Staaten in öffentlicher Debatte in verletzender Weise kritisiert würden. Auch in anderen europäischen Ländern finde keine direkte Mitwirkung der Parlamente an konkreten Ausfuhrentscheidungen statt. Dem Bundestag stehe es frei, sich kritisch zu möglichen Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien zu äußern und die Antragsgegnerin zu einem entsprechenden Genehmigungsverhalten aufzufordern. Die Antragsgegnerin sei allerdings nicht verpflichtet, hierfür die begehrten Informationen und Bewertungen beizusteuern.

89

Schließlich seien gerade bei den vom Bundessicherheitsrat zu entscheidenden besonders sensiblen Einzelfällen verfassungsrechtlich geschützte Geschäftsgeheimnisse gefährdet, da die betroffenen Unternehmen regelmäßig schon in einem sehr frühen Stadium der Geschäftsanbahnung eine Voranfrage stellten. In diesem Stadium könnte ein Bekanntwerden der Geschäftsabsichten jedoch Konkurrenten auf die Geschäftsgelegenheit hinweisen und potentiellen Gegnern die Gelegenheit geben, frühzeitig Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Diese Erwägungen hätten im Grundsatz auch für Anträge auf Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen Geltung. Deshalb erfolgten Mitteilungen über erteilte Ausfuhrgenehmigungen auch im Rüstungsexportbericht grundsätzlich in anonymisierter Form (Umschreibung des ausgeführten Guts und Nennung von Wert und Empfängerland). Auch dort, wo Gerüchte über Geschäfte kursierten oder potentielle Abnehmer ihr Erwerbsinteresse öffentlich bekundeten, würde eine Bestätigung den Informationen den "Stempel des Offiziellen" geben und damit in Geschäftsgeheimnisse eingreifen. Es sei auch nicht anzunehmen, dass bereits die Überschaubarkeit des jeweiligen Marktes einer Annahme von Geschäftsgeheimnissen entgegenstehe.

90

Dem Begehren der Antragsteller nach zeitnaher Information zu Entscheidungen des Bundessicherheitsrates stehe ferner der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung entgegen. Eine Offenbarung des Sitzungsverlaufs im Bundessicherheitsrat komme grundsätzlich zu keinem Zeitpunkt in Betracht, weil andernfalls "einengende Vorwirkungen" wegen nachträglich zu erwartender Kontrolle zu gewärtigen wären. Eine gerade in Sicherheitsfragen existentielle Vertraulichkeit des Austausches unter Regierungsmitgliedern wäre dann nicht mehr gewährleistet. Die Bundessicherheitsratsentscheidung sei dem rein regierungsinternen Bereich der Willensbildung zuzurechnen. Bis zur Umsetzung der Entscheidungen des Bundessicherheitsrates durch Bescheide gegenüber den antragstellenden Unternehmen handle es sich noch um einen laufenden Vorgang. Auch nach diesem Zeitpunkt würde eine Information des Parlaments aber zu einem unzulässigen "Mitregieren" führen. Durch eine unmittelbar bevorstehende öffentliche Diskussion entstünde erheblicher Druck auf die Mitglieder des Bundessicherheitsrates. Ihre Entscheidungsfindung wäre beeinträchtigt, weil sie davon ausgehen müssten, sich einerseits kurzfristig für die getroffene Entscheidung öffentlich rechtfertigen zu müssen, sich andererseits aber aus objektiven Geheimhaltungsgründen nicht umfassend und sachgerecht äußern zu können und der Kritik weitgehend schutzlos ausgeliefert zu sein. Dies würde dazu führen, dass sachgerechte, aber objektiv geheimhaltungsbedürftige Aspekte bei der Entscheidungsfindung unberücksichtigt blieben. Auch in der mit einem frühen Bekanntwerden einhergehenden De-facto-Vereitelung eines Rüstungsgeschäfts aufgrund der Information von Konkurrenten oder des Rückzugs des potentiellen Vertragspartners liege ein unzulässiges Mitregieren in Form eines unmittelbaren Einflusses des Parlaments auf die Regierungsentscheidung. Eine Veröffentlichung nach Maßgabe der Geheimschutzordnung des Bundestages könne diese Folgen nicht verhindern. In ihrem innersten Bereich müsse die Regierung selbst dann keine parlamentarische Beteiligung dulden, wenn das Parlament besonderen Verschwiegenheitspflichten unterliege.

91

Ein Informationsanspruch des Parlaments komme nur mit zunehmendem zeitlichen Abstand in Betracht. Die Sensibilität der Informationen nehme ebenso wie das "Vereitelungspotential" des Parlaments kontinuierlich ab. Bezüglich des angemessenen Zeitpunkts der Unterrichtung habe die Antragsgegnerin einen Einschätzungsspielraum. Die Entscheidung, das Parlament über Genehmigungen grundsätzlich erst mit dem Rüstungsexportbericht im darauf folgenden Jahr zu unterrichten, sei weder willkürlich noch anderweitig sachwidrig. Die pauschalierte Handhabung gewähre vielmehr den Abgeordneten wie den betroffenen Unternehmen Rechtssicherheit. Die nachträgliche parlamentarische Kontrolle werde dadurch nicht substantiell geschmälert, sie sei nicht auf tagesaktuelle Information angewiesen.

92

Da diese Handhabung zwischen Parlament und Regierung seit langem üblich sei, habe die Darlegung der Antragsgegnerin in der Fragestunde auch den Begründungsanforderungen genügt. Ihre Stellungnahme sei mündlich und im Wechsel von Rede und Gegenrede erfolgt, die Anforderungen an die Substantiierung dürften daher nicht überspannt werden.

93

Nur Fragen mit Realitätsbezug könnten eine Antwortpflicht der Antragsgegnerin begründen. Zum Anstellen hypothetischer Überlegungen sei sie nicht verpflichtet, da eine zwangsläufig fiktionale Antwort weder ein Wissensdefizit eines Abgeordneten beseitige noch zur Kontrolle der Regierung beitrage. Die Antragsgegnerin treffe auch keine Pflicht zur Bewertung politisch relevanter Sachverhalte. Meinungen, Bewertungen und subjektive Stellungnahmen müsse die Regierung nicht artikulieren, soweit sie nicht notwendig mit der Mitteilung von Sachinformationen verbunden seien; zumindest müsse sie sich keine Meinung bilden.

94

2. Die Antragsgegnerin habe danach mit den gerügten Antworten keine Rechte der Antragsteller verletzt.

95

a) Hinsichtlich der vom Antragsteller zu 1. gerügten Antwort auf die schriftliche Frage 7/84 - "Test der Klima- und Wüstentauglichkeit" - sei klarstellend zu ergänzen, dass das Verteidigungsministerium auf konkrete Nachfrage der Presse bereitwillig mitgeteilt habe, dass Personal der Bundeswehr an einer technischen Erprobung des Kampfpanzers Leopard 2 in den Vereinigten Arabischen Emiraten beteiligt sei. Erst als der Antragsteller zu 1. daraufhin die Beantwortung der Frage 7/84 als unangemessen gerügt habe, sei der Antragsgegnerin verdeutlicht worden, dass die Frage nicht ausschließlich auf Saudi-Arabien, welches zum damaligen Zeitpunkt allein im Fokus der öffentlichen Debatte gestanden habe, gezielt habe. Sie habe mit Schreiben vom 27. September 2011 dem Antragsteller zu 1. gegenüber dann die Auskunft zu Erprobungen von Kampfpanzern in den Vereinigten Arabischen Emiraten erteilt und gesondert darauf hingewiesen, dass diese Erprobung in keinem Zusammenhang mit möglichen Lieferungen in das Königreich Saudi-Arabien stehe.

96

Die schriftliche Frage 7/193 ziele direkt auf die Aufklärung, ob eine Exportgenehmigung erteilt worden sei. Diesbezügliche Entscheidungen dürften aus den dargelegten Gründen geheim gehalten werden.

97

Soweit weitere Fragen implizit die Vorfrage nach der Genehmigung entsprechender Exporte nach Saudi-Arabien enthielten, dürfe die Antragsgegnerin auch diese unbeantwortet lassen. Dies gelte etwa für die Frage nach den Kosten der Panzer (PlenProt 17/119, S. 13807). Die Antragsgegnerin könne sich darauf beschränken, die Geheimhaltungsbedürftigkeit zu begründen. Dies sei mehrfach ausführlich getan worden, obwohl allen Beteiligten die gebräuchliche Praxis bekannt gewesen sei. Die Frage nach "nützlichen Aufwendungen" sei ersichtlich beantwortet worden. Die (Nach-)Frage PlenProt 17/119, S. 13802 habe einen hypothetischen Kern und sei konkret nicht sinnvoll beantwortbar. Angesichts des von den Rüstungsexportrichtlinien eröffneten Beurteilungsspielraums und des komplexen Abwägungsprozesses im Einzelfall lasse sie sich nur auf die erfolgte allgemeine Weise beantworten.

98

Die schriftliche Frage 7/84 zum Test der Klima- und Wüstentauglichkeit sei vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet worden. Die Antragsgegnerin habe nicht etwa eine erkennbare Intention der Frage ignoriert. Wenn sie Fragen zum Anlass nehmen müsste, beliebige Informationen zusammenzutragen, die für den Abgeordneten womöglich gleichfalls von Interesse sein könnten, würde der Antragsgegnerin eine "kurze" (GO-BT, Anlage 4, Ziff. 1) Beantwortung von Fragen unmöglich gemacht. Sobald deutlich geworden sei, dass der Antragsteller die Frage nicht ausschließlich auf Saudi-Arabien beschränkt verstanden wissen wollte, seien ihm unverzüglich weitere Informationen mitgeteilt worden.

99

b) Die Fragen PlenProt 17/119, S. 13811 ("Lieferung") und S. 13803 f. ("beschäftigungspolitische Gründe") zielten direkt auf die Aufklärung, ob eine Genehmigung erfolgt sei, und hätten daher nicht beantwortet werden müssen. Eine Begründung hierfür sei während der Debatte mehrfach gegeben worden und habe nicht wiederholt werden müssen. Gleiches gelte für die auf Aufklärung zielende Frage 7/132, ob eine Genehmigung eines Exports nach Algerien erfolgt sei. Auch auf die Frage PlenProt 17/119, S. 13811 zu Bemühungen, einen Missbrauch von Panzern zu verhindern, hätte nur eingegangen werden können, wenn zur Frage der Genehmigung Stellung bezogen worden wäre.

100

c) Die Frage PlenProt 17/119, S. 13804 ("Zustimmung Israel/USA") ziele unmittelbar auf den Vorbereitungsprozess einer Genehmigung, der ebenfalls Bestandteil des Geheimnisschutzes sei. Bei der Frage PlenProt 17/119, S. 13814 ("Entwicklungshilfe/Homosexualität") handle es sich um eine hypothetische Frage, für welche keine Antwortpflicht bestanden habe. Die schriftliche Frage 7/174 ziele direkt auf Aufklärung, ob eine Genehmigung erfolgt sei; diesbezügliche Entscheidungen dürften (vorerst) geheim gehalten werden. Die Frage 7/175 zu "nützlichen Aufwendungen" sei beantwortet worden. Da "nützliche Aufwendungen" seit 1999 nicht mehr steuerlich abzugsfähig seien, verstehe sich die Frage als Frage nach rechtswidrigen Mitteln. Überdies ziele sie auch darauf, ob überhaupt eine Genehmigung erfolgt sei, und habe deshalb nicht beantwortet werden müssen.

101

3. Zur Bindungswirkung der Entscheidungen des Bundessicherheitsrates führte die Antragsgegnerin auf Anfrage ergänzend aus, der Bundessicherheitsrat lasse die verfassungsrechtlichen Entscheidungsbefugnisse des Art. 65 GG unberührt. Rechtlich seien seine Entscheidungen als Empfehlungen zu verstehen, auch wenn sie faktisch häufig als maßgebliche Richtschnur behandelt würden. Der Ausschuss unterstütze den zuständigen Bundesminister, indem er ihm vermittle, ob dessen Entscheidung politisch mitgetragen werde. Beschlüsse des Bundessicherheitsrates über Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung würden den zuständigen Genehmigungsbehörden mittels eines Ergebnisprotokolls der Sitzung des Bundessicherheitsrates mitgeteilt. Die Genehmigungsbehörden setzten die Beschlüsse, an welche sie politisch, aber nicht rechtlich gebunden seien, anschließend um. Nach der Befassung des Bundessicherheitsrates werde keine zusätzliche Kabinettsentscheidung herbeigeführt. Dies gelte auch für Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz und Ausfuhrgenehmigungen nach dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung.

Antworten auf Voranfragen wegen der beabsichtigten Ausfuhr von Kriegswaffen komme keine rechtliche Bindungswirkung für die spätere Entscheidung über einen Genehmigungsantrag zu. Es handele sich vielmehr um eine schlichte Auskunft, ob das geplante Vorhaben nach der zur Zeit der Beantwortung bestehenden Sachlage grundsätzlich genehmigungsfähig sei. Rechtlich verpflichtet sei der Bundessicherheitsrat aber auch bei unveränderter Sachlage nicht, die Genehmigungsfähigkeit bei einer Genehmigungsentscheidung über den Export von Kriegswaffen genauso zu beurteilen wie bei einer vorangegangenen Voranfrage. Dies gelte auch bei einer grundlegend neuen politischen Bewertung durch den Bundessicherheitsrat, da diese regelmäßig auf einer Änderung der außen- und sicherheitspolitischen Gesamtlage beruhe und daher als Änderung der Sachlage anzusehen sei.

V.

102

Als sachkundige Dritte haben der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. und die Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co. KG schriftlich Stellung genommen. Diese haben ausgeführt, dass Voranfragen zur Genehmigungsfähigkeit regelmäßig bereits in einer frühen Phase der Anbahnung eines Rüstungsexportgeschäfts gestellt würden. Bei positiver Bescheidung schließe sich eine Akquisitionsphase an, die Monate oder auch Jahre andauern könne und oftmals sehr kostenträchtig sei. So beliefen sich allein die Kosten für die Vorführung eines Kampfpanzers vom Typ Leopard 2 im Ausland typischerweise auf über zwei Millionen Euro. Die potentiellen Vertragspartner, bei denen es sich zumeist um Staaten handele, bestünden regelmäßig darauf, dass ihr Interesse an Rüstungsgütern vertraulich behandelt werde. Erst recht werde Vertraulichkeit hinsichtlich der Details der Vertragsverhandlungen erwartet. Auch die sodann abgeschlossenen Kaufverträge enthielten nahezu ausnahmslos Vertraulichkeitsvereinbarungen hinsichtlich des Vertrages und seines Inhaltes. Durch eine frühzeitige Information der Öffentlichkeit über schwebende Vertragsverhandlungen würden derartige Geschäfte praktisch vereitelt. Dies gelte insbesondere im Falle einer Offenlegung gestellter oder beschiedener Voranfragen gegenüber dem Parlament, zumal in diesem Stadium der entsprechende Kaufvertrag im Regelfall noch nicht geschlossen sei.

VI.

103

In der mündlichen Verhandlung hat der Bundesminister des Innern für die Bundesregierung Stellung genommen und die Verfahrensabläufe im Bundessicherheitsrat erläutert. Ergänzend hat er mitgeteilt, dass die Bundesregierung beabsichtige, Parlament und Öffentlichkeit künftig zeitnäher über Genehmigungsentscheidungen zu informieren. Der Rüstungsexportbericht solle jeweils vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause statt zum Ende des Folgejahres erscheinen. Zudem werde es einen Zwischenbericht für das erste Halbjahr des laufenden Jahres im jeweiligen Herbst geben. Über abschließende Genehmigungen des Bundessicherheitsrates werde der Bundestag künftig unverzüglich, spätestens zwei Wochen nach der Tagung des Bundessicherheitsrates schriftlich informiert.

B.

104

Die Anträge des Antragstellers zu 1. sind hinsichtlich der Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13802 D) und der dringlichen Frage (PlenProt 17/119, S. 13807 A) teilweise und hinsichtlich der weiteren Zusatzfragen (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C) sowie der schriftlichen Frage 7/193 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) vollumfänglich zulässig. Die Anträge der Antragstellerin zu 2. sind insgesamt zulässig, die der Antragstellerin zu 3. hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/175 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 27) teilweise und hinsichtlich der beiden Zusatzfragen (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B und PlenProt 17/119, S. 13814 B) sowie der schriftlichen Frage 7/174 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 26) vollumfänglich zulässig. Im Übrigen sind die Anträge unzulässig.

I.

105

1. Die Parteifähigkeit der Antragsteller als Abgeordnete des Deutschen Bundestages folgt aus Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG. Dem Abgeordneten kommt gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ein eigener verfassungsrechtlicher Status zu, der im Organstreitverfahren gegenüber anderen Verfassungsorganen verteidigt werden kann (BVerfGE 108, 251<270>; 124, 161 <184>; stRspr).

106

2. Die Anträge beziehen sich auf taugliche Antragsgegenstände. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG kann Antragsgegenstand im Organstreitverfahren sowohl eine Maßnahme als auch ein Unterlassen sein. Es kommt somit nicht darauf an, ob es sich bei den gerügten Antworten der Antragsgegnerin jeweils um eine Maßnahme in Form der Verweigerung einer hinreichenden Antwort oder um ein Unterlassen in Form einer pflichtwidrigen Nichtbeantwortung oder einer nicht hinreichenden Beantwortung der jeweiligen Anfrage handelt. Die Antwortverweigerung, die schlichte Nichtbeantwortung und die nicht hinreichende Beantwortung der Anfragen der Antragsteller können diese konkret in ihrem jeweiligen Rechtskreis aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG betreffen. Somit sind die Maßnahmen oder Unterlassungen auch rechtserheblich (vgl. BVerfGE 96, 264 <277>; 103, 81 <86>; 104, 310 <324>).

107

3. Die Anträge der Antragstellerin zu 3. sind berichtigend dahin auszulegen, dass Antragsgegenstand unter anderem die Nichtbeantwortung beziehungsweise unzureichende Beantwortung der unter Sitzungsprotokoll S. 13814 anstatt "S. 13841" protokollierten Nachfrage und der schriftlichen Frage 175 anstatt "715" sind. Die offensichtliche Unrichtigkeit der Bezeichnungen ergibt sich aus der Antragsbegründung.

II.

108

1. Die Antragsteller sind hinsichtlich des überwiegenden Teils der Antragsgegenstände antragsbefugt. Sie beanstanden eine Reaktion der Antragsgegnerin auf an diese gerichtete parlamentarische Anfragen und berufen sich auf Rechte, die sich unmittelbar aus dem Grundgesetz selbst ergeben. Ein die Antragsteller einerseits und die Antragsgegnerin andererseits umschließendes Verfassungsrechtsverhältnis (vgl. etwa BVerfGE 1, 208 <221>; 84, 290 <297>; 124, 161 <185>) liegt vor. Das - fristgerecht eingeleitete - Organstreitverfahren betrifft die Reichweite des aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Fragerechts des Abgeordneten und der grundsätzlichen Verpflichtung der Bundesregierung, auf dessen Fragen Rede und Antwort zu stehen (vgl. BVerfGE 124, 161 <185> m.w.N.). Es kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin eigene Rechte der Antragsteller, die aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten erwachsen, verletzt (vgl. BVerfGE 94, 351 <362 f.>; 112, 363 <365>). Es erscheint möglich, dass die Antragsgegnerin durch ihre Antworten einen Informationsanspruch der Antragsteller aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG in unzulässiger Weise verkürzt hat. Die Antragsteller haben hinreichend dargelegt, dass sie durch das angegriffene Verhalten der Antragsgegnerin in Rechten verletzt sein können, die ihnen durch das Grundgesetz übertragen worden sind. Eine Verletzung der Rechte der Antragsteller scheidet insbesondere nicht deswegen von vornherein aus, weil die Bundesregierung deren Auskunftsansprüche bereits durch die regelmäßige Veröffentlichung von Rüstungsexportberichten erfüllt. Ob und inwieweit diese ausreichen, um das berechtigte parlamentarische Informationsinteresse zu befriedigen, bedarf vielmehr der Prüfung im Einzelnen (siehe hierzu Rn. 203 ff.).

109

a) Hinsichtlich der Teilfrage der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13802 D zu der Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien könnte die Antragsgegnerin Informationsrechte des Antragstellers zu 1. verletzt haben, wenn sie unzutreffende Beschränkungen ihrer Antwortpflicht aufgrund des Ressortprinzips angenommen hätte.

110

Hinsichtlich der Teilfrage der dringlichen Frage des Antragstellers zu 1. nach PlenProt 17/119, S. 13807 A in Bezug auf Vermittler, Unterstützer und Nutznießer des Panzergeschäfts mit Saudi-Arabien könnte sich eine Rechtsverletzung aus der Verweigerung einer Sachantwort unter Verkennung der Reichweite des parlamentarischen Informationsanspruchs oder aus einer unzureichenden Begründung der Antwortverweigerung ergeben.

111

Hinsichtlich der Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. nach PlenProt 17/119, S. 13807 B, C zum Unterschiedsbetrag zwischen dem Kaufpreis der Panzer in Deutschland und in Saudi-Arabien liegt eine mögliche Rechtsverletzung zwar nicht darin, dass auf die "implizite Vorfrage" nach der Genehmigung eines Panzerexports nicht unmittelbar eingegangen wurde. Eine Antwortplicht kommt nur hinsichtlich tatsächlich gestellter Fragen in Betracht. Eine Rechtsverletzung könnte sich aber durch das möglicherweise nicht gerechtfertigte oder nicht hinreichend begründete Unterlassen einer Sachantwort auf die Frage nach dem Unterschiedsbetrag hinsichtlich der Kaufpreise ergeben.

112

Hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/193 des Antragstellers zu 1. vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) besteht die Möglichkeit einer Rechtsverletzung wegen Verkennung der Reichweite des parlamentarischen Informationsanspruchs. Die Frage, welche Angaben die Antragsgegnerin zu getroffenen Entscheidungen bezüglich der Lieferung von 200 Panzern "LEO" nach Saudi-Arabien macht, richtete sich nach ihrem Zusammenhang auch auf Einzelheiten des konkreten Geschäfts. Dies folgt auch aus der Teilfrage, wie die Antragsgegnerin diese Entscheidungen rechtfertige. Die so verstandene Frage hat die Antragsgegnerin nicht beantwortet.

113

b) Gleiches gilt für die dringliche Frage der Antragstellerin zu 2. (PlenProt 17/119, S.13810 D) danach, welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe die Antragsgegnerin für die Genehmigung der Panzerlieferungen anführe und wie sie deren Vereinbarkeit mit einzelnen Kriterien des EU-Kodexes für Waffenausfuhren bewerte, sowie für ihre Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13811 A) danach, wie die Antragsgegnerin ausschließe, dass die für Saudi-Arabien genehmigten Rüstungsexportgüter zu innerer Repression genutzt würden.

114

In Bezug auf die Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13803 D, ob ausgeschlossen werden könne, dass bei der Entscheidung beschäftigungs- oder industriepolitische Gründe eine Rolle gespielt hätten, ist die Antragstellerin zu 2. ebenfalls antragsbefugt. Die Antragsgegnerin gibt zwar an, dass solche Gründe nachrangig eine Rolle spielen könnten. Sie macht jedoch keine Angaben zum konkreten Geschäft und verletzt damit möglicherweise unter Verkennung der Reichweite des Auskunftsrechts der Abgeordneten Rechte der Antragstellerin zu 2.

115

Antragsbefugt ist die Antragstellerin zu 2. auch hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/132 (BTDrucks 17/6658, S. 24) danach, wann die Antragsgegnerin den Verkauf bestimmter Rüstungsgüter nach Algerien genehmigt habe und welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe sie für die Genehmigung anführe. Die Frage zielte mit der Formulierung "besonderen ... Gründe" ersichtlich auf den Einzelfall. Die Ausführungen der Antragsgegnerin zu den allgemein bei der Entscheidung über Rüstungsexporte nach Algerien zu berücksichtigenden Aspekten beantworten diese Frage nicht.

116

c) Die Antragstellerin zu 3. ist hinsichtlich der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13804 A, B antragsbefugt. Die Frage, ob es stimme, dass die Zustimmung Israels und der USA eingeholt und erteilt worden sei, wurde - möglicherweise unter Verkennung des Auskunftsrechts - in der Sache nicht beantwortet. Auf diese Teilfrage beschränkt sich die Rüge der Antragstellerin zu 3. Die Teilfrage nach der universellen Gültigkeit von Menschenrechten ist nicht Streitgegenstand.

117

Die Antragsbefugnis besteht auch hinsichtlich der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13814 B. Mit dieser Frage wollte die Antragstellerin zu 3. ersichtlich einen Widerspruch in der Haltung der Antragsgegnerin in den Bereichen Entwicklungshilfe und Rüstungsexporte nachweisen. Eine Rechtsverletzung kann darin liegen, dass für eine vollständige Sachantwort möglicherweise eine Gegenüberstellung der jeweiligen Kriterien erforderlich gewesen wäre.

118

Hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/174 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 26) ist die Antragstellerin zu 3. ebenfalls antragsbefugt. Die Frage bezieht sich auf die Begründung der getroffenen Entscheidungen über die Lieferung von Panzern. Da konkret nach "getroffenen" Entscheidungen gefragt war, beantworten die allgemeinen Ausführungen der Antragsgegnerin zu Entscheidungen auf Grundlage der Richtlinien und zur besonderen Bedeutung der Menschenrechte die Frage nicht vollständig. Die Antragsgegnerin hat eine Stellungnahme zum konkreten Geschäft unter Hinweis auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit abgelehnt und damit möglicherweise unter Verkennung des Auskunftsrechts Rechte der Antragstellerin zu 3. verletzt.

119

Auch die Teilfrage der schriftlichen Frage 7/175 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 27) nach Vermittlern, Unterstützern in der Bundesregierung und Nutznießern des Geschäfts wurde nicht beantwortet.

120

2. Hinsichtlich einzelner vom Antragsteller zu 1. und der Antragstellerin zu 3. gestellter Fragen fehlt es an der Antragsbefugnis, weil eine Rechtsverletzung von vornherein ausgeschlossen werden kann.

121

a) Dem Antragsteller zu 1. fehlt es hinsichtlich einer Teilfrage der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13802 D, einer Teilfrage der dringlichen Frage nach PlenProt 17/119, S. 13807 A, der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13807 D und der schriftlichen Frage 7/84 vom 8. Juli 2011 an der Antragsbefugnis. Insoweit kann ausgeschlossen werden, dass das Antwortverhalten der Antragsgegnerin eigene Rechte des Antragstellers zu 1. verletzt haben könnte.

122

Soweit die Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13802 D darauf gerichtet war, ob bei der geschilderten Menschenrechtslage in Saudi-Arabien nach den Richtlinien für Rüstungsexporte Genehmigungen nicht in Betracht kämen, ist sie hinreichend beantwortet worden. Die Antragsgegnerin hat angegeben, dass die Menschenrechtslage im Rahmen eines Abwägungsprozesses zu berücksichtigen sei. Damit hat sie den Standpunkt zum Ausdruck gebracht, dass die Menschenrechtslage als solche eine Genehmigung nicht in jedem Fall ausschließt.

123

Soweit sich die dringliche Frage nach PlenProt 17/119, S. 13807 A auf "nützliche Aufwendungen" beim Zustandekommen des Panzergeschäfts bezog, ist sie mit der Angabe der Antragsgegnerin, ihr lägen keinerlei Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, hinreichend beantwortet worden. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin die Frage zu eng auslegt, wenn sie "nützliche Aufwendungen" als "gesetzeswidrige Zahlungen" versteht. Das Verständnis "nützlicher Aufwendungen" als Bestechungsgelder und damit gesetzeswidrige Zahlungen (§§ 331 ff. StGB) steht nicht in Widerspruch zum allgemeinen Sprachgebrauch. Auch der Antragsteller zu 1. selbst gebraucht den Begriff in diesem Sinne, etwa in der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13807 B, C ("sogenannte nützliche Aufwendungen, das heißt Bestechungsgelder").

124

Auch die Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13807 D danach, ob die Antragsgegnerin bereit sei, über die Einzelheiten des Geschäfts Auskunft zu geben, oder ob die Antwort weiter in verfassungswidriger Weise verweigert werde, wurde beantwortet. Mit ihrer Antwort hat die Antragsgegnerin klar zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht bereit sei, über Einzelheiten des Geschäfts Auskunft zu geben, und den Vorwurf der Verfassungswidrigkeit zurückgewiesen. Die Argumentation des Antragstellers zu 1., er habe "ersichtlich" Einzelheiten über den Waffenexport zu erfahren versucht und insoweit keine Antwort erhalten, macht die Möglichkeit einer Rechtsverletzung nicht plausibel. Die Frage lässt sich in dem von der Antragsgegnerin zugrunde gelegten Sinn verstehen. Wollte der Antragsteller zu 1. sie nicht so verstanden wissen, so hätte es ihm oblegen, sie von vornherein anders zu formulieren oder ihren Sinn durch eine entsprechende Nachfrage klarzustellen.

125

Entsprechendes gilt hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/84 vom 8. Juli 2011, inwieweit es zutreffe, dass die Bundeswehr Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien schicken und dort testen wolle, und wie dieses Vorhaben im Zusammenhang mit dem offenbar genehmigten Verkauf stehe. Die Korrektheit der Antwort der Antragsgegnerin, dass Leopard-Panzer weder von der Bundeswehr selbst noch durch Beauftragte in Saudi-Arabien getestet würden, zieht der Antragsteller zu 1. nicht in Zweifel. Er rügt vielmehr, die Antragsgegnerin habe Tests in den Arabischen Emiraten verschwiegen und damit bewusst das offensichtliche Ziel der Fragestellung ignoriert. Dass die Antragsgegnerin die Frage pflichtwidrig zu eng ausgelegt hätte, ist jedoch nicht ersichtlich. Vom Fragesteller kann eine sorgfältige Formulierung seiner Fragen erwartet werden. Daher ist bei der Auslegung einer parlamentarischen Anfrage zunächst vom Wortlaut und dem Zusammenhang auszugehen, in den die Frage ausdrücklich gestellt ist (vgl. BVerfGE 110, 199 <213>). Wo allerdings Ungenauigkeiten bei der Formulierung der Frage erkennbar aus einem Informationsdefizit des Fragestellers resultieren, ist bei der Beantwortung dem dahinter stehenden Informationsbedürfnis so weit wie möglich Rechnung zu tragen. Vorliegend hat die Antragsgegnerin die Frage ihrem Wortlaut entsprechend beantwortet, ohne dabei ein erkennbares Informationsbedürfnis des Fragestellers außer Acht zu lassen. Zwar könnte die Bezugnahme auf nur gerüchteweise bekannte Äußerungen bei einer bestimmten Veranstaltung auf ein Informationsdefizit des Antragstellers zu 1. hinweisen, welches für eine großzügigere Auslegung der Frage hätte sprechen können. Da die Frage aber im Kontext der Diskussion über Lieferung von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien erfolgt ist und der Test des Leopard-Panzers in den Vereinigten Arabischen Emiraten nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Antragsgegnerin mit einem solchen etwaigen Rüstungsgeschäft nicht in Zusammenhang stand, bestand für die Antragsgegnerin kein hinreichender Anlass, die Frage über den Wortlaut hinaus zu verstehen.

126

b) Der Antragstellerin zu 3. fehlt die Antragsbefugnis im Hinblick auf ihre schriftliche Frage 7/175 (BTDrucks 17/6658, S. 27), soweit sie sich darin nach "nützliche[n] Aufwendungen" erkundigt. Mit der Angabe der Antragsgegnerin, es lägen ihr keine Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, ist die Frage hinreichend beantwortet worden. Auch hier durfte die Antragsgegnerin "nützliche Aufwendungen" als "gesetzeswidrige Zahlungen" verstehen.

III.

127

Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller in Bezug auf die Fragen zu Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien besteht fort. Es wird insbesondere nicht dadurch beseitigt, dass die Antragsgegnerin angekündigt hat, ihre Berichtspraxis zu ändern und den Deutschen Bundestag binnen zwei Wochen über Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates zu informieren, denn die Antragsgegnerin stellt die streitige Verpflichtung zur Beantwortung von Anfragen zu Entscheidungen des Bundessicherheitsrates im hiesigen Verfahren weiterhin in Abrede. Außerdem betrifft die beabsichtigte zeitnahe Information des Deutschen Bundestages nur erteilte Genehmigungen und nicht auch Entscheidungen des Bundessicherheitsrates über Voranfragen.

128

Die Antragsteller haben ein objektives Interesse an der Klärung der Reichweite des aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Fragerechts des Abgeordneten und der Antwortpflicht der Bundesregierung (vgl. zum Klarstellungsinteresse BVerfGE 121, 135 <152>; 131, 152 <194>; Beschluss des Zweiten Senats vom 6. Mai 2014 - 2 BvE 3/12 -, juris, Rn. 6). Auch der zwischenzeitliche Ablauf der Legislaturperiode lässt das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen, da die Antragsteller weiterhin Mitglieder des Deutschen Bundestages sind (vgl. BVerfGE 87, 207 <209>).

C.

129

Die Anträge sind - soweit zulässig - teilweise begründet.

I.

130

1. Aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG folgt ein Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung, an dem die einzelnen Abgeordneten und die Fraktionen als Zusammenschlüsse von Abgeordneten nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages teilhaben und dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregierung korrespondiert (vgl. BVerfGE 124, 161 <188>; stRspr). Aus dem Frage- und Interpellationsrecht des Parlaments folgt für die Mitglieder der Bundesregierung daher die verfassungsrechtliche Verpflichtung, auf Fragen Rede und Antwort zu stehen. Die Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen und auf Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages sollen dazu dienen, dem Bundestag und den einzelnen Abgeordneten die für ihre Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen. Die Bundesregierung schafft mit ihren Antworten auf parlamentarische Anfragen so die Voraussetzungen für eine sachgerechte Arbeit innerhalb des Parlaments (vgl. zum Ganzen BVerfGE 13, 123 <125>; 57, 1 <5>; 105, 252 <270>; 105, 279 <306>; 124, 161 <187 ff.>).

131

Das parlamentarische Regierungssystem wird auch durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt. Die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Verwaltung verwirklicht den Grundsatz der Gewaltenteilung, der für das Grundgesetz ein tragendes Funktions- und Organisationsprinzip darstellt. Der Gewaltenteilungsgrundsatz zielt dabei nicht auf eine absolute Trennung der Funktionen der Staatsgewalt, sondern auf die politische Machtverteilung, das Ineinandergreifen der drei Gewalten und die daraus resultierende gegenseitige Kontrolle und Begrenzung mit der Folge der Mäßigung der Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 3, 225 <247>; 7, 183 <188>; 9, 268 <279>; 22, 106 <111>; 34, 52 <59>; 95, 1 <15>). Er gebietet gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung, zumal wegen mangelnder Eingriffsmöglichkeiten des Parlaments in den der Exekutive zukommenden Bereich unmittelbarer Handlungsinitiative und Gesetzesanwendung, eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle auch tatsächlich wirksam werden kann. Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann das Parlament sein Kontrollrecht gegenüber der Regierung nicht ausüben. Daher kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>).

132

Die Kontrollfunktion ist zugleich Ausfluss der aus dem Demokratieprinzip folgenden Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG gestaltet den Grundsatz der Volkssouveränität aus. Er legt fest, dass das Volk die Staatsgewalt, deren Träger es ist, außer durch Wahlen und Abstimmungen durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausübt. Das setzt voraus, dass das Volk einen effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt durch diese Organe hat. Deren Akte müssen sich auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <66>; 130, 76 <123>). Dieser Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft wird außer durch die Wahl des Parlaments, die vom Parlament beschlossenen Gesetze als Maßstab der vollziehenden Gewalt und die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung auch durch den parlamentarischen Einfluss auf die Politik der Regierung hergestellt. Das "Ausgehen der Staatsgewalt" vom Volk muss für das Volk wie auch die Staatsorgane jeweils konkret erfahrbar und praktisch wirksam sein. Es muss ein hinreichender Gehalt an demokratischer Legitimation erreicht werden, ein bestimmtes Legitimationsniveau (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <67>; 107, 59 <87>; 130, 76 <124>). Nur das vom Volk gewählte Parlament kann den Organ- und Funktionsträgern der Verwaltung auf allen ihren Ebenen demokratische Legitimation vermitteln. Im Fall der nicht durch unmittelbare Volkswahl legitimierten Amtswalter und Organe setzt die demokratische Legitimation der Ausübung von Staatsgewalt regelmäßig voraus, dass sich die Bestellung der Amtsträger auf das Staatsvolk zurückführen lässt und ihr Handeln eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation erfährt. In personeller Hinsicht ist eine hoheitliche Entscheidung demokratisch legitimiert, wenn sich die Bestellung desjenigen, der sie trifft, durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf das Staatsvolk zurückführen lässt. Die sachlich-inhaltliche Legitimation wird durch Gesetzesbindung und Bindung an Aufträge und Weisungen der Regierung vermittelt. Letztere entfaltet Legitimationswirkung aufgrund der Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung (BVerfGE 93, 37 <67 f.>; 107, 59 <87 f.>; 130, 76 <124>).

133

Geheimhaltung gegenüber dem Parlament beschränkt die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten und kann deshalb den notwendigen demokratischen Legitimationszusammenhang beeinträchtigen oder unterbrechen (vgl. BVerfGE 130, 76 <128>).

134

2. Der Informationsanspruch des Bundestages und der einzelnen Abgeordneten besteht gleichwohl nicht grenzenlos.

135

a) Er kann sich von vornherein nicht auf Angelegenheiten beziehen, die nicht in die Zuständigkeit der Bundesregierung fallen, da es insoweit an einer Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag fehlt (BVerfGE 124, 161 <189>).

136

b) Begrenzt wird der Informationsanspruch des Bundestages und der einzelnen Abgeordneten auch durch das Gewaltenteilungsprinzip (siehe Rn. 131). In seiner grundgesetzlichen Ausformung als Gebot der Unterscheidung zwischen gesetzgebender, vollziehender und rechtsprechender Gewalt (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) dient dieses Prinzip zugleich einer funktionsgerechten Zuordnung hoheitlicher Befugnisse zu unterschiedlichen, jeweils aufgabenspezifisch ausgeformten Trägern öffentlicher Gewalt und sichert die rechtliche Bindung aller Staatsgewalt (BVerfGE 124, 78<120>). Das Grundgesetz fordert keine absolute Trennung, sondern gegenseitige Kontrolle, Hemmung und Mäßigung der Gewalten (BVerfGE 95, 1 <15>). Die Zweige der Staatsgewalt sind aufeinander bezogen und miteinander verschränkt, dürfen aber ihrer jeweiligen Eigenheit und ihrer spezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten nicht beraubt werden (BVerfGE 9, 268 <279 f.>; stRspr). Das Gewaltenteilungsprinzip ist damit zugleich Grund und Grenze des Informationsanspruchs des Parlaments gegenüber der Regierung. Je weiter ein parlamentarisches Informationsbegehren in den inneren Bereich der Willensbildung der Regierung eindringt, desto gewichtiger muss es sein, um sich gegen ein von der Regierung geltend gemachtes Interesse an Vertraulichkeit durchsetzen zu können (vgl. BVerfGE 110, 199 <222>; 124, 78 <122 f.>).

137

aa) Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt. Dazu gehört zum Beispiel die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214, 222>; 124, 78 <120>; 131, 152 <210>). Bei dem einer konkreten Positionierung vorgelagerten Willensbildungsprozess der Bundesregierung handelt es sich um einen von verschiedenen innen- und außenpolitischen sowie innerorganschaftlichen Belangen, Erwägungen und Entwicklungen abhängigen Vorgang, der den Bereich der Bundesregierung noch nicht verlässt und über den der Bundestag von Verfassungs wegen grundsätzlich (noch) nicht zu informieren ist (vgl. BVerfGE 131, 152 <206>). Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht danach in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen (BVerfGE 110, 199 <214>; 124, 78 <120 f.>). Diese Gefahr besteht bei Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen regelmäßig, solange die Entscheidung noch nicht getroffen ist (BVerfGE 110, 199 <214>; 124, 78 <122>). So könnte ein so wesentlicher Teil einer politischen Entscheidung wie die Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem sie fallen soll, der Regierung weitgehend aus der Hand genommen werden, wenn das Parlament schon vor diesem Zeitpunkt auf den Stand der Entscheidungsvorbereitung innerhalb der Regierung zugreifen könnte (vgl. BVerfGE 110, 199 <214 f.>).

138

Die Kontrollkompetenz des Bundestages erstreckt sich demnach grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge; sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen (BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <215>; 124, 78 <121>). Der aus dem Gewaltenteilungsprinzip folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung erschöpft sich jedoch nicht in dieser Abschirmung gegen unmittelbare Eingriffe in die autonome Kompetenzausübung der Regierung, sondern wirkt über den Zeitpunkt einer Entscheidung hinaus (BVerfGE 110, 199 <215>).

139

bb) Die Rüstungsexportkontrolle ist nicht wegen der außenpolitischen Bedeutung dieses Teilbereichs des Regierungshandelns von vornherein jeglicher parlamentarischen Kontrolle entzogen. Im Bereich der auswärtigen Politik hat das Grundgesetz in Anknüpfung an die traditionelle Staatsauffassung der Regierung aber einen weit bemessenen Spielraum zu eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung überlassen. Die Rolle des Parlaments als Gesetzgebungsorgan ist schon aus Gründen der Funktionsgerechtigkeit in diesem Bereich beschränkt (BVerfGE 104, 151 <207>; vgl. auch schon BVerfGE 49, 89 <125>; 68, 1 <87>). Eine erweiternde Auslegung der Zustimmungs- oder Mitwirkungsbefugnisse des Bundestages würde die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung ungerechtfertigt beschneiden und auf eine nicht funktionsgerechte Teilung der Staatsgewalt hinauslaufen (BVerfGE 104, 151 <207>).

140

Dies bedeutet aber nicht, dass wesentliche Entscheidungen am Bundestag vorbei getroffen werden könnten. Auch die der Bundesregierung anvertraute auswärtige Gewalt steht keineswegs außerhalb parlamentarischer Kontrolle. Dem Bundestag, der Entscheidungen der Exekutive in auswärtigen Angelegenheiten missbilligt, verbleiben jedoch auch in diesem Bereich seine parlamentarischen Kontrollbefugnisse (vgl. BVerfGE 49, 89 <125>; 68, 1 <89, 109>; 90, 286 <364>; 104, 151 <207>). Er kann sein Frage-, Debatten- und Entschließungsrecht ausüben, seine Kontroll- und Haushaltsbefugnisse wahrnehmen und dadurch auf die Entscheidungen der Regierung einwirken oder durch Wahl eines neuen Bundeskanzlers die Regierung stürzen (BVerfGE 68, 1 <109 f.>).

141

Entsprechendes gilt für den Bereich der Rüstungsexportkontrolle. Zwar weist Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG der Bundesregierung die Zuständigkeit für die Genehmigung von Kriegswaffenexporten zu. Hierdurch wird die Erfüllung dieser Aufgabe der Kontrolle durch das Parlament aber nicht von vornherein entzogen (so aber Glawe, DVBl 2012, S. 329 <335>). Vielmehr ist zwischen parlamentarischer Mitwirkung einerseits und parlamentarischer Kontrolle andererseits zu unterscheiden. Eine Mitwirkung des Parlaments bei der Ausübung von Staatsfunktionen kommt nur dort in Betracht, wo sie durch das Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Die Gewaltenteilung darf nicht unter Berufung auf das Demokratieprinzip durch Einräumung parlamentarischer Mitentscheidungsbefugnisse unterlaufen, die grundgesetzliche Kompetenzordnung nicht durch die Konstruktion eines allumfassenden Parlamentsvorbehalts überlagert werden (vgl. BVerfGE 68, 1 <87>). Daraus ist aber keine Einschränkung der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung zu folgern. In der Ausübung parlamentarischer Kontrolle liegt kein verfassungswidriger Einbruch in den Gestaltungsbereich der Exekutive. Sie kommt auch dort zum Tragen, wo das Grundgesetz eine ausschließliche Zuständigkeit der Regierung begründet. Unter dem Gesichtspunkt der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns tritt die parlamentarische Kontrolle an die Stelle der in dem Bereich ausschließlicher Zuständigkeit der Regierung fehlenden sachlich-inhaltlichen Mitwirkungsrechte des Parlaments. Die Zuständigkeitszuweisung des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG schafft somit für sich genommen keinen der parlamentarischen Verantwortung grundsätzlich entzogenen Raum gubernativen Entscheidens.

142

cc) Die Beratung und Beschlussfassung im Bundessicherheitsrat unterfallen dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung.

143

(1) Der Bundesregierung steht es auch ohne ausdrückliche verfassungsrechtliche Ermächtigung im Rahmen ihrer Organisationsgewalt zu, Kabinettsausschüsse einzurichten, die gegenüber dem Regierungskollegium eine vorbereitende und beratende Funktion ohne eigenes Entscheidungsrecht ausüben (Busse, DVBl 1993, S. 413 <414>; Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2. Aufl. 1998, S. 246; Detterbeck, in: Isensee/P. Kirchhof, HStR III, 3. Aufl. 2005, § 66 Rn. 63; Schröder, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 65 Rn. 37; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 65 Rn. 6). Soweit ein solcher Ausschuss Entscheidungen des Kabinetts vorbereitet, unterfallen die Ausschussberatungen und -ergebnisse grundsätzlich in demselben Umfang dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung wie eigene Vorbereitungshandlungen des Regierungskollegiums.

144

Nach der derzeitigen Staatspraxis bereitet der Bundessicherheitsrat Entscheidungen des Kabinetts allerdings nicht vor, sondern wird an seiner Stelle tätig. Dem Vorbringen der Antragsgegnerin zufolge wird nach der Befassung des Bundessicherheitsrates keine Kabinettsentscheidung mehr herbeigeführt (so auch Zähle, Der Staat 44 (2005), S. 462 <476>). Folglich können sich die Beschlüsse des Bundessicherheitsrates über Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung allein an den jeweils zuständigen Fachminister richten, im Bereich der Kriegswaffen also an den Minister, dem nach § 11 Abs. 2 und 3 KWKG in Verbindung mit § 1 der Ersten Durchführungsverordnung zum KWKG die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung für seinen Geschäftsbereich übertragen ist. Dieser Fachminister erteilt die Genehmigung gegenüber dem Antrag stellenden Unternehmen durch entsprechenden Bescheid.

145

Allerdings dürfen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG zur Kriegführung bestimmte Waffen nur mit Genehmigung "der Bundesregierung" hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Grundgesetz unterscheidet zwischen Befugnissen und Zuständigkeiten der Bundesregierung und solchen einzelner Bundesminister (vgl. die Auflistung in BVerfGE 132, 1 <21>). Die Bundesregierung ist ein Kollegialorgan, das nach Art. 62 GG aus dem Bundeskanzler und aus den Bundesministern besteht. Bei Regelungen des Grundgesetzes, die eine Entscheidungszuständigkeit der Bundesregierung vorsehen, ist daher grundsätzlich davon auszugehen, dass es eines Beschlusses des gesamten Kabinetts bedarf (BVerfGE 91, 148 <166>; 115, 118 <149>; 132, 1 <21>). Ausnahmsweise können unter dem Begriff der Bundesregierung jedoch auch die jeweils ressortzuständigen Minister verstanden werden, wenn Sinn und Zweck der jeweiligen Regelung eine solche Auslegung gebieten (BVerfGE 26, 338 <396>). So wird etwa zu der Regelung in Art. 86 GG betreffend die bundeseigene Verwaltung die Ansicht vertreten, dass mangels Betroffenheit der Länder (auch) der jeweilige Fachminister für seinen Bereich Verwaltungsvorschriften und Regelungen über die Einrichtung der Behörden erlassen kann (BVerwGE 36, 327<333>; Hermes, in: Dreier, GG, Bd. III, 2. Aufl. 2008, Art. 86 Rn. 52; Ibler, in: Maunz/Dürig, GG, Mai 2008, Art. 86 Rn. 135; Burgi, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 86 Rn. 67).

146

In der Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, dass Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG keine Entscheidung des Kabinetts verlange (Pottmeyer, Kriegswaffenkontrollgesetz, 2. Aufl. 1994, § 11 Rn. 2; Frank, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 26 Rn. 47; Hernekamp, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 26 Rn. 29) oder dass Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GG eine Delegationsbefugnis beinhalte (Bieneck, Handbuch des Außenwirtschaftsrechts, 2. Aufl. 2005, § 41 Rn. 4).

147

Überwiegend wird jedoch davon ausgegangen, dass die Delegation der Genehmigungserteilung auf einzelne Minister mit Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar und § 11 Abs. 2 KWKG aus diesem Grunde verfassungswidrig sei (Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 210 ff.; Hartwig, in: Umbach/ Clemens, Bd. 1, 2002, Art. 26 Rn. 40; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, März 2014, Art. 26 Rn. 56; Pernice, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 26 Rn. 28; Fink, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 26 Rn. 76; Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 12; Schmahl, in: Sodan, GG, 2. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 13; Streinz, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 46; Hobe, in: Berliner Kommentar zum GG, Nov. 2012, Art. 26 Rn. 18; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 26 Rn. 10).

148

(2) Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob die Bundesregierung zur Einrichtung des Bundessicherheitsrates und zur Übertragung der Entscheidungsbefugnis über Kriegswaffenexportanträge auf diesen oder auf einzelne Bundesminister berechtigt ist. Denn im Rechtsverhältnis zum Deutschen Bundestag und seinen Mitgliedern sind die Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG der Bundesregierung zuzuordnen und durch diese unmittelbar gegenüber dem Parlament und mittelbar gegenüber dem Volk zu verantworten, gleich ob sie durch das Kabinett, durch einen von diesem eingesetzten Ausschuss oder durch einen einzelnen Minister getroffen werden. Genauso wenig, wie die Bundesregierung sich durch eine Delegation der ihr durch das Grundgesetz zugewiesenen Entscheidungsbefugnisse ihrer Verantwortung für die getroffenen Entscheidungen entledigen kann, führt eine solche Delegation - gleich ob zulässig oder unzulässig - dazu, dass die Entscheidung des Ministers und die darauf bezogene Willensbildung im Bundessicherheitsrat den Charakter des Regierungshandelns verlören und dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung entzogen wären. Ein möglicher Verstoß gegen ein aus der Verfassung abzuleitendes Delegationsverbot änderte nichts daran, dass die Willensbildung im Bundessicherheitsrat im System der Gewaltenteilung der Regierung zuzuordnen ist, zumal in diesem Unterausschuss des Regierungskollegiums allein Regierungsmitglieder stimmberechtigt sind. Der aus dem Gewaltenteilungsprinzip folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung würde durch einen solchen Verstoß nicht entbehrlich. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Bundesregierung, die den Bundessicherheitsrat durch einen Kabinettsbeschluss eingerichtet hat, dieses Gremium jederzeit durch entsprechenden Beschluss auflösen oder einzelne Beratungen "an sich ziehen" könnte.

149

Der Teilnahme des Bundessicherheitsrates am Kernbereichsschutz steht nicht entgegen, dass an dessen Sitzungen neben Regierungsmitgliedern auch der Chef des Bundeskanzleramtes, der Generalinspekteur der Bundeswehr, die Chefs des Bundespräsidialamtes und des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, die Beauftragte der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie bei Bedarf weitere Dritte teilnehmen können. Hierdurch verliert das Gremium nicht den direkten Bezug zu der Willensbildung innerhalb der Bundesregierung, der die Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG vorbehalten sind. Soweit der Senat für die sogenannte Präsidentenrunde entschieden hat, dass diese an dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung nicht im gleichen Umfang teilnimmt wie das Kabinett (BVerfGE 124, 78 <137>), ist diese Entscheidung auf den Bundessicherheitsrat nicht übertragbar. Die Funktion der Präsidentenrunde besteht lediglich im Austausch von Informationen, der Beratung sowie in der Vorbereitung einer Entscheidungsfindung in den zuständigen Ressorts in Fragen der äußeren und inneren Sicherheit. Weder handelt es sich um ein Entscheidungsgremium, noch dienen die Beratungen der Präsidentenrunde notwendiger- oder auch nur typischerweise der unmittelbaren Vorbereitung von Kabinettsentscheidungen (BVerfG, a.a.O.). Erst recht treten sie nicht faktisch an deren Stelle.

150

c) Eine weitere Grenze des Informationsanspruchs des Bundestages bildet das Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl), das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <134 ff.>; 124, 78 <123> jeweils für das Beweiserhebungsrecht parlamentarischer Untersuchungsausschüsse). Die Frage, welche Grenzen die Verfassung dem parlamentarischen Frage- und Untersuchungsrecht setzt, ist unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im Verfassungsgefüge zu beantworten. Dies gilt auch für die Auslegung und Anwendung des Begriffs der Gefährdung des Staatswohls (vgl. BVerfGE 124, 78 <123>). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Bundestag in der Geheimschutzordnung in detaillierter Weise die Voraussetzungen für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei der Aufgabenerfüllung des Bundestages festgelegt hat (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 77, 1 <48>; vgl. auch BVerfGE 70, 324 <359>). Die Verschwiegenheitspflicht aufgrund parlamentsrechtlicher Regelungen wird durch die strafrechtliche Sanktion des § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB bekräftigt. Diese Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der Tatsache, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungsrecht noch das Haushaltsrecht noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte (BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>). Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Staatswohl im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>). Das Parlament und seine Organe können nicht als Außenstehende behandelt werden, die zum Kreis derer gehören, vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheim zu halten sind (BVerfGE 124, 78 <124>). Mithin kann die Berufung auf das Wohl des Bundes gerade gegenüber dem Bundestag in aller Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn beiderseits wirksam Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden. Dass auch die Beachtung von Vorschriften zur Wahrung von Dienstgeheimnissen deren Bekanntwerden nicht ausschließt, steht dem nicht entgegen, denn diese Tatsache betrifft alle drei Gewalten (BVerfGE 67, 100 <136>).

151

Die Geheimschutzbestimmungen des Bundestages lassen allerdings die eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt (BVerfGE 67, 100 <137>; 70, 324 <359>). Die Bundesregierung ist daher nicht verpflichtet, Verschlusssachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Bundestag vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>). Vorkehrungen zur Geheimhaltung und die Entscheidung, nur ein sehr kleines parlamentarisches Gremium mit Beratungsgegenständen aus einem vertraulichen Bereich zu befassen, können daher verfassungsrechtlich zulässig sein, obgleich damit erhebliche Beschränkungen des Zugangs der meisten Abgeordneten zu diesen Informationen verbunden sind (BVerfGE 70, 324 <360, 364>; 130, 318 <352 f., 359>; 131, 230 <235>).

152

Andererseits ist zu beachten, dass der Deutsche Bundestag seine Repräsentationsfunktion grundsätzlich in seiner Gesamtheit durch die Mitwirkung aller seiner Mitglieder wahrnimmt (BVerfGE 130, 318 <342>; vgl. auch schon BVerfGE 44, 308 <316>; 56, 396 <405>; 80, 188 <218>; ferner BVerfGE 131, 230 <235>). Daher ist jeder Abgeordnete berufen, an der Arbeit des Bundestages, seinen Verhandlungen und Entscheidungen teilzunehmen (BVerfGE 130, 318 <342>). Soweit Abgeordnete durch die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf einen beschließenden Ausschuss von der Mitwirkung an der parlamentarischen Entscheidungsfindung ausgeschlossen werden, ist dies nur zum Schutz anderer Rechtsgüter mit Verfassungsrang und unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig (BVerfGE 131, 230 <235>). Es bedarf eines besonderen Grundes, der durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht ist, das der Gleichheit der Abgeordneten die Waage halten kann (BVerfGE 131, 230 <235>).

153

Überträgt der Deutsche Bundestag zur Wahrung anderer Rechtsgüter von Verfassungsrang einem von ihm aufgrund seiner Selbstorganisationsbefugnis eingerichteten Ausschuss oder einem anderen Untergremium einzelne der von ihm zu erfüllenden Aufgaben zur selbständigen und plenarersetzenden Wahrnehmung und bestehen dafür Gründe, die dem Gebot der gleichberechtigten Mitwirkung aller Abgeordneten die Waage halten, darf die Beschränkung der Statusrechte der gewählten Abgeordneten und die damit verbundene Ungleichbehandlung nicht weiter reichen, als dies unbedingt erforderlich ist (BVerfGE 130, 318 <353>). Auch Belange des Geheimschutzes im Interesse verfassungsrechtlich geschützter Güter sind als zwingende Gründe des Staatswohls grundsätzlich geeignet, die Einschränkung von Statusrechten der Abgeordneten zu rechtfertigen (BVerfGE 70, 324 <358 f.>; 130, 318 <359>; vgl. auch BVerfGE 131, 230 <235>). Die Staatspraxis kennt das aus elf Abgeordneten gebildete Parlamentarische Kontrollgremium, das unter anderem die nachrichtendienstliche Tätigkeit überwacht (BVerfGE 130, 318 <359>). Zudem hat es das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass über die Wirtschaftspläne der Geheimdienste des Bundes nicht das Plenum, sondern ein wesentlich kleineres, geheim verhandelndes und ausschließlich zu diesem Zwecke gebildetes Gremium berät, weil aus der Vielzahl der Informationen, die bei der Beratung bekannt werden, mosaikartig auch ein Bild von den konkreten Operationen der Geheimdienste gewonnen werden und dies darüber hinaus zur Gefährdung von Personen führen kann (BVerfGE 70, 324 <364>). Ebenso wie bei militärischen Geheimnissen oder sonstigen aus Gründen des Staatsschutzes geheim zu haltenden Informationen kann die Geheimschutzordnung möglicherweise auch dann keine ausreichende Vorsorge bieten, wenn über Maßnahmen entschieden werden muss, bei denen nicht nur der Inhalt der Beratung, sondern auch die Tatsache der Beratung und der Beschlussfassung an sich geheim gehalten werden müssen, um den Erfolg einer Maßnahme nicht von vornherein unmöglich zu machen (BVerfGE 130, 318 <362>).

154

d) Schließlich können das Fragerecht der Abgeordneten und die Antwortpflicht der Bundesregierung dadurch begrenzt sein, dass diese gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten haben (BVerfGE 67, 100<142>; 76, 363 <387>; 77, 1 <46>; 124, 78 <125>). Werden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch den Staat offen gelegt oder verlangt er deren Offenlegung, so ist Art. 12 Abs. 1 GG in seinem Schutzbereich berührt (vgl. BVerfGE 115, 205 <230>; 128, 1 <56>).

155

Das Grundrecht der Berufsfreiheit ist nach Art. 19 Abs. 3 GG auch auf juristische Personen anwendbar, soweit sie eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer juristischen wie einer natürlichen Person offen steht (BVerfGE 50, 290<363>; 115, 205 <229>; stRspr). Das Freiheitsrecht des Art. 12 Abs. 1 GG schützt das berufsbezogene Verhalten einzelner Personen oder Unternehmen am Markt. Erfolgt die unternehmerische Berufstätigkeit nach den Grundsätzen des Wettbewerbs, wird die Reichweite des Freiheitsschutzes auch durch die rechtlichen Regeln mitbestimmt, die den Wettbewerb ermöglichen und begrenzen (BVerfGE 105, 252 <265>; 115, 205 <229>). Behindert eine den Wettbewerb beeinflussende staatliche Maßnahme eine juristische Person in ihrer beruflichen Tätigkeit, so stellt dies eine Beschränkung ihres Freiheitsrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG dar (BVerfGE 86, 28<37>; 115, 205 <230>).

156

Durch die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen kann die Ausschließlichkeit der Nutzung des betroffenen Wissens für den eigenen Erwerb beeinträchtigt werden. Wird exklusives wettbewerbserhebliches Wissen den Konkurrenten zugänglich, mindert dies die Möglichkeit, die Berufsausübung unter Rückgriff auf dieses Wissen erfolgreich zu gestalten. So können unternehmerische Strategien durchkreuzt werden. Auch kann ein Anreiz zu innovativem unternehmerischen Handeln entfallen, weil die Investitionskosten nicht eingebracht werden können, während gleichzeitig Dritte unter Einsparung solcher Kosten das innovativ erzeugte Wissen zur Grundlage ihres eigenen beruflichen Erfolgs in Konkurrenz mit dem Geheimnisträger nutzen (vgl. zum Ganzen BVerfGE 115, 205 <230>).

157

3. Aus der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, folgt, dass sie die Gründe darlegen muss, aus denen sie die erbetenen Auskünfte verweigert (BVerfGE 124, 161 <193>). Denn der Bundestag kann seine Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns nur dann effektiv wahrnehmen, wenn er anhand einer der jeweiligen Problemlage angemessen ausführlichen Begründung beurteilen und entscheiden kann, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen. Hierzu muss er Abwägungen betroffener Belange, die zur Versagung von Auskünften geführt haben, auf ihre Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüfen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>). Eine Begründung der Antwortverweigerung ist daher nur dann entbehrlich, wenn die Geheimhaltungsbedürftigkeit evident ist (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>).

II.

158

Nach diesen Maßstäben ist die Bundesregierung verpflichtet, Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf entsprechende Anfragen hin mitzuteilen, dass der Bundessicherheitsrat ein bestimmtes, das heißt hinsichtlich des Rüstungsguts, des Auftragsvolumens und des Empfängerlandes konkretisiertes Kriegswaffenexportgeschäft genehmigt hat oder dass eine Genehmigung für ein wie in der Anfrage beschriebenes Geschäft nicht erteilt worden ist. Darüber hinaus gehende Angaben sind verfassungsrechtlich nicht geboten.

159

1. Die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung ist nicht bereits mit der positiven oder negativen Antwort auf eine Voranfrage (a), sondern erst mit dem vom Bundessicherheitsrat gefassten Beschluss zu einem formellen Genehmigungsantrag abgeschlossen; über eine positive Genehmigungsentscheidung hat die Bundesregierung den Bundestag und seine Mitglieder daher auf Anfrage zu unterrichten (b). Keine Antwortpflicht besteht hingegen bei Fragen zu den Gründen einer getroffenen Entscheidung und zum Inhalt und Verlauf der Beratungen im Bundessicherheitsrat (c).

160

a) Die positive Beantwortung einer auf die Genehmigungsfähigkeit eines Kriegswaffenexportgeschäfts abzielenden Voranfrage eines Unternehmens der Rüstungsindustrie schließt die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung in Bezug auf das betreffende Exportvorhaben nicht ab. Etwas anderes könnte für die Ablehnung einer Voranfrage gelten, die aber nach dem von den Antragstellern nicht angezweifelten Vorbringen der Antragsgegnerin grundsätzlich nicht erfolgt und zudem aus anderen, unten näher dargelegten Gründen (vgl. Rn. 174 ff.) nicht mitzuteilen ist.

161

Mit einer positiven Beantwortung einer Voranfrage lassen der Bundessicherheitsrat und der für Voranfragen in Bezug auf Kriegswaffen zuständige Minister erkennen, dass zum Zeitpunkt der Antwort keine Bedenken gegen das beabsichtigte Exportgeschäft bestehen, so dass ein entsprechender formgerechter, konkretisierter und mit ausreichenden Unterlagen unterlegter Antrag Aussicht auf Erfolg hätte. Es handelt sich folglich bei der Beantwortung einer Voranfrage um eine Auskunft über die Genehmigungsfähigkeit des beabsichtigten Exports zum Zeitpunkt der Bescheidung dieser Anfrage, nicht aber um eine Zusicherung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) oder gar um eine abschließende Teilregelung oder Teilgenehmigung (Pottmeyer, Kriegswaffenkontrollgesetz, 2. Aufl. 1994, § 9 Rn. 55; a.A. Zähle, Der Staat 44 (2005) S. 462 <475> und VG Frankfurt, Urteil vom 1. November 2001 - 1 E 6167/00 (1) -, juris, Rn. 21). Eine Zusicherung im Sinne von § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG liegt nur vor, wenn der Wille der Behörde, sich für die Zukunft zu binden und einen entsprechenden Anspruch des Begünstigten auf die zugesagte Maßnahme zu begründen, in der Erklärung eindeutig erkennbar ist. Wird eine Maßnahme lediglich "in Aussicht gestellt", so liegt im Regelfall nur eine unverbindliche Absichtserklärung vor, wie weiter zu verfahren ist (Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 38 Rn. 21 ff. <24>). Die von der Antragsgegnerin exemplarisch eingereichten Antworten des Auswärtigen Amtes auf Voranfragen betreffend die Ausfuhr von Kriegswaffen sind so formuliert, dass dem anfragenden Unternehmen mitgeteilt wird, dass die Bundesregierung eine Genehmigung der Ausfuhr in Aussicht stellt, soweit sich die Umstände zum Zeitpunkt der Stellung des konkreten Antrages nicht wesentlich geändert haben. Aus einer solchen Mitteilung geht der Wille der Bundesregierung, sich zu binden und entgegen § 6 Abs. 1 KWKG einen Anspruch des Unternehmens auf die Genehmigung zu begründen, nicht eindeutig hervor. Der Bundessicherheitsrat und die beteiligten Ministerien sind folglich an die positive Beantwortung einer Voranfrage nicht gebunden, ein anschließender Antrag auf Erteilung der Genehmigung kann auch bei unveränderten Umständen abgelehnt werden. Ob in einem solchen Fall ein Amtshaftungsanspruch gegen die Bundesrepublik bestehen kann (so Pottmeyer, a.a.O., Rn. 56), bedarf hier keiner Klärung.

162

Dieser Rechtslage entspricht anscheinend die tatsächliche Praxis der Antragsgegnerin. Nach deren Vorbringen fühlt sich der Bundessicherheitsrat an seine Antworten auf Voranfragen rechtlich nicht gebunden. Vielmehr wird nach Eingang des vollständigen Genehmigungsantrages nochmals in die Beratung eingetreten und kommt es auch zu anschließenden Ablehnungsentscheidungen, die offenbar auch auf einer geänderten Einschätzung der im Wesentlichen unveränderten Lage in dem Empfängerland beruhen können.

163

Eine Verpflichtung der Bundesregierung, den Bundestag generell oder einzelne Abgeordnete auf konkrete Fragen hin über Entscheidungen des Bundessicherheitsrates zu Voranfragen in Bezug auf beabsichtigte Kriegswaffenexporte zu informieren, würde vor diesem Hintergrund in einen noch nicht abgeschlossenen ressortübergreifenden Willensbildungsprozess aus dem Verantwortungsbereich der Bundesregierung eingreifen. Der durch die Beantwortung der Voranfrage rechtlich nicht gebundene Bundessicherheitsrat würde der Einflussnahme des Parlaments auf seine von verschiedenen außenpolitischen Belangen, Erwägungen und Entwicklungen abhängige Beratung und Entscheidung über den nachfolgenden Genehmigungsantrag ausgesetzt. Damit würde dem Parlament das faktische Mitregieren bei einer Entscheidung ermöglicht, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegt. Die Kontrollaufgabe des Parlaments würde in eine Steuerungsbefugnis verkehrt, die ihm ausweislich von Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG in diesem Bereich nicht zukommt.

164

b) Die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung ist nicht erst mit dem Erlass des positiven oder negativen Genehmigungsbescheides durch das jeweils zuständige Bundesministerium abgeschlossen. Entscheidender Willensbildungsakt ist vielmehr die Beratung eines Genehmigungsantrages im Bundessicherheitsrat, die mit dessen Beschlussfassung ihren Abschluss findet.

165

Die rechtliche Qualität der Beschlüsse des Bundessicherheitsrates im Bereich der Kriegswaffenexporte ist in der Literatur umstritten. Teilweise wird die auch von der Antragsgegnerin vorgebrachte Ansicht vertreten, es handele sich um rechtlich unverbindliche Empfehlungen, die dem jeweils zuständigen Minister lediglich vermitteln, ob dessen Entscheidung politisch mitgetragen werde (so Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, § 42 IV. 4. c), S. 875; Zähle, Der Staat 44 (2005), S. 462 <477>, im Wege verfassungskonformer Auslegung; Busse/Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, 5. Aufl. 2010, S. 96 f.; Glawe, Organkompetenzen und Handlungsinstrumente auf dem Gebiet der nationalen Sicherheit, 2011, S. 32, der allerdings von einer Empfehlung an das Bundeskabinett ausgeht). Nach anderer Ansicht trifft der Bundessicherheitsrat selbst die Genehmigungsentscheidung, an die der zuständige Minister gebunden ist und die sein Ministerium als Genehmigungsbehörde durch entsprechenden Bescheid umsetzen muss (Kadner, Die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers gegenüber der Sonderstellung einzelner Bundesminister unter besonderer Berücksichtigung des Bundesministers für Verteidigung, 1970, S. 111; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 227; Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2. Aufl. 1998, S. 247). Dieser Auffassung zufolge ist der Bundessicherheitsrat aufgrund der ihm als Entscheidungsgremium zukommenden Leitungsgewalt wegen Verstoßes gegen die Ressortselbständigkeit der Minister und die Kanzlerprärogative verfassungswidrig (Kadner, a.a.O.; Epping, a.a.O.; Böckenförde, a.a.O.; a.A. Steinberg, Abrüstungs- und Rüstungskontrollverwaltung in der Bundesrepublik Deutschland, 1982, S. 108, der zwar ein Entscheidungsrecht des Bundessicherheitsrates annimmt, dies aber mit Art. 65 GG für vereinbar hält).

166

Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob - wie es der Wortlaut von Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG nahe legt - die Bundesregierung beziehungsweise der Bundessicherheitsrat selbst zur Entscheidung verpflichtet ist (zum Erlass von Verwaltungsakten durch die Bundesregierung vgl. BVerwGE 117, 322 <328>, Rn. 16) oder das zuständige Ministerium als Genehmigungsbehörde rechtlich an den jeweiligen Beschluss des Bundessicherheitsrates gebunden ist. Nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin erfolgt in der Staatspraxis die abschließende Entscheidung im Bundessicherheitsrat. An dessen Beschlüsse halten sich die Minister faktisch und fühlen sich durch diese gebunden. Der Antragsgegnerin zufolge ist ihr kein Fall bekannt, in dem ein Minister von einer Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates abgewichen ist. Es besteht kein Grund, an dieser Darstellung zu zweifeln. Eine andere Handhabung würde auf Dauer zu fortwährenden Konflikten zwischen der Gesamtheit der Mitglieder des Bundessicherheitsrates und dem von dessen Beschlüssen abweichenden Minister und zu einer ständigen Befassung des gesamten Kabinetts führen (Art. 65 Satz 3 GG).

167

Zugunsten der Antragsteller kann daher davon ausgegangen werden, dass die Willensbildung der Bundesregierung in Bezug auf einen Kriegswaffenexportantrag mit dem jeweiligen Beschluss des Bundessicherheitsrates abgeschlossen ist. Damit endet der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung für die getroffene Entscheidung in diesem Zeitpunkt. Die Bundesregierung ist verpflichtet, den Abgeordneten des Bundestages auf Anfragen hin mitzuteilen, dass der Bundessicherheitsrat einen Beschluss über die Genehmigung eines Kriegswaffenexportgeschäfts gefasst hat.

168

c) Die Bundesregierung ist jedoch nicht verpflichtet, über die Mitteilung einer erfolgten Genehmigung hinaus Angaben zu der dieser Entscheidung vorausgegangenen Willensbildung innerhalb des Bundessicherheitsrates zu machen.

169

Parlamentarische Informationsrechte in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge scheiden zwar nicht grundsätzlich immer dann aus, wenn es sich um Informationen aus dem Bereich der Willensbildung der Regierung, einschließlich der vorbereitenden Willensbildung innerhalb der Ressorts und der Abstimmung zwischen ihnen handelt (BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>). Dem parlamentarischen Zugriff können grundsätzlich auch Informationen aus dem Bereich der regierungsinternen Willensbildung unterliegen (BVerfGE 124, 78 <122>).

170

Andererseits würde ein - sei es auch erst nach Abschluss des jeweiligen Entscheidungsprozesses einsetzender - schrankenloser parlamentarischer Anspruch auf Informationen aus diesem Bereich vor allem durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der selbständigen Funktion beeinträchtigen, die das Gewaltenteilungsprinzip ihr zuweist (BVerfGE 110, 199 <215>; 124, 78 <121>). Informationen aus dem Vorfeld von Regierungsentscheidungen sind danach zwar nach Abschluss der jeweiligen Entscheidung nicht mehr im selben Maße geschützt wie in der Phase, in der die Kenntnisnahme Dritter diesen einen unmittelbaren Einfluss auf die Entscheidung verschaffen würde (vgl. BVerfGE 110, 199 <215 f.>). Jedoch sind auch bei abgeschlossenen Vorgängen Fälle möglich, in denen die Regierung nicht verpflichtet ist, geheim zu haltende Tatsachen aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung mitzuteilen (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <216>; 124, 78 <121>). Die Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs lassen sich in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände feststellen (vgl. BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>). Die Notwendigkeit, hier zwischen gegenläufigen Belangen abzuwägen, entspricht der doppelten Funktion des Gewaltenteilungsgrundsatzes als Grund und Grenze parlamentarischer Kontrollrechte (BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>). In ihr kommt zum Ausdruck, dass die parlamentarische Kontrolle der Regierung einerseits gerade dazu bestimmt ist, eine demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechende Ausübung der Regierungsfunktion sicherzustellen, andererseits aber diese Funktion auch stören kann und daher der Begrenzung auf ein funktionsverträgliches Maß bedarf (BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>).

171

Als funktioneller Belang fällt bei abgeschlossenen Vorgängen nicht mehr die Entscheidungsautonomie der Regierung, sondern vor allem die Freiheit und Offenheit der Willensbildung innerhalb der Regierung ins Gewicht. Unter diesem Aspekt sind Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen, die Aufschluss über den Prozess der Willensbildung geben, umso schutzwürdiger, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen (vgl. BVerfGE 110, 199 <221>; 124, 78 <122 f.>).

172

Die Bundesregierung ist danach nicht verpflichtet, über den Inhalt und den Verlauf der Beratungen im Bundessicherheitsrat und über das Abstimmungsverhalten seiner Mitglieder Auskunft zu geben. Die Mitglieder des Gremiums sind auf die Vertraulichkeit der Beratungen in besonderem Maße angewiesen, da die Entscheidung über eine beabsichtigte Ausfuhr von Kriegswaffen eine eingehende Beurteilung des Empfängerlandes erfordert, etwa im Hinblick auf dessen politische und militärische Stabilität. Müssten die Mitglieder des Bundessicherheitsrates damit rechnen, dass die von ihnen in den Beratungen abgegebenen Einschätzungen alsbald nach der getroffenen Entscheidung veröffentlicht werden, so könnten sie nicht in auf Vertraulichkeit der Beratungen fußender Offenheit Gründe vorbringen, die für oder gegen eine Genehmigung sprechen. Es wäre sogar naheliegend, dass in einer solchen Situation die eigentlichen Beratungen faktisch nicht mehr in dem Gremium selbst erfolgen, sondern in Vorbesprechungen oder in kleinere, geheim tagende Kreise ausgelagert würden. Derartige einengende Vorwirkungen würden den Bundessicherheitsrat in seiner Funktion nachhaltig beeinträchtigen. Die Preisgabe der Beratungsabläufe im Bundessicherheitsrat wäre daher ein erheblicher Eingriff in den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung.

173

Das parlamentarische Informationsinteresse fällt demgegenüber weniger stark ins Gewicht. Parlamentarisch verantwortlich für die Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG ist die Bundesregierung. Die Information, welcher Minister im Rahmen der Beratungen welche Position vertreten hat, mag daher von allgemeinem politischen Interesse sein, für die parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelns ist sie aber nicht relevant.

174

2. Die Antwort auf Fragen zu noch nicht beschiedenen Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen kann die Bundesregierung ebenso wie die Auskunft über Voranfragen von Rüstungsunternehmen auch aus Gründen des Staatswohls verweigern. Entsprechendes gilt für die Tatsache, dass ein Genehmigungsantrag abgelehnt wurde. Auch bei durch den Bundessicherheitsrat bereits gebilligten Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung kann die Verweigerung der Antwort aus diesen Gründen gerechtfertigt sein.

175

Die Weitergabe der Information, ob der Bundessicherheitsrat eine Voranfrage beschieden hat, kann zu Verwerfungen im Verhältnis zu dem jeweiligen Erwerberland führen. Zum einen können dadurch Rüstungserwerbsabsichten publik werden, die das jeweilige Land jedenfalls in diesem frühen Stadium der Geschäftsanbahnung geheim halten möchte, etwa weil durch eine Veröffentlichung die künftige Verteidigungsstrategie des Landes erkennbar würde. Zum anderen kann das Bekanntwerden der Tatsache, dass eine Genehmigung verweigert beziehungsweise eine Voranfrage abschlägig beschieden oder zurückgestellt wurde, das an dem Erwerb interessierte Land öffentlich brüskieren und damit die Beziehungen zur Bundesrepublik stören.

176

Eine erhebliche Beeinträchtigung außenpolitischer Interessen drohte, wenn auch die Gründe für die Ablehnung einer Genehmigung oder Voranfrage mitgeteilt werden müssten, etwa die Gefahr der Verwendung der zur Ausfuhr vorgesehenen Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung oder bei Menschenrechtsverletzungen. Zudem könnten die Gründe in Einzelfällen Rückschlüsse auf bestimmte Informationsquellen zulassen, an deren Geheimhaltung die Bundesregierung gerade im Verhältnis zu dem betroffenen Land zum Schutz seiner Informationskanäle ein berechtigtes Interesse hat.

177

Das Bekanntwerden sensibler Rüstungsexportgeschäfte kann auch über das Verhältnis zum direkt betroffenen Erwerberland hinaus die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung beeinträchtigen. Rüstungsexportentscheidungen haben in der Regel eine diplomatische Dimension. So wird der Export von Kriegswaffen in Länder, die nicht Mitglied der NATO oder der Europäischen Union oder den NATO-Mitgliedsländern gleichgestellt sind, nur genehmigt, wenn "im Einzelfall besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der Bündnisinteressen für eine ausnahmsweise zu erteilende Genehmigung sprechen" (Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern, III. 2., abgedruckt im Rüstungsexportbericht 2013, Anlage 1, S. 36). Der Handel mit Rüstungsgütern gilt als "wichtiges diplomatisches Instrument" (Richter, Die Rüstungsindustrie im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 20). Waffenexporte können den Zusammenhalt von Bündnissen und die militärische Schlagkraft befreundeter Staaten stärken und als "Gegenleistung" eingesetzt werden, etwa für Stationierungs- oder Überflugrechte (Roeser, Völkerrechtliche Aspekte des internationalen Handels mit konventionellen Waffen, 1988, S. 41). Die Verweigerung von Rüstungsexporten kann demgegenüber - wie etwa konzertierte Embargo-Aktionen zeigen - der Erhaltung des eigenen waffentechnischen Vorsprungs gegenüber anderen Staaten und damit der Sicherheit des Staates dienen (von Poser und Groß Naedlitz, Die Genehmigungsentscheidung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, 1999, S. 56). Die Haltung der Bundesregierung zu einem beabsichtigten Rüstungsgeschäft kann damit auch Indikator für die politische Beziehung zu einem Land oder Ausdruck einer bestimmten Sicherheitsstrategie sein. Das vorzeitige Öffentlichwerden solcher Rüstungsexportgeschäfte kann ebenso wie das Bekanntwerden einer ablehnenden Entscheidung die Abschätzbarkeit der deutschen Außenpolitik für andere Länder erleichtern und damit Verhandlungs- und Gestaltungsspielräume verengen. Gleiches gilt für das Bekanntwerden der Gründe für die Bewilligung oder Ablehnung einer Genehmigung. Die Bundesregierung ist daher nicht verpflichtet, die Gründe für eine vom Bundessicherheitsrat getroffene Entscheidung mitzuteilen. Auch über die Ablehnung eines Kriegswaffenausfuhrantrages muss keine Auskunft erteilt werden.

178

Ein frühzeitiges Bekanntwerden eines beabsichtigten Rüstungsexportgeschäfts und der Haltung der Bundesregierung bereits im Stadium der Vertragsanbahnung birgt darüber hinaus die Gefahr, dass ein drittes Land, welches mit dem Geschäft nicht einverstanden ist, versucht, dieses Geschäft vor seiner tatsächlichen Durchführung durch den Einsatz von Druckmitteln zu verhindern. Zudem kann ein frühzeitiges Bekanntwerden dazu führen, dass ausländische Konkurrenzunternehmen an den Kaufinteressenten herantreten und das Geschäft durch Abgabe eines günstigeren Angebots an sich ziehen. Dies kann jedenfalls dort ein Geheimhaltungsinteresse der Bundesregierung aus Gründen des Staatswohls rechtfertigen, wo die Durchführung des Exportgeschäfts im außenpolitischen Interesse der Bundesrepublik liegt. Zudem stellt die Aufrechterhaltung eines nationalen Rüstungswesens ein legitimes staatliches Ziel dar. Eine eigene rüstungsindustrielle Basis führt aus verteidigungspolitischer Sicht dazu, dass die nationalen Streitkräfte durch die inländische Industrie ausgerüstet werden können. Gegenüber der Beschaffung der militärischen Ausrüstung auf dem Weltmarkt werden als Vorteile unter anderem der staatliche Einfluss als Hauptauftraggeber (Richter, Die Rüstungsindustrie im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 24; ähnlich Raidel, Eine Lanze für die deutsche Verteidigungswirtschaft, Politik & Sicherheit, Heft 8, August 2009, S. 1 f.) und die daraus folgende passgenaue Ausrichtung nationaler Rüstungsprodukte auf die taktischen und operativen Konzepte der Streitkräfte sowie die Möglichkeit der konzeptionellen Weiterentwicklung der Streitkräfte genannt (Küchle, Die deutsche Heeresindustrie in Europa, 2007, S. 9). Zudem erhöht eine eigene Rüstungsindustrie die Versorgungssicherheit und dient der Vermeidung von Abhängigkeiten von der Exportpolitik anderer Staaten.

179

Diese Gefahren für die Durchführung des Rüstungsexportgeschäfts nehmen mit dem Fortgang des Verfahrens ab. Sie bestehen vor allem in der oft Monate oder gar Jahre andauernden Phase der Vertragsanbahnung. Aus diesem Grunde ist die Bundesregierung nicht verpflichtet, Abgeordneten des Bundestages auf Anfrage mitzuteilen, ob eine Voranfrage zu einem beabsichtigten Ausfuhrgeschäft gestellt und wie diese beschieden wurde. Die positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates, die anschließend durch das zuständige Ministerium in dem Genehmigungsbescheid umgesetzt wird, stellt auch hier eine Zäsur dar. Nach den Angaben der sachkundigen Dritten ist zum Zeitpunkt des Antrages auf Genehmigung einer Kriegswaffenausfuhr der Vertrag mit dem Empfängerland im Regelfall jedenfalls endverhandelt, zumeist sogar bereits geschlossen. Damit verringert sich die Gefahr einer Einflussnahme Dritter auf das zur Genehmigung anstehende Geschäft erheblich. Mit der positiven Entscheidung des Bundessicherheitsrates über einen Genehmigungsantrag entfällt auch die Möglichkeit der Bloßstellung eines kaufinteressierten Staates, die mit der Ablehnung eines frühzeitig - etwa durch die Auskunft über eine Voranfrage - bekannt gewordenen Geschäfts verbunden sein kann.

180

Die Zäsurwirkung der positiven Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates schließt nicht aus, dass die Bundesregierung aus den genannten Gründen des Staatswohls in Einzelfällen ausnahmsweise auch die Antwort auf die Frage verweigern darf, ob eine solche Entscheidung getroffen wurde. Wann eine solche Antwortverweigerung gerechtfertigt sein kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn jedenfalls müsste die Bundesregierung die Verweigerung der Auskunft in ihrer Antwort gesondert begründen, was vorliegend nicht geschehen ist.

181

3. Eine weitere Einschränkung der Antwortpflicht der Bundesregierung in Bezug auf die Befassung des Bundessicherheitsrates mit Voranfragen und Genehmigungsanträgen zu beabsichtigten Kriegswaffenausfuhrgeschäften ergibt sich aus dem grundrechtlichen Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der jeweiligen Rüstungsunternehmen.

182

a) Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Zu derartigen Geheimnissen zählen etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden können (BVerfGE 115, 205 <230 f.>; vgl. auch BVerfGE 128, 1 <56>). Als Betriebsgeheimnisse kommen vorliegend unter anderem die konkreten technischen Daten und Spezifikationen der einzelnen Kriegswaffen in Betracht, als Geschäftsgeheimnisse insbesondere die Details der vertraglichen Vereinbarungen wie etwa Lieferzeiten und -orte, Preise und Preisbestandteile, Zahlungsbedingungen und Angaben zu den beteiligten Zulieferunternehmen. Der Umstand, dass ein Unternehmen Verhandlungen mit einem Staat über den Erwerb von Kriegswaffen bestimmter Gattung führt, stellt für sich genommen ebenfalls ein Geschäftsgeheimnis dar, weil die Verhandlungspartner in aller Regel eine Vertraulichkeitsvereinbarung abschließen und weil Konkurrenzunternehmen versuchen können, die Anbahnung des Geschäfts durch eigene Angebote oder andere Maßnahmen zu unterminieren. Somit stellen das Kaufinteresse eines Staates und die Aufnahme von Vertragsverhandlungen exklusives wettbewerbserhebliches Wissen dar und mindert die Offenlegung dieser Tatsachen die Möglichkeit, die Berufsausübung unter Rückgriff auf dieses Wissen erfolgreich zu gestalten.

183

b) Zwar begründet Art. 12 Abs. 1 GG kein ausschließliches Recht der Unternehmen auf eigene Außendarstellung und auf eine uneingeschränkte unternehmerische Selbstdarstellung am Markt. Marktbezogene Informationen des Staates beeinträchtigen den grundrechtlichen Gewährleistungsbereich der Berufsfreiheit der betroffenen Unternehmen daher nicht, sofern der Einfluss auf wettbewerbserhebliche Faktoren ohne Verzerrung der Marktverhältnisse nach Maßgabe der rechtlichen Vorgaben für staatliches Informationshandeln erfolgt (BVerfGE 105, 252 <264 ff., 268>). Unabhängig davon wäre aber durch die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Kriegswaffen produzierenden Unternehmen durch die Bundesregierung der Schutzbereich der Berufsfreiheit berührt (vgl. BVerfGE 115, 205 <230>). Dieser Schutzbereich ist jedenfalls insoweit nicht durch Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG eingeschränkt. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei dem Genehmigungserfordernis um ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (so Pottmeyer, Kriegswaffenkontrollgesetz, 1991, S. 69 ff.; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 120) oder um ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt handelt (so Pernice, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006, Art. 26 Rn. 20; Fink, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 26 Rn. 75; Streinz, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 45; Hernekamp, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 26 Rn. 29; Hobe, in: Berliner Kommentar zum GG, Nov. 2012, Art. 26 Rn. 18). Selbst wenn man der Regelung eine grundsätzliche Missbilligung der Herstellung, der Beförderung und des Inverkehrbringens von Kriegswaffen entnehmen wollte, sind diese Verhaltensweisen bei Vorliegen einer Genehmigung erlaubt und von der Berufsfreiheit geschützt. Dieser Schutz erstreckt sich auf solche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ein Unternehmen zur Erlangung der Genehmigung gegenüber staatlichen Behörden offenlegen muss, und zwar selbst für den Fall, dass die Genehmigung versagt werden sollte. Das Grundgesetz missbilligt nicht die Vorbereitung und Anbahnung eines Kriegswaffenexportgeschäfts, sondern allenfalls dessen nicht genehmigte Durchführung.

184

c) Durch die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen von Unternehmen der Rüstungsindustrie im Rahmen der Beantwortung parlamentarischer Anfragen griffe die Bundesregierung in den Schutzbereich der Berufsfreiheit ein. Sowohl schriftliche Antworten der Bundesregierung als auch mündliche Antworten im Rahmen von Fragestunden sind öffentlich. Schriftliche Antworten werden durch den Bundestag in Drucksachen veröffentlicht (§ 105 Satz 1 und 2 i.V.m. Anlage 4, Ziff. 14 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980, BGBl I S.1237, zuletzt geändert durch Beschluss vom 3. April 2014, BGBl I S. 534 - GO-BT -), mündliche Antworten in Fragestunden sind den jeweiligen Plenarprotokollen zu entnehmen, nachgereichte schriftliche Antworten werden in einen Anhang zu dem betreffenden Protokoll aufgenommen (GO-BT, Anlage 4, Ziff. 12). Damit würde Konkurrenten die Kenntnisnahme von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der betroffenen Unternehmen ermöglicht (vgl. BVerfGE 115, 205 <231>).

185

d) Der mit einer Offenlegung von Informationen zu beabsichtigten Rüstungsexportgeschäften verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit der Unternehmen der deutschen Rüstungsindustrie ist generell insoweit gerechtfertigt, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort Auskunft darüber gibt, dass der Bundessicherheitsrat die Genehmigung für ein konkretes Kriegswaffenausfuhrgeschäft erteilt hat und in diesem Rahmen Angaben über Art und Anzahl der Kriegswaffen, über das Empfängerland, über die beteiligten deutschen Unternehmen und über das Gesamtvolumen des Geschäfts macht. Darüber hinaus gehende Angaben würden grundsätzlich in unverhältnismäßiger Weise in die Berufsfreiheit der Unternehmen eingreifen. Dies gilt insbesondere für Angaben, die so konkret sind, dass aus ihnen auf vertrauliche Informationen, etwa auf den Einzelpreis eines bestimmten Rüstungsguts, rückgeschlossen werden könnte.

186

aa) Die Offenlegung von Unternehmensinformationen durch die Bundesregierung in Antworten auf Anfragen von Abgeordneten betrifft ein mehrpoliges Rechtsverhältnis, in welchem die Bundesregierung das Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten einerseits und das den Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gewährleistende Grundrecht der betroffenen Unternehmen auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG andererseits zum Ausgleich zu bringen hat. In einer solchen Konstellation sind Eignung und Erforderlichkeit der Beeinträchtigungen mit Blick auf beide widerstreitenden Rechtsgüter zu beurteilen. Dabei sind die Vor- und Nachteile bei der Verwirklichung der verschiedenen betroffenen Rechtsgüter in ihrer Gesamtheit abzuwägen. Hat der Gesetzgeber einen Weg zur Lösung des Konflikts durch eine einfachgesetzliche Regelung vorgezeichnet, so ist sein Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Überlässt er die Entscheidung hingegen den Organen der Rechtsanwendung, so sind deren Eingriffshandlungen verfassungsrechtlich darauf zu überprüfen, ob die zugrunde gelegten Annahmen und Abwägungsregeln sowie ihre Abwägung im konkreten Fall den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen, das heißt auch, ob sie innerhalb des den Entscheidungsträgern gewährten Einschätzungsspielraums verbleiben und zur Herstellung praktischer Konkordanz im konkreten Streitfall führen (zum Ganzen BVerfGE 115, 205 <233 f.>).

187

bb) § 12a Abs. 2 Satz 1 KWKG ermächtigt die Bundesregierung, die auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 erhobenen Daten zusammengefasst ohne Nennung von Empfängern und Lieferanten zu den in Absatz 1 genannten Zwecken an internationale Organisationen oder zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages zu übermitteln oder zu veröffentlichen. Die Vorschrift wurde mit dem Achten Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes vom 9. August 1994 (BGBl I S. 2068) in das KWKG aufgenommen und dient der Umsetzung einer Resolution der Vereinten Nationen, mit der beim Generalsekretariat der Vereinten Nationen ein Waffenregister eingerichtet wurde und die Mitgliedstaaten aufgerufen wurden, die Ein- und Ausfuhr bestimmter Kriegswaffen dorthin zu melden (BTDrucks 12/6911, S. 11). Die Ermächtigung zur Übermittlung oder Veröffentlichung zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages beruhte auf der Erwägung, dass Daten, die wie im Falle des Waffenregisters der Einsicht aller Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen offen stehen, grundsätzlich auch zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages oder der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen sollten (BTDrucks 12/6911, S. 12). Diese Regelung kann den erforderlichen Ausgleich zwischen dem Fragerecht der Abgeordneten und dem Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen auch unter Berücksichtigung des Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise herstellen. Dies folgt schon daraus, dass sie die Weitergabe der Informationen an den Deutschen Bundestag lediglich ermöglicht, ohne die Bundesregierung hierzu zu verpflichten. Der Ausgleich der konfligierenden Rechtsgüter bleibt so letztlich der Bundesregierung überlassen und es kann auch zu einer völligen Versagung von Auskünften kommen. Der Gesetzgeber hat damit keinen Lösungsweg bereitgestellt, der stets eine Verwirklichung der gegenläufigen Interessen in diesem mehrpoligen Rechtsverhältnis sichert (vgl. BVerfGE 115, 205 <235>). Eine erweiternde Auslegung ist angesichts des klaren Wortlautes nicht möglich.

188

cc) Die somit erforderliche Abwägung unmittelbar zwischen dem Fragerecht der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG einerseits und dem durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des jeweiligen die Ausfuhr beabsichtigenden Unternehmens andererseits ergibt, dass die Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates unabhängig von dem jeweils konkret durch Abgeordnete des Bundestages angefragten Kriegswaffenausfuhrgeschäft die entscheidende Zäsur darstellt.

189

Das Interesse des jeweiligen Rüstungsunternehmens an der Geheimhaltung des beabsichtigten Rüstungsexportgeschäfts ist bis zur endgültigen Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates höher zu bewerten als das berechtigte Informationsinteresse der Abgeordneten. In der Phase der Geschäftsanbahnung ist die Information, dass ein bestimmtes Empfängerland ein bestimmtes Rüstungsgut erwerben möchte, besonders wettbewerbsrelevant. Konkurrenzunternehmen, die von einem solchen Erwerbsinteresse Kenntnis erlangten, könnten versuchen, durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit auf den Genehmigungsprozess Einfluss zu nehmen. Zudem könnten sie ein eigenes Angebot abgeben und das Geschäft auf diese Weise an sich ziehen; dies gälte erst recht, wenn die Bundesregierung über die bloße Tatsache des beabsichtigten Geschäfts hinaus auch Angaben zu Preisen machte.

190

Es ist nicht zu verkennen, dass das Informationsinteresse des Parlaments und der einzelnen Abgeordneten in diesem Stadium ebenfalls besonders hoch ist, da noch auf den Genehmigungsprozess Einfluss genommen werden kann. Im Rahmen der Abwägung der konfligierenden Interessen ist aber zu berücksichtigten, dass ein dahin gehendes Informationsinteresse nicht schützenswert ist, da es auf ein dem Gewaltenteilungsprinzip widersprechendes Mitregieren zielt (siehe oben Rn. 163).

191

Nach erfolgter Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates ist die Schutzbedürftigkeit des jeweils betroffenen Unternehmens geringer. In diesem Stadium besteht für Konkurrenzunternehmen kaum noch die Möglichkeit, auf das genehmigte Geschäft Einfluss zu nehmen. Der Kaufvertrag ist im Regelfall bereits geschlossen, und je nach zeitlichem Abstand zwischen der Entscheidung des Bundessicherheitsrates und dem Erlass des Genehmigungsbescheides durch die zuständige Behörde kann mit der Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen alsbald begonnen werden.

192

In Bezug auf Angaben, die über die Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates und die Grunddaten des Kriegswaffenausfuhrgeschäfts, also die Art und die Anzahl der Kriegswaffen, das Empfängerland und das Gesamtvolumen hinausgehen, fällt die Abwägung zwischen den konfligierenden Rechtsgütern grundsätzlich zugunsten der Unternehmen aus, deren Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vor der Kenntnisnahme durch Wettbewerber zu schützen sind. Unverhältnismäßig wäre insbesondere die Offenlegung von Angaben, die Rückschlüsse auf die Preisgestaltung oder auf Spezifikationen des Rüstungsguts sowie auf handelnde Personen der an dem Geschäft beteiligten Unternehmen oder Staaten zuließen. An diesen Daten besteht auch kein berechtigtes Informationsinteresse, weil sie für die parlamentarische Kontrolle der Regierungstätigkeit nicht erforderlich sind.

193

e) Ob die Antwortpflicht der Bundesregierung auch durch das Grundrecht betroffener Unternehmen aus Art. 14 Abs. 1 GG begrenzt sein kann, bedarf keiner Entscheidung, weil der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen durch Art. 14 Abs. 1 GG jedenfalls nicht weiter geht als der durch Art. 12 Abs. 1 GG (BVerfGE 115, 205<248>).

194

4. Der Konflikt zwischen dem Fragerecht der Abgeordneten auf der einen und dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung, dem Staatswohl und der Berufsfreiheit der Kriegswaffen ausführenden Unternehmen auf der anderen Seite kann, anders als die Antragsteller meinen, nicht durch Maßnahmen des Geheimnisschutzes auf Seiten des Parlaments aufgelöst werden. Weder die Beschränkung des Adressatenkreises der Antworten der Bundesregierung durch Einrichtung eines parlamentarischen Kontrollgremiums (a) noch die Anwendung der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages (b) sind geeignet, einen angemessenen Ausgleich zwischen den konfligierenden Rechtsgütern zu schaffen.

195

a) Der Deutsche Bundestag könnte zwar für die parlamentarische Kontrolle der Tätigkeit des Bundessicherheitsrates ein Gremium nach Art des Parlamentarischen Kontrollgremiums (siehe § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumgesetz) vom 29. Juli 2009, BGBl I S. 2346), des Vertrauensgremiums nach § 10a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung vom 19. August 1969 (BGBl I S. 1284) oder des Sondergremiums nach § 3 Abs. 3 des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (Stabilisierungsmechanismusgesetz) vom 22. Mai 2010 (BGBl I S. 627) einrichten und dieses Gremium der Geheimschutzordnung unterwerfen. Durch die Beschränkung des Fragerechts der Mitglieder des Bundestages auf die Mitglieder eines solchen Gremiums würde ein Maß an Geheimhaltung praktisch ermöglicht, das zum Ausgleich der konfligierenden Interessen führen könnte.

196

Die Beschränkung der Wahrnehmung der Beteiligungsrechte des Bundestages auf parlamentarische Untergremien greift aber ihrerseits in die Rechte der in dem Sondergremium nicht vertretenen Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ein, über eine Angelegenheit des Deutschen Bundestages zu beraten, zu ihr zu reden, das Frage- und Informationsrecht des Parlaments auszuüben und schließlich darüber abzustimmen (BVerfGE 130, 318<357>). Bei einer solchen Beschränkung der Statusrechte der Abgeordneten ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und ein angemessener Ausgleich zwischen der Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages und den Statusrechten der Abgeordneten sicherzustellen. Erfolgt die Delegation von Beteiligungsrechten im Interesse besonderer Vertraulichkeit, muss sie deshalb auf wenige Ausnahmen mit begrenztem Anwendungsbereich beschränkt bleiben und zwingend erforderlich sein (BVerfGE 130, 318 <359 f.>).

197

Ob die Beratungen des Bundessicherheitsrates einen solchen Ausnahmefall darstellen können, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die Delegation der Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages auf ein Gremium zur Kontrolle der Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG erscheint nicht zwingend erforderlich. Eine solche Delegation würde es zwar ermöglichen, das Parlament mit Informationen zu versehen, die über die bloße Mitteilung einer erfolgten Genehmigungsentscheidung hinausgehen. So könnte ein der Geheimhaltung unterliegendes Sondergremium auch über Ablehnungsentscheidungen und vor allem auch über die Gründe für eine vom Bundessicherheitsrat getroffene Entscheidung unterrichtet werden. Diesem Erhalt zusätzlicher Informationen stünde aber eine erhebliche Beschränkung der parlamentarischen Kontrolle und der Statusrechte der nicht im Gremium vertretenen Abgeordneten gegenüber. Zudem entfiele dadurch, dass die Kontrolle der Parlamentsöffentlichkeit entzogen würde, auch die Kontrolle durch die Bürger, die der effektiven Verantwortlichkeit des Parlaments gegenüber dem Wähler dient (vgl. BVerfGE 125, 104 <124>; 130, 318 <344>). Der Zugewinn an Informationen über Angelegenheiten des Bundessicherheitsrates kann derartige Beschränkungen nicht rechtfertigen. Die Verpflichtung der Bundesregierung, den Deutschen Bundestag öffentlich über positive Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates zu informieren, ermöglicht eine hinreichende parlamentarische Kontrolle. Die Steigerung der Kontrolltiefe, die mit der Information eines Sondergremiums über Ablehnungsentscheidungen und über die Gründe der Entscheidungen des Bundessicherheitsrates erreicht würde, steht in keinem Verhältnis zu den Einbußen für die Funktion der Kontrolle, die durch eine öffentliche Kontrolle vermittelte Legitimation des staatlichen Handelns und die Statusrechte der nicht in dem Gremium vertretenen Abgeordneten, die die weit überwiegende Mehrheit des Deutschen Bundestages darstellten.

198

b) Auch durch eine Information des Deutschen Bundestages über Belange des Bundessicherheitsrates nach Maßgabe der Geheimschutzordnung (GO-BT, Anlage 3) kann der Interessenskonflikt nicht aufgelöst werden.

199

Verschlusssachen, die mit dem Geheimhaltungsgrad "Geheim" oder "Streng geheim" versehen sind, dürfen von Abgeordneten des Deutschen Bundestages grundsätzlich nur in den Räumen der Geheimregistratur eingesehen werden, § 3a Satz 1 Geheimschutzordnung. Die Möglichkeit zur Weitergabe der Information ist durch § 4 Geheimschutzordnung beschränkt; in jedem Fall scheidet eine Information der Öffentlichkeit aus.

200

Die Geheimschutzordnungist grundsätzlich ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 124, 78 <124 f.>; siehe ferner BVerfGE 130, 318 <362>; 131, 152 <208>). Auch eine systematische Gesamtschau einer Reihe von Grundgesetzbestimmungen - etwa Art. 42 Abs. 1 Satz 2, Art. 44 Abs. 1 Satz 2, Art. 45a Abs. 3 und Art. 53a GG - zeigt, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit in der Verfassung als eine Möglichkeit zur Wahrung von Geheimschutzinteressen unter gleichzeitiger Einbeziehung des Parlaments angelegt ist. Die Anwendung der Geheimschutzordnung konfligiert allerdings mit der Öffentlichkeitsfunktion des Parlaments. Die genannten Ausnahmevorschriften ändern nichts daran, dass die Öffentlichkeit der Beratungen nach Art. 42 Abs. 1 GG für die parlamentarische Entscheidungsfindung grundsätzlich unverzichtbar ist. Die Informationsrechte des Parlaments dürfen nicht dazu führen, dass sich über den parlamentarischen Geheimnisschutz die Arbeits- und Funktionsweise des Parlaments in den wichtigen Bereichen grundlegend verschiebt und diese spezifische Öffentlichkeitsfunktion ausgeblendet wird.

201

Eine unter Bedingungen der Geheimschutzordnung erlangte Information können die Parlamentarier nicht in den öffentlichen Meinungsbildungsprozess überspielen. Wenn das Parlament unter Anwendung der Geheimschutzordnung informiert wird, ist daher zwar formal der Zurechnungszusammenhang zwischen Regierung und Parlament gewahrt. Der weitere Verantwortungszusammenhang zum Volk ist jedoch insoweit unterbrochen. Der Wahlvorgang sichert die Kontrolle des Volkes über die Benutzung der Macht durch die politische Mehrheit (BVerfGE 5, 85 <199>). Ohne die entsprechende Information kann die Wählerschaft weder das Handeln der Regierung noch die parlamentarische Reaktion auf die erlangte Information zur Kenntnis nehmen und bewerten. Beides ist aber für die demokratische Legitimation durch den Wahlakt essentiell.

202

Auch im Verhältnis zwischen Regierung und Parlament wird der Kontrollzusammenhang durch die Anwendung der Geheimschutzordnung abgeschwächt. Öffentlichkeit ist essentiell für die Ausübung der Kontrollfunktion des Parlaments. Während die zur Vorbereitung von Gesetzgebung begehrten Informationen dem Parlament auch dann den gewünschten Sachverstand verschaffen und damit ihren Zweck erfüllen, wenn sie nicht öffentlich sind, verhält es sich mit Informationen zum Zweck der politischen oder der Rechtskontrolle anders. In der politischen Realität ist das Fragerecht in seiner Kontrolldimension ganz überwiegend ein Mittel der Opposition, welches zu seiner Wirksamkeit grundsätzlich auf Öffentlichkeit angewiesen ist. Fällt das Öffentlichkeitselement weg, so scheidet in der Praxis zumindest eine sanktionierende Kontrolle aus.

203

5. Die Pflicht der Bundesregierung, parlamentarische Anfragen zu positiven Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates zu beantworten, wird nicht schon durch die jährlich veröffentlichten Rüstungsexportberichte erfüllt.

204

Die Berichtsform unterscheidet sich systematisch von der Frage- und Antwortstruktur des Interpellationsrechts. Sowohl die Struktur und der Gehalt der Information als auch ihr Zeitpunkt werden beim Rüstungsexportbericht nicht durch die Abgeordneten, sondern durch die Bundesregierung bestimmt. Bereits deshalb ist ein allgemeiner Bericht dem parlamentarischen Fragerecht grundsätzlich nicht gleichwertig.

205

Die Rüstungsexportberichte der Bundesregierung sind zudem nicht hinreichend präzise, um das berechtigte parlamentarische Informationsinteresse zu befriedigen. Die Berichte differenzieren nicht nach einzelnen Genehmigungsakten, sondern führen die im Berichtsjahr genehmigten Geschäfte summiert auf. Die Beschreibung der betroffenen Güter erfolgt pauschal. In der maßgeblichen Anlage 8 des Rüstungsexportberichts für das Jahr 2013 werden unter der Rubrik "Ausfuhrgenehmigungen nach Ländergruppen und Ländern" lediglich Anzahl und Gesamtwert der Genehmigungen sowie von den Genehmigungen betroffene Ausfuhrlisten-Positionen mitgeteilt. Die insgesamt 22 Ausfuhrlisten-Positionen sind in der Ausfuhrliste (AWV Anlage AL) näher beschrieben. Sie sind durch einen überwiegend sehr pauschalen Erfassungsstatus gekennzeichnet (Wahren, in: Hohmann/John (Hrsg.), Ausfuhrrecht, 2002, Teil 4, Außenwirtschaftsverordnung, Erläuterungen AL Teil 1, Rn. 40). So fiele der in den streitgegenständlichen Anfragen angesprochene Leopard-Panzer als für militärische Zwecke konstruiertes Landfahrzeug unter die Rubrik A0006 der Ausfuhrliste. Nach der dortigen Anmerkung 1 erfasst diese Rubrik aber auch gepanzerte Fahrzeuge, amphibische und tiefwatfähige Fahrzeuge, Bergungsfahrzeuge und Fahrzeuge zum Befördern und Schleppen von Munition oder Waffensystemen und zugehörige Ladesysteme. Da sich die Rüstungsexportberichte an diesen groben Einteilungen der Ausfuhrliste orientieren, ist es auf der Grundlage dieser Berichte kaum möglich, die für eine effektive parlamentarische Kontrolle relevanten politisch bedeutsamen Exportgenehmigungen auszumachen.

206

Zwar enthält der Rüstungsexportbericht für die 20 wichtigsten Bestimmungsländer des Jahres 2013 in Anlage 7 eine etwas detailliertere Aufstellung. Hier werden neben dem Gesamtwert der erteilten Einzelgenehmigungen auch die wesentlichen Güter und ihr prozentualer Anteil am Gesamtwert der Genehmigungen genannt. Verlässliche Rückschlüsse auf bedeutsame einzelne Genehmigungen erlaubt jedoch auch diese Aufstellung nicht. So lässt sich dieser Liste etwa entnehmen, dass für Ausfuhren nach Katar Genehmigungen im Gesamtwert von 673.377.690 Euro erteilt wurden, von denen 44,4 % auf Zugmaschinen, LKW, Kranwagen, Auflieger, Anhänger, Masten und Teile für Panzer, Panzerhaubitzen, gepanzerte Fahrzeuge, LKW und Landfahrzeuge entfielen. Welcher Anteil hiervon auf LKW und welcher auf Teile für Panzer oder Panzerhaubitzen entfiel, ist hieraus nicht zu erkennen. Es muss den Abgeordneten daher im Rahmen einer effektiven parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns möglich sein, über diese Rüstungsexportberichte hinaus durch konkrete Fragen Informationen darüber zu erhalten, in welchem Umfang Genehmigungen für die Ausfuhr von Kriegswaffen besonderer Bedeutung, wie etwa Kampfpanzer, in bestimmte Staaten erteilt wurden.

207

6. Die Bundesregierung kann die Antwort auf parlamentarische Anfragen zu Angelegenheiten des Bundessicherheitsrates insoweit verweigern, wie die jeweilige Anfrage auf Informationen abzielt, die über die Mitteilung einer erfolgten positiven Genehmigungsentscheidung und die Eckdaten des betreffenden Ausfuhrgeschäfts hinausgehen. Eine gesonderte Begründung der Antwortverweigerung ist insoweit nicht erforderlich, die generelle Berufung auf die Geheimhaltung der Beratungen des Bundessicherheitsrates reicht aus.

208

Es besteht eine Jahrzehnte währende und allgemein bekannte Praxis der Bundesregierung, die Beantwortung derartiger Anfragen unter Berufung auf die Vertraulichkeit der Beratungen des Bundessicherheitsrates zu verweigern, selbst wenn in Einzelfällen aufgrund besonderer Umstände einzelne Angaben gemacht worden sein sollten. Angesichts dieser langjährigen Praxis ist nicht zu verlangen, dass die Bundesregierung in jeder Antwort auf eine entsprechende Anfrage ihre allgemeine Auffassung zu dem Verhältnis zwischen parlamentarischem Informationsrecht einerseits und Schutz der exekutiven Eigenverantwortung, Belangen des Staatswohls und Schutz der Grundrechte Dritter andererseits darlegt. Eine solche fortwährend wiederholte Darlegung wäre nur formalistisch und nicht geeignet, den Frage stellenden Abgeordneten einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn zu verschaffen. Ein Abgeordneter, der die Gründe für die grundsätzliche Antwortverweigerung hinterfragen möchte, ist daher gehalten, diese selbst zum Gegenstand einer Anfrage zu machen.

209

Eine Begründungspflicht besteht allerdings insoweit, wie die Bundesregierung die Auskunft über eine erteilte Genehmigung oder über die in diesem Rahmen mitzuteilenden Generalia des Exportgeschäfts verweigern will.

III.

210

Die Antragsgegnerin hat die Grenzen ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der streitgegenständlichen Fragen teilweise verkannt und hierdurch Rechte der Antragsteller aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt.

211

1. Die Antragsgegnerin hat ihrer Antwortpflicht in Bezug auf die Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. aus der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 6. Juli 2011, PlenProt 17/119, S. 13802 D, soweit sie sich auf die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien bezieht, nicht und hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/193 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) teilweise nicht genügt, im Übrigen sind die Anträge des Antragstellers - soweit zulässig - unbegründet.

212

a) Die Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. aus der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 6. Juli 2011 (PlenProt 17/119, S. 13802 D) richtete sich unter anderem darauf, ob der Bundesregierung Erkenntnisse über die Verletzung von Menschen- und Bürgerrechten in Saudi-Arabien vorliegen.

213

Indem der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie die Antwort auf diese Frage unter Hinweis auf die fehlende Zuständigkeit des Bundeswirtschaftsministers endgültig verweigerte, hat die Antragsgegnerin das Fragerecht des Antragstellers zu 1. in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise verkürzt. Das Fragerecht der Abgeordneten besteht gegenüber der Bundesregierung, diese ist zur Beantwortung der Fragen verpflichtet. Die Antwort kann daher nicht durch Verweis auf das Ressortprinzip verweigert werden. Auf sonstige Geheimhaltungsgründe hat sich die Antragsgegnerin nicht berufen; sie drängen sich auch nicht auf.

214

b) Die Antwort auf die zur schriftlichen Beantwortung gestellte Frage des Antragstellers zu 1. vom 14. Juli 2011 (Frage 7/193, BTDrucks 17/6658, S. 28) hat die Antragsgegnerin teilweise zu Unrecht verweigert. Es hätte ihr oblegen, dem Antragsteller zu 1. mitzuteilen, ob der Bundessicherheitsrat die Lieferung von 200 Panzern des Typs Leopard nach Saudi-Arabien genehmigt hat.

215

Zu darüber hinausgehenden Angaben war die Antragsgegnerin allerdings nicht verpflichtet. Falls zum Zeitpunkt der Beantwortung der Frage eine positive Entscheidung des Bundessicherheitsrates nicht vorgelegen haben sollte, wäre sie daher nicht verpflichtet gewesen, dem Antragsteller zu 1. mitzuteilen, ob überhaupt ein entsprechender Genehmigungsantrag oder eine entsprechende Voranfrage vorlag. Dass die Presse über die vermeintlich erteilte Genehmigung einer solchen Lieferung berichtet hatte, ändert hieran nichts. Unterfällt ein Willensbildungsvorgang innerhalb der Regierung dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, so wird er nicht dadurch weniger geheimhaltungsbedürftig, dass Dritte über ihn öffentlich berichten. Anderenfalls könnte die Regierung durch gezielte Spekulationen zu Auskünften über geheimhaltungsbedürftige Willensbildungsvorgänge gezwungen werden. Auch eine ablehnende Entscheidung hätte die Antragsgegnerin nicht als solche mitteilen, sondern nur angeben müssen, dass keine positive Genehmigungsentscheidung vorliegt. Sollte eine positive Entscheidung des Bundessicherheitsrates vorgelegen haben, so wäre die Antragsgegnerin nicht verpflichtet gewesen, die Frage insoweit zu beantworten, wie sie sich auf Verkaufspreise, Lieferbedingungen oder eventuelle Auflagen zum Einsatz in Saudi-Arabien oder in anderen Ländern bezog. Auch Angaben zu den Gründen der Entscheidung wären nicht erforderlich gewesen.

216

c) Berechtigterweise hat die Antragsgegnerin die Antwort auf die dringliche Frage 2 des Antragstellers zu 1. (BTDrucks 17/6438, S. 1) verweigert (PlenProt 17/119, S. 13807 A), soweit diese sich auf "Vermittler, Unterstützer in der Bundesregierung und Nutznießer dieses Waffengeschäfts" bezog.

217

Die Frage, welche Mitglieder der Bundesregierung ein bestimmtes Rüstungsexportgeschäft unterstützen oder unterstützt haben, betrifft den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Regierung. An der Offenlegung interner Abstimmungsvorgänge der Regierung besteht auch kein berechtigtes Informationsinteresse, da diese als Ganze dem Parlament gegenüber verantwortlich ist und bei Mehrheitsentscheidungen nur für die getroffene Entscheidung, nicht aber für etwaige Gegenstimmen einzustehen hat.

218

Soweit sich die Frage auf "Vermittler und Nutznießer" bezieht, zielt sie ersichtlich auf die von dem Antragsteller zu 1. angenommene Leistung "nützlicher Aufwendungen" beim Zustandekommen des Panzergeschäfts und ist mit der Angabe der Antragsgegnerin, ihr lägen keinerlei Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, hinreichend beantwortet worden (siehe Rn. 123).

219

d) Auch die Antwort auf die Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. zu dem konkreten Kaufpreis für 200 Leopard-Kampfpanzer (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C) durfte die Antragsgegnerin verweigern. Hierbei handelt es sich um ein Geschäftsgeheimnis des diese Panzer vertreibenden Unternehmens. Die Offenlegung der Kaufpreise aus konkreten einzelnen Ausfuhrgeschäften würde anderen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, da diese ihre eigene Preispolitik entsprechend anpassen könnten. Zudem würde dem betreffenden inländischen Unternehmen ein Nachteil daraus erwachsen, dass die verschiedenen Abnehmer dieser Panzer einen Überblick über die Preisspanne erhielten und diese Information in künftigen Vertragsverhandlungen zu Lasten der Anbieter ausnutzen könnten.

220

Es besteht auch kein überwiegendes berechtigtes Interesse an dieser Information. Konkrete Kaufpreise sind für die parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelns in aller Regel irrelevant. Dafür, dass der Differenzbetrag zwischen einem etwaigen Kaufpreis für derartige Panzer in Deutschland und dem von Saudi-Arabien gezahlten Preis als Bestechungsgeld anzusehen sein müsste, ist nichts ersichtlich. Schon die Annahme, dass es überhaupt einen feststehenden Kaufpreis im Inland gibt, ist wenig naheliegend. Die jeweiligen Preise dürften nach allgemeinen marktwirtschaftlichen Regeln schwanken.

221

2. Die Antragsgegnerin hat ihrer Antwortpflicht in Bezug auf die schriftliche Frage 7/132 der Antragstellerin zu 2. von Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 24) nicht genügt, soweit sich die Frage darauf bezieht, ob eine positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates vorliegt. Im Übrigen sind die Anträge der Antragstellerin zu 2. unbegründet.

222

a) Die schriftliche Frage 7/132 der Antragstellerin zu 2. richtete sich zum einen darauf, wann die Bundesregierung den Verkauf von Transportpanzern Fuchs, Last- und Geländewagen, Fregatten oder Verteidigungs- und Sicherheitselektronik für den Grenzschutz beziehungsweise dazu bestimmte Fertigungsanlagen an Algerien genehmigt hat, und zum anderen darauf, welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe diesen Genehmigungen zu Grunde lagen.

223

Die Antragsgegnerin war verpflichtet, den ersten Teil der Frage zu beantworten und der Antragstellerin zu 2. mitzuteilen, ob und - bejahendenfalls - wann der Bundessicherheitsrat eine entsprechende positive Genehmigungsentscheidung getroffen hat. Zur Darlegung der Gründe für die etwaige Entscheidung des Bundessicherheitsrates war sie hingegen nicht verpflichtet (siehe Rn. 177).

224

b) Hinsichtlich der Zusatzfrage der Antragstellerin zu 2. (PlenProt 17/119, S. 13803 D) und ihrer dringlichen Frage (BTDrucks 17/6438, S. 1; PlenProt 17/119, S. 13810 D) war die Antragsgegnerin zur Antwortverweigerung berechtigt, da diese Fragen ebenfalls auf die Gründe für eine vermeintlich getroffene Entscheidung des Bundessicherheitsrates abzielten.

225

c) Auch die Antwort auf die Zusatzfrage der Antragstellerin zu 2. (PlenProt 17/119, S. 13811 A) hat die Antragsgegnerin in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verweigert. Die Frage, auf welche Weise die Bundesregierung ausschließt, dass die für Saudi-Arabien genehmigten Rüstungsexportgüter zu innerer Repression genutzt werden, könnte durch die Antragsgegnerin nur beantwortet werden, indem sie Absprachen offenlegt, die sie mit dem Empfängerstaat getroffen hat. Hierzu ist sie aus Gründen des Staatswohls nicht verpflichtet.

226

Die Antragsgegnerin müsste zur Beantwortung der Frage zunächst offenlegen, ob sie davon ausgegangen ist, dass die Nutzung der zur Ausfuhr vorgesehenen Rüstungsgüter zu innerer Repression durch den Empfängerstaat konkret drohte. Derartige Ausführungen könnten zu einer erheblichen Beeinträchtigung außenpolitischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland führen und unter Umständen Rückschlüsse auf bestimmte Informationsquellen zulassen, an deren Geheimhaltung die Bundesregierung gerade im Verhältnis zu dem betroffenen Land zum Schutz seiner Informationskanäle ein berechtigtes Interesse hat (siehe Rn. 176). Sollte hingegen auf konkrete Absprachen oder Auflagen verzichtet worden sein, könnte dies für bestimmte außenpolitische Interessen der Bundesrepublik an dem konkreten Exportgeschäft sprechen, deren Öffentlichwerden die Abschätzbarkeit der deutschen Außenpolitik für andere Länder erleichtern und damit Verhandlungs- und Gestaltungsspielräume verengen kann (siehe Rn. 177). Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass die maßgebenden Gründe für eine solche Genehmigungsentscheidung für die parlamentarische Kontrolle von Bedeutung sind, darf die Antragsgegnerin die Offenlegung der Gründe daher verweigern.

227

3. Soweit die Anträge der Antragstellerin zu 3. zulässig sind, haben sie keinen Erfolg, da die Antragsgegnerin die Antwort auf die betreffenden Fragen verweigern durfte.

228

a) Die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B) danach, ob im Vorfeld der vermeintlichen Entscheidung des Bundessicherheitsrates die Zustimmung Israels und der USA zu dem Rüstungsexportgeschäft eingeholt worden sei, betrifft den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Regierung. Die Bundesregierung ist nicht verpflichtet, über den Inhalt und den Verlauf der Beratungen im Bundessicherheitsrat Auskunft zu geben (Rn. 172). Dies gilt auch für Gespräche, die zur Vorbereitung einer Entscheidung des Gremiums mit anderen Staaten geführt wurden. Müssten Drittstaaten damit rechnen, dass ihre der Bundesregierung gegenüber vertraulich abgegebenen Einschätzungen alsbald nach der getroffenen Entscheidung veröffentlicht werden, so wäre zu befürchten, dass die Bundesrepublik künftig nicht mehr mit derartigen Informationen versorgt würde. Die Antwort kann insoweit folglich auch aus Gründen des Staatswohls verweigert werden.

229

b) Die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13814 B, im Antrag bezeichnet mit "S. 13841 B") der Antragstellerin zu 3., ob die Verfolgung Homosexueller durch ein Land der Genehmigungsfähigkeit einer Ausfuhr von Panzern an diesen Staat entgegenstünde, betrifft wiederum einen Abwägungsvorgang innerhalb des Bundessicherheitsrates, der als Teil des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung geschützt ist.

230

c) Entsprechendes gilt für die schriftliche Frage vom 14. Juli 2011 (Frage 7/174; BTDrucks 17/6658, S. 26), mit der die Antragstellerin zu 3. direkt nach den Gründen für die vermeintliche Genehmigung der Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern an Saudi-Arabien fragt.

231

d) Hinsichtlich der weiteren schriftlichen Frage vom 14. Juli 2011 (Frage 7/175; BTDrucks 17/6658, S. 27) kann auf die Ausführungen zu der entsprechenden Frage des Antragstellers zu 1. verwiesen werden (siehe Rn. 216 ff.). Auch insoweit durfte die Antragsgegnerin die Antwort verweigern.

D.

232

Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), liegen nicht vor.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

1. Die Antragsgegnerin hat

a) den Antragsteller zu 1. durch die Antworten auf die in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 6. Juli 2011 gestellte Frage PlenProt 17/119, S. 13802 D, soweit sich diese auf die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien bezieht, und auf die schriftliche Frage 7/193 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) soweit sich diese darauf bezieht, ob eine positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates vorliegt,

b) die Antragstellerin zu 2. durch die Antwort auf die schriftliche Frage 7/132 von Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 24) soweit sich die Frage darauf bezieht, ob eine positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates vorliegt,

nach Maßgabe der Gründe in deren Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes verletzt.

2. In dem unter B.II.2. genannten Umfang werden die Anträge verworfen und im Übrigen zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Antragsteller sind Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Sie wenden sich dagegen, dass die Bundesregierung, die Antragsgegnerin, verschiedene Anfragen zu Kriegswaffenexporten nicht oder nur unzureichend beantwortet habe. Die Fragen betrafen die nach Presseberichten angeblich von der Antragsgegnerin erteilte Genehmigung für die Lieferung von 200 Panzern des Typs Leopard 2 an Saudi-Arabien sowie Waffenexporte nach Saudi-Arabien und Algerien.

I.

2

1. Die Ordnung der Kriegswaffenexportkontrolle hat in Deutschland Verfassungsrang. Nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG dürfen zur Kriegsführung bestimmte Waffen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt nach Satz 2 ein Bundesgesetz.

3

Das Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen - Kriegswaffenkontrollgesetz - KWKG) regelt die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Beförderung von Kriegswaffen innerhalb und außerhalb des Bundesgebietes sowie die Vermittlung und den Abschluss von Verträgen über den Erwerb oder das Überlassen von Kriegswaffen, die sich außerhalb des Bundesgebietes befinden. Kriegswaffen im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes sind gemäß § 1 Abs. 1 KWKG die in der dem Gesetz als Anlage beigefügten Kriegswaffenliste aufgeführten Gegenstände, Stoffe und Organismen. Die Ausfuhr von Kriegswaffen setzt nach § 3 Abs. 3 KWKG eine Beförderungsgenehmigung voraus. Über diese Genehmigung, die jederzeit widerrufen werden kann, wird nach Ermessen entschieden, sofern keine zwingenden Versagungsgründe nach § 6 Abs. 3 KWKG vorliegen. Zu versagen ist die Genehmigung unter anderem, wenn die Gefahr besteht, dass die Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung, insbesondere bei einem Angriffskrieg, verwendet werden, § 6 Abs. 3 Nr. 1 KWKG. Leitlinien für die Ermessensentscheidung bilden die "Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" vom 19. Januar 2000 (Bundesanzeiger Nr. 19 vom 28. Januar 2000, S. 1299 ff.). Gemäß § 3 Abs. 4, § 4 Abs. 2 und § 4a Abs. 4 KWKG können allgemeine Genehmigungen erteilt werden. Dies erfolgt durch Rechtsverordnungen der Bundesregierung, die der Zustimmung des Bundesrates nicht bedürfen, § 8 Abs. 1 und 4 KWKG.

4

Da alle Kriegswaffen im Sinne des KWKG zugleich in der Ausfuhrliste der Verordnung zur Durchführung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWV - Anlage AL) aufgeführt sind, ist für deren Ausfuhr regelmäßig auch eine Genehmigung nach dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) erforderlich (Ehrlich, in: Bieneck (Hrsg.), Handbuch des Außenwirtschaftsrechts, 2. Aufl. 2005, § 2 Rn. 4). Weitere Genehmigungsanforderungen für den Export militärisch relevanter Güter können sich aus Unionsrecht ergeben, namentlich aus der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 des Rates vom 5. Mai 2009 über eine Gemeinschaftsregelung für die Kontrolle der Ausfuhr, der Verbringung, der Vermittlung und der Durchfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck (sogenannte "Dual-Use-Verordnung", ABl L 134 vom 29. Mai 2009, S. 1 ff.) zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 388/2012 vom 19. April 2012 (ABl L 129 vom 16. Mai 2012, S. 12 ff.).

5

Zuständig für die Erteilung oder Versagung von Ausfuhrgenehmigungen nach dem AWG und der AWV ist gemäß § 13 Abs. 1 AWG grundsätzlich das zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (ehemals Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie) gehörende Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Außenwirtschaftsrechts (BGBl I 2013 S. 1482) am 1. September 2013 ergab sich diese Zuständigkeit aus § 28 Abs. 3 Nr. 1 AWG in Verbindung mit § 1 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten im Außenwirtschaftsverkehr vom 18. Juli 1977 (BGBl I S. 1308), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 27. Juli 2011 zur Umsetzung der Richtlinie 2009/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 zur Vereinfachung der Bedingungen für die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern (BGBl I S. 1595).

6

Die Zuständigkeit für die Erteilung der Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen liegt nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG, § 11 Abs. 1 KWKG bei der Bundesregierung. Durch § 11 Abs. 2 und 3 KWKG wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates nicht bedarf, die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung auf bestimmte Bundesministerien für ihren jeweiligen Geschäftsbereich zu übertragen. Von dieser Delegationsbefugnis hat die Bundesregierung mit Erlass der Ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen vom 1. Juni 1961 (BGBl I S. 649), zuletzt geändert durch Art. 344 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl I S. 2407, 2453) Gebrauch gemacht. Durch § 1 der Ersten Durchführungsverordnung wird die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung für den Bereich der Bundeswehr auf das Bundesministerium für Verteidigung (Abs. 1 Nr. 1), für den Bereich des Zollgrenzdienstes auf das Bundesministerium der Finanzen (Abs. 1 Nr. 2), für den Bereich der für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörden oder Dienststellen sowie der Behörden des Strafvollzugs auf das Bundesministerium des Innern (Abs. 1 Nr. 3) und für alle übrigen Bereiche auf das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Abs. 1 Nr. 4) übertragen. Für die Beförderung von Kriegswaffen mit deutschen Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im Ausland überträgt § 1 Abs. 2 Satz 1 der Ersten Durchführungsverordnung die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung auf das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, das diese Befugnis nach Satz 2 im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt ausübt.

7

§ 10 KWKG enthält Bestimmungen über Inhalt und Form der Genehmigung, die weiteren Einzelheiten des Genehmigungsverfahrens sind geregelt in der auf der Grundlage von § 11 Abs. 4 KWKG von der Bundesregierung erlassenen Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen vom 1. Juni 1961 (BGBl I S. 649), zuletzt geändert durch Art. 31 des Gesetzes über die Zusammenlegung des Bundesamtes für Wirtschaft mit dem Bundesausfuhramt vom 21. Dezember 2000 (BGBl I S. 1956).

8

In der Praxis der Genehmigungsverfahren nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz und dem Außenwirtschaftsgesetz hat sich das gesetzlich nicht geregelte Institut der Voranfrage herausgebildet. Durch eine Voranfrage kann ein Unternehmen frühzeitig klären, ob die für ein beabsichtigtes Exportgeschäft erforderliche Genehmigung voraussichtlich erteilt würde. Über Voranfragen wird nach den gleichen Kriterien entschieden wie über Genehmigungsanträge. Voranfragen zu Kriegswaffenausfuhren sind an das Auswärtige Amt und bei sonstigen Rüstungsgütern an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zu richten. Auch das weitere Verfahren entspricht der Bearbeitung von Anträgen auf Genehmigungserteilung. Bedeutende Vorhaben werden dem Bundessicherheitsrat vorgelegt. Die Voranfrage ersetzt nicht die - im Regelfall erst nach Abschluss des jeweiligen Kaufvertrages - zu beantragende Genehmigung (siehe zum Ganzen den vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie herausgegebenen "Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahre 2013 - Rüstungsexportbericht 2013" vom Mai 2014, S. 6 f.).

9

Bei Ausfuhrvorhaben, die im Hinblick auf das Empfängerland, das Rüstungsgut oder den Geschäftsumfang von besonderer Bedeutung sind, wird in der Regel der Bundessicherheitsrat befasst (Rüstungsexportbericht 2013, S. 7). Beim Bundessicherheitsrat handelt es sich um einen Kabinettausschuss zur ressortübergreifenden Koordinierung von Aspekten der Verteidigungs- und Außenpolitik sowie von Gesichtspunkten des Außenwirtschaftsrechts (Busse/Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, 5. Aufl. 2010, S. 97). Den Vorsitz im Bundessicherheitsrat führt die Bundeskanzlerin, weitere Mitglieder sind die Bundesministerinnen und Bundesminister des Auswärtigen, des Innern, der Justiz und für Verbraucherschutz, der Finanzen, für Wirtschaft und Energie, der Verteidigung, für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und der Chef des Bundeskanzleramtes (Rüstungsexportbericht 2013, ebd.). Andere Teilnehmer werden bei Bedarf mit beratender Stimme hinzugezogen, so etwa andere Bundesministerinnen und -minister, der Generalinspekteur der Bundeswehr, die Chefs des Bundespräsidialamtes und des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, die Beauftragte der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle usw. Die Abstimmung im Bundessicherheitsrat erfolgt nach den Grundsätzen, die § 24 der Geschäftsordnung der Bundesregierung für Kabinettsitzungen vorsieht. Die Sitzungen des Bundessicherheitsrates werden durch ein beim Bundeskanzleramt angesiedeltes interministerielles Sekretariat und einen Ausschuss auf Staatssekretärsebene vorbereitet. Die Ergebnisse der Beratungen des Bundessicherheitsrates werden in Sitzungsprotokollen festgehalten, die mit dem Geheimhaltungsgrad "Geheim" eingestuft sind (zum Ganzen Glawe, Organkompetenzen und Handlungsinstrumente auf dem Gebiet der nationalen Sicherheit, 2011, S. 35 ff.; Zähle, Der Staat 44 (2005), S. 462 <471 ff.>).

10

2. Die Bundesregierung informiert durch ihre jährlichen Rüstungsexportberichte über die im vorangegangenen Kalenderjahr erteilten Genehmigungen zur Ausfuhr von Rüstungsgütern und die tatsächlich erfolgten Ausfuhren von Kriegswaffen. Die Berichte werden bislang regelmäßig in der zweiten Jahreshälfte des auf das Berichtsjahr folgenden Jahres veröffentlicht (zu beabsichtigten Änderungen siehe Rn. 103). Sie enthalten statistische Angaben zu den erteilten Genehmigungen ohne Nennung des jeweiligen Exportunternehmens und Angaben in allgemeiner Form zu abgelehnten Anträgen. Begründungen für die Genehmigung oder Ablehnung eines Rüstungsexportgeschäftes werden nicht mitgeteilt soweit nicht nach dem Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern (ABl L 335 vom 13. Dezember 2008, S. 99 ff.) im Rahmen der danach vorgesehenen Ablehnungsanzeigen (sogenannte denial notifications) Ablehnungsgründe mitgeteilt wurden. Auch über die in dem jeweiligen Berichtsjahr beschiedenen Voranfragen betreffend die Genehmigungsfähigkeit bestimmter Ausfuhrvorhaben wird nicht berichtet (siehe zum Ganzen Rüstungsexportbericht 2013, S. 17).

11

Bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen beruft sich die Bundesregierung in ständiger Praxis darauf, dass Sitzungen und Entscheidungen des Bundessicherheitsrates der Geheimhaltung unterlägen und deshalb keine Auskunft gegeben werden könne (vgl. etwa BTDrucks 14/383, S. 2; 14/1466 S. 2; 14/1938, S. 3; PlenProt 14/68, S. 6063 A, 6066 A; BTDrucks 14/2483, S. 27 f.; 14/3619, S. 4 und 5; 14/3657, S. 3; 14/6958, S. 1 f.; 15/288, S. 26; 15/5998, S. 16; 16/7969, S. 6; PlenProt 16/97, S. 9947 C; PlenProt 16/99, S. 10101 D, 10102 A; zu einzelnen Ausnahmen vgl. etwa PlenProt 14/68, S. 6063 D und PlenProt 16/223, S. 24509).

12

Zu Voranfragen über die Genehmigungsfähigkeit bestimmter Ausfuhrvorhaben äußert sich die Bundesregierung bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen grundsätzlich nicht (vgl. BTDrucks 17/10520). Teilweise wurde in der Vergangenheit allerdings mitgeteilt, ob eine Voranfrage hinsichtlich der Genehmigungsaussichten eines bestimmten Exportgeschäfts (vgl. etwa BTDrucks 14/383, S. 1 und 2; 14/1466, S. 2; PlenProt 14/107, S. 10045 C und D, 10046 B; BTDrucks 14/3619, S. 2 und 3; 16/7969, S. 6) oder ein Genehmigungsantrag vorliegt (vgl. BTDrucks 14/3619, S. 3; 14/4213, S. 25; 14/4364, S. 3; 15/4295, S. 21 f.; 16/3430, S. 3; 17/9710, S. 12; 17/2889, S. 3). Nach Darstellung der Bundesregierung wird über abgelehnte Anträge, soweit sie den Bundessicherheitsrat involvieren, überhaupt nicht, ansonsten nur in Form des Rüstungsexportberichts Auskunft gegeben (vgl. PlenProt 17/161, S. 19141 B).

13

Die Gründe für die Ablehnung von Anträgen teilt die Bundesregierung auf parlamentarische Anfragen hin grundsätzlich nur mit, wenn diese nach dem Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP ohnehin als denial notification anzuzeigen sind (vgl. BTDrucks 16/12673, S. 8; 17/8275, S. 11 f.; 17/3391, S. 8).

II.

14

Dem Verfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

15

1. Anfang Juli 2011 berichteten mehrere Zeitschriften, Saudi-Arabien habe an mehr als 200 Panzern "Leopard" in der modernsten Version Interesse. Der Bundessicherheitsrat habe den Export grundsätzlich gebilligt. Die Artikel kritisierten die Panzerlieferung unter Verweis darauf, dass saudi-arabische Truppen im benachbarten Bahrain geholfen hätten, Proteste gegen die Regierung niederzuschlagen, und dass Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien in jüngerer Zeit stets abgelehnt worden seien. Zudem wurde berichtet, Deutschland wolle mit Algerien "milliardenschwere Rüstungsexporte abwickeln".

16

2. In der Fragestunde im Deutschen Bundestag am 6. Juli 2011 stellte der Abgeordnete Volker Beck die dringliche Frage 1, wie die Bundesregierung die Genehmigung der Lieferung von mehr als 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien vor dem Hintergrund von Saudi-Arabiens Intervention in Bahrain und der Lage im Nahen Osten rechtfertige. Hierauf antwortete der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Hans-Joachim Otto, nach allgemeinen Ausführungen über die Entscheidungsgrundlagen für Rüstungsexporte (PlenProt 17/119, S. 13797 D):

17

" (...) Bei etwaigen Ausfuhrvorhaben, die besonders brisant oder von besonderem Interesse sind, entscheidet in der Regel der Bundessicherheitsrat. (...) Herr Kollege Beck, Sie wissen genauso gut wie ich, dass der Bundessicherheitsrat seit jeher geheim tagt. Auch die Tagesordnungen und die Ergebnisse sind als Geheim eingestuft. Daher kann - dafür haben Sie sicherlich Verständnis - die Bundesregierung zu den Presseberichten über angebliche Entscheidungen des Bundessicherheitsrates keine Stellung nehmen. Ich möchte hinzufügen: Das war noch nie anders.

Die Notwendigkeit zur Geheimhaltung - das will ich noch erläutern - entsteht nicht aus irgendwelchen subjektiven Interessen oder Wünschen des Kabinetts oder des Bundessicherheitsrates, sondern es geht vorrangig um das Schutzbedürfnis der Beziehungen Deutschlands zu den möglichen Empfängerländern. Ein weiterer Grund ist der Schutz der Interessen des Empfängerlandes.

Zu den konkreten Presseberichten kann und darf ich deshalb nicht Stellung nehmen. Ich will aber trotzdem kurz zu Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien allgemein Stellung nehmen. (...)"

18

Auf eine Zusatzfrage des Abgeordneten Beck hin führte der Parlamentarische Staatssekretär Otto unter anderem aus:

"Herr Kollege Beck, erstens liegen Sie falsch, wenn Sie meinen, dass die Ergebnisse der Sitzungen des Bundessicherheitsrats in die Öffentlichkeit getragen werden dürfen. Es ist sogar so, dass man sich strafrechtlich zu verantworten hätte, wenn man der Öffentlichkeit Dienstgeheimnisse preisgäbe. (…) Weil das so ist - weil der Bundessicherheitsrat nicht öffentlich, sondern geheim tagt und auch die Ergebnisse geheim sind -, kann ich zum Thema Bahrain nicht im Einzelnen Stellung nehmen. (...) Ich kann weder bestätigen noch dementieren, dass es überhaupt eine Entscheidung gegeben hat."

19

Nach weiteren Zusatzfragen stellte der Antragsteller zu 1. die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13802 D):

"Herr Staatssekretär, Sie haben gerade auf die Fragen des Kollegen geantwortet, die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien sei anders als die in Deutschland. Ich frage Sie deshalb: Ist der Bundesregierung bekannt, dass in Saudi-Arabien von Amts wegen - also von Staats wegen - Menschen ausgepeitscht, in entwürdigender Art und Weise hingerichtet und unterdrückt werden, dass keine Bürgerrechte gelten, dass insbesondere Frauen, die nicht einmal Auto fahren dürfen, unterdrückt werden? Gibt die Bundesregierung mir recht, dass es sich hierbei um eine innere Repression sowie um eine fortdauernde und systematische Menschenrechtsverletzung handelt? Ist es, wenn solche Voraussetzungen vorliegen, nach den Richtlinien für Rüstungsexporte in solche Länder so, dass Genehmigungen nicht in Betracht kommen?"

20

Antwort Otto:

"Herr Kollege Ströbele, sollte es zu einer Entscheidung gekommen sein oder sollte es noch zu einer Entscheidung kommen, sind all diese Dinge zu berücksichtigen. Es ist nicht meine Aufgabe, jetzt hier eine Menschenrechtslage im Detail zu beurteilen. Ich bin Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Im Übrigen gibt es in Bezug auf diese Gesichtspunkte einen Abwägungsprozess. Auch die Menschenrechtslage ist im Rahmen eines Abwägungsprozesses zu berücksichtigen. Ich habe Ihnen bzw. Kollegen von Ihnen schon gesagt, dass wir uns - sonst würden wir den Menschenrechtsdialog nicht führen - Verbesserungen an dieser Front wünschen und diese anstreben. Wie Sie wissen, macht die EU das. Das gilt auch für die Bundesregierung. Detailfragen aber - ob Auspeitschungen und ähnliche Dinge vorkommen - sind nicht an den Bundeswirtschaftsminister zu richten."

21

Der Bundestagspräsident wies darauf hin, dass die Antworten unbeschadet der Aufteilung auf die Ressorts an die Regierung gerichtet und von dieser beantwortet würden.

22

Nach einer weiteren Zusatzfrage stellte die Antragstellerin zu 2. die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13803 D):

" (...) Herr Staatssekretär, Sie haben zu Beginn Ihrer Ausführungen die Rechtsgrundlagen dargelegt und die Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung zitiert. Danach sind Kriegswaffenexporte in Drittstaaten grundsätzlich verboten. Von diesem Grundsatz darf nur ausnahmsweise, beim Vorliegen besonderer sicherheitspolitischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland, abgewichen werden."

23

Antwort Otto:

"Korrekt".

24

Die Antragstellerin zu 2.:

"Dort steht aber auch: Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine Rolle spielen."

25

Antwort Otto:

"Keine ausschlaggebende."

26

Die Antragstellerin zu 2.:

"Können Sie ausschließen, dass bei der Entscheidung des Bundessicherheitsrates beschäftigungspolitische oder gar industriepolitische Gründe eine Rolle gespielt haben?"

27

Antwort Otto:

"Frau Kollegin, zunächst einmal: Ich kann Ihnen aus den bekannten Gründen gar keine Auskunft darüber geben, ob diese Entscheidung getroffen worden ist oder nicht. Ich möchte aber, um das klarzustellen, die entsprechende Stelle der Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung zitieren. In den Politischen Grundsätzen heißt es: Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine ausschlaggebende Rolle spielen. Dies bedeutet allerdings im Umkehrschluss, dass sie eine gewisse Rolle spielen dürfen, sozusagen als nachrangige Gründe. Ich kann mir vorstellen, dass dies auch bei ähnlichen Entscheidungen in der Vergangenheit der Fall war. Das wäre auch völlig legitim gewesen, weil die Politischen Grundsätze wie erwähnt niedergelegt worden sind. Ausschlaggebend ist das sicherheits- und bündnispolitische Interesse. Nachrangig können auch beschäftigungspolitische Gründe eine Rolle spielen."

28

Die Antragstellerin zu 3. schloss die Zusatzfrage an (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B):

" (...) Herr Otto, meine erste Frage. In der heutigen Ausgabe der seriösen Süddeutschen Zeitung war zu lesen: Aus Regierungskreisen verlautete, dass im Vorfeld der Entscheidung im Bundessicherheitsrat am 27. Juni dieses Jahres die Zustimmung von Israel und den USA eingeholt worden sei und dass beide Staaten nicht nur konsultiert worden seien, sondern auch keine Bedenken angemeldet hätten. - Stimmen diese Verlautbarungen aus Regierungskreisen? Meine zweite Frage. Sie haben vorhin gesagt, es gehe darum, dass die deutsche Außenpolitik die Werteordnung in der Region, in Saudi-Arabien, stabilisieren will. Von welcher Werteordnung sprechen Sie? Sind Menschenrechte Ihrer Meinung nach nicht universell gültig, sondern ist ihre Geltung von der jeweiligen Region abhängig?"

29

Antwort Otto:

"Ich möchte zunächst zu Ihrer zweiten Frage Stellung nehmen. Selbstverständlich sind Menschenrechte - sie sind in der UN-Menschenrechtscharta niedergelegt - weltweit gültig. (…)

Insofern: Die Standards, an denen wir die Menschenrechtslage messen, sind in der UN-Menschenrechtscharta niedergelegt, und an dieser universell geltenden Charta halten wir fest. Ich habe bereits geschildert, dass es in Saudi-Arabien diesbezüglich Defizite gibt. Sonst würden wir auch nicht in einem ständigen Dialog stehen.

Zu dem ersten Teil Ihrer Frage würde Herr Staatsminister von Klaeden gerne Stellung nehmen, wenn, Herr Präsident, das erlaubt ist."

30

Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin:

"Frau Kollegin Roth, es gilt das, was Kollege Staatssekretär Otto bereits gesagt hat, nämlich dass wir zu den Sitzungen des Bundessicherheitsrates keine Auskunft geben. Das gilt dann eben auch für die Frage, ob Pressemeldungen dementiert oder bestätigt werden. Ich will aber gerne noch einmal die Gelegenheit nutzen, einige Sätze zu unseren Beziehungen zu Saudi-Arabien zu sagen, damit hier kein unausgewogenes Bild entsteht. Hinsichtlich der Menschenrechtslage in Saudi-Arabien besteht zwischen der Einschätzung der seriösen Menschenrechts- und Außenpolitiker des Bundestages und der Einschätzung der Bundesregierung keine Differenz. Warum Saudi-Arabien trotz seiner schwierigen Menschenrechtssituation gleichwohl ein wichtiger Partner für uns ist, will ich an folgenden Punkten deutlich machen: (...)"

31

Nach weiteren Zusatzfragen zur Rolle Saudi-Arabiens in Bezug auf terroristische Aktivitäten und die Ereignisse in Bahrain stellte der Abgeordnete Dr. Frithjof Schmidt die Zusatzfrage, ob die Bundeskanzlerin die Ermächtigung erteilen könne, über Sitzungen des Bundessicherheitsrates Auskunft zu geben, und ob eine politische Begründung genannt werden könne, weshalb sie dies nicht tue.

32

Antwort Otto:

"Ich nehme hier nicht die Rolle der Bundeskanzlerin ein. Ich sitze nicht auf ihrem Platz, sondern daneben. Aber ganz klar ist, dass es zumindest seit dem Jahr 2000 völlig unstreitig ist, (...) dass der Verlauf und die Ergebnisse der Sitzungen des Bundessicherheitsrats als Geheim einzustufen sind, was zur Folge hat, dass niemand, auch nicht die Bundeskanzlerin, das Recht hat, dies sozusagen durch freie Entscheidung zu öffnen. (...)"

33

Anschließend wurde die dringliche Frage 2 des Antragstellers zu 1) (BTDrucks 17/6438, S. 1) aufgerufen (PlenProt 17/119, S. 13807 A):

"Welche Angaben macht die Bundesregierung zum jetzt bekannt gewordenen Zustandekommen des Waffengeschäfts über die Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern von Deutschland an Saudi-Arabien hinsichtlich der Zahlung 'nützlicher Aufwendungen' sowie der Vermittler, Unterstützer in der Bundesregierung und Nutznießer dieses Waffengeschäfts?"

34

Antwort Otto:

"Herr Kollege Ströbele, ein Teil Ihrer Frage bezieht sich auf das, was wir eben schon ausgiebig diskutiert haben. Ich nehme Bezug auf das, was ich eben schon gesagt habe, und möchte das nicht verlängern. Im Übrigen kann ich Ihnen mitteilen, dass der Bundesregierung keinerlei Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vorliegen, die irgendwie im Zusammenhang mit dem in der Presseberichterstattung genannten Geschäft stehen könnten. Wäre es anders, würde die Bundesregierung von irgendeiner gesetzwidrigen Zahlung Erkenntnisse bekommen, dann wäre das eine Sache der Strafverfolgungsbehörden. Auch insofern verweise ich auf die Richtlinie der Bundesregierung zur Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung vom 30. Juli 2004. Sie werden sie sicherlich noch gut kennen; sie ist nämlich in der Zeit der rot-grünen Regierungskoalition verabschiedet worden. Auch sie, Herr Kollege Ströbele, gilt unverändert fort."

35

Der Antragsteller zu 1. stellte folgende Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C):

"Herr Staatssekretär, Ihre Auffassung, dass Sie hier jegliche Auskunft über das Geschäft verweigern dürfen, ist nicht nur abenteuerlich, sondern verfassungswidrig. Sie hebeln faktisch das Recht des Deutschen Bundestages, die Bundesregierung zu kontrollieren, in diesem wichtigen Punkt, der mindestens die Hälfte der deutschen Bevölkerung beschäftigt, für ein Jahr aus.

Meine Frage an Sie lautet: Wie viel kosten die 200 Leopard-Kampfpanzer, wenn man sie in Deutschland kauft bzw. verkauft, und wie viel soll die saudi-arabische Regierung dafür bezahlen? Denn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Kaufpreis und dem, was tatsächlich gezahlt wird, gilt wie schon im Jahr 1991 als sogenannte nützliche Aufwendungen, das heißt Bestechungsgelder.

Deshalb richte ich als Abgeordneter des Bundestages, der die Bundesregierung auch bei diesem Geschäft kontrollieren muss, diese Frage an Sie."

36

Antwort Otto:

"Herr Kollege Ströbele, mit allem Respekt: Es ist sehr mutig, was Sie hier machen. Zunächst einmal weise ich den Vorwurf, ich würde mich verfassungswidrig verhalten, mit allem Nachdruck zurück. Ich mache genau das, was alle Bundesregierungen bisher aus gutem Grund gemacht haben. Nennen Sie mir einen einzigen Fall aus den vergangenen Jahren, auch unter rot-grüner Regierung, in dem sich ein Staatssekretär hier hingestellt hat und gesagt hat: Herr Ströbele, das und das ist im Bundessicherheitsrat beschlossen worden. - Das hat es nie gegeben, und dafür gibt es gute Gründe. Das hat mit Verfassungswidrigkeit nichts zu tun. Es war die rot-grüne Bundesregierung, die noch einmal festgestellt hat, dass die Berichterstattung über die Beschlüsse des Bundessicherheitsrates und die Rüstungsexportpolitik in einem jährlichen Rüstungsexportbericht niedergelegt wird. Dadurch wird das Parlament beteiligt.

Der Rüstungsexportbericht für 2010 wird in Kürze veröffentlicht. Ich kann Ihnen die Zahlen für Saudi-Arabien geben. Im Übrigen, Herr Kollege Ströbele, zu dem, was Sie da an Spekulationen geäußert haben - also zur Preisdifferenz; das, was in der Presse steht -, will ich in keiner Weise Stellung nehmen. Ich halte Ihre Spekulationen wirklich für abenteuerlich und weise sie zurück. Die Annahme, dass ein in Saudi-Arabien gegenüber Deutschland veränderter Preis automatisch mit nützlichen Aufwendungen, kriminellen Handlungen verbunden ist, ist wirklich - mit Verlaub - Ihre private Meinung. Das ist nicht die Meinung der Bundesregierung."

37

Der Antragsteller zu 1. stellte folgende zweite Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13807 D, S. 13808 A):

"Herr Staatssekretär, bis zum Jahre 1999 habe ich es auch als abenteuerlich angesehen, dass ein ausgewachsener deutscher Bundeskanzler Barbeträge, gebündeltes Bares von Spendern anonym entgegennimmt und in seine Jackentasche steckt. Ich habe es auch als abenteuerlich angesehen, dass 220 Millionen Euro an sogenannten nützlichen Aufwendungen gezahlt wurden, von denen 1 Million an die CDU, an deren Schatzmeister, geflossen sind. Das war alles abenteuerlich. Seit dem Jahr 1999 weiß ich, dass so etwas in der Bundesrepublik Deutschland möglich ist. Deshalb stelle ich Ihnen nochmals die Frage: Sind Sie bereit, über Einzelheiten dieses Geschäfts dem Deutschen Bundestag Auskunft zu geben, oder verweigern Sie diese weiterhin in verfassungswidriger Weise?"

38

Antwort Otto:

"Herr Kollege Ströbele, in aller Klarheit: Der Vorwurf an ein Mitglied der Bundesregierung, sich verfassungswidrig zu verhalten, ist starker Tobak. Sie wissen genauso gut wie ich, weil Sie langjähriger Parlamentarier sind: Niemand von denen, die hier Zwischenrufe machen, würde sich anders verhalten, wenn er in meiner Situation wäre, niemand. Ich würde mich sogar strafbar machen, wenn ich irgendwelche Erkenntnisse, die ich als Mitglied der Bundesregierung erhalten habe, hier offenbarte. Das geht nicht anders. Das war zu Ihrer Zeit auch nicht anders. Dafür gibt es gute Gründe; das habe ich schon gesagt. Das hat mit Verfassungswidrigkeit gar nichts zu tun, Herr Kollege Ströbele, bei allem Respekt. Zu dem, was Sie zu früheren Zeiten, zu 1999, gesagt haben - auch ich war in dem Untersuchungsausschuss Mitglied -: Das ist aufgeklärt worden. Das wird sich auch nicht wiederholen. Ich hoffe nicht, dass durch Ihre Frage intoniert werden sollte, die jetzige Bundesregierung hätte Ähnliches vor oder getan. Ich weise das in aller Klarheit zurück. Das ist aufgearbeitet worden. Es hat auch Strafverfahren gegeben. Dass Sie das jetzt in einen Zusammenhang mit diesen Presseberichten stellen, finde ich schon sehr fragwürdig."

39

Zu weiteren Zusatzfragen zu bisherigen Anfragen Saudi-Arabiens wegen des Erwerbs von Panzern führte der Parlamentarische Staatssekretär Otto aus:

"Diese Antwort habe ich genauso zu verweigern wie jede andere. Auch solche Anfragen sind geheimschutzbedürftig. Ich bin nicht befugt, jede Frage nach Anfragen nach Rüstungsgütern zu beantworten. Das ist sehr naheliegend; denn wenn die Bundesregierung verpflichtet wäre, schon bei Eingang einer Anfrage die Öffentlichkeit zu informieren, dann würden viele - vielleicht sogar nach Ihrer Meinung - notwendige Geschäfte vereitelt. Das gilt übrigens auch für Anfragen jenseits von Rüstungsgütern, zum Beispiel nach Dual-use-Gütern. Die Verwaltung ist nicht befugt, Auskünfte über Anfragen nach Rüstungsgütern oder sonstige Exportgenehmigungen zu erteilen. Genauso wie bei jedem anderen Verwaltungshandeln ist das alles diskret zu behandeln. Darüber werden in der Öffentlichkeit keine Auskünfte gegeben. All das, was notwendig ist, um das Parlament zu unterrichten, enthält der Rüstungsexportbericht. Der Rüstungsexportbericht und die Stellung des Bundessicherheitsrates gehen nicht auf diese Regierung zurück. Es handelt sich hier um eine jahrzehntelange Praxis."

40

Nach weiteren Zusatzfragen zur Auslegung und Verbindlichkeit der Rüstungsexportrichtlinien, zur Bundesregierung als dem "Erfüllungsgehilfen der deutschen Rüstungslobby" und zum Entscheidungsverfahren im Bundessicherheitsrat wurde die dringliche Frage 3 der Antragstellerin zu 2. (BTDrucks 17/6438, S. 1) aufgerufen (PlenProt 17/119, S. 13810 D):

"Welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe führt die Bundesregierung für die Genehmigung der am 4. Juli 2011 durch das Magazin Der Spiegel gemeldeten Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien an, und wie bewertet die Bundesregierung die Vereinbarkeit dieser Lieferung mit den einzelnen Kriterien des EU-Kodex für Waffenausfuhren?"

41

Antwort Otto:

"Frau Kollegin Keul, nachdem ich schon recht ausführlich zu den dringlichen Fragen 1 und 2 Stellung genommen habe, kann ich in Ihrer Frage keinen zusätzlichen Gehalt erkennen, der über den der dringlichen Frage 1 hinausgeht. Deswegen wiederhole ich das, was ich auf die Frage des Kollegen Beck gesagt habe, auch Ihnen gegenüber."

42

Die Antragstellerin zu 2. stellte die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13811 A):

"Ich wüsste gerne, auf welche Weise die Bundesregierung ausschließt, dass die für Saudi-Arabien genehmigten Rüstungsexportgüter zu innerer Repression genutzt werden."

43

Antwort Otto:

"Frau Kollegin Keul, wenn ich dazu Stellung nähme, würde ich eine Auskunft geben, dass es eine Entscheidung gegeben hat oder dass es keine Entscheidung gegeben hat. Da ich diese Auskunft aus den bekannten Gründen nicht geben kann, kann ich Ihre Frage nicht beantworten. Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Grundsätze, sowohl die Politischen Grundsätze der Bundesregierung als auch die des Europäischen Rates, in jedem Einzelfall zu beachten sind und von der Bundesregierung in jedem Fall auch peinlich beachtet werden. Das ist die klare Aussage. Das ist eine Selbstbindung der Bundesregierung, die nach wie vor gilt. Da gibt es keine Veränderung. Es ist genau so wie in den Jahren vorher."

44

Als im Folgenden thematisiert wurde, ob es einen Austausch mit anderen Regierungen im Hinblick auf die Genehmigung gegeben habe, antwortete der Parlamentarische Staatssekretär Otto:

" (…) Das betrifft nicht den Bundessicherheitsrat, aber dabei handelt es sich um sicherheitspolitische Interessen, die hier nicht auf dem Markt verhandelt werden können. (…) Sicherheitspolitische Absprachen zwischen Bündnisländern können hier nicht im Einzelfall besprochen werden. Das kann nicht anders sein, und das gilt unabhängig von Rüstungsexportfragen. (…) Das sind Rücksichtnahmen auch auf bilaterale Beziehungen. (…)"

45

Später wurde die dringliche Frage 4 des Abgeordneten Niema Movassat aufgerufen:

"Wie vereinbart die Bundesregierung die geplante Lieferung von Panzern an Saudi-Arabien mit ihren Äußerungen, an der Seite der Demokratiebewegung in den arabischen Ländern zu stehen?"

46

Hierzu stellte die Antragstellerin zu 3. folgende Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13814 B):

"Herr Westerwelle hat in seinen ersten außenpolitischen Leitlinien dafür plädiert, dass jenen Staaten die Entwicklungshilfe zu streichen sei, in denen Männer und Frauen nur deshalb hingerichtet werden, weil sie homosexuell sind.

Unseres Wissens gibt es in Saudi-Arabien eine drakonische Verfolgung von Schwulen und von Lesben. Sie müssen mit der Todesstrafe rechnen, wenn man ihnen Homosexualität nachweisen kann. Muss ich Ihre Äußerungen jetzt so interpretieren, dass Saudi-Arabien keine Entwicklungshilfe, wenn es welche beantragen würde - Konjunktiv! -, bekommen würde, weil dort Homosexualität verfolgt wird, aber Panzer bekommen würde, weil diese zur Stabilisierung der Region beitragen?"

47

Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt:

"Frau Abgeordnete, was die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien anbelangt, will ich unterstreichen, was Sie gesagt haben: Die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien ist auf keinen Fall zu akzeptieren. Sie ist sehr unbefriedigend, auch wenn sich die Regierung seit einigen Jahren für Menschenrechtsthemen öffnet. 2009 gab es 69 Hinrichtungen und 2010 immer noch 29. Schlimm sind auch die religiöse Intoleranz, Frauendiskriminierung und Rechtlosigkeit ausländischer Arbeitskräfte und vieles andere mehr. Bei realistischer Einschätzung muss man sagen, dass die Bemühungen der Regierung und des Schura-Rates, also des rein beratenden und vom König ernannten Parlaments, die wichtigsten internationalen Menschenrechtsstandards in nationales Recht umzusetzen, sicher erst in Jahren erfolgreich sein werden. Das ist sehr unbefriedigend; da gebe ich Ihnen recht. Sehen Sie bitte auf der anderen Seite, dass wir an der Stabilität in dieser Region und an einer entsprechenden Sicherheitspolitik interessiert sind und deshalb auch nach Strohhalmen greifen. Es ist wichtig, dass sich Saudi-Arabien - Staatsminister von Klaeden hat es bereits gesagt - für Friedensinitiativen in der Region engagiert, wie es 2002 der Fall war."

48

3. Im Juli stellte die Antragstellerin zu 2. die schriftliche Anfrage an die Bundesregierung (Frage 7/132; BTDrucks 17/6658, S. 24):

"Wann hat die Bundesregierung den Verkauf von Transportpanzern Fuchs, Last- und Geländewagen, Fregatten oder Verteidigungs- und Sicherheitselektronik für den Grenzschutz bzw. dazu bestimmte Fertigungsanlagen an Algerien genehmigt (vgl. Handelsblatt, "Deutschland gibt Rüstung für Algerien frei", 3. Juli 2011) und welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe führt sie jeweils für die Genehmigung an?"

49

Für die Bundesregierung antwortete der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Jochen Homann, am 15. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 24 f.):

"Über Rüstungsexporte entscheidet die Bundesregierung im Einzelfall und im Lichte der jeweiligen Situation. Grundlage hierfür sind (…).

Bei Ausfuhrvorhaben, die im Hinblick auf das Empfängerland, das Rüstungsgut oder den Geschäftsumfang von besonderer Bedeutung sind, wird in der Regel der Bundessicherheitsrat befasst. (…).

Der Bundessicherheitsrat tagt geheim. Tagesordnung und Ergebnisse sind ebenso eingestuft. Daher kann die Bundesregierung zu den Presseberichten über Entscheidungen des Bundessicherheitsrats keine Stellung nehmen.

Die Notwendigkeit zur Geheimhaltung ergibt sich vorrangig aus dem Schutzbedürfnis der Beziehungen Deutschlands zu den möglichen Empfängerländern. Der Schutz der Interessen des Empfängerlands ist ein weiterer Grund.

Die Bundesregierung informiert über die erteilten Exportgenehmigungen für Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter nach Algerien in ihrem jährlichen Rüstungsexportbericht im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen. Bei der Entscheidung über Rüstungsexporte nach Algerien werden insbesondere die Zusammenarbeit mit Algerien im Kampf gegen den Terrorismus, die legitimen Sicherheitsinteressen Algeriens sowie die Menschenrechtslage in Algerien berücksichtigt."

50

Am 8. Juli 2011 stellte der Antragsteller zu 1. die Frage zur schriftlichen Beantwortung an die Bundesregierung (Frage 7/84; BTDrucks 17/6658, S. 56):

"Inwieweit trifft im Einzelnen zu, dass die Bundeswehr schon im 3. Quartal dieses Jahres - also in den jetzigen Monaten - Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien schicken (bzw. durch den Hersteller schicken lassen) wird und dort - wie schon zu Anfang 2011 in Katar - auf deren Klima- bzw. Wüstentauglichkeit sowie Kampffähigkeit testen lassen will, wie am 24. Mai 2011 der Abteilungsleiter im Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, [Herr] E., oder ein anderer Redner von dem Panzerbataillon 33 in der Wilhelmstein-Kaserne anlässlich der öffentlichen Soldaten-Verabschiedung nach Afghanistan angekündigt haben soll, und sofern dies grundsätzlich zutrifft, wie steht dieses Vorhaben im Zusammenhang mit dem offenbar genehmigten Verkauf von 200 Leopard-Panzern nach Saudi-Arabien?"

51

Für die Bundesregierung antwortete der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium Christian Schmidt am 18. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 56):

" (…) Nach den im BMVg vorliegenden Redetexten der Veranstaltung vom 24. Mai 2011 beim Panzerbataillon 33 lässt sich nicht erkennen, dass einer der Redner die Aussage getätigt hat, Leopard-Panzer sollen durch die Bundeswehr, oder in deren Auftrag durch den Hersteller KMW, in Saudi-Arabien getestet werden.

Ich darf Ihnen mitteilen, dass weder die Bundeswehr selbst noch durch Beauftragte die Klima- bzw. Wüstentauglichkeit sowie Kampffähigkeit von Leopard-Panzern in Saudi-Arabien feststellen lässt."

52

Am 14. Juli 2011 stellte der Antragsteller zu 1. die Frage zur schriftlichen Beantwortung an die Bundesregierung (Frage 7/193; BTDrucks 17/6658, S. 28):

"Welche Angaben macht die Bundesregierung zu getroffenen Entscheidungen der Bundesregierung bzw. ihrer Ausschüsse oder nachgeordneten Stellen betreffend die Lieferung von ca. 200 Panzer LEO in die Krisenregion am arabischen Golf nach Saudi-Arabien, insbesondere zu der bisherigen Verbindlichkeit der Entscheidungen und zu den Inhalten der Entscheidungen wie Verkaufspreise, Lieferbedingungen oder eventuellen Auflagen zum Einsatz in diesem Land oder in anderen Ländern, und wie rechtfertigt die Bundesregierung Entscheidungen über diese Kriegswaffenexporte angesichts der Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung, nach denen solche Kriegswaffenlieferungen in Länder wie Saudi-Arabien, in den fortdauernd und systematisch Menschenrechte verletzt werden, nicht in Betracht kommen?"

53

Für die Bundesregierung antwortete der Staatssekretär beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Dr. Bernhard Heitzer am 21. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 29):

"Der Bundesregierung sind die aktuellen Presseberichte über eine angebliche rüstungsexportkontrollpolitische Entscheidung des Bundessicherheitsrats zur Ausfuhr von 200 Panzern Leopard nach Saudi-Arabien bekannt. Tagesordnung und Entscheidungen des Bundessicherheitsrats unterliegen der Geheimhaltung. Daher kann die Bundesregierung hierzu nicht Stellung nehmen.

In allgemeiner Form kann jedoch gesagt werden:

Über Rüstungsexporte entscheidet die Bundesregierung im Einzelfall und im Lichte der jeweiligen Situation nach sorgfältiger Prüfung unter Einbeziehung außen- und sicherheitspolitischer Erwägungen. Grundlage hierfür sind die 'Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern' aus dem Jahr 2000 und der 'Gemeinsame Standpunkt 2008/944/GASP des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern'. Der Beachtung der Menschenrechte im Empfängerland und den Möglichkeiten eines Missbrauchs des konkreten Rüstungsguts kommen im Rahmen der hiernach vorzunehmenden Gesamtabwägung eine besondere Bedeutung zu.

Saudi-Arabien ist ein stabilisierender Faktor in der Region und wichtiger Partner der Bundesrepublik Deutschland.

Im Rahmen ihrer bilateralen Beziehungen mit Saudi-Arabien setzt sich die Bundesregierung für die Einhaltung von demokratischen Werten und Menschenrechten ein. (…)

(…) Die Bundesregierung verfolgt die aktuellen Entwicklungen in Saudi-Arabien und der Region sehr genau."

54

Am 14. Juli 2011 stellte die Antragstellerin zu 3. die schriftliche Frage an die Bundesregierung (Frage 7/174; BTDrucks 17/6658, S. 26):

"Wie begründet die Bundesregierung die Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern an Saudi-Arabien angesichts der geltenden Richtlinien für Rüstungsexporte, die Waffengeschäfte mit [Staaten wie] Saudi-Arabien aufgrund der hinreichenden Belege für massive und alltägliche Menschenrechtsverletzungen verbieten?"

55

Die Antwort des Staatssekretärs beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Dr. Bernhard Heitzer für die Bundesregierung am 21. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 26 f.) ist wortgleich mit der am gleichen Tag erteilten Antwort auf die Frage des Antragstellers zu 1. vom 14. Juli 2011.

56

Ebenfalls am 14. Juli 2011 stellte die Antragstellerin zu 3. die schriftliche Frage an die Bundesregierung (Frage 7/175; BTDrucks 17/6658, S. 27):

"Welche Angaben macht die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag gegenüber zum bekannt gewordenen Zustandekommen der Leopard-Kampfpanzerlieferung an Saudi-Arabien hinsichtlich der Zahlung 'nützlicher Aufwendungen' sowie der Vermittler, Unterstützer in der Bundesregierung und Nutznießer dieses Waffengeschäfts?"

57

Für die Bundesregierung antwortete der Staatssekretär beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Dr. Bernhard Heitzer am 21. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 27):

"Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, die im Zusammenhang mit dem in der Presseberichterstattung genannten Geschäfte stehen könnten. Anderenfalls wären bereits die Strafverfolgungsbehörden unterrichtet worden. Im Übrigen wird auf die Richtlinie der Bundesregierung zur Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung vom 30. Juli 2004 verwiesen."

III.

58

Die Antragsteller begehren die Feststellung, sie seien durch die Antragsgegnerin dadurch in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt worden, dass ihre oben wiedergegebenen Fragen beziehungsweise Nachfragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages vom 6. Juli 2011 und ihre oben wiedergegebenen schriftlichen Fragen durch die Antragsgegnerin nicht beziehungsweise unzureichend beantwortet worden seien.

59

1. Die Antragsteller sehen ihre Anträge als zulässig an. Insbesondere sei die Bundesregierung die richtige Antragsgegnerin. Sie könne nicht etwa auf eine Zuständigkeit des Bundessicherheitsrates verweisen, denn der Informationsanspruch der Abgeordneten und des Gesamtparlaments richte sich nach Maßgabe der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages gegen die Bundesregierung. Außerdem sei der Bundessicherheitsrat ein Ausschuss der Antragsgegnerin und damit Teil derselben.

60

2. Durch die Art der Beantwortung der Fragen habe die Antragsgegnerin sie in ihren verfassungsrechtlichen Rechten verletzt.

61

a) Aus Art. 38 Abs. 1 GG folge ein Informationsanspruch der Abgeordneten, dem hier auch angesichts der Regelung des Art. 26 Abs. 2 GG keine wesentlichen Schranken - etwa durch Geheimhaltungsbedürftigkeit im Hinblick auf den Bundessicherheitsrat als besonderen Entscheidungsträger - gesetzt werden könnten.

62

Art. 26 Abs. 2 GG sei als Verbot mit Befreiungsvorbehalt zu verstehen. Die Genehmigung selbst müsse jeweils unter Berücksichtigung der Ziele des Art. 26 Abs. 1 GG, jede Friedensstörung möglichst weitgehend zu vermeiden, gerechtfertigt werden. Dass Kriegswaffen nach Art. 26 Abs. 2 GG "nur mit Genehmigung der Bundesregierung" in Verkehr gebracht werden dürften, spreche im Zusammenhang mit Art. 62 GG dafür, dass nur die gesamte Bundesregierung im Kabinett eine entsprechende Entscheidung treffen könne. Eine Delegation an ein anderes Gremium sei in höchstem Maße verfassungsrechtlich bedenklich. Jedenfalls müsse die Bundesregierung selbst dann, wenn eine solche Delegation möglich wäre, in vollem Umfang die Verantwortung für die getroffenen Maßnahmen übernehmen.

63

Weil Art. 26 Abs. 2 GG der Bundesregierung eine besondere Verantwortung zuweise und die Ausübung dieser Verantwortung effektiv nur durch das Parlament kontrolliert werden könne, bestehe eine besonders stringente Informationspflicht gegenüber dem Parlament. Andere Kontrollmechanismen seien nur bedingt wirksam. Hinsichtlich der Genehmigungen bestehe im Wesentlichen ein ungebundenes Ermessen mit der Folge besonderer Korruptionsanfälligkeit. Dies zeigten auch die Feststellungen des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages in der 14. Wahlperiode zu Schmiergeld im Zusammenhang mit der Lieferung von Fuchs-Panzern an Saudi-Arabien. Vor dem damaligen Untersuchungsausschuss hätten die Zeugen Dr. Kohl und Genscher öffentlich über den Gang der Beratungen und die Entscheidung im Bundessicherheitsrat detailliert ausgesagt.

64

Das Informationsinteresse der Antragsteller sei vorliegend zudem besonders hoch gewesen. Die Pressemeldungen über den Export von 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien hätten bei vielen Mitgliedern des Deutschen Bundestages und in der Öffentlichkeit zu Unruhe und Empörung geführt, weil die Bundesrepublik die Demokratiebewegungen des "arabischen Frühling(s)" begrüßt und unterstützt habe, gerade die Regierung des Königreichs Saudi-Arabien aber einige Wochen vorher nicht nur Demokraten im eigenen Land unterdrückt und systematisch Menschenrechte verletzt habe, sondern auch in Bahrain mit Panzern eingerückt sei, um zu helfen, die Demokratiebewegung dort blutig niederzuwalzen. Dies sei wiederum von zahlreichen Regierungen und Abgeordneten übereinstimmend verurteilt worden. Gerade die Leopard-Panzer Typ 2 A7 seien besonders ausgerüstet und geeignet für den Einsatz gegen Menschenmengen und für den Straßenkampf.

65

b) Geheimhaltungsgründe, die dem parlamentarischen Informationsrecht entgegenstehen könnten, habe die Antragsgegnerin nicht beziehungsweise nicht substantiiert dargetan. Die Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrats könne einen Geheimhaltungsbedarf nicht bindend gegenüber dem Parlament begründen. Im Übrigen könne und müsse die Geheimhaltung aufgehoben werden, wenn keine hinreichenden Gründe für diese bestünden.

66

Die Antragsgegnerin könne nicht auf die Erfüllung des parlamentarischen Informationsanspruchs durch den jährlichen Rüstungsexportbericht verweisen. Nicht die Antragsgegnerin bestimme, in welcher Weise und wann das Parlament Informationen erhalte, sondern allein das nach den Maßgaben der Geschäftsordnung des Bundestages an sie herangetragene Informationsbegehren.

67

Die Geheimhaltungsbedürftigkeit könne auch nicht mit rechtlich geschützten Interessen der Exporteure begründet werden. Da deren Geschäfte von der Verfassung gerade grundsätzlich missbilligt würden, fehle es an einer verfassungsrechtlich schützenswerten Rechtsposition. Hersteller und Verkäufer von Kriegswaffen müssten ebenso wie Abnehmer mit Rücksicht auf die Friedensverpflichtung aus Art. 26 GG mit einer nur eingeschränkten Geltung von Betriebsgeheimnissen jedenfalls gegenüber dem Parlament rechnen. Dass Saudi-Arabien Interesse am Kauf deutscher Panzer einer bestimmten Firma habe, sei überdies seit Jahren bekannt und kein schützenswertes Betriebsgeheimnis mehr.

68

Einen Schutz des Kernbereichs der Entscheidungsfindung könne die Antragsgegnerin grundsätzlich nur bei laufenden Vorgängen in Anspruch nehmen. Solange sie nicht klar sage, ob und von wem eine Entscheidung überhaupt getroffen worden sei, berufe sie sich nicht substantiiert auf den Kernbereichsschutz. Der Gesichtspunkt der "Aufklärung von Missständen" gebiete zudem vorliegend einen engen Zuschnitt des Kernbereichs auch bei laufenden Vorgängen. Überdies sei der Vorgang bereits mit der politischen Entscheidung des Bundessicherheitsrates und nicht etwa erst mit der Erteilung des Genehmigungsbescheids "abgeschlossen" im Sinne der Kernbereichs-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dies gelte auch bei Voranfragen. Die Fragen der Antragsteller seien zudem gerade nicht auf die Ausforschung der Willensbildung der Regierung gerichtet, sondern wollten nur die Kontrolle von gefällten Entscheidungen ermöglichen. Bei einer gegenüber Volk und Parlament verantwortlichen Regierung verbiete es sich, die öffentliche oder parlamentarische Debatte selbst als Eingriff in den Kernbereich der Regierung oder als "verbotenes Mitregieren" anzusehen.

69

Auf eine Beeinträchtigung des Staatswohls durch eine Offenlegung des "Ob" und der Einzelheiten einer Genehmigungsentscheidung habe sich die Antragsgegnerin bisher hinsichtlich des Rüstungsexportes nach Saudi-Arabien nicht klar berufen. Sollte sie anführen wollen, dass die Offenlegung von Einzelheiten über den Export zur Beeinträchtigung des Verhältnisses zu anderen Staaten führen könne, so stimme dieses Bild nicht mit den Wertungen des Art. 26 Abs. 2 GG überein. Da vor den friedenssichernden Zielen des Art. 26 GG jeder Export rechtfertigungsbedürftig sei und im demokratisch verfassten Deutschland eine Rechtfertigung grundsätzlich öffentlich vor dem Parlament erfolge, könne die Ausübung der Kontrollpflichten des Bundestages das Staatswohl nicht beeinträchtigen.

70

Soweit die Antragsgegnerin nun im Organstreitverfahren auf sicherheits- und verteidigungspolitische Belange verweise, fehle es am konkreten Bezug zu den Fragen. Das sicherheitspolitische Interesse der Bundesrepublik an Panzerlieferungen auf die arabische Halbinsel erschließe sich nicht. Auf die Belastung außenpolitischer Beziehungen durch Bekanntwerden kritischer Bewertungen potentieller Empfängerländer könne sich die Antragsgegnerin schon deshalb nicht berufen, weil im Fall Saudi-Arabien die Menschenrechtslage jährlich durch den Menschenrechtsbericht öffentlich kritisch bewertet werde. Selbst wenn an einzelnen Punkten Geheimhaltungsbedürftigkeit bestehen sollte, hätte die Antragsgegnerin das Parlament vertraulich informieren müssen.

71

Es handle sich auch nicht um unzulässige hypothetische Fragen. Frageziel der Antragsteller sei gewesen zu erfahren, ob eine politische Entscheidung getroffen worden sei und welche Bewertungen dieser Entscheidung zugrunde gelegen hätten. Die Fragen hinsichtlich der Bewertung seien nur deshalb "hypothetisch" gewesen, weil die Antragsgegnerin rechtswidrigerweise schon die Antwort auf das "Ob" verweigert habe.

72

Angesichts der öffentlichen Diskussion dränge sich der Eindruck auf, dass die Antragsgegnerin sich hinter dem Argument der Geheimhaltung verstecke. Die Verfassung berechtige die Antragsgegnerin jedoch nicht zu einer alleinigen Steuerung des gesamten parlamentarischen und öffentlichen Kommunikationsprozesses im Bereich der Rüstungsexporte. Andere Staaten ließen hier mehr Transparenz und parlamentarische Kontrolle zu. Die Antragsgegnerin dürfe nicht den Zeitpunkt einer öffentlichen Debatte beeinflussen und diese fern der politischen Entscheidung halten. Politische Debatten fänden zeitnah zur Entscheidung der Regierung statt.

73

3. Die Antragsteller sind der Ansicht, die Antragsgegnerin habe die Frage, ob die thematisierten Waffenlieferungen von der Bundesregierung genehmigt worden seien, mit dem bloßen Hinweis auf den geheim tagenden Bundessicherheitsrat beantwortet. Fragen zu Einzelheiten der Waffenlieferungen habe sie überhaupt nicht beantwortet. Vielmehr habe sie lediglich allgemeine Erwägungen zu dem Für und Wider von Waffengeschäften unter Bezugnahme auf gesetzliche Regelungen und Rüstungsexportrichtlinien mitgeteilt.

74

a) Hinsichtlich der dringlichen Anfrage des Antragstellers zu 1. (PlenProt 17/119, S. 13807 A) habe die Antragsgegnerin Bezug genommen auf Antworten, die auf die vorangegangene dringliche Frage des Abgeordneten Volker Beck und die dazu gestellten Zusatzfragen gegeben worden seien. Mit dem auf diese Weise in Bezug genommenen Hinweis auf die Geheimhaltung für Sitzungen des Bundessicherheitsrates sei jegliche Antwort darauf verweigert worden, ob überhaupt schon eine Genehmigung für die Panzerlieferung erteilt worden sei. Schon gar nicht sei die Teilfrage beantwortet worden, ob "nützliche Aufwendungen" gezahlt worden seien und wer am Zustandekommen des Kriegswaffengeschäfts beteiligt gewesen sei.

75

Hinsichtlich einer Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. (PlenProt 17/119, S. 13802 D) sei seitens der Antragsgegnerin die Antwort mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit anderer Ressorts verweigert worden. Auch ein Hinweis des Bundestagspräsidenten habe nicht zu einer ergänzenden Antwort geführt. Insbesondere sei die Teilfrage nicht beantwortet worden, ob nach dem Wortlaut der Rüstungsexportrichtlinien eine Lieferung von Kriegswaffen in Länder, in denen fortdauernd und systematisch Menschenrechte verletzt würden, gar nicht in Betracht komme.

76

Hinsichtlich der ersten Nachfrage des Antragstellers zu 1. zu seiner dringlichen Frage (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C) habe die Antragsgegnerin Informationen über den Preis der Leopard-Panzer in Deutschland und darüber, wieviel Saudi-Arabien dafür zahle, vollständig verweigert. Damit bleibe sie eine Antwort auf die implizite Vorfrage, ob ein Export genehmigt worden sei, schuldig.

77

Mit seiner zweiten Nachfrage zu seiner dringlichen Frage (PlenProt 17/119, S. 13807 D, S. 13808 A) habe der Antragsteller zu 1. ersichtlich wiederum Einzelheiten über den Waffenexport zu erfahren versucht. Die Antragsgegnerin habe die Antwort darauf mit dem generellen Hinweis auf ein Offenbarungsverbot umfassend verweigert.

78

Auch die schriftliche Frage des Antragstellers zu 1. nach getroffenen Entscheidungen betreffend die Panzerlieferung, zu deren Verbindlichkeit und Inhalten wie Verkaufspreisen, Lieferbedingungen und Auflagen (Frage 7/193) sei wiederum nicht beantwortet worden.

79

In ihrer Antwort auf die schriftliche Frage 7/84 des Antragstellers zu 1. habe die Bundesregierung verschwiegen, dass in der Zeit vom 26. Juni bis 30. Juli 2011 sehr wohl deutsche Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 A7 auf ihre Klima- und Wüstentauglichkeit unter Beteiligung von Bundeswehrsoldaten getestet worden seien, und zwar in dem Golfstaat Arabische Emirate. Mit ihrer unvollständigen Antwort, die ausschließlich am Wortlaut der Frage orientiert sei, ignoriere die Bundesregierung bewusst den offensichtlichen Sinn und das Ziel der Fragestellung.

80

b) Die dringliche Frage der Antragstellerin zu 2. nach den Gründen der Entscheidung über die Lieferung der Leopard-Panzer (PlenProt 17/119, S. 13810 D) sei nicht beantwortet worden, weil die Antragsgegnerin schon den Mantel des Schweigens darüber decke, ob überhaupt ein Export genehmigt worden sei. Gleiches gelte für beide Zusatzfragen der Antragstellerin zu 2. nach Vorkehrungen und Vertragsbedingungen gegen den Einsatz der Leopard-Panzer zur inneren Repression in Saudi-Arabien (PlenProt 17/119, S. 13811 A) und nach der Rolle beschäftigungs- und industriepolitischer Gründe bei der Entscheidung (PlenProt 17/119, S. 13803 D).

81

Die schriftliche Anfrage 7/132 nach der Genehmigung des Verkaufs von Panzern und Rüstungsgütern nach Algerien und den Gründen dafür sei mit dem bloßen Hinweis auf die Geheimhaltung von Entscheidungen des Bundessicherheitsrates überhaupt nicht beantwortet worden.

82

c) Die Zusatzfrage der Antragstellerin zu 3. nach der Konsultation von Israel und den USA vor der Entscheidung über den Verkauf der Panzer an Saudi-Arabien (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B) sei wiederum im Kern allein mit der Begründung nicht beantwortet worden, dass schon das "Ob" der Entscheidung geheim sei.

83

Die Antragsgegnerin habe auch nicht die Frage beantwortet, ob Entwicklungshilfe an Saudi-Arabien nicht gewährt werden könne, weil Homosexualität dort verfolgt werde, während Panzer geliefert werden könnten (PlenProt 17/119, S. 13814 B).

84

Die Antwort auf die konkret gestellte schriftliche Frage Nr. 7/174 der Antragstellerin zu 3. nach der Begründung der Panzerlieferung an Saudi-Arabien werde mit Verweis auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit verweigert, weil die Antragsgegnerin wiederum schon die Vorfrage, ob ein Export genehmigt worden sei, nicht beantworten wolle.

85

Hinsichtlich der schriftlichen Frage Nr. 7/175 der Antragstellerin zu 3. habe die Antragsgegnerin eine Frage beantwortet, die gar nicht gestellt worden sei, nämlich nach "gesetzeswidrigen Zahlungen". Gefragt gewesen sei nach "nützlichen Aufwendungen", die nicht gesetzeswidrig sein müssten und die bis 1999 steuerabzugsfähig gewesen seien. Den letzten Frageteil nach "Vermittlern, Unterstützern in der Bundesregierung und Nutznießern des Waffengeschäfts" habe die Antragsgegnerin vollkommen ignoriert.

IV.

86

Nach Auffassung der Antragsgegnerin haben die Anträge keine Aussicht auf Erfolg.

87

1. Die Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs in Form der Geheimhaltungsbedürftigkeit und des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung würden durch Art. 26 Abs. 2 GG nicht relativiert. Ob es sich bei Art. 26 Abs. 2 GG um ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt handle, sei zweifelhaft. Die Einbindung des Bundessicherheitsrates, dessen Entscheidungen lediglich politische, nicht aber rechtliche Verbindlichkeit zukomme, sei rechtlich unbedenklicher Ausdruck der Organisationskompetenz der Antragsgegnerin. Jedenfalls begründe aber die grundgesetzliche Sensibilität gegenüber dem Umgang mit Kriegswaffen, die in Art. 26 GG zum Ausdruck komme, keine herausgehobene Stellung des Parlaments und damit auch keine gesteigerten Informationsrechte. Die Norm schaffe keinen Entscheidungsverband von Parlament und Regierung, sondern weise im Gegenteil gerade der Bundesregierung eine bedeutende Rolle zu. Der Verweis auf fehlende gerichtliche Kontrolle und Korruptionsgefahr sei nicht ausschlaggebend, da die Antragsgegnerin ihre Rüstungsexportpolitik einmal im Jahr im Rüstungsexportbericht offenlege.

88

Die Geheimhaltungsbedürftigkeit der Sitzungen des Bundessicherheitsrates gründe in dem Schutz der Integrität der Bundesrepublik Deutschland, der Länder und des Kabinetts in sicherheits- und verteidigungspolitischen Belangen sowie dem Schutz der Beziehungen Deutschlands zu möglichen Empfängerländern. Ferner gehe es um die grundsätzlich schutzwürdigen Belange anderer Staaten und um die Wahrung von Betriebsgeheimnissen der jeweiligen Rüstungsunternehmen. Diese Gründe stünden auch der Veröffentlichung des "Ob" einer Sitzung, von deren Ergebnissen und ihrer Begründung entgegen. Insbesondere kritische Bewertungen potentieller Empfängerländer seitens des Bundessicherheitsrates würden im Fall des Publikwerdens regelmäßig die außenpolitischen Beziehungen der Bundesrepublik zu diesen Ländern belasten. Außerdem könnten sie Rückschlüsse auf die Informationsquelle zulassen und damit die schutzwürdigen Interessen Dritter beeinträchtigen. Aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin sich in ihren Menschenrechtsberichten kritisch zur Menschenrechtslage in einzelnen Ländern äußere, folge nicht, dass eine öffentliche Debatte über konkrete Exportgenehmigungsentscheidungen die außen-, sicherheits- und verteidigungspolitischen Belange der Bundesrepublik nicht beeinträchtigen könnte. Das Bestreben, im diplomatischen Kontakt auf eine Verbesserung der Menschenrechtslage hinzuwirken, würde konterkariert, wenn die betroffenen Staaten in öffentlicher Debatte in verletzender Weise kritisiert würden. Auch in anderen europäischen Ländern finde keine direkte Mitwirkung der Parlamente an konkreten Ausfuhrentscheidungen statt. Dem Bundestag stehe es frei, sich kritisch zu möglichen Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien zu äußern und die Antragsgegnerin zu einem entsprechenden Genehmigungsverhalten aufzufordern. Die Antragsgegnerin sei allerdings nicht verpflichtet, hierfür die begehrten Informationen und Bewertungen beizusteuern.

89

Schließlich seien gerade bei den vom Bundessicherheitsrat zu entscheidenden besonders sensiblen Einzelfällen verfassungsrechtlich geschützte Geschäftsgeheimnisse gefährdet, da die betroffenen Unternehmen regelmäßig schon in einem sehr frühen Stadium der Geschäftsanbahnung eine Voranfrage stellten. In diesem Stadium könnte ein Bekanntwerden der Geschäftsabsichten jedoch Konkurrenten auf die Geschäftsgelegenheit hinweisen und potentiellen Gegnern die Gelegenheit geben, frühzeitig Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Diese Erwägungen hätten im Grundsatz auch für Anträge auf Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen Geltung. Deshalb erfolgten Mitteilungen über erteilte Ausfuhrgenehmigungen auch im Rüstungsexportbericht grundsätzlich in anonymisierter Form (Umschreibung des ausgeführten Guts und Nennung von Wert und Empfängerland). Auch dort, wo Gerüchte über Geschäfte kursierten oder potentielle Abnehmer ihr Erwerbsinteresse öffentlich bekundeten, würde eine Bestätigung den Informationen den "Stempel des Offiziellen" geben und damit in Geschäftsgeheimnisse eingreifen. Es sei auch nicht anzunehmen, dass bereits die Überschaubarkeit des jeweiligen Marktes einer Annahme von Geschäftsgeheimnissen entgegenstehe.

90

Dem Begehren der Antragsteller nach zeitnaher Information zu Entscheidungen des Bundessicherheitsrates stehe ferner der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung entgegen. Eine Offenbarung des Sitzungsverlaufs im Bundessicherheitsrat komme grundsätzlich zu keinem Zeitpunkt in Betracht, weil andernfalls "einengende Vorwirkungen" wegen nachträglich zu erwartender Kontrolle zu gewärtigen wären. Eine gerade in Sicherheitsfragen existentielle Vertraulichkeit des Austausches unter Regierungsmitgliedern wäre dann nicht mehr gewährleistet. Die Bundessicherheitsratsentscheidung sei dem rein regierungsinternen Bereich der Willensbildung zuzurechnen. Bis zur Umsetzung der Entscheidungen des Bundessicherheitsrates durch Bescheide gegenüber den antragstellenden Unternehmen handle es sich noch um einen laufenden Vorgang. Auch nach diesem Zeitpunkt würde eine Information des Parlaments aber zu einem unzulässigen "Mitregieren" führen. Durch eine unmittelbar bevorstehende öffentliche Diskussion entstünde erheblicher Druck auf die Mitglieder des Bundessicherheitsrates. Ihre Entscheidungsfindung wäre beeinträchtigt, weil sie davon ausgehen müssten, sich einerseits kurzfristig für die getroffene Entscheidung öffentlich rechtfertigen zu müssen, sich andererseits aber aus objektiven Geheimhaltungsgründen nicht umfassend und sachgerecht äußern zu können und der Kritik weitgehend schutzlos ausgeliefert zu sein. Dies würde dazu führen, dass sachgerechte, aber objektiv geheimhaltungsbedürftige Aspekte bei der Entscheidungsfindung unberücksichtigt blieben. Auch in der mit einem frühen Bekanntwerden einhergehenden De-facto-Vereitelung eines Rüstungsgeschäfts aufgrund der Information von Konkurrenten oder des Rückzugs des potentiellen Vertragspartners liege ein unzulässiges Mitregieren in Form eines unmittelbaren Einflusses des Parlaments auf die Regierungsentscheidung. Eine Veröffentlichung nach Maßgabe der Geheimschutzordnung des Bundestages könne diese Folgen nicht verhindern. In ihrem innersten Bereich müsse die Regierung selbst dann keine parlamentarische Beteiligung dulden, wenn das Parlament besonderen Verschwiegenheitspflichten unterliege.

91

Ein Informationsanspruch des Parlaments komme nur mit zunehmendem zeitlichen Abstand in Betracht. Die Sensibilität der Informationen nehme ebenso wie das "Vereitelungspotential" des Parlaments kontinuierlich ab. Bezüglich des angemessenen Zeitpunkts der Unterrichtung habe die Antragsgegnerin einen Einschätzungsspielraum. Die Entscheidung, das Parlament über Genehmigungen grundsätzlich erst mit dem Rüstungsexportbericht im darauf folgenden Jahr zu unterrichten, sei weder willkürlich noch anderweitig sachwidrig. Die pauschalierte Handhabung gewähre vielmehr den Abgeordneten wie den betroffenen Unternehmen Rechtssicherheit. Die nachträgliche parlamentarische Kontrolle werde dadurch nicht substantiell geschmälert, sie sei nicht auf tagesaktuelle Information angewiesen.

92

Da diese Handhabung zwischen Parlament und Regierung seit langem üblich sei, habe die Darlegung der Antragsgegnerin in der Fragestunde auch den Begründungsanforderungen genügt. Ihre Stellungnahme sei mündlich und im Wechsel von Rede und Gegenrede erfolgt, die Anforderungen an die Substantiierung dürften daher nicht überspannt werden.

93

Nur Fragen mit Realitätsbezug könnten eine Antwortpflicht der Antragsgegnerin begründen. Zum Anstellen hypothetischer Überlegungen sei sie nicht verpflichtet, da eine zwangsläufig fiktionale Antwort weder ein Wissensdefizit eines Abgeordneten beseitige noch zur Kontrolle der Regierung beitrage. Die Antragsgegnerin treffe auch keine Pflicht zur Bewertung politisch relevanter Sachverhalte. Meinungen, Bewertungen und subjektive Stellungnahmen müsse die Regierung nicht artikulieren, soweit sie nicht notwendig mit der Mitteilung von Sachinformationen verbunden seien; zumindest müsse sie sich keine Meinung bilden.

94

2. Die Antragsgegnerin habe danach mit den gerügten Antworten keine Rechte der Antragsteller verletzt.

95

a) Hinsichtlich der vom Antragsteller zu 1. gerügten Antwort auf die schriftliche Frage 7/84 - "Test der Klima- und Wüstentauglichkeit" - sei klarstellend zu ergänzen, dass das Verteidigungsministerium auf konkrete Nachfrage der Presse bereitwillig mitgeteilt habe, dass Personal der Bundeswehr an einer technischen Erprobung des Kampfpanzers Leopard 2 in den Vereinigten Arabischen Emiraten beteiligt sei. Erst als der Antragsteller zu 1. daraufhin die Beantwortung der Frage 7/84 als unangemessen gerügt habe, sei der Antragsgegnerin verdeutlicht worden, dass die Frage nicht ausschließlich auf Saudi-Arabien, welches zum damaligen Zeitpunkt allein im Fokus der öffentlichen Debatte gestanden habe, gezielt habe. Sie habe mit Schreiben vom 27. September 2011 dem Antragsteller zu 1. gegenüber dann die Auskunft zu Erprobungen von Kampfpanzern in den Vereinigten Arabischen Emiraten erteilt und gesondert darauf hingewiesen, dass diese Erprobung in keinem Zusammenhang mit möglichen Lieferungen in das Königreich Saudi-Arabien stehe.

96

Die schriftliche Frage 7/193 ziele direkt auf die Aufklärung, ob eine Exportgenehmigung erteilt worden sei. Diesbezügliche Entscheidungen dürften aus den dargelegten Gründen geheim gehalten werden.

97

Soweit weitere Fragen implizit die Vorfrage nach der Genehmigung entsprechender Exporte nach Saudi-Arabien enthielten, dürfe die Antragsgegnerin auch diese unbeantwortet lassen. Dies gelte etwa für die Frage nach den Kosten der Panzer (PlenProt 17/119, S. 13807). Die Antragsgegnerin könne sich darauf beschränken, die Geheimhaltungsbedürftigkeit zu begründen. Dies sei mehrfach ausführlich getan worden, obwohl allen Beteiligten die gebräuchliche Praxis bekannt gewesen sei. Die Frage nach "nützlichen Aufwendungen" sei ersichtlich beantwortet worden. Die (Nach-)Frage PlenProt 17/119, S. 13802 habe einen hypothetischen Kern und sei konkret nicht sinnvoll beantwortbar. Angesichts des von den Rüstungsexportrichtlinien eröffneten Beurteilungsspielraums und des komplexen Abwägungsprozesses im Einzelfall lasse sie sich nur auf die erfolgte allgemeine Weise beantworten.

98

Die schriftliche Frage 7/84 zum Test der Klima- und Wüstentauglichkeit sei vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet worden. Die Antragsgegnerin habe nicht etwa eine erkennbare Intention der Frage ignoriert. Wenn sie Fragen zum Anlass nehmen müsste, beliebige Informationen zusammenzutragen, die für den Abgeordneten womöglich gleichfalls von Interesse sein könnten, würde der Antragsgegnerin eine "kurze" (GO-BT, Anlage 4, Ziff. 1) Beantwortung von Fragen unmöglich gemacht. Sobald deutlich geworden sei, dass der Antragsteller die Frage nicht ausschließlich auf Saudi-Arabien beschränkt verstanden wissen wollte, seien ihm unverzüglich weitere Informationen mitgeteilt worden.

99

b) Die Fragen PlenProt 17/119, S. 13811 ("Lieferung") und S. 13803 f. ("beschäftigungspolitische Gründe") zielten direkt auf die Aufklärung, ob eine Genehmigung erfolgt sei, und hätten daher nicht beantwortet werden müssen. Eine Begründung hierfür sei während der Debatte mehrfach gegeben worden und habe nicht wiederholt werden müssen. Gleiches gelte für die auf Aufklärung zielende Frage 7/132, ob eine Genehmigung eines Exports nach Algerien erfolgt sei. Auch auf die Frage PlenProt 17/119, S. 13811 zu Bemühungen, einen Missbrauch von Panzern zu verhindern, hätte nur eingegangen werden können, wenn zur Frage der Genehmigung Stellung bezogen worden wäre.

100

c) Die Frage PlenProt 17/119, S. 13804 ("Zustimmung Israel/USA") ziele unmittelbar auf den Vorbereitungsprozess einer Genehmigung, der ebenfalls Bestandteil des Geheimnisschutzes sei. Bei der Frage PlenProt 17/119, S. 13814 ("Entwicklungshilfe/Homosexualität") handle es sich um eine hypothetische Frage, für welche keine Antwortpflicht bestanden habe. Die schriftliche Frage 7/174 ziele direkt auf Aufklärung, ob eine Genehmigung erfolgt sei; diesbezügliche Entscheidungen dürften (vorerst) geheim gehalten werden. Die Frage 7/175 zu "nützlichen Aufwendungen" sei beantwortet worden. Da "nützliche Aufwendungen" seit 1999 nicht mehr steuerlich abzugsfähig seien, verstehe sich die Frage als Frage nach rechtswidrigen Mitteln. Überdies ziele sie auch darauf, ob überhaupt eine Genehmigung erfolgt sei, und habe deshalb nicht beantwortet werden müssen.

101

3. Zur Bindungswirkung der Entscheidungen des Bundessicherheitsrates führte die Antragsgegnerin auf Anfrage ergänzend aus, der Bundessicherheitsrat lasse die verfassungsrechtlichen Entscheidungsbefugnisse des Art. 65 GG unberührt. Rechtlich seien seine Entscheidungen als Empfehlungen zu verstehen, auch wenn sie faktisch häufig als maßgebliche Richtschnur behandelt würden. Der Ausschuss unterstütze den zuständigen Bundesminister, indem er ihm vermittle, ob dessen Entscheidung politisch mitgetragen werde. Beschlüsse des Bundessicherheitsrates über Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung würden den zuständigen Genehmigungsbehörden mittels eines Ergebnisprotokolls der Sitzung des Bundessicherheitsrates mitgeteilt. Die Genehmigungsbehörden setzten die Beschlüsse, an welche sie politisch, aber nicht rechtlich gebunden seien, anschließend um. Nach der Befassung des Bundessicherheitsrates werde keine zusätzliche Kabinettsentscheidung herbeigeführt. Dies gelte auch für Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz und Ausfuhrgenehmigungen nach dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung.

Antworten auf Voranfragen wegen der beabsichtigten Ausfuhr von Kriegswaffen komme keine rechtliche Bindungswirkung für die spätere Entscheidung über einen Genehmigungsantrag zu. Es handele sich vielmehr um eine schlichte Auskunft, ob das geplante Vorhaben nach der zur Zeit der Beantwortung bestehenden Sachlage grundsätzlich genehmigungsfähig sei. Rechtlich verpflichtet sei der Bundessicherheitsrat aber auch bei unveränderter Sachlage nicht, die Genehmigungsfähigkeit bei einer Genehmigungsentscheidung über den Export von Kriegswaffen genauso zu beurteilen wie bei einer vorangegangenen Voranfrage. Dies gelte auch bei einer grundlegend neuen politischen Bewertung durch den Bundessicherheitsrat, da diese regelmäßig auf einer Änderung der außen- und sicherheitspolitischen Gesamtlage beruhe und daher als Änderung der Sachlage anzusehen sei.

V.

102

Als sachkundige Dritte haben der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. und die Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co. KG schriftlich Stellung genommen. Diese haben ausgeführt, dass Voranfragen zur Genehmigungsfähigkeit regelmäßig bereits in einer frühen Phase der Anbahnung eines Rüstungsexportgeschäfts gestellt würden. Bei positiver Bescheidung schließe sich eine Akquisitionsphase an, die Monate oder auch Jahre andauern könne und oftmals sehr kostenträchtig sei. So beliefen sich allein die Kosten für die Vorführung eines Kampfpanzers vom Typ Leopard 2 im Ausland typischerweise auf über zwei Millionen Euro. Die potentiellen Vertragspartner, bei denen es sich zumeist um Staaten handele, bestünden regelmäßig darauf, dass ihr Interesse an Rüstungsgütern vertraulich behandelt werde. Erst recht werde Vertraulichkeit hinsichtlich der Details der Vertragsverhandlungen erwartet. Auch die sodann abgeschlossenen Kaufverträge enthielten nahezu ausnahmslos Vertraulichkeitsvereinbarungen hinsichtlich des Vertrages und seines Inhaltes. Durch eine frühzeitige Information der Öffentlichkeit über schwebende Vertragsverhandlungen würden derartige Geschäfte praktisch vereitelt. Dies gelte insbesondere im Falle einer Offenlegung gestellter oder beschiedener Voranfragen gegenüber dem Parlament, zumal in diesem Stadium der entsprechende Kaufvertrag im Regelfall noch nicht geschlossen sei.

VI.

103

In der mündlichen Verhandlung hat der Bundesminister des Innern für die Bundesregierung Stellung genommen und die Verfahrensabläufe im Bundessicherheitsrat erläutert. Ergänzend hat er mitgeteilt, dass die Bundesregierung beabsichtige, Parlament und Öffentlichkeit künftig zeitnäher über Genehmigungsentscheidungen zu informieren. Der Rüstungsexportbericht solle jeweils vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause statt zum Ende des Folgejahres erscheinen. Zudem werde es einen Zwischenbericht für das erste Halbjahr des laufenden Jahres im jeweiligen Herbst geben. Über abschließende Genehmigungen des Bundessicherheitsrates werde der Bundestag künftig unverzüglich, spätestens zwei Wochen nach der Tagung des Bundessicherheitsrates schriftlich informiert.

B.

104

Die Anträge des Antragstellers zu 1. sind hinsichtlich der Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13802 D) und der dringlichen Frage (PlenProt 17/119, S. 13807 A) teilweise und hinsichtlich der weiteren Zusatzfragen (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C) sowie der schriftlichen Frage 7/193 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) vollumfänglich zulässig. Die Anträge der Antragstellerin zu 2. sind insgesamt zulässig, die der Antragstellerin zu 3. hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/175 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 27) teilweise und hinsichtlich der beiden Zusatzfragen (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B und PlenProt 17/119, S. 13814 B) sowie der schriftlichen Frage 7/174 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 26) vollumfänglich zulässig. Im Übrigen sind die Anträge unzulässig.

I.

105

1. Die Parteifähigkeit der Antragsteller als Abgeordnete des Deutschen Bundestages folgt aus Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG. Dem Abgeordneten kommt gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ein eigener verfassungsrechtlicher Status zu, der im Organstreitverfahren gegenüber anderen Verfassungsorganen verteidigt werden kann (BVerfGE 108, 251<270>; 124, 161 <184>; stRspr).

106

2. Die Anträge beziehen sich auf taugliche Antragsgegenstände. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG kann Antragsgegenstand im Organstreitverfahren sowohl eine Maßnahme als auch ein Unterlassen sein. Es kommt somit nicht darauf an, ob es sich bei den gerügten Antworten der Antragsgegnerin jeweils um eine Maßnahme in Form der Verweigerung einer hinreichenden Antwort oder um ein Unterlassen in Form einer pflichtwidrigen Nichtbeantwortung oder einer nicht hinreichenden Beantwortung der jeweiligen Anfrage handelt. Die Antwortverweigerung, die schlichte Nichtbeantwortung und die nicht hinreichende Beantwortung der Anfragen der Antragsteller können diese konkret in ihrem jeweiligen Rechtskreis aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG betreffen. Somit sind die Maßnahmen oder Unterlassungen auch rechtserheblich (vgl. BVerfGE 96, 264 <277>; 103, 81 <86>; 104, 310 <324>).

107

3. Die Anträge der Antragstellerin zu 3. sind berichtigend dahin auszulegen, dass Antragsgegenstand unter anderem die Nichtbeantwortung beziehungsweise unzureichende Beantwortung der unter Sitzungsprotokoll S. 13814 anstatt "S. 13841" protokollierten Nachfrage und der schriftlichen Frage 175 anstatt "715" sind. Die offensichtliche Unrichtigkeit der Bezeichnungen ergibt sich aus der Antragsbegründung.

II.

108

1. Die Antragsteller sind hinsichtlich des überwiegenden Teils der Antragsgegenstände antragsbefugt. Sie beanstanden eine Reaktion der Antragsgegnerin auf an diese gerichtete parlamentarische Anfragen und berufen sich auf Rechte, die sich unmittelbar aus dem Grundgesetz selbst ergeben. Ein die Antragsteller einerseits und die Antragsgegnerin andererseits umschließendes Verfassungsrechtsverhältnis (vgl. etwa BVerfGE 1, 208 <221>; 84, 290 <297>; 124, 161 <185>) liegt vor. Das - fristgerecht eingeleitete - Organstreitverfahren betrifft die Reichweite des aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Fragerechts des Abgeordneten und der grundsätzlichen Verpflichtung der Bundesregierung, auf dessen Fragen Rede und Antwort zu stehen (vgl. BVerfGE 124, 161 <185> m.w.N.). Es kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin eigene Rechte der Antragsteller, die aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten erwachsen, verletzt (vgl. BVerfGE 94, 351 <362 f.>; 112, 363 <365>). Es erscheint möglich, dass die Antragsgegnerin durch ihre Antworten einen Informationsanspruch der Antragsteller aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG in unzulässiger Weise verkürzt hat. Die Antragsteller haben hinreichend dargelegt, dass sie durch das angegriffene Verhalten der Antragsgegnerin in Rechten verletzt sein können, die ihnen durch das Grundgesetz übertragen worden sind. Eine Verletzung der Rechte der Antragsteller scheidet insbesondere nicht deswegen von vornherein aus, weil die Bundesregierung deren Auskunftsansprüche bereits durch die regelmäßige Veröffentlichung von Rüstungsexportberichten erfüllt. Ob und inwieweit diese ausreichen, um das berechtigte parlamentarische Informationsinteresse zu befriedigen, bedarf vielmehr der Prüfung im Einzelnen (siehe hierzu Rn. 203 ff.).

109

a) Hinsichtlich der Teilfrage der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13802 D zu der Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien könnte die Antragsgegnerin Informationsrechte des Antragstellers zu 1. verletzt haben, wenn sie unzutreffende Beschränkungen ihrer Antwortpflicht aufgrund des Ressortprinzips angenommen hätte.

110

Hinsichtlich der Teilfrage der dringlichen Frage des Antragstellers zu 1. nach PlenProt 17/119, S. 13807 A in Bezug auf Vermittler, Unterstützer und Nutznießer des Panzergeschäfts mit Saudi-Arabien könnte sich eine Rechtsverletzung aus der Verweigerung einer Sachantwort unter Verkennung der Reichweite des parlamentarischen Informationsanspruchs oder aus einer unzureichenden Begründung der Antwortverweigerung ergeben.

111

Hinsichtlich der Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. nach PlenProt 17/119, S. 13807 B, C zum Unterschiedsbetrag zwischen dem Kaufpreis der Panzer in Deutschland und in Saudi-Arabien liegt eine mögliche Rechtsverletzung zwar nicht darin, dass auf die "implizite Vorfrage" nach der Genehmigung eines Panzerexports nicht unmittelbar eingegangen wurde. Eine Antwortplicht kommt nur hinsichtlich tatsächlich gestellter Fragen in Betracht. Eine Rechtsverletzung könnte sich aber durch das möglicherweise nicht gerechtfertigte oder nicht hinreichend begründete Unterlassen einer Sachantwort auf die Frage nach dem Unterschiedsbetrag hinsichtlich der Kaufpreise ergeben.

112

Hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/193 des Antragstellers zu 1. vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) besteht die Möglichkeit einer Rechtsverletzung wegen Verkennung der Reichweite des parlamentarischen Informationsanspruchs. Die Frage, welche Angaben die Antragsgegnerin zu getroffenen Entscheidungen bezüglich der Lieferung von 200 Panzern "LEO" nach Saudi-Arabien macht, richtete sich nach ihrem Zusammenhang auch auf Einzelheiten des konkreten Geschäfts. Dies folgt auch aus der Teilfrage, wie die Antragsgegnerin diese Entscheidungen rechtfertige. Die so verstandene Frage hat die Antragsgegnerin nicht beantwortet.

113

b) Gleiches gilt für die dringliche Frage der Antragstellerin zu 2. (PlenProt 17/119, S.13810 D) danach, welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe die Antragsgegnerin für die Genehmigung der Panzerlieferungen anführe und wie sie deren Vereinbarkeit mit einzelnen Kriterien des EU-Kodexes für Waffenausfuhren bewerte, sowie für ihre Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13811 A) danach, wie die Antragsgegnerin ausschließe, dass die für Saudi-Arabien genehmigten Rüstungsexportgüter zu innerer Repression genutzt würden.

114

In Bezug auf die Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13803 D, ob ausgeschlossen werden könne, dass bei der Entscheidung beschäftigungs- oder industriepolitische Gründe eine Rolle gespielt hätten, ist die Antragstellerin zu 2. ebenfalls antragsbefugt. Die Antragsgegnerin gibt zwar an, dass solche Gründe nachrangig eine Rolle spielen könnten. Sie macht jedoch keine Angaben zum konkreten Geschäft und verletzt damit möglicherweise unter Verkennung der Reichweite des Auskunftsrechts der Abgeordneten Rechte der Antragstellerin zu 2.

115

Antragsbefugt ist die Antragstellerin zu 2. auch hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/132 (BTDrucks 17/6658, S. 24) danach, wann die Antragsgegnerin den Verkauf bestimmter Rüstungsgüter nach Algerien genehmigt habe und welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe sie für die Genehmigung anführe. Die Frage zielte mit der Formulierung "besonderen ... Gründe" ersichtlich auf den Einzelfall. Die Ausführungen der Antragsgegnerin zu den allgemein bei der Entscheidung über Rüstungsexporte nach Algerien zu berücksichtigenden Aspekten beantworten diese Frage nicht.

116

c) Die Antragstellerin zu 3. ist hinsichtlich der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13804 A, B antragsbefugt. Die Frage, ob es stimme, dass die Zustimmung Israels und der USA eingeholt und erteilt worden sei, wurde - möglicherweise unter Verkennung des Auskunftsrechts - in der Sache nicht beantwortet. Auf diese Teilfrage beschränkt sich die Rüge der Antragstellerin zu 3. Die Teilfrage nach der universellen Gültigkeit von Menschenrechten ist nicht Streitgegenstand.

117

Die Antragsbefugnis besteht auch hinsichtlich der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13814 B. Mit dieser Frage wollte die Antragstellerin zu 3. ersichtlich einen Widerspruch in der Haltung der Antragsgegnerin in den Bereichen Entwicklungshilfe und Rüstungsexporte nachweisen. Eine Rechtsverletzung kann darin liegen, dass für eine vollständige Sachantwort möglicherweise eine Gegenüberstellung der jeweiligen Kriterien erforderlich gewesen wäre.

118

Hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/174 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 26) ist die Antragstellerin zu 3. ebenfalls antragsbefugt. Die Frage bezieht sich auf die Begründung der getroffenen Entscheidungen über die Lieferung von Panzern. Da konkret nach "getroffenen" Entscheidungen gefragt war, beantworten die allgemeinen Ausführungen der Antragsgegnerin zu Entscheidungen auf Grundlage der Richtlinien und zur besonderen Bedeutung der Menschenrechte die Frage nicht vollständig. Die Antragsgegnerin hat eine Stellungnahme zum konkreten Geschäft unter Hinweis auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit abgelehnt und damit möglicherweise unter Verkennung des Auskunftsrechts Rechte der Antragstellerin zu 3. verletzt.

119

Auch die Teilfrage der schriftlichen Frage 7/175 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 27) nach Vermittlern, Unterstützern in der Bundesregierung und Nutznießern des Geschäfts wurde nicht beantwortet.

120

2. Hinsichtlich einzelner vom Antragsteller zu 1. und der Antragstellerin zu 3. gestellter Fragen fehlt es an der Antragsbefugnis, weil eine Rechtsverletzung von vornherein ausgeschlossen werden kann.

121

a) Dem Antragsteller zu 1. fehlt es hinsichtlich einer Teilfrage der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13802 D, einer Teilfrage der dringlichen Frage nach PlenProt 17/119, S. 13807 A, der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13807 D und der schriftlichen Frage 7/84 vom 8. Juli 2011 an der Antragsbefugnis. Insoweit kann ausgeschlossen werden, dass das Antwortverhalten der Antragsgegnerin eigene Rechte des Antragstellers zu 1. verletzt haben könnte.

122

Soweit die Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13802 D darauf gerichtet war, ob bei der geschilderten Menschenrechtslage in Saudi-Arabien nach den Richtlinien für Rüstungsexporte Genehmigungen nicht in Betracht kämen, ist sie hinreichend beantwortet worden. Die Antragsgegnerin hat angegeben, dass die Menschenrechtslage im Rahmen eines Abwägungsprozesses zu berücksichtigen sei. Damit hat sie den Standpunkt zum Ausdruck gebracht, dass die Menschenrechtslage als solche eine Genehmigung nicht in jedem Fall ausschließt.

123

Soweit sich die dringliche Frage nach PlenProt 17/119, S. 13807 A auf "nützliche Aufwendungen" beim Zustandekommen des Panzergeschäfts bezog, ist sie mit der Angabe der Antragsgegnerin, ihr lägen keinerlei Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, hinreichend beantwortet worden. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin die Frage zu eng auslegt, wenn sie "nützliche Aufwendungen" als "gesetzeswidrige Zahlungen" versteht. Das Verständnis "nützlicher Aufwendungen" als Bestechungsgelder und damit gesetzeswidrige Zahlungen (§§ 331 ff. StGB) steht nicht in Widerspruch zum allgemeinen Sprachgebrauch. Auch der Antragsteller zu 1. selbst gebraucht den Begriff in diesem Sinne, etwa in der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13807 B, C ("sogenannte nützliche Aufwendungen, das heißt Bestechungsgelder").

124

Auch die Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13807 D danach, ob die Antragsgegnerin bereit sei, über die Einzelheiten des Geschäfts Auskunft zu geben, oder ob die Antwort weiter in verfassungswidriger Weise verweigert werde, wurde beantwortet. Mit ihrer Antwort hat die Antragsgegnerin klar zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht bereit sei, über Einzelheiten des Geschäfts Auskunft zu geben, und den Vorwurf der Verfassungswidrigkeit zurückgewiesen. Die Argumentation des Antragstellers zu 1., er habe "ersichtlich" Einzelheiten über den Waffenexport zu erfahren versucht und insoweit keine Antwort erhalten, macht die Möglichkeit einer Rechtsverletzung nicht plausibel. Die Frage lässt sich in dem von der Antragsgegnerin zugrunde gelegten Sinn verstehen. Wollte der Antragsteller zu 1. sie nicht so verstanden wissen, so hätte es ihm oblegen, sie von vornherein anders zu formulieren oder ihren Sinn durch eine entsprechende Nachfrage klarzustellen.

125

Entsprechendes gilt hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/84 vom 8. Juli 2011, inwieweit es zutreffe, dass die Bundeswehr Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien schicken und dort testen wolle, und wie dieses Vorhaben im Zusammenhang mit dem offenbar genehmigten Verkauf stehe. Die Korrektheit der Antwort der Antragsgegnerin, dass Leopard-Panzer weder von der Bundeswehr selbst noch durch Beauftragte in Saudi-Arabien getestet würden, zieht der Antragsteller zu 1. nicht in Zweifel. Er rügt vielmehr, die Antragsgegnerin habe Tests in den Arabischen Emiraten verschwiegen und damit bewusst das offensichtliche Ziel der Fragestellung ignoriert. Dass die Antragsgegnerin die Frage pflichtwidrig zu eng ausgelegt hätte, ist jedoch nicht ersichtlich. Vom Fragesteller kann eine sorgfältige Formulierung seiner Fragen erwartet werden. Daher ist bei der Auslegung einer parlamentarischen Anfrage zunächst vom Wortlaut und dem Zusammenhang auszugehen, in den die Frage ausdrücklich gestellt ist (vgl. BVerfGE 110, 199 <213>). Wo allerdings Ungenauigkeiten bei der Formulierung der Frage erkennbar aus einem Informationsdefizit des Fragestellers resultieren, ist bei der Beantwortung dem dahinter stehenden Informationsbedürfnis so weit wie möglich Rechnung zu tragen. Vorliegend hat die Antragsgegnerin die Frage ihrem Wortlaut entsprechend beantwortet, ohne dabei ein erkennbares Informationsbedürfnis des Fragestellers außer Acht zu lassen. Zwar könnte die Bezugnahme auf nur gerüchteweise bekannte Äußerungen bei einer bestimmten Veranstaltung auf ein Informationsdefizit des Antragstellers zu 1. hinweisen, welches für eine großzügigere Auslegung der Frage hätte sprechen können. Da die Frage aber im Kontext der Diskussion über Lieferung von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien erfolgt ist und der Test des Leopard-Panzers in den Vereinigten Arabischen Emiraten nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Antragsgegnerin mit einem solchen etwaigen Rüstungsgeschäft nicht in Zusammenhang stand, bestand für die Antragsgegnerin kein hinreichender Anlass, die Frage über den Wortlaut hinaus zu verstehen.

126

b) Der Antragstellerin zu 3. fehlt die Antragsbefugnis im Hinblick auf ihre schriftliche Frage 7/175 (BTDrucks 17/6658, S. 27), soweit sie sich darin nach "nützliche[n] Aufwendungen" erkundigt. Mit der Angabe der Antragsgegnerin, es lägen ihr keine Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, ist die Frage hinreichend beantwortet worden. Auch hier durfte die Antragsgegnerin "nützliche Aufwendungen" als "gesetzeswidrige Zahlungen" verstehen.

III.

127

Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller in Bezug auf die Fragen zu Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien besteht fort. Es wird insbesondere nicht dadurch beseitigt, dass die Antragsgegnerin angekündigt hat, ihre Berichtspraxis zu ändern und den Deutschen Bundestag binnen zwei Wochen über Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates zu informieren, denn die Antragsgegnerin stellt die streitige Verpflichtung zur Beantwortung von Anfragen zu Entscheidungen des Bundessicherheitsrates im hiesigen Verfahren weiterhin in Abrede. Außerdem betrifft die beabsichtigte zeitnahe Information des Deutschen Bundestages nur erteilte Genehmigungen und nicht auch Entscheidungen des Bundessicherheitsrates über Voranfragen.

128

Die Antragsteller haben ein objektives Interesse an der Klärung der Reichweite des aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Fragerechts des Abgeordneten und der Antwortpflicht der Bundesregierung (vgl. zum Klarstellungsinteresse BVerfGE 121, 135 <152>; 131, 152 <194>; Beschluss des Zweiten Senats vom 6. Mai 2014 - 2 BvE 3/12 -, juris, Rn. 6). Auch der zwischenzeitliche Ablauf der Legislaturperiode lässt das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen, da die Antragsteller weiterhin Mitglieder des Deutschen Bundestages sind (vgl. BVerfGE 87, 207 <209>).

C.

129

Die Anträge sind - soweit zulässig - teilweise begründet.

I.

130

1. Aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG folgt ein Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung, an dem die einzelnen Abgeordneten und die Fraktionen als Zusammenschlüsse von Abgeordneten nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages teilhaben und dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregierung korrespondiert (vgl. BVerfGE 124, 161 <188>; stRspr). Aus dem Frage- und Interpellationsrecht des Parlaments folgt für die Mitglieder der Bundesregierung daher die verfassungsrechtliche Verpflichtung, auf Fragen Rede und Antwort zu stehen. Die Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen und auf Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages sollen dazu dienen, dem Bundestag und den einzelnen Abgeordneten die für ihre Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen. Die Bundesregierung schafft mit ihren Antworten auf parlamentarische Anfragen so die Voraussetzungen für eine sachgerechte Arbeit innerhalb des Parlaments (vgl. zum Ganzen BVerfGE 13, 123 <125>; 57, 1 <5>; 105, 252 <270>; 105, 279 <306>; 124, 161 <187 ff.>).

131

Das parlamentarische Regierungssystem wird auch durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt. Die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Verwaltung verwirklicht den Grundsatz der Gewaltenteilung, der für das Grundgesetz ein tragendes Funktions- und Organisationsprinzip darstellt. Der Gewaltenteilungsgrundsatz zielt dabei nicht auf eine absolute Trennung der Funktionen der Staatsgewalt, sondern auf die politische Machtverteilung, das Ineinandergreifen der drei Gewalten und die daraus resultierende gegenseitige Kontrolle und Begrenzung mit der Folge der Mäßigung der Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 3, 225 <247>; 7, 183 <188>; 9, 268 <279>; 22, 106 <111>; 34, 52 <59>; 95, 1 <15>). Er gebietet gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung, zumal wegen mangelnder Eingriffsmöglichkeiten des Parlaments in den der Exekutive zukommenden Bereich unmittelbarer Handlungsinitiative und Gesetzesanwendung, eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle auch tatsächlich wirksam werden kann. Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann das Parlament sein Kontrollrecht gegenüber der Regierung nicht ausüben. Daher kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>).

132

Die Kontrollfunktion ist zugleich Ausfluss der aus dem Demokratieprinzip folgenden Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG gestaltet den Grundsatz der Volkssouveränität aus. Er legt fest, dass das Volk die Staatsgewalt, deren Träger es ist, außer durch Wahlen und Abstimmungen durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausübt. Das setzt voraus, dass das Volk einen effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt durch diese Organe hat. Deren Akte müssen sich auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <66>; 130, 76 <123>). Dieser Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft wird außer durch die Wahl des Parlaments, die vom Parlament beschlossenen Gesetze als Maßstab der vollziehenden Gewalt und die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung auch durch den parlamentarischen Einfluss auf die Politik der Regierung hergestellt. Das "Ausgehen der Staatsgewalt" vom Volk muss für das Volk wie auch die Staatsorgane jeweils konkret erfahrbar und praktisch wirksam sein. Es muss ein hinreichender Gehalt an demokratischer Legitimation erreicht werden, ein bestimmtes Legitimationsniveau (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <67>; 107, 59 <87>; 130, 76 <124>). Nur das vom Volk gewählte Parlament kann den Organ- und Funktionsträgern der Verwaltung auf allen ihren Ebenen demokratische Legitimation vermitteln. Im Fall der nicht durch unmittelbare Volkswahl legitimierten Amtswalter und Organe setzt die demokratische Legitimation der Ausübung von Staatsgewalt regelmäßig voraus, dass sich die Bestellung der Amtsträger auf das Staatsvolk zurückführen lässt und ihr Handeln eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation erfährt. In personeller Hinsicht ist eine hoheitliche Entscheidung demokratisch legitimiert, wenn sich die Bestellung desjenigen, der sie trifft, durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf das Staatsvolk zurückführen lässt. Die sachlich-inhaltliche Legitimation wird durch Gesetzesbindung und Bindung an Aufträge und Weisungen der Regierung vermittelt. Letztere entfaltet Legitimationswirkung aufgrund der Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung (BVerfGE 93, 37 <67 f.>; 107, 59 <87 f.>; 130, 76 <124>).

133

Geheimhaltung gegenüber dem Parlament beschränkt die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten und kann deshalb den notwendigen demokratischen Legitimationszusammenhang beeinträchtigen oder unterbrechen (vgl. BVerfGE 130, 76 <128>).

134

2. Der Informationsanspruch des Bundestages und der einzelnen Abgeordneten besteht gleichwohl nicht grenzenlos.

135

a) Er kann sich von vornherein nicht auf Angelegenheiten beziehen, die nicht in die Zuständigkeit der Bundesregierung fallen, da es insoweit an einer Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag fehlt (BVerfGE 124, 161 <189>).

136

b) Begrenzt wird der Informationsanspruch des Bundestages und der einzelnen Abgeordneten auch durch das Gewaltenteilungsprinzip (siehe Rn. 131). In seiner grundgesetzlichen Ausformung als Gebot der Unterscheidung zwischen gesetzgebender, vollziehender und rechtsprechender Gewalt (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) dient dieses Prinzip zugleich einer funktionsgerechten Zuordnung hoheitlicher Befugnisse zu unterschiedlichen, jeweils aufgabenspezifisch ausgeformten Trägern öffentlicher Gewalt und sichert die rechtliche Bindung aller Staatsgewalt (BVerfGE 124, 78<120>). Das Grundgesetz fordert keine absolute Trennung, sondern gegenseitige Kontrolle, Hemmung und Mäßigung der Gewalten (BVerfGE 95, 1 <15>). Die Zweige der Staatsgewalt sind aufeinander bezogen und miteinander verschränkt, dürfen aber ihrer jeweiligen Eigenheit und ihrer spezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten nicht beraubt werden (BVerfGE 9, 268 <279 f.>; stRspr). Das Gewaltenteilungsprinzip ist damit zugleich Grund und Grenze des Informationsanspruchs des Parlaments gegenüber der Regierung. Je weiter ein parlamentarisches Informationsbegehren in den inneren Bereich der Willensbildung der Regierung eindringt, desto gewichtiger muss es sein, um sich gegen ein von der Regierung geltend gemachtes Interesse an Vertraulichkeit durchsetzen zu können (vgl. BVerfGE 110, 199 <222>; 124, 78 <122 f.>).

137

aa) Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt. Dazu gehört zum Beispiel die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214, 222>; 124, 78 <120>; 131, 152 <210>). Bei dem einer konkreten Positionierung vorgelagerten Willensbildungsprozess der Bundesregierung handelt es sich um einen von verschiedenen innen- und außenpolitischen sowie innerorganschaftlichen Belangen, Erwägungen und Entwicklungen abhängigen Vorgang, der den Bereich der Bundesregierung noch nicht verlässt und über den der Bundestag von Verfassungs wegen grundsätzlich (noch) nicht zu informieren ist (vgl. BVerfGE 131, 152 <206>). Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht danach in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen (BVerfGE 110, 199 <214>; 124, 78 <120 f.>). Diese Gefahr besteht bei Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen regelmäßig, solange die Entscheidung noch nicht getroffen ist (BVerfGE 110, 199 <214>; 124, 78 <122>). So könnte ein so wesentlicher Teil einer politischen Entscheidung wie die Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem sie fallen soll, der Regierung weitgehend aus der Hand genommen werden, wenn das Parlament schon vor diesem Zeitpunkt auf den Stand der Entscheidungsvorbereitung innerhalb der Regierung zugreifen könnte (vgl. BVerfGE 110, 199 <214 f.>).

138

Die Kontrollkompetenz des Bundestages erstreckt sich demnach grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge; sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen (BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <215>; 124, 78 <121>). Der aus dem Gewaltenteilungsprinzip folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung erschöpft sich jedoch nicht in dieser Abschirmung gegen unmittelbare Eingriffe in die autonome Kompetenzausübung der Regierung, sondern wirkt über den Zeitpunkt einer Entscheidung hinaus (BVerfGE 110, 199 <215>).

139

bb) Die Rüstungsexportkontrolle ist nicht wegen der außenpolitischen Bedeutung dieses Teilbereichs des Regierungshandelns von vornherein jeglicher parlamentarischen Kontrolle entzogen. Im Bereich der auswärtigen Politik hat das Grundgesetz in Anknüpfung an die traditionelle Staatsauffassung der Regierung aber einen weit bemessenen Spielraum zu eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung überlassen. Die Rolle des Parlaments als Gesetzgebungsorgan ist schon aus Gründen der Funktionsgerechtigkeit in diesem Bereich beschränkt (BVerfGE 104, 151 <207>; vgl. auch schon BVerfGE 49, 89 <125>; 68, 1 <87>). Eine erweiternde Auslegung der Zustimmungs- oder Mitwirkungsbefugnisse des Bundestages würde die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung ungerechtfertigt beschneiden und auf eine nicht funktionsgerechte Teilung der Staatsgewalt hinauslaufen (BVerfGE 104, 151 <207>).

140

Dies bedeutet aber nicht, dass wesentliche Entscheidungen am Bundestag vorbei getroffen werden könnten. Auch die der Bundesregierung anvertraute auswärtige Gewalt steht keineswegs außerhalb parlamentarischer Kontrolle. Dem Bundestag, der Entscheidungen der Exekutive in auswärtigen Angelegenheiten missbilligt, verbleiben jedoch auch in diesem Bereich seine parlamentarischen Kontrollbefugnisse (vgl. BVerfGE 49, 89 <125>; 68, 1 <89, 109>; 90, 286 <364>; 104, 151 <207>). Er kann sein Frage-, Debatten- und Entschließungsrecht ausüben, seine Kontroll- und Haushaltsbefugnisse wahrnehmen und dadurch auf die Entscheidungen der Regierung einwirken oder durch Wahl eines neuen Bundeskanzlers die Regierung stürzen (BVerfGE 68, 1 <109 f.>).

141

Entsprechendes gilt für den Bereich der Rüstungsexportkontrolle. Zwar weist Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG der Bundesregierung die Zuständigkeit für die Genehmigung von Kriegswaffenexporten zu. Hierdurch wird die Erfüllung dieser Aufgabe der Kontrolle durch das Parlament aber nicht von vornherein entzogen (so aber Glawe, DVBl 2012, S. 329 <335>). Vielmehr ist zwischen parlamentarischer Mitwirkung einerseits und parlamentarischer Kontrolle andererseits zu unterscheiden. Eine Mitwirkung des Parlaments bei der Ausübung von Staatsfunktionen kommt nur dort in Betracht, wo sie durch das Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Die Gewaltenteilung darf nicht unter Berufung auf das Demokratieprinzip durch Einräumung parlamentarischer Mitentscheidungsbefugnisse unterlaufen, die grundgesetzliche Kompetenzordnung nicht durch die Konstruktion eines allumfassenden Parlamentsvorbehalts überlagert werden (vgl. BVerfGE 68, 1 <87>). Daraus ist aber keine Einschränkung der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung zu folgern. In der Ausübung parlamentarischer Kontrolle liegt kein verfassungswidriger Einbruch in den Gestaltungsbereich der Exekutive. Sie kommt auch dort zum Tragen, wo das Grundgesetz eine ausschließliche Zuständigkeit der Regierung begründet. Unter dem Gesichtspunkt der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns tritt die parlamentarische Kontrolle an die Stelle der in dem Bereich ausschließlicher Zuständigkeit der Regierung fehlenden sachlich-inhaltlichen Mitwirkungsrechte des Parlaments. Die Zuständigkeitszuweisung des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG schafft somit für sich genommen keinen der parlamentarischen Verantwortung grundsätzlich entzogenen Raum gubernativen Entscheidens.

142

cc) Die Beratung und Beschlussfassung im Bundessicherheitsrat unterfallen dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung.

143

(1) Der Bundesregierung steht es auch ohne ausdrückliche verfassungsrechtliche Ermächtigung im Rahmen ihrer Organisationsgewalt zu, Kabinettsausschüsse einzurichten, die gegenüber dem Regierungskollegium eine vorbereitende und beratende Funktion ohne eigenes Entscheidungsrecht ausüben (Busse, DVBl 1993, S. 413 <414>; Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2. Aufl. 1998, S. 246; Detterbeck, in: Isensee/P. Kirchhof, HStR III, 3. Aufl. 2005, § 66 Rn. 63; Schröder, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 65 Rn. 37; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 65 Rn. 6). Soweit ein solcher Ausschuss Entscheidungen des Kabinetts vorbereitet, unterfallen die Ausschussberatungen und -ergebnisse grundsätzlich in demselben Umfang dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung wie eigene Vorbereitungshandlungen des Regierungskollegiums.

144

Nach der derzeitigen Staatspraxis bereitet der Bundessicherheitsrat Entscheidungen des Kabinetts allerdings nicht vor, sondern wird an seiner Stelle tätig. Dem Vorbringen der Antragsgegnerin zufolge wird nach der Befassung des Bundessicherheitsrates keine Kabinettsentscheidung mehr herbeigeführt (so auch Zähle, Der Staat 44 (2005), S. 462 <476>). Folglich können sich die Beschlüsse des Bundessicherheitsrates über Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung allein an den jeweils zuständigen Fachminister richten, im Bereich der Kriegswaffen also an den Minister, dem nach § 11 Abs. 2 und 3 KWKG in Verbindung mit § 1 der Ersten Durchführungsverordnung zum KWKG die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung für seinen Geschäftsbereich übertragen ist. Dieser Fachminister erteilt die Genehmigung gegenüber dem Antrag stellenden Unternehmen durch entsprechenden Bescheid.

145

Allerdings dürfen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG zur Kriegführung bestimmte Waffen nur mit Genehmigung "der Bundesregierung" hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Grundgesetz unterscheidet zwischen Befugnissen und Zuständigkeiten der Bundesregierung und solchen einzelner Bundesminister (vgl. die Auflistung in BVerfGE 132, 1 <21>). Die Bundesregierung ist ein Kollegialorgan, das nach Art. 62 GG aus dem Bundeskanzler und aus den Bundesministern besteht. Bei Regelungen des Grundgesetzes, die eine Entscheidungszuständigkeit der Bundesregierung vorsehen, ist daher grundsätzlich davon auszugehen, dass es eines Beschlusses des gesamten Kabinetts bedarf (BVerfGE 91, 148 <166>; 115, 118 <149>; 132, 1 <21>). Ausnahmsweise können unter dem Begriff der Bundesregierung jedoch auch die jeweils ressortzuständigen Minister verstanden werden, wenn Sinn und Zweck der jeweiligen Regelung eine solche Auslegung gebieten (BVerfGE 26, 338 <396>). So wird etwa zu der Regelung in Art. 86 GG betreffend die bundeseigene Verwaltung die Ansicht vertreten, dass mangels Betroffenheit der Länder (auch) der jeweilige Fachminister für seinen Bereich Verwaltungsvorschriften und Regelungen über die Einrichtung der Behörden erlassen kann (BVerwGE 36, 327<333>; Hermes, in: Dreier, GG, Bd. III, 2. Aufl. 2008, Art. 86 Rn. 52; Ibler, in: Maunz/Dürig, GG, Mai 2008, Art. 86 Rn. 135; Burgi, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 86 Rn. 67).

146

In der Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, dass Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG keine Entscheidung des Kabinetts verlange (Pottmeyer, Kriegswaffenkontrollgesetz, 2. Aufl. 1994, § 11 Rn. 2; Frank, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 26 Rn. 47; Hernekamp, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 26 Rn. 29) oder dass Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GG eine Delegationsbefugnis beinhalte (Bieneck, Handbuch des Außenwirtschaftsrechts, 2. Aufl. 2005, § 41 Rn. 4).

147

Überwiegend wird jedoch davon ausgegangen, dass die Delegation der Genehmigungserteilung auf einzelne Minister mit Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar und § 11 Abs. 2 KWKG aus diesem Grunde verfassungswidrig sei (Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 210 ff.; Hartwig, in: Umbach/ Clemens, Bd. 1, 2002, Art. 26 Rn. 40; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, März 2014, Art. 26 Rn. 56; Pernice, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 26 Rn. 28; Fink, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 26 Rn. 76; Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 12; Schmahl, in: Sodan, GG, 2. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 13; Streinz, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 46; Hobe, in: Berliner Kommentar zum GG, Nov. 2012, Art. 26 Rn. 18; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 26 Rn. 10).

148

(2) Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob die Bundesregierung zur Einrichtung des Bundessicherheitsrates und zur Übertragung der Entscheidungsbefugnis über Kriegswaffenexportanträge auf diesen oder auf einzelne Bundesminister berechtigt ist. Denn im Rechtsverhältnis zum Deutschen Bundestag und seinen Mitgliedern sind die Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG der Bundesregierung zuzuordnen und durch diese unmittelbar gegenüber dem Parlament und mittelbar gegenüber dem Volk zu verantworten, gleich ob sie durch das Kabinett, durch einen von diesem eingesetzten Ausschuss oder durch einen einzelnen Minister getroffen werden. Genauso wenig, wie die Bundesregierung sich durch eine Delegation der ihr durch das Grundgesetz zugewiesenen Entscheidungsbefugnisse ihrer Verantwortung für die getroffenen Entscheidungen entledigen kann, führt eine solche Delegation - gleich ob zulässig oder unzulässig - dazu, dass die Entscheidung des Ministers und die darauf bezogene Willensbildung im Bundessicherheitsrat den Charakter des Regierungshandelns verlören und dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung entzogen wären. Ein möglicher Verstoß gegen ein aus der Verfassung abzuleitendes Delegationsverbot änderte nichts daran, dass die Willensbildung im Bundessicherheitsrat im System der Gewaltenteilung der Regierung zuzuordnen ist, zumal in diesem Unterausschuss des Regierungskollegiums allein Regierungsmitglieder stimmberechtigt sind. Der aus dem Gewaltenteilungsprinzip folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung würde durch einen solchen Verstoß nicht entbehrlich. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Bundesregierung, die den Bundessicherheitsrat durch einen Kabinettsbeschluss eingerichtet hat, dieses Gremium jederzeit durch entsprechenden Beschluss auflösen oder einzelne Beratungen "an sich ziehen" könnte.

149

Der Teilnahme des Bundessicherheitsrates am Kernbereichsschutz steht nicht entgegen, dass an dessen Sitzungen neben Regierungsmitgliedern auch der Chef des Bundeskanzleramtes, der Generalinspekteur der Bundeswehr, die Chefs des Bundespräsidialamtes und des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, die Beauftragte der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie bei Bedarf weitere Dritte teilnehmen können. Hierdurch verliert das Gremium nicht den direkten Bezug zu der Willensbildung innerhalb der Bundesregierung, der die Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG vorbehalten sind. Soweit der Senat für die sogenannte Präsidentenrunde entschieden hat, dass diese an dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung nicht im gleichen Umfang teilnimmt wie das Kabinett (BVerfGE 124, 78 <137>), ist diese Entscheidung auf den Bundessicherheitsrat nicht übertragbar. Die Funktion der Präsidentenrunde besteht lediglich im Austausch von Informationen, der Beratung sowie in der Vorbereitung einer Entscheidungsfindung in den zuständigen Ressorts in Fragen der äußeren und inneren Sicherheit. Weder handelt es sich um ein Entscheidungsgremium, noch dienen die Beratungen der Präsidentenrunde notwendiger- oder auch nur typischerweise der unmittelbaren Vorbereitung von Kabinettsentscheidungen (BVerfG, a.a.O.). Erst recht treten sie nicht faktisch an deren Stelle.

150

c) Eine weitere Grenze des Informationsanspruchs des Bundestages bildet das Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl), das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <134 ff.>; 124, 78 <123> jeweils für das Beweiserhebungsrecht parlamentarischer Untersuchungsausschüsse). Die Frage, welche Grenzen die Verfassung dem parlamentarischen Frage- und Untersuchungsrecht setzt, ist unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im Verfassungsgefüge zu beantworten. Dies gilt auch für die Auslegung und Anwendung des Begriffs der Gefährdung des Staatswohls (vgl. BVerfGE 124, 78 <123>). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Bundestag in der Geheimschutzordnung in detaillierter Weise die Voraussetzungen für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei der Aufgabenerfüllung des Bundestages festgelegt hat (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 77, 1 <48>; vgl. auch BVerfGE 70, 324 <359>). Die Verschwiegenheitspflicht aufgrund parlamentsrechtlicher Regelungen wird durch die strafrechtliche Sanktion des § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB bekräftigt. Diese Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der Tatsache, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungsrecht noch das Haushaltsrecht noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte (BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>). Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Staatswohl im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>). Das Parlament und seine Organe können nicht als Außenstehende behandelt werden, die zum Kreis derer gehören, vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheim zu halten sind (BVerfGE 124, 78 <124>). Mithin kann die Berufung auf das Wohl des Bundes gerade gegenüber dem Bundestag in aller Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn beiderseits wirksam Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden. Dass auch die Beachtung von Vorschriften zur Wahrung von Dienstgeheimnissen deren Bekanntwerden nicht ausschließt, steht dem nicht entgegen, denn diese Tatsache betrifft alle drei Gewalten (BVerfGE 67, 100 <136>).

151

Die Geheimschutzbestimmungen des Bundestages lassen allerdings die eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt (BVerfGE 67, 100 <137>; 70, 324 <359>). Die Bundesregierung ist daher nicht verpflichtet, Verschlusssachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Bundestag vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>). Vorkehrungen zur Geheimhaltung und die Entscheidung, nur ein sehr kleines parlamentarisches Gremium mit Beratungsgegenständen aus einem vertraulichen Bereich zu befassen, können daher verfassungsrechtlich zulässig sein, obgleich damit erhebliche Beschränkungen des Zugangs der meisten Abgeordneten zu diesen Informationen verbunden sind (BVerfGE 70, 324 <360, 364>; 130, 318 <352 f., 359>; 131, 230 <235>).

152

Andererseits ist zu beachten, dass der Deutsche Bundestag seine Repräsentationsfunktion grundsätzlich in seiner Gesamtheit durch die Mitwirkung aller seiner Mitglieder wahrnimmt (BVerfGE 130, 318 <342>; vgl. auch schon BVerfGE 44, 308 <316>; 56, 396 <405>; 80, 188 <218>; ferner BVerfGE 131, 230 <235>). Daher ist jeder Abgeordnete berufen, an der Arbeit des Bundestages, seinen Verhandlungen und Entscheidungen teilzunehmen (BVerfGE 130, 318 <342>). Soweit Abgeordnete durch die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf einen beschließenden Ausschuss von der Mitwirkung an der parlamentarischen Entscheidungsfindung ausgeschlossen werden, ist dies nur zum Schutz anderer Rechtsgüter mit Verfassungsrang und unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig (BVerfGE 131, 230 <235>). Es bedarf eines besonderen Grundes, der durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht ist, das der Gleichheit der Abgeordneten die Waage halten kann (BVerfGE 131, 230 <235>).

153

Überträgt der Deutsche Bundestag zur Wahrung anderer Rechtsgüter von Verfassungsrang einem von ihm aufgrund seiner Selbstorganisationsbefugnis eingerichteten Ausschuss oder einem anderen Untergremium einzelne der von ihm zu erfüllenden Aufgaben zur selbständigen und plenarersetzenden Wahrnehmung und bestehen dafür Gründe, die dem Gebot der gleichberechtigten Mitwirkung aller Abgeordneten die Waage halten, darf die Beschränkung der Statusrechte der gewählten Abgeordneten und die damit verbundene Ungleichbehandlung nicht weiter reichen, als dies unbedingt erforderlich ist (BVerfGE 130, 318 <353>). Auch Belange des Geheimschutzes im Interesse verfassungsrechtlich geschützter Güter sind als zwingende Gründe des Staatswohls grundsätzlich geeignet, die Einschränkung von Statusrechten der Abgeordneten zu rechtfertigen (BVerfGE 70, 324 <358 f.>; 130, 318 <359>; vgl. auch BVerfGE 131, 230 <235>). Die Staatspraxis kennt das aus elf Abgeordneten gebildete Parlamentarische Kontrollgremium, das unter anderem die nachrichtendienstliche Tätigkeit überwacht (BVerfGE 130, 318 <359>). Zudem hat es das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass über die Wirtschaftspläne der Geheimdienste des Bundes nicht das Plenum, sondern ein wesentlich kleineres, geheim verhandelndes und ausschließlich zu diesem Zwecke gebildetes Gremium berät, weil aus der Vielzahl der Informationen, die bei der Beratung bekannt werden, mosaikartig auch ein Bild von den konkreten Operationen der Geheimdienste gewonnen werden und dies darüber hinaus zur Gefährdung von Personen führen kann (BVerfGE 70, 324 <364>). Ebenso wie bei militärischen Geheimnissen oder sonstigen aus Gründen des Staatsschutzes geheim zu haltenden Informationen kann die Geheimschutzordnung möglicherweise auch dann keine ausreichende Vorsorge bieten, wenn über Maßnahmen entschieden werden muss, bei denen nicht nur der Inhalt der Beratung, sondern auch die Tatsache der Beratung und der Beschlussfassung an sich geheim gehalten werden müssen, um den Erfolg einer Maßnahme nicht von vornherein unmöglich zu machen (BVerfGE 130, 318 <362>).

154

d) Schließlich können das Fragerecht der Abgeordneten und die Antwortpflicht der Bundesregierung dadurch begrenzt sein, dass diese gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten haben (BVerfGE 67, 100<142>; 76, 363 <387>; 77, 1 <46>; 124, 78 <125>). Werden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch den Staat offen gelegt oder verlangt er deren Offenlegung, so ist Art. 12 Abs. 1 GG in seinem Schutzbereich berührt (vgl. BVerfGE 115, 205 <230>; 128, 1 <56>).

155

Das Grundrecht der Berufsfreiheit ist nach Art. 19 Abs. 3 GG auch auf juristische Personen anwendbar, soweit sie eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer juristischen wie einer natürlichen Person offen steht (BVerfGE 50, 290<363>; 115, 205 <229>; stRspr). Das Freiheitsrecht des Art. 12 Abs. 1 GG schützt das berufsbezogene Verhalten einzelner Personen oder Unternehmen am Markt. Erfolgt die unternehmerische Berufstätigkeit nach den Grundsätzen des Wettbewerbs, wird die Reichweite des Freiheitsschutzes auch durch die rechtlichen Regeln mitbestimmt, die den Wettbewerb ermöglichen und begrenzen (BVerfGE 105, 252 <265>; 115, 205 <229>). Behindert eine den Wettbewerb beeinflussende staatliche Maßnahme eine juristische Person in ihrer beruflichen Tätigkeit, so stellt dies eine Beschränkung ihres Freiheitsrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG dar (BVerfGE 86, 28<37>; 115, 205 <230>).

156

Durch die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen kann die Ausschließlichkeit der Nutzung des betroffenen Wissens für den eigenen Erwerb beeinträchtigt werden. Wird exklusives wettbewerbserhebliches Wissen den Konkurrenten zugänglich, mindert dies die Möglichkeit, die Berufsausübung unter Rückgriff auf dieses Wissen erfolgreich zu gestalten. So können unternehmerische Strategien durchkreuzt werden. Auch kann ein Anreiz zu innovativem unternehmerischen Handeln entfallen, weil die Investitionskosten nicht eingebracht werden können, während gleichzeitig Dritte unter Einsparung solcher Kosten das innovativ erzeugte Wissen zur Grundlage ihres eigenen beruflichen Erfolgs in Konkurrenz mit dem Geheimnisträger nutzen (vgl. zum Ganzen BVerfGE 115, 205 <230>).

157

3. Aus der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, folgt, dass sie die Gründe darlegen muss, aus denen sie die erbetenen Auskünfte verweigert (BVerfGE 124, 161 <193>). Denn der Bundestag kann seine Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns nur dann effektiv wahrnehmen, wenn er anhand einer der jeweiligen Problemlage angemessen ausführlichen Begründung beurteilen und entscheiden kann, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen. Hierzu muss er Abwägungen betroffener Belange, die zur Versagung von Auskünften geführt haben, auf ihre Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüfen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>). Eine Begründung der Antwortverweigerung ist daher nur dann entbehrlich, wenn die Geheimhaltungsbedürftigkeit evident ist (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>).

II.

158

Nach diesen Maßstäben ist die Bundesregierung verpflichtet, Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf entsprechende Anfragen hin mitzuteilen, dass der Bundessicherheitsrat ein bestimmtes, das heißt hinsichtlich des Rüstungsguts, des Auftragsvolumens und des Empfängerlandes konkretisiertes Kriegswaffenexportgeschäft genehmigt hat oder dass eine Genehmigung für ein wie in der Anfrage beschriebenes Geschäft nicht erteilt worden ist. Darüber hinaus gehende Angaben sind verfassungsrechtlich nicht geboten.

159

1. Die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung ist nicht bereits mit der positiven oder negativen Antwort auf eine Voranfrage (a), sondern erst mit dem vom Bundessicherheitsrat gefassten Beschluss zu einem formellen Genehmigungsantrag abgeschlossen; über eine positive Genehmigungsentscheidung hat die Bundesregierung den Bundestag und seine Mitglieder daher auf Anfrage zu unterrichten (b). Keine Antwortpflicht besteht hingegen bei Fragen zu den Gründen einer getroffenen Entscheidung und zum Inhalt und Verlauf der Beratungen im Bundessicherheitsrat (c).

160

a) Die positive Beantwortung einer auf die Genehmigungsfähigkeit eines Kriegswaffenexportgeschäfts abzielenden Voranfrage eines Unternehmens der Rüstungsindustrie schließt die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung in Bezug auf das betreffende Exportvorhaben nicht ab. Etwas anderes könnte für die Ablehnung einer Voranfrage gelten, die aber nach dem von den Antragstellern nicht angezweifelten Vorbringen der Antragsgegnerin grundsätzlich nicht erfolgt und zudem aus anderen, unten näher dargelegten Gründen (vgl. Rn. 174 ff.) nicht mitzuteilen ist.

161

Mit einer positiven Beantwortung einer Voranfrage lassen der Bundessicherheitsrat und der für Voranfragen in Bezug auf Kriegswaffen zuständige Minister erkennen, dass zum Zeitpunkt der Antwort keine Bedenken gegen das beabsichtigte Exportgeschäft bestehen, so dass ein entsprechender formgerechter, konkretisierter und mit ausreichenden Unterlagen unterlegter Antrag Aussicht auf Erfolg hätte. Es handelt sich folglich bei der Beantwortung einer Voranfrage um eine Auskunft über die Genehmigungsfähigkeit des beabsichtigten Exports zum Zeitpunkt der Bescheidung dieser Anfrage, nicht aber um eine Zusicherung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) oder gar um eine abschließende Teilregelung oder Teilgenehmigung (Pottmeyer, Kriegswaffenkontrollgesetz, 2. Aufl. 1994, § 9 Rn. 55; a.A. Zähle, Der Staat 44 (2005) S. 462 <475> und VG Frankfurt, Urteil vom 1. November 2001 - 1 E 6167/00 (1) -, juris, Rn. 21). Eine Zusicherung im Sinne von § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG liegt nur vor, wenn der Wille der Behörde, sich für die Zukunft zu binden und einen entsprechenden Anspruch des Begünstigten auf die zugesagte Maßnahme zu begründen, in der Erklärung eindeutig erkennbar ist. Wird eine Maßnahme lediglich "in Aussicht gestellt", so liegt im Regelfall nur eine unverbindliche Absichtserklärung vor, wie weiter zu verfahren ist (Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 38 Rn. 21 ff. <24>). Die von der Antragsgegnerin exemplarisch eingereichten Antworten des Auswärtigen Amtes auf Voranfragen betreffend die Ausfuhr von Kriegswaffen sind so formuliert, dass dem anfragenden Unternehmen mitgeteilt wird, dass die Bundesregierung eine Genehmigung der Ausfuhr in Aussicht stellt, soweit sich die Umstände zum Zeitpunkt der Stellung des konkreten Antrages nicht wesentlich geändert haben. Aus einer solchen Mitteilung geht der Wille der Bundesregierung, sich zu binden und entgegen § 6 Abs. 1 KWKG einen Anspruch des Unternehmens auf die Genehmigung zu begründen, nicht eindeutig hervor. Der Bundessicherheitsrat und die beteiligten Ministerien sind folglich an die positive Beantwortung einer Voranfrage nicht gebunden, ein anschließender Antrag auf Erteilung der Genehmigung kann auch bei unveränderten Umständen abgelehnt werden. Ob in einem solchen Fall ein Amtshaftungsanspruch gegen die Bundesrepublik bestehen kann (so Pottmeyer, a.a.O., Rn. 56), bedarf hier keiner Klärung.

162

Dieser Rechtslage entspricht anscheinend die tatsächliche Praxis der Antragsgegnerin. Nach deren Vorbringen fühlt sich der Bundessicherheitsrat an seine Antworten auf Voranfragen rechtlich nicht gebunden. Vielmehr wird nach Eingang des vollständigen Genehmigungsantrages nochmals in die Beratung eingetreten und kommt es auch zu anschließenden Ablehnungsentscheidungen, die offenbar auch auf einer geänderten Einschätzung der im Wesentlichen unveränderten Lage in dem Empfängerland beruhen können.

163

Eine Verpflichtung der Bundesregierung, den Bundestag generell oder einzelne Abgeordnete auf konkrete Fragen hin über Entscheidungen des Bundessicherheitsrates zu Voranfragen in Bezug auf beabsichtigte Kriegswaffenexporte zu informieren, würde vor diesem Hintergrund in einen noch nicht abgeschlossenen ressortübergreifenden Willensbildungsprozess aus dem Verantwortungsbereich der Bundesregierung eingreifen. Der durch die Beantwortung der Voranfrage rechtlich nicht gebundene Bundessicherheitsrat würde der Einflussnahme des Parlaments auf seine von verschiedenen außenpolitischen Belangen, Erwägungen und Entwicklungen abhängige Beratung und Entscheidung über den nachfolgenden Genehmigungsantrag ausgesetzt. Damit würde dem Parlament das faktische Mitregieren bei einer Entscheidung ermöglicht, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegt. Die Kontrollaufgabe des Parlaments würde in eine Steuerungsbefugnis verkehrt, die ihm ausweislich von Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG in diesem Bereich nicht zukommt.

164

b) Die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung ist nicht erst mit dem Erlass des positiven oder negativen Genehmigungsbescheides durch das jeweils zuständige Bundesministerium abgeschlossen. Entscheidender Willensbildungsakt ist vielmehr die Beratung eines Genehmigungsantrages im Bundessicherheitsrat, die mit dessen Beschlussfassung ihren Abschluss findet.

165

Die rechtliche Qualität der Beschlüsse des Bundessicherheitsrates im Bereich der Kriegswaffenexporte ist in der Literatur umstritten. Teilweise wird die auch von der Antragsgegnerin vorgebrachte Ansicht vertreten, es handele sich um rechtlich unverbindliche Empfehlungen, die dem jeweils zuständigen Minister lediglich vermitteln, ob dessen Entscheidung politisch mitgetragen werde (so Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, § 42 IV. 4. c), S. 875; Zähle, Der Staat 44 (2005), S. 462 <477>, im Wege verfassungskonformer Auslegung; Busse/Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, 5. Aufl. 2010, S. 96 f.; Glawe, Organkompetenzen und Handlungsinstrumente auf dem Gebiet der nationalen Sicherheit, 2011, S. 32, der allerdings von einer Empfehlung an das Bundeskabinett ausgeht). Nach anderer Ansicht trifft der Bundessicherheitsrat selbst die Genehmigungsentscheidung, an die der zuständige Minister gebunden ist und die sein Ministerium als Genehmigungsbehörde durch entsprechenden Bescheid umsetzen muss (Kadner, Die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers gegenüber der Sonderstellung einzelner Bundesminister unter besonderer Berücksichtigung des Bundesministers für Verteidigung, 1970, S. 111; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 227; Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2. Aufl. 1998, S. 247). Dieser Auffassung zufolge ist der Bundessicherheitsrat aufgrund der ihm als Entscheidungsgremium zukommenden Leitungsgewalt wegen Verstoßes gegen die Ressortselbständigkeit der Minister und die Kanzlerprärogative verfassungswidrig (Kadner, a.a.O.; Epping, a.a.O.; Böckenförde, a.a.O.; a.A. Steinberg, Abrüstungs- und Rüstungskontrollverwaltung in der Bundesrepublik Deutschland, 1982, S. 108, der zwar ein Entscheidungsrecht des Bundessicherheitsrates annimmt, dies aber mit Art. 65 GG für vereinbar hält).

166

Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob - wie es der Wortlaut von Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG nahe legt - die Bundesregierung beziehungsweise der Bundessicherheitsrat selbst zur Entscheidung verpflichtet ist (zum Erlass von Verwaltungsakten durch die Bundesregierung vgl. BVerwGE 117, 322 <328>, Rn. 16) oder das zuständige Ministerium als Genehmigungsbehörde rechtlich an den jeweiligen Beschluss des Bundessicherheitsrates gebunden ist. Nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin erfolgt in der Staatspraxis die abschließende Entscheidung im Bundessicherheitsrat. An dessen Beschlüsse halten sich die Minister faktisch und fühlen sich durch diese gebunden. Der Antragsgegnerin zufolge ist ihr kein Fall bekannt, in dem ein Minister von einer Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates abgewichen ist. Es besteht kein Grund, an dieser Darstellung zu zweifeln. Eine andere Handhabung würde auf Dauer zu fortwährenden Konflikten zwischen der Gesamtheit der Mitglieder des Bundessicherheitsrates und dem von dessen Beschlüssen abweichenden Minister und zu einer ständigen Befassung des gesamten Kabinetts führen (Art. 65 Satz 3 GG).

167

Zugunsten der Antragsteller kann daher davon ausgegangen werden, dass die Willensbildung der Bundesregierung in Bezug auf einen Kriegswaffenexportantrag mit dem jeweiligen Beschluss des Bundessicherheitsrates abgeschlossen ist. Damit endet der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung für die getroffene Entscheidung in diesem Zeitpunkt. Die Bundesregierung ist verpflichtet, den Abgeordneten des Bundestages auf Anfragen hin mitzuteilen, dass der Bundessicherheitsrat einen Beschluss über die Genehmigung eines Kriegswaffenexportgeschäfts gefasst hat.

168

c) Die Bundesregierung ist jedoch nicht verpflichtet, über die Mitteilung einer erfolgten Genehmigung hinaus Angaben zu der dieser Entscheidung vorausgegangenen Willensbildung innerhalb des Bundessicherheitsrates zu machen.

169

Parlamentarische Informationsrechte in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge scheiden zwar nicht grundsätzlich immer dann aus, wenn es sich um Informationen aus dem Bereich der Willensbildung der Regierung, einschließlich der vorbereitenden Willensbildung innerhalb der Ressorts und der Abstimmung zwischen ihnen handelt (BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>). Dem parlamentarischen Zugriff können grundsätzlich auch Informationen aus dem Bereich der regierungsinternen Willensbildung unterliegen (BVerfGE 124, 78 <122>).

170

Andererseits würde ein - sei es auch erst nach Abschluss des jeweiligen Entscheidungsprozesses einsetzender - schrankenloser parlamentarischer Anspruch auf Informationen aus diesem Bereich vor allem durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der selbständigen Funktion beeinträchtigen, die das Gewaltenteilungsprinzip ihr zuweist (BVerfGE 110, 199 <215>; 124, 78 <121>). Informationen aus dem Vorfeld von Regierungsentscheidungen sind danach zwar nach Abschluss der jeweiligen Entscheidung nicht mehr im selben Maße geschützt wie in der Phase, in der die Kenntnisnahme Dritter diesen einen unmittelbaren Einfluss auf die Entscheidung verschaffen würde (vgl. BVerfGE 110, 199 <215 f.>). Jedoch sind auch bei abgeschlossenen Vorgängen Fälle möglich, in denen die Regierung nicht verpflichtet ist, geheim zu haltende Tatsachen aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung mitzuteilen (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <216>; 124, 78 <121>). Die Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs lassen sich in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände feststellen (vgl. BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>). Die Notwendigkeit, hier zwischen gegenläufigen Belangen abzuwägen, entspricht der doppelten Funktion des Gewaltenteilungsgrundsatzes als Grund und Grenze parlamentarischer Kontrollrechte (BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>). In ihr kommt zum Ausdruck, dass die parlamentarische Kontrolle der Regierung einerseits gerade dazu bestimmt ist, eine demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechende Ausübung der Regierungsfunktion sicherzustellen, andererseits aber diese Funktion auch stören kann und daher der Begrenzung auf ein funktionsverträgliches Maß bedarf (BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>).

171

Als funktioneller Belang fällt bei abgeschlossenen Vorgängen nicht mehr die Entscheidungsautonomie der Regierung, sondern vor allem die Freiheit und Offenheit der Willensbildung innerhalb der Regierung ins Gewicht. Unter diesem Aspekt sind Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen, die Aufschluss über den Prozess der Willensbildung geben, umso schutzwürdiger, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen (vgl. BVerfGE 110, 199 <221>; 124, 78 <122 f.>).

172

Die Bundesregierung ist danach nicht verpflichtet, über den Inhalt und den Verlauf der Beratungen im Bundessicherheitsrat und über das Abstimmungsverhalten seiner Mitglieder Auskunft zu geben. Die Mitglieder des Gremiums sind auf die Vertraulichkeit der Beratungen in besonderem Maße angewiesen, da die Entscheidung über eine beabsichtigte Ausfuhr von Kriegswaffen eine eingehende Beurteilung des Empfängerlandes erfordert, etwa im Hinblick auf dessen politische und militärische Stabilität. Müssten die Mitglieder des Bundessicherheitsrates damit rechnen, dass die von ihnen in den Beratungen abgegebenen Einschätzungen alsbald nach der getroffenen Entscheidung veröffentlicht werden, so könnten sie nicht in auf Vertraulichkeit der Beratungen fußender Offenheit Gründe vorbringen, die für oder gegen eine Genehmigung sprechen. Es wäre sogar naheliegend, dass in einer solchen Situation die eigentlichen Beratungen faktisch nicht mehr in dem Gremium selbst erfolgen, sondern in Vorbesprechungen oder in kleinere, geheim tagende Kreise ausgelagert würden. Derartige einengende Vorwirkungen würden den Bundessicherheitsrat in seiner Funktion nachhaltig beeinträchtigen. Die Preisgabe der Beratungsabläufe im Bundessicherheitsrat wäre daher ein erheblicher Eingriff in den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung.

173

Das parlamentarische Informationsinteresse fällt demgegenüber weniger stark ins Gewicht. Parlamentarisch verantwortlich für die Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG ist die Bundesregierung. Die Information, welcher Minister im Rahmen der Beratungen welche Position vertreten hat, mag daher von allgemeinem politischen Interesse sein, für die parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelns ist sie aber nicht relevant.

174

2. Die Antwort auf Fragen zu noch nicht beschiedenen Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen kann die Bundesregierung ebenso wie die Auskunft über Voranfragen von Rüstungsunternehmen auch aus Gründen des Staatswohls verweigern. Entsprechendes gilt für die Tatsache, dass ein Genehmigungsantrag abgelehnt wurde. Auch bei durch den Bundessicherheitsrat bereits gebilligten Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung kann die Verweigerung der Antwort aus diesen Gründen gerechtfertigt sein.

175

Die Weitergabe der Information, ob der Bundessicherheitsrat eine Voranfrage beschieden hat, kann zu Verwerfungen im Verhältnis zu dem jeweiligen Erwerberland führen. Zum einen können dadurch Rüstungserwerbsabsichten publik werden, die das jeweilige Land jedenfalls in diesem frühen Stadium der Geschäftsanbahnung geheim halten möchte, etwa weil durch eine Veröffentlichung die künftige Verteidigungsstrategie des Landes erkennbar würde. Zum anderen kann das Bekanntwerden der Tatsache, dass eine Genehmigung verweigert beziehungsweise eine Voranfrage abschlägig beschieden oder zurückgestellt wurde, das an dem Erwerb interessierte Land öffentlich brüskieren und damit die Beziehungen zur Bundesrepublik stören.

176

Eine erhebliche Beeinträchtigung außenpolitischer Interessen drohte, wenn auch die Gründe für die Ablehnung einer Genehmigung oder Voranfrage mitgeteilt werden müssten, etwa die Gefahr der Verwendung der zur Ausfuhr vorgesehenen Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung oder bei Menschenrechtsverletzungen. Zudem könnten die Gründe in Einzelfällen Rückschlüsse auf bestimmte Informationsquellen zulassen, an deren Geheimhaltung die Bundesregierung gerade im Verhältnis zu dem betroffenen Land zum Schutz seiner Informationskanäle ein berechtigtes Interesse hat.

177

Das Bekanntwerden sensibler Rüstungsexportgeschäfte kann auch über das Verhältnis zum direkt betroffenen Erwerberland hinaus die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung beeinträchtigen. Rüstungsexportentscheidungen haben in der Regel eine diplomatische Dimension. So wird der Export von Kriegswaffen in Länder, die nicht Mitglied der NATO oder der Europäischen Union oder den NATO-Mitgliedsländern gleichgestellt sind, nur genehmigt, wenn "im Einzelfall besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der Bündnisinteressen für eine ausnahmsweise zu erteilende Genehmigung sprechen" (Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern, III. 2., abgedruckt im Rüstungsexportbericht 2013, Anlage 1, S. 36). Der Handel mit Rüstungsgütern gilt als "wichtiges diplomatisches Instrument" (Richter, Die Rüstungsindustrie im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 20). Waffenexporte können den Zusammenhalt von Bündnissen und die militärische Schlagkraft befreundeter Staaten stärken und als "Gegenleistung" eingesetzt werden, etwa für Stationierungs- oder Überflugrechte (Roeser, Völkerrechtliche Aspekte des internationalen Handels mit konventionellen Waffen, 1988, S. 41). Die Verweigerung von Rüstungsexporten kann demgegenüber - wie etwa konzertierte Embargo-Aktionen zeigen - der Erhaltung des eigenen waffentechnischen Vorsprungs gegenüber anderen Staaten und damit der Sicherheit des Staates dienen (von Poser und Groß Naedlitz, Die Genehmigungsentscheidung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, 1999, S. 56). Die Haltung der Bundesregierung zu einem beabsichtigten Rüstungsgeschäft kann damit auch Indikator für die politische Beziehung zu einem Land oder Ausdruck einer bestimmten Sicherheitsstrategie sein. Das vorzeitige Öffentlichwerden solcher Rüstungsexportgeschäfte kann ebenso wie das Bekanntwerden einer ablehnenden Entscheidung die Abschätzbarkeit der deutschen Außenpolitik für andere Länder erleichtern und damit Verhandlungs- und Gestaltungsspielräume verengen. Gleiches gilt für das Bekanntwerden der Gründe für die Bewilligung oder Ablehnung einer Genehmigung. Die Bundesregierung ist daher nicht verpflichtet, die Gründe für eine vom Bundessicherheitsrat getroffene Entscheidung mitzuteilen. Auch über die Ablehnung eines Kriegswaffenausfuhrantrages muss keine Auskunft erteilt werden.

178

Ein frühzeitiges Bekanntwerden eines beabsichtigten Rüstungsexportgeschäfts und der Haltung der Bundesregierung bereits im Stadium der Vertragsanbahnung birgt darüber hinaus die Gefahr, dass ein drittes Land, welches mit dem Geschäft nicht einverstanden ist, versucht, dieses Geschäft vor seiner tatsächlichen Durchführung durch den Einsatz von Druckmitteln zu verhindern. Zudem kann ein frühzeitiges Bekanntwerden dazu führen, dass ausländische Konkurrenzunternehmen an den Kaufinteressenten herantreten und das Geschäft durch Abgabe eines günstigeren Angebots an sich ziehen. Dies kann jedenfalls dort ein Geheimhaltungsinteresse der Bundesregierung aus Gründen des Staatswohls rechtfertigen, wo die Durchführung des Exportgeschäfts im außenpolitischen Interesse der Bundesrepublik liegt. Zudem stellt die Aufrechterhaltung eines nationalen Rüstungswesens ein legitimes staatliches Ziel dar. Eine eigene rüstungsindustrielle Basis führt aus verteidigungspolitischer Sicht dazu, dass die nationalen Streitkräfte durch die inländische Industrie ausgerüstet werden können. Gegenüber der Beschaffung der militärischen Ausrüstung auf dem Weltmarkt werden als Vorteile unter anderem der staatliche Einfluss als Hauptauftraggeber (Richter, Die Rüstungsindustrie im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 24; ähnlich Raidel, Eine Lanze für die deutsche Verteidigungswirtschaft, Politik & Sicherheit, Heft 8, August 2009, S. 1 f.) und die daraus folgende passgenaue Ausrichtung nationaler Rüstungsprodukte auf die taktischen und operativen Konzepte der Streitkräfte sowie die Möglichkeit der konzeptionellen Weiterentwicklung der Streitkräfte genannt (Küchle, Die deutsche Heeresindustrie in Europa, 2007, S. 9). Zudem erhöht eine eigene Rüstungsindustrie die Versorgungssicherheit und dient der Vermeidung von Abhängigkeiten von der Exportpolitik anderer Staaten.

179

Diese Gefahren für die Durchführung des Rüstungsexportgeschäfts nehmen mit dem Fortgang des Verfahrens ab. Sie bestehen vor allem in der oft Monate oder gar Jahre andauernden Phase der Vertragsanbahnung. Aus diesem Grunde ist die Bundesregierung nicht verpflichtet, Abgeordneten des Bundestages auf Anfrage mitzuteilen, ob eine Voranfrage zu einem beabsichtigten Ausfuhrgeschäft gestellt und wie diese beschieden wurde. Die positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates, die anschließend durch das zuständige Ministerium in dem Genehmigungsbescheid umgesetzt wird, stellt auch hier eine Zäsur dar. Nach den Angaben der sachkundigen Dritten ist zum Zeitpunkt des Antrages auf Genehmigung einer Kriegswaffenausfuhr der Vertrag mit dem Empfängerland im Regelfall jedenfalls endverhandelt, zumeist sogar bereits geschlossen. Damit verringert sich die Gefahr einer Einflussnahme Dritter auf das zur Genehmigung anstehende Geschäft erheblich. Mit der positiven Entscheidung des Bundessicherheitsrates über einen Genehmigungsantrag entfällt auch die Möglichkeit der Bloßstellung eines kaufinteressierten Staates, die mit der Ablehnung eines frühzeitig - etwa durch die Auskunft über eine Voranfrage - bekannt gewordenen Geschäfts verbunden sein kann.

180

Die Zäsurwirkung der positiven Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates schließt nicht aus, dass die Bundesregierung aus den genannten Gründen des Staatswohls in Einzelfällen ausnahmsweise auch die Antwort auf die Frage verweigern darf, ob eine solche Entscheidung getroffen wurde. Wann eine solche Antwortverweigerung gerechtfertigt sein kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn jedenfalls müsste die Bundesregierung die Verweigerung der Auskunft in ihrer Antwort gesondert begründen, was vorliegend nicht geschehen ist.

181

3. Eine weitere Einschränkung der Antwortpflicht der Bundesregierung in Bezug auf die Befassung des Bundessicherheitsrates mit Voranfragen und Genehmigungsanträgen zu beabsichtigten Kriegswaffenausfuhrgeschäften ergibt sich aus dem grundrechtlichen Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der jeweiligen Rüstungsunternehmen.

182

a) Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Zu derartigen Geheimnissen zählen etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden können (BVerfGE 115, 205 <230 f.>; vgl. auch BVerfGE 128, 1 <56>). Als Betriebsgeheimnisse kommen vorliegend unter anderem die konkreten technischen Daten und Spezifikationen der einzelnen Kriegswaffen in Betracht, als Geschäftsgeheimnisse insbesondere die Details der vertraglichen Vereinbarungen wie etwa Lieferzeiten und -orte, Preise und Preisbestandteile, Zahlungsbedingungen und Angaben zu den beteiligten Zulieferunternehmen. Der Umstand, dass ein Unternehmen Verhandlungen mit einem Staat über den Erwerb von Kriegswaffen bestimmter Gattung führt, stellt für sich genommen ebenfalls ein Geschäftsgeheimnis dar, weil die Verhandlungspartner in aller Regel eine Vertraulichkeitsvereinbarung abschließen und weil Konkurrenzunternehmen versuchen können, die Anbahnung des Geschäfts durch eigene Angebote oder andere Maßnahmen zu unterminieren. Somit stellen das Kaufinteresse eines Staates und die Aufnahme von Vertragsverhandlungen exklusives wettbewerbserhebliches Wissen dar und mindert die Offenlegung dieser Tatsachen die Möglichkeit, die Berufsausübung unter Rückgriff auf dieses Wissen erfolgreich zu gestalten.

183

b) Zwar begründet Art. 12 Abs. 1 GG kein ausschließliches Recht der Unternehmen auf eigene Außendarstellung und auf eine uneingeschränkte unternehmerische Selbstdarstellung am Markt. Marktbezogene Informationen des Staates beeinträchtigen den grundrechtlichen Gewährleistungsbereich der Berufsfreiheit der betroffenen Unternehmen daher nicht, sofern der Einfluss auf wettbewerbserhebliche Faktoren ohne Verzerrung der Marktverhältnisse nach Maßgabe der rechtlichen Vorgaben für staatliches Informationshandeln erfolgt (BVerfGE 105, 252 <264 ff., 268>). Unabhängig davon wäre aber durch die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Kriegswaffen produzierenden Unternehmen durch die Bundesregierung der Schutzbereich der Berufsfreiheit berührt (vgl. BVerfGE 115, 205 <230>). Dieser Schutzbereich ist jedenfalls insoweit nicht durch Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG eingeschränkt. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei dem Genehmigungserfordernis um ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (so Pottmeyer, Kriegswaffenkontrollgesetz, 1991, S. 69 ff.; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 120) oder um ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt handelt (so Pernice, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006, Art. 26 Rn. 20; Fink, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 26 Rn. 75; Streinz, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 45; Hernekamp, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 26 Rn. 29; Hobe, in: Berliner Kommentar zum GG, Nov. 2012, Art. 26 Rn. 18). Selbst wenn man der Regelung eine grundsätzliche Missbilligung der Herstellung, der Beförderung und des Inverkehrbringens von Kriegswaffen entnehmen wollte, sind diese Verhaltensweisen bei Vorliegen einer Genehmigung erlaubt und von der Berufsfreiheit geschützt. Dieser Schutz erstreckt sich auf solche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ein Unternehmen zur Erlangung der Genehmigung gegenüber staatlichen Behörden offenlegen muss, und zwar selbst für den Fall, dass die Genehmigung versagt werden sollte. Das Grundgesetz missbilligt nicht die Vorbereitung und Anbahnung eines Kriegswaffenexportgeschäfts, sondern allenfalls dessen nicht genehmigte Durchführung.

184

c) Durch die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen von Unternehmen der Rüstungsindustrie im Rahmen der Beantwortung parlamentarischer Anfragen griffe die Bundesregierung in den Schutzbereich der Berufsfreiheit ein. Sowohl schriftliche Antworten der Bundesregierung als auch mündliche Antworten im Rahmen von Fragestunden sind öffentlich. Schriftliche Antworten werden durch den Bundestag in Drucksachen veröffentlicht (§ 105 Satz 1 und 2 i.V.m. Anlage 4, Ziff. 14 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980, BGBl I S.1237, zuletzt geändert durch Beschluss vom 3. April 2014, BGBl I S. 534 - GO-BT -), mündliche Antworten in Fragestunden sind den jeweiligen Plenarprotokollen zu entnehmen, nachgereichte schriftliche Antworten werden in einen Anhang zu dem betreffenden Protokoll aufgenommen (GO-BT, Anlage 4, Ziff. 12). Damit würde Konkurrenten die Kenntnisnahme von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der betroffenen Unternehmen ermöglicht (vgl. BVerfGE 115, 205 <231>).

185

d) Der mit einer Offenlegung von Informationen zu beabsichtigten Rüstungsexportgeschäften verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit der Unternehmen der deutschen Rüstungsindustrie ist generell insoweit gerechtfertigt, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort Auskunft darüber gibt, dass der Bundessicherheitsrat die Genehmigung für ein konkretes Kriegswaffenausfuhrgeschäft erteilt hat und in diesem Rahmen Angaben über Art und Anzahl der Kriegswaffen, über das Empfängerland, über die beteiligten deutschen Unternehmen und über das Gesamtvolumen des Geschäfts macht. Darüber hinaus gehende Angaben würden grundsätzlich in unverhältnismäßiger Weise in die Berufsfreiheit der Unternehmen eingreifen. Dies gilt insbesondere für Angaben, die so konkret sind, dass aus ihnen auf vertrauliche Informationen, etwa auf den Einzelpreis eines bestimmten Rüstungsguts, rückgeschlossen werden könnte.

186

aa) Die Offenlegung von Unternehmensinformationen durch die Bundesregierung in Antworten auf Anfragen von Abgeordneten betrifft ein mehrpoliges Rechtsverhältnis, in welchem die Bundesregierung das Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten einerseits und das den Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gewährleistende Grundrecht der betroffenen Unternehmen auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG andererseits zum Ausgleich zu bringen hat. In einer solchen Konstellation sind Eignung und Erforderlichkeit der Beeinträchtigungen mit Blick auf beide widerstreitenden Rechtsgüter zu beurteilen. Dabei sind die Vor- und Nachteile bei der Verwirklichung der verschiedenen betroffenen Rechtsgüter in ihrer Gesamtheit abzuwägen. Hat der Gesetzgeber einen Weg zur Lösung des Konflikts durch eine einfachgesetzliche Regelung vorgezeichnet, so ist sein Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Überlässt er die Entscheidung hingegen den Organen der Rechtsanwendung, so sind deren Eingriffshandlungen verfassungsrechtlich darauf zu überprüfen, ob die zugrunde gelegten Annahmen und Abwägungsregeln sowie ihre Abwägung im konkreten Fall den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen, das heißt auch, ob sie innerhalb des den Entscheidungsträgern gewährten Einschätzungsspielraums verbleiben und zur Herstellung praktischer Konkordanz im konkreten Streitfall führen (zum Ganzen BVerfGE 115, 205 <233 f.>).

187

bb) § 12a Abs. 2 Satz 1 KWKG ermächtigt die Bundesregierung, die auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 erhobenen Daten zusammengefasst ohne Nennung von Empfängern und Lieferanten zu den in Absatz 1 genannten Zwecken an internationale Organisationen oder zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages zu übermitteln oder zu veröffentlichen. Die Vorschrift wurde mit dem Achten Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes vom 9. August 1994 (BGBl I S. 2068) in das KWKG aufgenommen und dient der Umsetzung einer Resolution der Vereinten Nationen, mit der beim Generalsekretariat der Vereinten Nationen ein Waffenregister eingerichtet wurde und die Mitgliedstaaten aufgerufen wurden, die Ein- und Ausfuhr bestimmter Kriegswaffen dorthin zu melden (BTDrucks 12/6911, S. 11). Die Ermächtigung zur Übermittlung oder Veröffentlichung zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages beruhte auf der Erwägung, dass Daten, die wie im Falle des Waffenregisters der Einsicht aller Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen offen stehen, grundsätzlich auch zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages oder der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen sollten (BTDrucks 12/6911, S. 12). Diese Regelung kann den erforderlichen Ausgleich zwischen dem Fragerecht der Abgeordneten und dem Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen auch unter Berücksichtigung des Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise herstellen. Dies folgt schon daraus, dass sie die Weitergabe der Informationen an den Deutschen Bundestag lediglich ermöglicht, ohne die Bundesregierung hierzu zu verpflichten. Der Ausgleich der konfligierenden Rechtsgüter bleibt so letztlich der Bundesregierung überlassen und es kann auch zu einer völligen Versagung von Auskünften kommen. Der Gesetzgeber hat damit keinen Lösungsweg bereitgestellt, der stets eine Verwirklichung der gegenläufigen Interessen in diesem mehrpoligen Rechtsverhältnis sichert (vgl. BVerfGE 115, 205 <235>). Eine erweiternde Auslegung ist angesichts des klaren Wortlautes nicht möglich.

188

cc) Die somit erforderliche Abwägung unmittelbar zwischen dem Fragerecht der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG einerseits und dem durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des jeweiligen die Ausfuhr beabsichtigenden Unternehmens andererseits ergibt, dass die Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates unabhängig von dem jeweils konkret durch Abgeordnete des Bundestages angefragten Kriegswaffenausfuhrgeschäft die entscheidende Zäsur darstellt.

189

Das Interesse des jeweiligen Rüstungsunternehmens an der Geheimhaltung des beabsichtigten Rüstungsexportgeschäfts ist bis zur endgültigen Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates höher zu bewerten als das berechtigte Informationsinteresse der Abgeordneten. In der Phase der Geschäftsanbahnung ist die Information, dass ein bestimmtes Empfängerland ein bestimmtes Rüstungsgut erwerben möchte, besonders wettbewerbsrelevant. Konkurrenzunternehmen, die von einem solchen Erwerbsinteresse Kenntnis erlangten, könnten versuchen, durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit auf den Genehmigungsprozess Einfluss zu nehmen. Zudem könnten sie ein eigenes Angebot abgeben und das Geschäft auf diese Weise an sich ziehen; dies gälte erst recht, wenn die Bundesregierung über die bloße Tatsache des beabsichtigten Geschäfts hinaus auch Angaben zu Preisen machte.

190

Es ist nicht zu verkennen, dass das Informationsinteresse des Parlaments und der einzelnen Abgeordneten in diesem Stadium ebenfalls besonders hoch ist, da noch auf den Genehmigungsprozess Einfluss genommen werden kann. Im Rahmen der Abwägung der konfligierenden Interessen ist aber zu berücksichtigten, dass ein dahin gehendes Informationsinteresse nicht schützenswert ist, da es auf ein dem Gewaltenteilungsprinzip widersprechendes Mitregieren zielt (siehe oben Rn. 163).

191

Nach erfolgter Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates ist die Schutzbedürftigkeit des jeweils betroffenen Unternehmens geringer. In diesem Stadium besteht für Konkurrenzunternehmen kaum noch die Möglichkeit, auf das genehmigte Geschäft Einfluss zu nehmen. Der Kaufvertrag ist im Regelfall bereits geschlossen, und je nach zeitlichem Abstand zwischen der Entscheidung des Bundessicherheitsrates und dem Erlass des Genehmigungsbescheides durch die zuständige Behörde kann mit der Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen alsbald begonnen werden.

192

In Bezug auf Angaben, die über die Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates und die Grunddaten des Kriegswaffenausfuhrgeschäfts, also die Art und die Anzahl der Kriegswaffen, das Empfängerland und das Gesamtvolumen hinausgehen, fällt die Abwägung zwischen den konfligierenden Rechtsgütern grundsätzlich zugunsten der Unternehmen aus, deren Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vor der Kenntnisnahme durch Wettbewerber zu schützen sind. Unverhältnismäßig wäre insbesondere die Offenlegung von Angaben, die Rückschlüsse auf die Preisgestaltung oder auf Spezifikationen des Rüstungsguts sowie auf handelnde Personen der an dem Geschäft beteiligten Unternehmen oder Staaten zuließen. An diesen Daten besteht auch kein berechtigtes Informationsinteresse, weil sie für die parlamentarische Kontrolle der Regierungstätigkeit nicht erforderlich sind.

193

e) Ob die Antwortpflicht der Bundesregierung auch durch das Grundrecht betroffener Unternehmen aus Art. 14 Abs. 1 GG begrenzt sein kann, bedarf keiner Entscheidung, weil der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen durch Art. 14 Abs. 1 GG jedenfalls nicht weiter geht als der durch Art. 12 Abs. 1 GG (BVerfGE 115, 205<248>).

194

4. Der Konflikt zwischen dem Fragerecht der Abgeordneten auf der einen und dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung, dem Staatswohl und der Berufsfreiheit der Kriegswaffen ausführenden Unternehmen auf der anderen Seite kann, anders als die Antragsteller meinen, nicht durch Maßnahmen des Geheimnisschutzes auf Seiten des Parlaments aufgelöst werden. Weder die Beschränkung des Adressatenkreises der Antworten der Bundesregierung durch Einrichtung eines parlamentarischen Kontrollgremiums (a) noch die Anwendung der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages (b) sind geeignet, einen angemessenen Ausgleich zwischen den konfligierenden Rechtsgütern zu schaffen.

195

a) Der Deutsche Bundestag könnte zwar für die parlamentarische Kontrolle der Tätigkeit des Bundessicherheitsrates ein Gremium nach Art des Parlamentarischen Kontrollgremiums (siehe § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumgesetz) vom 29. Juli 2009, BGBl I S. 2346), des Vertrauensgremiums nach § 10a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung vom 19. August 1969 (BGBl I S. 1284) oder des Sondergremiums nach § 3 Abs. 3 des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (Stabilisierungsmechanismusgesetz) vom 22. Mai 2010 (BGBl I S. 627) einrichten und dieses Gremium der Geheimschutzordnung unterwerfen. Durch die Beschränkung des Fragerechts der Mitglieder des Bundestages auf die Mitglieder eines solchen Gremiums würde ein Maß an Geheimhaltung praktisch ermöglicht, das zum Ausgleich der konfligierenden Interessen führen könnte.

196

Die Beschränkung der Wahrnehmung der Beteiligungsrechte des Bundestages auf parlamentarische Untergremien greift aber ihrerseits in die Rechte der in dem Sondergremium nicht vertretenen Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ein, über eine Angelegenheit des Deutschen Bundestages zu beraten, zu ihr zu reden, das Frage- und Informationsrecht des Parlaments auszuüben und schließlich darüber abzustimmen (BVerfGE 130, 318<357>). Bei einer solchen Beschränkung der Statusrechte der Abgeordneten ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und ein angemessener Ausgleich zwischen der Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages und den Statusrechten der Abgeordneten sicherzustellen. Erfolgt die Delegation von Beteiligungsrechten im Interesse besonderer Vertraulichkeit, muss sie deshalb auf wenige Ausnahmen mit begrenztem Anwendungsbereich beschränkt bleiben und zwingend erforderlich sein (BVerfGE 130, 318 <359 f.>).

197

Ob die Beratungen des Bundessicherheitsrates einen solchen Ausnahmefall darstellen können, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die Delegation der Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages auf ein Gremium zur Kontrolle der Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG erscheint nicht zwingend erforderlich. Eine solche Delegation würde es zwar ermöglichen, das Parlament mit Informationen zu versehen, die über die bloße Mitteilung einer erfolgten Genehmigungsentscheidung hinausgehen. So könnte ein der Geheimhaltung unterliegendes Sondergremium auch über Ablehnungsentscheidungen und vor allem auch über die Gründe für eine vom Bundessicherheitsrat getroffene Entscheidung unterrichtet werden. Diesem Erhalt zusätzlicher Informationen stünde aber eine erhebliche Beschränkung der parlamentarischen Kontrolle und der Statusrechte der nicht im Gremium vertretenen Abgeordneten gegenüber. Zudem entfiele dadurch, dass die Kontrolle der Parlamentsöffentlichkeit entzogen würde, auch die Kontrolle durch die Bürger, die der effektiven Verantwortlichkeit des Parlaments gegenüber dem Wähler dient (vgl. BVerfGE 125, 104 <124>; 130, 318 <344>). Der Zugewinn an Informationen über Angelegenheiten des Bundessicherheitsrates kann derartige Beschränkungen nicht rechtfertigen. Die Verpflichtung der Bundesregierung, den Deutschen Bundestag öffentlich über positive Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates zu informieren, ermöglicht eine hinreichende parlamentarische Kontrolle. Die Steigerung der Kontrolltiefe, die mit der Information eines Sondergremiums über Ablehnungsentscheidungen und über die Gründe der Entscheidungen des Bundessicherheitsrates erreicht würde, steht in keinem Verhältnis zu den Einbußen für die Funktion der Kontrolle, die durch eine öffentliche Kontrolle vermittelte Legitimation des staatlichen Handelns und die Statusrechte der nicht in dem Gremium vertretenen Abgeordneten, die die weit überwiegende Mehrheit des Deutschen Bundestages darstellten.

198

b) Auch durch eine Information des Deutschen Bundestages über Belange des Bundessicherheitsrates nach Maßgabe der Geheimschutzordnung (GO-BT, Anlage 3) kann der Interessenskonflikt nicht aufgelöst werden.

199

Verschlusssachen, die mit dem Geheimhaltungsgrad "Geheim" oder "Streng geheim" versehen sind, dürfen von Abgeordneten des Deutschen Bundestages grundsätzlich nur in den Räumen der Geheimregistratur eingesehen werden, § 3a Satz 1 Geheimschutzordnung. Die Möglichkeit zur Weitergabe der Information ist durch § 4 Geheimschutzordnung beschränkt; in jedem Fall scheidet eine Information der Öffentlichkeit aus.

200

Die Geheimschutzordnungist grundsätzlich ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 124, 78 <124 f.>; siehe ferner BVerfGE 130, 318 <362>; 131, 152 <208>). Auch eine systematische Gesamtschau einer Reihe von Grundgesetzbestimmungen - etwa Art. 42 Abs. 1 Satz 2, Art. 44 Abs. 1 Satz 2, Art. 45a Abs. 3 und Art. 53a GG - zeigt, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit in der Verfassung als eine Möglichkeit zur Wahrung von Geheimschutzinteressen unter gleichzeitiger Einbeziehung des Parlaments angelegt ist. Die Anwendung der Geheimschutzordnung konfligiert allerdings mit der Öffentlichkeitsfunktion des Parlaments. Die genannten Ausnahmevorschriften ändern nichts daran, dass die Öffentlichkeit der Beratungen nach Art. 42 Abs. 1 GG für die parlamentarische Entscheidungsfindung grundsätzlich unverzichtbar ist. Die Informationsrechte des Parlaments dürfen nicht dazu führen, dass sich über den parlamentarischen Geheimnisschutz die Arbeits- und Funktionsweise des Parlaments in den wichtigen Bereichen grundlegend verschiebt und diese spezifische Öffentlichkeitsfunktion ausgeblendet wird.

201

Eine unter Bedingungen der Geheimschutzordnung erlangte Information können die Parlamentarier nicht in den öffentlichen Meinungsbildungsprozess überspielen. Wenn das Parlament unter Anwendung der Geheimschutzordnung informiert wird, ist daher zwar formal der Zurechnungszusammenhang zwischen Regierung und Parlament gewahrt. Der weitere Verantwortungszusammenhang zum Volk ist jedoch insoweit unterbrochen. Der Wahlvorgang sichert die Kontrolle des Volkes über die Benutzung der Macht durch die politische Mehrheit (BVerfGE 5, 85 <199>). Ohne die entsprechende Information kann die Wählerschaft weder das Handeln der Regierung noch die parlamentarische Reaktion auf die erlangte Information zur Kenntnis nehmen und bewerten. Beides ist aber für die demokratische Legitimation durch den Wahlakt essentiell.

202

Auch im Verhältnis zwischen Regierung und Parlament wird der Kontrollzusammenhang durch die Anwendung der Geheimschutzordnung abgeschwächt. Öffentlichkeit ist essentiell für die Ausübung der Kontrollfunktion des Parlaments. Während die zur Vorbereitung von Gesetzgebung begehrten Informationen dem Parlament auch dann den gewünschten Sachverstand verschaffen und damit ihren Zweck erfüllen, wenn sie nicht öffentlich sind, verhält es sich mit Informationen zum Zweck der politischen oder der Rechtskontrolle anders. In der politischen Realität ist das Fragerecht in seiner Kontrolldimension ganz überwiegend ein Mittel der Opposition, welches zu seiner Wirksamkeit grundsätzlich auf Öffentlichkeit angewiesen ist. Fällt das Öffentlichkeitselement weg, so scheidet in der Praxis zumindest eine sanktionierende Kontrolle aus.

203

5. Die Pflicht der Bundesregierung, parlamentarische Anfragen zu positiven Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates zu beantworten, wird nicht schon durch die jährlich veröffentlichten Rüstungsexportberichte erfüllt.

204

Die Berichtsform unterscheidet sich systematisch von der Frage- und Antwortstruktur des Interpellationsrechts. Sowohl die Struktur und der Gehalt der Information als auch ihr Zeitpunkt werden beim Rüstungsexportbericht nicht durch die Abgeordneten, sondern durch die Bundesregierung bestimmt. Bereits deshalb ist ein allgemeiner Bericht dem parlamentarischen Fragerecht grundsätzlich nicht gleichwertig.

205

Die Rüstungsexportberichte der Bundesregierung sind zudem nicht hinreichend präzise, um das berechtigte parlamentarische Informationsinteresse zu befriedigen. Die Berichte differenzieren nicht nach einzelnen Genehmigungsakten, sondern führen die im Berichtsjahr genehmigten Geschäfte summiert auf. Die Beschreibung der betroffenen Güter erfolgt pauschal. In der maßgeblichen Anlage 8 des Rüstungsexportberichts für das Jahr 2013 werden unter der Rubrik "Ausfuhrgenehmigungen nach Ländergruppen und Ländern" lediglich Anzahl und Gesamtwert der Genehmigungen sowie von den Genehmigungen betroffene Ausfuhrlisten-Positionen mitgeteilt. Die insgesamt 22 Ausfuhrlisten-Positionen sind in der Ausfuhrliste (AWV Anlage AL) näher beschrieben. Sie sind durch einen überwiegend sehr pauschalen Erfassungsstatus gekennzeichnet (Wahren, in: Hohmann/John (Hrsg.), Ausfuhrrecht, 2002, Teil 4, Außenwirtschaftsverordnung, Erläuterungen AL Teil 1, Rn. 40). So fiele der in den streitgegenständlichen Anfragen angesprochene Leopard-Panzer als für militärische Zwecke konstruiertes Landfahrzeug unter die Rubrik A0006 der Ausfuhrliste. Nach der dortigen Anmerkung 1 erfasst diese Rubrik aber auch gepanzerte Fahrzeuge, amphibische und tiefwatfähige Fahrzeuge, Bergungsfahrzeuge und Fahrzeuge zum Befördern und Schleppen von Munition oder Waffensystemen und zugehörige Ladesysteme. Da sich die Rüstungsexportberichte an diesen groben Einteilungen der Ausfuhrliste orientieren, ist es auf der Grundlage dieser Berichte kaum möglich, die für eine effektive parlamentarische Kontrolle relevanten politisch bedeutsamen Exportgenehmigungen auszumachen.

206

Zwar enthält der Rüstungsexportbericht für die 20 wichtigsten Bestimmungsländer des Jahres 2013 in Anlage 7 eine etwas detailliertere Aufstellung. Hier werden neben dem Gesamtwert der erteilten Einzelgenehmigungen auch die wesentlichen Güter und ihr prozentualer Anteil am Gesamtwert der Genehmigungen genannt. Verlässliche Rückschlüsse auf bedeutsame einzelne Genehmigungen erlaubt jedoch auch diese Aufstellung nicht. So lässt sich dieser Liste etwa entnehmen, dass für Ausfuhren nach Katar Genehmigungen im Gesamtwert von 673.377.690 Euro erteilt wurden, von denen 44,4 % auf Zugmaschinen, LKW, Kranwagen, Auflieger, Anhänger, Masten und Teile für Panzer, Panzerhaubitzen, gepanzerte Fahrzeuge, LKW und Landfahrzeuge entfielen. Welcher Anteil hiervon auf LKW und welcher auf Teile für Panzer oder Panzerhaubitzen entfiel, ist hieraus nicht zu erkennen. Es muss den Abgeordneten daher im Rahmen einer effektiven parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns möglich sein, über diese Rüstungsexportberichte hinaus durch konkrete Fragen Informationen darüber zu erhalten, in welchem Umfang Genehmigungen für die Ausfuhr von Kriegswaffen besonderer Bedeutung, wie etwa Kampfpanzer, in bestimmte Staaten erteilt wurden.

207

6. Die Bundesregierung kann die Antwort auf parlamentarische Anfragen zu Angelegenheiten des Bundessicherheitsrates insoweit verweigern, wie die jeweilige Anfrage auf Informationen abzielt, die über die Mitteilung einer erfolgten positiven Genehmigungsentscheidung und die Eckdaten des betreffenden Ausfuhrgeschäfts hinausgehen. Eine gesonderte Begründung der Antwortverweigerung ist insoweit nicht erforderlich, die generelle Berufung auf die Geheimhaltung der Beratungen des Bundessicherheitsrates reicht aus.

208

Es besteht eine Jahrzehnte währende und allgemein bekannte Praxis der Bundesregierung, die Beantwortung derartiger Anfragen unter Berufung auf die Vertraulichkeit der Beratungen des Bundessicherheitsrates zu verweigern, selbst wenn in Einzelfällen aufgrund besonderer Umstände einzelne Angaben gemacht worden sein sollten. Angesichts dieser langjährigen Praxis ist nicht zu verlangen, dass die Bundesregierung in jeder Antwort auf eine entsprechende Anfrage ihre allgemeine Auffassung zu dem Verhältnis zwischen parlamentarischem Informationsrecht einerseits und Schutz der exekutiven Eigenverantwortung, Belangen des Staatswohls und Schutz der Grundrechte Dritter andererseits darlegt. Eine solche fortwährend wiederholte Darlegung wäre nur formalistisch und nicht geeignet, den Frage stellenden Abgeordneten einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn zu verschaffen. Ein Abgeordneter, der die Gründe für die grundsätzliche Antwortverweigerung hinterfragen möchte, ist daher gehalten, diese selbst zum Gegenstand einer Anfrage zu machen.

209

Eine Begründungspflicht besteht allerdings insoweit, wie die Bundesregierung die Auskunft über eine erteilte Genehmigung oder über die in diesem Rahmen mitzuteilenden Generalia des Exportgeschäfts verweigern will.

III.

210

Die Antragsgegnerin hat die Grenzen ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der streitgegenständlichen Fragen teilweise verkannt und hierdurch Rechte der Antragsteller aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt.

211

1. Die Antragsgegnerin hat ihrer Antwortpflicht in Bezug auf die Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. aus der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 6. Juli 2011, PlenProt 17/119, S. 13802 D, soweit sie sich auf die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien bezieht, nicht und hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/193 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) teilweise nicht genügt, im Übrigen sind die Anträge des Antragstellers - soweit zulässig - unbegründet.

212

a) Die Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. aus der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 6. Juli 2011 (PlenProt 17/119, S. 13802 D) richtete sich unter anderem darauf, ob der Bundesregierung Erkenntnisse über die Verletzung von Menschen- und Bürgerrechten in Saudi-Arabien vorliegen.

213

Indem der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie die Antwort auf diese Frage unter Hinweis auf die fehlende Zuständigkeit des Bundeswirtschaftsministers endgültig verweigerte, hat die Antragsgegnerin das Fragerecht des Antragstellers zu 1. in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise verkürzt. Das Fragerecht der Abgeordneten besteht gegenüber der Bundesregierung, diese ist zur Beantwortung der Fragen verpflichtet. Die Antwort kann daher nicht durch Verweis auf das Ressortprinzip verweigert werden. Auf sonstige Geheimhaltungsgründe hat sich die Antragsgegnerin nicht berufen; sie drängen sich auch nicht auf.

214

b) Die Antwort auf die zur schriftlichen Beantwortung gestellte Frage des Antragstellers zu 1. vom 14. Juli 2011 (Frage 7/193, BTDrucks 17/6658, S. 28) hat die Antragsgegnerin teilweise zu Unrecht verweigert. Es hätte ihr oblegen, dem Antragsteller zu 1. mitzuteilen, ob der Bundessicherheitsrat die Lieferung von 200 Panzern des Typs Leopard nach Saudi-Arabien genehmigt hat.

215

Zu darüber hinausgehenden Angaben war die Antragsgegnerin allerdings nicht verpflichtet. Falls zum Zeitpunkt der Beantwortung der Frage eine positive Entscheidung des Bundessicherheitsrates nicht vorgelegen haben sollte, wäre sie daher nicht verpflichtet gewesen, dem Antragsteller zu 1. mitzuteilen, ob überhaupt ein entsprechender Genehmigungsantrag oder eine entsprechende Voranfrage vorlag. Dass die Presse über die vermeintlich erteilte Genehmigung einer solchen Lieferung berichtet hatte, ändert hieran nichts. Unterfällt ein Willensbildungsvorgang innerhalb der Regierung dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, so wird er nicht dadurch weniger geheimhaltungsbedürftig, dass Dritte über ihn öffentlich berichten. Anderenfalls könnte die Regierung durch gezielte Spekulationen zu Auskünften über geheimhaltungsbedürftige Willensbildungsvorgänge gezwungen werden. Auch eine ablehnende Entscheidung hätte die Antragsgegnerin nicht als solche mitteilen, sondern nur angeben müssen, dass keine positive Genehmigungsentscheidung vorliegt. Sollte eine positive Entscheidung des Bundessicherheitsrates vorgelegen haben, so wäre die Antragsgegnerin nicht verpflichtet gewesen, die Frage insoweit zu beantworten, wie sie sich auf Verkaufspreise, Lieferbedingungen oder eventuelle Auflagen zum Einsatz in Saudi-Arabien oder in anderen Ländern bezog. Auch Angaben zu den Gründen der Entscheidung wären nicht erforderlich gewesen.

216

c) Berechtigterweise hat die Antragsgegnerin die Antwort auf die dringliche Frage 2 des Antragstellers zu 1. (BTDrucks 17/6438, S. 1) verweigert (PlenProt 17/119, S. 13807 A), soweit diese sich auf "Vermittler, Unterstützer in der Bundesregierung und Nutznießer dieses Waffengeschäfts" bezog.

217

Die Frage, welche Mitglieder der Bundesregierung ein bestimmtes Rüstungsexportgeschäft unterstützen oder unterstützt haben, betrifft den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Regierung. An der Offenlegung interner Abstimmungsvorgänge der Regierung besteht auch kein berechtigtes Informationsinteresse, da diese als Ganze dem Parlament gegenüber verantwortlich ist und bei Mehrheitsentscheidungen nur für die getroffene Entscheidung, nicht aber für etwaige Gegenstimmen einzustehen hat.

218

Soweit sich die Frage auf "Vermittler und Nutznießer" bezieht, zielt sie ersichtlich auf die von dem Antragsteller zu 1. angenommene Leistung "nützlicher Aufwendungen" beim Zustandekommen des Panzergeschäfts und ist mit der Angabe der Antragsgegnerin, ihr lägen keinerlei Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, hinreichend beantwortet worden (siehe Rn. 123).

219

d) Auch die Antwort auf die Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. zu dem konkreten Kaufpreis für 200 Leopard-Kampfpanzer (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C) durfte die Antragsgegnerin verweigern. Hierbei handelt es sich um ein Geschäftsgeheimnis des diese Panzer vertreibenden Unternehmens. Die Offenlegung der Kaufpreise aus konkreten einzelnen Ausfuhrgeschäften würde anderen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, da diese ihre eigene Preispolitik entsprechend anpassen könnten. Zudem würde dem betreffenden inländischen Unternehmen ein Nachteil daraus erwachsen, dass die verschiedenen Abnehmer dieser Panzer einen Überblick über die Preisspanne erhielten und diese Information in künftigen Vertragsverhandlungen zu Lasten der Anbieter ausnutzen könnten.

220

Es besteht auch kein überwiegendes berechtigtes Interesse an dieser Information. Konkrete Kaufpreise sind für die parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelns in aller Regel irrelevant. Dafür, dass der Differenzbetrag zwischen einem etwaigen Kaufpreis für derartige Panzer in Deutschland und dem von Saudi-Arabien gezahlten Preis als Bestechungsgeld anzusehen sein müsste, ist nichts ersichtlich. Schon die Annahme, dass es überhaupt einen feststehenden Kaufpreis im Inland gibt, ist wenig naheliegend. Die jeweiligen Preise dürften nach allgemeinen marktwirtschaftlichen Regeln schwanken.

221

2. Die Antragsgegnerin hat ihrer Antwortpflicht in Bezug auf die schriftliche Frage 7/132 der Antragstellerin zu 2. von Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 24) nicht genügt, soweit sich die Frage darauf bezieht, ob eine positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates vorliegt. Im Übrigen sind die Anträge der Antragstellerin zu 2. unbegründet.

222

a) Die schriftliche Frage 7/132 der Antragstellerin zu 2. richtete sich zum einen darauf, wann die Bundesregierung den Verkauf von Transportpanzern Fuchs, Last- und Geländewagen, Fregatten oder Verteidigungs- und Sicherheitselektronik für den Grenzschutz beziehungsweise dazu bestimmte Fertigungsanlagen an Algerien genehmigt hat, und zum anderen darauf, welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe diesen Genehmigungen zu Grunde lagen.

223

Die Antragsgegnerin war verpflichtet, den ersten Teil der Frage zu beantworten und der Antragstellerin zu 2. mitzuteilen, ob und - bejahendenfalls - wann der Bundessicherheitsrat eine entsprechende positive Genehmigungsentscheidung getroffen hat. Zur Darlegung der Gründe für die etwaige Entscheidung des Bundessicherheitsrates war sie hingegen nicht verpflichtet (siehe Rn. 177).

224

b) Hinsichtlich der Zusatzfrage der Antragstellerin zu 2. (PlenProt 17/119, S. 13803 D) und ihrer dringlichen Frage (BTDrucks 17/6438, S. 1; PlenProt 17/119, S. 13810 D) war die Antragsgegnerin zur Antwortverweigerung berechtigt, da diese Fragen ebenfalls auf die Gründe für eine vermeintlich getroffene Entscheidung des Bundessicherheitsrates abzielten.

225

c) Auch die Antwort auf die Zusatzfrage der Antragstellerin zu 2. (PlenProt 17/119, S. 13811 A) hat die Antragsgegnerin in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verweigert. Die Frage, auf welche Weise die Bundesregierung ausschließt, dass die für Saudi-Arabien genehmigten Rüstungsexportgüter zu innerer Repression genutzt werden, könnte durch die Antragsgegnerin nur beantwortet werden, indem sie Absprachen offenlegt, die sie mit dem Empfängerstaat getroffen hat. Hierzu ist sie aus Gründen des Staatswohls nicht verpflichtet.

226

Die Antragsgegnerin müsste zur Beantwortung der Frage zunächst offenlegen, ob sie davon ausgegangen ist, dass die Nutzung der zur Ausfuhr vorgesehenen Rüstungsgüter zu innerer Repression durch den Empfängerstaat konkret drohte. Derartige Ausführungen könnten zu einer erheblichen Beeinträchtigung außenpolitischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland führen und unter Umständen Rückschlüsse auf bestimmte Informationsquellen zulassen, an deren Geheimhaltung die Bundesregierung gerade im Verhältnis zu dem betroffenen Land zum Schutz seiner Informationskanäle ein berechtigtes Interesse hat (siehe Rn. 176). Sollte hingegen auf konkrete Absprachen oder Auflagen verzichtet worden sein, könnte dies für bestimmte außenpolitische Interessen der Bundesrepublik an dem konkreten Exportgeschäft sprechen, deren Öffentlichwerden die Abschätzbarkeit der deutschen Außenpolitik für andere Länder erleichtern und damit Verhandlungs- und Gestaltungsspielräume verengen kann (siehe Rn. 177). Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass die maßgebenden Gründe für eine solche Genehmigungsentscheidung für die parlamentarische Kontrolle von Bedeutung sind, darf die Antragsgegnerin die Offenlegung der Gründe daher verweigern.

227

3. Soweit die Anträge der Antragstellerin zu 3. zulässig sind, haben sie keinen Erfolg, da die Antragsgegnerin die Antwort auf die betreffenden Fragen verweigern durfte.

228

a) Die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B) danach, ob im Vorfeld der vermeintlichen Entscheidung des Bundessicherheitsrates die Zustimmung Israels und der USA zu dem Rüstungsexportgeschäft eingeholt worden sei, betrifft den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Regierung. Die Bundesregierung ist nicht verpflichtet, über den Inhalt und den Verlauf der Beratungen im Bundessicherheitsrat Auskunft zu geben (Rn. 172). Dies gilt auch für Gespräche, die zur Vorbereitung einer Entscheidung des Gremiums mit anderen Staaten geführt wurden. Müssten Drittstaaten damit rechnen, dass ihre der Bundesregierung gegenüber vertraulich abgegebenen Einschätzungen alsbald nach der getroffenen Entscheidung veröffentlicht werden, so wäre zu befürchten, dass die Bundesrepublik künftig nicht mehr mit derartigen Informationen versorgt würde. Die Antwort kann insoweit folglich auch aus Gründen des Staatswohls verweigert werden.

229

b) Die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13814 B, im Antrag bezeichnet mit "S. 13841 B") der Antragstellerin zu 3., ob die Verfolgung Homosexueller durch ein Land der Genehmigungsfähigkeit einer Ausfuhr von Panzern an diesen Staat entgegenstünde, betrifft wiederum einen Abwägungsvorgang innerhalb des Bundessicherheitsrates, der als Teil des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung geschützt ist.

230

c) Entsprechendes gilt für die schriftliche Frage vom 14. Juli 2011 (Frage 7/174; BTDrucks 17/6658, S. 26), mit der die Antragstellerin zu 3. direkt nach den Gründen für die vermeintliche Genehmigung der Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern an Saudi-Arabien fragt.

231

d) Hinsichtlich der weiteren schriftlichen Frage vom 14. Juli 2011 (Frage 7/175; BTDrucks 17/6658, S. 27) kann auf die Ausführungen zu der entsprechenden Frage des Antragstellers zu 1. verwiesen werden (siehe Rn. 216 ff.). Auch insoweit durfte die Antragsgegnerin die Antwort verweigern.

D.

232

Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), liegen nicht vor.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

1. Die Antragsgegnerin hat

a) den Antragsteller zu 1. durch die Antworten auf die in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 6. Juli 2011 gestellte Frage PlenProt 17/119, S. 13802 D, soweit sich diese auf die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien bezieht, und auf die schriftliche Frage 7/193 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) soweit sich diese darauf bezieht, ob eine positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates vorliegt,

b) die Antragstellerin zu 2. durch die Antwort auf die schriftliche Frage 7/132 von Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 24) soweit sich die Frage darauf bezieht, ob eine positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates vorliegt,

nach Maßgabe der Gründe in deren Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes verletzt.

2. In dem unter B.II.2. genannten Umfang werden die Anträge verworfen und im Übrigen zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Antragsteller sind Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Sie wenden sich dagegen, dass die Bundesregierung, die Antragsgegnerin, verschiedene Anfragen zu Kriegswaffenexporten nicht oder nur unzureichend beantwortet habe. Die Fragen betrafen die nach Presseberichten angeblich von der Antragsgegnerin erteilte Genehmigung für die Lieferung von 200 Panzern des Typs Leopard 2 an Saudi-Arabien sowie Waffenexporte nach Saudi-Arabien und Algerien.

I.

2

1. Die Ordnung der Kriegswaffenexportkontrolle hat in Deutschland Verfassungsrang. Nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG dürfen zur Kriegsführung bestimmte Waffen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt nach Satz 2 ein Bundesgesetz.

3

Das Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen - Kriegswaffenkontrollgesetz - KWKG) regelt die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Beförderung von Kriegswaffen innerhalb und außerhalb des Bundesgebietes sowie die Vermittlung und den Abschluss von Verträgen über den Erwerb oder das Überlassen von Kriegswaffen, die sich außerhalb des Bundesgebietes befinden. Kriegswaffen im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes sind gemäß § 1 Abs. 1 KWKG die in der dem Gesetz als Anlage beigefügten Kriegswaffenliste aufgeführten Gegenstände, Stoffe und Organismen. Die Ausfuhr von Kriegswaffen setzt nach § 3 Abs. 3 KWKG eine Beförderungsgenehmigung voraus. Über diese Genehmigung, die jederzeit widerrufen werden kann, wird nach Ermessen entschieden, sofern keine zwingenden Versagungsgründe nach § 6 Abs. 3 KWKG vorliegen. Zu versagen ist die Genehmigung unter anderem, wenn die Gefahr besteht, dass die Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung, insbesondere bei einem Angriffskrieg, verwendet werden, § 6 Abs. 3 Nr. 1 KWKG. Leitlinien für die Ermessensentscheidung bilden die "Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" vom 19. Januar 2000 (Bundesanzeiger Nr. 19 vom 28. Januar 2000, S. 1299 ff.). Gemäß § 3 Abs. 4, § 4 Abs. 2 und § 4a Abs. 4 KWKG können allgemeine Genehmigungen erteilt werden. Dies erfolgt durch Rechtsverordnungen der Bundesregierung, die der Zustimmung des Bundesrates nicht bedürfen, § 8 Abs. 1 und 4 KWKG.

4

Da alle Kriegswaffen im Sinne des KWKG zugleich in der Ausfuhrliste der Verordnung zur Durchführung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWV - Anlage AL) aufgeführt sind, ist für deren Ausfuhr regelmäßig auch eine Genehmigung nach dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) erforderlich (Ehrlich, in: Bieneck (Hrsg.), Handbuch des Außenwirtschaftsrechts, 2. Aufl. 2005, § 2 Rn. 4). Weitere Genehmigungsanforderungen für den Export militärisch relevanter Güter können sich aus Unionsrecht ergeben, namentlich aus der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 des Rates vom 5. Mai 2009 über eine Gemeinschaftsregelung für die Kontrolle der Ausfuhr, der Verbringung, der Vermittlung und der Durchfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck (sogenannte "Dual-Use-Verordnung", ABl L 134 vom 29. Mai 2009, S. 1 ff.) zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 388/2012 vom 19. April 2012 (ABl L 129 vom 16. Mai 2012, S. 12 ff.).

5

Zuständig für die Erteilung oder Versagung von Ausfuhrgenehmigungen nach dem AWG und der AWV ist gemäß § 13 Abs. 1 AWG grundsätzlich das zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (ehemals Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie) gehörende Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Außenwirtschaftsrechts (BGBl I 2013 S. 1482) am 1. September 2013 ergab sich diese Zuständigkeit aus § 28 Abs. 3 Nr. 1 AWG in Verbindung mit § 1 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten im Außenwirtschaftsverkehr vom 18. Juli 1977 (BGBl I S. 1308), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 27. Juli 2011 zur Umsetzung der Richtlinie 2009/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 zur Vereinfachung der Bedingungen für die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern (BGBl I S. 1595).

6

Die Zuständigkeit für die Erteilung der Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen liegt nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG, § 11 Abs. 1 KWKG bei der Bundesregierung. Durch § 11 Abs. 2 und 3 KWKG wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates nicht bedarf, die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung auf bestimmte Bundesministerien für ihren jeweiligen Geschäftsbereich zu übertragen. Von dieser Delegationsbefugnis hat die Bundesregierung mit Erlass der Ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen vom 1. Juni 1961 (BGBl I S. 649), zuletzt geändert durch Art. 344 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl I S. 2407, 2453) Gebrauch gemacht. Durch § 1 der Ersten Durchführungsverordnung wird die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung für den Bereich der Bundeswehr auf das Bundesministerium für Verteidigung (Abs. 1 Nr. 1), für den Bereich des Zollgrenzdienstes auf das Bundesministerium der Finanzen (Abs. 1 Nr. 2), für den Bereich der für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörden oder Dienststellen sowie der Behörden des Strafvollzugs auf das Bundesministerium des Innern (Abs. 1 Nr. 3) und für alle übrigen Bereiche auf das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Abs. 1 Nr. 4) übertragen. Für die Beförderung von Kriegswaffen mit deutschen Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im Ausland überträgt § 1 Abs. 2 Satz 1 der Ersten Durchführungsverordnung die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung auf das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, das diese Befugnis nach Satz 2 im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt ausübt.

7

§ 10 KWKG enthält Bestimmungen über Inhalt und Form der Genehmigung, die weiteren Einzelheiten des Genehmigungsverfahrens sind geregelt in der auf der Grundlage von § 11 Abs. 4 KWKG von der Bundesregierung erlassenen Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen vom 1. Juni 1961 (BGBl I S. 649), zuletzt geändert durch Art. 31 des Gesetzes über die Zusammenlegung des Bundesamtes für Wirtschaft mit dem Bundesausfuhramt vom 21. Dezember 2000 (BGBl I S. 1956).

8

In der Praxis der Genehmigungsverfahren nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz und dem Außenwirtschaftsgesetz hat sich das gesetzlich nicht geregelte Institut der Voranfrage herausgebildet. Durch eine Voranfrage kann ein Unternehmen frühzeitig klären, ob die für ein beabsichtigtes Exportgeschäft erforderliche Genehmigung voraussichtlich erteilt würde. Über Voranfragen wird nach den gleichen Kriterien entschieden wie über Genehmigungsanträge. Voranfragen zu Kriegswaffenausfuhren sind an das Auswärtige Amt und bei sonstigen Rüstungsgütern an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zu richten. Auch das weitere Verfahren entspricht der Bearbeitung von Anträgen auf Genehmigungserteilung. Bedeutende Vorhaben werden dem Bundessicherheitsrat vorgelegt. Die Voranfrage ersetzt nicht die - im Regelfall erst nach Abschluss des jeweiligen Kaufvertrages - zu beantragende Genehmigung (siehe zum Ganzen den vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie herausgegebenen "Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahre 2013 - Rüstungsexportbericht 2013" vom Mai 2014, S. 6 f.).

9

Bei Ausfuhrvorhaben, die im Hinblick auf das Empfängerland, das Rüstungsgut oder den Geschäftsumfang von besonderer Bedeutung sind, wird in der Regel der Bundessicherheitsrat befasst (Rüstungsexportbericht 2013, S. 7). Beim Bundessicherheitsrat handelt es sich um einen Kabinettausschuss zur ressortübergreifenden Koordinierung von Aspekten der Verteidigungs- und Außenpolitik sowie von Gesichtspunkten des Außenwirtschaftsrechts (Busse/Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, 5. Aufl. 2010, S. 97). Den Vorsitz im Bundessicherheitsrat führt die Bundeskanzlerin, weitere Mitglieder sind die Bundesministerinnen und Bundesminister des Auswärtigen, des Innern, der Justiz und für Verbraucherschutz, der Finanzen, für Wirtschaft und Energie, der Verteidigung, für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und der Chef des Bundeskanzleramtes (Rüstungsexportbericht 2013, ebd.). Andere Teilnehmer werden bei Bedarf mit beratender Stimme hinzugezogen, so etwa andere Bundesministerinnen und -minister, der Generalinspekteur der Bundeswehr, die Chefs des Bundespräsidialamtes und des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, die Beauftragte der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle usw. Die Abstimmung im Bundessicherheitsrat erfolgt nach den Grundsätzen, die § 24 der Geschäftsordnung der Bundesregierung für Kabinettsitzungen vorsieht. Die Sitzungen des Bundessicherheitsrates werden durch ein beim Bundeskanzleramt angesiedeltes interministerielles Sekretariat und einen Ausschuss auf Staatssekretärsebene vorbereitet. Die Ergebnisse der Beratungen des Bundessicherheitsrates werden in Sitzungsprotokollen festgehalten, die mit dem Geheimhaltungsgrad "Geheim" eingestuft sind (zum Ganzen Glawe, Organkompetenzen und Handlungsinstrumente auf dem Gebiet der nationalen Sicherheit, 2011, S. 35 ff.; Zähle, Der Staat 44 (2005), S. 462 <471 ff.>).

10

2. Die Bundesregierung informiert durch ihre jährlichen Rüstungsexportberichte über die im vorangegangenen Kalenderjahr erteilten Genehmigungen zur Ausfuhr von Rüstungsgütern und die tatsächlich erfolgten Ausfuhren von Kriegswaffen. Die Berichte werden bislang regelmäßig in der zweiten Jahreshälfte des auf das Berichtsjahr folgenden Jahres veröffentlicht (zu beabsichtigten Änderungen siehe Rn. 103). Sie enthalten statistische Angaben zu den erteilten Genehmigungen ohne Nennung des jeweiligen Exportunternehmens und Angaben in allgemeiner Form zu abgelehnten Anträgen. Begründungen für die Genehmigung oder Ablehnung eines Rüstungsexportgeschäftes werden nicht mitgeteilt soweit nicht nach dem Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern (ABl L 335 vom 13. Dezember 2008, S. 99 ff.) im Rahmen der danach vorgesehenen Ablehnungsanzeigen (sogenannte denial notifications) Ablehnungsgründe mitgeteilt wurden. Auch über die in dem jeweiligen Berichtsjahr beschiedenen Voranfragen betreffend die Genehmigungsfähigkeit bestimmter Ausfuhrvorhaben wird nicht berichtet (siehe zum Ganzen Rüstungsexportbericht 2013, S. 17).

11

Bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen beruft sich die Bundesregierung in ständiger Praxis darauf, dass Sitzungen und Entscheidungen des Bundessicherheitsrates der Geheimhaltung unterlägen und deshalb keine Auskunft gegeben werden könne (vgl. etwa BTDrucks 14/383, S. 2; 14/1466 S. 2; 14/1938, S. 3; PlenProt 14/68, S. 6063 A, 6066 A; BTDrucks 14/2483, S. 27 f.; 14/3619, S. 4 und 5; 14/3657, S. 3; 14/6958, S. 1 f.; 15/288, S. 26; 15/5998, S. 16; 16/7969, S. 6; PlenProt 16/97, S. 9947 C; PlenProt 16/99, S. 10101 D, 10102 A; zu einzelnen Ausnahmen vgl. etwa PlenProt 14/68, S. 6063 D und PlenProt 16/223, S. 24509).

12

Zu Voranfragen über die Genehmigungsfähigkeit bestimmter Ausfuhrvorhaben äußert sich die Bundesregierung bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen grundsätzlich nicht (vgl. BTDrucks 17/10520). Teilweise wurde in der Vergangenheit allerdings mitgeteilt, ob eine Voranfrage hinsichtlich der Genehmigungsaussichten eines bestimmten Exportgeschäfts (vgl. etwa BTDrucks 14/383, S. 1 und 2; 14/1466, S. 2; PlenProt 14/107, S. 10045 C und D, 10046 B; BTDrucks 14/3619, S. 2 und 3; 16/7969, S. 6) oder ein Genehmigungsantrag vorliegt (vgl. BTDrucks 14/3619, S. 3; 14/4213, S. 25; 14/4364, S. 3; 15/4295, S. 21 f.; 16/3430, S. 3; 17/9710, S. 12; 17/2889, S. 3). Nach Darstellung der Bundesregierung wird über abgelehnte Anträge, soweit sie den Bundessicherheitsrat involvieren, überhaupt nicht, ansonsten nur in Form des Rüstungsexportberichts Auskunft gegeben (vgl. PlenProt 17/161, S. 19141 B).

13

Die Gründe für die Ablehnung von Anträgen teilt die Bundesregierung auf parlamentarische Anfragen hin grundsätzlich nur mit, wenn diese nach dem Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP ohnehin als denial notification anzuzeigen sind (vgl. BTDrucks 16/12673, S. 8; 17/8275, S. 11 f.; 17/3391, S. 8).

II.

14

Dem Verfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

15

1. Anfang Juli 2011 berichteten mehrere Zeitschriften, Saudi-Arabien habe an mehr als 200 Panzern "Leopard" in der modernsten Version Interesse. Der Bundessicherheitsrat habe den Export grundsätzlich gebilligt. Die Artikel kritisierten die Panzerlieferung unter Verweis darauf, dass saudi-arabische Truppen im benachbarten Bahrain geholfen hätten, Proteste gegen die Regierung niederzuschlagen, und dass Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien in jüngerer Zeit stets abgelehnt worden seien. Zudem wurde berichtet, Deutschland wolle mit Algerien "milliardenschwere Rüstungsexporte abwickeln".

16

2. In der Fragestunde im Deutschen Bundestag am 6. Juli 2011 stellte der Abgeordnete Volker Beck die dringliche Frage 1, wie die Bundesregierung die Genehmigung der Lieferung von mehr als 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien vor dem Hintergrund von Saudi-Arabiens Intervention in Bahrain und der Lage im Nahen Osten rechtfertige. Hierauf antwortete der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Hans-Joachim Otto, nach allgemeinen Ausführungen über die Entscheidungsgrundlagen für Rüstungsexporte (PlenProt 17/119, S. 13797 D):

17

" (...) Bei etwaigen Ausfuhrvorhaben, die besonders brisant oder von besonderem Interesse sind, entscheidet in der Regel der Bundessicherheitsrat. (...) Herr Kollege Beck, Sie wissen genauso gut wie ich, dass der Bundessicherheitsrat seit jeher geheim tagt. Auch die Tagesordnungen und die Ergebnisse sind als Geheim eingestuft. Daher kann - dafür haben Sie sicherlich Verständnis - die Bundesregierung zu den Presseberichten über angebliche Entscheidungen des Bundessicherheitsrates keine Stellung nehmen. Ich möchte hinzufügen: Das war noch nie anders.

Die Notwendigkeit zur Geheimhaltung - das will ich noch erläutern - entsteht nicht aus irgendwelchen subjektiven Interessen oder Wünschen des Kabinetts oder des Bundessicherheitsrates, sondern es geht vorrangig um das Schutzbedürfnis der Beziehungen Deutschlands zu den möglichen Empfängerländern. Ein weiterer Grund ist der Schutz der Interessen des Empfängerlandes.

Zu den konkreten Presseberichten kann und darf ich deshalb nicht Stellung nehmen. Ich will aber trotzdem kurz zu Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien allgemein Stellung nehmen. (...)"

18

Auf eine Zusatzfrage des Abgeordneten Beck hin führte der Parlamentarische Staatssekretär Otto unter anderem aus:

"Herr Kollege Beck, erstens liegen Sie falsch, wenn Sie meinen, dass die Ergebnisse der Sitzungen des Bundessicherheitsrats in die Öffentlichkeit getragen werden dürfen. Es ist sogar so, dass man sich strafrechtlich zu verantworten hätte, wenn man der Öffentlichkeit Dienstgeheimnisse preisgäbe. (…) Weil das so ist - weil der Bundessicherheitsrat nicht öffentlich, sondern geheim tagt und auch die Ergebnisse geheim sind -, kann ich zum Thema Bahrain nicht im Einzelnen Stellung nehmen. (...) Ich kann weder bestätigen noch dementieren, dass es überhaupt eine Entscheidung gegeben hat."

19

Nach weiteren Zusatzfragen stellte der Antragsteller zu 1. die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13802 D):

"Herr Staatssekretär, Sie haben gerade auf die Fragen des Kollegen geantwortet, die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien sei anders als die in Deutschland. Ich frage Sie deshalb: Ist der Bundesregierung bekannt, dass in Saudi-Arabien von Amts wegen - also von Staats wegen - Menschen ausgepeitscht, in entwürdigender Art und Weise hingerichtet und unterdrückt werden, dass keine Bürgerrechte gelten, dass insbesondere Frauen, die nicht einmal Auto fahren dürfen, unterdrückt werden? Gibt die Bundesregierung mir recht, dass es sich hierbei um eine innere Repression sowie um eine fortdauernde und systematische Menschenrechtsverletzung handelt? Ist es, wenn solche Voraussetzungen vorliegen, nach den Richtlinien für Rüstungsexporte in solche Länder so, dass Genehmigungen nicht in Betracht kommen?"

20

Antwort Otto:

"Herr Kollege Ströbele, sollte es zu einer Entscheidung gekommen sein oder sollte es noch zu einer Entscheidung kommen, sind all diese Dinge zu berücksichtigen. Es ist nicht meine Aufgabe, jetzt hier eine Menschenrechtslage im Detail zu beurteilen. Ich bin Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Im Übrigen gibt es in Bezug auf diese Gesichtspunkte einen Abwägungsprozess. Auch die Menschenrechtslage ist im Rahmen eines Abwägungsprozesses zu berücksichtigen. Ich habe Ihnen bzw. Kollegen von Ihnen schon gesagt, dass wir uns - sonst würden wir den Menschenrechtsdialog nicht führen - Verbesserungen an dieser Front wünschen und diese anstreben. Wie Sie wissen, macht die EU das. Das gilt auch für die Bundesregierung. Detailfragen aber - ob Auspeitschungen und ähnliche Dinge vorkommen - sind nicht an den Bundeswirtschaftsminister zu richten."

21

Der Bundestagspräsident wies darauf hin, dass die Antworten unbeschadet der Aufteilung auf die Ressorts an die Regierung gerichtet und von dieser beantwortet würden.

22

Nach einer weiteren Zusatzfrage stellte die Antragstellerin zu 2. die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13803 D):

" (...) Herr Staatssekretär, Sie haben zu Beginn Ihrer Ausführungen die Rechtsgrundlagen dargelegt und die Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung zitiert. Danach sind Kriegswaffenexporte in Drittstaaten grundsätzlich verboten. Von diesem Grundsatz darf nur ausnahmsweise, beim Vorliegen besonderer sicherheitspolitischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland, abgewichen werden."

23

Antwort Otto:

"Korrekt".

24

Die Antragstellerin zu 2.:

"Dort steht aber auch: Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine Rolle spielen."

25

Antwort Otto:

"Keine ausschlaggebende."

26

Die Antragstellerin zu 2.:

"Können Sie ausschließen, dass bei der Entscheidung des Bundessicherheitsrates beschäftigungspolitische oder gar industriepolitische Gründe eine Rolle gespielt haben?"

27

Antwort Otto:

"Frau Kollegin, zunächst einmal: Ich kann Ihnen aus den bekannten Gründen gar keine Auskunft darüber geben, ob diese Entscheidung getroffen worden ist oder nicht. Ich möchte aber, um das klarzustellen, die entsprechende Stelle der Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung zitieren. In den Politischen Grundsätzen heißt es: Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine ausschlaggebende Rolle spielen. Dies bedeutet allerdings im Umkehrschluss, dass sie eine gewisse Rolle spielen dürfen, sozusagen als nachrangige Gründe. Ich kann mir vorstellen, dass dies auch bei ähnlichen Entscheidungen in der Vergangenheit der Fall war. Das wäre auch völlig legitim gewesen, weil die Politischen Grundsätze wie erwähnt niedergelegt worden sind. Ausschlaggebend ist das sicherheits- und bündnispolitische Interesse. Nachrangig können auch beschäftigungspolitische Gründe eine Rolle spielen."

28

Die Antragstellerin zu 3. schloss die Zusatzfrage an (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B):

" (...) Herr Otto, meine erste Frage. In der heutigen Ausgabe der seriösen Süddeutschen Zeitung war zu lesen: Aus Regierungskreisen verlautete, dass im Vorfeld der Entscheidung im Bundessicherheitsrat am 27. Juni dieses Jahres die Zustimmung von Israel und den USA eingeholt worden sei und dass beide Staaten nicht nur konsultiert worden seien, sondern auch keine Bedenken angemeldet hätten. - Stimmen diese Verlautbarungen aus Regierungskreisen? Meine zweite Frage. Sie haben vorhin gesagt, es gehe darum, dass die deutsche Außenpolitik die Werteordnung in der Region, in Saudi-Arabien, stabilisieren will. Von welcher Werteordnung sprechen Sie? Sind Menschenrechte Ihrer Meinung nach nicht universell gültig, sondern ist ihre Geltung von der jeweiligen Region abhängig?"

29

Antwort Otto:

"Ich möchte zunächst zu Ihrer zweiten Frage Stellung nehmen. Selbstverständlich sind Menschenrechte - sie sind in der UN-Menschenrechtscharta niedergelegt - weltweit gültig. (…)

Insofern: Die Standards, an denen wir die Menschenrechtslage messen, sind in der UN-Menschenrechtscharta niedergelegt, und an dieser universell geltenden Charta halten wir fest. Ich habe bereits geschildert, dass es in Saudi-Arabien diesbezüglich Defizite gibt. Sonst würden wir auch nicht in einem ständigen Dialog stehen.

Zu dem ersten Teil Ihrer Frage würde Herr Staatsminister von Klaeden gerne Stellung nehmen, wenn, Herr Präsident, das erlaubt ist."

30

Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin:

"Frau Kollegin Roth, es gilt das, was Kollege Staatssekretär Otto bereits gesagt hat, nämlich dass wir zu den Sitzungen des Bundessicherheitsrates keine Auskunft geben. Das gilt dann eben auch für die Frage, ob Pressemeldungen dementiert oder bestätigt werden. Ich will aber gerne noch einmal die Gelegenheit nutzen, einige Sätze zu unseren Beziehungen zu Saudi-Arabien zu sagen, damit hier kein unausgewogenes Bild entsteht. Hinsichtlich der Menschenrechtslage in Saudi-Arabien besteht zwischen der Einschätzung der seriösen Menschenrechts- und Außenpolitiker des Bundestages und der Einschätzung der Bundesregierung keine Differenz. Warum Saudi-Arabien trotz seiner schwierigen Menschenrechtssituation gleichwohl ein wichtiger Partner für uns ist, will ich an folgenden Punkten deutlich machen: (...)"

31

Nach weiteren Zusatzfragen zur Rolle Saudi-Arabiens in Bezug auf terroristische Aktivitäten und die Ereignisse in Bahrain stellte der Abgeordnete Dr. Frithjof Schmidt die Zusatzfrage, ob die Bundeskanzlerin die Ermächtigung erteilen könne, über Sitzungen des Bundessicherheitsrates Auskunft zu geben, und ob eine politische Begründung genannt werden könne, weshalb sie dies nicht tue.

32

Antwort Otto:

"Ich nehme hier nicht die Rolle der Bundeskanzlerin ein. Ich sitze nicht auf ihrem Platz, sondern daneben. Aber ganz klar ist, dass es zumindest seit dem Jahr 2000 völlig unstreitig ist, (...) dass der Verlauf und die Ergebnisse der Sitzungen des Bundessicherheitsrats als Geheim einzustufen sind, was zur Folge hat, dass niemand, auch nicht die Bundeskanzlerin, das Recht hat, dies sozusagen durch freie Entscheidung zu öffnen. (...)"

33

Anschließend wurde die dringliche Frage 2 des Antragstellers zu 1) (BTDrucks 17/6438, S. 1) aufgerufen (PlenProt 17/119, S. 13807 A):

"Welche Angaben macht die Bundesregierung zum jetzt bekannt gewordenen Zustandekommen des Waffengeschäfts über die Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern von Deutschland an Saudi-Arabien hinsichtlich der Zahlung 'nützlicher Aufwendungen' sowie der Vermittler, Unterstützer in der Bundesregierung und Nutznießer dieses Waffengeschäfts?"

34

Antwort Otto:

"Herr Kollege Ströbele, ein Teil Ihrer Frage bezieht sich auf das, was wir eben schon ausgiebig diskutiert haben. Ich nehme Bezug auf das, was ich eben schon gesagt habe, und möchte das nicht verlängern. Im Übrigen kann ich Ihnen mitteilen, dass der Bundesregierung keinerlei Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vorliegen, die irgendwie im Zusammenhang mit dem in der Presseberichterstattung genannten Geschäft stehen könnten. Wäre es anders, würde die Bundesregierung von irgendeiner gesetzwidrigen Zahlung Erkenntnisse bekommen, dann wäre das eine Sache der Strafverfolgungsbehörden. Auch insofern verweise ich auf die Richtlinie der Bundesregierung zur Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung vom 30. Juli 2004. Sie werden sie sicherlich noch gut kennen; sie ist nämlich in der Zeit der rot-grünen Regierungskoalition verabschiedet worden. Auch sie, Herr Kollege Ströbele, gilt unverändert fort."

35

Der Antragsteller zu 1. stellte folgende Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C):

"Herr Staatssekretär, Ihre Auffassung, dass Sie hier jegliche Auskunft über das Geschäft verweigern dürfen, ist nicht nur abenteuerlich, sondern verfassungswidrig. Sie hebeln faktisch das Recht des Deutschen Bundestages, die Bundesregierung zu kontrollieren, in diesem wichtigen Punkt, der mindestens die Hälfte der deutschen Bevölkerung beschäftigt, für ein Jahr aus.

Meine Frage an Sie lautet: Wie viel kosten die 200 Leopard-Kampfpanzer, wenn man sie in Deutschland kauft bzw. verkauft, und wie viel soll die saudi-arabische Regierung dafür bezahlen? Denn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Kaufpreis und dem, was tatsächlich gezahlt wird, gilt wie schon im Jahr 1991 als sogenannte nützliche Aufwendungen, das heißt Bestechungsgelder.

Deshalb richte ich als Abgeordneter des Bundestages, der die Bundesregierung auch bei diesem Geschäft kontrollieren muss, diese Frage an Sie."

36

Antwort Otto:

"Herr Kollege Ströbele, mit allem Respekt: Es ist sehr mutig, was Sie hier machen. Zunächst einmal weise ich den Vorwurf, ich würde mich verfassungswidrig verhalten, mit allem Nachdruck zurück. Ich mache genau das, was alle Bundesregierungen bisher aus gutem Grund gemacht haben. Nennen Sie mir einen einzigen Fall aus den vergangenen Jahren, auch unter rot-grüner Regierung, in dem sich ein Staatssekretär hier hingestellt hat und gesagt hat: Herr Ströbele, das und das ist im Bundessicherheitsrat beschlossen worden. - Das hat es nie gegeben, und dafür gibt es gute Gründe. Das hat mit Verfassungswidrigkeit nichts zu tun. Es war die rot-grüne Bundesregierung, die noch einmal festgestellt hat, dass die Berichterstattung über die Beschlüsse des Bundessicherheitsrates und die Rüstungsexportpolitik in einem jährlichen Rüstungsexportbericht niedergelegt wird. Dadurch wird das Parlament beteiligt.

Der Rüstungsexportbericht für 2010 wird in Kürze veröffentlicht. Ich kann Ihnen die Zahlen für Saudi-Arabien geben. Im Übrigen, Herr Kollege Ströbele, zu dem, was Sie da an Spekulationen geäußert haben - also zur Preisdifferenz; das, was in der Presse steht -, will ich in keiner Weise Stellung nehmen. Ich halte Ihre Spekulationen wirklich für abenteuerlich und weise sie zurück. Die Annahme, dass ein in Saudi-Arabien gegenüber Deutschland veränderter Preis automatisch mit nützlichen Aufwendungen, kriminellen Handlungen verbunden ist, ist wirklich - mit Verlaub - Ihre private Meinung. Das ist nicht die Meinung der Bundesregierung."

37

Der Antragsteller zu 1. stellte folgende zweite Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13807 D, S. 13808 A):

"Herr Staatssekretär, bis zum Jahre 1999 habe ich es auch als abenteuerlich angesehen, dass ein ausgewachsener deutscher Bundeskanzler Barbeträge, gebündeltes Bares von Spendern anonym entgegennimmt und in seine Jackentasche steckt. Ich habe es auch als abenteuerlich angesehen, dass 220 Millionen Euro an sogenannten nützlichen Aufwendungen gezahlt wurden, von denen 1 Million an die CDU, an deren Schatzmeister, geflossen sind. Das war alles abenteuerlich. Seit dem Jahr 1999 weiß ich, dass so etwas in der Bundesrepublik Deutschland möglich ist. Deshalb stelle ich Ihnen nochmals die Frage: Sind Sie bereit, über Einzelheiten dieses Geschäfts dem Deutschen Bundestag Auskunft zu geben, oder verweigern Sie diese weiterhin in verfassungswidriger Weise?"

38

Antwort Otto:

"Herr Kollege Ströbele, in aller Klarheit: Der Vorwurf an ein Mitglied der Bundesregierung, sich verfassungswidrig zu verhalten, ist starker Tobak. Sie wissen genauso gut wie ich, weil Sie langjähriger Parlamentarier sind: Niemand von denen, die hier Zwischenrufe machen, würde sich anders verhalten, wenn er in meiner Situation wäre, niemand. Ich würde mich sogar strafbar machen, wenn ich irgendwelche Erkenntnisse, die ich als Mitglied der Bundesregierung erhalten habe, hier offenbarte. Das geht nicht anders. Das war zu Ihrer Zeit auch nicht anders. Dafür gibt es gute Gründe; das habe ich schon gesagt. Das hat mit Verfassungswidrigkeit gar nichts zu tun, Herr Kollege Ströbele, bei allem Respekt. Zu dem, was Sie zu früheren Zeiten, zu 1999, gesagt haben - auch ich war in dem Untersuchungsausschuss Mitglied -: Das ist aufgeklärt worden. Das wird sich auch nicht wiederholen. Ich hoffe nicht, dass durch Ihre Frage intoniert werden sollte, die jetzige Bundesregierung hätte Ähnliches vor oder getan. Ich weise das in aller Klarheit zurück. Das ist aufgearbeitet worden. Es hat auch Strafverfahren gegeben. Dass Sie das jetzt in einen Zusammenhang mit diesen Presseberichten stellen, finde ich schon sehr fragwürdig."

39

Zu weiteren Zusatzfragen zu bisherigen Anfragen Saudi-Arabiens wegen des Erwerbs von Panzern führte der Parlamentarische Staatssekretär Otto aus:

"Diese Antwort habe ich genauso zu verweigern wie jede andere. Auch solche Anfragen sind geheimschutzbedürftig. Ich bin nicht befugt, jede Frage nach Anfragen nach Rüstungsgütern zu beantworten. Das ist sehr naheliegend; denn wenn die Bundesregierung verpflichtet wäre, schon bei Eingang einer Anfrage die Öffentlichkeit zu informieren, dann würden viele - vielleicht sogar nach Ihrer Meinung - notwendige Geschäfte vereitelt. Das gilt übrigens auch für Anfragen jenseits von Rüstungsgütern, zum Beispiel nach Dual-use-Gütern. Die Verwaltung ist nicht befugt, Auskünfte über Anfragen nach Rüstungsgütern oder sonstige Exportgenehmigungen zu erteilen. Genauso wie bei jedem anderen Verwaltungshandeln ist das alles diskret zu behandeln. Darüber werden in der Öffentlichkeit keine Auskünfte gegeben. All das, was notwendig ist, um das Parlament zu unterrichten, enthält der Rüstungsexportbericht. Der Rüstungsexportbericht und die Stellung des Bundessicherheitsrates gehen nicht auf diese Regierung zurück. Es handelt sich hier um eine jahrzehntelange Praxis."

40

Nach weiteren Zusatzfragen zur Auslegung und Verbindlichkeit der Rüstungsexportrichtlinien, zur Bundesregierung als dem "Erfüllungsgehilfen der deutschen Rüstungslobby" und zum Entscheidungsverfahren im Bundessicherheitsrat wurde die dringliche Frage 3 der Antragstellerin zu 2. (BTDrucks 17/6438, S. 1) aufgerufen (PlenProt 17/119, S. 13810 D):

"Welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe führt die Bundesregierung für die Genehmigung der am 4. Juli 2011 durch das Magazin Der Spiegel gemeldeten Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien an, und wie bewertet die Bundesregierung die Vereinbarkeit dieser Lieferung mit den einzelnen Kriterien des EU-Kodex für Waffenausfuhren?"

41

Antwort Otto:

"Frau Kollegin Keul, nachdem ich schon recht ausführlich zu den dringlichen Fragen 1 und 2 Stellung genommen habe, kann ich in Ihrer Frage keinen zusätzlichen Gehalt erkennen, der über den der dringlichen Frage 1 hinausgeht. Deswegen wiederhole ich das, was ich auf die Frage des Kollegen Beck gesagt habe, auch Ihnen gegenüber."

42

Die Antragstellerin zu 2. stellte die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13811 A):

"Ich wüsste gerne, auf welche Weise die Bundesregierung ausschließt, dass die für Saudi-Arabien genehmigten Rüstungsexportgüter zu innerer Repression genutzt werden."

43

Antwort Otto:

"Frau Kollegin Keul, wenn ich dazu Stellung nähme, würde ich eine Auskunft geben, dass es eine Entscheidung gegeben hat oder dass es keine Entscheidung gegeben hat. Da ich diese Auskunft aus den bekannten Gründen nicht geben kann, kann ich Ihre Frage nicht beantworten. Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Grundsätze, sowohl die Politischen Grundsätze der Bundesregierung als auch die des Europäischen Rates, in jedem Einzelfall zu beachten sind und von der Bundesregierung in jedem Fall auch peinlich beachtet werden. Das ist die klare Aussage. Das ist eine Selbstbindung der Bundesregierung, die nach wie vor gilt. Da gibt es keine Veränderung. Es ist genau so wie in den Jahren vorher."

44

Als im Folgenden thematisiert wurde, ob es einen Austausch mit anderen Regierungen im Hinblick auf die Genehmigung gegeben habe, antwortete der Parlamentarische Staatssekretär Otto:

" (…) Das betrifft nicht den Bundessicherheitsrat, aber dabei handelt es sich um sicherheitspolitische Interessen, die hier nicht auf dem Markt verhandelt werden können. (…) Sicherheitspolitische Absprachen zwischen Bündnisländern können hier nicht im Einzelfall besprochen werden. Das kann nicht anders sein, und das gilt unabhängig von Rüstungsexportfragen. (…) Das sind Rücksichtnahmen auch auf bilaterale Beziehungen. (…)"

45

Später wurde die dringliche Frage 4 des Abgeordneten Niema Movassat aufgerufen:

"Wie vereinbart die Bundesregierung die geplante Lieferung von Panzern an Saudi-Arabien mit ihren Äußerungen, an der Seite der Demokratiebewegung in den arabischen Ländern zu stehen?"

46

Hierzu stellte die Antragstellerin zu 3. folgende Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13814 B):

"Herr Westerwelle hat in seinen ersten außenpolitischen Leitlinien dafür plädiert, dass jenen Staaten die Entwicklungshilfe zu streichen sei, in denen Männer und Frauen nur deshalb hingerichtet werden, weil sie homosexuell sind.

Unseres Wissens gibt es in Saudi-Arabien eine drakonische Verfolgung von Schwulen und von Lesben. Sie müssen mit der Todesstrafe rechnen, wenn man ihnen Homosexualität nachweisen kann. Muss ich Ihre Äußerungen jetzt so interpretieren, dass Saudi-Arabien keine Entwicklungshilfe, wenn es welche beantragen würde - Konjunktiv! -, bekommen würde, weil dort Homosexualität verfolgt wird, aber Panzer bekommen würde, weil diese zur Stabilisierung der Region beitragen?"

47

Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt:

"Frau Abgeordnete, was die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien anbelangt, will ich unterstreichen, was Sie gesagt haben: Die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien ist auf keinen Fall zu akzeptieren. Sie ist sehr unbefriedigend, auch wenn sich die Regierung seit einigen Jahren für Menschenrechtsthemen öffnet. 2009 gab es 69 Hinrichtungen und 2010 immer noch 29. Schlimm sind auch die religiöse Intoleranz, Frauendiskriminierung und Rechtlosigkeit ausländischer Arbeitskräfte und vieles andere mehr. Bei realistischer Einschätzung muss man sagen, dass die Bemühungen der Regierung und des Schura-Rates, also des rein beratenden und vom König ernannten Parlaments, die wichtigsten internationalen Menschenrechtsstandards in nationales Recht umzusetzen, sicher erst in Jahren erfolgreich sein werden. Das ist sehr unbefriedigend; da gebe ich Ihnen recht. Sehen Sie bitte auf der anderen Seite, dass wir an der Stabilität in dieser Region und an einer entsprechenden Sicherheitspolitik interessiert sind und deshalb auch nach Strohhalmen greifen. Es ist wichtig, dass sich Saudi-Arabien - Staatsminister von Klaeden hat es bereits gesagt - für Friedensinitiativen in der Region engagiert, wie es 2002 der Fall war."

48

3. Im Juli stellte die Antragstellerin zu 2. die schriftliche Anfrage an die Bundesregierung (Frage 7/132; BTDrucks 17/6658, S. 24):

"Wann hat die Bundesregierung den Verkauf von Transportpanzern Fuchs, Last- und Geländewagen, Fregatten oder Verteidigungs- und Sicherheitselektronik für den Grenzschutz bzw. dazu bestimmte Fertigungsanlagen an Algerien genehmigt (vgl. Handelsblatt, "Deutschland gibt Rüstung für Algerien frei", 3. Juli 2011) und welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe führt sie jeweils für die Genehmigung an?"

49

Für die Bundesregierung antwortete der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Jochen Homann, am 15. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 24 f.):

"Über Rüstungsexporte entscheidet die Bundesregierung im Einzelfall und im Lichte der jeweiligen Situation. Grundlage hierfür sind (…).

Bei Ausfuhrvorhaben, die im Hinblick auf das Empfängerland, das Rüstungsgut oder den Geschäftsumfang von besonderer Bedeutung sind, wird in der Regel der Bundessicherheitsrat befasst. (…).

Der Bundessicherheitsrat tagt geheim. Tagesordnung und Ergebnisse sind ebenso eingestuft. Daher kann die Bundesregierung zu den Presseberichten über Entscheidungen des Bundessicherheitsrats keine Stellung nehmen.

Die Notwendigkeit zur Geheimhaltung ergibt sich vorrangig aus dem Schutzbedürfnis der Beziehungen Deutschlands zu den möglichen Empfängerländern. Der Schutz der Interessen des Empfängerlands ist ein weiterer Grund.

Die Bundesregierung informiert über die erteilten Exportgenehmigungen für Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter nach Algerien in ihrem jährlichen Rüstungsexportbericht im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen. Bei der Entscheidung über Rüstungsexporte nach Algerien werden insbesondere die Zusammenarbeit mit Algerien im Kampf gegen den Terrorismus, die legitimen Sicherheitsinteressen Algeriens sowie die Menschenrechtslage in Algerien berücksichtigt."

50

Am 8. Juli 2011 stellte der Antragsteller zu 1. die Frage zur schriftlichen Beantwortung an die Bundesregierung (Frage 7/84; BTDrucks 17/6658, S. 56):

"Inwieweit trifft im Einzelnen zu, dass die Bundeswehr schon im 3. Quartal dieses Jahres - also in den jetzigen Monaten - Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien schicken (bzw. durch den Hersteller schicken lassen) wird und dort - wie schon zu Anfang 2011 in Katar - auf deren Klima- bzw. Wüstentauglichkeit sowie Kampffähigkeit testen lassen will, wie am 24. Mai 2011 der Abteilungsleiter im Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, [Herr] E., oder ein anderer Redner von dem Panzerbataillon 33 in der Wilhelmstein-Kaserne anlässlich der öffentlichen Soldaten-Verabschiedung nach Afghanistan angekündigt haben soll, und sofern dies grundsätzlich zutrifft, wie steht dieses Vorhaben im Zusammenhang mit dem offenbar genehmigten Verkauf von 200 Leopard-Panzern nach Saudi-Arabien?"

51

Für die Bundesregierung antwortete der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium Christian Schmidt am 18. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 56):

" (…) Nach den im BMVg vorliegenden Redetexten der Veranstaltung vom 24. Mai 2011 beim Panzerbataillon 33 lässt sich nicht erkennen, dass einer der Redner die Aussage getätigt hat, Leopard-Panzer sollen durch die Bundeswehr, oder in deren Auftrag durch den Hersteller KMW, in Saudi-Arabien getestet werden.

Ich darf Ihnen mitteilen, dass weder die Bundeswehr selbst noch durch Beauftragte die Klima- bzw. Wüstentauglichkeit sowie Kampffähigkeit von Leopard-Panzern in Saudi-Arabien feststellen lässt."

52

Am 14. Juli 2011 stellte der Antragsteller zu 1. die Frage zur schriftlichen Beantwortung an die Bundesregierung (Frage 7/193; BTDrucks 17/6658, S. 28):

"Welche Angaben macht die Bundesregierung zu getroffenen Entscheidungen der Bundesregierung bzw. ihrer Ausschüsse oder nachgeordneten Stellen betreffend die Lieferung von ca. 200 Panzer LEO in die Krisenregion am arabischen Golf nach Saudi-Arabien, insbesondere zu der bisherigen Verbindlichkeit der Entscheidungen und zu den Inhalten der Entscheidungen wie Verkaufspreise, Lieferbedingungen oder eventuellen Auflagen zum Einsatz in diesem Land oder in anderen Ländern, und wie rechtfertigt die Bundesregierung Entscheidungen über diese Kriegswaffenexporte angesichts der Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung, nach denen solche Kriegswaffenlieferungen in Länder wie Saudi-Arabien, in den fortdauernd und systematisch Menschenrechte verletzt werden, nicht in Betracht kommen?"

53

Für die Bundesregierung antwortete der Staatssekretär beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Dr. Bernhard Heitzer am 21. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 29):

"Der Bundesregierung sind die aktuellen Presseberichte über eine angebliche rüstungsexportkontrollpolitische Entscheidung des Bundessicherheitsrats zur Ausfuhr von 200 Panzern Leopard nach Saudi-Arabien bekannt. Tagesordnung und Entscheidungen des Bundessicherheitsrats unterliegen der Geheimhaltung. Daher kann die Bundesregierung hierzu nicht Stellung nehmen.

In allgemeiner Form kann jedoch gesagt werden:

Über Rüstungsexporte entscheidet die Bundesregierung im Einzelfall und im Lichte der jeweiligen Situation nach sorgfältiger Prüfung unter Einbeziehung außen- und sicherheitspolitischer Erwägungen. Grundlage hierfür sind die 'Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern' aus dem Jahr 2000 und der 'Gemeinsame Standpunkt 2008/944/GASP des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern'. Der Beachtung der Menschenrechte im Empfängerland und den Möglichkeiten eines Missbrauchs des konkreten Rüstungsguts kommen im Rahmen der hiernach vorzunehmenden Gesamtabwägung eine besondere Bedeutung zu.

Saudi-Arabien ist ein stabilisierender Faktor in der Region und wichtiger Partner der Bundesrepublik Deutschland.

Im Rahmen ihrer bilateralen Beziehungen mit Saudi-Arabien setzt sich die Bundesregierung für die Einhaltung von demokratischen Werten und Menschenrechten ein. (…)

(…) Die Bundesregierung verfolgt die aktuellen Entwicklungen in Saudi-Arabien und der Region sehr genau."

54

Am 14. Juli 2011 stellte die Antragstellerin zu 3. die schriftliche Frage an die Bundesregierung (Frage 7/174; BTDrucks 17/6658, S. 26):

"Wie begründet die Bundesregierung die Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern an Saudi-Arabien angesichts der geltenden Richtlinien für Rüstungsexporte, die Waffengeschäfte mit [Staaten wie] Saudi-Arabien aufgrund der hinreichenden Belege für massive und alltägliche Menschenrechtsverletzungen verbieten?"

55

Die Antwort des Staatssekretärs beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Dr. Bernhard Heitzer für die Bundesregierung am 21. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 26 f.) ist wortgleich mit der am gleichen Tag erteilten Antwort auf die Frage des Antragstellers zu 1. vom 14. Juli 2011.

56

Ebenfalls am 14. Juli 2011 stellte die Antragstellerin zu 3. die schriftliche Frage an die Bundesregierung (Frage 7/175; BTDrucks 17/6658, S. 27):

"Welche Angaben macht die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag gegenüber zum bekannt gewordenen Zustandekommen der Leopard-Kampfpanzerlieferung an Saudi-Arabien hinsichtlich der Zahlung 'nützlicher Aufwendungen' sowie der Vermittler, Unterstützer in der Bundesregierung und Nutznießer dieses Waffengeschäfts?"

57

Für die Bundesregierung antwortete der Staatssekretär beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Dr. Bernhard Heitzer am 21. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 27):

"Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, die im Zusammenhang mit dem in der Presseberichterstattung genannten Geschäfte stehen könnten. Anderenfalls wären bereits die Strafverfolgungsbehörden unterrichtet worden. Im Übrigen wird auf die Richtlinie der Bundesregierung zur Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung vom 30. Juli 2004 verwiesen."

III.

58

Die Antragsteller begehren die Feststellung, sie seien durch die Antragsgegnerin dadurch in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt worden, dass ihre oben wiedergegebenen Fragen beziehungsweise Nachfragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages vom 6. Juli 2011 und ihre oben wiedergegebenen schriftlichen Fragen durch die Antragsgegnerin nicht beziehungsweise unzureichend beantwortet worden seien.

59

1. Die Antragsteller sehen ihre Anträge als zulässig an. Insbesondere sei die Bundesregierung die richtige Antragsgegnerin. Sie könne nicht etwa auf eine Zuständigkeit des Bundessicherheitsrates verweisen, denn der Informationsanspruch der Abgeordneten und des Gesamtparlaments richte sich nach Maßgabe der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages gegen die Bundesregierung. Außerdem sei der Bundessicherheitsrat ein Ausschuss der Antragsgegnerin und damit Teil derselben.

60

2. Durch die Art der Beantwortung der Fragen habe die Antragsgegnerin sie in ihren verfassungsrechtlichen Rechten verletzt.

61

a) Aus Art. 38 Abs. 1 GG folge ein Informationsanspruch der Abgeordneten, dem hier auch angesichts der Regelung des Art. 26 Abs. 2 GG keine wesentlichen Schranken - etwa durch Geheimhaltungsbedürftigkeit im Hinblick auf den Bundessicherheitsrat als besonderen Entscheidungsträger - gesetzt werden könnten.

62

Art. 26 Abs. 2 GG sei als Verbot mit Befreiungsvorbehalt zu verstehen. Die Genehmigung selbst müsse jeweils unter Berücksichtigung der Ziele des Art. 26 Abs. 1 GG, jede Friedensstörung möglichst weitgehend zu vermeiden, gerechtfertigt werden. Dass Kriegswaffen nach Art. 26 Abs. 2 GG "nur mit Genehmigung der Bundesregierung" in Verkehr gebracht werden dürften, spreche im Zusammenhang mit Art. 62 GG dafür, dass nur die gesamte Bundesregierung im Kabinett eine entsprechende Entscheidung treffen könne. Eine Delegation an ein anderes Gremium sei in höchstem Maße verfassungsrechtlich bedenklich. Jedenfalls müsse die Bundesregierung selbst dann, wenn eine solche Delegation möglich wäre, in vollem Umfang die Verantwortung für die getroffenen Maßnahmen übernehmen.

63

Weil Art. 26 Abs. 2 GG der Bundesregierung eine besondere Verantwortung zuweise und die Ausübung dieser Verantwortung effektiv nur durch das Parlament kontrolliert werden könne, bestehe eine besonders stringente Informationspflicht gegenüber dem Parlament. Andere Kontrollmechanismen seien nur bedingt wirksam. Hinsichtlich der Genehmigungen bestehe im Wesentlichen ein ungebundenes Ermessen mit der Folge besonderer Korruptionsanfälligkeit. Dies zeigten auch die Feststellungen des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages in der 14. Wahlperiode zu Schmiergeld im Zusammenhang mit der Lieferung von Fuchs-Panzern an Saudi-Arabien. Vor dem damaligen Untersuchungsausschuss hätten die Zeugen Dr. Kohl und Genscher öffentlich über den Gang der Beratungen und die Entscheidung im Bundessicherheitsrat detailliert ausgesagt.

64

Das Informationsinteresse der Antragsteller sei vorliegend zudem besonders hoch gewesen. Die Pressemeldungen über den Export von 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien hätten bei vielen Mitgliedern des Deutschen Bundestages und in der Öffentlichkeit zu Unruhe und Empörung geführt, weil die Bundesrepublik die Demokratiebewegungen des "arabischen Frühling(s)" begrüßt und unterstützt habe, gerade die Regierung des Königreichs Saudi-Arabien aber einige Wochen vorher nicht nur Demokraten im eigenen Land unterdrückt und systematisch Menschenrechte verletzt habe, sondern auch in Bahrain mit Panzern eingerückt sei, um zu helfen, die Demokratiebewegung dort blutig niederzuwalzen. Dies sei wiederum von zahlreichen Regierungen und Abgeordneten übereinstimmend verurteilt worden. Gerade die Leopard-Panzer Typ 2 A7 seien besonders ausgerüstet und geeignet für den Einsatz gegen Menschenmengen und für den Straßenkampf.

65

b) Geheimhaltungsgründe, die dem parlamentarischen Informationsrecht entgegenstehen könnten, habe die Antragsgegnerin nicht beziehungsweise nicht substantiiert dargetan. Die Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrats könne einen Geheimhaltungsbedarf nicht bindend gegenüber dem Parlament begründen. Im Übrigen könne und müsse die Geheimhaltung aufgehoben werden, wenn keine hinreichenden Gründe für diese bestünden.

66

Die Antragsgegnerin könne nicht auf die Erfüllung des parlamentarischen Informationsanspruchs durch den jährlichen Rüstungsexportbericht verweisen. Nicht die Antragsgegnerin bestimme, in welcher Weise und wann das Parlament Informationen erhalte, sondern allein das nach den Maßgaben der Geschäftsordnung des Bundestages an sie herangetragene Informationsbegehren.

67

Die Geheimhaltungsbedürftigkeit könne auch nicht mit rechtlich geschützten Interessen der Exporteure begründet werden. Da deren Geschäfte von der Verfassung gerade grundsätzlich missbilligt würden, fehle es an einer verfassungsrechtlich schützenswerten Rechtsposition. Hersteller und Verkäufer von Kriegswaffen müssten ebenso wie Abnehmer mit Rücksicht auf die Friedensverpflichtung aus Art. 26 GG mit einer nur eingeschränkten Geltung von Betriebsgeheimnissen jedenfalls gegenüber dem Parlament rechnen. Dass Saudi-Arabien Interesse am Kauf deutscher Panzer einer bestimmten Firma habe, sei überdies seit Jahren bekannt und kein schützenswertes Betriebsgeheimnis mehr.

68

Einen Schutz des Kernbereichs der Entscheidungsfindung könne die Antragsgegnerin grundsätzlich nur bei laufenden Vorgängen in Anspruch nehmen. Solange sie nicht klar sage, ob und von wem eine Entscheidung überhaupt getroffen worden sei, berufe sie sich nicht substantiiert auf den Kernbereichsschutz. Der Gesichtspunkt der "Aufklärung von Missständen" gebiete zudem vorliegend einen engen Zuschnitt des Kernbereichs auch bei laufenden Vorgängen. Überdies sei der Vorgang bereits mit der politischen Entscheidung des Bundessicherheitsrates und nicht etwa erst mit der Erteilung des Genehmigungsbescheids "abgeschlossen" im Sinne der Kernbereichs-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dies gelte auch bei Voranfragen. Die Fragen der Antragsteller seien zudem gerade nicht auf die Ausforschung der Willensbildung der Regierung gerichtet, sondern wollten nur die Kontrolle von gefällten Entscheidungen ermöglichen. Bei einer gegenüber Volk und Parlament verantwortlichen Regierung verbiete es sich, die öffentliche oder parlamentarische Debatte selbst als Eingriff in den Kernbereich der Regierung oder als "verbotenes Mitregieren" anzusehen.

69

Auf eine Beeinträchtigung des Staatswohls durch eine Offenlegung des "Ob" und der Einzelheiten einer Genehmigungsentscheidung habe sich die Antragsgegnerin bisher hinsichtlich des Rüstungsexportes nach Saudi-Arabien nicht klar berufen. Sollte sie anführen wollen, dass die Offenlegung von Einzelheiten über den Export zur Beeinträchtigung des Verhältnisses zu anderen Staaten führen könne, so stimme dieses Bild nicht mit den Wertungen des Art. 26 Abs. 2 GG überein. Da vor den friedenssichernden Zielen des Art. 26 GG jeder Export rechtfertigungsbedürftig sei und im demokratisch verfassten Deutschland eine Rechtfertigung grundsätzlich öffentlich vor dem Parlament erfolge, könne die Ausübung der Kontrollpflichten des Bundestages das Staatswohl nicht beeinträchtigen.

70

Soweit die Antragsgegnerin nun im Organstreitverfahren auf sicherheits- und verteidigungspolitische Belange verweise, fehle es am konkreten Bezug zu den Fragen. Das sicherheitspolitische Interesse der Bundesrepublik an Panzerlieferungen auf die arabische Halbinsel erschließe sich nicht. Auf die Belastung außenpolitischer Beziehungen durch Bekanntwerden kritischer Bewertungen potentieller Empfängerländer könne sich die Antragsgegnerin schon deshalb nicht berufen, weil im Fall Saudi-Arabien die Menschenrechtslage jährlich durch den Menschenrechtsbericht öffentlich kritisch bewertet werde. Selbst wenn an einzelnen Punkten Geheimhaltungsbedürftigkeit bestehen sollte, hätte die Antragsgegnerin das Parlament vertraulich informieren müssen.

71

Es handle sich auch nicht um unzulässige hypothetische Fragen. Frageziel der Antragsteller sei gewesen zu erfahren, ob eine politische Entscheidung getroffen worden sei und welche Bewertungen dieser Entscheidung zugrunde gelegen hätten. Die Fragen hinsichtlich der Bewertung seien nur deshalb "hypothetisch" gewesen, weil die Antragsgegnerin rechtswidrigerweise schon die Antwort auf das "Ob" verweigert habe.

72

Angesichts der öffentlichen Diskussion dränge sich der Eindruck auf, dass die Antragsgegnerin sich hinter dem Argument der Geheimhaltung verstecke. Die Verfassung berechtige die Antragsgegnerin jedoch nicht zu einer alleinigen Steuerung des gesamten parlamentarischen und öffentlichen Kommunikationsprozesses im Bereich der Rüstungsexporte. Andere Staaten ließen hier mehr Transparenz und parlamentarische Kontrolle zu. Die Antragsgegnerin dürfe nicht den Zeitpunkt einer öffentlichen Debatte beeinflussen und diese fern der politischen Entscheidung halten. Politische Debatten fänden zeitnah zur Entscheidung der Regierung statt.

73

3. Die Antragsteller sind der Ansicht, die Antragsgegnerin habe die Frage, ob die thematisierten Waffenlieferungen von der Bundesregierung genehmigt worden seien, mit dem bloßen Hinweis auf den geheim tagenden Bundessicherheitsrat beantwortet. Fragen zu Einzelheiten der Waffenlieferungen habe sie überhaupt nicht beantwortet. Vielmehr habe sie lediglich allgemeine Erwägungen zu dem Für und Wider von Waffengeschäften unter Bezugnahme auf gesetzliche Regelungen und Rüstungsexportrichtlinien mitgeteilt.

74

a) Hinsichtlich der dringlichen Anfrage des Antragstellers zu 1. (PlenProt 17/119, S. 13807 A) habe die Antragsgegnerin Bezug genommen auf Antworten, die auf die vorangegangene dringliche Frage des Abgeordneten Volker Beck und die dazu gestellten Zusatzfragen gegeben worden seien. Mit dem auf diese Weise in Bezug genommenen Hinweis auf die Geheimhaltung für Sitzungen des Bundessicherheitsrates sei jegliche Antwort darauf verweigert worden, ob überhaupt schon eine Genehmigung für die Panzerlieferung erteilt worden sei. Schon gar nicht sei die Teilfrage beantwortet worden, ob "nützliche Aufwendungen" gezahlt worden seien und wer am Zustandekommen des Kriegswaffengeschäfts beteiligt gewesen sei.

75

Hinsichtlich einer Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. (PlenProt 17/119, S. 13802 D) sei seitens der Antragsgegnerin die Antwort mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit anderer Ressorts verweigert worden. Auch ein Hinweis des Bundestagspräsidenten habe nicht zu einer ergänzenden Antwort geführt. Insbesondere sei die Teilfrage nicht beantwortet worden, ob nach dem Wortlaut der Rüstungsexportrichtlinien eine Lieferung von Kriegswaffen in Länder, in denen fortdauernd und systematisch Menschenrechte verletzt würden, gar nicht in Betracht komme.

76

Hinsichtlich der ersten Nachfrage des Antragstellers zu 1. zu seiner dringlichen Frage (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C) habe die Antragsgegnerin Informationen über den Preis der Leopard-Panzer in Deutschland und darüber, wieviel Saudi-Arabien dafür zahle, vollständig verweigert. Damit bleibe sie eine Antwort auf die implizite Vorfrage, ob ein Export genehmigt worden sei, schuldig.

77

Mit seiner zweiten Nachfrage zu seiner dringlichen Frage (PlenProt 17/119, S. 13807 D, S. 13808 A) habe der Antragsteller zu 1. ersichtlich wiederum Einzelheiten über den Waffenexport zu erfahren versucht. Die Antragsgegnerin habe die Antwort darauf mit dem generellen Hinweis auf ein Offenbarungsverbot umfassend verweigert.

78

Auch die schriftliche Frage des Antragstellers zu 1. nach getroffenen Entscheidungen betreffend die Panzerlieferung, zu deren Verbindlichkeit und Inhalten wie Verkaufspreisen, Lieferbedingungen und Auflagen (Frage 7/193) sei wiederum nicht beantwortet worden.

79

In ihrer Antwort auf die schriftliche Frage 7/84 des Antragstellers zu 1. habe die Bundesregierung verschwiegen, dass in der Zeit vom 26. Juni bis 30. Juli 2011 sehr wohl deutsche Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 A7 auf ihre Klima- und Wüstentauglichkeit unter Beteiligung von Bundeswehrsoldaten getestet worden seien, und zwar in dem Golfstaat Arabische Emirate. Mit ihrer unvollständigen Antwort, die ausschließlich am Wortlaut der Frage orientiert sei, ignoriere die Bundesregierung bewusst den offensichtlichen Sinn und das Ziel der Fragestellung.

80

b) Die dringliche Frage der Antragstellerin zu 2. nach den Gründen der Entscheidung über die Lieferung der Leopard-Panzer (PlenProt 17/119, S. 13810 D) sei nicht beantwortet worden, weil die Antragsgegnerin schon den Mantel des Schweigens darüber decke, ob überhaupt ein Export genehmigt worden sei. Gleiches gelte für beide Zusatzfragen der Antragstellerin zu 2. nach Vorkehrungen und Vertragsbedingungen gegen den Einsatz der Leopard-Panzer zur inneren Repression in Saudi-Arabien (PlenProt 17/119, S. 13811 A) und nach der Rolle beschäftigungs- und industriepolitischer Gründe bei der Entscheidung (PlenProt 17/119, S. 13803 D).

81

Die schriftliche Anfrage 7/132 nach der Genehmigung des Verkaufs von Panzern und Rüstungsgütern nach Algerien und den Gründen dafür sei mit dem bloßen Hinweis auf die Geheimhaltung von Entscheidungen des Bundessicherheitsrates überhaupt nicht beantwortet worden.

82

c) Die Zusatzfrage der Antragstellerin zu 3. nach der Konsultation von Israel und den USA vor der Entscheidung über den Verkauf der Panzer an Saudi-Arabien (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B) sei wiederum im Kern allein mit der Begründung nicht beantwortet worden, dass schon das "Ob" der Entscheidung geheim sei.

83

Die Antragsgegnerin habe auch nicht die Frage beantwortet, ob Entwicklungshilfe an Saudi-Arabien nicht gewährt werden könne, weil Homosexualität dort verfolgt werde, während Panzer geliefert werden könnten (PlenProt 17/119, S. 13814 B).

84

Die Antwort auf die konkret gestellte schriftliche Frage Nr. 7/174 der Antragstellerin zu 3. nach der Begründung der Panzerlieferung an Saudi-Arabien werde mit Verweis auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit verweigert, weil die Antragsgegnerin wiederum schon die Vorfrage, ob ein Export genehmigt worden sei, nicht beantworten wolle.

85

Hinsichtlich der schriftlichen Frage Nr. 7/175 der Antragstellerin zu 3. habe die Antragsgegnerin eine Frage beantwortet, die gar nicht gestellt worden sei, nämlich nach "gesetzeswidrigen Zahlungen". Gefragt gewesen sei nach "nützlichen Aufwendungen", die nicht gesetzeswidrig sein müssten und die bis 1999 steuerabzugsfähig gewesen seien. Den letzten Frageteil nach "Vermittlern, Unterstützern in der Bundesregierung und Nutznießern des Waffengeschäfts" habe die Antragsgegnerin vollkommen ignoriert.

IV.

86

Nach Auffassung der Antragsgegnerin haben die Anträge keine Aussicht auf Erfolg.

87

1. Die Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs in Form der Geheimhaltungsbedürftigkeit und des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung würden durch Art. 26 Abs. 2 GG nicht relativiert. Ob es sich bei Art. 26 Abs. 2 GG um ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt handle, sei zweifelhaft. Die Einbindung des Bundessicherheitsrates, dessen Entscheidungen lediglich politische, nicht aber rechtliche Verbindlichkeit zukomme, sei rechtlich unbedenklicher Ausdruck der Organisationskompetenz der Antragsgegnerin. Jedenfalls begründe aber die grundgesetzliche Sensibilität gegenüber dem Umgang mit Kriegswaffen, die in Art. 26 GG zum Ausdruck komme, keine herausgehobene Stellung des Parlaments und damit auch keine gesteigerten Informationsrechte. Die Norm schaffe keinen Entscheidungsverband von Parlament und Regierung, sondern weise im Gegenteil gerade der Bundesregierung eine bedeutende Rolle zu. Der Verweis auf fehlende gerichtliche Kontrolle und Korruptionsgefahr sei nicht ausschlaggebend, da die Antragsgegnerin ihre Rüstungsexportpolitik einmal im Jahr im Rüstungsexportbericht offenlege.

88

Die Geheimhaltungsbedürftigkeit der Sitzungen des Bundessicherheitsrates gründe in dem Schutz der Integrität der Bundesrepublik Deutschland, der Länder und des Kabinetts in sicherheits- und verteidigungspolitischen Belangen sowie dem Schutz der Beziehungen Deutschlands zu möglichen Empfängerländern. Ferner gehe es um die grundsätzlich schutzwürdigen Belange anderer Staaten und um die Wahrung von Betriebsgeheimnissen der jeweiligen Rüstungsunternehmen. Diese Gründe stünden auch der Veröffentlichung des "Ob" einer Sitzung, von deren Ergebnissen und ihrer Begründung entgegen. Insbesondere kritische Bewertungen potentieller Empfängerländer seitens des Bundessicherheitsrates würden im Fall des Publikwerdens regelmäßig die außenpolitischen Beziehungen der Bundesrepublik zu diesen Ländern belasten. Außerdem könnten sie Rückschlüsse auf die Informationsquelle zulassen und damit die schutzwürdigen Interessen Dritter beeinträchtigen. Aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin sich in ihren Menschenrechtsberichten kritisch zur Menschenrechtslage in einzelnen Ländern äußere, folge nicht, dass eine öffentliche Debatte über konkrete Exportgenehmigungsentscheidungen die außen-, sicherheits- und verteidigungspolitischen Belange der Bundesrepublik nicht beeinträchtigen könnte. Das Bestreben, im diplomatischen Kontakt auf eine Verbesserung der Menschenrechtslage hinzuwirken, würde konterkariert, wenn die betroffenen Staaten in öffentlicher Debatte in verletzender Weise kritisiert würden. Auch in anderen europäischen Ländern finde keine direkte Mitwirkung der Parlamente an konkreten Ausfuhrentscheidungen statt. Dem Bundestag stehe es frei, sich kritisch zu möglichen Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien zu äußern und die Antragsgegnerin zu einem entsprechenden Genehmigungsverhalten aufzufordern. Die Antragsgegnerin sei allerdings nicht verpflichtet, hierfür die begehrten Informationen und Bewertungen beizusteuern.

89

Schließlich seien gerade bei den vom Bundessicherheitsrat zu entscheidenden besonders sensiblen Einzelfällen verfassungsrechtlich geschützte Geschäftsgeheimnisse gefährdet, da die betroffenen Unternehmen regelmäßig schon in einem sehr frühen Stadium der Geschäftsanbahnung eine Voranfrage stellten. In diesem Stadium könnte ein Bekanntwerden der Geschäftsabsichten jedoch Konkurrenten auf die Geschäftsgelegenheit hinweisen und potentiellen Gegnern die Gelegenheit geben, frühzeitig Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Diese Erwägungen hätten im Grundsatz auch für Anträge auf Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen Geltung. Deshalb erfolgten Mitteilungen über erteilte Ausfuhrgenehmigungen auch im Rüstungsexportbericht grundsätzlich in anonymisierter Form (Umschreibung des ausgeführten Guts und Nennung von Wert und Empfängerland). Auch dort, wo Gerüchte über Geschäfte kursierten oder potentielle Abnehmer ihr Erwerbsinteresse öffentlich bekundeten, würde eine Bestätigung den Informationen den "Stempel des Offiziellen" geben und damit in Geschäftsgeheimnisse eingreifen. Es sei auch nicht anzunehmen, dass bereits die Überschaubarkeit des jeweiligen Marktes einer Annahme von Geschäftsgeheimnissen entgegenstehe.

90

Dem Begehren der Antragsteller nach zeitnaher Information zu Entscheidungen des Bundessicherheitsrates stehe ferner der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung entgegen. Eine Offenbarung des Sitzungsverlaufs im Bundessicherheitsrat komme grundsätzlich zu keinem Zeitpunkt in Betracht, weil andernfalls "einengende Vorwirkungen" wegen nachträglich zu erwartender Kontrolle zu gewärtigen wären. Eine gerade in Sicherheitsfragen existentielle Vertraulichkeit des Austausches unter Regierungsmitgliedern wäre dann nicht mehr gewährleistet. Die Bundessicherheitsratsentscheidung sei dem rein regierungsinternen Bereich der Willensbildung zuzurechnen. Bis zur Umsetzung der Entscheidungen des Bundessicherheitsrates durch Bescheide gegenüber den antragstellenden Unternehmen handle es sich noch um einen laufenden Vorgang. Auch nach diesem Zeitpunkt würde eine Information des Parlaments aber zu einem unzulässigen "Mitregieren" führen. Durch eine unmittelbar bevorstehende öffentliche Diskussion entstünde erheblicher Druck auf die Mitglieder des Bundessicherheitsrates. Ihre Entscheidungsfindung wäre beeinträchtigt, weil sie davon ausgehen müssten, sich einerseits kurzfristig für die getroffene Entscheidung öffentlich rechtfertigen zu müssen, sich andererseits aber aus objektiven Geheimhaltungsgründen nicht umfassend und sachgerecht äußern zu können und der Kritik weitgehend schutzlos ausgeliefert zu sein. Dies würde dazu führen, dass sachgerechte, aber objektiv geheimhaltungsbedürftige Aspekte bei der Entscheidungsfindung unberücksichtigt blieben. Auch in der mit einem frühen Bekanntwerden einhergehenden De-facto-Vereitelung eines Rüstungsgeschäfts aufgrund der Information von Konkurrenten oder des Rückzugs des potentiellen Vertragspartners liege ein unzulässiges Mitregieren in Form eines unmittelbaren Einflusses des Parlaments auf die Regierungsentscheidung. Eine Veröffentlichung nach Maßgabe der Geheimschutzordnung des Bundestages könne diese Folgen nicht verhindern. In ihrem innersten Bereich müsse die Regierung selbst dann keine parlamentarische Beteiligung dulden, wenn das Parlament besonderen Verschwiegenheitspflichten unterliege.

91

Ein Informationsanspruch des Parlaments komme nur mit zunehmendem zeitlichen Abstand in Betracht. Die Sensibilität der Informationen nehme ebenso wie das "Vereitelungspotential" des Parlaments kontinuierlich ab. Bezüglich des angemessenen Zeitpunkts der Unterrichtung habe die Antragsgegnerin einen Einschätzungsspielraum. Die Entscheidung, das Parlament über Genehmigungen grundsätzlich erst mit dem Rüstungsexportbericht im darauf folgenden Jahr zu unterrichten, sei weder willkürlich noch anderweitig sachwidrig. Die pauschalierte Handhabung gewähre vielmehr den Abgeordneten wie den betroffenen Unternehmen Rechtssicherheit. Die nachträgliche parlamentarische Kontrolle werde dadurch nicht substantiell geschmälert, sie sei nicht auf tagesaktuelle Information angewiesen.

92

Da diese Handhabung zwischen Parlament und Regierung seit langem üblich sei, habe die Darlegung der Antragsgegnerin in der Fragestunde auch den Begründungsanforderungen genügt. Ihre Stellungnahme sei mündlich und im Wechsel von Rede und Gegenrede erfolgt, die Anforderungen an die Substantiierung dürften daher nicht überspannt werden.

93

Nur Fragen mit Realitätsbezug könnten eine Antwortpflicht der Antragsgegnerin begründen. Zum Anstellen hypothetischer Überlegungen sei sie nicht verpflichtet, da eine zwangsläufig fiktionale Antwort weder ein Wissensdefizit eines Abgeordneten beseitige noch zur Kontrolle der Regierung beitrage. Die Antragsgegnerin treffe auch keine Pflicht zur Bewertung politisch relevanter Sachverhalte. Meinungen, Bewertungen und subjektive Stellungnahmen müsse die Regierung nicht artikulieren, soweit sie nicht notwendig mit der Mitteilung von Sachinformationen verbunden seien; zumindest müsse sie sich keine Meinung bilden.

94

2. Die Antragsgegnerin habe danach mit den gerügten Antworten keine Rechte der Antragsteller verletzt.

95

a) Hinsichtlich der vom Antragsteller zu 1. gerügten Antwort auf die schriftliche Frage 7/84 - "Test der Klima- und Wüstentauglichkeit" - sei klarstellend zu ergänzen, dass das Verteidigungsministerium auf konkrete Nachfrage der Presse bereitwillig mitgeteilt habe, dass Personal der Bundeswehr an einer technischen Erprobung des Kampfpanzers Leopard 2 in den Vereinigten Arabischen Emiraten beteiligt sei. Erst als der Antragsteller zu 1. daraufhin die Beantwortung der Frage 7/84 als unangemessen gerügt habe, sei der Antragsgegnerin verdeutlicht worden, dass die Frage nicht ausschließlich auf Saudi-Arabien, welches zum damaligen Zeitpunkt allein im Fokus der öffentlichen Debatte gestanden habe, gezielt habe. Sie habe mit Schreiben vom 27. September 2011 dem Antragsteller zu 1. gegenüber dann die Auskunft zu Erprobungen von Kampfpanzern in den Vereinigten Arabischen Emiraten erteilt und gesondert darauf hingewiesen, dass diese Erprobung in keinem Zusammenhang mit möglichen Lieferungen in das Königreich Saudi-Arabien stehe.

96

Die schriftliche Frage 7/193 ziele direkt auf die Aufklärung, ob eine Exportgenehmigung erteilt worden sei. Diesbezügliche Entscheidungen dürften aus den dargelegten Gründen geheim gehalten werden.

97

Soweit weitere Fragen implizit die Vorfrage nach der Genehmigung entsprechender Exporte nach Saudi-Arabien enthielten, dürfe die Antragsgegnerin auch diese unbeantwortet lassen. Dies gelte etwa für die Frage nach den Kosten der Panzer (PlenProt 17/119, S. 13807). Die Antragsgegnerin könne sich darauf beschränken, die Geheimhaltungsbedürftigkeit zu begründen. Dies sei mehrfach ausführlich getan worden, obwohl allen Beteiligten die gebräuchliche Praxis bekannt gewesen sei. Die Frage nach "nützlichen Aufwendungen" sei ersichtlich beantwortet worden. Die (Nach-)Frage PlenProt 17/119, S. 13802 habe einen hypothetischen Kern und sei konkret nicht sinnvoll beantwortbar. Angesichts des von den Rüstungsexportrichtlinien eröffneten Beurteilungsspielraums und des komplexen Abwägungsprozesses im Einzelfall lasse sie sich nur auf die erfolgte allgemeine Weise beantworten.

98

Die schriftliche Frage 7/84 zum Test der Klima- und Wüstentauglichkeit sei vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet worden. Die Antragsgegnerin habe nicht etwa eine erkennbare Intention der Frage ignoriert. Wenn sie Fragen zum Anlass nehmen müsste, beliebige Informationen zusammenzutragen, die für den Abgeordneten womöglich gleichfalls von Interesse sein könnten, würde der Antragsgegnerin eine "kurze" (GO-BT, Anlage 4, Ziff. 1) Beantwortung von Fragen unmöglich gemacht. Sobald deutlich geworden sei, dass der Antragsteller die Frage nicht ausschließlich auf Saudi-Arabien beschränkt verstanden wissen wollte, seien ihm unverzüglich weitere Informationen mitgeteilt worden.

99

b) Die Fragen PlenProt 17/119, S. 13811 ("Lieferung") und S. 13803 f. ("beschäftigungspolitische Gründe") zielten direkt auf die Aufklärung, ob eine Genehmigung erfolgt sei, und hätten daher nicht beantwortet werden müssen. Eine Begründung hierfür sei während der Debatte mehrfach gegeben worden und habe nicht wiederholt werden müssen. Gleiches gelte für die auf Aufklärung zielende Frage 7/132, ob eine Genehmigung eines Exports nach Algerien erfolgt sei. Auch auf die Frage PlenProt 17/119, S. 13811 zu Bemühungen, einen Missbrauch von Panzern zu verhindern, hätte nur eingegangen werden können, wenn zur Frage der Genehmigung Stellung bezogen worden wäre.

100

c) Die Frage PlenProt 17/119, S. 13804 ("Zustimmung Israel/USA") ziele unmittelbar auf den Vorbereitungsprozess einer Genehmigung, der ebenfalls Bestandteil des Geheimnisschutzes sei. Bei der Frage PlenProt 17/119, S. 13814 ("Entwicklungshilfe/Homosexualität") handle es sich um eine hypothetische Frage, für welche keine Antwortpflicht bestanden habe. Die schriftliche Frage 7/174 ziele direkt auf Aufklärung, ob eine Genehmigung erfolgt sei; diesbezügliche Entscheidungen dürften (vorerst) geheim gehalten werden. Die Frage 7/175 zu "nützlichen Aufwendungen" sei beantwortet worden. Da "nützliche Aufwendungen" seit 1999 nicht mehr steuerlich abzugsfähig seien, verstehe sich die Frage als Frage nach rechtswidrigen Mitteln. Überdies ziele sie auch darauf, ob überhaupt eine Genehmigung erfolgt sei, und habe deshalb nicht beantwortet werden müssen.

101

3. Zur Bindungswirkung der Entscheidungen des Bundessicherheitsrates führte die Antragsgegnerin auf Anfrage ergänzend aus, der Bundessicherheitsrat lasse die verfassungsrechtlichen Entscheidungsbefugnisse des Art. 65 GG unberührt. Rechtlich seien seine Entscheidungen als Empfehlungen zu verstehen, auch wenn sie faktisch häufig als maßgebliche Richtschnur behandelt würden. Der Ausschuss unterstütze den zuständigen Bundesminister, indem er ihm vermittle, ob dessen Entscheidung politisch mitgetragen werde. Beschlüsse des Bundessicherheitsrates über Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung würden den zuständigen Genehmigungsbehörden mittels eines Ergebnisprotokolls der Sitzung des Bundessicherheitsrates mitgeteilt. Die Genehmigungsbehörden setzten die Beschlüsse, an welche sie politisch, aber nicht rechtlich gebunden seien, anschließend um. Nach der Befassung des Bundessicherheitsrates werde keine zusätzliche Kabinettsentscheidung herbeigeführt. Dies gelte auch für Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz und Ausfuhrgenehmigungen nach dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung.

Antworten auf Voranfragen wegen der beabsichtigten Ausfuhr von Kriegswaffen komme keine rechtliche Bindungswirkung für die spätere Entscheidung über einen Genehmigungsantrag zu. Es handele sich vielmehr um eine schlichte Auskunft, ob das geplante Vorhaben nach der zur Zeit der Beantwortung bestehenden Sachlage grundsätzlich genehmigungsfähig sei. Rechtlich verpflichtet sei der Bundessicherheitsrat aber auch bei unveränderter Sachlage nicht, die Genehmigungsfähigkeit bei einer Genehmigungsentscheidung über den Export von Kriegswaffen genauso zu beurteilen wie bei einer vorangegangenen Voranfrage. Dies gelte auch bei einer grundlegend neuen politischen Bewertung durch den Bundessicherheitsrat, da diese regelmäßig auf einer Änderung der außen- und sicherheitspolitischen Gesamtlage beruhe und daher als Änderung der Sachlage anzusehen sei.

V.

102

Als sachkundige Dritte haben der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. und die Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co. KG schriftlich Stellung genommen. Diese haben ausgeführt, dass Voranfragen zur Genehmigungsfähigkeit regelmäßig bereits in einer frühen Phase der Anbahnung eines Rüstungsexportgeschäfts gestellt würden. Bei positiver Bescheidung schließe sich eine Akquisitionsphase an, die Monate oder auch Jahre andauern könne und oftmals sehr kostenträchtig sei. So beliefen sich allein die Kosten für die Vorführung eines Kampfpanzers vom Typ Leopard 2 im Ausland typischerweise auf über zwei Millionen Euro. Die potentiellen Vertragspartner, bei denen es sich zumeist um Staaten handele, bestünden regelmäßig darauf, dass ihr Interesse an Rüstungsgütern vertraulich behandelt werde. Erst recht werde Vertraulichkeit hinsichtlich der Details der Vertragsverhandlungen erwartet. Auch die sodann abgeschlossenen Kaufverträge enthielten nahezu ausnahmslos Vertraulichkeitsvereinbarungen hinsichtlich des Vertrages und seines Inhaltes. Durch eine frühzeitige Information der Öffentlichkeit über schwebende Vertragsverhandlungen würden derartige Geschäfte praktisch vereitelt. Dies gelte insbesondere im Falle einer Offenlegung gestellter oder beschiedener Voranfragen gegenüber dem Parlament, zumal in diesem Stadium der entsprechende Kaufvertrag im Regelfall noch nicht geschlossen sei.

VI.

103

In der mündlichen Verhandlung hat der Bundesminister des Innern für die Bundesregierung Stellung genommen und die Verfahrensabläufe im Bundessicherheitsrat erläutert. Ergänzend hat er mitgeteilt, dass die Bundesregierung beabsichtige, Parlament und Öffentlichkeit künftig zeitnäher über Genehmigungsentscheidungen zu informieren. Der Rüstungsexportbericht solle jeweils vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause statt zum Ende des Folgejahres erscheinen. Zudem werde es einen Zwischenbericht für das erste Halbjahr des laufenden Jahres im jeweiligen Herbst geben. Über abschließende Genehmigungen des Bundessicherheitsrates werde der Bundestag künftig unverzüglich, spätestens zwei Wochen nach der Tagung des Bundessicherheitsrates schriftlich informiert.

B.

104

Die Anträge des Antragstellers zu 1. sind hinsichtlich der Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13802 D) und der dringlichen Frage (PlenProt 17/119, S. 13807 A) teilweise und hinsichtlich der weiteren Zusatzfragen (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C) sowie der schriftlichen Frage 7/193 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) vollumfänglich zulässig. Die Anträge der Antragstellerin zu 2. sind insgesamt zulässig, die der Antragstellerin zu 3. hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/175 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 27) teilweise und hinsichtlich der beiden Zusatzfragen (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B und PlenProt 17/119, S. 13814 B) sowie der schriftlichen Frage 7/174 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 26) vollumfänglich zulässig. Im Übrigen sind die Anträge unzulässig.

I.

105

1. Die Parteifähigkeit der Antragsteller als Abgeordnete des Deutschen Bundestages folgt aus Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG. Dem Abgeordneten kommt gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ein eigener verfassungsrechtlicher Status zu, der im Organstreitverfahren gegenüber anderen Verfassungsorganen verteidigt werden kann (BVerfGE 108, 251<270>; 124, 161 <184>; stRspr).

106

2. Die Anträge beziehen sich auf taugliche Antragsgegenstände. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG kann Antragsgegenstand im Organstreitverfahren sowohl eine Maßnahme als auch ein Unterlassen sein. Es kommt somit nicht darauf an, ob es sich bei den gerügten Antworten der Antragsgegnerin jeweils um eine Maßnahme in Form der Verweigerung einer hinreichenden Antwort oder um ein Unterlassen in Form einer pflichtwidrigen Nichtbeantwortung oder einer nicht hinreichenden Beantwortung der jeweiligen Anfrage handelt. Die Antwortverweigerung, die schlichte Nichtbeantwortung und die nicht hinreichende Beantwortung der Anfragen der Antragsteller können diese konkret in ihrem jeweiligen Rechtskreis aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG betreffen. Somit sind die Maßnahmen oder Unterlassungen auch rechtserheblich (vgl. BVerfGE 96, 264 <277>; 103, 81 <86>; 104, 310 <324>).

107

3. Die Anträge der Antragstellerin zu 3. sind berichtigend dahin auszulegen, dass Antragsgegenstand unter anderem die Nichtbeantwortung beziehungsweise unzureichende Beantwortung der unter Sitzungsprotokoll S. 13814 anstatt "S. 13841" protokollierten Nachfrage und der schriftlichen Frage 175 anstatt "715" sind. Die offensichtliche Unrichtigkeit der Bezeichnungen ergibt sich aus der Antragsbegründung.

II.

108

1. Die Antragsteller sind hinsichtlich des überwiegenden Teils der Antragsgegenstände antragsbefugt. Sie beanstanden eine Reaktion der Antragsgegnerin auf an diese gerichtete parlamentarische Anfragen und berufen sich auf Rechte, die sich unmittelbar aus dem Grundgesetz selbst ergeben. Ein die Antragsteller einerseits und die Antragsgegnerin andererseits umschließendes Verfassungsrechtsverhältnis (vgl. etwa BVerfGE 1, 208 <221>; 84, 290 <297>; 124, 161 <185>) liegt vor. Das - fristgerecht eingeleitete - Organstreitverfahren betrifft die Reichweite des aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Fragerechts des Abgeordneten und der grundsätzlichen Verpflichtung der Bundesregierung, auf dessen Fragen Rede und Antwort zu stehen (vgl. BVerfGE 124, 161 <185> m.w.N.). Es kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin eigene Rechte der Antragsteller, die aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten erwachsen, verletzt (vgl. BVerfGE 94, 351 <362 f.>; 112, 363 <365>). Es erscheint möglich, dass die Antragsgegnerin durch ihre Antworten einen Informationsanspruch der Antragsteller aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG in unzulässiger Weise verkürzt hat. Die Antragsteller haben hinreichend dargelegt, dass sie durch das angegriffene Verhalten der Antragsgegnerin in Rechten verletzt sein können, die ihnen durch das Grundgesetz übertragen worden sind. Eine Verletzung der Rechte der Antragsteller scheidet insbesondere nicht deswegen von vornherein aus, weil die Bundesregierung deren Auskunftsansprüche bereits durch die regelmäßige Veröffentlichung von Rüstungsexportberichten erfüllt. Ob und inwieweit diese ausreichen, um das berechtigte parlamentarische Informationsinteresse zu befriedigen, bedarf vielmehr der Prüfung im Einzelnen (siehe hierzu Rn. 203 ff.).

109

a) Hinsichtlich der Teilfrage der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13802 D zu der Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien könnte die Antragsgegnerin Informationsrechte des Antragstellers zu 1. verletzt haben, wenn sie unzutreffende Beschränkungen ihrer Antwortpflicht aufgrund des Ressortprinzips angenommen hätte.

110

Hinsichtlich der Teilfrage der dringlichen Frage des Antragstellers zu 1. nach PlenProt 17/119, S. 13807 A in Bezug auf Vermittler, Unterstützer und Nutznießer des Panzergeschäfts mit Saudi-Arabien könnte sich eine Rechtsverletzung aus der Verweigerung einer Sachantwort unter Verkennung der Reichweite des parlamentarischen Informationsanspruchs oder aus einer unzureichenden Begründung der Antwortverweigerung ergeben.

111

Hinsichtlich der Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. nach PlenProt 17/119, S. 13807 B, C zum Unterschiedsbetrag zwischen dem Kaufpreis der Panzer in Deutschland und in Saudi-Arabien liegt eine mögliche Rechtsverletzung zwar nicht darin, dass auf die "implizite Vorfrage" nach der Genehmigung eines Panzerexports nicht unmittelbar eingegangen wurde. Eine Antwortplicht kommt nur hinsichtlich tatsächlich gestellter Fragen in Betracht. Eine Rechtsverletzung könnte sich aber durch das möglicherweise nicht gerechtfertigte oder nicht hinreichend begründete Unterlassen einer Sachantwort auf die Frage nach dem Unterschiedsbetrag hinsichtlich der Kaufpreise ergeben.

112

Hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/193 des Antragstellers zu 1. vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) besteht die Möglichkeit einer Rechtsverletzung wegen Verkennung der Reichweite des parlamentarischen Informationsanspruchs. Die Frage, welche Angaben die Antragsgegnerin zu getroffenen Entscheidungen bezüglich der Lieferung von 200 Panzern "LEO" nach Saudi-Arabien macht, richtete sich nach ihrem Zusammenhang auch auf Einzelheiten des konkreten Geschäfts. Dies folgt auch aus der Teilfrage, wie die Antragsgegnerin diese Entscheidungen rechtfertige. Die so verstandene Frage hat die Antragsgegnerin nicht beantwortet.

113

b) Gleiches gilt für die dringliche Frage der Antragstellerin zu 2. (PlenProt 17/119, S.13810 D) danach, welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe die Antragsgegnerin für die Genehmigung der Panzerlieferungen anführe und wie sie deren Vereinbarkeit mit einzelnen Kriterien des EU-Kodexes für Waffenausfuhren bewerte, sowie für ihre Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13811 A) danach, wie die Antragsgegnerin ausschließe, dass die für Saudi-Arabien genehmigten Rüstungsexportgüter zu innerer Repression genutzt würden.

114

In Bezug auf die Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13803 D, ob ausgeschlossen werden könne, dass bei der Entscheidung beschäftigungs- oder industriepolitische Gründe eine Rolle gespielt hätten, ist die Antragstellerin zu 2. ebenfalls antragsbefugt. Die Antragsgegnerin gibt zwar an, dass solche Gründe nachrangig eine Rolle spielen könnten. Sie macht jedoch keine Angaben zum konkreten Geschäft und verletzt damit möglicherweise unter Verkennung der Reichweite des Auskunftsrechts der Abgeordneten Rechte der Antragstellerin zu 2.

115

Antragsbefugt ist die Antragstellerin zu 2. auch hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/132 (BTDrucks 17/6658, S. 24) danach, wann die Antragsgegnerin den Verkauf bestimmter Rüstungsgüter nach Algerien genehmigt habe und welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe sie für die Genehmigung anführe. Die Frage zielte mit der Formulierung "besonderen ... Gründe" ersichtlich auf den Einzelfall. Die Ausführungen der Antragsgegnerin zu den allgemein bei der Entscheidung über Rüstungsexporte nach Algerien zu berücksichtigenden Aspekten beantworten diese Frage nicht.

116

c) Die Antragstellerin zu 3. ist hinsichtlich der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13804 A, B antragsbefugt. Die Frage, ob es stimme, dass die Zustimmung Israels und der USA eingeholt und erteilt worden sei, wurde - möglicherweise unter Verkennung des Auskunftsrechts - in der Sache nicht beantwortet. Auf diese Teilfrage beschränkt sich die Rüge der Antragstellerin zu 3. Die Teilfrage nach der universellen Gültigkeit von Menschenrechten ist nicht Streitgegenstand.

117

Die Antragsbefugnis besteht auch hinsichtlich der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13814 B. Mit dieser Frage wollte die Antragstellerin zu 3. ersichtlich einen Widerspruch in der Haltung der Antragsgegnerin in den Bereichen Entwicklungshilfe und Rüstungsexporte nachweisen. Eine Rechtsverletzung kann darin liegen, dass für eine vollständige Sachantwort möglicherweise eine Gegenüberstellung der jeweiligen Kriterien erforderlich gewesen wäre.

118

Hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/174 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 26) ist die Antragstellerin zu 3. ebenfalls antragsbefugt. Die Frage bezieht sich auf die Begründung der getroffenen Entscheidungen über die Lieferung von Panzern. Da konkret nach "getroffenen" Entscheidungen gefragt war, beantworten die allgemeinen Ausführungen der Antragsgegnerin zu Entscheidungen auf Grundlage der Richtlinien und zur besonderen Bedeutung der Menschenrechte die Frage nicht vollständig. Die Antragsgegnerin hat eine Stellungnahme zum konkreten Geschäft unter Hinweis auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit abgelehnt und damit möglicherweise unter Verkennung des Auskunftsrechts Rechte der Antragstellerin zu 3. verletzt.

119

Auch die Teilfrage der schriftlichen Frage 7/175 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 27) nach Vermittlern, Unterstützern in der Bundesregierung und Nutznießern des Geschäfts wurde nicht beantwortet.

120

2. Hinsichtlich einzelner vom Antragsteller zu 1. und der Antragstellerin zu 3. gestellter Fragen fehlt es an der Antragsbefugnis, weil eine Rechtsverletzung von vornherein ausgeschlossen werden kann.

121

a) Dem Antragsteller zu 1. fehlt es hinsichtlich einer Teilfrage der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13802 D, einer Teilfrage der dringlichen Frage nach PlenProt 17/119, S. 13807 A, der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13807 D und der schriftlichen Frage 7/84 vom 8. Juli 2011 an der Antragsbefugnis. Insoweit kann ausgeschlossen werden, dass das Antwortverhalten der Antragsgegnerin eigene Rechte des Antragstellers zu 1. verletzt haben könnte.

122

Soweit die Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13802 D darauf gerichtet war, ob bei der geschilderten Menschenrechtslage in Saudi-Arabien nach den Richtlinien für Rüstungsexporte Genehmigungen nicht in Betracht kämen, ist sie hinreichend beantwortet worden. Die Antragsgegnerin hat angegeben, dass die Menschenrechtslage im Rahmen eines Abwägungsprozesses zu berücksichtigen sei. Damit hat sie den Standpunkt zum Ausdruck gebracht, dass die Menschenrechtslage als solche eine Genehmigung nicht in jedem Fall ausschließt.

123

Soweit sich die dringliche Frage nach PlenProt 17/119, S. 13807 A auf "nützliche Aufwendungen" beim Zustandekommen des Panzergeschäfts bezog, ist sie mit der Angabe der Antragsgegnerin, ihr lägen keinerlei Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, hinreichend beantwortet worden. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin die Frage zu eng auslegt, wenn sie "nützliche Aufwendungen" als "gesetzeswidrige Zahlungen" versteht. Das Verständnis "nützlicher Aufwendungen" als Bestechungsgelder und damit gesetzeswidrige Zahlungen (§§ 331 ff. StGB) steht nicht in Widerspruch zum allgemeinen Sprachgebrauch. Auch der Antragsteller zu 1. selbst gebraucht den Begriff in diesem Sinne, etwa in der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13807 B, C ("sogenannte nützliche Aufwendungen, das heißt Bestechungsgelder").

124

Auch die Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13807 D danach, ob die Antragsgegnerin bereit sei, über die Einzelheiten des Geschäfts Auskunft zu geben, oder ob die Antwort weiter in verfassungswidriger Weise verweigert werde, wurde beantwortet. Mit ihrer Antwort hat die Antragsgegnerin klar zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht bereit sei, über Einzelheiten des Geschäfts Auskunft zu geben, und den Vorwurf der Verfassungswidrigkeit zurückgewiesen. Die Argumentation des Antragstellers zu 1., er habe "ersichtlich" Einzelheiten über den Waffenexport zu erfahren versucht und insoweit keine Antwort erhalten, macht die Möglichkeit einer Rechtsverletzung nicht plausibel. Die Frage lässt sich in dem von der Antragsgegnerin zugrunde gelegten Sinn verstehen. Wollte der Antragsteller zu 1. sie nicht so verstanden wissen, so hätte es ihm oblegen, sie von vornherein anders zu formulieren oder ihren Sinn durch eine entsprechende Nachfrage klarzustellen.

125

Entsprechendes gilt hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/84 vom 8. Juli 2011, inwieweit es zutreffe, dass die Bundeswehr Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien schicken und dort testen wolle, und wie dieses Vorhaben im Zusammenhang mit dem offenbar genehmigten Verkauf stehe. Die Korrektheit der Antwort der Antragsgegnerin, dass Leopard-Panzer weder von der Bundeswehr selbst noch durch Beauftragte in Saudi-Arabien getestet würden, zieht der Antragsteller zu 1. nicht in Zweifel. Er rügt vielmehr, die Antragsgegnerin habe Tests in den Arabischen Emiraten verschwiegen und damit bewusst das offensichtliche Ziel der Fragestellung ignoriert. Dass die Antragsgegnerin die Frage pflichtwidrig zu eng ausgelegt hätte, ist jedoch nicht ersichtlich. Vom Fragesteller kann eine sorgfältige Formulierung seiner Fragen erwartet werden. Daher ist bei der Auslegung einer parlamentarischen Anfrage zunächst vom Wortlaut und dem Zusammenhang auszugehen, in den die Frage ausdrücklich gestellt ist (vgl. BVerfGE 110, 199 <213>). Wo allerdings Ungenauigkeiten bei der Formulierung der Frage erkennbar aus einem Informationsdefizit des Fragestellers resultieren, ist bei der Beantwortung dem dahinter stehenden Informationsbedürfnis so weit wie möglich Rechnung zu tragen. Vorliegend hat die Antragsgegnerin die Frage ihrem Wortlaut entsprechend beantwortet, ohne dabei ein erkennbares Informationsbedürfnis des Fragestellers außer Acht zu lassen. Zwar könnte die Bezugnahme auf nur gerüchteweise bekannte Äußerungen bei einer bestimmten Veranstaltung auf ein Informationsdefizit des Antragstellers zu 1. hinweisen, welches für eine großzügigere Auslegung der Frage hätte sprechen können. Da die Frage aber im Kontext der Diskussion über Lieferung von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien erfolgt ist und der Test des Leopard-Panzers in den Vereinigten Arabischen Emiraten nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Antragsgegnerin mit einem solchen etwaigen Rüstungsgeschäft nicht in Zusammenhang stand, bestand für die Antragsgegnerin kein hinreichender Anlass, die Frage über den Wortlaut hinaus zu verstehen.

126

b) Der Antragstellerin zu 3. fehlt die Antragsbefugnis im Hinblick auf ihre schriftliche Frage 7/175 (BTDrucks 17/6658, S. 27), soweit sie sich darin nach "nützliche[n] Aufwendungen" erkundigt. Mit der Angabe der Antragsgegnerin, es lägen ihr keine Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, ist die Frage hinreichend beantwortet worden. Auch hier durfte die Antragsgegnerin "nützliche Aufwendungen" als "gesetzeswidrige Zahlungen" verstehen.

III.

127

Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller in Bezug auf die Fragen zu Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien besteht fort. Es wird insbesondere nicht dadurch beseitigt, dass die Antragsgegnerin angekündigt hat, ihre Berichtspraxis zu ändern und den Deutschen Bundestag binnen zwei Wochen über Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates zu informieren, denn die Antragsgegnerin stellt die streitige Verpflichtung zur Beantwortung von Anfragen zu Entscheidungen des Bundessicherheitsrates im hiesigen Verfahren weiterhin in Abrede. Außerdem betrifft die beabsichtigte zeitnahe Information des Deutschen Bundestages nur erteilte Genehmigungen und nicht auch Entscheidungen des Bundessicherheitsrates über Voranfragen.

128

Die Antragsteller haben ein objektives Interesse an der Klärung der Reichweite des aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Fragerechts des Abgeordneten und der Antwortpflicht der Bundesregierung (vgl. zum Klarstellungsinteresse BVerfGE 121, 135 <152>; 131, 152 <194>; Beschluss des Zweiten Senats vom 6. Mai 2014 - 2 BvE 3/12 -, juris, Rn. 6). Auch der zwischenzeitliche Ablauf der Legislaturperiode lässt das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen, da die Antragsteller weiterhin Mitglieder des Deutschen Bundestages sind (vgl. BVerfGE 87, 207 <209>).

C.

129

Die Anträge sind - soweit zulässig - teilweise begründet.

I.

130

1. Aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG folgt ein Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung, an dem die einzelnen Abgeordneten und die Fraktionen als Zusammenschlüsse von Abgeordneten nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages teilhaben und dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregierung korrespondiert (vgl. BVerfGE 124, 161 <188>; stRspr). Aus dem Frage- und Interpellationsrecht des Parlaments folgt für die Mitglieder der Bundesregierung daher die verfassungsrechtliche Verpflichtung, auf Fragen Rede und Antwort zu stehen. Die Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen und auf Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages sollen dazu dienen, dem Bundestag und den einzelnen Abgeordneten die für ihre Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen. Die Bundesregierung schafft mit ihren Antworten auf parlamentarische Anfragen so die Voraussetzungen für eine sachgerechte Arbeit innerhalb des Parlaments (vgl. zum Ganzen BVerfGE 13, 123 <125>; 57, 1 <5>; 105, 252 <270>; 105, 279 <306>; 124, 161 <187 ff.>).

131

Das parlamentarische Regierungssystem wird auch durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt. Die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Verwaltung verwirklicht den Grundsatz der Gewaltenteilung, der für das Grundgesetz ein tragendes Funktions- und Organisationsprinzip darstellt. Der Gewaltenteilungsgrundsatz zielt dabei nicht auf eine absolute Trennung der Funktionen der Staatsgewalt, sondern auf die politische Machtverteilung, das Ineinandergreifen der drei Gewalten und die daraus resultierende gegenseitige Kontrolle und Begrenzung mit der Folge der Mäßigung der Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 3, 225 <247>; 7, 183 <188>; 9, 268 <279>; 22, 106 <111>; 34, 52 <59>; 95, 1 <15>). Er gebietet gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung, zumal wegen mangelnder Eingriffsmöglichkeiten des Parlaments in den der Exekutive zukommenden Bereich unmittelbarer Handlungsinitiative und Gesetzesanwendung, eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle auch tatsächlich wirksam werden kann. Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann das Parlament sein Kontrollrecht gegenüber der Regierung nicht ausüben. Daher kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>).

132

Die Kontrollfunktion ist zugleich Ausfluss der aus dem Demokratieprinzip folgenden Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG gestaltet den Grundsatz der Volkssouveränität aus. Er legt fest, dass das Volk die Staatsgewalt, deren Träger es ist, außer durch Wahlen und Abstimmungen durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausübt. Das setzt voraus, dass das Volk einen effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt durch diese Organe hat. Deren Akte müssen sich auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <66>; 130, 76 <123>). Dieser Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft wird außer durch die Wahl des Parlaments, die vom Parlament beschlossenen Gesetze als Maßstab der vollziehenden Gewalt und die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung auch durch den parlamentarischen Einfluss auf die Politik der Regierung hergestellt. Das "Ausgehen der Staatsgewalt" vom Volk muss für das Volk wie auch die Staatsorgane jeweils konkret erfahrbar und praktisch wirksam sein. Es muss ein hinreichender Gehalt an demokratischer Legitimation erreicht werden, ein bestimmtes Legitimationsniveau (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <67>; 107, 59 <87>; 130, 76 <124>). Nur das vom Volk gewählte Parlament kann den Organ- und Funktionsträgern der Verwaltung auf allen ihren Ebenen demokratische Legitimation vermitteln. Im Fall der nicht durch unmittelbare Volkswahl legitimierten Amtswalter und Organe setzt die demokratische Legitimation der Ausübung von Staatsgewalt regelmäßig voraus, dass sich die Bestellung der Amtsträger auf das Staatsvolk zurückführen lässt und ihr Handeln eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation erfährt. In personeller Hinsicht ist eine hoheitliche Entscheidung demokratisch legitimiert, wenn sich die Bestellung desjenigen, der sie trifft, durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf das Staatsvolk zurückführen lässt. Die sachlich-inhaltliche Legitimation wird durch Gesetzesbindung und Bindung an Aufträge und Weisungen der Regierung vermittelt. Letztere entfaltet Legitimationswirkung aufgrund der Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung (BVerfGE 93, 37 <67 f.>; 107, 59 <87 f.>; 130, 76 <124>).

133

Geheimhaltung gegenüber dem Parlament beschränkt die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten und kann deshalb den notwendigen demokratischen Legitimationszusammenhang beeinträchtigen oder unterbrechen (vgl. BVerfGE 130, 76 <128>).

134

2. Der Informationsanspruch des Bundestages und der einzelnen Abgeordneten besteht gleichwohl nicht grenzenlos.

135

a) Er kann sich von vornherein nicht auf Angelegenheiten beziehen, die nicht in die Zuständigkeit der Bundesregierung fallen, da es insoweit an einer Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag fehlt (BVerfGE 124, 161 <189>).

136

b) Begrenzt wird der Informationsanspruch des Bundestages und der einzelnen Abgeordneten auch durch das Gewaltenteilungsprinzip (siehe Rn. 131). In seiner grundgesetzlichen Ausformung als Gebot der Unterscheidung zwischen gesetzgebender, vollziehender und rechtsprechender Gewalt (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) dient dieses Prinzip zugleich einer funktionsgerechten Zuordnung hoheitlicher Befugnisse zu unterschiedlichen, jeweils aufgabenspezifisch ausgeformten Trägern öffentlicher Gewalt und sichert die rechtliche Bindung aller Staatsgewalt (BVerfGE 124, 78<120>). Das Grundgesetz fordert keine absolute Trennung, sondern gegenseitige Kontrolle, Hemmung und Mäßigung der Gewalten (BVerfGE 95, 1 <15>). Die Zweige der Staatsgewalt sind aufeinander bezogen und miteinander verschränkt, dürfen aber ihrer jeweiligen Eigenheit und ihrer spezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten nicht beraubt werden (BVerfGE 9, 268 <279 f.>; stRspr). Das Gewaltenteilungsprinzip ist damit zugleich Grund und Grenze des Informationsanspruchs des Parlaments gegenüber der Regierung. Je weiter ein parlamentarisches Informationsbegehren in den inneren Bereich der Willensbildung der Regierung eindringt, desto gewichtiger muss es sein, um sich gegen ein von der Regierung geltend gemachtes Interesse an Vertraulichkeit durchsetzen zu können (vgl. BVerfGE 110, 199 <222>; 124, 78 <122 f.>).

137

aa) Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt. Dazu gehört zum Beispiel die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214, 222>; 124, 78 <120>; 131, 152 <210>). Bei dem einer konkreten Positionierung vorgelagerten Willensbildungsprozess der Bundesregierung handelt es sich um einen von verschiedenen innen- und außenpolitischen sowie innerorganschaftlichen Belangen, Erwägungen und Entwicklungen abhängigen Vorgang, der den Bereich der Bundesregierung noch nicht verlässt und über den der Bundestag von Verfassungs wegen grundsätzlich (noch) nicht zu informieren ist (vgl. BVerfGE 131, 152 <206>). Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht danach in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen (BVerfGE 110, 199 <214>; 124, 78 <120 f.>). Diese Gefahr besteht bei Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen regelmäßig, solange die Entscheidung noch nicht getroffen ist (BVerfGE 110, 199 <214>; 124, 78 <122>). So könnte ein so wesentlicher Teil einer politischen Entscheidung wie die Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem sie fallen soll, der Regierung weitgehend aus der Hand genommen werden, wenn das Parlament schon vor diesem Zeitpunkt auf den Stand der Entscheidungsvorbereitung innerhalb der Regierung zugreifen könnte (vgl. BVerfGE 110, 199 <214 f.>).

138

Die Kontrollkompetenz des Bundestages erstreckt sich demnach grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge; sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen (BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <215>; 124, 78 <121>). Der aus dem Gewaltenteilungsprinzip folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung erschöpft sich jedoch nicht in dieser Abschirmung gegen unmittelbare Eingriffe in die autonome Kompetenzausübung der Regierung, sondern wirkt über den Zeitpunkt einer Entscheidung hinaus (BVerfGE 110, 199 <215>).

139

bb) Die Rüstungsexportkontrolle ist nicht wegen der außenpolitischen Bedeutung dieses Teilbereichs des Regierungshandelns von vornherein jeglicher parlamentarischen Kontrolle entzogen. Im Bereich der auswärtigen Politik hat das Grundgesetz in Anknüpfung an die traditionelle Staatsauffassung der Regierung aber einen weit bemessenen Spielraum zu eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung überlassen. Die Rolle des Parlaments als Gesetzgebungsorgan ist schon aus Gründen der Funktionsgerechtigkeit in diesem Bereich beschränkt (BVerfGE 104, 151 <207>; vgl. auch schon BVerfGE 49, 89 <125>; 68, 1 <87>). Eine erweiternde Auslegung der Zustimmungs- oder Mitwirkungsbefugnisse des Bundestages würde die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung ungerechtfertigt beschneiden und auf eine nicht funktionsgerechte Teilung der Staatsgewalt hinauslaufen (BVerfGE 104, 151 <207>).

140

Dies bedeutet aber nicht, dass wesentliche Entscheidungen am Bundestag vorbei getroffen werden könnten. Auch die der Bundesregierung anvertraute auswärtige Gewalt steht keineswegs außerhalb parlamentarischer Kontrolle. Dem Bundestag, der Entscheidungen der Exekutive in auswärtigen Angelegenheiten missbilligt, verbleiben jedoch auch in diesem Bereich seine parlamentarischen Kontrollbefugnisse (vgl. BVerfGE 49, 89 <125>; 68, 1 <89, 109>; 90, 286 <364>; 104, 151 <207>). Er kann sein Frage-, Debatten- und Entschließungsrecht ausüben, seine Kontroll- und Haushaltsbefugnisse wahrnehmen und dadurch auf die Entscheidungen der Regierung einwirken oder durch Wahl eines neuen Bundeskanzlers die Regierung stürzen (BVerfGE 68, 1 <109 f.>).

141

Entsprechendes gilt für den Bereich der Rüstungsexportkontrolle. Zwar weist Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG der Bundesregierung die Zuständigkeit für die Genehmigung von Kriegswaffenexporten zu. Hierdurch wird die Erfüllung dieser Aufgabe der Kontrolle durch das Parlament aber nicht von vornherein entzogen (so aber Glawe, DVBl 2012, S. 329 <335>). Vielmehr ist zwischen parlamentarischer Mitwirkung einerseits und parlamentarischer Kontrolle andererseits zu unterscheiden. Eine Mitwirkung des Parlaments bei der Ausübung von Staatsfunktionen kommt nur dort in Betracht, wo sie durch das Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Die Gewaltenteilung darf nicht unter Berufung auf das Demokratieprinzip durch Einräumung parlamentarischer Mitentscheidungsbefugnisse unterlaufen, die grundgesetzliche Kompetenzordnung nicht durch die Konstruktion eines allumfassenden Parlamentsvorbehalts überlagert werden (vgl. BVerfGE 68, 1 <87>). Daraus ist aber keine Einschränkung der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung zu folgern. In der Ausübung parlamentarischer Kontrolle liegt kein verfassungswidriger Einbruch in den Gestaltungsbereich der Exekutive. Sie kommt auch dort zum Tragen, wo das Grundgesetz eine ausschließliche Zuständigkeit der Regierung begründet. Unter dem Gesichtspunkt der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns tritt die parlamentarische Kontrolle an die Stelle der in dem Bereich ausschließlicher Zuständigkeit der Regierung fehlenden sachlich-inhaltlichen Mitwirkungsrechte des Parlaments. Die Zuständigkeitszuweisung des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG schafft somit für sich genommen keinen der parlamentarischen Verantwortung grundsätzlich entzogenen Raum gubernativen Entscheidens.

142

cc) Die Beratung und Beschlussfassung im Bundessicherheitsrat unterfallen dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung.

143

(1) Der Bundesregierung steht es auch ohne ausdrückliche verfassungsrechtliche Ermächtigung im Rahmen ihrer Organisationsgewalt zu, Kabinettsausschüsse einzurichten, die gegenüber dem Regierungskollegium eine vorbereitende und beratende Funktion ohne eigenes Entscheidungsrecht ausüben (Busse, DVBl 1993, S. 413 <414>; Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2. Aufl. 1998, S. 246; Detterbeck, in: Isensee/P. Kirchhof, HStR III, 3. Aufl. 2005, § 66 Rn. 63; Schröder, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 65 Rn. 37; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 65 Rn. 6). Soweit ein solcher Ausschuss Entscheidungen des Kabinetts vorbereitet, unterfallen die Ausschussberatungen und -ergebnisse grundsätzlich in demselben Umfang dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung wie eigene Vorbereitungshandlungen des Regierungskollegiums.

144

Nach der derzeitigen Staatspraxis bereitet der Bundessicherheitsrat Entscheidungen des Kabinetts allerdings nicht vor, sondern wird an seiner Stelle tätig. Dem Vorbringen der Antragsgegnerin zufolge wird nach der Befassung des Bundessicherheitsrates keine Kabinettsentscheidung mehr herbeigeführt (so auch Zähle, Der Staat 44 (2005), S. 462 <476>). Folglich können sich die Beschlüsse des Bundessicherheitsrates über Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung allein an den jeweils zuständigen Fachminister richten, im Bereich der Kriegswaffen also an den Minister, dem nach § 11 Abs. 2 und 3 KWKG in Verbindung mit § 1 der Ersten Durchführungsverordnung zum KWKG die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung für seinen Geschäftsbereich übertragen ist. Dieser Fachminister erteilt die Genehmigung gegenüber dem Antrag stellenden Unternehmen durch entsprechenden Bescheid.

145

Allerdings dürfen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG zur Kriegführung bestimmte Waffen nur mit Genehmigung "der Bundesregierung" hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Grundgesetz unterscheidet zwischen Befugnissen und Zuständigkeiten der Bundesregierung und solchen einzelner Bundesminister (vgl. die Auflistung in BVerfGE 132, 1 <21>). Die Bundesregierung ist ein Kollegialorgan, das nach Art. 62 GG aus dem Bundeskanzler und aus den Bundesministern besteht. Bei Regelungen des Grundgesetzes, die eine Entscheidungszuständigkeit der Bundesregierung vorsehen, ist daher grundsätzlich davon auszugehen, dass es eines Beschlusses des gesamten Kabinetts bedarf (BVerfGE 91, 148 <166>; 115, 118 <149>; 132, 1 <21>). Ausnahmsweise können unter dem Begriff der Bundesregierung jedoch auch die jeweils ressortzuständigen Minister verstanden werden, wenn Sinn und Zweck der jeweiligen Regelung eine solche Auslegung gebieten (BVerfGE 26, 338 <396>). So wird etwa zu der Regelung in Art. 86 GG betreffend die bundeseigene Verwaltung die Ansicht vertreten, dass mangels Betroffenheit der Länder (auch) der jeweilige Fachminister für seinen Bereich Verwaltungsvorschriften und Regelungen über die Einrichtung der Behörden erlassen kann (BVerwGE 36, 327<333>; Hermes, in: Dreier, GG, Bd. III, 2. Aufl. 2008, Art. 86 Rn. 52; Ibler, in: Maunz/Dürig, GG, Mai 2008, Art. 86 Rn. 135; Burgi, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 86 Rn. 67).

146

In der Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, dass Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG keine Entscheidung des Kabinetts verlange (Pottmeyer, Kriegswaffenkontrollgesetz, 2. Aufl. 1994, § 11 Rn. 2; Frank, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 26 Rn. 47; Hernekamp, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 26 Rn. 29) oder dass Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GG eine Delegationsbefugnis beinhalte (Bieneck, Handbuch des Außenwirtschaftsrechts, 2. Aufl. 2005, § 41 Rn. 4).

147

Überwiegend wird jedoch davon ausgegangen, dass die Delegation der Genehmigungserteilung auf einzelne Minister mit Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar und § 11 Abs. 2 KWKG aus diesem Grunde verfassungswidrig sei (Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 210 ff.; Hartwig, in: Umbach/ Clemens, Bd. 1, 2002, Art. 26 Rn. 40; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, März 2014, Art. 26 Rn. 56; Pernice, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 26 Rn. 28; Fink, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 26 Rn. 76; Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 12; Schmahl, in: Sodan, GG, 2. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 13; Streinz, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 46; Hobe, in: Berliner Kommentar zum GG, Nov. 2012, Art. 26 Rn. 18; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 26 Rn. 10).

148

(2) Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob die Bundesregierung zur Einrichtung des Bundessicherheitsrates und zur Übertragung der Entscheidungsbefugnis über Kriegswaffenexportanträge auf diesen oder auf einzelne Bundesminister berechtigt ist. Denn im Rechtsverhältnis zum Deutschen Bundestag und seinen Mitgliedern sind die Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG der Bundesregierung zuzuordnen und durch diese unmittelbar gegenüber dem Parlament und mittelbar gegenüber dem Volk zu verantworten, gleich ob sie durch das Kabinett, durch einen von diesem eingesetzten Ausschuss oder durch einen einzelnen Minister getroffen werden. Genauso wenig, wie die Bundesregierung sich durch eine Delegation der ihr durch das Grundgesetz zugewiesenen Entscheidungsbefugnisse ihrer Verantwortung für die getroffenen Entscheidungen entledigen kann, führt eine solche Delegation - gleich ob zulässig oder unzulässig - dazu, dass die Entscheidung des Ministers und die darauf bezogene Willensbildung im Bundessicherheitsrat den Charakter des Regierungshandelns verlören und dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung entzogen wären. Ein möglicher Verstoß gegen ein aus der Verfassung abzuleitendes Delegationsverbot änderte nichts daran, dass die Willensbildung im Bundessicherheitsrat im System der Gewaltenteilung der Regierung zuzuordnen ist, zumal in diesem Unterausschuss des Regierungskollegiums allein Regierungsmitglieder stimmberechtigt sind. Der aus dem Gewaltenteilungsprinzip folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung würde durch einen solchen Verstoß nicht entbehrlich. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Bundesregierung, die den Bundessicherheitsrat durch einen Kabinettsbeschluss eingerichtet hat, dieses Gremium jederzeit durch entsprechenden Beschluss auflösen oder einzelne Beratungen "an sich ziehen" könnte.

149

Der Teilnahme des Bundessicherheitsrates am Kernbereichsschutz steht nicht entgegen, dass an dessen Sitzungen neben Regierungsmitgliedern auch der Chef des Bundeskanzleramtes, der Generalinspekteur der Bundeswehr, die Chefs des Bundespräsidialamtes und des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, die Beauftragte der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie bei Bedarf weitere Dritte teilnehmen können. Hierdurch verliert das Gremium nicht den direkten Bezug zu der Willensbildung innerhalb der Bundesregierung, der die Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG vorbehalten sind. Soweit der Senat für die sogenannte Präsidentenrunde entschieden hat, dass diese an dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung nicht im gleichen Umfang teilnimmt wie das Kabinett (BVerfGE 124, 78 <137>), ist diese Entscheidung auf den Bundessicherheitsrat nicht übertragbar. Die Funktion der Präsidentenrunde besteht lediglich im Austausch von Informationen, der Beratung sowie in der Vorbereitung einer Entscheidungsfindung in den zuständigen Ressorts in Fragen der äußeren und inneren Sicherheit. Weder handelt es sich um ein Entscheidungsgremium, noch dienen die Beratungen der Präsidentenrunde notwendiger- oder auch nur typischerweise der unmittelbaren Vorbereitung von Kabinettsentscheidungen (BVerfG, a.a.O.). Erst recht treten sie nicht faktisch an deren Stelle.

150

c) Eine weitere Grenze des Informationsanspruchs des Bundestages bildet das Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl), das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <134 ff.>; 124, 78 <123> jeweils für das Beweiserhebungsrecht parlamentarischer Untersuchungsausschüsse). Die Frage, welche Grenzen die Verfassung dem parlamentarischen Frage- und Untersuchungsrecht setzt, ist unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im Verfassungsgefüge zu beantworten. Dies gilt auch für die Auslegung und Anwendung des Begriffs der Gefährdung des Staatswohls (vgl. BVerfGE 124, 78 <123>). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Bundestag in der Geheimschutzordnung in detaillierter Weise die Voraussetzungen für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei der Aufgabenerfüllung des Bundestages festgelegt hat (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 77, 1 <48>; vgl. auch BVerfGE 70, 324 <359>). Die Verschwiegenheitspflicht aufgrund parlamentsrechtlicher Regelungen wird durch die strafrechtliche Sanktion des § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB bekräftigt. Diese Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der Tatsache, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungsrecht noch das Haushaltsrecht noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte (BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>). Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Staatswohl im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>). Das Parlament und seine Organe können nicht als Außenstehende behandelt werden, die zum Kreis derer gehören, vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheim zu halten sind (BVerfGE 124, 78 <124>). Mithin kann die Berufung auf das Wohl des Bundes gerade gegenüber dem Bundestag in aller Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn beiderseits wirksam Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden. Dass auch die Beachtung von Vorschriften zur Wahrung von Dienstgeheimnissen deren Bekanntwerden nicht ausschließt, steht dem nicht entgegen, denn diese Tatsache betrifft alle drei Gewalten (BVerfGE 67, 100 <136>).

151

Die Geheimschutzbestimmungen des Bundestages lassen allerdings die eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt (BVerfGE 67, 100 <137>; 70, 324 <359>). Die Bundesregierung ist daher nicht verpflichtet, Verschlusssachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Bundestag vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>). Vorkehrungen zur Geheimhaltung und die Entscheidung, nur ein sehr kleines parlamentarisches Gremium mit Beratungsgegenständen aus einem vertraulichen Bereich zu befassen, können daher verfassungsrechtlich zulässig sein, obgleich damit erhebliche Beschränkungen des Zugangs der meisten Abgeordneten zu diesen Informationen verbunden sind (BVerfGE 70, 324 <360, 364>; 130, 318 <352 f., 359>; 131, 230 <235>).

152

Andererseits ist zu beachten, dass der Deutsche Bundestag seine Repräsentationsfunktion grundsätzlich in seiner Gesamtheit durch die Mitwirkung aller seiner Mitglieder wahrnimmt (BVerfGE 130, 318 <342>; vgl. auch schon BVerfGE 44, 308 <316>; 56, 396 <405>; 80, 188 <218>; ferner BVerfGE 131, 230 <235>). Daher ist jeder Abgeordnete berufen, an der Arbeit des Bundestages, seinen Verhandlungen und Entscheidungen teilzunehmen (BVerfGE 130, 318 <342>). Soweit Abgeordnete durch die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf einen beschließenden Ausschuss von der Mitwirkung an der parlamentarischen Entscheidungsfindung ausgeschlossen werden, ist dies nur zum Schutz anderer Rechtsgüter mit Verfassungsrang und unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig (BVerfGE 131, 230 <235>). Es bedarf eines besonderen Grundes, der durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht ist, das der Gleichheit der Abgeordneten die Waage halten kann (BVerfGE 131, 230 <235>).

153

Überträgt der Deutsche Bundestag zur Wahrung anderer Rechtsgüter von Verfassungsrang einem von ihm aufgrund seiner Selbstorganisationsbefugnis eingerichteten Ausschuss oder einem anderen Untergremium einzelne der von ihm zu erfüllenden Aufgaben zur selbständigen und plenarersetzenden Wahrnehmung und bestehen dafür Gründe, die dem Gebot der gleichberechtigten Mitwirkung aller Abgeordneten die Waage halten, darf die Beschränkung der Statusrechte der gewählten Abgeordneten und die damit verbundene Ungleichbehandlung nicht weiter reichen, als dies unbedingt erforderlich ist (BVerfGE 130, 318 <353>). Auch Belange des Geheimschutzes im Interesse verfassungsrechtlich geschützter Güter sind als zwingende Gründe des Staatswohls grundsätzlich geeignet, die Einschränkung von Statusrechten der Abgeordneten zu rechtfertigen (BVerfGE 70, 324 <358 f.>; 130, 318 <359>; vgl. auch BVerfGE 131, 230 <235>). Die Staatspraxis kennt das aus elf Abgeordneten gebildete Parlamentarische Kontrollgremium, das unter anderem die nachrichtendienstliche Tätigkeit überwacht (BVerfGE 130, 318 <359>). Zudem hat es das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass über die Wirtschaftspläne der Geheimdienste des Bundes nicht das Plenum, sondern ein wesentlich kleineres, geheim verhandelndes und ausschließlich zu diesem Zwecke gebildetes Gremium berät, weil aus der Vielzahl der Informationen, die bei der Beratung bekannt werden, mosaikartig auch ein Bild von den konkreten Operationen der Geheimdienste gewonnen werden und dies darüber hinaus zur Gefährdung von Personen führen kann (BVerfGE 70, 324 <364>). Ebenso wie bei militärischen Geheimnissen oder sonstigen aus Gründen des Staatsschutzes geheim zu haltenden Informationen kann die Geheimschutzordnung möglicherweise auch dann keine ausreichende Vorsorge bieten, wenn über Maßnahmen entschieden werden muss, bei denen nicht nur der Inhalt der Beratung, sondern auch die Tatsache der Beratung und der Beschlussfassung an sich geheim gehalten werden müssen, um den Erfolg einer Maßnahme nicht von vornherein unmöglich zu machen (BVerfGE 130, 318 <362>).

154

d) Schließlich können das Fragerecht der Abgeordneten und die Antwortpflicht der Bundesregierung dadurch begrenzt sein, dass diese gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten haben (BVerfGE 67, 100<142>; 76, 363 <387>; 77, 1 <46>; 124, 78 <125>). Werden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch den Staat offen gelegt oder verlangt er deren Offenlegung, so ist Art. 12 Abs. 1 GG in seinem Schutzbereich berührt (vgl. BVerfGE 115, 205 <230>; 128, 1 <56>).

155

Das Grundrecht der Berufsfreiheit ist nach Art. 19 Abs. 3 GG auch auf juristische Personen anwendbar, soweit sie eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer juristischen wie einer natürlichen Person offen steht (BVerfGE 50, 290<363>; 115, 205 <229>; stRspr). Das Freiheitsrecht des Art. 12 Abs. 1 GG schützt das berufsbezogene Verhalten einzelner Personen oder Unternehmen am Markt. Erfolgt die unternehmerische Berufstätigkeit nach den Grundsätzen des Wettbewerbs, wird die Reichweite des Freiheitsschutzes auch durch die rechtlichen Regeln mitbestimmt, die den Wettbewerb ermöglichen und begrenzen (BVerfGE 105, 252 <265>; 115, 205 <229>). Behindert eine den Wettbewerb beeinflussende staatliche Maßnahme eine juristische Person in ihrer beruflichen Tätigkeit, so stellt dies eine Beschränkung ihres Freiheitsrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG dar (BVerfGE 86, 28<37>; 115, 205 <230>).

156

Durch die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen kann die Ausschließlichkeit der Nutzung des betroffenen Wissens für den eigenen Erwerb beeinträchtigt werden. Wird exklusives wettbewerbserhebliches Wissen den Konkurrenten zugänglich, mindert dies die Möglichkeit, die Berufsausübung unter Rückgriff auf dieses Wissen erfolgreich zu gestalten. So können unternehmerische Strategien durchkreuzt werden. Auch kann ein Anreiz zu innovativem unternehmerischen Handeln entfallen, weil die Investitionskosten nicht eingebracht werden können, während gleichzeitig Dritte unter Einsparung solcher Kosten das innovativ erzeugte Wissen zur Grundlage ihres eigenen beruflichen Erfolgs in Konkurrenz mit dem Geheimnisträger nutzen (vgl. zum Ganzen BVerfGE 115, 205 <230>).

157

3. Aus der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, folgt, dass sie die Gründe darlegen muss, aus denen sie die erbetenen Auskünfte verweigert (BVerfGE 124, 161 <193>). Denn der Bundestag kann seine Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns nur dann effektiv wahrnehmen, wenn er anhand einer der jeweiligen Problemlage angemessen ausführlichen Begründung beurteilen und entscheiden kann, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen. Hierzu muss er Abwägungen betroffener Belange, die zur Versagung von Auskünften geführt haben, auf ihre Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüfen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>). Eine Begründung der Antwortverweigerung ist daher nur dann entbehrlich, wenn die Geheimhaltungsbedürftigkeit evident ist (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>).

II.

158

Nach diesen Maßstäben ist die Bundesregierung verpflichtet, Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf entsprechende Anfragen hin mitzuteilen, dass der Bundessicherheitsrat ein bestimmtes, das heißt hinsichtlich des Rüstungsguts, des Auftragsvolumens und des Empfängerlandes konkretisiertes Kriegswaffenexportgeschäft genehmigt hat oder dass eine Genehmigung für ein wie in der Anfrage beschriebenes Geschäft nicht erteilt worden ist. Darüber hinaus gehende Angaben sind verfassungsrechtlich nicht geboten.

159

1. Die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung ist nicht bereits mit der positiven oder negativen Antwort auf eine Voranfrage (a), sondern erst mit dem vom Bundessicherheitsrat gefassten Beschluss zu einem formellen Genehmigungsantrag abgeschlossen; über eine positive Genehmigungsentscheidung hat die Bundesregierung den Bundestag und seine Mitglieder daher auf Anfrage zu unterrichten (b). Keine Antwortpflicht besteht hingegen bei Fragen zu den Gründen einer getroffenen Entscheidung und zum Inhalt und Verlauf der Beratungen im Bundessicherheitsrat (c).

160

a) Die positive Beantwortung einer auf die Genehmigungsfähigkeit eines Kriegswaffenexportgeschäfts abzielenden Voranfrage eines Unternehmens der Rüstungsindustrie schließt die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung in Bezug auf das betreffende Exportvorhaben nicht ab. Etwas anderes könnte für die Ablehnung einer Voranfrage gelten, die aber nach dem von den Antragstellern nicht angezweifelten Vorbringen der Antragsgegnerin grundsätzlich nicht erfolgt und zudem aus anderen, unten näher dargelegten Gründen (vgl. Rn. 174 ff.) nicht mitzuteilen ist.

161

Mit einer positiven Beantwortung einer Voranfrage lassen der Bundessicherheitsrat und der für Voranfragen in Bezug auf Kriegswaffen zuständige Minister erkennen, dass zum Zeitpunkt der Antwort keine Bedenken gegen das beabsichtigte Exportgeschäft bestehen, so dass ein entsprechender formgerechter, konkretisierter und mit ausreichenden Unterlagen unterlegter Antrag Aussicht auf Erfolg hätte. Es handelt sich folglich bei der Beantwortung einer Voranfrage um eine Auskunft über die Genehmigungsfähigkeit des beabsichtigten Exports zum Zeitpunkt der Bescheidung dieser Anfrage, nicht aber um eine Zusicherung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) oder gar um eine abschließende Teilregelung oder Teilgenehmigung (Pottmeyer, Kriegswaffenkontrollgesetz, 2. Aufl. 1994, § 9 Rn. 55; a.A. Zähle, Der Staat 44 (2005) S. 462 <475> und VG Frankfurt, Urteil vom 1. November 2001 - 1 E 6167/00 (1) -, juris, Rn. 21). Eine Zusicherung im Sinne von § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG liegt nur vor, wenn der Wille der Behörde, sich für die Zukunft zu binden und einen entsprechenden Anspruch des Begünstigten auf die zugesagte Maßnahme zu begründen, in der Erklärung eindeutig erkennbar ist. Wird eine Maßnahme lediglich "in Aussicht gestellt", so liegt im Regelfall nur eine unverbindliche Absichtserklärung vor, wie weiter zu verfahren ist (Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 38 Rn. 21 ff. <24>). Die von der Antragsgegnerin exemplarisch eingereichten Antworten des Auswärtigen Amtes auf Voranfragen betreffend die Ausfuhr von Kriegswaffen sind so formuliert, dass dem anfragenden Unternehmen mitgeteilt wird, dass die Bundesregierung eine Genehmigung der Ausfuhr in Aussicht stellt, soweit sich die Umstände zum Zeitpunkt der Stellung des konkreten Antrages nicht wesentlich geändert haben. Aus einer solchen Mitteilung geht der Wille der Bundesregierung, sich zu binden und entgegen § 6 Abs. 1 KWKG einen Anspruch des Unternehmens auf die Genehmigung zu begründen, nicht eindeutig hervor. Der Bundessicherheitsrat und die beteiligten Ministerien sind folglich an die positive Beantwortung einer Voranfrage nicht gebunden, ein anschließender Antrag auf Erteilung der Genehmigung kann auch bei unveränderten Umständen abgelehnt werden. Ob in einem solchen Fall ein Amtshaftungsanspruch gegen die Bundesrepublik bestehen kann (so Pottmeyer, a.a.O., Rn. 56), bedarf hier keiner Klärung.

162

Dieser Rechtslage entspricht anscheinend die tatsächliche Praxis der Antragsgegnerin. Nach deren Vorbringen fühlt sich der Bundessicherheitsrat an seine Antworten auf Voranfragen rechtlich nicht gebunden. Vielmehr wird nach Eingang des vollständigen Genehmigungsantrages nochmals in die Beratung eingetreten und kommt es auch zu anschließenden Ablehnungsentscheidungen, die offenbar auch auf einer geänderten Einschätzung der im Wesentlichen unveränderten Lage in dem Empfängerland beruhen können.

163

Eine Verpflichtung der Bundesregierung, den Bundestag generell oder einzelne Abgeordnete auf konkrete Fragen hin über Entscheidungen des Bundessicherheitsrates zu Voranfragen in Bezug auf beabsichtigte Kriegswaffenexporte zu informieren, würde vor diesem Hintergrund in einen noch nicht abgeschlossenen ressortübergreifenden Willensbildungsprozess aus dem Verantwortungsbereich der Bundesregierung eingreifen. Der durch die Beantwortung der Voranfrage rechtlich nicht gebundene Bundessicherheitsrat würde der Einflussnahme des Parlaments auf seine von verschiedenen außenpolitischen Belangen, Erwägungen und Entwicklungen abhängige Beratung und Entscheidung über den nachfolgenden Genehmigungsantrag ausgesetzt. Damit würde dem Parlament das faktische Mitregieren bei einer Entscheidung ermöglicht, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegt. Die Kontrollaufgabe des Parlaments würde in eine Steuerungsbefugnis verkehrt, die ihm ausweislich von Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG in diesem Bereich nicht zukommt.

164

b) Die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung ist nicht erst mit dem Erlass des positiven oder negativen Genehmigungsbescheides durch das jeweils zuständige Bundesministerium abgeschlossen. Entscheidender Willensbildungsakt ist vielmehr die Beratung eines Genehmigungsantrages im Bundessicherheitsrat, die mit dessen Beschlussfassung ihren Abschluss findet.

165

Die rechtliche Qualität der Beschlüsse des Bundessicherheitsrates im Bereich der Kriegswaffenexporte ist in der Literatur umstritten. Teilweise wird die auch von der Antragsgegnerin vorgebrachte Ansicht vertreten, es handele sich um rechtlich unverbindliche Empfehlungen, die dem jeweils zuständigen Minister lediglich vermitteln, ob dessen Entscheidung politisch mitgetragen werde (so Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, § 42 IV. 4. c), S. 875; Zähle, Der Staat 44 (2005), S. 462 <477>, im Wege verfassungskonformer Auslegung; Busse/Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, 5. Aufl. 2010, S. 96 f.; Glawe, Organkompetenzen und Handlungsinstrumente auf dem Gebiet der nationalen Sicherheit, 2011, S. 32, der allerdings von einer Empfehlung an das Bundeskabinett ausgeht). Nach anderer Ansicht trifft der Bundessicherheitsrat selbst die Genehmigungsentscheidung, an die der zuständige Minister gebunden ist und die sein Ministerium als Genehmigungsbehörde durch entsprechenden Bescheid umsetzen muss (Kadner, Die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers gegenüber der Sonderstellung einzelner Bundesminister unter besonderer Berücksichtigung des Bundesministers für Verteidigung, 1970, S. 111; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 227; Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2. Aufl. 1998, S. 247). Dieser Auffassung zufolge ist der Bundessicherheitsrat aufgrund der ihm als Entscheidungsgremium zukommenden Leitungsgewalt wegen Verstoßes gegen die Ressortselbständigkeit der Minister und die Kanzlerprärogative verfassungswidrig (Kadner, a.a.O.; Epping, a.a.O.; Böckenförde, a.a.O.; a.A. Steinberg, Abrüstungs- und Rüstungskontrollverwaltung in der Bundesrepublik Deutschland, 1982, S. 108, der zwar ein Entscheidungsrecht des Bundessicherheitsrates annimmt, dies aber mit Art. 65 GG für vereinbar hält).

166

Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob - wie es der Wortlaut von Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG nahe legt - die Bundesregierung beziehungsweise der Bundessicherheitsrat selbst zur Entscheidung verpflichtet ist (zum Erlass von Verwaltungsakten durch die Bundesregierung vgl. BVerwGE 117, 322 <328>, Rn. 16) oder das zuständige Ministerium als Genehmigungsbehörde rechtlich an den jeweiligen Beschluss des Bundessicherheitsrates gebunden ist. Nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin erfolgt in der Staatspraxis die abschließende Entscheidung im Bundessicherheitsrat. An dessen Beschlüsse halten sich die Minister faktisch und fühlen sich durch diese gebunden. Der Antragsgegnerin zufolge ist ihr kein Fall bekannt, in dem ein Minister von einer Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates abgewichen ist. Es besteht kein Grund, an dieser Darstellung zu zweifeln. Eine andere Handhabung würde auf Dauer zu fortwährenden Konflikten zwischen der Gesamtheit der Mitglieder des Bundessicherheitsrates und dem von dessen Beschlüssen abweichenden Minister und zu einer ständigen Befassung des gesamten Kabinetts führen (Art. 65 Satz 3 GG).

167

Zugunsten der Antragsteller kann daher davon ausgegangen werden, dass die Willensbildung der Bundesregierung in Bezug auf einen Kriegswaffenexportantrag mit dem jeweiligen Beschluss des Bundessicherheitsrates abgeschlossen ist. Damit endet der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung für die getroffene Entscheidung in diesem Zeitpunkt. Die Bundesregierung ist verpflichtet, den Abgeordneten des Bundestages auf Anfragen hin mitzuteilen, dass der Bundessicherheitsrat einen Beschluss über die Genehmigung eines Kriegswaffenexportgeschäfts gefasst hat.

168

c) Die Bundesregierung ist jedoch nicht verpflichtet, über die Mitteilung einer erfolgten Genehmigung hinaus Angaben zu der dieser Entscheidung vorausgegangenen Willensbildung innerhalb des Bundessicherheitsrates zu machen.

169

Parlamentarische Informationsrechte in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge scheiden zwar nicht grundsätzlich immer dann aus, wenn es sich um Informationen aus dem Bereich der Willensbildung der Regierung, einschließlich der vorbereitenden Willensbildung innerhalb der Ressorts und der Abstimmung zwischen ihnen handelt (BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>). Dem parlamentarischen Zugriff können grundsätzlich auch Informationen aus dem Bereich der regierungsinternen Willensbildung unterliegen (BVerfGE 124, 78 <122>).

170

Andererseits würde ein - sei es auch erst nach Abschluss des jeweiligen Entscheidungsprozesses einsetzender - schrankenloser parlamentarischer Anspruch auf Informationen aus diesem Bereich vor allem durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der selbständigen Funktion beeinträchtigen, die das Gewaltenteilungsprinzip ihr zuweist (BVerfGE 110, 199 <215>; 124, 78 <121>). Informationen aus dem Vorfeld von Regierungsentscheidungen sind danach zwar nach Abschluss der jeweiligen Entscheidung nicht mehr im selben Maße geschützt wie in der Phase, in der die Kenntnisnahme Dritter diesen einen unmittelbaren Einfluss auf die Entscheidung verschaffen würde (vgl. BVerfGE 110, 199 <215 f.>). Jedoch sind auch bei abgeschlossenen Vorgängen Fälle möglich, in denen die Regierung nicht verpflichtet ist, geheim zu haltende Tatsachen aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung mitzuteilen (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <216>; 124, 78 <121>). Die Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs lassen sich in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände feststellen (vgl. BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>). Die Notwendigkeit, hier zwischen gegenläufigen Belangen abzuwägen, entspricht der doppelten Funktion des Gewaltenteilungsgrundsatzes als Grund und Grenze parlamentarischer Kontrollrechte (BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>). In ihr kommt zum Ausdruck, dass die parlamentarische Kontrolle der Regierung einerseits gerade dazu bestimmt ist, eine demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechende Ausübung der Regierungsfunktion sicherzustellen, andererseits aber diese Funktion auch stören kann und daher der Begrenzung auf ein funktionsverträgliches Maß bedarf (BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>).

171

Als funktioneller Belang fällt bei abgeschlossenen Vorgängen nicht mehr die Entscheidungsautonomie der Regierung, sondern vor allem die Freiheit und Offenheit der Willensbildung innerhalb der Regierung ins Gewicht. Unter diesem Aspekt sind Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen, die Aufschluss über den Prozess der Willensbildung geben, umso schutzwürdiger, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen (vgl. BVerfGE 110, 199 <221>; 124, 78 <122 f.>).

172

Die Bundesregierung ist danach nicht verpflichtet, über den Inhalt und den Verlauf der Beratungen im Bundessicherheitsrat und über das Abstimmungsverhalten seiner Mitglieder Auskunft zu geben. Die Mitglieder des Gremiums sind auf die Vertraulichkeit der Beratungen in besonderem Maße angewiesen, da die Entscheidung über eine beabsichtigte Ausfuhr von Kriegswaffen eine eingehende Beurteilung des Empfängerlandes erfordert, etwa im Hinblick auf dessen politische und militärische Stabilität. Müssten die Mitglieder des Bundessicherheitsrates damit rechnen, dass die von ihnen in den Beratungen abgegebenen Einschätzungen alsbald nach der getroffenen Entscheidung veröffentlicht werden, so könnten sie nicht in auf Vertraulichkeit der Beratungen fußender Offenheit Gründe vorbringen, die für oder gegen eine Genehmigung sprechen. Es wäre sogar naheliegend, dass in einer solchen Situation die eigentlichen Beratungen faktisch nicht mehr in dem Gremium selbst erfolgen, sondern in Vorbesprechungen oder in kleinere, geheim tagende Kreise ausgelagert würden. Derartige einengende Vorwirkungen würden den Bundessicherheitsrat in seiner Funktion nachhaltig beeinträchtigen. Die Preisgabe der Beratungsabläufe im Bundessicherheitsrat wäre daher ein erheblicher Eingriff in den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung.

173

Das parlamentarische Informationsinteresse fällt demgegenüber weniger stark ins Gewicht. Parlamentarisch verantwortlich für die Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG ist die Bundesregierung. Die Information, welcher Minister im Rahmen der Beratungen welche Position vertreten hat, mag daher von allgemeinem politischen Interesse sein, für die parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelns ist sie aber nicht relevant.

174

2. Die Antwort auf Fragen zu noch nicht beschiedenen Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen kann die Bundesregierung ebenso wie die Auskunft über Voranfragen von Rüstungsunternehmen auch aus Gründen des Staatswohls verweigern. Entsprechendes gilt für die Tatsache, dass ein Genehmigungsantrag abgelehnt wurde. Auch bei durch den Bundessicherheitsrat bereits gebilligten Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung kann die Verweigerung der Antwort aus diesen Gründen gerechtfertigt sein.

175

Die Weitergabe der Information, ob der Bundessicherheitsrat eine Voranfrage beschieden hat, kann zu Verwerfungen im Verhältnis zu dem jeweiligen Erwerberland führen. Zum einen können dadurch Rüstungserwerbsabsichten publik werden, die das jeweilige Land jedenfalls in diesem frühen Stadium der Geschäftsanbahnung geheim halten möchte, etwa weil durch eine Veröffentlichung die künftige Verteidigungsstrategie des Landes erkennbar würde. Zum anderen kann das Bekanntwerden der Tatsache, dass eine Genehmigung verweigert beziehungsweise eine Voranfrage abschlägig beschieden oder zurückgestellt wurde, das an dem Erwerb interessierte Land öffentlich brüskieren und damit die Beziehungen zur Bundesrepublik stören.

176

Eine erhebliche Beeinträchtigung außenpolitischer Interessen drohte, wenn auch die Gründe für die Ablehnung einer Genehmigung oder Voranfrage mitgeteilt werden müssten, etwa die Gefahr der Verwendung der zur Ausfuhr vorgesehenen Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung oder bei Menschenrechtsverletzungen. Zudem könnten die Gründe in Einzelfällen Rückschlüsse auf bestimmte Informationsquellen zulassen, an deren Geheimhaltung die Bundesregierung gerade im Verhältnis zu dem betroffenen Land zum Schutz seiner Informationskanäle ein berechtigtes Interesse hat.

177

Das Bekanntwerden sensibler Rüstungsexportgeschäfte kann auch über das Verhältnis zum direkt betroffenen Erwerberland hinaus die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung beeinträchtigen. Rüstungsexportentscheidungen haben in der Regel eine diplomatische Dimension. So wird der Export von Kriegswaffen in Länder, die nicht Mitglied der NATO oder der Europäischen Union oder den NATO-Mitgliedsländern gleichgestellt sind, nur genehmigt, wenn "im Einzelfall besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der Bündnisinteressen für eine ausnahmsweise zu erteilende Genehmigung sprechen" (Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern, III. 2., abgedruckt im Rüstungsexportbericht 2013, Anlage 1, S. 36). Der Handel mit Rüstungsgütern gilt als "wichtiges diplomatisches Instrument" (Richter, Die Rüstungsindustrie im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 20). Waffenexporte können den Zusammenhalt von Bündnissen und die militärische Schlagkraft befreundeter Staaten stärken und als "Gegenleistung" eingesetzt werden, etwa für Stationierungs- oder Überflugrechte (Roeser, Völkerrechtliche Aspekte des internationalen Handels mit konventionellen Waffen, 1988, S. 41). Die Verweigerung von Rüstungsexporten kann demgegenüber - wie etwa konzertierte Embargo-Aktionen zeigen - der Erhaltung des eigenen waffentechnischen Vorsprungs gegenüber anderen Staaten und damit der Sicherheit des Staates dienen (von Poser und Groß Naedlitz, Die Genehmigungsentscheidung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, 1999, S. 56). Die Haltung der Bundesregierung zu einem beabsichtigten Rüstungsgeschäft kann damit auch Indikator für die politische Beziehung zu einem Land oder Ausdruck einer bestimmten Sicherheitsstrategie sein. Das vorzeitige Öffentlichwerden solcher Rüstungsexportgeschäfte kann ebenso wie das Bekanntwerden einer ablehnenden Entscheidung die Abschätzbarkeit der deutschen Außenpolitik für andere Länder erleichtern und damit Verhandlungs- und Gestaltungsspielräume verengen. Gleiches gilt für das Bekanntwerden der Gründe für die Bewilligung oder Ablehnung einer Genehmigung. Die Bundesregierung ist daher nicht verpflichtet, die Gründe für eine vom Bundessicherheitsrat getroffene Entscheidung mitzuteilen. Auch über die Ablehnung eines Kriegswaffenausfuhrantrages muss keine Auskunft erteilt werden.

178

Ein frühzeitiges Bekanntwerden eines beabsichtigten Rüstungsexportgeschäfts und der Haltung der Bundesregierung bereits im Stadium der Vertragsanbahnung birgt darüber hinaus die Gefahr, dass ein drittes Land, welches mit dem Geschäft nicht einverstanden ist, versucht, dieses Geschäft vor seiner tatsächlichen Durchführung durch den Einsatz von Druckmitteln zu verhindern. Zudem kann ein frühzeitiges Bekanntwerden dazu führen, dass ausländische Konkurrenzunternehmen an den Kaufinteressenten herantreten und das Geschäft durch Abgabe eines günstigeren Angebots an sich ziehen. Dies kann jedenfalls dort ein Geheimhaltungsinteresse der Bundesregierung aus Gründen des Staatswohls rechtfertigen, wo die Durchführung des Exportgeschäfts im außenpolitischen Interesse der Bundesrepublik liegt. Zudem stellt die Aufrechterhaltung eines nationalen Rüstungswesens ein legitimes staatliches Ziel dar. Eine eigene rüstungsindustrielle Basis führt aus verteidigungspolitischer Sicht dazu, dass die nationalen Streitkräfte durch die inländische Industrie ausgerüstet werden können. Gegenüber der Beschaffung der militärischen Ausrüstung auf dem Weltmarkt werden als Vorteile unter anderem der staatliche Einfluss als Hauptauftraggeber (Richter, Die Rüstungsindustrie im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 24; ähnlich Raidel, Eine Lanze für die deutsche Verteidigungswirtschaft, Politik & Sicherheit, Heft 8, August 2009, S. 1 f.) und die daraus folgende passgenaue Ausrichtung nationaler Rüstungsprodukte auf die taktischen und operativen Konzepte der Streitkräfte sowie die Möglichkeit der konzeptionellen Weiterentwicklung der Streitkräfte genannt (Küchle, Die deutsche Heeresindustrie in Europa, 2007, S. 9). Zudem erhöht eine eigene Rüstungsindustrie die Versorgungssicherheit und dient der Vermeidung von Abhängigkeiten von der Exportpolitik anderer Staaten.

179

Diese Gefahren für die Durchführung des Rüstungsexportgeschäfts nehmen mit dem Fortgang des Verfahrens ab. Sie bestehen vor allem in der oft Monate oder gar Jahre andauernden Phase der Vertragsanbahnung. Aus diesem Grunde ist die Bundesregierung nicht verpflichtet, Abgeordneten des Bundestages auf Anfrage mitzuteilen, ob eine Voranfrage zu einem beabsichtigten Ausfuhrgeschäft gestellt und wie diese beschieden wurde. Die positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates, die anschließend durch das zuständige Ministerium in dem Genehmigungsbescheid umgesetzt wird, stellt auch hier eine Zäsur dar. Nach den Angaben der sachkundigen Dritten ist zum Zeitpunkt des Antrages auf Genehmigung einer Kriegswaffenausfuhr der Vertrag mit dem Empfängerland im Regelfall jedenfalls endverhandelt, zumeist sogar bereits geschlossen. Damit verringert sich die Gefahr einer Einflussnahme Dritter auf das zur Genehmigung anstehende Geschäft erheblich. Mit der positiven Entscheidung des Bundessicherheitsrates über einen Genehmigungsantrag entfällt auch die Möglichkeit der Bloßstellung eines kaufinteressierten Staates, die mit der Ablehnung eines frühzeitig - etwa durch die Auskunft über eine Voranfrage - bekannt gewordenen Geschäfts verbunden sein kann.

180

Die Zäsurwirkung der positiven Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates schließt nicht aus, dass die Bundesregierung aus den genannten Gründen des Staatswohls in Einzelfällen ausnahmsweise auch die Antwort auf die Frage verweigern darf, ob eine solche Entscheidung getroffen wurde. Wann eine solche Antwortverweigerung gerechtfertigt sein kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn jedenfalls müsste die Bundesregierung die Verweigerung der Auskunft in ihrer Antwort gesondert begründen, was vorliegend nicht geschehen ist.

181

3. Eine weitere Einschränkung der Antwortpflicht der Bundesregierung in Bezug auf die Befassung des Bundessicherheitsrates mit Voranfragen und Genehmigungsanträgen zu beabsichtigten Kriegswaffenausfuhrgeschäften ergibt sich aus dem grundrechtlichen Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der jeweiligen Rüstungsunternehmen.

182

a) Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Zu derartigen Geheimnissen zählen etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden können (BVerfGE 115, 205 <230 f.>; vgl. auch BVerfGE 128, 1 <56>). Als Betriebsgeheimnisse kommen vorliegend unter anderem die konkreten technischen Daten und Spezifikationen der einzelnen Kriegswaffen in Betracht, als Geschäftsgeheimnisse insbesondere die Details der vertraglichen Vereinbarungen wie etwa Lieferzeiten und -orte, Preise und Preisbestandteile, Zahlungsbedingungen und Angaben zu den beteiligten Zulieferunternehmen. Der Umstand, dass ein Unternehmen Verhandlungen mit einem Staat über den Erwerb von Kriegswaffen bestimmter Gattung führt, stellt für sich genommen ebenfalls ein Geschäftsgeheimnis dar, weil die Verhandlungspartner in aller Regel eine Vertraulichkeitsvereinbarung abschließen und weil Konkurrenzunternehmen versuchen können, die Anbahnung des Geschäfts durch eigene Angebote oder andere Maßnahmen zu unterminieren. Somit stellen das Kaufinteresse eines Staates und die Aufnahme von Vertragsverhandlungen exklusives wettbewerbserhebliches Wissen dar und mindert die Offenlegung dieser Tatsachen die Möglichkeit, die Berufsausübung unter Rückgriff auf dieses Wissen erfolgreich zu gestalten.

183

b) Zwar begründet Art. 12 Abs. 1 GG kein ausschließliches Recht der Unternehmen auf eigene Außendarstellung und auf eine uneingeschränkte unternehmerische Selbstdarstellung am Markt. Marktbezogene Informationen des Staates beeinträchtigen den grundrechtlichen Gewährleistungsbereich der Berufsfreiheit der betroffenen Unternehmen daher nicht, sofern der Einfluss auf wettbewerbserhebliche Faktoren ohne Verzerrung der Marktverhältnisse nach Maßgabe der rechtlichen Vorgaben für staatliches Informationshandeln erfolgt (BVerfGE 105, 252 <264 ff., 268>). Unabhängig davon wäre aber durch die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Kriegswaffen produzierenden Unternehmen durch die Bundesregierung der Schutzbereich der Berufsfreiheit berührt (vgl. BVerfGE 115, 205 <230>). Dieser Schutzbereich ist jedenfalls insoweit nicht durch Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG eingeschränkt. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei dem Genehmigungserfordernis um ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (so Pottmeyer, Kriegswaffenkontrollgesetz, 1991, S. 69 ff.; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 120) oder um ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt handelt (so Pernice, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006, Art. 26 Rn. 20; Fink, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 26 Rn. 75; Streinz, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 45; Hernekamp, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 26 Rn. 29; Hobe, in: Berliner Kommentar zum GG, Nov. 2012, Art. 26 Rn. 18). Selbst wenn man der Regelung eine grundsätzliche Missbilligung der Herstellung, der Beförderung und des Inverkehrbringens von Kriegswaffen entnehmen wollte, sind diese Verhaltensweisen bei Vorliegen einer Genehmigung erlaubt und von der Berufsfreiheit geschützt. Dieser Schutz erstreckt sich auf solche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ein Unternehmen zur Erlangung der Genehmigung gegenüber staatlichen Behörden offenlegen muss, und zwar selbst für den Fall, dass die Genehmigung versagt werden sollte. Das Grundgesetz missbilligt nicht die Vorbereitung und Anbahnung eines Kriegswaffenexportgeschäfts, sondern allenfalls dessen nicht genehmigte Durchführung.

184

c) Durch die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen von Unternehmen der Rüstungsindustrie im Rahmen der Beantwortung parlamentarischer Anfragen griffe die Bundesregierung in den Schutzbereich der Berufsfreiheit ein. Sowohl schriftliche Antworten der Bundesregierung als auch mündliche Antworten im Rahmen von Fragestunden sind öffentlich. Schriftliche Antworten werden durch den Bundestag in Drucksachen veröffentlicht (§ 105 Satz 1 und 2 i.V.m. Anlage 4, Ziff. 14 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980, BGBl I S.1237, zuletzt geändert durch Beschluss vom 3. April 2014, BGBl I S. 534 - GO-BT -), mündliche Antworten in Fragestunden sind den jeweiligen Plenarprotokollen zu entnehmen, nachgereichte schriftliche Antworten werden in einen Anhang zu dem betreffenden Protokoll aufgenommen (GO-BT, Anlage 4, Ziff. 12). Damit würde Konkurrenten die Kenntnisnahme von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der betroffenen Unternehmen ermöglicht (vgl. BVerfGE 115, 205 <231>).

185

d) Der mit einer Offenlegung von Informationen zu beabsichtigten Rüstungsexportgeschäften verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit der Unternehmen der deutschen Rüstungsindustrie ist generell insoweit gerechtfertigt, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort Auskunft darüber gibt, dass der Bundessicherheitsrat die Genehmigung für ein konkretes Kriegswaffenausfuhrgeschäft erteilt hat und in diesem Rahmen Angaben über Art und Anzahl der Kriegswaffen, über das Empfängerland, über die beteiligten deutschen Unternehmen und über das Gesamtvolumen des Geschäfts macht. Darüber hinaus gehende Angaben würden grundsätzlich in unverhältnismäßiger Weise in die Berufsfreiheit der Unternehmen eingreifen. Dies gilt insbesondere für Angaben, die so konkret sind, dass aus ihnen auf vertrauliche Informationen, etwa auf den Einzelpreis eines bestimmten Rüstungsguts, rückgeschlossen werden könnte.

186

aa) Die Offenlegung von Unternehmensinformationen durch die Bundesregierung in Antworten auf Anfragen von Abgeordneten betrifft ein mehrpoliges Rechtsverhältnis, in welchem die Bundesregierung das Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten einerseits und das den Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gewährleistende Grundrecht der betroffenen Unternehmen auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG andererseits zum Ausgleich zu bringen hat. In einer solchen Konstellation sind Eignung und Erforderlichkeit der Beeinträchtigungen mit Blick auf beide widerstreitenden Rechtsgüter zu beurteilen. Dabei sind die Vor- und Nachteile bei der Verwirklichung der verschiedenen betroffenen Rechtsgüter in ihrer Gesamtheit abzuwägen. Hat der Gesetzgeber einen Weg zur Lösung des Konflikts durch eine einfachgesetzliche Regelung vorgezeichnet, so ist sein Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Überlässt er die Entscheidung hingegen den Organen der Rechtsanwendung, so sind deren Eingriffshandlungen verfassungsrechtlich darauf zu überprüfen, ob die zugrunde gelegten Annahmen und Abwägungsregeln sowie ihre Abwägung im konkreten Fall den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen, das heißt auch, ob sie innerhalb des den Entscheidungsträgern gewährten Einschätzungsspielraums verbleiben und zur Herstellung praktischer Konkordanz im konkreten Streitfall führen (zum Ganzen BVerfGE 115, 205 <233 f.>).

187

bb) § 12a Abs. 2 Satz 1 KWKG ermächtigt die Bundesregierung, die auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 erhobenen Daten zusammengefasst ohne Nennung von Empfängern und Lieferanten zu den in Absatz 1 genannten Zwecken an internationale Organisationen oder zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages zu übermitteln oder zu veröffentlichen. Die Vorschrift wurde mit dem Achten Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes vom 9. August 1994 (BGBl I S. 2068) in das KWKG aufgenommen und dient der Umsetzung einer Resolution der Vereinten Nationen, mit der beim Generalsekretariat der Vereinten Nationen ein Waffenregister eingerichtet wurde und die Mitgliedstaaten aufgerufen wurden, die Ein- und Ausfuhr bestimmter Kriegswaffen dorthin zu melden (BTDrucks 12/6911, S. 11). Die Ermächtigung zur Übermittlung oder Veröffentlichung zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages beruhte auf der Erwägung, dass Daten, die wie im Falle des Waffenregisters der Einsicht aller Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen offen stehen, grundsätzlich auch zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages oder der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen sollten (BTDrucks 12/6911, S. 12). Diese Regelung kann den erforderlichen Ausgleich zwischen dem Fragerecht der Abgeordneten und dem Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen auch unter Berücksichtigung des Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise herstellen. Dies folgt schon daraus, dass sie die Weitergabe der Informationen an den Deutschen Bundestag lediglich ermöglicht, ohne die Bundesregierung hierzu zu verpflichten. Der Ausgleich der konfligierenden Rechtsgüter bleibt so letztlich der Bundesregierung überlassen und es kann auch zu einer völligen Versagung von Auskünften kommen. Der Gesetzgeber hat damit keinen Lösungsweg bereitgestellt, der stets eine Verwirklichung der gegenläufigen Interessen in diesem mehrpoligen Rechtsverhältnis sichert (vgl. BVerfGE 115, 205 <235>). Eine erweiternde Auslegung ist angesichts des klaren Wortlautes nicht möglich.

188

cc) Die somit erforderliche Abwägung unmittelbar zwischen dem Fragerecht der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG einerseits und dem durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des jeweiligen die Ausfuhr beabsichtigenden Unternehmens andererseits ergibt, dass die Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates unabhängig von dem jeweils konkret durch Abgeordnete des Bundestages angefragten Kriegswaffenausfuhrgeschäft die entscheidende Zäsur darstellt.

189

Das Interesse des jeweiligen Rüstungsunternehmens an der Geheimhaltung des beabsichtigten Rüstungsexportgeschäfts ist bis zur endgültigen Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates höher zu bewerten als das berechtigte Informationsinteresse der Abgeordneten. In der Phase der Geschäftsanbahnung ist die Information, dass ein bestimmtes Empfängerland ein bestimmtes Rüstungsgut erwerben möchte, besonders wettbewerbsrelevant. Konkurrenzunternehmen, die von einem solchen Erwerbsinteresse Kenntnis erlangten, könnten versuchen, durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit auf den Genehmigungsprozess Einfluss zu nehmen. Zudem könnten sie ein eigenes Angebot abgeben und das Geschäft auf diese Weise an sich ziehen; dies gälte erst recht, wenn die Bundesregierung über die bloße Tatsache des beabsichtigten Geschäfts hinaus auch Angaben zu Preisen machte.

190

Es ist nicht zu verkennen, dass das Informationsinteresse des Parlaments und der einzelnen Abgeordneten in diesem Stadium ebenfalls besonders hoch ist, da noch auf den Genehmigungsprozess Einfluss genommen werden kann. Im Rahmen der Abwägung der konfligierenden Interessen ist aber zu berücksichtigten, dass ein dahin gehendes Informationsinteresse nicht schützenswert ist, da es auf ein dem Gewaltenteilungsprinzip widersprechendes Mitregieren zielt (siehe oben Rn. 163).

191

Nach erfolgter Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates ist die Schutzbedürftigkeit des jeweils betroffenen Unternehmens geringer. In diesem Stadium besteht für Konkurrenzunternehmen kaum noch die Möglichkeit, auf das genehmigte Geschäft Einfluss zu nehmen. Der Kaufvertrag ist im Regelfall bereits geschlossen, und je nach zeitlichem Abstand zwischen der Entscheidung des Bundessicherheitsrates und dem Erlass des Genehmigungsbescheides durch die zuständige Behörde kann mit der Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen alsbald begonnen werden.

192

In Bezug auf Angaben, die über die Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates und die Grunddaten des Kriegswaffenausfuhrgeschäfts, also die Art und die Anzahl der Kriegswaffen, das Empfängerland und das Gesamtvolumen hinausgehen, fällt die Abwägung zwischen den konfligierenden Rechtsgütern grundsätzlich zugunsten der Unternehmen aus, deren Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vor der Kenntnisnahme durch Wettbewerber zu schützen sind. Unverhältnismäßig wäre insbesondere die Offenlegung von Angaben, die Rückschlüsse auf die Preisgestaltung oder auf Spezifikationen des Rüstungsguts sowie auf handelnde Personen der an dem Geschäft beteiligten Unternehmen oder Staaten zuließen. An diesen Daten besteht auch kein berechtigtes Informationsinteresse, weil sie für die parlamentarische Kontrolle der Regierungstätigkeit nicht erforderlich sind.

193

e) Ob die Antwortpflicht der Bundesregierung auch durch das Grundrecht betroffener Unternehmen aus Art. 14 Abs. 1 GG begrenzt sein kann, bedarf keiner Entscheidung, weil der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen durch Art. 14 Abs. 1 GG jedenfalls nicht weiter geht als der durch Art. 12 Abs. 1 GG (BVerfGE 115, 205<248>).

194

4. Der Konflikt zwischen dem Fragerecht der Abgeordneten auf der einen und dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung, dem Staatswohl und der Berufsfreiheit der Kriegswaffen ausführenden Unternehmen auf der anderen Seite kann, anders als die Antragsteller meinen, nicht durch Maßnahmen des Geheimnisschutzes auf Seiten des Parlaments aufgelöst werden. Weder die Beschränkung des Adressatenkreises der Antworten der Bundesregierung durch Einrichtung eines parlamentarischen Kontrollgremiums (a) noch die Anwendung der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages (b) sind geeignet, einen angemessenen Ausgleich zwischen den konfligierenden Rechtsgütern zu schaffen.

195

a) Der Deutsche Bundestag könnte zwar für die parlamentarische Kontrolle der Tätigkeit des Bundessicherheitsrates ein Gremium nach Art des Parlamentarischen Kontrollgremiums (siehe § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumgesetz) vom 29. Juli 2009, BGBl I S. 2346), des Vertrauensgremiums nach § 10a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung vom 19. August 1969 (BGBl I S. 1284) oder des Sondergremiums nach § 3 Abs. 3 des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (Stabilisierungsmechanismusgesetz) vom 22. Mai 2010 (BGBl I S. 627) einrichten und dieses Gremium der Geheimschutzordnung unterwerfen. Durch die Beschränkung des Fragerechts der Mitglieder des Bundestages auf die Mitglieder eines solchen Gremiums würde ein Maß an Geheimhaltung praktisch ermöglicht, das zum Ausgleich der konfligierenden Interessen führen könnte.

196

Die Beschränkung der Wahrnehmung der Beteiligungsrechte des Bundestages auf parlamentarische Untergremien greift aber ihrerseits in die Rechte der in dem Sondergremium nicht vertretenen Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ein, über eine Angelegenheit des Deutschen Bundestages zu beraten, zu ihr zu reden, das Frage- und Informationsrecht des Parlaments auszuüben und schließlich darüber abzustimmen (BVerfGE 130, 318<357>). Bei einer solchen Beschränkung der Statusrechte der Abgeordneten ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und ein angemessener Ausgleich zwischen der Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages und den Statusrechten der Abgeordneten sicherzustellen. Erfolgt die Delegation von Beteiligungsrechten im Interesse besonderer Vertraulichkeit, muss sie deshalb auf wenige Ausnahmen mit begrenztem Anwendungsbereich beschränkt bleiben und zwingend erforderlich sein (BVerfGE 130, 318 <359 f.>).

197

Ob die Beratungen des Bundessicherheitsrates einen solchen Ausnahmefall darstellen können, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die Delegation der Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages auf ein Gremium zur Kontrolle der Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG erscheint nicht zwingend erforderlich. Eine solche Delegation würde es zwar ermöglichen, das Parlament mit Informationen zu versehen, die über die bloße Mitteilung einer erfolgten Genehmigungsentscheidung hinausgehen. So könnte ein der Geheimhaltung unterliegendes Sondergremium auch über Ablehnungsentscheidungen und vor allem auch über die Gründe für eine vom Bundessicherheitsrat getroffene Entscheidung unterrichtet werden. Diesem Erhalt zusätzlicher Informationen stünde aber eine erhebliche Beschränkung der parlamentarischen Kontrolle und der Statusrechte der nicht im Gremium vertretenen Abgeordneten gegenüber. Zudem entfiele dadurch, dass die Kontrolle der Parlamentsöffentlichkeit entzogen würde, auch die Kontrolle durch die Bürger, die der effektiven Verantwortlichkeit des Parlaments gegenüber dem Wähler dient (vgl. BVerfGE 125, 104 <124>; 130, 318 <344>). Der Zugewinn an Informationen über Angelegenheiten des Bundessicherheitsrates kann derartige Beschränkungen nicht rechtfertigen. Die Verpflichtung der Bundesregierung, den Deutschen Bundestag öffentlich über positive Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates zu informieren, ermöglicht eine hinreichende parlamentarische Kontrolle. Die Steigerung der Kontrolltiefe, die mit der Information eines Sondergremiums über Ablehnungsentscheidungen und über die Gründe der Entscheidungen des Bundessicherheitsrates erreicht würde, steht in keinem Verhältnis zu den Einbußen für die Funktion der Kontrolle, die durch eine öffentliche Kontrolle vermittelte Legitimation des staatlichen Handelns und die Statusrechte der nicht in dem Gremium vertretenen Abgeordneten, die die weit überwiegende Mehrheit des Deutschen Bundestages darstellten.

198

b) Auch durch eine Information des Deutschen Bundestages über Belange des Bundessicherheitsrates nach Maßgabe der Geheimschutzordnung (GO-BT, Anlage 3) kann der Interessenskonflikt nicht aufgelöst werden.

199

Verschlusssachen, die mit dem Geheimhaltungsgrad "Geheim" oder "Streng geheim" versehen sind, dürfen von Abgeordneten des Deutschen Bundestages grundsätzlich nur in den Räumen der Geheimregistratur eingesehen werden, § 3a Satz 1 Geheimschutzordnung. Die Möglichkeit zur Weitergabe der Information ist durch § 4 Geheimschutzordnung beschränkt; in jedem Fall scheidet eine Information der Öffentlichkeit aus.

200

Die Geheimschutzordnungist grundsätzlich ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 124, 78 <124 f.>; siehe ferner BVerfGE 130, 318 <362>; 131, 152 <208>). Auch eine systematische Gesamtschau einer Reihe von Grundgesetzbestimmungen - etwa Art. 42 Abs. 1 Satz 2, Art. 44 Abs. 1 Satz 2, Art. 45a Abs. 3 und Art. 53a GG - zeigt, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit in der Verfassung als eine Möglichkeit zur Wahrung von Geheimschutzinteressen unter gleichzeitiger Einbeziehung des Parlaments angelegt ist. Die Anwendung der Geheimschutzordnung konfligiert allerdings mit der Öffentlichkeitsfunktion des Parlaments. Die genannten Ausnahmevorschriften ändern nichts daran, dass die Öffentlichkeit der Beratungen nach Art. 42 Abs. 1 GG für die parlamentarische Entscheidungsfindung grundsätzlich unverzichtbar ist. Die Informationsrechte des Parlaments dürfen nicht dazu führen, dass sich über den parlamentarischen Geheimnisschutz die Arbeits- und Funktionsweise des Parlaments in den wichtigen Bereichen grundlegend verschiebt und diese spezifische Öffentlichkeitsfunktion ausgeblendet wird.

201

Eine unter Bedingungen der Geheimschutzordnung erlangte Information können die Parlamentarier nicht in den öffentlichen Meinungsbildungsprozess überspielen. Wenn das Parlament unter Anwendung der Geheimschutzordnung informiert wird, ist daher zwar formal der Zurechnungszusammenhang zwischen Regierung und Parlament gewahrt. Der weitere Verantwortungszusammenhang zum Volk ist jedoch insoweit unterbrochen. Der Wahlvorgang sichert die Kontrolle des Volkes über die Benutzung der Macht durch die politische Mehrheit (BVerfGE 5, 85 <199>). Ohne die entsprechende Information kann die Wählerschaft weder das Handeln der Regierung noch die parlamentarische Reaktion auf die erlangte Information zur Kenntnis nehmen und bewerten. Beides ist aber für die demokratische Legitimation durch den Wahlakt essentiell.

202

Auch im Verhältnis zwischen Regierung und Parlament wird der Kontrollzusammenhang durch die Anwendung der Geheimschutzordnung abgeschwächt. Öffentlichkeit ist essentiell für die Ausübung der Kontrollfunktion des Parlaments. Während die zur Vorbereitung von Gesetzgebung begehrten Informationen dem Parlament auch dann den gewünschten Sachverstand verschaffen und damit ihren Zweck erfüllen, wenn sie nicht öffentlich sind, verhält es sich mit Informationen zum Zweck der politischen oder der Rechtskontrolle anders. In der politischen Realität ist das Fragerecht in seiner Kontrolldimension ganz überwiegend ein Mittel der Opposition, welches zu seiner Wirksamkeit grundsätzlich auf Öffentlichkeit angewiesen ist. Fällt das Öffentlichkeitselement weg, so scheidet in der Praxis zumindest eine sanktionierende Kontrolle aus.

203

5. Die Pflicht der Bundesregierung, parlamentarische Anfragen zu positiven Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates zu beantworten, wird nicht schon durch die jährlich veröffentlichten Rüstungsexportberichte erfüllt.

204

Die Berichtsform unterscheidet sich systematisch von der Frage- und Antwortstruktur des Interpellationsrechts. Sowohl die Struktur und der Gehalt der Information als auch ihr Zeitpunkt werden beim Rüstungsexportbericht nicht durch die Abgeordneten, sondern durch die Bundesregierung bestimmt. Bereits deshalb ist ein allgemeiner Bericht dem parlamentarischen Fragerecht grundsätzlich nicht gleichwertig.

205

Die Rüstungsexportberichte der Bundesregierung sind zudem nicht hinreichend präzise, um das berechtigte parlamentarische Informationsinteresse zu befriedigen. Die Berichte differenzieren nicht nach einzelnen Genehmigungsakten, sondern führen die im Berichtsjahr genehmigten Geschäfte summiert auf. Die Beschreibung der betroffenen Güter erfolgt pauschal. In der maßgeblichen Anlage 8 des Rüstungsexportberichts für das Jahr 2013 werden unter der Rubrik "Ausfuhrgenehmigungen nach Ländergruppen und Ländern" lediglich Anzahl und Gesamtwert der Genehmigungen sowie von den Genehmigungen betroffene Ausfuhrlisten-Positionen mitgeteilt. Die insgesamt 22 Ausfuhrlisten-Positionen sind in der Ausfuhrliste (AWV Anlage AL) näher beschrieben. Sie sind durch einen überwiegend sehr pauschalen Erfassungsstatus gekennzeichnet (Wahren, in: Hohmann/John (Hrsg.), Ausfuhrrecht, 2002, Teil 4, Außenwirtschaftsverordnung, Erläuterungen AL Teil 1, Rn. 40). So fiele der in den streitgegenständlichen Anfragen angesprochene Leopard-Panzer als für militärische Zwecke konstruiertes Landfahrzeug unter die Rubrik A0006 der Ausfuhrliste. Nach der dortigen Anmerkung 1 erfasst diese Rubrik aber auch gepanzerte Fahrzeuge, amphibische und tiefwatfähige Fahrzeuge, Bergungsfahrzeuge und Fahrzeuge zum Befördern und Schleppen von Munition oder Waffensystemen und zugehörige Ladesysteme. Da sich die Rüstungsexportberichte an diesen groben Einteilungen der Ausfuhrliste orientieren, ist es auf der Grundlage dieser Berichte kaum möglich, die für eine effektive parlamentarische Kontrolle relevanten politisch bedeutsamen Exportgenehmigungen auszumachen.

206

Zwar enthält der Rüstungsexportbericht für die 20 wichtigsten Bestimmungsländer des Jahres 2013 in Anlage 7 eine etwas detailliertere Aufstellung. Hier werden neben dem Gesamtwert der erteilten Einzelgenehmigungen auch die wesentlichen Güter und ihr prozentualer Anteil am Gesamtwert der Genehmigungen genannt. Verlässliche Rückschlüsse auf bedeutsame einzelne Genehmigungen erlaubt jedoch auch diese Aufstellung nicht. So lässt sich dieser Liste etwa entnehmen, dass für Ausfuhren nach Katar Genehmigungen im Gesamtwert von 673.377.690 Euro erteilt wurden, von denen 44,4 % auf Zugmaschinen, LKW, Kranwagen, Auflieger, Anhänger, Masten und Teile für Panzer, Panzerhaubitzen, gepanzerte Fahrzeuge, LKW und Landfahrzeuge entfielen. Welcher Anteil hiervon auf LKW und welcher auf Teile für Panzer oder Panzerhaubitzen entfiel, ist hieraus nicht zu erkennen. Es muss den Abgeordneten daher im Rahmen einer effektiven parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns möglich sein, über diese Rüstungsexportberichte hinaus durch konkrete Fragen Informationen darüber zu erhalten, in welchem Umfang Genehmigungen für die Ausfuhr von Kriegswaffen besonderer Bedeutung, wie etwa Kampfpanzer, in bestimmte Staaten erteilt wurden.

207

6. Die Bundesregierung kann die Antwort auf parlamentarische Anfragen zu Angelegenheiten des Bundessicherheitsrates insoweit verweigern, wie die jeweilige Anfrage auf Informationen abzielt, die über die Mitteilung einer erfolgten positiven Genehmigungsentscheidung und die Eckdaten des betreffenden Ausfuhrgeschäfts hinausgehen. Eine gesonderte Begründung der Antwortverweigerung ist insoweit nicht erforderlich, die generelle Berufung auf die Geheimhaltung der Beratungen des Bundessicherheitsrates reicht aus.

208

Es besteht eine Jahrzehnte währende und allgemein bekannte Praxis der Bundesregierung, die Beantwortung derartiger Anfragen unter Berufung auf die Vertraulichkeit der Beratungen des Bundessicherheitsrates zu verweigern, selbst wenn in Einzelfällen aufgrund besonderer Umstände einzelne Angaben gemacht worden sein sollten. Angesichts dieser langjährigen Praxis ist nicht zu verlangen, dass die Bundesregierung in jeder Antwort auf eine entsprechende Anfrage ihre allgemeine Auffassung zu dem Verhältnis zwischen parlamentarischem Informationsrecht einerseits und Schutz der exekutiven Eigenverantwortung, Belangen des Staatswohls und Schutz der Grundrechte Dritter andererseits darlegt. Eine solche fortwährend wiederholte Darlegung wäre nur formalistisch und nicht geeignet, den Frage stellenden Abgeordneten einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn zu verschaffen. Ein Abgeordneter, der die Gründe für die grundsätzliche Antwortverweigerung hinterfragen möchte, ist daher gehalten, diese selbst zum Gegenstand einer Anfrage zu machen.

209

Eine Begründungspflicht besteht allerdings insoweit, wie die Bundesregierung die Auskunft über eine erteilte Genehmigung oder über die in diesem Rahmen mitzuteilenden Generalia des Exportgeschäfts verweigern will.

III.

210

Die Antragsgegnerin hat die Grenzen ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der streitgegenständlichen Fragen teilweise verkannt und hierdurch Rechte der Antragsteller aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt.

211

1. Die Antragsgegnerin hat ihrer Antwortpflicht in Bezug auf die Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. aus der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 6. Juli 2011, PlenProt 17/119, S. 13802 D, soweit sie sich auf die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien bezieht, nicht und hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/193 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) teilweise nicht genügt, im Übrigen sind die Anträge des Antragstellers - soweit zulässig - unbegründet.

212

a) Die Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. aus der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 6. Juli 2011 (PlenProt 17/119, S. 13802 D) richtete sich unter anderem darauf, ob der Bundesregierung Erkenntnisse über die Verletzung von Menschen- und Bürgerrechten in Saudi-Arabien vorliegen.

213

Indem der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie die Antwort auf diese Frage unter Hinweis auf die fehlende Zuständigkeit des Bundeswirtschaftsministers endgültig verweigerte, hat die Antragsgegnerin das Fragerecht des Antragstellers zu 1. in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise verkürzt. Das Fragerecht der Abgeordneten besteht gegenüber der Bundesregierung, diese ist zur Beantwortung der Fragen verpflichtet. Die Antwort kann daher nicht durch Verweis auf das Ressortprinzip verweigert werden. Auf sonstige Geheimhaltungsgründe hat sich die Antragsgegnerin nicht berufen; sie drängen sich auch nicht auf.

214

b) Die Antwort auf die zur schriftlichen Beantwortung gestellte Frage des Antragstellers zu 1. vom 14. Juli 2011 (Frage 7/193, BTDrucks 17/6658, S. 28) hat die Antragsgegnerin teilweise zu Unrecht verweigert. Es hätte ihr oblegen, dem Antragsteller zu 1. mitzuteilen, ob der Bundessicherheitsrat die Lieferung von 200 Panzern des Typs Leopard nach Saudi-Arabien genehmigt hat.

215

Zu darüber hinausgehenden Angaben war die Antragsgegnerin allerdings nicht verpflichtet. Falls zum Zeitpunkt der Beantwortung der Frage eine positive Entscheidung des Bundessicherheitsrates nicht vorgelegen haben sollte, wäre sie daher nicht verpflichtet gewesen, dem Antragsteller zu 1. mitzuteilen, ob überhaupt ein entsprechender Genehmigungsantrag oder eine entsprechende Voranfrage vorlag. Dass die Presse über die vermeintlich erteilte Genehmigung einer solchen Lieferung berichtet hatte, ändert hieran nichts. Unterfällt ein Willensbildungsvorgang innerhalb der Regierung dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, so wird er nicht dadurch weniger geheimhaltungsbedürftig, dass Dritte über ihn öffentlich berichten. Anderenfalls könnte die Regierung durch gezielte Spekulationen zu Auskünften über geheimhaltungsbedürftige Willensbildungsvorgänge gezwungen werden. Auch eine ablehnende Entscheidung hätte die Antragsgegnerin nicht als solche mitteilen, sondern nur angeben müssen, dass keine positive Genehmigungsentscheidung vorliegt. Sollte eine positive Entscheidung des Bundessicherheitsrates vorgelegen haben, so wäre die Antragsgegnerin nicht verpflichtet gewesen, die Frage insoweit zu beantworten, wie sie sich auf Verkaufspreise, Lieferbedingungen oder eventuelle Auflagen zum Einsatz in Saudi-Arabien oder in anderen Ländern bezog. Auch Angaben zu den Gründen der Entscheidung wären nicht erforderlich gewesen.

216

c) Berechtigterweise hat die Antragsgegnerin die Antwort auf die dringliche Frage 2 des Antragstellers zu 1. (BTDrucks 17/6438, S. 1) verweigert (PlenProt 17/119, S. 13807 A), soweit diese sich auf "Vermittler, Unterstützer in der Bundesregierung und Nutznießer dieses Waffengeschäfts" bezog.

217

Die Frage, welche Mitglieder der Bundesregierung ein bestimmtes Rüstungsexportgeschäft unterstützen oder unterstützt haben, betrifft den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Regierung. An der Offenlegung interner Abstimmungsvorgänge der Regierung besteht auch kein berechtigtes Informationsinteresse, da diese als Ganze dem Parlament gegenüber verantwortlich ist und bei Mehrheitsentscheidungen nur für die getroffene Entscheidung, nicht aber für etwaige Gegenstimmen einzustehen hat.

218

Soweit sich die Frage auf "Vermittler und Nutznießer" bezieht, zielt sie ersichtlich auf die von dem Antragsteller zu 1. angenommene Leistung "nützlicher Aufwendungen" beim Zustandekommen des Panzergeschäfts und ist mit der Angabe der Antragsgegnerin, ihr lägen keinerlei Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, hinreichend beantwortet worden (siehe Rn. 123).

219

d) Auch die Antwort auf die Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. zu dem konkreten Kaufpreis für 200 Leopard-Kampfpanzer (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C) durfte die Antragsgegnerin verweigern. Hierbei handelt es sich um ein Geschäftsgeheimnis des diese Panzer vertreibenden Unternehmens. Die Offenlegung der Kaufpreise aus konkreten einzelnen Ausfuhrgeschäften würde anderen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, da diese ihre eigene Preispolitik entsprechend anpassen könnten. Zudem würde dem betreffenden inländischen Unternehmen ein Nachteil daraus erwachsen, dass die verschiedenen Abnehmer dieser Panzer einen Überblick über die Preisspanne erhielten und diese Information in künftigen Vertragsverhandlungen zu Lasten der Anbieter ausnutzen könnten.

220

Es besteht auch kein überwiegendes berechtigtes Interesse an dieser Information. Konkrete Kaufpreise sind für die parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelns in aller Regel irrelevant. Dafür, dass der Differenzbetrag zwischen einem etwaigen Kaufpreis für derartige Panzer in Deutschland und dem von Saudi-Arabien gezahlten Preis als Bestechungsgeld anzusehen sein müsste, ist nichts ersichtlich. Schon die Annahme, dass es überhaupt einen feststehenden Kaufpreis im Inland gibt, ist wenig naheliegend. Die jeweiligen Preise dürften nach allgemeinen marktwirtschaftlichen Regeln schwanken.

221

2. Die Antragsgegnerin hat ihrer Antwortpflicht in Bezug auf die schriftliche Frage 7/132 der Antragstellerin zu 2. von Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 24) nicht genügt, soweit sich die Frage darauf bezieht, ob eine positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates vorliegt. Im Übrigen sind die Anträge der Antragstellerin zu 2. unbegründet.

222

a) Die schriftliche Frage 7/132 der Antragstellerin zu 2. richtete sich zum einen darauf, wann die Bundesregierung den Verkauf von Transportpanzern Fuchs, Last- und Geländewagen, Fregatten oder Verteidigungs- und Sicherheitselektronik für den Grenzschutz beziehungsweise dazu bestimmte Fertigungsanlagen an Algerien genehmigt hat, und zum anderen darauf, welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe diesen Genehmigungen zu Grunde lagen.

223

Die Antragsgegnerin war verpflichtet, den ersten Teil der Frage zu beantworten und der Antragstellerin zu 2. mitzuteilen, ob und - bejahendenfalls - wann der Bundessicherheitsrat eine entsprechende positive Genehmigungsentscheidung getroffen hat. Zur Darlegung der Gründe für die etwaige Entscheidung des Bundessicherheitsrates war sie hingegen nicht verpflichtet (siehe Rn. 177).

224

b) Hinsichtlich der Zusatzfrage der Antragstellerin zu 2. (PlenProt 17/119, S. 13803 D) und ihrer dringlichen Frage (BTDrucks 17/6438, S. 1; PlenProt 17/119, S. 13810 D) war die Antragsgegnerin zur Antwortverweigerung berechtigt, da diese Fragen ebenfalls auf die Gründe für eine vermeintlich getroffene Entscheidung des Bundessicherheitsrates abzielten.

225

c) Auch die Antwort auf die Zusatzfrage der Antragstellerin zu 2. (PlenProt 17/119, S. 13811 A) hat die Antragsgegnerin in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verweigert. Die Frage, auf welche Weise die Bundesregierung ausschließt, dass die für Saudi-Arabien genehmigten Rüstungsexportgüter zu innerer Repression genutzt werden, könnte durch die Antragsgegnerin nur beantwortet werden, indem sie Absprachen offenlegt, die sie mit dem Empfängerstaat getroffen hat. Hierzu ist sie aus Gründen des Staatswohls nicht verpflichtet.

226

Die Antragsgegnerin müsste zur Beantwortung der Frage zunächst offenlegen, ob sie davon ausgegangen ist, dass die Nutzung der zur Ausfuhr vorgesehenen Rüstungsgüter zu innerer Repression durch den Empfängerstaat konkret drohte. Derartige Ausführungen könnten zu einer erheblichen Beeinträchtigung außenpolitischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland führen und unter Umständen Rückschlüsse auf bestimmte Informationsquellen zulassen, an deren Geheimhaltung die Bundesregierung gerade im Verhältnis zu dem betroffenen Land zum Schutz seiner Informationskanäle ein berechtigtes Interesse hat (siehe Rn. 176). Sollte hingegen auf konkrete Absprachen oder Auflagen verzichtet worden sein, könnte dies für bestimmte außenpolitische Interessen der Bundesrepublik an dem konkreten Exportgeschäft sprechen, deren Öffentlichwerden die Abschätzbarkeit der deutschen Außenpolitik für andere Länder erleichtern und damit Verhandlungs- und Gestaltungsspielräume verengen kann (siehe Rn. 177). Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass die maßgebenden Gründe für eine solche Genehmigungsentscheidung für die parlamentarische Kontrolle von Bedeutung sind, darf die Antragsgegnerin die Offenlegung der Gründe daher verweigern.

227

3. Soweit die Anträge der Antragstellerin zu 3. zulässig sind, haben sie keinen Erfolg, da die Antragsgegnerin die Antwort auf die betreffenden Fragen verweigern durfte.

228

a) Die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B) danach, ob im Vorfeld der vermeintlichen Entscheidung des Bundessicherheitsrates die Zustimmung Israels und der USA zu dem Rüstungsexportgeschäft eingeholt worden sei, betrifft den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Regierung. Die Bundesregierung ist nicht verpflichtet, über den Inhalt und den Verlauf der Beratungen im Bundessicherheitsrat Auskunft zu geben (Rn. 172). Dies gilt auch für Gespräche, die zur Vorbereitung einer Entscheidung des Gremiums mit anderen Staaten geführt wurden. Müssten Drittstaaten damit rechnen, dass ihre der Bundesregierung gegenüber vertraulich abgegebenen Einschätzungen alsbald nach der getroffenen Entscheidung veröffentlicht werden, so wäre zu befürchten, dass die Bundesrepublik künftig nicht mehr mit derartigen Informationen versorgt würde. Die Antwort kann insoweit folglich auch aus Gründen des Staatswohls verweigert werden.

229

b) Die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13814 B, im Antrag bezeichnet mit "S. 13841 B") der Antragstellerin zu 3., ob die Verfolgung Homosexueller durch ein Land der Genehmigungsfähigkeit einer Ausfuhr von Panzern an diesen Staat entgegenstünde, betrifft wiederum einen Abwägungsvorgang innerhalb des Bundessicherheitsrates, der als Teil des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung geschützt ist.

230

c) Entsprechendes gilt für die schriftliche Frage vom 14. Juli 2011 (Frage 7/174; BTDrucks 17/6658, S. 26), mit der die Antragstellerin zu 3. direkt nach den Gründen für die vermeintliche Genehmigung der Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern an Saudi-Arabien fragt.

231

d) Hinsichtlich der weiteren schriftlichen Frage vom 14. Juli 2011 (Frage 7/175; BTDrucks 17/6658, S. 27) kann auf die Ausführungen zu der entsprechenden Frage des Antragstellers zu 1. verwiesen werden (siehe Rn. 216 ff.). Auch insoweit durfte die Antragsgegnerin die Antwort verweigern.

D.

232

Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), liegen nicht vor.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

1. Die Antragsgegnerin hat

a) den Antragsteller zu 1. durch die Antworten auf die in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 6. Juli 2011 gestellte Frage PlenProt 17/119, S. 13802 D, soweit sich diese auf die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien bezieht, und auf die schriftliche Frage 7/193 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) soweit sich diese darauf bezieht, ob eine positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates vorliegt,

b) die Antragstellerin zu 2. durch die Antwort auf die schriftliche Frage 7/132 von Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 24) soweit sich die Frage darauf bezieht, ob eine positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates vorliegt,

nach Maßgabe der Gründe in deren Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes verletzt.

2. In dem unter B.II.2. genannten Umfang werden die Anträge verworfen und im Übrigen zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Antragsteller sind Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Sie wenden sich dagegen, dass die Bundesregierung, die Antragsgegnerin, verschiedene Anfragen zu Kriegswaffenexporten nicht oder nur unzureichend beantwortet habe. Die Fragen betrafen die nach Presseberichten angeblich von der Antragsgegnerin erteilte Genehmigung für die Lieferung von 200 Panzern des Typs Leopard 2 an Saudi-Arabien sowie Waffenexporte nach Saudi-Arabien und Algerien.

I.

2

1. Die Ordnung der Kriegswaffenexportkontrolle hat in Deutschland Verfassungsrang. Nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG dürfen zur Kriegsführung bestimmte Waffen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt nach Satz 2 ein Bundesgesetz.

3

Das Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen - Kriegswaffenkontrollgesetz - KWKG) regelt die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Beförderung von Kriegswaffen innerhalb und außerhalb des Bundesgebietes sowie die Vermittlung und den Abschluss von Verträgen über den Erwerb oder das Überlassen von Kriegswaffen, die sich außerhalb des Bundesgebietes befinden. Kriegswaffen im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes sind gemäß § 1 Abs. 1 KWKG die in der dem Gesetz als Anlage beigefügten Kriegswaffenliste aufgeführten Gegenstände, Stoffe und Organismen. Die Ausfuhr von Kriegswaffen setzt nach § 3 Abs. 3 KWKG eine Beförderungsgenehmigung voraus. Über diese Genehmigung, die jederzeit widerrufen werden kann, wird nach Ermessen entschieden, sofern keine zwingenden Versagungsgründe nach § 6 Abs. 3 KWKG vorliegen. Zu versagen ist die Genehmigung unter anderem, wenn die Gefahr besteht, dass die Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung, insbesondere bei einem Angriffskrieg, verwendet werden, § 6 Abs. 3 Nr. 1 KWKG. Leitlinien für die Ermessensentscheidung bilden die "Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" vom 19. Januar 2000 (Bundesanzeiger Nr. 19 vom 28. Januar 2000, S. 1299 ff.). Gemäß § 3 Abs. 4, § 4 Abs. 2 und § 4a Abs. 4 KWKG können allgemeine Genehmigungen erteilt werden. Dies erfolgt durch Rechtsverordnungen der Bundesregierung, die der Zustimmung des Bundesrates nicht bedürfen, § 8 Abs. 1 und 4 KWKG.

4

Da alle Kriegswaffen im Sinne des KWKG zugleich in der Ausfuhrliste der Verordnung zur Durchführung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWV - Anlage AL) aufgeführt sind, ist für deren Ausfuhr regelmäßig auch eine Genehmigung nach dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) erforderlich (Ehrlich, in: Bieneck (Hrsg.), Handbuch des Außenwirtschaftsrechts, 2. Aufl. 2005, § 2 Rn. 4). Weitere Genehmigungsanforderungen für den Export militärisch relevanter Güter können sich aus Unionsrecht ergeben, namentlich aus der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 des Rates vom 5. Mai 2009 über eine Gemeinschaftsregelung für die Kontrolle der Ausfuhr, der Verbringung, der Vermittlung und der Durchfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck (sogenannte "Dual-Use-Verordnung", ABl L 134 vom 29. Mai 2009, S. 1 ff.) zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 388/2012 vom 19. April 2012 (ABl L 129 vom 16. Mai 2012, S. 12 ff.).

5

Zuständig für die Erteilung oder Versagung von Ausfuhrgenehmigungen nach dem AWG und der AWV ist gemäß § 13 Abs. 1 AWG grundsätzlich das zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (ehemals Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie) gehörende Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Außenwirtschaftsrechts (BGBl I 2013 S. 1482) am 1. September 2013 ergab sich diese Zuständigkeit aus § 28 Abs. 3 Nr. 1 AWG in Verbindung mit § 1 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten im Außenwirtschaftsverkehr vom 18. Juli 1977 (BGBl I S. 1308), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 27. Juli 2011 zur Umsetzung der Richtlinie 2009/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 zur Vereinfachung der Bedingungen für die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern (BGBl I S. 1595).

6

Die Zuständigkeit für die Erteilung der Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen liegt nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG, § 11 Abs. 1 KWKG bei der Bundesregierung. Durch § 11 Abs. 2 und 3 KWKG wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates nicht bedarf, die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung auf bestimmte Bundesministerien für ihren jeweiligen Geschäftsbereich zu übertragen. Von dieser Delegationsbefugnis hat die Bundesregierung mit Erlass der Ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen vom 1. Juni 1961 (BGBl I S. 649), zuletzt geändert durch Art. 344 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl I S. 2407, 2453) Gebrauch gemacht. Durch § 1 der Ersten Durchführungsverordnung wird die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung für den Bereich der Bundeswehr auf das Bundesministerium für Verteidigung (Abs. 1 Nr. 1), für den Bereich des Zollgrenzdienstes auf das Bundesministerium der Finanzen (Abs. 1 Nr. 2), für den Bereich der für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörden oder Dienststellen sowie der Behörden des Strafvollzugs auf das Bundesministerium des Innern (Abs. 1 Nr. 3) und für alle übrigen Bereiche auf das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Abs. 1 Nr. 4) übertragen. Für die Beförderung von Kriegswaffen mit deutschen Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im Ausland überträgt § 1 Abs. 2 Satz 1 der Ersten Durchführungsverordnung die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung auf das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, das diese Befugnis nach Satz 2 im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt ausübt.

7

§ 10 KWKG enthält Bestimmungen über Inhalt und Form der Genehmigung, die weiteren Einzelheiten des Genehmigungsverfahrens sind geregelt in der auf der Grundlage von § 11 Abs. 4 KWKG von der Bundesregierung erlassenen Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen vom 1. Juni 1961 (BGBl I S. 649), zuletzt geändert durch Art. 31 des Gesetzes über die Zusammenlegung des Bundesamtes für Wirtschaft mit dem Bundesausfuhramt vom 21. Dezember 2000 (BGBl I S. 1956).

8

In der Praxis der Genehmigungsverfahren nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz und dem Außenwirtschaftsgesetz hat sich das gesetzlich nicht geregelte Institut der Voranfrage herausgebildet. Durch eine Voranfrage kann ein Unternehmen frühzeitig klären, ob die für ein beabsichtigtes Exportgeschäft erforderliche Genehmigung voraussichtlich erteilt würde. Über Voranfragen wird nach den gleichen Kriterien entschieden wie über Genehmigungsanträge. Voranfragen zu Kriegswaffenausfuhren sind an das Auswärtige Amt und bei sonstigen Rüstungsgütern an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zu richten. Auch das weitere Verfahren entspricht der Bearbeitung von Anträgen auf Genehmigungserteilung. Bedeutende Vorhaben werden dem Bundessicherheitsrat vorgelegt. Die Voranfrage ersetzt nicht die - im Regelfall erst nach Abschluss des jeweiligen Kaufvertrages - zu beantragende Genehmigung (siehe zum Ganzen den vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie herausgegebenen "Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahre 2013 - Rüstungsexportbericht 2013" vom Mai 2014, S. 6 f.).

9

Bei Ausfuhrvorhaben, die im Hinblick auf das Empfängerland, das Rüstungsgut oder den Geschäftsumfang von besonderer Bedeutung sind, wird in der Regel der Bundessicherheitsrat befasst (Rüstungsexportbericht 2013, S. 7). Beim Bundessicherheitsrat handelt es sich um einen Kabinettausschuss zur ressortübergreifenden Koordinierung von Aspekten der Verteidigungs- und Außenpolitik sowie von Gesichtspunkten des Außenwirtschaftsrechts (Busse/Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, 5. Aufl. 2010, S. 97). Den Vorsitz im Bundessicherheitsrat führt die Bundeskanzlerin, weitere Mitglieder sind die Bundesministerinnen und Bundesminister des Auswärtigen, des Innern, der Justiz und für Verbraucherschutz, der Finanzen, für Wirtschaft und Energie, der Verteidigung, für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und der Chef des Bundeskanzleramtes (Rüstungsexportbericht 2013, ebd.). Andere Teilnehmer werden bei Bedarf mit beratender Stimme hinzugezogen, so etwa andere Bundesministerinnen und -minister, der Generalinspekteur der Bundeswehr, die Chefs des Bundespräsidialamtes und des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, die Beauftragte der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle usw. Die Abstimmung im Bundessicherheitsrat erfolgt nach den Grundsätzen, die § 24 der Geschäftsordnung der Bundesregierung für Kabinettsitzungen vorsieht. Die Sitzungen des Bundessicherheitsrates werden durch ein beim Bundeskanzleramt angesiedeltes interministerielles Sekretariat und einen Ausschuss auf Staatssekretärsebene vorbereitet. Die Ergebnisse der Beratungen des Bundessicherheitsrates werden in Sitzungsprotokollen festgehalten, die mit dem Geheimhaltungsgrad "Geheim" eingestuft sind (zum Ganzen Glawe, Organkompetenzen und Handlungsinstrumente auf dem Gebiet der nationalen Sicherheit, 2011, S. 35 ff.; Zähle, Der Staat 44 (2005), S. 462 <471 ff.>).

10

2. Die Bundesregierung informiert durch ihre jährlichen Rüstungsexportberichte über die im vorangegangenen Kalenderjahr erteilten Genehmigungen zur Ausfuhr von Rüstungsgütern und die tatsächlich erfolgten Ausfuhren von Kriegswaffen. Die Berichte werden bislang regelmäßig in der zweiten Jahreshälfte des auf das Berichtsjahr folgenden Jahres veröffentlicht (zu beabsichtigten Änderungen siehe Rn. 103). Sie enthalten statistische Angaben zu den erteilten Genehmigungen ohne Nennung des jeweiligen Exportunternehmens und Angaben in allgemeiner Form zu abgelehnten Anträgen. Begründungen für die Genehmigung oder Ablehnung eines Rüstungsexportgeschäftes werden nicht mitgeteilt soweit nicht nach dem Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern (ABl L 335 vom 13. Dezember 2008, S. 99 ff.) im Rahmen der danach vorgesehenen Ablehnungsanzeigen (sogenannte denial notifications) Ablehnungsgründe mitgeteilt wurden. Auch über die in dem jeweiligen Berichtsjahr beschiedenen Voranfragen betreffend die Genehmigungsfähigkeit bestimmter Ausfuhrvorhaben wird nicht berichtet (siehe zum Ganzen Rüstungsexportbericht 2013, S. 17).

11

Bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen beruft sich die Bundesregierung in ständiger Praxis darauf, dass Sitzungen und Entscheidungen des Bundessicherheitsrates der Geheimhaltung unterlägen und deshalb keine Auskunft gegeben werden könne (vgl. etwa BTDrucks 14/383, S. 2; 14/1466 S. 2; 14/1938, S. 3; PlenProt 14/68, S. 6063 A, 6066 A; BTDrucks 14/2483, S. 27 f.; 14/3619, S. 4 und 5; 14/3657, S. 3; 14/6958, S. 1 f.; 15/288, S. 26; 15/5998, S. 16; 16/7969, S. 6; PlenProt 16/97, S. 9947 C; PlenProt 16/99, S. 10101 D, 10102 A; zu einzelnen Ausnahmen vgl. etwa PlenProt 14/68, S. 6063 D und PlenProt 16/223, S. 24509).

12

Zu Voranfragen über die Genehmigungsfähigkeit bestimmter Ausfuhrvorhaben äußert sich die Bundesregierung bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen grundsätzlich nicht (vgl. BTDrucks 17/10520). Teilweise wurde in der Vergangenheit allerdings mitgeteilt, ob eine Voranfrage hinsichtlich der Genehmigungsaussichten eines bestimmten Exportgeschäfts (vgl. etwa BTDrucks 14/383, S. 1 und 2; 14/1466, S. 2; PlenProt 14/107, S. 10045 C und D, 10046 B; BTDrucks 14/3619, S. 2 und 3; 16/7969, S. 6) oder ein Genehmigungsantrag vorliegt (vgl. BTDrucks 14/3619, S. 3; 14/4213, S. 25; 14/4364, S. 3; 15/4295, S. 21 f.; 16/3430, S. 3; 17/9710, S. 12; 17/2889, S. 3). Nach Darstellung der Bundesregierung wird über abgelehnte Anträge, soweit sie den Bundessicherheitsrat involvieren, überhaupt nicht, ansonsten nur in Form des Rüstungsexportberichts Auskunft gegeben (vgl. PlenProt 17/161, S. 19141 B).

13

Die Gründe für die Ablehnung von Anträgen teilt die Bundesregierung auf parlamentarische Anfragen hin grundsätzlich nur mit, wenn diese nach dem Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP ohnehin als denial notification anzuzeigen sind (vgl. BTDrucks 16/12673, S. 8; 17/8275, S. 11 f.; 17/3391, S. 8).

II.

14

Dem Verfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

15

1. Anfang Juli 2011 berichteten mehrere Zeitschriften, Saudi-Arabien habe an mehr als 200 Panzern "Leopard" in der modernsten Version Interesse. Der Bundessicherheitsrat habe den Export grundsätzlich gebilligt. Die Artikel kritisierten die Panzerlieferung unter Verweis darauf, dass saudi-arabische Truppen im benachbarten Bahrain geholfen hätten, Proteste gegen die Regierung niederzuschlagen, und dass Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien in jüngerer Zeit stets abgelehnt worden seien. Zudem wurde berichtet, Deutschland wolle mit Algerien "milliardenschwere Rüstungsexporte abwickeln".

16

2. In der Fragestunde im Deutschen Bundestag am 6. Juli 2011 stellte der Abgeordnete Volker Beck die dringliche Frage 1, wie die Bundesregierung die Genehmigung der Lieferung von mehr als 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien vor dem Hintergrund von Saudi-Arabiens Intervention in Bahrain und der Lage im Nahen Osten rechtfertige. Hierauf antwortete der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Hans-Joachim Otto, nach allgemeinen Ausführungen über die Entscheidungsgrundlagen für Rüstungsexporte (PlenProt 17/119, S. 13797 D):

17

" (...) Bei etwaigen Ausfuhrvorhaben, die besonders brisant oder von besonderem Interesse sind, entscheidet in der Regel der Bundessicherheitsrat. (...) Herr Kollege Beck, Sie wissen genauso gut wie ich, dass der Bundessicherheitsrat seit jeher geheim tagt. Auch die Tagesordnungen und die Ergebnisse sind als Geheim eingestuft. Daher kann - dafür haben Sie sicherlich Verständnis - die Bundesregierung zu den Presseberichten über angebliche Entscheidungen des Bundessicherheitsrates keine Stellung nehmen. Ich möchte hinzufügen: Das war noch nie anders.

Die Notwendigkeit zur Geheimhaltung - das will ich noch erläutern - entsteht nicht aus irgendwelchen subjektiven Interessen oder Wünschen des Kabinetts oder des Bundessicherheitsrates, sondern es geht vorrangig um das Schutzbedürfnis der Beziehungen Deutschlands zu den möglichen Empfängerländern. Ein weiterer Grund ist der Schutz der Interessen des Empfängerlandes.

Zu den konkreten Presseberichten kann und darf ich deshalb nicht Stellung nehmen. Ich will aber trotzdem kurz zu Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien allgemein Stellung nehmen. (...)"

18

Auf eine Zusatzfrage des Abgeordneten Beck hin führte der Parlamentarische Staatssekretär Otto unter anderem aus:

"Herr Kollege Beck, erstens liegen Sie falsch, wenn Sie meinen, dass die Ergebnisse der Sitzungen des Bundessicherheitsrats in die Öffentlichkeit getragen werden dürfen. Es ist sogar so, dass man sich strafrechtlich zu verantworten hätte, wenn man der Öffentlichkeit Dienstgeheimnisse preisgäbe. (…) Weil das so ist - weil der Bundessicherheitsrat nicht öffentlich, sondern geheim tagt und auch die Ergebnisse geheim sind -, kann ich zum Thema Bahrain nicht im Einzelnen Stellung nehmen. (...) Ich kann weder bestätigen noch dementieren, dass es überhaupt eine Entscheidung gegeben hat."

19

Nach weiteren Zusatzfragen stellte der Antragsteller zu 1. die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13802 D):

"Herr Staatssekretär, Sie haben gerade auf die Fragen des Kollegen geantwortet, die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien sei anders als die in Deutschland. Ich frage Sie deshalb: Ist der Bundesregierung bekannt, dass in Saudi-Arabien von Amts wegen - also von Staats wegen - Menschen ausgepeitscht, in entwürdigender Art und Weise hingerichtet und unterdrückt werden, dass keine Bürgerrechte gelten, dass insbesondere Frauen, die nicht einmal Auto fahren dürfen, unterdrückt werden? Gibt die Bundesregierung mir recht, dass es sich hierbei um eine innere Repression sowie um eine fortdauernde und systematische Menschenrechtsverletzung handelt? Ist es, wenn solche Voraussetzungen vorliegen, nach den Richtlinien für Rüstungsexporte in solche Länder so, dass Genehmigungen nicht in Betracht kommen?"

20

Antwort Otto:

"Herr Kollege Ströbele, sollte es zu einer Entscheidung gekommen sein oder sollte es noch zu einer Entscheidung kommen, sind all diese Dinge zu berücksichtigen. Es ist nicht meine Aufgabe, jetzt hier eine Menschenrechtslage im Detail zu beurteilen. Ich bin Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Im Übrigen gibt es in Bezug auf diese Gesichtspunkte einen Abwägungsprozess. Auch die Menschenrechtslage ist im Rahmen eines Abwägungsprozesses zu berücksichtigen. Ich habe Ihnen bzw. Kollegen von Ihnen schon gesagt, dass wir uns - sonst würden wir den Menschenrechtsdialog nicht führen - Verbesserungen an dieser Front wünschen und diese anstreben. Wie Sie wissen, macht die EU das. Das gilt auch für die Bundesregierung. Detailfragen aber - ob Auspeitschungen und ähnliche Dinge vorkommen - sind nicht an den Bundeswirtschaftsminister zu richten."

21

Der Bundestagspräsident wies darauf hin, dass die Antworten unbeschadet der Aufteilung auf die Ressorts an die Regierung gerichtet und von dieser beantwortet würden.

22

Nach einer weiteren Zusatzfrage stellte die Antragstellerin zu 2. die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13803 D):

" (...) Herr Staatssekretär, Sie haben zu Beginn Ihrer Ausführungen die Rechtsgrundlagen dargelegt und die Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung zitiert. Danach sind Kriegswaffenexporte in Drittstaaten grundsätzlich verboten. Von diesem Grundsatz darf nur ausnahmsweise, beim Vorliegen besonderer sicherheitspolitischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland, abgewichen werden."

23

Antwort Otto:

"Korrekt".

24

Die Antragstellerin zu 2.:

"Dort steht aber auch: Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine Rolle spielen."

25

Antwort Otto:

"Keine ausschlaggebende."

26

Die Antragstellerin zu 2.:

"Können Sie ausschließen, dass bei der Entscheidung des Bundessicherheitsrates beschäftigungspolitische oder gar industriepolitische Gründe eine Rolle gespielt haben?"

27

Antwort Otto:

"Frau Kollegin, zunächst einmal: Ich kann Ihnen aus den bekannten Gründen gar keine Auskunft darüber geben, ob diese Entscheidung getroffen worden ist oder nicht. Ich möchte aber, um das klarzustellen, die entsprechende Stelle der Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung zitieren. In den Politischen Grundsätzen heißt es: Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine ausschlaggebende Rolle spielen. Dies bedeutet allerdings im Umkehrschluss, dass sie eine gewisse Rolle spielen dürfen, sozusagen als nachrangige Gründe. Ich kann mir vorstellen, dass dies auch bei ähnlichen Entscheidungen in der Vergangenheit der Fall war. Das wäre auch völlig legitim gewesen, weil die Politischen Grundsätze wie erwähnt niedergelegt worden sind. Ausschlaggebend ist das sicherheits- und bündnispolitische Interesse. Nachrangig können auch beschäftigungspolitische Gründe eine Rolle spielen."

28

Die Antragstellerin zu 3. schloss die Zusatzfrage an (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B):

" (...) Herr Otto, meine erste Frage. In der heutigen Ausgabe der seriösen Süddeutschen Zeitung war zu lesen: Aus Regierungskreisen verlautete, dass im Vorfeld der Entscheidung im Bundessicherheitsrat am 27. Juni dieses Jahres die Zustimmung von Israel und den USA eingeholt worden sei und dass beide Staaten nicht nur konsultiert worden seien, sondern auch keine Bedenken angemeldet hätten. - Stimmen diese Verlautbarungen aus Regierungskreisen? Meine zweite Frage. Sie haben vorhin gesagt, es gehe darum, dass die deutsche Außenpolitik die Werteordnung in der Region, in Saudi-Arabien, stabilisieren will. Von welcher Werteordnung sprechen Sie? Sind Menschenrechte Ihrer Meinung nach nicht universell gültig, sondern ist ihre Geltung von der jeweiligen Region abhängig?"

29

Antwort Otto:

"Ich möchte zunächst zu Ihrer zweiten Frage Stellung nehmen. Selbstverständlich sind Menschenrechte - sie sind in der UN-Menschenrechtscharta niedergelegt - weltweit gültig. (…)

Insofern: Die Standards, an denen wir die Menschenrechtslage messen, sind in der UN-Menschenrechtscharta niedergelegt, und an dieser universell geltenden Charta halten wir fest. Ich habe bereits geschildert, dass es in Saudi-Arabien diesbezüglich Defizite gibt. Sonst würden wir auch nicht in einem ständigen Dialog stehen.

Zu dem ersten Teil Ihrer Frage würde Herr Staatsminister von Klaeden gerne Stellung nehmen, wenn, Herr Präsident, das erlaubt ist."

30

Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin:

"Frau Kollegin Roth, es gilt das, was Kollege Staatssekretär Otto bereits gesagt hat, nämlich dass wir zu den Sitzungen des Bundessicherheitsrates keine Auskunft geben. Das gilt dann eben auch für die Frage, ob Pressemeldungen dementiert oder bestätigt werden. Ich will aber gerne noch einmal die Gelegenheit nutzen, einige Sätze zu unseren Beziehungen zu Saudi-Arabien zu sagen, damit hier kein unausgewogenes Bild entsteht. Hinsichtlich der Menschenrechtslage in Saudi-Arabien besteht zwischen der Einschätzung der seriösen Menschenrechts- und Außenpolitiker des Bundestages und der Einschätzung der Bundesregierung keine Differenz. Warum Saudi-Arabien trotz seiner schwierigen Menschenrechtssituation gleichwohl ein wichtiger Partner für uns ist, will ich an folgenden Punkten deutlich machen: (...)"

31

Nach weiteren Zusatzfragen zur Rolle Saudi-Arabiens in Bezug auf terroristische Aktivitäten und die Ereignisse in Bahrain stellte der Abgeordnete Dr. Frithjof Schmidt die Zusatzfrage, ob die Bundeskanzlerin die Ermächtigung erteilen könne, über Sitzungen des Bundessicherheitsrates Auskunft zu geben, und ob eine politische Begründung genannt werden könne, weshalb sie dies nicht tue.

32

Antwort Otto:

"Ich nehme hier nicht die Rolle der Bundeskanzlerin ein. Ich sitze nicht auf ihrem Platz, sondern daneben. Aber ganz klar ist, dass es zumindest seit dem Jahr 2000 völlig unstreitig ist, (...) dass der Verlauf und die Ergebnisse der Sitzungen des Bundessicherheitsrats als Geheim einzustufen sind, was zur Folge hat, dass niemand, auch nicht die Bundeskanzlerin, das Recht hat, dies sozusagen durch freie Entscheidung zu öffnen. (...)"

33

Anschließend wurde die dringliche Frage 2 des Antragstellers zu 1) (BTDrucks 17/6438, S. 1) aufgerufen (PlenProt 17/119, S. 13807 A):

"Welche Angaben macht die Bundesregierung zum jetzt bekannt gewordenen Zustandekommen des Waffengeschäfts über die Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern von Deutschland an Saudi-Arabien hinsichtlich der Zahlung 'nützlicher Aufwendungen' sowie der Vermittler, Unterstützer in der Bundesregierung und Nutznießer dieses Waffengeschäfts?"

34

Antwort Otto:

"Herr Kollege Ströbele, ein Teil Ihrer Frage bezieht sich auf das, was wir eben schon ausgiebig diskutiert haben. Ich nehme Bezug auf das, was ich eben schon gesagt habe, und möchte das nicht verlängern. Im Übrigen kann ich Ihnen mitteilen, dass der Bundesregierung keinerlei Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vorliegen, die irgendwie im Zusammenhang mit dem in der Presseberichterstattung genannten Geschäft stehen könnten. Wäre es anders, würde die Bundesregierung von irgendeiner gesetzwidrigen Zahlung Erkenntnisse bekommen, dann wäre das eine Sache der Strafverfolgungsbehörden. Auch insofern verweise ich auf die Richtlinie der Bundesregierung zur Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung vom 30. Juli 2004. Sie werden sie sicherlich noch gut kennen; sie ist nämlich in der Zeit der rot-grünen Regierungskoalition verabschiedet worden. Auch sie, Herr Kollege Ströbele, gilt unverändert fort."

35

Der Antragsteller zu 1. stellte folgende Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C):

"Herr Staatssekretär, Ihre Auffassung, dass Sie hier jegliche Auskunft über das Geschäft verweigern dürfen, ist nicht nur abenteuerlich, sondern verfassungswidrig. Sie hebeln faktisch das Recht des Deutschen Bundestages, die Bundesregierung zu kontrollieren, in diesem wichtigen Punkt, der mindestens die Hälfte der deutschen Bevölkerung beschäftigt, für ein Jahr aus.

Meine Frage an Sie lautet: Wie viel kosten die 200 Leopard-Kampfpanzer, wenn man sie in Deutschland kauft bzw. verkauft, und wie viel soll die saudi-arabische Regierung dafür bezahlen? Denn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Kaufpreis und dem, was tatsächlich gezahlt wird, gilt wie schon im Jahr 1991 als sogenannte nützliche Aufwendungen, das heißt Bestechungsgelder.

Deshalb richte ich als Abgeordneter des Bundestages, der die Bundesregierung auch bei diesem Geschäft kontrollieren muss, diese Frage an Sie."

36

Antwort Otto:

"Herr Kollege Ströbele, mit allem Respekt: Es ist sehr mutig, was Sie hier machen. Zunächst einmal weise ich den Vorwurf, ich würde mich verfassungswidrig verhalten, mit allem Nachdruck zurück. Ich mache genau das, was alle Bundesregierungen bisher aus gutem Grund gemacht haben. Nennen Sie mir einen einzigen Fall aus den vergangenen Jahren, auch unter rot-grüner Regierung, in dem sich ein Staatssekretär hier hingestellt hat und gesagt hat: Herr Ströbele, das und das ist im Bundessicherheitsrat beschlossen worden. - Das hat es nie gegeben, und dafür gibt es gute Gründe. Das hat mit Verfassungswidrigkeit nichts zu tun. Es war die rot-grüne Bundesregierung, die noch einmal festgestellt hat, dass die Berichterstattung über die Beschlüsse des Bundessicherheitsrates und die Rüstungsexportpolitik in einem jährlichen Rüstungsexportbericht niedergelegt wird. Dadurch wird das Parlament beteiligt.

Der Rüstungsexportbericht für 2010 wird in Kürze veröffentlicht. Ich kann Ihnen die Zahlen für Saudi-Arabien geben. Im Übrigen, Herr Kollege Ströbele, zu dem, was Sie da an Spekulationen geäußert haben - also zur Preisdifferenz; das, was in der Presse steht -, will ich in keiner Weise Stellung nehmen. Ich halte Ihre Spekulationen wirklich für abenteuerlich und weise sie zurück. Die Annahme, dass ein in Saudi-Arabien gegenüber Deutschland veränderter Preis automatisch mit nützlichen Aufwendungen, kriminellen Handlungen verbunden ist, ist wirklich - mit Verlaub - Ihre private Meinung. Das ist nicht die Meinung der Bundesregierung."

37

Der Antragsteller zu 1. stellte folgende zweite Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13807 D, S. 13808 A):

"Herr Staatssekretär, bis zum Jahre 1999 habe ich es auch als abenteuerlich angesehen, dass ein ausgewachsener deutscher Bundeskanzler Barbeträge, gebündeltes Bares von Spendern anonym entgegennimmt und in seine Jackentasche steckt. Ich habe es auch als abenteuerlich angesehen, dass 220 Millionen Euro an sogenannten nützlichen Aufwendungen gezahlt wurden, von denen 1 Million an die CDU, an deren Schatzmeister, geflossen sind. Das war alles abenteuerlich. Seit dem Jahr 1999 weiß ich, dass so etwas in der Bundesrepublik Deutschland möglich ist. Deshalb stelle ich Ihnen nochmals die Frage: Sind Sie bereit, über Einzelheiten dieses Geschäfts dem Deutschen Bundestag Auskunft zu geben, oder verweigern Sie diese weiterhin in verfassungswidriger Weise?"

38

Antwort Otto:

"Herr Kollege Ströbele, in aller Klarheit: Der Vorwurf an ein Mitglied der Bundesregierung, sich verfassungswidrig zu verhalten, ist starker Tobak. Sie wissen genauso gut wie ich, weil Sie langjähriger Parlamentarier sind: Niemand von denen, die hier Zwischenrufe machen, würde sich anders verhalten, wenn er in meiner Situation wäre, niemand. Ich würde mich sogar strafbar machen, wenn ich irgendwelche Erkenntnisse, die ich als Mitglied der Bundesregierung erhalten habe, hier offenbarte. Das geht nicht anders. Das war zu Ihrer Zeit auch nicht anders. Dafür gibt es gute Gründe; das habe ich schon gesagt. Das hat mit Verfassungswidrigkeit gar nichts zu tun, Herr Kollege Ströbele, bei allem Respekt. Zu dem, was Sie zu früheren Zeiten, zu 1999, gesagt haben - auch ich war in dem Untersuchungsausschuss Mitglied -: Das ist aufgeklärt worden. Das wird sich auch nicht wiederholen. Ich hoffe nicht, dass durch Ihre Frage intoniert werden sollte, die jetzige Bundesregierung hätte Ähnliches vor oder getan. Ich weise das in aller Klarheit zurück. Das ist aufgearbeitet worden. Es hat auch Strafverfahren gegeben. Dass Sie das jetzt in einen Zusammenhang mit diesen Presseberichten stellen, finde ich schon sehr fragwürdig."

39

Zu weiteren Zusatzfragen zu bisherigen Anfragen Saudi-Arabiens wegen des Erwerbs von Panzern führte der Parlamentarische Staatssekretär Otto aus:

"Diese Antwort habe ich genauso zu verweigern wie jede andere. Auch solche Anfragen sind geheimschutzbedürftig. Ich bin nicht befugt, jede Frage nach Anfragen nach Rüstungsgütern zu beantworten. Das ist sehr naheliegend; denn wenn die Bundesregierung verpflichtet wäre, schon bei Eingang einer Anfrage die Öffentlichkeit zu informieren, dann würden viele - vielleicht sogar nach Ihrer Meinung - notwendige Geschäfte vereitelt. Das gilt übrigens auch für Anfragen jenseits von Rüstungsgütern, zum Beispiel nach Dual-use-Gütern. Die Verwaltung ist nicht befugt, Auskünfte über Anfragen nach Rüstungsgütern oder sonstige Exportgenehmigungen zu erteilen. Genauso wie bei jedem anderen Verwaltungshandeln ist das alles diskret zu behandeln. Darüber werden in der Öffentlichkeit keine Auskünfte gegeben. All das, was notwendig ist, um das Parlament zu unterrichten, enthält der Rüstungsexportbericht. Der Rüstungsexportbericht und die Stellung des Bundessicherheitsrates gehen nicht auf diese Regierung zurück. Es handelt sich hier um eine jahrzehntelange Praxis."

40

Nach weiteren Zusatzfragen zur Auslegung und Verbindlichkeit der Rüstungsexportrichtlinien, zur Bundesregierung als dem "Erfüllungsgehilfen der deutschen Rüstungslobby" und zum Entscheidungsverfahren im Bundessicherheitsrat wurde die dringliche Frage 3 der Antragstellerin zu 2. (BTDrucks 17/6438, S. 1) aufgerufen (PlenProt 17/119, S. 13810 D):

"Welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe führt die Bundesregierung für die Genehmigung der am 4. Juli 2011 durch das Magazin Der Spiegel gemeldeten Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien an, und wie bewertet die Bundesregierung die Vereinbarkeit dieser Lieferung mit den einzelnen Kriterien des EU-Kodex für Waffenausfuhren?"

41

Antwort Otto:

"Frau Kollegin Keul, nachdem ich schon recht ausführlich zu den dringlichen Fragen 1 und 2 Stellung genommen habe, kann ich in Ihrer Frage keinen zusätzlichen Gehalt erkennen, der über den der dringlichen Frage 1 hinausgeht. Deswegen wiederhole ich das, was ich auf die Frage des Kollegen Beck gesagt habe, auch Ihnen gegenüber."

42

Die Antragstellerin zu 2. stellte die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13811 A):

"Ich wüsste gerne, auf welche Weise die Bundesregierung ausschließt, dass die für Saudi-Arabien genehmigten Rüstungsexportgüter zu innerer Repression genutzt werden."

43

Antwort Otto:

"Frau Kollegin Keul, wenn ich dazu Stellung nähme, würde ich eine Auskunft geben, dass es eine Entscheidung gegeben hat oder dass es keine Entscheidung gegeben hat. Da ich diese Auskunft aus den bekannten Gründen nicht geben kann, kann ich Ihre Frage nicht beantworten. Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Grundsätze, sowohl die Politischen Grundsätze der Bundesregierung als auch die des Europäischen Rates, in jedem Einzelfall zu beachten sind und von der Bundesregierung in jedem Fall auch peinlich beachtet werden. Das ist die klare Aussage. Das ist eine Selbstbindung der Bundesregierung, die nach wie vor gilt. Da gibt es keine Veränderung. Es ist genau so wie in den Jahren vorher."

44

Als im Folgenden thematisiert wurde, ob es einen Austausch mit anderen Regierungen im Hinblick auf die Genehmigung gegeben habe, antwortete der Parlamentarische Staatssekretär Otto:

" (…) Das betrifft nicht den Bundessicherheitsrat, aber dabei handelt es sich um sicherheitspolitische Interessen, die hier nicht auf dem Markt verhandelt werden können. (…) Sicherheitspolitische Absprachen zwischen Bündnisländern können hier nicht im Einzelfall besprochen werden. Das kann nicht anders sein, und das gilt unabhängig von Rüstungsexportfragen. (…) Das sind Rücksichtnahmen auch auf bilaterale Beziehungen. (…)"

45

Später wurde die dringliche Frage 4 des Abgeordneten Niema Movassat aufgerufen:

"Wie vereinbart die Bundesregierung die geplante Lieferung von Panzern an Saudi-Arabien mit ihren Äußerungen, an der Seite der Demokratiebewegung in den arabischen Ländern zu stehen?"

46

Hierzu stellte die Antragstellerin zu 3. folgende Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13814 B):

"Herr Westerwelle hat in seinen ersten außenpolitischen Leitlinien dafür plädiert, dass jenen Staaten die Entwicklungshilfe zu streichen sei, in denen Männer und Frauen nur deshalb hingerichtet werden, weil sie homosexuell sind.

Unseres Wissens gibt es in Saudi-Arabien eine drakonische Verfolgung von Schwulen und von Lesben. Sie müssen mit der Todesstrafe rechnen, wenn man ihnen Homosexualität nachweisen kann. Muss ich Ihre Äußerungen jetzt so interpretieren, dass Saudi-Arabien keine Entwicklungshilfe, wenn es welche beantragen würde - Konjunktiv! -, bekommen würde, weil dort Homosexualität verfolgt wird, aber Panzer bekommen würde, weil diese zur Stabilisierung der Region beitragen?"

47

Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt:

"Frau Abgeordnete, was die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien anbelangt, will ich unterstreichen, was Sie gesagt haben: Die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien ist auf keinen Fall zu akzeptieren. Sie ist sehr unbefriedigend, auch wenn sich die Regierung seit einigen Jahren für Menschenrechtsthemen öffnet. 2009 gab es 69 Hinrichtungen und 2010 immer noch 29. Schlimm sind auch die religiöse Intoleranz, Frauendiskriminierung und Rechtlosigkeit ausländischer Arbeitskräfte und vieles andere mehr. Bei realistischer Einschätzung muss man sagen, dass die Bemühungen der Regierung und des Schura-Rates, also des rein beratenden und vom König ernannten Parlaments, die wichtigsten internationalen Menschenrechtsstandards in nationales Recht umzusetzen, sicher erst in Jahren erfolgreich sein werden. Das ist sehr unbefriedigend; da gebe ich Ihnen recht. Sehen Sie bitte auf der anderen Seite, dass wir an der Stabilität in dieser Region und an einer entsprechenden Sicherheitspolitik interessiert sind und deshalb auch nach Strohhalmen greifen. Es ist wichtig, dass sich Saudi-Arabien - Staatsminister von Klaeden hat es bereits gesagt - für Friedensinitiativen in der Region engagiert, wie es 2002 der Fall war."

48

3. Im Juli stellte die Antragstellerin zu 2. die schriftliche Anfrage an die Bundesregierung (Frage 7/132; BTDrucks 17/6658, S. 24):

"Wann hat die Bundesregierung den Verkauf von Transportpanzern Fuchs, Last- und Geländewagen, Fregatten oder Verteidigungs- und Sicherheitselektronik für den Grenzschutz bzw. dazu bestimmte Fertigungsanlagen an Algerien genehmigt (vgl. Handelsblatt, "Deutschland gibt Rüstung für Algerien frei", 3. Juli 2011) und welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe führt sie jeweils für die Genehmigung an?"

49

Für die Bundesregierung antwortete der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Jochen Homann, am 15. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 24 f.):

"Über Rüstungsexporte entscheidet die Bundesregierung im Einzelfall und im Lichte der jeweiligen Situation. Grundlage hierfür sind (…).

Bei Ausfuhrvorhaben, die im Hinblick auf das Empfängerland, das Rüstungsgut oder den Geschäftsumfang von besonderer Bedeutung sind, wird in der Regel der Bundessicherheitsrat befasst. (…).

Der Bundessicherheitsrat tagt geheim. Tagesordnung und Ergebnisse sind ebenso eingestuft. Daher kann die Bundesregierung zu den Presseberichten über Entscheidungen des Bundessicherheitsrats keine Stellung nehmen.

Die Notwendigkeit zur Geheimhaltung ergibt sich vorrangig aus dem Schutzbedürfnis der Beziehungen Deutschlands zu den möglichen Empfängerländern. Der Schutz der Interessen des Empfängerlands ist ein weiterer Grund.

Die Bundesregierung informiert über die erteilten Exportgenehmigungen für Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter nach Algerien in ihrem jährlichen Rüstungsexportbericht im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen. Bei der Entscheidung über Rüstungsexporte nach Algerien werden insbesondere die Zusammenarbeit mit Algerien im Kampf gegen den Terrorismus, die legitimen Sicherheitsinteressen Algeriens sowie die Menschenrechtslage in Algerien berücksichtigt."

50

Am 8. Juli 2011 stellte der Antragsteller zu 1. die Frage zur schriftlichen Beantwortung an die Bundesregierung (Frage 7/84; BTDrucks 17/6658, S. 56):

"Inwieweit trifft im Einzelnen zu, dass die Bundeswehr schon im 3. Quartal dieses Jahres - also in den jetzigen Monaten - Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien schicken (bzw. durch den Hersteller schicken lassen) wird und dort - wie schon zu Anfang 2011 in Katar - auf deren Klima- bzw. Wüstentauglichkeit sowie Kampffähigkeit testen lassen will, wie am 24. Mai 2011 der Abteilungsleiter im Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, [Herr] E., oder ein anderer Redner von dem Panzerbataillon 33 in der Wilhelmstein-Kaserne anlässlich der öffentlichen Soldaten-Verabschiedung nach Afghanistan angekündigt haben soll, und sofern dies grundsätzlich zutrifft, wie steht dieses Vorhaben im Zusammenhang mit dem offenbar genehmigten Verkauf von 200 Leopard-Panzern nach Saudi-Arabien?"

51

Für die Bundesregierung antwortete der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium Christian Schmidt am 18. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 56):

" (…) Nach den im BMVg vorliegenden Redetexten der Veranstaltung vom 24. Mai 2011 beim Panzerbataillon 33 lässt sich nicht erkennen, dass einer der Redner die Aussage getätigt hat, Leopard-Panzer sollen durch die Bundeswehr, oder in deren Auftrag durch den Hersteller KMW, in Saudi-Arabien getestet werden.

Ich darf Ihnen mitteilen, dass weder die Bundeswehr selbst noch durch Beauftragte die Klima- bzw. Wüstentauglichkeit sowie Kampffähigkeit von Leopard-Panzern in Saudi-Arabien feststellen lässt."

52

Am 14. Juli 2011 stellte der Antragsteller zu 1. die Frage zur schriftlichen Beantwortung an die Bundesregierung (Frage 7/193; BTDrucks 17/6658, S. 28):

"Welche Angaben macht die Bundesregierung zu getroffenen Entscheidungen der Bundesregierung bzw. ihrer Ausschüsse oder nachgeordneten Stellen betreffend die Lieferung von ca. 200 Panzer LEO in die Krisenregion am arabischen Golf nach Saudi-Arabien, insbesondere zu der bisherigen Verbindlichkeit der Entscheidungen und zu den Inhalten der Entscheidungen wie Verkaufspreise, Lieferbedingungen oder eventuellen Auflagen zum Einsatz in diesem Land oder in anderen Ländern, und wie rechtfertigt die Bundesregierung Entscheidungen über diese Kriegswaffenexporte angesichts der Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung, nach denen solche Kriegswaffenlieferungen in Länder wie Saudi-Arabien, in den fortdauernd und systematisch Menschenrechte verletzt werden, nicht in Betracht kommen?"

53

Für die Bundesregierung antwortete der Staatssekretär beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Dr. Bernhard Heitzer am 21. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 29):

"Der Bundesregierung sind die aktuellen Presseberichte über eine angebliche rüstungsexportkontrollpolitische Entscheidung des Bundessicherheitsrats zur Ausfuhr von 200 Panzern Leopard nach Saudi-Arabien bekannt. Tagesordnung und Entscheidungen des Bundessicherheitsrats unterliegen der Geheimhaltung. Daher kann die Bundesregierung hierzu nicht Stellung nehmen.

In allgemeiner Form kann jedoch gesagt werden:

Über Rüstungsexporte entscheidet die Bundesregierung im Einzelfall und im Lichte der jeweiligen Situation nach sorgfältiger Prüfung unter Einbeziehung außen- und sicherheitspolitischer Erwägungen. Grundlage hierfür sind die 'Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern' aus dem Jahr 2000 und der 'Gemeinsame Standpunkt 2008/944/GASP des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern'. Der Beachtung der Menschenrechte im Empfängerland und den Möglichkeiten eines Missbrauchs des konkreten Rüstungsguts kommen im Rahmen der hiernach vorzunehmenden Gesamtabwägung eine besondere Bedeutung zu.

Saudi-Arabien ist ein stabilisierender Faktor in der Region und wichtiger Partner der Bundesrepublik Deutschland.

Im Rahmen ihrer bilateralen Beziehungen mit Saudi-Arabien setzt sich die Bundesregierung für die Einhaltung von demokratischen Werten und Menschenrechten ein. (…)

(…) Die Bundesregierung verfolgt die aktuellen Entwicklungen in Saudi-Arabien und der Region sehr genau."

54

Am 14. Juli 2011 stellte die Antragstellerin zu 3. die schriftliche Frage an die Bundesregierung (Frage 7/174; BTDrucks 17/6658, S. 26):

"Wie begründet die Bundesregierung die Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern an Saudi-Arabien angesichts der geltenden Richtlinien für Rüstungsexporte, die Waffengeschäfte mit [Staaten wie] Saudi-Arabien aufgrund der hinreichenden Belege für massive und alltägliche Menschenrechtsverletzungen verbieten?"

55

Die Antwort des Staatssekretärs beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Dr. Bernhard Heitzer für die Bundesregierung am 21. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 26 f.) ist wortgleich mit der am gleichen Tag erteilten Antwort auf die Frage des Antragstellers zu 1. vom 14. Juli 2011.

56

Ebenfalls am 14. Juli 2011 stellte die Antragstellerin zu 3. die schriftliche Frage an die Bundesregierung (Frage 7/175; BTDrucks 17/6658, S. 27):

"Welche Angaben macht die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag gegenüber zum bekannt gewordenen Zustandekommen der Leopard-Kampfpanzerlieferung an Saudi-Arabien hinsichtlich der Zahlung 'nützlicher Aufwendungen' sowie der Vermittler, Unterstützer in der Bundesregierung und Nutznießer dieses Waffengeschäfts?"

57

Für die Bundesregierung antwortete der Staatssekretär beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Dr. Bernhard Heitzer am 21. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 27):

"Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, die im Zusammenhang mit dem in der Presseberichterstattung genannten Geschäfte stehen könnten. Anderenfalls wären bereits die Strafverfolgungsbehörden unterrichtet worden. Im Übrigen wird auf die Richtlinie der Bundesregierung zur Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung vom 30. Juli 2004 verwiesen."

III.

58

Die Antragsteller begehren die Feststellung, sie seien durch die Antragsgegnerin dadurch in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt worden, dass ihre oben wiedergegebenen Fragen beziehungsweise Nachfragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages vom 6. Juli 2011 und ihre oben wiedergegebenen schriftlichen Fragen durch die Antragsgegnerin nicht beziehungsweise unzureichend beantwortet worden seien.

59

1. Die Antragsteller sehen ihre Anträge als zulässig an. Insbesondere sei die Bundesregierung die richtige Antragsgegnerin. Sie könne nicht etwa auf eine Zuständigkeit des Bundessicherheitsrates verweisen, denn der Informationsanspruch der Abgeordneten und des Gesamtparlaments richte sich nach Maßgabe der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages gegen die Bundesregierung. Außerdem sei der Bundessicherheitsrat ein Ausschuss der Antragsgegnerin und damit Teil derselben.

60

2. Durch die Art der Beantwortung der Fragen habe die Antragsgegnerin sie in ihren verfassungsrechtlichen Rechten verletzt.

61

a) Aus Art. 38 Abs. 1 GG folge ein Informationsanspruch der Abgeordneten, dem hier auch angesichts der Regelung des Art. 26 Abs. 2 GG keine wesentlichen Schranken - etwa durch Geheimhaltungsbedürftigkeit im Hinblick auf den Bundessicherheitsrat als besonderen Entscheidungsträger - gesetzt werden könnten.

62

Art. 26 Abs. 2 GG sei als Verbot mit Befreiungsvorbehalt zu verstehen. Die Genehmigung selbst müsse jeweils unter Berücksichtigung der Ziele des Art. 26 Abs. 1 GG, jede Friedensstörung möglichst weitgehend zu vermeiden, gerechtfertigt werden. Dass Kriegswaffen nach Art. 26 Abs. 2 GG "nur mit Genehmigung der Bundesregierung" in Verkehr gebracht werden dürften, spreche im Zusammenhang mit Art. 62 GG dafür, dass nur die gesamte Bundesregierung im Kabinett eine entsprechende Entscheidung treffen könne. Eine Delegation an ein anderes Gremium sei in höchstem Maße verfassungsrechtlich bedenklich. Jedenfalls müsse die Bundesregierung selbst dann, wenn eine solche Delegation möglich wäre, in vollem Umfang die Verantwortung für die getroffenen Maßnahmen übernehmen.

63

Weil Art. 26 Abs. 2 GG der Bundesregierung eine besondere Verantwortung zuweise und die Ausübung dieser Verantwortung effektiv nur durch das Parlament kontrolliert werden könne, bestehe eine besonders stringente Informationspflicht gegenüber dem Parlament. Andere Kontrollmechanismen seien nur bedingt wirksam. Hinsichtlich der Genehmigungen bestehe im Wesentlichen ein ungebundenes Ermessen mit der Folge besonderer Korruptionsanfälligkeit. Dies zeigten auch die Feststellungen des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages in der 14. Wahlperiode zu Schmiergeld im Zusammenhang mit der Lieferung von Fuchs-Panzern an Saudi-Arabien. Vor dem damaligen Untersuchungsausschuss hätten die Zeugen Dr. Kohl und Genscher öffentlich über den Gang der Beratungen und die Entscheidung im Bundessicherheitsrat detailliert ausgesagt.

64

Das Informationsinteresse der Antragsteller sei vorliegend zudem besonders hoch gewesen. Die Pressemeldungen über den Export von 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien hätten bei vielen Mitgliedern des Deutschen Bundestages und in der Öffentlichkeit zu Unruhe und Empörung geführt, weil die Bundesrepublik die Demokratiebewegungen des "arabischen Frühling(s)" begrüßt und unterstützt habe, gerade die Regierung des Königreichs Saudi-Arabien aber einige Wochen vorher nicht nur Demokraten im eigenen Land unterdrückt und systematisch Menschenrechte verletzt habe, sondern auch in Bahrain mit Panzern eingerückt sei, um zu helfen, die Demokratiebewegung dort blutig niederzuwalzen. Dies sei wiederum von zahlreichen Regierungen und Abgeordneten übereinstimmend verurteilt worden. Gerade die Leopard-Panzer Typ 2 A7 seien besonders ausgerüstet und geeignet für den Einsatz gegen Menschenmengen und für den Straßenkampf.

65

b) Geheimhaltungsgründe, die dem parlamentarischen Informationsrecht entgegenstehen könnten, habe die Antragsgegnerin nicht beziehungsweise nicht substantiiert dargetan. Die Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrats könne einen Geheimhaltungsbedarf nicht bindend gegenüber dem Parlament begründen. Im Übrigen könne und müsse die Geheimhaltung aufgehoben werden, wenn keine hinreichenden Gründe für diese bestünden.

66

Die Antragsgegnerin könne nicht auf die Erfüllung des parlamentarischen Informationsanspruchs durch den jährlichen Rüstungsexportbericht verweisen. Nicht die Antragsgegnerin bestimme, in welcher Weise und wann das Parlament Informationen erhalte, sondern allein das nach den Maßgaben der Geschäftsordnung des Bundestages an sie herangetragene Informationsbegehren.

67

Die Geheimhaltungsbedürftigkeit könne auch nicht mit rechtlich geschützten Interessen der Exporteure begründet werden. Da deren Geschäfte von der Verfassung gerade grundsätzlich missbilligt würden, fehle es an einer verfassungsrechtlich schützenswerten Rechtsposition. Hersteller und Verkäufer von Kriegswaffen müssten ebenso wie Abnehmer mit Rücksicht auf die Friedensverpflichtung aus Art. 26 GG mit einer nur eingeschränkten Geltung von Betriebsgeheimnissen jedenfalls gegenüber dem Parlament rechnen. Dass Saudi-Arabien Interesse am Kauf deutscher Panzer einer bestimmten Firma habe, sei überdies seit Jahren bekannt und kein schützenswertes Betriebsgeheimnis mehr.

68

Einen Schutz des Kernbereichs der Entscheidungsfindung könne die Antragsgegnerin grundsätzlich nur bei laufenden Vorgängen in Anspruch nehmen. Solange sie nicht klar sage, ob und von wem eine Entscheidung überhaupt getroffen worden sei, berufe sie sich nicht substantiiert auf den Kernbereichsschutz. Der Gesichtspunkt der "Aufklärung von Missständen" gebiete zudem vorliegend einen engen Zuschnitt des Kernbereichs auch bei laufenden Vorgängen. Überdies sei der Vorgang bereits mit der politischen Entscheidung des Bundessicherheitsrates und nicht etwa erst mit der Erteilung des Genehmigungsbescheids "abgeschlossen" im Sinne der Kernbereichs-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dies gelte auch bei Voranfragen. Die Fragen der Antragsteller seien zudem gerade nicht auf die Ausforschung der Willensbildung der Regierung gerichtet, sondern wollten nur die Kontrolle von gefällten Entscheidungen ermöglichen. Bei einer gegenüber Volk und Parlament verantwortlichen Regierung verbiete es sich, die öffentliche oder parlamentarische Debatte selbst als Eingriff in den Kernbereich der Regierung oder als "verbotenes Mitregieren" anzusehen.

69

Auf eine Beeinträchtigung des Staatswohls durch eine Offenlegung des "Ob" und der Einzelheiten einer Genehmigungsentscheidung habe sich die Antragsgegnerin bisher hinsichtlich des Rüstungsexportes nach Saudi-Arabien nicht klar berufen. Sollte sie anführen wollen, dass die Offenlegung von Einzelheiten über den Export zur Beeinträchtigung des Verhältnisses zu anderen Staaten führen könne, so stimme dieses Bild nicht mit den Wertungen des Art. 26 Abs. 2 GG überein. Da vor den friedenssichernden Zielen des Art. 26 GG jeder Export rechtfertigungsbedürftig sei und im demokratisch verfassten Deutschland eine Rechtfertigung grundsätzlich öffentlich vor dem Parlament erfolge, könne die Ausübung der Kontrollpflichten des Bundestages das Staatswohl nicht beeinträchtigen.

70

Soweit die Antragsgegnerin nun im Organstreitverfahren auf sicherheits- und verteidigungspolitische Belange verweise, fehle es am konkreten Bezug zu den Fragen. Das sicherheitspolitische Interesse der Bundesrepublik an Panzerlieferungen auf die arabische Halbinsel erschließe sich nicht. Auf die Belastung außenpolitischer Beziehungen durch Bekanntwerden kritischer Bewertungen potentieller Empfängerländer könne sich die Antragsgegnerin schon deshalb nicht berufen, weil im Fall Saudi-Arabien die Menschenrechtslage jährlich durch den Menschenrechtsbericht öffentlich kritisch bewertet werde. Selbst wenn an einzelnen Punkten Geheimhaltungsbedürftigkeit bestehen sollte, hätte die Antragsgegnerin das Parlament vertraulich informieren müssen.

71

Es handle sich auch nicht um unzulässige hypothetische Fragen. Frageziel der Antragsteller sei gewesen zu erfahren, ob eine politische Entscheidung getroffen worden sei und welche Bewertungen dieser Entscheidung zugrunde gelegen hätten. Die Fragen hinsichtlich der Bewertung seien nur deshalb "hypothetisch" gewesen, weil die Antragsgegnerin rechtswidrigerweise schon die Antwort auf das "Ob" verweigert habe.

72

Angesichts der öffentlichen Diskussion dränge sich der Eindruck auf, dass die Antragsgegnerin sich hinter dem Argument der Geheimhaltung verstecke. Die Verfassung berechtige die Antragsgegnerin jedoch nicht zu einer alleinigen Steuerung des gesamten parlamentarischen und öffentlichen Kommunikationsprozesses im Bereich der Rüstungsexporte. Andere Staaten ließen hier mehr Transparenz und parlamentarische Kontrolle zu. Die Antragsgegnerin dürfe nicht den Zeitpunkt einer öffentlichen Debatte beeinflussen und diese fern der politischen Entscheidung halten. Politische Debatten fänden zeitnah zur Entscheidung der Regierung statt.

73

3. Die Antragsteller sind der Ansicht, die Antragsgegnerin habe die Frage, ob die thematisierten Waffenlieferungen von der Bundesregierung genehmigt worden seien, mit dem bloßen Hinweis auf den geheim tagenden Bundessicherheitsrat beantwortet. Fragen zu Einzelheiten der Waffenlieferungen habe sie überhaupt nicht beantwortet. Vielmehr habe sie lediglich allgemeine Erwägungen zu dem Für und Wider von Waffengeschäften unter Bezugnahme auf gesetzliche Regelungen und Rüstungsexportrichtlinien mitgeteilt.

74

a) Hinsichtlich der dringlichen Anfrage des Antragstellers zu 1. (PlenProt 17/119, S. 13807 A) habe die Antragsgegnerin Bezug genommen auf Antworten, die auf die vorangegangene dringliche Frage des Abgeordneten Volker Beck und die dazu gestellten Zusatzfragen gegeben worden seien. Mit dem auf diese Weise in Bezug genommenen Hinweis auf die Geheimhaltung für Sitzungen des Bundessicherheitsrates sei jegliche Antwort darauf verweigert worden, ob überhaupt schon eine Genehmigung für die Panzerlieferung erteilt worden sei. Schon gar nicht sei die Teilfrage beantwortet worden, ob "nützliche Aufwendungen" gezahlt worden seien und wer am Zustandekommen des Kriegswaffengeschäfts beteiligt gewesen sei.

75

Hinsichtlich einer Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. (PlenProt 17/119, S. 13802 D) sei seitens der Antragsgegnerin die Antwort mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit anderer Ressorts verweigert worden. Auch ein Hinweis des Bundestagspräsidenten habe nicht zu einer ergänzenden Antwort geführt. Insbesondere sei die Teilfrage nicht beantwortet worden, ob nach dem Wortlaut der Rüstungsexportrichtlinien eine Lieferung von Kriegswaffen in Länder, in denen fortdauernd und systematisch Menschenrechte verletzt würden, gar nicht in Betracht komme.

76

Hinsichtlich der ersten Nachfrage des Antragstellers zu 1. zu seiner dringlichen Frage (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C) habe die Antragsgegnerin Informationen über den Preis der Leopard-Panzer in Deutschland und darüber, wieviel Saudi-Arabien dafür zahle, vollständig verweigert. Damit bleibe sie eine Antwort auf die implizite Vorfrage, ob ein Export genehmigt worden sei, schuldig.

77

Mit seiner zweiten Nachfrage zu seiner dringlichen Frage (PlenProt 17/119, S. 13807 D, S. 13808 A) habe der Antragsteller zu 1. ersichtlich wiederum Einzelheiten über den Waffenexport zu erfahren versucht. Die Antragsgegnerin habe die Antwort darauf mit dem generellen Hinweis auf ein Offenbarungsverbot umfassend verweigert.

78

Auch die schriftliche Frage des Antragstellers zu 1. nach getroffenen Entscheidungen betreffend die Panzerlieferung, zu deren Verbindlichkeit und Inhalten wie Verkaufspreisen, Lieferbedingungen und Auflagen (Frage 7/193) sei wiederum nicht beantwortet worden.

79

In ihrer Antwort auf die schriftliche Frage 7/84 des Antragstellers zu 1. habe die Bundesregierung verschwiegen, dass in der Zeit vom 26. Juni bis 30. Juli 2011 sehr wohl deutsche Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 A7 auf ihre Klima- und Wüstentauglichkeit unter Beteiligung von Bundeswehrsoldaten getestet worden seien, und zwar in dem Golfstaat Arabische Emirate. Mit ihrer unvollständigen Antwort, die ausschließlich am Wortlaut der Frage orientiert sei, ignoriere die Bundesregierung bewusst den offensichtlichen Sinn und das Ziel der Fragestellung.

80

b) Die dringliche Frage der Antragstellerin zu 2. nach den Gründen der Entscheidung über die Lieferung der Leopard-Panzer (PlenProt 17/119, S. 13810 D) sei nicht beantwortet worden, weil die Antragsgegnerin schon den Mantel des Schweigens darüber decke, ob überhaupt ein Export genehmigt worden sei. Gleiches gelte für beide Zusatzfragen der Antragstellerin zu 2. nach Vorkehrungen und Vertragsbedingungen gegen den Einsatz der Leopard-Panzer zur inneren Repression in Saudi-Arabien (PlenProt 17/119, S. 13811 A) und nach der Rolle beschäftigungs- und industriepolitischer Gründe bei der Entscheidung (PlenProt 17/119, S. 13803 D).

81

Die schriftliche Anfrage 7/132 nach der Genehmigung des Verkaufs von Panzern und Rüstungsgütern nach Algerien und den Gründen dafür sei mit dem bloßen Hinweis auf die Geheimhaltung von Entscheidungen des Bundessicherheitsrates überhaupt nicht beantwortet worden.

82

c) Die Zusatzfrage der Antragstellerin zu 3. nach der Konsultation von Israel und den USA vor der Entscheidung über den Verkauf der Panzer an Saudi-Arabien (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B) sei wiederum im Kern allein mit der Begründung nicht beantwortet worden, dass schon das "Ob" der Entscheidung geheim sei.

83

Die Antragsgegnerin habe auch nicht die Frage beantwortet, ob Entwicklungshilfe an Saudi-Arabien nicht gewährt werden könne, weil Homosexualität dort verfolgt werde, während Panzer geliefert werden könnten (PlenProt 17/119, S. 13814 B).

84

Die Antwort auf die konkret gestellte schriftliche Frage Nr. 7/174 der Antragstellerin zu 3. nach der Begründung der Panzerlieferung an Saudi-Arabien werde mit Verweis auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit verweigert, weil die Antragsgegnerin wiederum schon die Vorfrage, ob ein Export genehmigt worden sei, nicht beantworten wolle.

85

Hinsichtlich der schriftlichen Frage Nr. 7/175 der Antragstellerin zu 3. habe die Antragsgegnerin eine Frage beantwortet, die gar nicht gestellt worden sei, nämlich nach "gesetzeswidrigen Zahlungen". Gefragt gewesen sei nach "nützlichen Aufwendungen", die nicht gesetzeswidrig sein müssten und die bis 1999 steuerabzugsfähig gewesen seien. Den letzten Frageteil nach "Vermittlern, Unterstützern in der Bundesregierung und Nutznießern des Waffengeschäfts" habe die Antragsgegnerin vollkommen ignoriert.

IV.

86

Nach Auffassung der Antragsgegnerin haben die Anträge keine Aussicht auf Erfolg.

87

1. Die Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs in Form der Geheimhaltungsbedürftigkeit und des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung würden durch Art. 26 Abs. 2 GG nicht relativiert. Ob es sich bei Art. 26 Abs. 2 GG um ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt handle, sei zweifelhaft. Die Einbindung des Bundessicherheitsrates, dessen Entscheidungen lediglich politische, nicht aber rechtliche Verbindlichkeit zukomme, sei rechtlich unbedenklicher Ausdruck der Organisationskompetenz der Antragsgegnerin. Jedenfalls begründe aber die grundgesetzliche Sensibilität gegenüber dem Umgang mit Kriegswaffen, die in Art. 26 GG zum Ausdruck komme, keine herausgehobene Stellung des Parlaments und damit auch keine gesteigerten Informationsrechte. Die Norm schaffe keinen Entscheidungsverband von Parlament und Regierung, sondern weise im Gegenteil gerade der Bundesregierung eine bedeutende Rolle zu. Der Verweis auf fehlende gerichtliche Kontrolle und Korruptionsgefahr sei nicht ausschlaggebend, da die Antragsgegnerin ihre Rüstungsexportpolitik einmal im Jahr im Rüstungsexportbericht offenlege.

88

Die Geheimhaltungsbedürftigkeit der Sitzungen des Bundessicherheitsrates gründe in dem Schutz der Integrität der Bundesrepublik Deutschland, der Länder und des Kabinetts in sicherheits- und verteidigungspolitischen Belangen sowie dem Schutz der Beziehungen Deutschlands zu möglichen Empfängerländern. Ferner gehe es um die grundsätzlich schutzwürdigen Belange anderer Staaten und um die Wahrung von Betriebsgeheimnissen der jeweiligen Rüstungsunternehmen. Diese Gründe stünden auch der Veröffentlichung des "Ob" einer Sitzung, von deren Ergebnissen und ihrer Begründung entgegen. Insbesondere kritische Bewertungen potentieller Empfängerländer seitens des Bundessicherheitsrates würden im Fall des Publikwerdens regelmäßig die außenpolitischen Beziehungen der Bundesrepublik zu diesen Ländern belasten. Außerdem könnten sie Rückschlüsse auf die Informationsquelle zulassen und damit die schutzwürdigen Interessen Dritter beeinträchtigen. Aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin sich in ihren Menschenrechtsberichten kritisch zur Menschenrechtslage in einzelnen Ländern äußere, folge nicht, dass eine öffentliche Debatte über konkrete Exportgenehmigungsentscheidungen die außen-, sicherheits- und verteidigungspolitischen Belange der Bundesrepublik nicht beeinträchtigen könnte. Das Bestreben, im diplomatischen Kontakt auf eine Verbesserung der Menschenrechtslage hinzuwirken, würde konterkariert, wenn die betroffenen Staaten in öffentlicher Debatte in verletzender Weise kritisiert würden. Auch in anderen europäischen Ländern finde keine direkte Mitwirkung der Parlamente an konkreten Ausfuhrentscheidungen statt. Dem Bundestag stehe es frei, sich kritisch zu möglichen Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien zu äußern und die Antragsgegnerin zu einem entsprechenden Genehmigungsverhalten aufzufordern. Die Antragsgegnerin sei allerdings nicht verpflichtet, hierfür die begehrten Informationen und Bewertungen beizusteuern.

89

Schließlich seien gerade bei den vom Bundessicherheitsrat zu entscheidenden besonders sensiblen Einzelfällen verfassungsrechtlich geschützte Geschäftsgeheimnisse gefährdet, da die betroffenen Unternehmen regelmäßig schon in einem sehr frühen Stadium der Geschäftsanbahnung eine Voranfrage stellten. In diesem Stadium könnte ein Bekanntwerden der Geschäftsabsichten jedoch Konkurrenten auf die Geschäftsgelegenheit hinweisen und potentiellen Gegnern die Gelegenheit geben, frühzeitig Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Diese Erwägungen hätten im Grundsatz auch für Anträge auf Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen Geltung. Deshalb erfolgten Mitteilungen über erteilte Ausfuhrgenehmigungen auch im Rüstungsexportbericht grundsätzlich in anonymisierter Form (Umschreibung des ausgeführten Guts und Nennung von Wert und Empfängerland). Auch dort, wo Gerüchte über Geschäfte kursierten oder potentielle Abnehmer ihr Erwerbsinteresse öffentlich bekundeten, würde eine Bestätigung den Informationen den "Stempel des Offiziellen" geben und damit in Geschäftsgeheimnisse eingreifen. Es sei auch nicht anzunehmen, dass bereits die Überschaubarkeit des jeweiligen Marktes einer Annahme von Geschäftsgeheimnissen entgegenstehe.

90

Dem Begehren der Antragsteller nach zeitnaher Information zu Entscheidungen des Bundessicherheitsrates stehe ferner der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung entgegen. Eine Offenbarung des Sitzungsverlaufs im Bundessicherheitsrat komme grundsätzlich zu keinem Zeitpunkt in Betracht, weil andernfalls "einengende Vorwirkungen" wegen nachträglich zu erwartender Kontrolle zu gewärtigen wären. Eine gerade in Sicherheitsfragen existentielle Vertraulichkeit des Austausches unter Regierungsmitgliedern wäre dann nicht mehr gewährleistet. Die Bundessicherheitsratsentscheidung sei dem rein regierungsinternen Bereich der Willensbildung zuzurechnen. Bis zur Umsetzung der Entscheidungen des Bundessicherheitsrates durch Bescheide gegenüber den antragstellenden Unternehmen handle es sich noch um einen laufenden Vorgang. Auch nach diesem Zeitpunkt würde eine Information des Parlaments aber zu einem unzulässigen "Mitregieren" führen. Durch eine unmittelbar bevorstehende öffentliche Diskussion entstünde erheblicher Druck auf die Mitglieder des Bundessicherheitsrates. Ihre Entscheidungsfindung wäre beeinträchtigt, weil sie davon ausgehen müssten, sich einerseits kurzfristig für die getroffene Entscheidung öffentlich rechtfertigen zu müssen, sich andererseits aber aus objektiven Geheimhaltungsgründen nicht umfassend und sachgerecht äußern zu können und der Kritik weitgehend schutzlos ausgeliefert zu sein. Dies würde dazu führen, dass sachgerechte, aber objektiv geheimhaltungsbedürftige Aspekte bei der Entscheidungsfindung unberücksichtigt blieben. Auch in der mit einem frühen Bekanntwerden einhergehenden De-facto-Vereitelung eines Rüstungsgeschäfts aufgrund der Information von Konkurrenten oder des Rückzugs des potentiellen Vertragspartners liege ein unzulässiges Mitregieren in Form eines unmittelbaren Einflusses des Parlaments auf die Regierungsentscheidung. Eine Veröffentlichung nach Maßgabe der Geheimschutzordnung des Bundestages könne diese Folgen nicht verhindern. In ihrem innersten Bereich müsse die Regierung selbst dann keine parlamentarische Beteiligung dulden, wenn das Parlament besonderen Verschwiegenheitspflichten unterliege.

91

Ein Informationsanspruch des Parlaments komme nur mit zunehmendem zeitlichen Abstand in Betracht. Die Sensibilität der Informationen nehme ebenso wie das "Vereitelungspotential" des Parlaments kontinuierlich ab. Bezüglich des angemessenen Zeitpunkts der Unterrichtung habe die Antragsgegnerin einen Einschätzungsspielraum. Die Entscheidung, das Parlament über Genehmigungen grundsätzlich erst mit dem Rüstungsexportbericht im darauf folgenden Jahr zu unterrichten, sei weder willkürlich noch anderweitig sachwidrig. Die pauschalierte Handhabung gewähre vielmehr den Abgeordneten wie den betroffenen Unternehmen Rechtssicherheit. Die nachträgliche parlamentarische Kontrolle werde dadurch nicht substantiell geschmälert, sie sei nicht auf tagesaktuelle Information angewiesen.

92

Da diese Handhabung zwischen Parlament und Regierung seit langem üblich sei, habe die Darlegung der Antragsgegnerin in der Fragestunde auch den Begründungsanforderungen genügt. Ihre Stellungnahme sei mündlich und im Wechsel von Rede und Gegenrede erfolgt, die Anforderungen an die Substantiierung dürften daher nicht überspannt werden.

93

Nur Fragen mit Realitätsbezug könnten eine Antwortpflicht der Antragsgegnerin begründen. Zum Anstellen hypothetischer Überlegungen sei sie nicht verpflichtet, da eine zwangsläufig fiktionale Antwort weder ein Wissensdefizit eines Abgeordneten beseitige noch zur Kontrolle der Regierung beitrage. Die Antragsgegnerin treffe auch keine Pflicht zur Bewertung politisch relevanter Sachverhalte. Meinungen, Bewertungen und subjektive Stellungnahmen müsse die Regierung nicht artikulieren, soweit sie nicht notwendig mit der Mitteilung von Sachinformationen verbunden seien; zumindest müsse sie sich keine Meinung bilden.

94

2. Die Antragsgegnerin habe danach mit den gerügten Antworten keine Rechte der Antragsteller verletzt.

95

a) Hinsichtlich der vom Antragsteller zu 1. gerügten Antwort auf die schriftliche Frage 7/84 - "Test der Klima- und Wüstentauglichkeit" - sei klarstellend zu ergänzen, dass das Verteidigungsministerium auf konkrete Nachfrage der Presse bereitwillig mitgeteilt habe, dass Personal der Bundeswehr an einer technischen Erprobung des Kampfpanzers Leopard 2 in den Vereinigten Arabischen Emiraten beteiligt sei. Erst als der Antragsteller zu 1. daraufhin die Beantwortung der Frage 7/84 als unangemessen gerügt habe, sei der Antragsgegnerin verdeutlicht worden, dass die Frage nicht ausschließlich auf Saudi-Arabien, welches zum damaligen Zeitpunkt allein im Fokus der öffentlichen Debatte gestanden habe, gezielt habe. Sie habe mit Schreiben vom 27. September 2011 dem Antragsteller zu 1. gegenüber dann die Auskunft zu Erprobungen von Kampfpanzern in den Vereinigten Arabischen Emiraten erteilt und gesondert darauf hingewiesen, dass diese Erprobung in keinem Zusammenhang mit möglichen Lieferungen in das Königreich Saudi-Arabien stehe.

96

Die schriftliche Frage 7/193 ziele direkt auf die Aufklärung, ob eine Exportgenehmigung erteilt worden sei. Diesbezügliche Entscheidungen dürften aus den dargelegten Gründen geheim gehalten werden.

97

Soweit weitere Fragen implizit die Vorfrage nach der Genehmigung entsprechender Exporte nach Saudi-Arabien enthielten, dürfe die Antragsgegnerin auch diese unbeantwortet lassen. Dies gelte etwa für die Frage nach den Kosten der Panzer (PlenProt 17/119, S. 13807). Die Antragsgegnerin könne sich darauf beschränken, die Geheimhaltungsbedürftigkeit zu begründen. Dies sei mehrfach ausführlich getan worden, obwohl allen Beteiligten die gebräuchliche Praxis bekannt gewesen sei. Die Frage nach "nützlichen Aufwendungen" sei ersichtlich beantwortet worden. Die (Nach-)Frage PlenProt 17/119, S. 13802 habe einen hypothetischen Kern und sei konkret nicht sinnvoll beantwortbar. Angesichts des von den Rüstungsexportrichtlinien eröffneten Beurteilungsspielraums und des komplexen Abwägungsprozesses im Einzelfall lasse sie sich nur auf die erfolgte allgemeine Weise beantworten.

98

Die schriftliche Frage 7/84 zum Test der Klima- und Wüstentauglichkeit sei vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet worden. Die Antragsgegnerin habe nicht etwa eine erkennbare Intention der Frage ignoriert. Wenn sie Fragen zum Anlass nehmen müsste, beliebige Informationen zusammenzutragen, die für den Abgeordneten womöglich gleichfalls von Interesse sein könnten, würde der Antragsgegnerin eine "kurze" (GO-BT, Anlage 4, Ziff. 1) Beantwortung von Fragen unmöglich gemacht. Sobald deutlich geworden sei, dass der Antragsteller die Frage nicht ausschließlich auf Saudi-Arabien beschränkt verstanden wissen wollte, seien ihm unverzüglich weitere Informationen mitgeteilt worden.

99

b) Die Fragen PlenProt 17/119, S. 13811 ("Lieferung") und S. 13803 f. ("beschäftigungspolitische Gründe") zielten direkt auf die Aufklärung, ob eine Genehmigung erfolgt sei, und hätten daher nicht beantwortet werden müssen. Eine Begründung hierfür sei während der Debatte mehrfach gegeben worden und habe nicht wiederholt werden müssen. Gleiches gelte für die auf Aufklärung zielende Frage 7/132, ob eine Genehmigung eines Exports nach Algerien erfolgt sei. Auch auf die Frage PlenProt 17/119, S. 13811 zu Bemühungen, einen Missbrauch von Panzern zu verhindern, hätte nur eingegangen werden können, wenn zur Frage der Genehmigung Stellung bezogen worden wäre.

100

c) Die Frage PlenProt 17/119, S. 13804 ("Zustimmung Israel/USA") ziele unmittelbar auf den Vorbereitungsprozess einer Genehmigung, der ebenfalls Bestandteil des Geheimnisschutzes sei. Bei der Frage PlenProt 17/119, S. 13814 ("Entwicklungshilfe/Homosexualität") handle es sich um eine hypothetische Frage, für welche keine Antwortpflicht bestanden habe. Die schriftliche Frage 7/174 ziele direkt auf Aufklärung, ob eine Genehmigung erfolgt sei; diesbezügliche Entscheidungen dürften (vorerst) geheim gehalten werden. Die Frage 7/175 zu "nützlichen Aufwendungen" sei beantwortet worden. Da "nützliche Aufwendungen" seit 1999 nicht mehr steuerlich abzugsfähig seien, verstehe sich die Frage als Frage nach rechtswidrigen Mitteln. Überdies ziele sie auch darauf, ob überhaupt eine Genehmigung erfolgt sei, und habe deshalb nicht beantwortet werden müssen.

101

3. Zur Bindungswirkung der Entscheidungen des Bundessicherheitsrates führte die Antragsgegnerin auf Anfrage ergänzend aus, der Bundessicherheitsrat lasse die verfassungsrechtlichen Entscheidungsbefugnisse des Art. 65 GG unberührt. Rechtlich seien seine Entscheidungen als Empfehlungen zu verstehen, auch wenn sie faktisch häufig als maßgebliche Richtschnur behandelt würden. Der Ausschuss unterstütze den zuständigen Bundesminister, indem er ihm vermittle, ob dessen Entscheidung politisch mitgetragen werde. Beschlüsse des Bundessicherheitsrates über Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung würden den zuständigen Genehmigungsbehörden mittels eines Ergebnisprotokolls der Sitzung des Bundessicherheitsrates mitgeteilt. Die Genehmigungsbehörden setzten die Beschlüsse, an welche sie politisch, aber nicht rechtlich gebunden seien, anschließend um. Nach der Befassung des Bundessicherheitsrates werde keine zusätzliche Kabinettsentscheidung herbeigeführt. Dies gelte auch für Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz und Ausfuhrgenehmigungen nach dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung.

Antworten auf Voranfragen wegen der beabsichtigten Ausfuhr von Kriegswaffen komme keine rechtliche Bindungswirkung für die spätere Entscheidung über einen Genehmigungsantrag zu. Es handele sich vielmehr um eine schlichte Auskunft, ob das geplante Vorhaben nach der zur Zeit der Beantwortung bestehenden Sachlage grundsätzlich genehmigungsfähig sei. Rechtlich verpflichtet sei der Bundessicherheitsrat aber auch bei unveränderter Sachlage nicht, die Genehmigungsfähigkeit bei einer Genehmigungsentscheidung über den Export von Kriegswaffen genauso zu beurteilen wie bei einer vorangegangenen Voranfrage. Dies gelte auch bei einer grundlegend neuen politischen Bewertung durch den Bundessicherheitsrat, da diese regelmäßig auf einer Änderung der außen- und sicherheitspolitischen Gesamtlage beruhe und daher als Änderung der Sachlage anzusehen sei.

V.

102

Als sachkundige Dritte haben der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. und die Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co. KG schriftlich Stellung genommen. Diese haben ausgeführt, dass Voranfragen zur Genehmigungsfähigkeit regelmäßig bereits in einer frühen Phase der Anbahnung eines Rüstungsexportgeschäfts gestellt würden. Bei positiver Bescheidung schließe sich eine Akquisitionsphase an, die Monate oder auch Jahre andauern könne und oftmals sehr kostenträchtig sei. So beliefen sich allein die Kosten für die Vorführung eines Kampfpanzers vom Typ Leopard 2 im Ausland typischerweise auf über zwei Millionen Euro. Die potentiellen Vertragspartner, bei denen es sich zumeist um Staaten handele, bestünden regelmäßig darauf, dass ihr Interesse an Rüstungsgütern vertraulich behandelt werde. Erst recht werde Vertraulichkeit hinsichtlich der Details der Vertragsverhandlungen erwartet. Auch die sodann abgeschlossenen Kaufverträge enthielten nahezu ausnahmslos Vertraulichkeitsvereinbarungen hinsichtlich des Vertrages und seines Inhaltes. Durch eine frühzeitige Information der Öffentlichkeit über schwebende Vertragsverhandlungen würden derartige Geschäfte praktisch vereitelt. Dies gelte insbesondere im Falle einer Offenlegung gestellter oder beschiedener Voranfragen gegenüber dem Parlament, zumal in diesem Stadium der entsprechende Kaufvertrag im Regelfall noch nicht geschlossen sei.

VI.

103

In der mündlichen Verhandlung hat der Bundesminister des Innern für die Bundesregierung Stellung genommen und die Verfahrensabläufe im Bundessicherheitsrat erläutert. Ergänzend hat er mitgeteilt, dass die Bundesregierung beabsichtige, Parlament und Öffentlichkeit künftig zeitnäher über Genehmigungsentscheidungen zu informieren. Der Rüstungsexportbericht solle jeweils vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause statt zum Ende des Folgejahres erscheinen. Zudem werde es einen Zwischenbericht für das erste Halbjahr des laufenden Jahres im jeweiligen Herbst geben. Über abschließende Genehmigungen des Bundessicherheitsrates werde der Bundestag künftig unverzüglich, spätestens zwei Wochen nach der Tagung des Bundessicherheitsrates schriftlich informiert.

B.

104

Die Anträge des Antragstellers zu 1. sind hinsichtlich der Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13802 D) und der dringlichen Frage (PlenProt 17/119, S. 13807 A) teilweise und hinsichtlich der weiteren Zusatzfragen (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C) sowie der schriftlichen Frage 7/193 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) vollumfänglich zulässig. Die Anträge der Antragstellerin zu 2. sind insgesamt zulässig, die der Antragstellerin zu 3. hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/175 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 27) teilweise und hinsichtlich der beiden Zusatzfragen (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B und PlenProt 17/119, S. 13814 B) sowie der schriftlichen Frage 7/174 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 26) vollumfänglich zulässig. Im Übrigen sind die Anträge unzulässig.

I.

105

1. Die Parteifähigkeit der Antragsteller als Abgeordnete des Deutschen Bundestages folgt aus Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG. Dem Abgeordneten kommt gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ein eigener verfassungsrechtlicher Status zu, der im Organstreitverfahren gegenüber anderen Verfassungsorganen verteidigt werden kann (BVerfGE 108, 251<270>; 124, 161 <184>; stRspr).

106

2. Die Anträge beziehen sich auf taugliche Antragsgegenstände. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG kann Antragsgegenstand im Organstreitverfahren sowohl eine Maßnahme als auch ein Unterlassen sein. Es kommt somit nicht darauf an, ob es sich bei den gerügten Antworten der Antragsgegnerin jeweils um eine Maßnahme in Form der Verweigerung einer hinreichenden Antwort oder um ein Unterlassen in Form einer pflichtwidrigen Nichtbeantwortung oder einer nicht hinreichenden Beantwortung der jeweiligen Anfrage handelt. Die Antwortverweigerung, die schlichte Nichtbeantwortung und die nicht hinreichende Beantwortung der Anfragen der Antragsteller können diese konkret in ihrem jeweiligen Rechtskreis aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG betreffen. Somit sind die Maßnahmen oder Unterlassungen auch rechtserheblich (vgl. BVerfGE 96, 264 <277>; 103, 81 <86>; 104, 310 <324>).

107

3. Die Anträge der Antragstellerin zu 3. sind berichtigend dahin auszulegen, dass Antragsgegenstand unter anderem die Nichtbeantwortung beziehungsweise unzureichende Beantwortung der unter Sitzungsprotokoll S. 13814 anstatt "S. 13841" protokollierten Nachfrage und der schriftlichen Frage 175 anstatt "715" sind. Die offensichtliche Unrichtigkeit der Bezeichnungen ergibt sich aus der Antragsbegründung.

II.

108

1. Die Antragsteller sind hinsichtlich des überwiegenden Teils der Antragsgegenstände antragsbefugt. Sie beanstanden eine Reaktion der Antragsgegnerin auf an diese gerichtete parlamentarische Anfragen und berufen sich auf Rechte, die sich unmittelbar aus dem Grundgesetz selbst ergeben. Ein die Antragsteller einerseits und die Antragsgegnerin andererseits umschließendes Verfassungsrechtsverhältnis (vgl. etwa BVerfGE 1, 208 <221>; 84, 290 <297>; 124, 161 <185>) liegt vor. Das - fristgerecht eingeleitete - Organstreitverfahren betrifft die Reichweite des aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Fragerechts des Abgeordneten und der grundsätzlichen Verpflichtung der Bundesregierung, auf dessen Fragen Rede und Antwort zu stehen (vgl. BVerfGE 124, 161 <185> m.w.N.). Es kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin eigene Rechte der Antragsteller, die aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten erwachsen, verletzt (vgl. BVerfGE 94, 351 <362 f.>; 112, 363 <365>). Es erscheint möglich, dass die Antragsgegnerin durch ihre Antworten einen Informationsanspruch der Antragsteller aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG in unzulässiger Weise verkürzt hat. Die Antragsteller haben hinreichend dargelegt, dass sie durch das angegriffene Verhalten der Antragsgegnerin in Rechten verletzt sein können, die ihnen durch das Grundgesetz übertragen worden sind. Eine Verletzung der Rechte der Antragsteller scheidet insbesondere nicht deswegen von vornherein aus, weil die Bundesregierung deren Auskunftsansprüche bereits durch die regelmäßige Veröffentlichung von Rüstungsexportberichten erfüllt. Ob und inwieweit diese ausreichen, um das berechtigte parlamentarische Informationsinteresse zu befriedigen, bedarf vielmehr der Prüfung im Einzelnen (siehe hierzu Rn. 203 ff.).

109

a) Hinsichtlich der Teilfrage der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13802 D zu der Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien könnte die Antragsgegnerin Informationsrechte des Antragstellers zu 1. verletzt haben, wenn sie unzutreffende Beschränkungen ihrer Antwortpflicht aufgrund des Ressortprinzips angenommen hätte.

110

Hinsichtlich der Teilfrage der dringlichen Frage des Antragstellers zu 1. nach PlenProt 17/119, S. 13807 A in Bezug auf Vermittler, Unterstützer und Nutznießer des Panzergeschäfts mit Saudi-Arabien könnte sich eine Rechtsverletzung aus der Verweigerung einer Sachantwort unter Verkennung der Reichweite des parlamentarischen Informationsanspruchs oder aus einer unzureichenden Begründung der Antwortverweigerung ergeben.

111

Hinsichtlich der Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. nach PlenProt 17/119, S. 13807 B, C zum Unterschiedsbetrag zwischen dem Kaufpreis der Panzer in Deutschland und in Saudi-Arabien liegt eine mögliche Rechtsverletzung zwar nicht darin, dass auf die "implizite Vorfrage" nach der Genehmigung eines Panzerexports nicht unmittelbar eingegangen wurde. Eine Antwortplicht kommt nur hinsichtlich tatsächlich gestellter Fragen in Betracht. Eine Rechtsverletzung könnte sich aber durch das möglicherweise nicht gerechtfertigte oder nicht hinreichend begründete Unterlassen einer Sachantwort auf die Frage nach dem Unterschiedsbetrag hinsichtlich der Kaufpreise ergeben.

112

Hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/193 des Antragstellers zu 1. vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) besteht die Möglichkeit einer Rechtsverletzung wegen Verkennung der Reichweite des parlamentarischen Informationsanspruchs. Die Frage, welche Angaben die Antragsgegnerin zu getroffenen Entscheidungen bezüglich der Lieferung von 200 Panzern "LEO" nach Saudi-Arabien macht, richtete sich nach ihrem Zusammenhang auch auf Einzelheiten des konkreten Geschäfts. Dies folgt auch aus der Teilfrage, wie die Antragsgegnerin diese Entscheidungen rechtfertige. Die so verstandene Frage hat die Antragsgegnerin nicht beantwortet.

113

b) Gleiches gilt für die dringliche Frage der Antragstellerin zu 2. (PlenProt 17/119, S.13810 D) danach, welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe die Antragsgegnerin für die Genehmigung der Panzerlieferungen anführe und wie sie deren Vereinbarkeit mit einzelnen Kriterien des EU-Kodexes für Waffenausfuhren bewerte, sowie für ihre Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13811 A) danach, wie die Antragsgegnerin ausschließe, dass die für Saudi-Arabien genehmigten Rüstungsexportgüter zu innerer Repression genutzt würden.

114

In Bezug auf die Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13803 D, ob ausgeschlossen werden könne, dass bei der Entscheidung beschäftigungs- oder industriepolitische Gründe eine Rolle gespielt hätten, ist die Antragstellerin zu 2. ebenfalls antragsbefugt. Die Antragsgegnerin gibt zwar an, dass solche Gründe nachrangig eine Rolle spielen könnten. Sie macht jedoch keine Angaben zum konkreten Geschäft und verletzt damit möglicherweise unter Verkennung der Reichweite des Auskunftsrechts der Abgeordneten Rechte der Antragstellerin zu 2.

115

Antragsbefugt ist die Antragstellerin zu 2. auch hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/132 (BTDrucks 17/6658, S. 24) danach, wann die Antragsgegnerin den Verkauf bestimmter Rüstungsgüter nach Algerien genehmigt habe und welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe sie für die Genehmigung anführe. Die Frage zielte mit der Formulierung "besonderen ... Gründe" ersichtlich auf den Einzelfall. Die Ausführungen der Antragsgegnerin zu den allgemein bei der Entscheidung über Rüstungsexporte nach Algerien zu berücksichtigenden Aspekten beantworten diese Frage nicht.

116

c) Die Antragstellerin zu 3. ist hinsichtlich der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13804 A, B antragsbefugt. Die Frage, ob es stimme, dass die Zustimmung Israels und der USA eingeholt und erteilt worden sei, wurde - möglicherweise unter Verkennung des Auskunftsrechts - in der Sache nicht beantwortet. Auf diese Teilfrage beschränkt sich die Rüge der Antragstellerin zu 3. Die Teilfrage nach der universellen Gültigkeit von Menschenrechten ist nicht Streitgegenstand.

117

Die Antragsbefugnis besteht auch hinsichtlich der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13814 B. Mit dieser Frage wollte die Antragstellerin zu 3. ersichtlich einen Widerspruch in der Haltung der Antragsgegnerin in den Bereichen Entwicklungshilfe und Rüstungsexporte nachweisen. Eine Rechtsverletzung kann darin liegen, dass für eine vollständige Sachantwort möglicherweise eine Gegenüberstellung der jeweiligen Kriterien erforderlich gewesen wäre.

118

Hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/174 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 26) ist die Antragstellerin zu 3. ebenfalls antragsbefugt. Die Frage bezieht sich auf die Begründung der getroffenen Entscheidungen über die Lieferung von Panzern. Da konkret nach "getroffenen" Entscheidungen gefragt war, beantworten die allgemeinen Ausführungen der Antragsgegnerin zu Entscheidungen auf Grundlage der Richtlinien und zur besonderen Bedeutung der Menschenrechte die Frage nicht vollständig. Die Antragsgegnerin hat eine Stellungnahme zum konkreten Geschäft unter Hinweis auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit abgelehnt und damit möglicherweise unter Verkennung des Auskunftsrechts Rechte der Antragstellerin zu 3. verletzt.

119

Auch die Teilfrage der schriftlichen Frage 7/175 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 27) nach Vermittlern, Unterstützern in der Bundesregierung und Nutznießern des Geschäfts wurde nicht beantwortet.

120

2. Hinsichtlich einzelner vom Antragsteller zu 1. und der Antragstellerin zu 3. gestellter Fragen fehlt es an der Antragsbefugnis, weil eine Rechtsverletzung von vornherein ausgeschlossen werden kann.

121

a) Dem Antragsteller zu 1. fehlt es hinsichtlich einer Teilfrage der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13802 D, einer Teilfrage der dringlichen Frage nach PlenProt 17/119, S. 13807 A, der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13807 D und der schriftlichen Frage 7/84 vom 8. Juli 2011 an der Antragsbefugnis. Insoweit kann ausgeschlossen werden, dass das Antwortverhalten der Antragsgegnerin eigene Rechte des Antragstellers zu 1. verletzt haben könnte.

122

Soweit die Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13802 D darauf gerichtet war, ob bei der geschilderten Menschenrechtslage in Saudi-Arabien nach den Richtlinien für Rüstungsexporte Genehmigungen nicht in Betracht kämen, ist sie hinreichend beantwortet worden. Die Antragsgegnerin hat angegeben, dass die Menschenrechtslage im Rahmen eines Abwägungsprozesses zu berücksichtigen sei. Damit hat sie den Standpunkt zum Ausdruck gebracht, dass die Menschenrechtslage als solche eine Genehmigung nicht in jedem Fall ausschließt.

123

Soweit sich die dringliche Frage nach PlenProt 17/119, S. 13807 A auf "nützliche Aufwendungen" beim Zustandekommen des Panzergeschäfts bezog, ist sie mit der Angabe der Antragsgegnerin, ihr lägen keinerlei Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, hinreichend beantwortet worden. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin die Frage zu eng auslegt, wenn sie "nützliche Aufwendungen" als "gesetzeswidrige Zahlungen" versteht. Das Verständnis "nützlicher Aufwendungen" als Bestechungsgelder und damit gesetzeswidrige Zahlungen (§§ 331 ff. StGB) steht nicht in Widerspruch zum allgemeinen Sprachgebrauch. Auch der Antragsteller zu 1. selbst gebraucht den Begriff in diesem Sinne, etwa in der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13807 B, C ("sogenannte nützliche Aufwendungen, das heißt Bestechungsgelder").

124

Auch die Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13807 D danach, ob die Antragsgegnerin bereit sei, über die Einzelheiten des Geschäfts Auskunft zu geben, oder ob die Antwort weiter in verfassungswidriger Weise verweigert werde, wurde beantwortet. Mit ihrer Antwort hat die Antragsgegnerin klar zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht bereit sei, über Einzelheiten des Geschäfts Auskunft zu geben, und den Vorwurf der Verfassungswidrigkeit zurückgewiesen. Die Argumentation des Antragstellers zu 1., er habe "ersichtlich" Einzelheiten über den Waffenexport zu erfahren versucht und insoweit keine Antwort erhalten, macht die Möglichkeit einer Rechtsverletzung nicht plausibel. Die Frage lässt sich in dem von der Antragsgegnerin zugrunde gelegten Sinn verstehen. Wollte der Antragsteller zu 1. sie nicht so verstanden wissen, so hätte es ihm oblegen, sie von vornherein anders zu formulieren oder ihren Sinn durch eine entsprechende Nachfrage klarzustellen.

125

Entsprechendes gilt hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/84 vom 8. Juli 2011, inwieweit es zutreffe, dass die Bundeswehr Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien schicken und dort testen wolle, und wie dieses Vorhaben im Zusammenhang mit dem offenbar genehmigten Verkauf stehe. Die Korrektheit der Antwort der Antragsgegnerin, dass Leopard-Panzer weder von der Bundeswehr selbst noch durch Beauftragte in Saudi-Arabien getestet würden, zieht der Antragsteller zu 1. nicht in Zweifel. Er rügt vielmehr, die Antragsgegnerin habe Tests in den Arabischen Emiraten verschwiegen und damit bewusst das offensichtliche Ziel der Fragestellung ignoriert. Dass die Antragsgegnerin die Frage pflichtwidrig zu eng ausgelegt hätte, ist jedoch nicht ersichtlich. Vom Fragesteller kann eine sorgfältige Formulierung seiner Fragen erwartet werden. Daher ist bei der Auslegung einer parlamentarischen Anfrage zunächst vom Wortlaut und dem Zusammenhang auszugehen, in den die Frage ausdrücklich gestellt ist (vgl. BVerfGE 110, 199 <213>). Wo allerdings Ungenauigkeiten bei der Formulierung der Frage erkennbar aus einem Informationsdefizit des Fragestellers resultieren, ist bei der Beantwortung dem dahinter stehenden Informationsbedürfnis so weit wie möglich Rechnung zu tragen. Vorliegend hat die Antragsgegnerin die Frage ihrem Wortlaut entsprechend beantwortet, ohne dabei ein erkennbares Informationsbedürfnis des Fragestellers außer Acht zu lassen. Zwar könnte die Bezugnahme auf nur gerüchteweise bekannte Äußerungen bei einer bestimmten Veranstaltung auf ein Informationsdefizit des Antragstellers zu 1. hinweisen, welches für eine großzügigere Auslegung der Frage hätte sprechen können. Da die Frage aber im Kontext der Diskussion über Lieferung von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien erfolgt ist und der Test des Leopard-Panzers in den Vereinigten Arabischen Emiraten nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Antragsgegnerin mit einem solchen etwaigen Rüstungsgeschäft nicht in Zusammenhang stand, bestand für die Antragsgegnerin kein hinreichender Anlass, die Frage über den Wortlaut hinaus zu verstehen.

126

b) Der Antragstellerin zu 3. fehlt die Antragsbefugnis im Hinblick auf ihre schriftliche Frage 7/175 (BTDrucks 17/6658, S. 27), soweit sie sich darin nach "nützliche[n] Aufwendungen" erkundigt. Mit der Angabe der Antragsgegnerin, es lägen ihr keine Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, ist die Frage hinreichend beantwortet worden. Auch hier durfte die Antragsgegnerin "nützliche Aufwendungen" als "gesetzeswidrige Zahlungen" verstehen.

III.

127

Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller in Bezug auf die Fragen zu Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien besteht fort. Es wird insbesondere nicht dadurch beseitigt, dass die Antragsgegnerin angekündigt hat, ihre Berichtspraxis zu ändern und den Deutschen Bundestag binnen zwei Wochen über Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates zu informieren, denn die Antragsgegnerin stellt die streitige Verpflichtung zur Beantwortung von Anfragen zu Entscheidungen des Bundessicherheitsrates im hiesigen Verfahren weiterhin in Abrede. Außerdem betrifft die beabsichtigte zeitnahe Information des Deutschen Bundestages nur erteilte Genehmigungen und nicht auch Entscheidungen des Bundessicherheitsrates über Voranfragen.

128

Die Antragsteller haben ein objektives Interesse an der Klärung der Reichweite des aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Fragerechts des Abgeordneten und der Antwortpflicht der Bundesregierung (vgl. zum Klarstellungsinteresse BVerfGE 121, 135 <152>; 131, 152 <194>; Beschluss des Zweiten Senats vom 6. Mai 2014 - 2 BvE 3/12 -, juris, Rn. 6). Auch der zwischenzeitliche Ablauf der Legislaturperiode lässt das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen, da die Antragsteller weiterhin Mitglieder des Deutschen Bundestages sind (vgl. BVerfGE 87, 207 <209>).

C.

129

Die Anträge sind - soweit zulässig - teilweise begründet.

I.

130

1. Aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG folgt ein Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung, an dem die einzelnen Abgeordneten und die Fraktionen als Zusammenschlüsse von Abgeordneten nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages teilhaben und dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregierung korrespondiert (vgl. BVerfGE 124, 161 <188>; stRspr). Aus dem Frage- und Interpellationsrecht des Parlaments folgt für die Mitglieder der Bundesregierung daher die verfassungsrechtliche Verpflichtung, auf Fragen Rede und Antwort zu stehen. Die Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen und auf Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages sollen dazu dienen, dem Bundestag und den einzelnen Abgeordneten die für ihre Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen. Die Bundesregierung schafft mit ihren Antworten auf parlamentarische Anfragen so die Voraussetzungen für eine sachgerechte Arbeit innerhalb des Parlaments (vgl. zum Ganzen BVerfGE 13, 123 <125>; 57, 1 <5>; 105, 252 <270>; 105, 279 <306>; 124, 161 <187 ff.>).

131

Das parlamentarische Regierungssystem wird auch durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt. Die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Verwaltung verwirklicht den Grundsatz der Gewaltenteilung, der für das Grundgesetz ein tragendes Funktions- und Organisationsprinzip darstellt. Der Gewaltenteilungsgrundsatz zielt dabei nicht auf eine absolute Trennung der Funktionen der Staatsgewalt, sondern auf die politische Machtverteilung, das Ineinandergreifen der drei Gewalten und die daraus resultierende gegenseitige Kontrolle und Begrenzung mit der Folge der Mäßigung der Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 3, 225 <247>; 7, 183 <188>; 9, 268 <279>; 22, 106 <111>; 34, 52 <59>; 95, 1 <15>). Er gebietet gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung, zumal wegen mangelnder Eingriffsmöglichkeiten des Parlaments in den der Exekutive zukommenden Bereich unmittelbarer Handlungsinitiative und Gesetzesanwendung, eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle auch tatsächlich wirksam werden kann. Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann das Parlament sein Kontrollrecht gegenüber der Regierung nicht ausüben. Daher kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>).

132

Die Kontrollfunktion ist zugleich Ausfluss der aus dem Demokratieprinzip folgenden Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG gestaltet den Grundsatz der Volkssouveränität aus. Er legt fest, dass das Volk die Staatsgewalt, deren Träger es ist, außer durch Wahlen und Abstimmungen durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausübt. Das setzt voraus, dass das Volk einen effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt durch diese Organe hat. Deren Akte müssen sich auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <66>; 130, 76 <123>). Dieser Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft wird außer durch die Wahl des Parlaments, die vom Parlament beschlossenen Gesetze als Maßstab der vollziehenden Gewalt und die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung auch durch den parlamentarischen Einfluss auf die Politik der Regierung hergestellt. Das "Ausgehen der Staatsgewalt" vom Volk muss für das Volk wie auch die Staatsorgane jeweils konkret erfahrbar und praktisch wirksam sein. Es muss ein hinreichender Gehalt an demokratischer Legitimation erreicht werden, ein bestimmtes Legitimationsniveau (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <67>; 107, 59 <87>; 130, 76 <124>). Nur das vom Volk gewählte Parlament kann den Organ- und Funktionsträgern der Verwaltung auf allen ihren Ebenen demokratische Legitimation vermitteln. Im Fall der nicht durch unmittelbare Volkswahl legitimierten Amtswalter und Organe setzt die demokratische Legitimation der Ausübung von Staatsgewalt regelmäßig voraus, dass sich die Bestellung der Amtsträger auf das Staatsvolk zurückführen lässt und ihr Handeln eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation erfährt. In personeller Hinsicht ist eine hoheitliche Entscheidung demokratisch legitimiert, wenn sich die Bestellung desjenigen, der sie trifft, durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf das Staatsvolk zurückführen lässt. Die sachlich-inhaltliche Legitimation wird durch Gesetzesbindung und Bindung an Aufträge und Weisungen der Regierung vermittelt. Letztere entfaltet Legitimationswirkung aufgrund der Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung (BVerfGE 93, 37 <67 f.>; 107, 59 <87 f.>; 130, 76 <124>).

133

Geheimhaltung gegenüber dem Parlament beschränkt die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten und kann deshalb den notwendigen demokratischen Legitimationszusammenhang beeinträchtigen oder unterbrechen (vgl. BVerfGE 130, 76 <128>).

134

2. Der Informationsanspruch des Bundestages und der einzelnen Abgeordneten besteht gleichwohl nicht grenzenlos.

135

a) Er kann sich von vornherein nicht auf Angelegenheiten beziehen, die nicht in die Zuständigkeit der Bundesregierung fallen, da es insoweit an einer Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag fehlt (BVerfGE 124, 161 <189>).

136

b) Begrenzt wird der Informationsanspruch des Bundestages und der einzelnen Abgeordneten auch durch das Gewaltenteilungsprinzip (siehe Rn. 131). In seiner grundgesetzlichen Ausformung als Gebot der Unterscheidung zwischen gesetzgebender, vollziehender und rechtsprechender Gewalt (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) dient dieses Prinzip zugleich einer funktionsgerechten Zuordnung hoheitlicher Befugnisse zu unterschiedlichen, jeweils aufgabenspezifisch ausgeformten Trägern öffentlicher Gewalt und sichert die rechtliche Bindung aller Staatsgewalt (BVerfGE 124, 78<120>). Das Grundgesetz fordert keine absolute Trennung, sondern gegenseitige Kontrolle, Hemmung und Mäßigung der Gewalten (BVerfGE 95, 1 <15>). Die Zweige der Staatsgewalt sind aufeinander bezogen und miteinander verschränkt, dürfen aber ihrer jeweiligen Eigenheit und ihrer spezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten nicht beraubt werden (BVerfGE 9, 268 <279 f.>; stRspr). Das Gewaltenteilungsprinzip ist damit zugleich Grund und Grenze des Informationsanspruchs des Parlaments gegenüber der Regierung. Je weiter ein parlamentarisches Informationsbegehren in den inneren Bereich der Willensbildung der Regierung eindringt, desto gewichtiger muss es sein, um sich gegen ein von der Regierung geltend gemachtes Interesse an Vertraulichkeit durchsetzen zu können (vgl. BVerfGE 110, 199 <222>; 124, 78 <122 f.>).

137

aa) Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt. Dazu gehört zum Beispiel die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214, 222>; 124, 78 <120>; 131, 152 <210>). Bei dem einer konkreten Positionierung vorgelagerten Willensbildungsprozess der Bundesregierung handelt es sich um einen von verschiedenen innen- und außenpolitischen sowie innerorganschaftlichen Belangen, Erwägungen und Entwicklungen abhängigen Vorgang, der den Bereich der Bundesregierung noch nicht verlässt und über den der Bundestag von Verfassungs wegen grundsätzlich (noch) nicht zu informieren ist (vgl. BVerfGE 131, 152 <206>). Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht danach in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen (BVerfGE 110, 199 <214>; 124, 78 <120 f.>). Diese Gefahr besteht bei Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen regelmäßig, solange die Entscheidung noch nicht getroffen ist (BVerfGE 110, 199 <214>; 124, 78 <122>). So könnte ein so wesentlicher Teil einer politischen Entscheidung wie die Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem sie fallen soll, der Regierung weitgehend aus der Hand genommen werden, wenn das Parlament schon vor diesem Zeitpunkt auf den Stand der Entscheidungsvorbereitung innerhalb der Regierung zugreifen könnte (vgl. BVerfGE 110, 199 <214 f.>).

138

Die Kontrollkompetenz des Bundestages erstreckt sich demnach grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge; sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen (BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <215>; 124, 78 <121>). Der aus dem Gewaltenteilungsprinzip folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung erschöpft sich jedoch nicht in dieser Abschirmung gegen unmittelbare Eingriffe in die autonome Kompetenzausübung der Regierung, sondern wirkt über den Zeitpunkt einer Entscheidung hinaus (BVerfGE 110, 199 <215>).

139

bb) Die Rüstungsexportkontrolle ist nicht wegen der außenpolitischen Bedeutung dieses Teilbereichs des Regierungshandelns von vornherein jeglicher parlamentarischen Kontrolle entzogen. Im Bereich der auswärtigen Politik hat das Grundgesetz in Anknüpfung an die traditionelle Staatsauffassung der Regierung aber einen weit bemessenen Spielraum zu eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung überlassen. Die Rolle des Parlaments als Gesetzgebungsorgan ist schon aus Gründen der Funktionsgerechtigkeit in diesem Bereich beschränkt (BVerfGE 104, 151 <207>; vgl. auch schon BVerfGE 49, 89 <125>; 68, 1 <87>). Eine erweiternde Auslegung der Zustimmungs- oder Mitwirkungsbefugnisse des Bundestages würde die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung ungerechtfertigt beschneiden und auf eine nicht funktionsgerechte Teilung der Staatsgewalt hinauslaufen (BVerfGE 104, 151 <207>).

140

Dies bedeutet aber nicht, dass wesentliche Entscheidungen am Bundestag vorbei getroffen werden könnten. Auch die der Bundesregierung anvertraute auswärtige Gewalt steht keineswegs außerhalb parlamentarischer Kontrolle. Dem Bundestag, der Entscheidungen der Exekutive in auswärtigen Angelegenheiten missbilligt, verbleiben jedoch auch in diesem Bereich seine parlamentarischen Kontrollbefugnisse (vgl. BVerfGE 49, 89 <125>; 68, 1 <89, 109>; 90, 286 <364>; 104, 151 <207>). Er kann sein Frage-, Debatten- und Entschließungsrecht ausüben, seine Kontroll- und Haushaltsbefugnisse wahrnehmen und dadurch auf die Entscheidungen der Regierung einwirken oder durch Wahl eines neuen Bundeskanzlers die Regierung stürzen (BVerfGE 68, 1 <109 f.>).

141

Entsprechendes gilt für den Bereich der Rüstungsexportkontrolle. Zwar weist Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG der Bundesregierung die Zuständigkeit für die Genehmigung von Kriegswaffenexporten zu. Hierdurch wird die Erfüllung dieser Aufgabe der Kontrolle durch das Parlament aber nicht von vornherein entzogen (so aber Glawe, DVBl 2012, S. 329 <335>). Vielmehr ist zwischen parlamentarischer Mitwirkung einerseits und parlamentarischer Kontrolle andererseits zu unterscheiden. Eine Mitwirkung des Parlaments bei der Ausübung von Staatsfunktionen kommt nur dort in Betracht, wo sie durch das Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Die Gewaltenteilung darf nicht unter Berufung auf das Demokratieprinzip durch Einräumung parlamentarischer Mitentscheidungsbefugnisse unterlaufen, die grundgesetzliche Kompetenzordnung nicht durch die Konstruktion eines allumfassenden Parlamentsvorbehalts überlagert werden (vgl. BVerfGE 68, 1 <87>). Daraus ist aber keine Einschränkung der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung zu folgern. In der Ausübung parlamentarischer Kontrolle liegt kein verfassungswidriger Einbruch in den Gestaltungsbereich der Exekutive. Sie kommt auch dort zum Tragen, wo das Grundgesetz eine ausschließliche Zuständigkeit der Regierung begründet. Unter dem Gesichtspunkt der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns tritt die parlamentarische Kontrolle an die Stelle der in dem Bereich ausschließlicher Zuständigkeit der Regierung fehlenden sachlich-inhaltlichen Mitwirkungsrechte des Parlaments. Die Zuständigkeitszuweisung des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG schafft somit für sich genommen keinen der parlamentarischen Verantwortung grundsätzlich entzogenen Raum gubernativen Entscheidens.

142

cc) Die Beratung und Beschlussfassung im Bundessicherheitsrat unterfallen dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung.

143

(1) Der Bundesregierung steht es auch ohne ausdrückliche verfassungsrechtliche Ermächtigung im Rahmen ihrer Organisationsgewalt zu, Kabinettsausschüsse einzurichten, die gegenüber dem Regierungskollegium eine vorbereitende und beratende Funktion ohne eigenes Entscheidungsrecht ausüben (Busse, DVBl 1993, S. 413 <414>; Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2. Aufl. 1998, S. 246; Detterbeck, in: Isensee/P. Kirchhof, HStR III, 3. Aufl. 2005, § 66 Rn. 63; Schröder, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 65 Rn. 37; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 65 Rn. 6). Soweit ein solcher Ausschuss Entscheidungen des Kabinetts vorbereitet, unterfallen die Ausschussberatungen und -ergebnisse grundsätzlich in demselben Umfang dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung wie eigene Vorbereitungshandlungen des Regierungskollegiums.

144

Nach der derzeitigen Staatspraxis bereitet der Bundessicherheitsrat Entscheidungen des Kabinetts allerdings nicht vor, sondern wird an seiner Stelle tätig. Dem Vorbringen der Antragsgegnerin zufolge wird nach der Befassung des Bundessicherheitsrates keine Kabinettsentscheidung mehr herbeigeführt (so auch Zähle, Der Staat 44 (2005), S. 462 <476>). Folglich können sich die Beschlüsse des Bundessicherheitsrates über Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung allein an den jeweils zuständigen Fachminister richten, im Bereich der Kriegswaffen also an den Minister, dem nach § 11 Abs. 2 und 3 KWKG in Verbindung mit § 1 der Ersten Durchführungsverordnung zum KWKG die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung für seinen Geschäftsbereich übertragen ist. Dieser Fachminister erteilt die Genehmigung gegenüber dem Antrag stellenden Unternehmen durch entsprechenden Bescheid.

145

Allerdings dürfen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG zur Kriegführung bestimmte Waffen nur mit Genehmigung "der Bundesregierung" hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Grundgesetz unterscheidet zwischen Befugnissen und Zuständigkeiten der Bundesregierung und solchen einzelner Bundesminister (vgl. die Auflistung in BVerfGE 132, 1 <21>). Die Bundesregierung ist ein Kollegialorgan, das nach Art. 62 GG aus dem Bundeskanzler und aus den Bundesministern besteht. Bei Regelungen des Grundgesetzes, die eine Entscheidungszuständigkeit der Bundesregierung vorsehen, ist daher grundsätzlich davon auszugehen, dass es eines Beschlusses des gesamten Kabinetts bedarf (BVerfGE 91, 148 <166>; 115, 118 <149>; 132, 1 <21>). Ausnahmsweise können unter dem Begriff der Bundesregierung jedoch auch die jeweils ressortzuständigen Minister verstanden werden, wenn Sinn und Zweck der jeweiligen Regelung eine solche Auslegung gebieten (BVerfGE 26, 338 <396>). So wird etwa zu der Regelung in Art. 86 GG betreffend die bundeseigene Verwaltung die Ansicht vertreten, dass mangels Betroffenheit der Länder (auch) der jeweilige Fachminister für seinen Bereich Verwaltungsvorschriften und Regelungen über die Einrichtung der Behörden erlassen kann (BVerwGE 36, 327<333>; Hermes, in: Dreier, GG, Bd. III, 2. Aufl. 2008, Art. 86 Rn. 52; Ibler, in: Maunz/Dürig, GG, Mai 2008, Art. 86 Rn. 135; Burgi, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 86 Rn. 67).

146

In der Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, dass Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG keine Entscheidung des Kabinetts verlange (Pottmeyer, Kriegswaffenkontrollgesetz, 2. Aufl. 1994, § 11 Rn. 2; Frank, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 26 Rn. 47; Hernekamp, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 26 Rn. 29) oder dass Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GG eine Delegationsbefugnis beinhalte (Bieneck, Handbuch des Außenwirtschaftsrechts, 2. Aufl. 2005, § 41 Rn. 4).

147

Überwiegend wird jedoch davon ausgegangen, dass die Delegation der Genehmigungserteilung auf einzelne Minister mit Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar und § 11 Abs. 2 KWKG aus diesem Grunde verfassungswidrig sei (Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 210 ff.; Hartwig, in: Umbach/ Clemens, Bd. 1, 2002, Art. 26 Rn. 40; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, März 2014, Art. 26 Rn. 56; Pernice, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 26 Rn. 28; Fink, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 26 Rn. 76; Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 12; Schmahl, in: Sodan, GG, 2. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 13; Streinz, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 46; Hobe, in: Berliner Kommentar zum GG, Nov. 2012, Art. 26 Rn. 18; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 26 Rn. 10).

148

(2) Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob die Bundesregierung zur Einrichtung des Bundessicherheitsrates und zur Übertragung der Entscheidungsbefugnis über Kriegswaffenexportanträge auf diesen oder auf einzelne Bundesminister berechtigt ist. Denn im Rechtsverhältnis zum Deutschen Bundestag und seinen Mitgliedern sind die Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG der Bundesregierung zuzuordnen und durch diese unmittelbar gegenüber dem Parlament und mittelbar gegenüber dem Volk zu verantworten, gleich ob sie durch das Kabinett, durch einen von diesem eingesetzten Ausschuss oder durch einen einzelnen Minister getroffen werden. Genauso wenig, wie die Bundesregierung sich durch eine Delegation der ihr durch das Grundgesetz zugewiesenen Entscheidungsbefugnisse ihrer Verantwortung für die getroffenen Entscheidungen entledigen kann, führt eine solche Delegation - gleich ob zulässig oder unzulässig - dazu, dass die Entscheidung des Ministers und die darauf bezogene Willensbildung im Bundessicherheitsrat den Charakter des Regierungshandelns verlören und dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung entzogen wären. Ein möglicher Verstoß gegen ein aus der Verfassung abzuleitendes Delegationsverbot änderte nichts daran, dass die Willensbildung im Bundessicherheitsrat im System der Gewaltenteilung der Regierung zuzuordnen ist, zumal in diesem Unterausschuss des Regierungskollegiums allein Regierungsmitglieder stimmberechtigt sind. Der aus dem Gewaltenteilungsprinzip folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung würde durch einen solchen Verstoß nicht entbehrlich. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Bundesregierung, die den Bundessicherheitsrat durch einen Kabinettsbeschluss eingerichtet hat, dieses Gremium jederzeit durch entsprechenden Beschluss auflösen oder einzelne Beratungen "an sich ziehen" könnte.

149

Der Teilnahme des Bundessicherheitsrates am Kernbereichsschutz steht nicht entgegen, dass an dessen Sitzungen neben Regierungsmitgliedern auch der Chef des Bundeskanzleramtes, der Generalinspekteur der Bundeswehr, die Chefs des Bundespräsidialamtes und des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, die Beauftragte der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie bei Bedarf weitere Dritte teilnehmen können. Hierdurch verliert das Gremium nicht den direkten Bezug zu der Willensbildung innerhalb der Bundesregierung, der die Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG vorbehalten sind. Soweit der Senat für die sogenannte Präsidentenrunde entschieden hat, dass diese an dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung nicht im gleichen Umfang teilnimmt wie das Kabinett (BVerfGE 124, 78 <137>), ist diese Entscheidung auf den Bundessicherheitsrat nicht übertragbar. Die Funktion der Präsidentenrunde besteht lediglich im Austausch von Informationen, der Beratung sowie in der Vorbereitung einer Entscheidungsfindung in den zuständigen Ressorts in Fragen der äußeren und inneren Sicherheit. Weder handelt es sich um ein Entscheidungsgremium, noch dienen die Beratungen der Präsidentenrunde notwendiger- oder auch nur typischerweise der unmittelbaren Vorbereitung von Kabinettsentscheidungen (BVerfG, a.a.O.). Erst recht treten sie nicht faktisch an deren Stelle.

150

c) Eine weitere Grenze des Informationsanspruchs des Bundestages bildet das Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl), das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <134 ff.>; 124, 78 <123> jeweils für das Beweiserhebungsrecht parlamentarischer Untersuchungsausschüsse). Die Frage, welche Grenzen die Verfassung dem parlamentarischen Frage- und Untersuchungsrecht setzt, ist unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im Verfassungsgefüge zu beantworten. Dies gilt auch für die Auslegung und Anwendung des Begriffs der Gefährdung des Staatswohls (vgl. BVerfGE 124, 78 <123>). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Bundestag in der Geheimschutzordnung in detaillierter Weise die Voraussetzungen für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei der Aufgabenerfüllung des Bundestages festgelegt hat (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 77, 1 <48>; vgl. auch BVerfGE 70, 324 <359>). Die Verschwiegenheitspflicht aufgrund parlamentsrechtlicher Regelungen wird durch die strafrechtliche Sanktion des § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB bekräftigt. Diese Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der Tatsache, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungsrecht noch das Haushaltsrecht noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte (BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>). Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Staatswohl im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>). Das Parlament und seine Organe können nicht als Außenstehende behandelt werden, die zum Kreis derer gehören, vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheim zu halten sind (BVerfGE 124, 78 <124>). Mithin kann die Berufung auf das Wohl des Bundes gerade gegenüber dem Bundestag in aller Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn beiderseits wirksam Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden. Dass auch die Beachtung von Vorschriften zur Wahrung von Dienstgeheimnissen deren Bekanntwerden nicht ausschließt, steht dem nicht entgegen, denn diese Tatsache betrifft alle drei Gewalten (BVerfGE 67, 100 <136>).

151

Die Geheimschutzbestimmungen des Bundestages lassen allerdings die eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt (BVerfGE 67, 100 <137>; 70, 324 <359>). Die Bundesregierung ist daher nicht verpflichtet, Verschlusssachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Bundestag vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>). Vorkehrungen zur Geheimhaltung und die Entscheidung, nur ein sehr kleines parlamentarisches Gremium mit Beratungsgegenständen aus einem vertraulichen Bereich zu befassen, können daher verfassungsrechtlich zulässig sein, obgleich damit erhebliche Beschränkungen des Zugangs der meisten Abgeordneten zu diesen Informationen verbunden sind (BVerfGE 70, 324 <360, 364>; 130, 318 <352 f., 359>; 131, 230 <235>).

152

Andererseits ist zu beachten, dass der Deutsche Bundestag seine Repräsentationsfunktion grundsätzlich in seiner Gesamtheit durch die Mitwirkung aller seiner Mitglieder wahrnimmt (BVerfGE 130, 318 <342>; vgl. auch schon BVerfGE 44, 308 <316>; 56, 396 <405>; 80, 188 <218>; ferner BVerfGE 131, 230 <235>). Daher ist jeder Abgeordnete berufen, an der Arbeit des Bundestages, seinen Verhandlungen und Entscheidungen teilzunehmen (BVerfGE 130, 318 <342>). Soweit Abgeordnete durch die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf einen beschließenden Ausschuss von der Mitwirkung an der parlamentarischen Entscheidungsfindung ausgeschlossen werden, ist dies nur zum Schutz anderer Rechtsgüter mit Verfassungsrang und unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig (BVerfGE 131, 230 <235>). Es bedarf eines besonderen Grundes, der durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht ist, das der Gleichheit der Abgeordneten die Waage halten kann (BVerfGE 131, 230 <235>).

153

Überträgt der Deutsche Bundestag zur Wahrung anderer Rechtsgüter von Verfassungsrang einem von ihm aufgrund seiner Selbstorganisationsbefugnis eingerichteten Ausschuss oder einem anderen Untergremium einzelne der von ihm zu erfüllenden Aufgaben zur selbständigen und plenarersetzenden Wahrnehmung und bestehen dafür Gründe, die dem Gebot der gleichberechtigten Mitwirkung aller Abgeordneten die Waage halten, darf die Beschränkung der Statusrechte der gewählten Abgeordneten und die damit verbundene Ungleichbehandlung nicht weiter reichen, als dies unbedingt erforderlich ist (BVerfGE 130, 318 <353>). Auch Belange des Geheimschutzes im Interesse verfassungsrechtlich geschützter Güter sind als zwingende Gründe des Staatswohls grundsätzlich geeignet, die Einschränkung von Statusrechten der Abgeordneten zu rechtfertigen (BVerfGE 70, 324 <358 f.>; 130, 318 <359>; vgl. auch BVerfGE 131, 230 <235>). Die Staatspraxis kennt das aus elf Abgeordneten gebildete Parlamentarische Kontrollgremium, das unter anderem die nachrichtendienstliche Tätigkeit überwacht (BVerfGE 130, 318 <359>). Zudem hat es das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass über die Wirtschaftspläne der Geheimdienste des Bundes nicht das Plenum, sondern ein wesentlich kleineres, geheim verhandelndes und ausschließlich zu diesem Zwecke gebildetes Gremium berät, weil aus der Vielzahl der Informationen, die bei der Beratung bekannt werden, mosaikartig auch ein Bild von den konkreten Operationen der Geheimdienste gewonnen werden und dies darüber hinaus zur Gefährdung von Personen führen kann (BVerfGE 70, 324 <364>). Ebenso wie bei militärischen Geheimnissen oder sonstigen aus Gründen des Staatsschutzes geheim zu haltenden Informationen kann die Geheimschutzordnung möglicherweise auch dann keine ausreichende Vorsorge bieten, wenn über Maßnahmen entschieden werden muss, bei denen nicht nur der Inhalt der Beratung, sondern auch die Tatsache der Beratung und der Beschlussfassung an sich geheim gehalten werden müssen, um den Erfolg einer Maßnahme nicht von vornherein unmöglich zu machen (BVerfGE 130, 318 <362>).

154

d) Schließlich können das Fragerecht der Abgeordneten und die Antwortpflicht der Bundesregierung dadurch begrenzt sein, dass diese gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten haben (BVerfGE 67, 100<142>; 76, 363 <387>; 77, 1 <46>; 124, 78 <125>). Werden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch den Staat offen gelegt oder verlangt er deren Offenlegung, so ist Art. 12 Abs. 1 GG in seinem Schutzbereich berührt (vgl. BVerfGE 115, 205 <230>; 128, 1 <56>).

155

Das Grundrecht der Berufsfreiheit ist nach Art. 19 Abs. 3 GG auch auf juristische Personen anwendbar, soweit sie eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer juristischen wie einer natürlichen Person offen steht (BVerfGE 50, 290<363>; 115, 205 <229>; stRspr). Das Freiheitsrecht des Art. 12 Abs. 1 GG schützt das berufsbezogene Verhalten einzelner Personen oder Unternehmen am Markt. Erfolgt die unternehmerische Berufstätigkeit nach den Grundsätzen des Wettbewerbs, wird die Reichweite des Freiheitsschutzes auch durch die rechtlichen Regeln mitbestimmt, die den Wettbewerb ermöglichen und begrenzen (BVerfGE 105, 252 <265>; 115, 205 <229>). Behindert eine den Wettbewerb beeinflussende staatliche Maßnahme eine juristische Person in ihrer beruflichen Tätigkeit, so stellt dies eine Beschränkung ihres Freiheitsrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG dar (BVerfGE 86, 28<37>; 115, 205 <230>).

156

Durch die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen kann die Ausschließlichkeit der Nutzung des betroffenen Wissens für den eigenen Erwerb beeinträchtigt werden. Wird exklusives wettbewerbserhebliches Wissen den Konkurrenten zugänglich, mindert dies die Möglichkeit, die Berufsausübung unter Rückgriff auf dieses Wissen erfolgreich zu gestalten. So können unternehmerische Strategien durchkreuzt werden. Auch kann ein Anreiz zu innovativem unternehmerischen Handeln entfallen, weil die Investitionskosten nicht eingebracht werden können, während gleichzeitig Dritte unter Einsparung solcher Kosten das innovativ erzeugte Wissen zur Grundlage ihres eigenen beruflichen Erfolgs in Konkurrenz mit dem Geheimnisträger nutzen (vgl. zum Ganzen BVerfGE 115, 205 <230>).

157

3. Aus der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, folgt, dass sie die Gründe darlegen muss, aus denen sie die erbetenen Auskünfte verweigert (BVerfGE 124, 161 <193>). Denn der Bundestag kann seine Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns nur dann effektiv wahrnehmen, wenn er anhand einer der jeweiligen Problemlage angemessen ausführlichen Begründung beurteilen und entscheiden kann, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen. Hierzu muss er Abwägungen betroffener Belange, die zur Versagung von Auskünften geführt haben, auf ihre Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüfen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>). Eine Begründung der Antwortverweigerung ist daher nur dann entbehrlich, wenn die Geheimhaltungsbedürftigkeit evident ist (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>).

II.

158

Nach diesen Maßstäben ist die Bundesregierung verpflichtet, Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf entsprechende Anfragen hin mitzuteilen, dass der Bundessicherheitsrat ein bestimmtes, das heißt hinsichtlich des Rüstungsguts, des Auftragsvolumens und des Empfängerlandes konkretisiertes Kriegswaffenexportgeschäft genehmigt hat oder dass eine Genehmigung für ein wie in der Anfrage beschriebenes Geschäft nicht erteilt worden ist. Darüber hinaus gehende Angaben sind verfassungsrechtlich nicht geboten.

159

1. Die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung ist nicht bereits mit der positiven oder negativen Antwort auf eine Voranfrage (a), sondern erst mit dem vom Bundessicherheitsrat gefassten Beschluss zu einem formellen Genehmigungsantrag abgeschlossen; über eine positive Genehmigungsentscheidung hat die Bundesregierung den Bundestag und seine Mitglieder daher auf Anfrage zu unterrichten (b). Keine Antwortpflicht besteht hingegen bei Fragen zu den Gründen einer getroffenen Entscheidung und zum Inhalt und Verlauf der Beratungen im Bundessicherheitsrat (c).

160

a) Die positive Beantwortung einer auf die Genehmigungsfähigkeit eines Kriegswaffenexportgeschäfts abzielenden Voranfrage eines Unternehmens der Rüstungsindustrie schließt die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung in Bezug auf das betreffende Exportvorhaben nicht ab. Etwas anderes könnte für die Ablehnung einer Voranfrage gelten, die aber nach dem von den Antragstellern nicht angezweifelten Vorbringen der Antragsgegnerin grundsätzlich nicht erfolgt und zudem aus anderen, unten näher dargelegten Gründen (vgl. Rn. 174 ff.) nicht mitzuteilen ist.

161

Mit einer positiven Beantwortung einer Voranfrage lassen der Bundessicherheitsrat und der für Voranfragen in Bezug auf Kriegswaffen zuständige Minister erkennen, dass zum Zeitpunkt der Antwort keine Bedenken gegen das beabsichtigte Exportgeschäft bestehen, so dass ein entsprechender formgerechter, konkretisierter und mit ausreichenden Unterlagen unterlegter Antrag Aussicht auf Erfolg hätte. Es handelt sich folglich bei der Beantwortung einer Voranfrage um eine Auskunft über die Genehmigungsfähigkeit des beabsichtigten Exports zum Zeitpunkt der Bescheidung dieser Anfrage, nicht aber um eine Zusicherung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) oder gar um eine abschließende Teilregelung oder Teilgenehmigung (Pottmeyer, Kriegswaffenkontrollgesetz, 2. Aufl. 1994, § 9 Rn. 55; a.A. Zähle, Der Staat 44 (2005) S. 462 <475> und VG Frankfurt, Urteil vom 1. November 2001 - 1 E 6167/00 (1) -, juris, Rn. 21). Eine Zusicherung im Sinne von § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG liegt nur vor, wenn der Wille der Behörde, sich für die Zukunft zu binden und einen entsprechenden Anspruch des Begünstigten auf die zugesagte Maßnahme zu begründen, in der Erklärung eindeutig erkennbar ist. Wird eine Maßnahme lediglich "in Aussicht gestellt", so liegt im Regelfall nur eine unverbindliche Absichtserklärung vor, wie weiter zu verfahren ist (Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 38 Rn. 21 ff. <24>). Die von der Antragsgegnerin exemplarisch eingereichten Antworten des Auswärtigen Amtes auf Voranfragen betreffend die Ausfuhr von Kriegswaffen sind so formuliert, dass dem anfragenden Unternehmen mitgeteilt wird, dass die Bundesregierung eine Genehmigung der Ausfuhr in Aussicht stellt, soweit sich die Umstände zum Zeitpunkt der Stellung des konkreten Antrages nicht wesentlich geändert haben. Aus einer solchen Mitteilung geht der Wille der Bundesregierung, sich zu binden und entgegen § 6 Abs. 1 KWKG einen Anspruch des Unternehmens auf die Genehmigung zu begründen, nicht eindeutig hervor. Der Bundessicherheitsrat und die beteiligten Ministerien sind folglich an die positive Beantwortung einer Voranfrage nicht gebunden, ein anschließender Antrag auf Erteilung der Genehmigung kann auch bei unveränderten Umständen abgelehnt werden. Ob in einem solchen Fall ein Amtshaftungsanspruch gegen die Bundesrepublik bestehen kann (so Pottmeyer, a.a.O., Rn. 56), bedarf hier keiner Klärung.

162

Dieser Rechtslage entspricht anscheinend die tatsächliche Praxis der Antragsgegnerin. Nach deren Vorbringen fühlt sich der Bundessicherheitsrat an seine Antworten auf Voranfragen rechtlich nicht gebunden. Vielmehr wird nach Eingang des vollständigen Genehmigungsantrages nochmals in die Beratung eingetreten und kommt es auch zu anschließenden Ablehnungsentscheidungen, die offenbar auch auf einer geänderten Einschätzung der im Wesentlichen unveränderten Lage in dem Empfängerland beruhen können.

163

Eine Verpflichtung der Bundesregierung, den Bundestag generell oder einzelne Abgeordnete auf konkrete Fragen hin über Entscheidungen des Bundessicherheitsrates zu Voranfragen in Bezug auf beabsichtigte Kriegswaffenexporte zu informieren, würde vor diesem Hintergrund in einen noch nicht abgeschlossenen ressortübergreifenden Willensbildungsprozess aus dem Verantwortungsbereich der Bundesregierung eingreifen. Der durch die Beantwortung der Voranfrage rechtlich nicht gebundene Bundessicherheitsrat würde der Einflussnahme des Parlaments auf seine von verschiedenen außenpolitischen Belangen, Erwägungen und Entwicklungen abhängige Beratung und Entscheidung über den nachfolgenden Genehmigungsantrag ausgesetzt. Damit würde dem Parlament das faktische Mitregieren bei einer Entscheidung ermöglicht, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegt. Die Kontrollaufgabe des Parlaments würde in eine Steuerungsbefugnis verkehrt, die ihm ausweislich von Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG in diesem Bereich nicht zukommt.

164

b) Die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung ist nicht erst mit dem Erlass des positiven oder negativen Genehmigungsbescheides durch das jeweils zuständige Bundesministerium abgeschlossen. Entscheidender Willensbildungsakt ist vielmehr die Beratung eines Genehmigungsantrages im Bundessicherheitsrat, die mit dessen Beschlussfassung ihren Abschluss findet.

165

Die rechtliche Qualität der Beschlüsse des Bundessicherheitsrates im Bereich der Kriegswaffenexporte ist in der Literatur umstritten. Teilweise wird die auch von der Antragsgegnerin vorgebrachte Ansicht vertreten, es handele sich um rechtlich unverbindliche Empfehlungen, die dem jeweils zuständigen Minister lediglich vermitteln, ob dessen Entscheidung politisch mitgetragen werde (so Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, § 42 IV. 4. c), S. 875; Zähle, Der Staat 44 (2005), S. 462 <477>, im Wege verfassungskonformer Auslegung; Busse/Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, 5. Aufl. 2010, S. 96 f.; Glawe, Organkompetenzen und Handlungsinstrumente auf dem Gebiet der nationalen Sicherheit, 2011, S. 32, der allerdings von einer Empfehlung an das Bundeskabinett ausgeht). Nach anderer Ansicht trifft der Bundessicherheitsrat selbst die Genehmigungsentscheidung, an die der zuständige Minister gebunden ist und die sein Ministerium als Genehmigungsbehörde durch entsprechenden Bescheid umsetzen muss (Kadner, Die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers gegenüber der Sonderstellung einzelner Bundesminister unter besonderer Berücksichtigung des Bundesministers für Verteidigung, 1970, S. 111; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 227; Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2. Aufl. 1998, S. 247). Dieser Auffassung zufolge ist der Bundessicherheitsrat aufgrund der ihm als Entscheidungsgremium zukommenden Leitungsgewalt wegen Verstoßes gegen die Ressortselbständigkeit der Minister und die Kanzlerprärogative verfassungswidrig (Kadner, a.a.O.; Epping, a.a.O.; Böckenförde, a.a.O.; a.A. Steinberg, Abrüstungs- und Rüstungskontrollverwaltung in der Bundesrepublik Deutschland, 1982, S. 108, der zwar ein Entscheidungsrecht des Bundessicherheitsrates annimmt, dies aber mit Art. 65 GG für vereinbar hält).

166

Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob - wie es der Wortlaut von Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG nahe legt - die Bundesregierung beziehungsweise der Bundessicherheitsrat selbst zur Entscheidung verpflichtet ist (zum Erlass von Verwaltungsakten durch die Bundesregierung vgl. BVerwGE 117, 322 <328>, Rn. 16) oder das zuständige Ministerium als Genehmigungsbehörde rechtlich an den jeweiligen Beschluss des Bundessicherheitsrates gebunden ist. Nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin erfolgt in der Staatspraxis die abschließende Entscheidung im Bundessicherheitsrat. An dessen Beschlüsse halten sich die Minister faktisch und fühlen sich durch diese gebunden. Der Antragsgegnerin zufolge ist ihr kein Fall bekannt, in dem ein Minister von einer Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates abgewichen ist. Es besteht kein Grund, an dieser Darstellung zu zweifeln. Eine andere Handhabung würde auf Dauer zu fortwährenden Konflikten zwischen der Gesamtheit der Mitglieder des Bundessicherheitsrates und dem von dessen Beschlüssen abweichenden Minister und zu einer ständigen Befassung des gesamten Kabinetts führen (Art. 65 Satz 3 GG).

167

Zugunsten der Antragsteller kann daher davon ausgegangen werden, dass die Willensbildung der Bundesregierung in Bezug auf einen Kriegswaffenexportantrag mit dem jeweiligen Beschluss des Bundessicherheitsrates abgeschlossen ist. Damit endet der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung für die getroffene Entscheidung in diesem Zeitpunkt. Die Bundesregierung ist verpflichtet, den Abgeordneten des Bundestages auf Anfragen hin mitzuteilen, dass der Bundessicherheitsrat einen Beschluss über die Genehmigung eines Kriegswaffenexportgeschäfts gefasst hat.

168

c) Die Bundesregierung ist jedoch nicht verpflichtet, über die Mitteilung einer erfolgten Genehmigung hinaus Angaben zu der dieser Entscheidung vorausgegangenen Willensbildung innerhalb des Bundessicherheitsrates zu machen.

169

Parlamentarische Informationsrechte in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge scheiden zwar nicht grundsätzlich immer dann aus, wenn es sich um Informationen aus dem Bereich der Willensbildung der Regierung, einschließlich der vorbereitenden Willensbildung innerhalb der Ressorts und der Abstimmung zwischen ihnen handelt (BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>). Dem parlamentarischen Zugriff können grundsätzlich auch Informationen aus dem Bereich der regierungsinternen Willensbildung unterliegen (BVerfGE 124, 78 <122>).

170

Andererseits würde ein - sei es auch erst nach Abschluss des jeweiligen Entscheidungsprozesses einsetzender - schrankenloser parlamentarischer Anspruch auf Informationen aus diesem Bereich vor allem durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der selbständigen Funktion beeinträchtigen, die das Gewaltenteilungsprinzip ihr zuweist (BVerfGE 110, 199 <215>; 124, 78 <121>). Informationen aus dem Vorfeld von Regierungsentscheidungen sind danach zwar nach Abschluss der jeweiligen Entscheidung nicht mehr im selben Maße geschützt wie in der Phase, in der die Kenntnisnahme Dritter diesen einen unmittelbaren Einfluss auf die Entscheidung verschaffen würde (vgl. BVerfGE 110, 199 <215 f.>). Jedoch sind auch bei abgeschlossenen Vorgängen Fälle möglich, in denen die Regierung nicht verpflichtet ist, geheim zu haltende Tatsachen aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung mitzuteilen (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <216>; 124, 78 <121>). Die Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs lassen sich in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände feststellen (vgl. BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>). Die Notwendigkeit, hier zwischen gegenläufigen Belangen abzuwägen, entspricht der doppelten Funktion des Gewaltenteilungsgrundsatzes als Grund und Grenze parlamentarischer Kontrollrechte (BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>). In ihr kommt zum Ausdruck, dass die parlamentarische Kontrolle der Regierung einerseits gerade dazu bestimmt ist, eine demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechende Ausübung der Regierungsfunktion sicherzustellen, andererseits aber diese Funktion auch stören kann und daher der Begrenzung auf ein funktionsverträgliches Maß bedarf (BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>).

171

Als funktioneller Belang fällt bei abgeschlossenen Vorgängen nicht mehr die Entscheidungsautonomie der Regierung, sondern vor allem die Freiheit und Offenheit der Willensbildung innerhalb der Regierung ins Gewicht. Unter diesem Aspekt sind Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen, die Aufschluss über den Prozess der Willensbildung geben, umso schutzwürdiger, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen (vgl. BVerfGE 110, 199 <221>; 124, 78 <122 f.>).

172

Die Bundesregierung ist danach nicht verpflichtet, über den Inhalt und den Verlauf der Beratungen im Bundessicherheitsrat und über das Abstimmungsverhalten seiner Mitglieder Auskunft zu geben. Die Mitglieder des Gremiums sind auf die Vertraulichkeit der Beratungen in besonderem Maße angewiesen, da die Entscheidung über eine beabsichtigte Ausfuhr von Kriegswaffen eine eingehende Beurteilung des Empfängerlandes erfordert, etwa im Hinblick auf dessen politische und militärische Stabilität. Müssten die Mitglieder des Bundessicherheitsrates damit rechnen, dass die von ihnen in den Beratungen abgegebenen Einschätzungen alsbald nach der getroffenen Entscheidung veröffentlicht werden, so könnten sie nicht in auf Vertraulichkeit der Beratungen fußender Offenheit Gründe vorbringen, die für oder gegen eine Genehmigung sprechen. Es wäre sogar naheliegend, dass in einer solchen Situation die eigentlichen Beratungen faktisch nicht mehr in dem Gremium selbst erfolgen, sondern in Vorbesprechungen oder in kleinere, geheim tagende Kreise ausgelagert würden. Derartige einengende Vorwirkungen würden den Bundessicherheitsrat in seiner Funktion nachhaltig beeinträchtigen. Die Preisgabe der Beratungsabläufe im Bundessicherheitsrat wäre daher ein erheblicher Eingriff in den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung.

173

Das parlamentarische Informationsinteresse fällt demgegenüber weniger stark ins Gewicht. Parlamentarisch verantwortlich für die Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG ist die Bundesregierung. Die Information, welcher Minister im Rahmen der Beratungen welche Position vertreten hat, mag daher von allgemeinem politischen Interesse sein, für die parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelns ist sie aber nicht relevant.

174

2. Die Antwort auf Fragen zu noch nicht beschiedenen Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen kann die Bundesregierung ebenso wie die Auskunft über Voranfragen von Rüstungsunternehmen auch aus Gründen des Staatswohls verweigern. Entsprechendes gilt für die Tatsache, dass ein Genehmigungsantrag abgelehnt wurde. Auch bei durch den Bundessicherheitsrat bereits gebilligten Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung kann die Verweigerung der Antwort aus diesen Gründen gerechtfertigt sein.

175

Die Weitergabe der Information, ob der Bundessicherheitsrat eine Voranfrage beschieden hat, kann zu Verwerfungen im Verhältnis zu dem jeweiligen Erwerberland führen. Zum einen können dadurch Rüstungserwerbsabsichten publik werden, die das jeweilige Land jedenfalls in diesem frühen Stadium der Geschäftsanbahnung geheim halten möchte, etwa weil durch eine Veröffentlichung die künftige Verteidigungsstrategie des Landes erkennbar würde. Zum anderen kann das Bekanntwerden der Tatsache, dass eine Genehmigung verweigert beziehungsweise eine Voranfrage abschlägig beschieden oder zurückgestellt wurde, das an dem Erwerb interessierte Land öffentlich brüskieren und damit die Beziehungen zur Bundesrepublik stören.

176

Eine erhebliche Beeinträchtigung außenpolitischer Interessen drohte, wenn auch die Gründe für die Ablehnung einer Genehmigung oder Voranfrage mitgeteilt werden müssten, etwa die Gefahr der Verwendung der zur Ausfuhr vorgesehenen Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung oder bei Menschenrechtsverletzungen. Zudem könnten die Gründe in Einzelfällen Rückschlüsse auf bestimmte Informationsquellen zulassen, an deren Geheimhaltung die Bundesregierung gerade im Verhältnis zu dem betroffenen Land zum Schutz seiner Informationskanäle ein berechtigtes Interesse hat.

177

Das Bekanntwerden sensibler Rüstungsexportgeschäfte kann auch über das Verhältnis zum direkt betroffenen Erwerberland hinaus die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung beeinträchtigen. Rüstungsexportentscheidungen haben in der Regel eine diplomatische Dimension. So wird der Export von Kriegswaffen in Länder, die nicht Mitglied der NATO oder der Europäischen Union oder den NATO-Mitgliedsländern gleichgestellt sind, nur genehmigt, wenn "im Einzelfall besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der Bündnisinteressen für eine ausnahmsweise zu erteilende Genehmigung sprechen" (Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern, III. 2., abgedruckt im Rüstungsexportbericht 2013, Anlage 1, S. 36). Der Handel mit Rüstungsgütern gilt als "wichtiges diplomatisches Instrument" (Richter, Die Rüstungsindustrie im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 20). Waffenexporte können den Zusammenhalt von Bündnissen und die militärische Schlagkraft befreundeter Staaten stärken und als "Gegenleistung" eingesetzt werden, etwa für Stationierungs- oder Überflugrechte (Roeser, Völkerrechtliche Aspekte des internationalen Handels mit konventionellen Waffen, 1988, S. 41). Die Verweigerung von Rüstungsexporten kann demgegenüber - wie etwa konzertierte Embargo-Aktionen zeigen - der Erhaltung des eigenen waffentechnischen Vorsprungs gegenüber anderen Staaten und damit der Sicherheit des Staates dienen (von Poser und Groß Naedlitz, Die Genehmigungsentscheidung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, 1999, S. 56). Die Haltung der Bundesregierung zu einem beabsichtigten Rüstungsgeschäft kann damit auch Indikator für die politische Beziehung zu einem Land oder Ausdruck einer bestimmten Sicherheitsstrategie sein. Das vorzeitige Öffentlichwerden solcher Rüstungsexportgeschäfte kann ebenso wie das Bekanntwerden einer ablehnenden Entscheidung die Abschätzbarkeit der deutschen Außenpolitik für andere Länder erleichtern und damit Verhandlungs- und Gestaltungsspielräume verengen. Gleiches gilt für das Bekanntwerden der Gründe für die Bewilligung oder Ablehnung einer Genehmigung. Die Bundesregierung ist daher nicht verpflichtet, die Gründe für eine vom Bundessicherheitsrat getroffene Entscheidung mitzuteilen. Auch über die Ablehnung eines Kriegswaffenausfuhrantrages muss keine Auskunft erteilt werden.

178

Ein frühzeitiges Bekanntwerden eines beabsichtigten Rüstungsexportgeschäfts und der Haltung der Bundesregierung bereits im Stadium der Vertragsanbahnung birgt darüber hinaus die Gefahr, dass ein drittes Land, welches mit dem Geschäft nicht einverstanden ist, versucht, dieses Geschäft vor seiner tatsächlichen Durchführung durch den Einsatz von Druckmitteln zu verhindern. Zudem kann ein frühzeitiges Bekanntwerden dazu führen, dass ausländische Konkurrenzunternehmen an den Kaufinteressenten herantreten und das Geschäft durch Abgabe eines günstigeren Angebots an sich ziehen. Dies kann jedenfalls dort ein Geheimhaltungsinteresse der Bundesregierung aus Gründen des Staatswohls rechtfertigen, wo die Durchführung des Exportgeschäfts im außenpolitischen Interesse der Bundesrepublik liegt. Zudem stellt die Aufrechterhaltung eines nationalen Rüstungswesens ein legitimes staatliches Ziel dar. Eine eigene rüstungsindustrielle Basis führt aus verteidigungspolitischer Sicht dazu, dass die nationalen Streitkräfte durch die inländische Industrie ausgerüstet werden können. Gegenüber der Beschaffung der militärischen Ausrüstung auf dem Weltmarkt werden als Vorteile unter anderem der staatliche Einfluss als Hauptauftraggeber (Richter, Die Rüstungsindustrie im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 24; ähnlich Raidel, Eine Lanze für die deutsche Verteidigungswirtschaft, Politik & Sicherheit, Heft 8, August 2009, S. 1 f.) und die daraus folgende passgenaue Ausrichtung nationaler Rüstungsprodukte auf die taktischen und operativen Konzepte der Streitkräfte sowie die Möglichkeit der konzeptionellen Weiterentwicklung der Streitkräfte genannt (Küchle, Die deutsche Heeresindustrie in Europa, 2007, S. 9). Zudem erhöht eine eigene Rüstungsindustrie die Versorgungssicherheit und dient der Vermeidung von Abhängigkeiten von der Exportpolitik anderer Staaten.

179

Diese Gefahren für die Durchführung des Rüstungsexportgeschäfts nehmen mit dem Fortgang des Verfahrens ab. Sie bestehen vor allem in der oft Monate oder gar Jahre andauernden Phase der Vertragsanbahnung. Aus diesem Grunde ist die Bundesregierung nicht verpflichtet, Abgeordneten des Bundestages auf Anfrage mitzuteilen, ob eine Voranfrage zu einem beabsichtigten Ausfuhrgeschäft gestellt und wie diese beschieden wurde. Die positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates, die anschließend durch das zuständige Ministerium in dem Genehmigungsbescheid umgesetzt wird, stellt auch hier eine Zäsur dar. Nach den Angaben der sachkundigen Dritten ist zum Zeitpunkt des Antrages auf Genehmigung einer Kriegswaffenausfuhr der Vertrag mit dem Empfängerland im Regelfall jedenfalls endverhandelt, zumeist sogar bereits geschlossen. Damit verringert sich die Gefahr einer Einflussnahme Dritter auf das zur Genehmigung anstehende Geschäft erheblich. Mit der positiven Entscheidung des Bundessicherheitsrates über einen Genehmigungsantrag entfällt auch die Möglichkeit der Bloßstellung eines kaufinteressierten Staates, die mit der Ablehnung eines frühzeitig - etwa durch die Auskunft über eine Voranfrage - bekannt gewordenen Geschäfts verbunden sein kann.

180

Die Zäsurwirkung der positiven Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates schließt nicht aus, dass die Bundesregierung aus den genannten Gründen des Staatswohls in Einzelfällen ausnahmsweise auch die Antwort auf die Frage verweigern darf, ob eine solche Entscheidung getroffen wurde. Wann eine solche Antwortverweigerung gerechtfertigt sein kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn jedenfalls müsste die Bundesregierung die Verweigerung der Auskunft in ihrer Antwort gesondert begründen, was vorliegend nicht geschehen ist.

181

3. Eine weitere Einschränkung der Antwortpflicht der Bundesregierung in Bezug auf die Befassung des Bundessicherheitsrates mit Voranfragen und Genehmigungsanträgen zu beabsichtigten Kriegswaffenausfuhrgeschäften ergibt sich aus dem grundrechtlichen Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der jeweiligen Rüstungsunternehmen.

182

a) Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Zu derartigen Geheimnissen zählen etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden können (BVerfGE 115, 205 <230 f.>; vgl. auch BVerfGE 128, 1 <56>). Als Betriebsgeheimnisse kommen vorliegend unter anderem die konkreten technischen Daten und Spezifikationen der einzelnen Kriegswaffen in Betracht, als Geschäftsgeheimnisse insbesondere die Details der vertraglichen Vereinbarungen wie etwa Lieferzeiten und -orte, Preise und Preisbestandteile, Zahlungsbedingungen und Angaben zu den beteiligten Zulieferunternehmen. Der Umstand, dass ein Unternehmen Verhandlungen mit einem Staat über den Erwerb von Kriegswaffen bestimmter Gattung führt, stellt für sich genommen ebenfalls ein Geschäftsgeheimnis dar, weil die Verhandlungspartner in aller Regel eine Vertraulichkeitsvereinbarung abschließen und weil Konkurrenzunternehmen versuchen können, die Anbahnung des Geschäfts durch eigene Angebote oder andere Maßnahmen zu unterminieren. Somit stellen das Kaufinteresse eines Staates und die Aufnahme von Vertragsverhandlungen exklusives wettbewerbserhebliches Wissen dar und mindert die Offenlegung dieser Tatsachen die Möglichkeit, die Berufsausübung unter Rückgriff auf dieses Wissen erfolgreich zu gestalten.

183

b) Zwar begründet Art. 12 Abs. 1 GG kein ausschließliches Recht der Unternehmen auf eigene Außendarstellung und auf eine uneingeschränkte unternehmerische Selbstdarstellung am Markt. Marktbezogene Informationen des Staates beeinträchtigen den grundrechtlichen Gewährleistungsbereich der Berufsfreiheit der betroffenen Unternehmen daher nicht, sofern der Einfluss auf wettbewerbserhebliche Faktoren ohne Verzerrung der Marktverhältnisse nach Maßgabe der rechtlichen Vorgaben für staatliches Informationshandeln erfolgt (BVerfGE 105, 252 <264 ff., 268>). Unabhängig davon wäre aber durch die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Kriegswaffen produzierenden Unternehmen durch die Bundesregierung der Schutzbereich der Berufsfreiheit berührt (vgl. BVerfGE 115, 205 <230>). Dieser Schutzbereich ist jedenfalls insoweit nicht durch Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG eingeschränkt. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei dem Genehmigungserfordernis um ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (so Pottmeyer, Kriegswaffenkontrollgesetz, 1991, S. 69 ff.; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 120) oder um ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt handelt (so Pernice, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006, Art. 26 Rn. 20; Fink, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 26 Rn. 75; Streinz, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 45; Hernekamp, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 26 Rn. 29; Hobe, in: Berliner Kommentar zum GG, Nov. 2012, Art. 26 Rn. 18). Selbst wenn man der Regelung eine grundsätzliche Missbilligung der Herstellung, der Beförderung und des Inverkehrbringens von Kriegswaffen entnehmen wollte, sind diese Verhaltensweisen bei Vorliegen einer Genehmigung erlaubt und von der Berufsfreiheit geschützt. Dieser Schutz erstreckt sich auf solche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ein Unternehmen zur Erlangung der Genehmigung gegenüber staatlichen Behörden offenlegen muss, und zwar selbst für den Fall, dass die Genehmigung versagt werden sollte. Das Grundgesetz missbilligt nicht die Vorbereitung und Anbahnung eines Kriegswaffenexportgeschäfts, sondern allenfalls dessen nicht genehmigte Durchführung.

184

c) Durch die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen von Unternehmen der Rüstungsindustrie im Rahmen der Beantwortung parlamentarischer Anfragen griffe die Bundesregierung in den Schutzbereich der Berufsfreiheit ein. Sowohl schriftliche Antworten der Bundesregierung als auch mündliche Antworten im Rahmen von Fragestunden sind öffentlich. Schriftliche Antworten werden durch den Bundestag in Drucksachen veröffentlicht (§ 105 Satz 1 und 2 i.V.m. Anlage 4, Ziff. 14 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980, BGBl I S.1237, zuletzt geändert durch Beschluss vom 3. April 2014, BGBl I S. 534 - GO-BT -), mündliche Antworten in Fragestunden sind den jeweiligen Plenarprotokollen zu entnehmen, nachgereichte schriftliche Antworten werden in einen Anhang zu dem betreffenden Protokoll aufgenommen (GO-BT, Anlage 4, Ziff. 12). Damit würde Konkurrenten die Kenntnisnahme von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der betroffenen Unternehmen ermöglicht (vgl. BVerfGE 115, 205 <231>).

185

d) Der mit einer Offenlegung von Informationen zu beabsichtigten Rüstungsexportgeschäften verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit der Unternehmen der deutschen Rüstungsindustrie ist generell insoweit gerechtfertigt, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort Auskunft darüber gibt, dass der Bundessicherheitsrat die Genehmigung für ein konkretes Kriegswaffenausfuhrgeschäft erteilt hat und in diesem Rahmen Angaben über Art und Anzahl der Kriegswaffen, über das Empfängerland, über die beteiligten deutschen Unternehmen und über das Gesamtvolumen des Geschäfts macht. Darüber hinaus gehende Angaben würden grundsätzlich in unverhältnismäßiger Weise in die Berufsfreiheit der Unternehmen eingreifen. Dies gilt insbesondere für Angaben, die so konkret sind, dass aus ihnen auf vertrauliche Informationen, etwa auf den Einzelpreis eines bestimmten Rüstungsguts, rückgeschlossen werden könnte.

186

aa) Die Offenlegung von Unternehmensinformationen durch die Bundesregierung in Antworten auf Anfragen von Abgeordneten betrifft ein mehrpoliges Rechtsverhältnis, in welchem die Bundesregierung das Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten einerseits und das den Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gewährleistende Grundrecht der betroffenen Unternehmen auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG andererseits zum Ausgleich zu bringen hat. In einer solchen Konstellation sind Eignung und Erforderlichkeit der Beeinträchtigungen mit Blick auf beide widerstreitenden Rechtsgüter zu beurteilen. Dabei sind die Vor- und Nachteile bei der Verwirklichung der verschiedenen betroffenen Rechtsgüter in ihrer Gesamtheit abzuwägen. Hat der Gesetzgeber einen Weg zur Lösung des Konflikts durch eine einfachgesetzliche Regelung vorgezeichnet, so ist sein Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Überlässt er die Entscheidung hingegen den Organen der Rechtsanwendung, so sind deren Eingriffshandlungen verfassungsrechtlich darauf zu überprüfen, ob die zugrunde gelegten Annahmen und Abwägungsregeln sowie ihre Abwägung im konkreten Fall den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen, das heißt auch, ob sie innerhalb des den Entscheidungsträgern gewährten Einschätzungsspielraums verbleiben und zur Herstellung praktischer Konkordanz im konkreten Streitfall führen (zum Ganzen BVerfGE 115, 205 <233 f.>).

187

bb) § 12a Abs. 2 Satz 1 KWKG ermächtigt die Bundesregierung, die auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 erhobenen Daten zusammengefasst ohne Nennung von Empfängern und Lieferanten zu den in Absatz 1 genannten Zwecken an internationale Organisationen oder zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages zu übermitteln oder zu veröffentlichen. Die Vorschrift wurde mit dem Achten Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes vom 9. August 1994 (BGBl I S. 2068) in das KWKG aufgenommen und dient der Umsetzung einer Resolution der Vereinten Nationen, mit der beim Generalsekretariat der Vereinten Nationen ein Waffenregister eingerichtet wurde und die Mitgliedstaaten aufgerufen wurden, die Ein- und Ausfuhr bestimmter Kriegswaffen dorthin zu melden (BTDrucks 12/6911, S. 11). Die Ermächtigung zur Übermittlung oder Veröffentlichung zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages beruhte auf der Erwägung, dass Daten, die wie im Falle des Waffenregisters der Einsicht aller Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen offen stehen, grundsätzlich auch zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages oder der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen sollten (BTDrucks 12/6911, S. 12). Diese Regelung kann den erforderlichen Ausgleich zwischen dem Fragerecht der Abgeordneten und dem Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen auch unter Berücksichtigung des Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise herstellen. Dies folgt schon daraus, dass sie die Weitergabe der Informationen an den Deutschen Bundestag lediglich ermöglicht, ohne die Bundesregierung hierzu zu verpflichten. Der Ausgleich der konfligierenden Rechtsgüter bleibt so letztlich der Bundesregierung überlassen und es kann auch zu einer völligen Versagung von Auskünften kommen. Der Gesetzgeber hat damit keinen Lösungsweg bereitgestellt, der stets eine Verwirklichung der gegenläufigen Interessen in diesem mehrpoligen Rechtsverhältnis sichert (vgl. BVerfGE 115, 205 <235>). Eine erweiternde Auslegung ist angesichts des klaren Wortlautes nicht möglich.

188

cc) Die somit erforderliche Abwägung unmittelbar zwischen dem Fragerecht der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG einerseits und dem durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des jeweiligen die Ausfuhr beabsichtigenden Unternehmens andererseits ergibt, dass die Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates unabhängig von dem jeweils konkret durch Abgeordnete des Bundestages angefragten Kriegswaffenausfuhrgeschäft die entscheidende Zäsur darstellt.

189

Das Interesse des jeweiligen Rüstungsunternehmens an der Geheimhaltung des beabsichtigten Rüstungsexportgeschäfts ist bis zur endgültigen Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates höher zu bewerten als das berechtigte Informationsinteresse der Abgeordneten. In der Phase der Geschäftsanbahnung ist die Information, dass ein bestimmtes Empfängerland ein bestimmtes Rüstungsgut erwerben möchte, besonders wettbewerbsrelevant. Konkurrenzunternehmen, die von einem solchen Erwerbsinteresse Kenntnis erlangten, könnten versuchen, durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit auf den Genehmigungsprozess Einfluss zu nehmen. Zudem könnten sie ein eigenes Angebot abgeben und das Geschäft auf diese Weise an sich ziehen; dies gälte erst recht, wenn die Bundesregierung über die bloße Tatsache des beabsichtigten Geschäfts hinaus auch Angaben zu Preisen machte.

190

Es ist nicht zu verkennen, dass das Informationsinteresse des Parlaments und der einzelnen Abgeordneten in diesem Stadium ebenfalls besonders hoch ist, da noch auf den Genehmigungsprozess Einfluss genommen werden kann. Im Rahmen der Abwägung der konfligierenden Interessen ist aber zu berücksichtigten, dass ein dahin gehendes Informationsinteresse nicht schützenswert ist, da es auf ein dem Gewaltenteilungsprinzip widersprechendes Mitregieren zielt (siehe oben Rn. 163).

191

Nach erfolgter Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates ist die Schutzbedürftigkeit des jeweils betroffenen Unternehmens geringer. In diesem Stadium besteht für Konkurrenzunternehmen kaum noch die Möglichkeit, auf das genehmigte Geschäft Einfluss zu nehmen. Der Kaufvertrag ist im Regelfall bereits geschlossen, und je nach zeitlichem Abstand zwischen der Entscheidung des Bundessicherheitsrates und dem Erlass des Genehmigungsbescheides durch die zuständige Behörde kann mit der Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen alsbald begonnen werden.

192

In Bezug auf Angaben, die über die Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates und die Grunddaten des Kriegswaffenausfuhrgeschäfts, also die Art und die Anzahl der Kriegswaffen, das Empfängerland und das Gesamtvolumen hinausgehen, fällt die Abwägung zwischen den konfligierenden Rechtsgütern grundsätzlich zugunsten der Unternehmen aus, deren Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vor der Kenntnisnahme durch Wettbewerber zu schützen sind. Unverhältnismäßig wäre insbesondere die Offenlegung von Angaben, die Rückschlüsse auf die Preisgestaltung oder auf Spezifikationen des Rüstungsguts sowie auf handelnde Personen der an dem Geschäft beteiligten Unternehmen oder Staaten zuließen. An diesen Daten besteht auch kein berechtigtes Informationsinteresse, weil sie für die parlamentarische Kontrolle der Regierungstätigkeit nicht erforderlich sind.

193

e) Ob die Antwortpflicht der Bundesregierung auch durch das Grundrecht betroffener Unternehmen aus Art. 14 Abs. 1 GG begrenzt sein kann, bedarf keiner Entscheidung, weil der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen durch Art. 14 Abs. 1 GG jedenfalls nicht weiter geht als der durch Art. 12 Abs. 1 GG (BVerfGE 115, 205<248>).

194

4. Der Konflikt zwischen dem Fragerecht der Abgeordneten auf der einen und dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung, dem Staatswohl und der Berufsfreiheit der Kriegswaffen ausführenden Unternehmen auf der anderen Seite kann, anders als die Antragsteller meinen, nicht durch Maßnahmen des Geheimnisschutzes auf Seiten des Parlaments aufgelöst werden. Weder die Beschränkung des Adressatenkreises der Antworten der Bundesregierung durch Einrichtung eines parlamentarischen Kontrollgremiums (a) noch die Anwendung der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages (b) sind geeignet, einen angemessenen Ausgleich zwischen den konfligierenden Rechtsgütern zu schaffen.

195

a) Der Deutsche Bundestag könnte zwar für die parlamentarische Kontrolle der Tätigkeit des Bundessicherheitsrates ein Gremium nach Art des Parlamentarischen Kontrollgremiums (siehe § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumgesetz) vom 29. Juli 2009, BGBl I S. 2346), des Vertrauensgremiums nach § 10a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung vom 19. August 1969 (BGBl I S. 1284) oder des Sondergremiums nach § 3 Abs. 3 des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (Stabilisierungsmechanismusgesetz) vom 22. Mai 2010 (BGBl I S. 627) einrichten und dieses Gremium der Geheimschutzordnung unterwerfen. Durch die Beschränkung des Fragerechts der Mitglieder des Bundestages auf die Mitglieder eines solchen Gremiums würde ein Maß an Geheimhaltung praktisch ermöglicht, das zum Ausgleich der konfligierenden Interessen führen könnte.

196

Die Beschränkung der Wahrnehmung der Beteiligungsrechte des Bundestages auf parlamentarische Untergremien greift aber ihrerseits in die Rechte der in dem Sondergremium nicht vertretenen Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ein, über eine Angelegenheit des Deutschen Bundestages zu beraten, zu ihr zu reden, das Frage- und Informationsrecht des Parlaments auszuüben und schließlich darüber abzustimmen (BVerfGE 130, 318<357>). Bei einer solchen Beschränkung der Statusrechte der Abgeordneten ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und ein angemessener Ausgleich zwischen der Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages und den Statusrechten der Abgeordneten sicherzustellen. Erfolgt die Delegation von Beteiligungsrechten im Interesse besonderer Vertraulichkeit, muss sie deshalb auf wenige Ausnahmen mit begrenztem Anwendungsbereich beschränkt bleiben und zwingend erforderlich sein (BVerfGE 130, 318 <359 f.>).

197

Ob die Beratungen des Bundessicherheitsrates einen solchen Ausnahmefall darstellen können, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die Delegation der Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages auf ein Gremium zur Kontrolle der Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG erscheint nicht zwingend erforderlich. Eine solche Delegation würde es zwar ermöglichen, das Parlament mit Informationen zu versehen, die über die bloße Mitteilung einer erfolgten Genehmigungsentscheidung hinausgehen. So könnte ein der Geheimhaltung unterliegendes Sondergremium auch über Ablehnungsentscheidungen und vor allem auch über die Gründe für eine vom Bundessicherheitsrat getroffene Entscheidung unterrichtet werden. Diesem Erhalt zusätzlicher Informationen stünde aber eine erhebliche Beschränkung der parlamentarischen Kontrolle und der Statusrechte der nicht im Gremium vertretenen Abgeordneten gegenüber. Zudem entfiele dadurch, dass die Kontrolle der Parlamentsöffentlichkeit entzogen würde, auch die Kontrolle durch die Bürger, die der effektiven Verantwortlichkeit des Parlaments gegenüber dem Wähler dient (vgl. BVerfGE 125, 104 <124>; 130, 318 <344>). Der Zugewinn an Informationen über Angelegenheiten des Bundessicherheitsrates kann derartige Beschränkungen nicht rechtfertigen. Die Verpflichtung der Bundesregierung, den Deutschen Bundestag öffentlich über positive Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates zu informieren, ermöglicht eine hinreichende parlamentarische Kontrolle. Die Steigerung der Kontrolltiefe, die mit der Information eines Sondergremiums über Ablehnungsentscheidungen und über die Gründe der Entscheidungen des Bundessicherheitsrates erreicht würde, steht in keinem Verhältnis zu den Einbußen für die Funktion der Kontrolle, die durch eine öffentliche Kontrolle vermittelte Legitimation des staatlichen Handelns und die Statusrechte der nicht in dem Gremium vertretenen Abgeordneten, die die weit überwiegende Mehrheit des Deutschen Bundestages darstellten.

198

b) Auch durch eine Information des Deutschen Bundestages über Belange des Bundessicherheitsrates nach Maßgabe der Geheimschutzordnung (GO-BT, Anlage 3) kann der Interessenskonflikt nicht aufgelöst werden.

199

Verschlusssachen, die mit dem Geheimhaltungsgrad "Geheim" oder "Streng geheim" versehen sind, dürfen von Abgeordneten des Deutschen Bundestages grundsätzlich nur in den Räumen der Geheimregistratur eingesehen werden, § 3a Satz 1 Geheimschutzordnung. Die Möglichkeit zur Weitergabe der Information ist durch § 4 Geheimschutzordnung beschränkt; in jedem Fall scheidet eine Information der Öffentlichkeit aus.

200

Die Geheimschutzordnungist grundsätzlich ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 124, 78 <124 f.>; siehe ferner BVerfGE 130, 318 <362>; 131, 152 <208>). Auch eine systematische Gesamtschau einer Reihe von Grundgesetzbestimmungen - etwa Art. 42 Abs. 1 Satz 2, Art. 44 Abs. 1 Satz 2, Art. 45a Abs. 3 und Art. 53a GG - zeigt, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit in der Verfassung als eine Möglichkeit zur Wahrung von Geheimschutzinteressen unter gleichzeitiger Einbeziehung des Parlaments angelegt ist. Die Anwendung der Geheimschutzordnung konfligiert allerdings mit der Öffentlichkeitsfunktion des Parlaments. Die genannten Ausnahmevorschriften ändern nichts daran, dass die Öffentlichkeit der Beratungen nach Art. 42 Abs. 1 GG für die parlamentarische Entscheidungsfindung grundsätzlich unverzichtbar ist. Die Informationsrechte des Parlaments dürfen nicht dazu führen, dass sich über den parlamentarischen Geheimnisschutz die Arbeits- und Funktionsweise des Parlaments in den wichtigen Bereichen grundlegend verschiebt und diese spezifische Öffentlichkeitsfunktion ausgeblendet wird.

201

Eine unter Bedingungen der Geheimschutzordnung erlangte Information können die Parlamentarier nicht in den öffentlichen Meinungsbildungsprozess überspielen. Wenn das Parlament unter Anwendung der Geheimschutzordnung informiert wird, ist daher zwar formal der Zurechnungszusammenhang zwischen Regierung und Parlament gewahrt. Der weitere Verantwortungszusammenhang zum Volk ist jedoch insoweit unterbrochen. Der Wahlvorgang sichert die Kontrolle des Volkes über die Benutzung der Macht durch die politische Mehrheit (BVerfGE 5, 85 <199>). Ohne die entsprechende Information kann die Wählerschaft weder das Handeln der Regierung noch die parlamentarische Reaktion auf die erlangte Information zur Kenntnis nehmen und bewerten. Beides ist aber für die demokratische Legitimation durch den Wahlakt essentiell.

202

Auch im Verhältnis zwischen Regierung und Parlament wird der Kontrollzusammenhang durch die Anwendung der Geheimschutzordnung abgeschwächt. Öffentlichkeit ist essentiell für die Ausübung der Kontrollfunktion des Parlaments. Während die zur Vorbereitung von Gesetzgebung begehrten Informationen dem Parlament auch dann den gewünschten Sachverstand verschaffen und damit ihren Zweck erfüllen, wenn sie nicht öffentlich sind, verhält es sich mit Informationen zum Zweck der politischen oder der Rechtskontrolle anders. In der politischen Realität ist das Fragerecht in seiner Kontrolldimension ganz überwiegend ein Mittel der Opposition, welches zu seiner Wirksamkeit grundsätzlich auf Öffentlichkeit angewiesen ist. Fällt das Öffentlichkeitselement weg, so scheidet in der Praxis zumindest eine sanktionierende Kontrolle aus.

203

5. Die Pflicht der Bundesregierung, parlamentarische Anfragen zu positiven Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates zu beantworten, wird nicht schon durch die jährlich veröffentlichten Rüstungsexportberichte erfüllt.

204

Die Berichtsform unterscheidet sich systematisch von der Frage- und Antwortstruktur des Interpellationsrechts. Sowohl die Struktur und der Gehalt der Information als auch ihr Zeitpunkt werden beim Rüstungsexportbericht nicht durch die Abgeordneten, sondern durch die Bundesregierung bestimmt. Bereits deshalb ist ein allgemeiner Bericht dem parlamentarischen Fragerecht grundsätzlich nicht gleichwertig.

205

Die Rüstungsexportberichte der Bundesregierung sind zudem nicht hinreichend präzise, um das berechtigte parlamentarische Informationsinteresse zu befriedigen. Die Berichte differenzieren nicht nach einzelnen Genehmigungsakten, sondern führen die im Berichtsjahr genehmigten Geschäfte summiert auf. Die Beschreibung der betroffenen Güter erfolgt pauschal. In der maßgeblichen Anlage 8 des Rüstungsexportberichts für das Jahr 2013 werden unter der Rubrik "Ausfuhrgenehmigungen nach Ländergruppen und Ländern" lediglich Anzahl und Gesamtwert der Genehmigungen sowie von den Genehmigungen betroffene Ausfuhrlisten-Positionen mitgeteilt. Die insgesamt 22 Ausfuhrlisten-Positionen sind in der Ausfuhrliste (AWV Anlage AL) näher beschrieben. Sie sind durch einen überwiegend sehr pauschalen Erfassungsstatus gekennzeichnet (Wahren, in: Hohmann/John (Hrsg.), Ausfuhrrecht, 2002, Teil 4, Außenwirtschaftsverordnung, Erläuterungen AL Teil 1, Rn. 40). So fiele der in den streitgegenständlichen Anfragen angesprochene Leopard-Panzer als für militärische Zwecke konstruiertes Landfahrzeug unter die Rubrik A0006 der Ausfuhrliste. Nach der dortigen Anmerkung 1 erfasst diese Rubrik aber auch gepanzerte Fahrzeuge, amphibische und tiefwatfähige Fahrzeuge, Bergungsfahrzeuge und Fahrzeuge zum Befördern und Schleppen von Munition oder Waffensystemen und zugehörige Ladesysteme. Da sich die Rüstungsexportberichte an diesen groben Einteilungen der Ausfuhrliste orientieren, ist es auf der Grundlage dieser Berichte kaum möglich, die für eine effektive parlamentarische Kontrolle relevanten politisch bedeutsamen Exportgenehmigungen auszumachen.

206

Zwar enthält der Rüstungsexportbericht für die 20 wichtigsten Bestimmungsländer des Jahres 2013 in Anlage 7 eine etwas detailliertere Aufstellung. Hier werden neben dem Gesamtwert der erteilten Einzelgenehmigungen auch die wesentlichen Güter und ihr prozentualer Anteil am Gesamtwert der Genehmigungen genannt. Verlässliche Rückschlüsse auf bedeutsame einzelne Genehmigungen erlaubt jedoch auch diese Aufstellung nicht. So lässt sich dieser Liste etwa entnehmen, dass für Ausfuhren nach Katar Genehmigungen im Gesamtwert von 673.377.690 Euro erteilt wurden, von denen 44,4 % auf Zugmaschinen, LKW, Kranwagen, Auflieger, Anhänger, Masten und Teile für Panzer, Panzerhaubitzen, gepanzerte Fahrzeuge, LKW und Landfahrzeuge entfielen. Welcher Anteil hiervon auf LKW und welcher auf Teile für Panzer oder Panzerhaubitzen entfiel, ist hieraus nicht zu erkennen. Es muss den Abgeordneten daher im Rahmen einer effektiven parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns möglich sein, über diese Rüstungsexportberichte hinaus durch konkrete Fragen Informationen darüber zu erhalten, in welchem Umfang Genehmigungen für die Ausfuhr von Kriegswaffen besonderer Bedeutung, wie etwa Kampfpanzer, in bestimmte Staaten erteilt wurden.

207

6. Die Bundesregierung kann die Antwort auf parlamentarische Anfragen zu Angelegenheiten des Bundessicherheitsrates insoweit verweigern, wie die jeweilige Anfrage auf Informationen abzielt, die über die Mitteilung einer erfolgten positiven Genehmigungsentscheidung und die Eckdaten des betreffenden Ausfuhrgeschäfts hinausgehen. Eine gesonderte Begründung der Antwortverweigerung ist insoweit nicht erforderlich, die generelle Berufung auf die Geheimhaltung der Beratungen des Bundessicherheitsrates reicht aus.

208

Es besteht eine Jahrzehnte währende und allgemein bekannte Praxis der Bundesregierung, die Beantwortung derartiger Anfragen unter Berufung auf die Vertraulichkeit der Beratungen des Bundessicherheitsrates zu verweigern, selbst wenn in Einzelfällen aufgrund besonderer Umstände einzelne Angaben gemacht worden sein sollten. Angesichts dieser langjährigen Praxis ist nicht zu verlangen, dass die Bundesregierung in jeder Antwort auf eine entsprechende Anfrage ihre allgemeine Auffassung zu dem Verhältnis zwischen parlamentarischem Informationsrecht einerseits und Schutz der exekutiven Eigenverantwortung, Belangen des Staatswohls und Schutz der Grundrechte Dritter andererseits darlegt. Eine solche fortwährend wiederholte Darlegung wäre nur formalistisch und nicht geeignet, den Frage stellenden Abgeordneten einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn zu verschaffen. Ein Abgeordneter, der die Gründe für die grundsätzliche Antwortverweigerung hinterfragen möchte, ist daher gehalten, diese selbst zum Gegenstand einer Anfrage zu machen.

209

Eine Begründungspflicht besteht allerdings insoweit, wie die Bundesregierung die Auskunft über eine erteilte Genehmigung oder über die in diesem Rahmen mitzuteilenden Generalia des Exportgeschäfts verweigern will.

III.

210

Die Antragsgegnerin hat die Grenzen ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der streitgegenständlichen Fragen teilweise verkannt und hierdurch Rechte der Antragsteller aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt.

211

1. Die Antragsgegnerin hat ihrer Antwortpflicht in Bezug auf die Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. aus der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 6. Juli 2011, PlenProt 17/119, S. 13802 D, soweit sie sich auf die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien bezieht, nicht und hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/193 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) teilweise nicht genügt, im Übrigen sind die Anträge des Antragstellers - soweit zulässig - unbegründet.

212

a) Die Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. aus der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 6. Juli 2011 (PlenProt 17/119, S. 13802 D) richtete sich unter anderem darauf, ob der Bundesregierung Erkenntnisse über die Verletzung von Menschen- und Bürgerrechten in Saudi-Arabien vorliegen.

213

Indem der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie die Antwort auf diese Frage unter Hinweis auf die fehlende Zuständigkeit des Bundeswirtschaftsministers endgültig verweigerte, hat die Antragsgegnerin das Fragerecht des Antragstellers zu 1. in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise verkürzt. Das Fragerecht der Abgeordneten besteht gegenüber der Bundesregierung, diese ist zur Beantwortung der Fragen verpflichtet. Die Antwort kann daher nicht durch Verweis auf das Ressortprinzip verweigert werden. Auf sonstige Geheimhaltungsgründe hat sich die Antragsgegnerin nicht berufen; sie drängen sich auch nicht auf.

214

b) Die Antwort auf die zur schriftlichen Beantwortung gestellte Frage des Antragstellers zu 1. vom 14. Juli 2011 (Frage 7/193, BTDrucks 17/6658, S. 28) hat die Antragsgegnerin teilweise zu Unrecht verweigert. Es hätte ihr oblegen, dem Antragsteller zu 1. mitzuteilen, ob der Bundessicherheitsrat die Lieferung von 200 Panzern des Typs Leopard nach Saudi-Arabien genehmigt hat.

215

Zu darüber hinausgehenden Angaben war die Antragsgegnerin allerdings nicht verpflichtet. Falls zum Zeitpunkt der Beantwortung der Frage eine positive Entscheidung des Bundessicherheitsrates nicht vorgelegen haben sollte, wäre sie daher nicht verpflichtet gewesen, dem Antragsteller zu 1. mitzuteilen, ob überhaupt ein entsprechender Genehmigungsantrag oder eine entsprechende Voranfrage vorlag. Dass die Presse über die vermeintlich erteilte Genehmigung einer solchen Lieferung berichtet hatte, ändert hieran nichts. Unterfällt ein Willensbildungsvorgang innerhalb der Regierung dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, so wird er nicht dadurch weniger geheimhaltungsbedürftig, dass Dritte über ihn öffentlich berichten. Anderenfalls könnte die Regierung durch gezielte Spekulationen zu Auskünften über geheimhaltungsbedürftige Willensbildungsvorgänge gezwungen werden. Auch eine ablehnende Entscheidung hätte die Antragsgegnerin nicht als solche mitteilen, sondern nur angeben müssen, dass keine positive Genehmigungsentscheidung vorliegt. Sollte eine positive Entscheidung des Bundessicherheitsrates vorgelegen haben, so wäre die Antragsgegnerin nicht verpflichtet gewesen, die Frage insoweit zu beantworten, wie sie sich auf Verkaufspreise, Lieferbedingungen oder eventuelle Auflagen zum Einsatz in Saudi-Arabien oder in anderen Ländern bezog. Auch Angaben zu den Gründen der Entscheidung wären nicht erforderlich gewesen.

216

c) Berechtigterweise hat die Antragsgegnerin die Antwort auf die dringliche Frage 2 des Antragstellers zu 1. (BTDrucks 17/6438, S. 1) verweigert (PlenProt 17/119, S. 13807 A), soweit diese sich auf "Vermittler, Unterstützer in der Bundesregierung und Nutznießer dieses Waffengeschäfts" bezog.

217

Die Frage, welche Mitglieder der Bundesregierung ein bestimmtes Rüstungsexportgeschäft unterstützen oder unterstützt haben, betrifft den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Regierung. An der Offenlegung interner Abstimmungsvorgänge der Regierung besteht auch kein berechtigtes Informationsinteresse, da diese als Ganze dem Parlament gegenüber verantwortlich ist und bei Mehrheitsentscheidungen nur für die getroffene Entscheidung, nicht aber für etwaige Gegenstimmen einzustehen hat.

218

Soweit sich die Frage auf "Vermittler und Nutznießer" bezieht, zielt sie ersichtlich auf die von dem Antragsteller zu 1. angenommene Leistung "nützlicher Aufwendungen" beim Zustandekommen des Panzergeschäfts und ist mit der Angabe der Antragsgegnerin, ihr lägen keinerlei Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, hinreichend beantwortet worden (siehe Rn. 123).

219

d) Auch die Antwort auf die Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. zu dem konkreten Kaufpreis für 200 Leopard-Kampfpanzer (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C) durfte die Antragsgegnerin verweigern. Hierbei handelt es sich um ein Geschäftsgeheimnis des diese Panzer vertreibenden Unternehmens. Die Offenlegung der Kaufpreise aus konkreten einzelnen Ausfuhrgeschäften würde anderen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, da diese ihre eigene Preispolitik entsprechend anpassen könnten. Zudem würde dem betreffenden inländischen Unternehmen ein Nachteil daraus erwachsen, dass die verschiedenen Abnehmer dieser Panzer einen Überblick über die Preisspanne erhielten und diese Information in künftigen Vertragsverhandlungen zu Lasten der Anbieter ausnutzen könnten.

220

Es besteht auch kein überwiegendes berechtigtes Interesse an dieser Information. Konkrete Kaufpreise sind für die parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelns in aller Regel irrelevant. Dafür, dass der Differenzbetrag zwischen einem etwaigen Kaufpreis für derartige Panzer in Deutschland und dem von Saudi-Arabien gezahlten Preis als Bestechungsgeld anzusehen sein müsste, ist nichts ersichtlich. Schon die Annahme, dass es überhaupt einen feststehenden Kaufpreis im Inland gibt, ist wenig naheliegend. Die jeweiligen Preise dürften nach allgemeinen marktwirtschaftlichen Regeln schwanken.

221

2. Die Antragsgegnerin hat ihrer Antwortpflicht in Bezug auf die schriftliche Frage 7/132 der Antragstellerin zu 2. von Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 24) nicht genügt, soweit sich die Frage darauf bezieht, ob eine positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates vorliegt. Im Übrigen sind die Anträge der Antragstellerin zu 2. unbegründet.

222

a) Die schriftliche Frage 7/132 der Antragstellerin zu 2. richtete sich zum einen darauf, wann die Bundesregierung den Verkauf von Transportpanzern Fuchs, Last- und Geländewagen, Fregatten oder Verteidigungs- und Sicherheitselektronik für den Grenzschutz beziehungsweise dazu bestimmte Fertigungsanlagen an Algerien genehmigt hat, und zum anderen darauf, welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe diesen Genehmigungen zu Grunde lagen.

223

Die Antragsgegnerin war verpflichtet, den ersten Teil der Frage zu beantworten und der Antragstellerin zu 2. mitzuteilen, ob und - bejahendenfalls - wann der Bundessicherheitsrat eine entsprechende positive Genehmigungsentscheidung getroffen hat. Zur Darlegung der Gründe für die etwaige Entscheidung des Bundessicherheitsrates war sie hingegen nicht verpflichtet (siehe Rn. 177).

224

b) Hinsichtlich der Zusatzfrage der Antragstellerin zu 2. (PlenProt 17/119, S. 13803 D) und ihrer dringlichen Frage (BTDrucks 17/6438, S. 1; PlenProt 17/119, S. 13810 D) war die Antragsgegnerin zur Antwortverweigerung berechtigt, da diese Fragen ebenfalls auf die Gründe für eine vermeintlich getroffene Entscheidung des Bundessicherheitsrates abzielten.

225

c) Auch die Antwort auf die Zusatzfrage der Antragstellerin zu 2. (PlenProt 17/119, S. 13811 A) hat die Antragsgegnerin in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verweigert. Die Frage, auf welche Weise die Bundesregierung ausschließt, dass die für Saudi-Arabien genehmigten Rüstungsexportgüter zu innerer Repression genutzt werden, könnte durch die Antragsgegnerin nur beantwortet werden, indem sie Absprachen offenlegt, die sie mit dem Empfängerstaat getroffen hat. Hierzu ist sie aus Gründen des Staatswohls nicht verpflichtet.

226

Die Antragsgegnerin müsste zur Beantwortung der Frage zunächst offenlegen, ob sie davon ausgegangen ist, dass die Nutzung der zur Ausfuhr vorgesehenen Rüstungsgüter zu innerer Repression durch den Empfängerstaat konkret drohte. Derartige Ausführungen könnten zu einer erheblichen Beeinträchtigung außenpolitischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland führen und unter Umständen Rückschlüsse auf bestimmte Informationsquellen zulassen, an deren Geheimhaltung die Bundesregierung gerade im Verhältnis zu dem betroffenen Land zum Schutz seiner Informationskanäle ein berechtigtes Interesse hat (siehe Rn. 176). Sollte hingegen auf konkrete Absprachen oder Auflagen verzichtet worden sein, könnte dies für bestimmte außenpolitische Interessen der Bundesrepublik an dem konkreten Exportgeschäft sprechen, deren Öffentlichwerden die Abschätzbarkeit der deutschen Außenpolitik für andere Länder erleichtern und damit Verhandlungs- und Gestaltungsspielräume verengen kann (siehe Rn. 177). Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass die maßgebenden Gründe für eine solche Genehmigungsentscheidung für die parlamentarische Kontrolle von Bedeutung sind, darf die Antragsgegnerin die Offenlegung der Gründe daher verweigern.

227

3. Soweit die Anträge der Antragstellerin zu 3. zulässig sind, haben sie keinen Erfolg, da die Antragsgegnerin die Antwort auf die betreffenden Fragen verweigern durfte.

228

a) Die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B) danach, ob im Vorfeld der vermeintlichen Entscheidung des Bundessicherheitsrates die Zustimmung Israels und der USA zu dem Rüstungsexportgeschäft eingeholt worden sei, betrifft den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Regierung. Die Bundesregierung ist nicht verpflichtet, über den Inhalt und den Verlauf der Beratungen im Bundessicherheitsrat Auskunft zu geben (Rn. 172). Dies gilt auch für Gespräche, die zur Vorbereitung einer Entscheidung des Gremiums mit anderen Staaten geführt wurden. Müssten Drittstaaten damit rechnen, dass ihre der Bundesregierung gegenüber vertraulich abgegebenen Einschätzungen alsbald nach der getroffenen Entscheidung veröffentlicht werden, so wäre zu befürchten, dass die Bundesrepublik künftig nicht mehr mit derartigen Informationen versorgt würde. Die Antwort kann insoweit folglich auch aus Gründen des Staatswohls verweigert werden.

229

b) Die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13814 B, im Antrag bezeichnet mit "S. 13841 B") der Antragstellerin zu 3., ob die Verfolgung Homosexueller durch ein Land der Genehmigungsfähigkeit einer Ausfuhr von Panzern an diesen Staat entgegenstünde, betrifft wiederum einen Abwägungsvorgang innerhalb des Bundessicherheitsrates, der als Teil des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung geschützt ist.

230

c) Entsprechendes gilt für die schriftliche Frage vom 14. Juli 2011 (Frage 7/174; BTDrucks 17/6658, S. 26), mit der die Antragstellerin zu 3. direkt nach den Gründen für die vermeintliche Genehmigung der Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern an Saudi-Arabien fragt.

231

d) Hinsichtlich der weiteren schriftlichen Frage vom 14. Juli 2011 (Frage 7/175; BTDrucks 17/6658, S. 27) kann auf die Ausführungen zu der entsprechenden Frage des Antragstellers zu 1. verwiesen werden (siehe Rn. 216 ff.). Auch insoweit durfte die Antragsgegnerin die Antwort verweigern.

D.

232

Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), liegen nicht vor.

Tenor

1. § 6a Absatz 2 Satz 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch in der Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3. August 2010 ist mit Artikel 28 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 70 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit er anordnet, dass der Antrag in den dafür zuständigen Vertretungskörperschaften der kommunalen Träger einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder bedarf. Die Vorschrift gilt für bestehende Zulassungen fort.

Im Übrigen werden die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen.

2. Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer zu 1. die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerden betreffen die rechtliche Stellung sogenannter Optionskommunen nach der Aufnahme von Art. 91e in das Grundgesetz und der Neuregelung der Leistungsträgerschaft und Aufgabenwahrnehmung auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3. August 2010 (BGBl I S. 1112).

I.

2

1. Im Rahmen ihres "Zukunftsprogramms Agenda 2010" legten die Bundesregierung und die sie tragenden Bundestagsfraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Herbst 2003 mehrere Gesetzentwürfe für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vor, darunter den Entwurf eines Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 5. September 2003 (BTDrucks 15/1516). Wesentliches Anliegen dieses Entwurfs war es, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für erwerbsfähige Arbeitslose zur Grundsicherung für Arbeitsuchende zusammenzuführen, um sie als einheitliche Leistung "aus einer Hand" anbieten zu können. Damit sollten Doppelstrukturen in der Sozialhilfe- und Arbeitslosenhilfeverwaltung, die als ineffizient empfunden wurden, beseitigt und der angespannten Finanzlage der Kommunen Rechnung getragen werden (vgl. BTDrucks 15/1516, S. 41 f.).

3

a) Diese Zielsetzung bedingte grundlegende Änderungen in der Organisation der Leistungsverwaltung. Im Gesetzgebungsverfahren waren deshalb neben der materiell-rechtlichen Ausgestaltung der Grundsicherung für Arbeitsuchende insbesondere die Fragen der Leistungsträgerschaft und der Finanzierungsverantwortung umstritten. Ein Teil der Länder und der Deutsche Landkreistag strebten eine kommunale Trägerschaft an, während andere Länder, der Bund, der Deutsche Städte- und Gemeindebund sowie der Deutsche Städtetag die Bundesagentur für Arbeit als alleinige Trägerin der Leistungen durchsetzen wollten.

4

Nach einem langwierigen Gesetzgebungsverfahren (zu den Einzelheiten vgl. BVerfGE 119, 331 <332 ff.>) wurde das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt am 24. Dezember 2003 beschlossen und am 29. Dezember 2003 verkündet (BGBl I S. 2954).

5

Eine Vorschrift über die Option für eine kommunale Trägerschaft (§ 6a SGB II a.F.) war kurzfristig in das Gesetz aufgenommen, die Ausgestaltung im Einzelnen einem weiteren Gesetzgebungsverfahren vorbehalten worden. Dessen Eckpunkte wurden in gleichlautenden Entschließungsanträgen des Deutschen Bundestages und des Bundesrates festgelegt (BTDrucks 15/2264; BRDrucks 943/03 ) und führten unter anderem zu einer Änderung der §§ 6 ff. und § 44b SGB II a.F. durch das Gesetz zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Kommunales Optionsgesetz) vom 30. Juli 2004 (BGBl I S. 2014).

6

Um verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Finanzierung der mit der Trägerschaft verbundenen Ausgaben aus Bundesmitteln auszuräumen, hatte der Gesetzentwurf ursprünglich vorgesehen, dass die kommunalen Träger als Organe der Bundesagentur tätig werden sollten (vgl. BTDrucks 15/2816, S. 11 f.), wovon im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens jedoch Abstand genommen wurde. Der im Vermittlungsverfahren neu gefasste § 6b SGB II a.F. sprach in der Überschrift stattdessen von der "Rechtsstellung der zugelassenen kommunalen Träger", ohne diese Rechtsstellung weiter zu thematisieren. Hinsichtlich der Finanzierung wurde - gestützt auf Art. 106 Abs. 8 GG - bestimmt, dass der Bund die Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Verwaltungskosten trägt, mit Ausnahme der Aufwendungen für die Aufgaben, die auch die nicht optierenden Kommunen selbst zu tragen haben. Darüber hinaus wurden unter anderem eine Experimentierklausel (§ 6a SGB II a.F.), ein Anspruch der kommunalen Träger auf Aufwendungs- und Verwaltungskostenerstattung durch den Bund (§ 6b Abs. 2 SGB II a.F.) und Prüfbefugnisse des Bundesrechnungshofes (§ 6b Abs. 3 SGB II) vorgesehen.

7

b) Um die Zulassung als kommunale Träger bewarben sich 67 Gemeindeverbände und sechs kreisfreie Städte. Mit der Verordnung zur Zulassung von kommunalen Trägern als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Kommunalträger-Zulassungsverordnung - KomtrZV) vom 24. September 2004 (BGBl I S. 2349) ließ das damals zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit 69 Antragsteller als Optionskommunen für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2010 zu.

8

2. Mit Urteil vom 20. Dezember 2007 (BVerfGE 119, 331 ff.) entschied der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts, dass die in § 44b SGB II a.F. geregelte Pflicht der Kreise zur Aufgabenübertragung auf die Arbeitsgemeinschaften und die gemeinsame Aufgabenwahrnehmung derselben mit Art. 28 Abs. 2 Sätze 1 und 2 in Verbindung mit Art. 83 GG unvereinbar war. Die Vorschrift bleibe jedoch bis zum 31. Dezember 2010 anwendbar, wenn der Gesetzgeber nicht zuvor eine andere Regelung treffe. Ordne der Gesetzgeber an, dass Aufgaben gemeinsam von Bund und Gemeinden oder Gemeindeverbänden wahrgenommen werden, sei für die verfassungsrechtliche Prüfung auch entscheidend, ob die Verwaltungszuständigkeiten von Bund und Ländern gemäß Art. 83 ff. GG eingehalten würden. Überschreite der Gesetzgeber die ihm dort gesetzten Grenzen eines zulässigen Zusammenwirkens von Bundes- und Landesbehörden, führe dies zugleich zu einer Verletzung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie. Die Kompetenzaufteilung nach Art. 83 ff. GG sei eine wichtige Ausformung des bundesstaatlichen Prinzips. Die Verwaltungszuständigkeiten von Bund und Ländern seien grundsätzlich getrennt und könnten auch mit Zustimmung der Beteiligten nur in den vom Grundgesetz vorgesehenen Fällen zusammengeführt werden. Das Grundgesetz schließe, von begrenzten Ausnahmen abgesehen, eine sogenannte Mischverwaltung aus. Dies gelte auch für das Verhältnis von Bund und Kommunen. Gemeinden und Gemeindeverbände seien staatsorganisationsrechtlich wie finanzverfassungsrechtlich den Ländern zugeordnet und blieben hinsichtlich der grundgesetzlichen Verteilung der Verwaltungskompetenzen Teil der Länder.

9

Die Arbeitsgemeinschaften seien als Gemeinschaftseinrichtung von Bundesagentur und kommunalen Trägern nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes nicht vorgesehen. Nach der Systematik des Grundgesetzes werde der Vollzug von Bundesgesetzen entweder von den Ländern oder vom Bund, nicht hingegen zugleich von Bund und Land oder einer von beiden geschaffenen dritten Institution wahrgenommen. Zwar bedürfe das Zusammenwirken von Bund und Ländern im Bereich der Verwaltung nicht in jedem Fall einer besonderen verfassungsrechtlichen Ermächtigung. Es widerspreche allerdings der Kompetenzordnung des Grundgesetzes, wenn in weitem Umfang Mitverwaltungs- und Mitentscheidungsbefugnisse des Bundes im Aufgabenbereich der Länder ohne entsprechende verfassungsrechtliche Ermächtigung vorgesehen würden. Eine Ausnahme von den Art. 83 ff. GG bedürfe daher eines besonderen sachlichen Grundes und könne nur hinsichtlich einer eng umgrenzten Verwaltungsmaterie in Betracht kommen. Unabhängig davon, dass ein Abweichen von der Kompetenzordnung des Grundgesetzes schon wegen Bedeutung und Umfang der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausscheide, fehle es auch an einem hinreichenden sachlichen Grund, der eine gemeinschaftliche Aufgabenwahrnehmung in den Arbeitsgemeinschaften rechtfertigen könnte. Das Anliegen, die Grundsicherung für Arbeitsuchende "aus einer Hand" zu gewähren, sei zwar ein sinnvolles Regelungsziel; dieses könne aber sowohl dadurch erreicht werden, dass der Bund für die Ausführung den Weg des Art. 87 GG wähle, als auch dadurch, dass der Gesamtvollzug nach der Grundregel des Art. 83 GG insgesamt den Ländern als eigene Angelegenheit überlassen werde. Ein sachlicher Grund zur Vermischung beider Varianten bestehe nicht.

10

3. Nach Verkündung des Urteils wurde von den politisch Verantwortlichen eine Neuregelung der für verfassungswidrig erklärten Verwaltungsstruktur in Angriff genommen. Nach längerer Debatte wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91e) vom 21. Juli 2010 (BGBl I S. 944) in den Abschnitt VIIIa "Gemeinschaftsaufgaben, Verwaltungszusammenarbeit" ein neuer Art. 91e eingefügt. Dieser ist am 26. Juli 2010 im Bundesgesetzblatt verkündet worden und am 27. Juli 2010 in Kraft getreten. Er lautet:

Artikel 91e

(1) Bei der Ausführung von Bundesgesetzen auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende wirken Bund und Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Gemeinden und Gemeindeverbände in der Regel in gemeinsamen Einrichtungen zusammen.

(2) Der Bund kann zulassen, dass eine begrenzte Anzahl von Gemeinden und Gemeindeverbänden auf ihren Antrag und mit Zustimmung der obersten Landesbehörde die Aufgaben nach Absatz 1 allein wahrnimmt. Die notwendigen Ausgaben einschließlich der Verwaltungsausgaben trägt der Bund, soweit die Aufgaben bei einer Ausführung von Gesetzen nach Absatz 1 vom Bund wahrzunehmen sind.

(3) Das Nähere regelt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

11

4. Parallel zur Änderung des Grundgesetzes beschloss der Bundestag das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3. August 2010 (BGBl I S. 1112), das am 10. August 2010 im Bundesgesetzblatt verkündet wurde und - soweit entscheidungserheblich - zum 11. August 2010 (§ 6a SGB II) beziehungsweise 1. Januar 2011 (§ 6b SGB II) in Kraft getreten ist. Durch dieses Gesetz erhielten die für das vorliegende Verfahren maßgeblichen Vorschriften ihre streitgegenständliche Fassung. Sie haben folgenden Wortlaut:

§ 6 Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende

(1) Träger der Leistungen nach diesem Buch sind:

1. die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur), soweit Nummer 2 nichts Anderes bestimmt,

2. die kreisfreien Städte und Kreise für die Leistungen nach § 16a, §§ 22 und 23 Abs. 3, soweit durch Landesrecht nicht andere Träger bestimmt sind (kommunale Träger). […]

(2) und (3) …

§ 6a Zugelassene kommunale Träger

(1) Die Zulassungen der auf Grund der Kommunalträger-Zulassungsverordnung vom 24. September 2004 (BGBl. I S. 2349) anstelle der Bundesagentur als Träger der Leistungen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 zugelassenen kommunalen Träger werden vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch Rechtsverordnung über den 31. Dezember 2010 hinaus unbefristet verlängert, wenn die zugelassenen kommunalen Träger gegenüber der zuständigen obersten Landesbehörde die Verpflichtungen nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 und 5 bis zum 30. September 2010 anerkennen.

(2) Auf Antrag wird eine begrenzte Zahl weiterer kommunaler Träger vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales als Träger im Sinne des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zugelassen, wenn sie

1. geeignet sind, die Aufgaben zu erfüllen,

2. sich verpflichten, eine besondere Einrichtung nach Absatz 5 zu schaffen,

3. sich verpflichten, mindestens 90 Prozent der Beamten und Arbeitnehmer der Bundesagentur, die zum Zeitpunkt der Zulassung mindestens seit 24 Monaten in der im Gebiet des kommunalen Trägers gelegenen Arbeitsgemeinschaft oder Agentur für Arbeit in getrennter Aufgabenwahrnehmung im Aufgabenbereich nach § 6 Absatz 1 Satz 1 tätig waren, vom Zeitpunkt der Zulassung an, dauerhaft zu beschäftigen,

4. sich verpflichten, mit der zuständigen Landesbehörde eine Zielvereinbarung über die Leistungen nach diesem Buch abzuschließen, und

5. sich verpflichten, die in der Rechtsverordnung nach § 51b Absatz 1 Satz 2 festgelegten Daten zu erheben und gemäß den Regelungen nach § 51b Absatz 4 an die Bundesagentur zu übermitteln, um bundeseinheitliche Datenerfassung, Ergebnisberichterstattung, Wirkungsforschung und Leistungsvergleiche zu ermöglichen.

Für die Antragsberechtigung gilt § 6 Absatz 3 entsprechend. Der Antrag bedarf in den dafür zuständigen Vertretungskörperschaften der kommunalen Träger einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder sowie der Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde. Die Anzahl der nach den Absätzen 1 und 2 zugelassenen kommunalen Träger beträgt höchstens 25 Prozent der zum 31. Dezember 2010 bestehenden Arbeitsgemeinschaften nach § 44b in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung, zugelassenen kommunalen Trägern sowie der Kreise und kreisfreien Städte, in denen keine Arbeitsgemeinschaft nach § 44b in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung errichtet wurde (Aufgabenträger).

(3) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, Voraussetzungen der Eignung nach Absatz 2 Nummer 1 und deren Feststellung sowie die Verteilung der Zulassungen nach den Absätzen 2 und 4 auf die Länder durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu regeln.

(4) Der Antrag nach Absatz 2 kann bis zum 31. Dezember 2010 mit Wirkung zum 1. Januar 2012 gestellt werden. Darüber hinaus kann vom 30. Juni 2015 bis zum 31. Dezember 2015 mit Wirkung zum 1. Januar 2017 ein Antrag auf Zulassung gestellt werden, soweit die Anzahl der nach den Absätzen 1 und 2 zugelassenen kommunalen Träger 25 Prozent der zum 1. Januar 2015 bestehenden Aufgabenträger nach Absatz 2 Satz 4 unterschreitet. Die Zulassungen werden unbefristet erteilt.

(5) Zur Wahrnehmung der Aufgaben anstelle der Bundesagentur errichten und unterhalten die zugelassenen kommunalen Träger besondere Einrichtungen für die Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch.

(6) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann mit Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Zulassung widerrufen. Auf Antrag des zugelassenen kommunalen Trägers, der der Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde bedarf, widerruft das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Zulassung durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates. Die Trägerschaft endet mit Ablauf des auf die Antragstellung folgenden Kalenderjahres.

(7) Auf Antrag des kommunalen Trägers, der der Zustimmung der obersten Landesbehörde bedarf, widerruft, beschränkt oder erweitert das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Zulassung nach Absatz 1 oder 2 durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, wenn und soweit die Zulassung auf Grund einer kommunalen Neugliederung nicht mehr dem Gebiet des kommunalen Trägers entspricht. Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 bis 5 gilt bei Erweiterung der Zulassung entsprechend. Der Antrag nach Satz 1 kann bis zum 1. Juli eines Kalenderjahres mit Wirkung zum 1. Januar des folgenden Kalenderjahres gestellt werden.

§ 6b Rechtsstellung der zugelassenen kommunalen Träger

(1) Die zugelassenen kommunalen Träger sind an Stelle der Bundesagentur im Rahmen ihrer örtlichen Zuständigkeit Träger der Aufgaben nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 mit Ausnahme der sich aus den §§ 44b, 48b, 50, 51a, 51b, 53, 55, 56 Absatz 2, §§ 64 und 65d ergebenden Aufgaben. Sie haben insoweit die Rechte und Pflichten der Agentur für Arbeit.

(2) Der Bund trägt die Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Verwaltungskosten mit Ausnahme der Aufwendungen für Aufgaben nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2. § 46 Absatz 1 Satz 4, Absatz 2 und 3 Satz 1 gilt entsprechend. § 46 Absatz 5 bis 9 bleibt unberührt.

(3) Der Bundesrechnungshof ist berechtigt, die Leistungsgewährung zu prüfen.

(4) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales prüft, ob Einnahmen und Ausgaben in der besonderen Einrichtung nach § 6a Absatz 5 begründet und belegt sind und den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entsprechen. Die Prüfung kann in einem vereinfachten Verfahren erfolgen, wenn der zugelassene kommunale Träger ein Verwaltungs- und Kontrollsystem errichtet hat, das die Ordnungsmäßigkeit der Berechnung und Zahlung gewährleistet und er dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Beurteilung ermöglicht, ob Aufwendungen nach Grund und Höhe vom Bund zu tragen sind. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kündigt örtliche Prüfungen bei einem zugelassenen kommunalen Träger gegenüber der nach § 48 Absatz 1 zuständigen Landesbehörde an und unterrichtet sie über das Ergebnis der Prüfung.

(5) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann von dem zugelassenen kommunalen Träger die Erstattung von Mitteln verlangen, die er zu Lasten des Bundes ohne Rechtsgrund erlangt hat. Der zu erstattende Betrag ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr 3 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

§ 44b Gemeinsame Einrichtung

(1) Zur einheitlichen Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende bilden die Träger im Gebiet jedes kommunalen Trägers nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 eine gemeinsame Einrichtung. Die gemeinsame Einrichtung nimmt die Aufgaben der Träger nach diesem Buch wahr; die Trägerschaft nach § 6 sowie nach den §§ 6a und 6b bleibt unberührt. […]

(2) bis (6) …

§ 47 Aufsicht

(1) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales führt die Rechts- und Fachaufsicht über die Bundesagentur, soweit dieser nach § 44b Absatz 3 ein Weisungsrecht gegenüber den gemeinsamen Einrichtungen zusteht. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann der Bundesagentur Weisungen erteilen und sie an seine Auffassung binden; es kann organisatorische Maßnahmen zur Wahrung der Interessen des Bundes an der Umsetzung der Grundsicherung für Arbeitsuchende treffen.

(2) Die zuständigen Landesbehörden führen die Aufsicht über die kommunalen Träger, soweit diesen nach § 44b Absatz 3 ein Weisungsrecht gegenüber den gemeinsamen Einrichtungen zusteht. Im Übrigen bleiben landesrechtliche Regelungen unberührt.

(3) Im Aufgabenbereich der Trägerversammlung führt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Rechtsaufsicht über die gemeinsamen Einrichtungen im Einvernehmen mit der zuständigen obersten Landesbehörde. Kann ein Einvernehmen nicht hergestellt werden, gibt der Kooperationsausschuss eine Empfehlung ab. Von der Empfehlung kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nur aus wichtigem Grund abweichen. Im Übrigen ist der Kooperationsausschuss bei Aufsichtsmaßnahmen zu unterrichten.

(4) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Wahrnehmung seiner Aufgaben nach den Absätzen 1 und 3 auf eine Bundesoberbehörde übertragen.

(5) Die aufsichtführenden Stellen sind berechtigt, die Wahrnehmung der Aufgaben bei den gemeinsamen Einrichtungen zu prüfen.

§ 48 Aufsicht über die zugelassenen kommunalen Träger

(1) Die Aufsicht über die zugelassenen kommunalen Träger obliegt den zuständigen Landesbehörden.

(2) Die Rechtsaufsicht über die obersten Landesbehörden übt die Bundesregierung aus, soweit die zugelassenen kommunalen Träger Aufgaben anstelle der Bundesagentur erfüllen. Zu diesem Zweck kann die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften zu grundsätzlichen Rechtsfragen der Leistungserbringung erlassen. Die Bundesregierung kann die Ausübung der Rechtsaufsicht auf das Bundesministerium für Arbeit und Soziales übertragen.

(3) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann allgemeine Verwaltungsvorschriften für die Abrechnung der Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erlassen.

12

5. Aufgrund des § 6a Abs. 3 SGB II erließ das nunmehr zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales am 12. August 2010 die Verordnung über das Verfahren zur Feststellung der Eignung als zugelassener kommunaler Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende (KtEfV; BGBl I S. 1155). Soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung, lauten deren Vorschriften:

§ 1 Zulassungsverfahren

(1) Kommunale Träger können gemäß § 6a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch als Träger der Leistungen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zugelassen werden, wenn sie die in § 6a Absatz 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch genannten Voraussetzungen erfüllen und die dort benannte Höchstgrenze nicht überschritten ist. Die kommunalen Träger treten insoweit an die Stelle der für ihr Gebiet jeweils zuständigen Agentur für Arbeit.

(2) Die zuständigen obersten Landesbehörden legen unter Berücksichtigung der Höchstgrenze des § 6a Absatz 2 Satz 4 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch einvernehmlich fest, wie viele kommunale Träger in einem Land jeweils zugelassen werden können.

(3) Stellen in einem Land mehr kommunale Träger einen Antrag auf Zulassung, als auf dieses auf Grund des Verteilungsschlüssels nach Absatz 2 entfallen, schlägt die oberste Landesbehörde dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 31. März 2011 vor, in welcher Reihenfolge die antragstellenden kommunalen Träger aus dem jeweiligen Land zugelassen werden. Die jeweils am höchsten gereihten kommunalen Träger werden entsprechend dem Verteilungsschlüssel nach Absatz 2 durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ohne Zustimmung des Bundesrates bis zur Höchstgrenze des § 6a Absatz 2 Satz 4 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zugelassen.

(4) […]

§ 2 Voraussetzungen der Eignungsfeststellung

(1) Zur Feststellung der Eignung und Bestimmung der Reihenfolge haben die antragstellenden kommunalen Träger mit dem Antrag bei der zuständigen obersten Landesbehörde Konzepte zu ihrer Eignung zur alleinigen Aufgabenwahrnehmung nach § 3 einzureichen und die Verpflichtungserklärungen nach § 6a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 bis 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch abzugeben.

(2) Zur Bewertung der eingereichten Konzepte erstellen die zuständigen obersten Landesbehörden eine Bewertungsmatrix, anhand derer die zuständigen obersten Landesbehörden eine Punktzahl vergeben. Der kommunale Träger muss bei jedem Kriterium eine von der zuständigen obersten Landesbehörde festzulegende Mindestpunktzahl erzielen. Die summierten Einzelwerte müssen ihrerseits eine von der zuständigen obersten Landesbehörde zu bestimmende Mindestpunktzahl ergeben. Die erreichte Punktzahl ist auch maßgeblich für die Platzierung in der für das jeweilige Land von der zuständigen obersten Landesbehörde zu erstellenden Reihenfolge.

§ 3 Eignungskriterien

(1) Der kommunale Träger stellt in dem Konzept nach § 2 Absatz 1 die organisatorische Leistungsfähigkeit seiner Verwaltung dar. Dieses muss zu folgenden Bereichen Angaben enthalten:

1. infrastrukturelle Voraussetzungen,

2. Personalqualifizierung,

3. Aktenführung und Rechnungslegung und

4. bestehende und geplante Verwaltungskooperationen sowie Kooperationen mit Dritten.

(2) Der kommunale Träger stellt zum Nachweis seiner Fähigkeit zur Erfüllung der Aufgaben und Ziele nach § 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch dar,

1. mit welchem Konzept und mit welchem Erfolg er sich seit 2003 arbeitsmarktpolitisch engagiert hat und wie dieses Engagement künftig ausgestaltet werden soll,

2. nach welchen Grundsätzen und in welchem Umfang er seit 2005 kommunale Eingliederungsleistungen erbracht hat und wie die Erbringung kommunaler Eingliederungsleistungen künftig ausgestaltet werden soll,

3. wie die kommunalen Eingliederungsleistungen bisher mit Leistungen der Agenturen für Arbeit verknüpft wurden und zukünftig verknüpft werden sollen,

4. nach welchen Zweckmäßigkeitserwägungen die arbeitsmarktpolitischen Leistungen erbracht werden sollen und

5. wie das Eingliederungsbudget verwendet und eine bürgerfreundliche und wirksame Arbeitsvermittlung aufgebaut werden soll.

(3) Der kommunale Träger legt ein Konzept für eine überregionale Arbeitsvermittlung vor.

(4) Der kommunale Träger legt ein Konzept für ein transparentes internes System zur Kontrolle der recht- und zweckmäßigen Leistungserbringung und Mittelverwendung vor.

(5) Der kommunale Träger legt ein Konzept für den Übergang der in seinem Gebiet bestehenden Aufgabenwahrnehmung in die zugelassene kommunale Trägerschaft vor. Das Konzept umfasst einen Arbeits- und Zeitplan zur Vorbereitung der Trägerschaft, zur rechtlichen und tatsächlichen Abwicklung der bestehenden Trägerform sowie zur Überführung des Daten- und Aktenbestandes und des Eigentums in die zugelassene kommunale Trägerschaft.

13

6. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers (vgl. BTDrucks 17/1554, S. 4) sollten insgesamt 110 kommunale Träger für die Grundsicherung für Arbeitslose zugelassen werden, wobei die Betrauung der bereits unter der alten Rechtslage zugelassenen Träger nicht in Frage gestellt werden sollte (§ 6a Abs. 1 und Abs. 2 SGB II). Um die noch zur Verteilung anstehenden 41 Plätze bewarben sich bundesweit 77 Gemeinden und Gemeindeverbände. Mit Ausnahme des Beschwerdeführers zu 1. hatten alle Antragsteller das von § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II geforderte Zwei-Drittel-Quorum in ihren zuständigen Vertretungskörperschaften erreicht. Im Kreistag des Beschwerdeführers zu 1. hatten in der Sitzung vom 25. Oktober 2010 von den 60 Mitgliedern des Kreistages jedoch nur 36 mit "Ja" gestimmt, 19 mit "Nein"; fünf Mitglieder waren entschuldigt abwesend. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erließ am 14. April 2011 sodann die Zweite Verordnung zur Änderung der Kommunalträger-Zulassungsverordnung (BGBl I S. 645) und ließ 41 Gemeinden und Gemeindeverbände mit Wirkung zum 1. Januar 2012 als Optionskommunen neu zu. Die Beschwerdeführer zu 1. bis 15. wurden nicht zugelassen. Der Beschwerdeführer zu 16. ist hingegen bereits seit dem 1. Januar 2005 zugelassener kommunaler Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

II.

14

Zur Begründung ihrer Verfassungsbeschwerden tragen die Beschwerdeführer im Wesentlichen vor:

15

1. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1. gegen § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II sei zulässig (a) und begründet (b).

16

a) Der Beschwerdeführer zu 1. sei von der gesetzlichen Vorschrift unmittelbar, selbst und gegenwärtig betroffen. Die Kommunen würden von § 6a Abs. 2 SGB II vor die Wahl gestellt, die Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende in alleiniger Verantwortung wahrzunehmen oder sie in einer gemeinsamen Einrichtung zu erfüllen. Die den kreisfreien Städten und Kreisen spezialgesetzlich in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II zugeordneten Aufgaben und die Aufgaben, die von Optionskommunen nach §§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 6a ff. SGB II wahrgenommen würden, fielen in den Schutzbereich der Selbstverwaltungsgarantie. Mit der Festschreibung einer Zwei-Drittel-Mehrheit für den Antrag auf Zulassung in § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II greife der Bundesgesetzgeber in die kommunale Binnenorganisation ein. Eines weiteren Vollzugsakts bedürfe es nicht.

17

b) Der Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 GG sei eröffnet, denn der Antragstellung komme eine "weichenstellende Bedeutung" zu. Sie sei nach der gesetzlichen Konzeption Voraussetzung für eine alleinige Aufgabenwahrnehmung; andernfalls bleibe nur die Aufgabenwahrnehmung in gemeinsamen Einrichtungen. Das erhöhte Mehrheitserfordernis erschwere diese Entscheidung und greife damit in die Selbstverwaltungsgarantie ein. Der Eingriff sei verfassungswidrig, weil der Bund über keine Gesetzgebungszuständigkeit verfüge. Im Bundesstaat des Grundgesetzes seien die Kommunen den Ländern zugeordnet; die Gesetzgebungszuständigkeit für das Kommunalrecht liege gemäß Art. 70 GG ausschließlich bei diesen. Zwar sei der Bund zu kommunalrelevanten, nicht jedoch zu kommunalspezifischen Regelungen befugt. Er dürfe insbesondere keine Regelungen erlassen, welche die innere Kommunalverfassung beträfen. § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II könne - auch wenn er als "Zulassungskriterium" deklariert worden sei - vor diesem Hintergrund nicht auf die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Recht der öffentlichen Fürsorge (Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG) gestützt werden, denn nach seinem Gehalt betreffe er allein die kommunalinterne Willensbildung. Art. 91e Abs. 3 GG stelle insoweit keine Ausnahme zu Art. 70 GG dar, sondern knüpfe an die nach Art. 74 Abs. 1 GG bestehende Kompetenzverteilung an. Für eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs sei schließlich kein Raum. Das Antragserfordernis sei zwar von Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG gedeckt; der Antrag selbst müsse jedoch von den zuständigen Organen (Kreistag, Gemeinderat) nach landesrechtlichen Vorschriften gestellt werden.

18

2. Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 2. bis 15.gegen § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II seien ebenfalls zulässig (a) und begründet (b).

19

a) Die Beschwerdeführer zu 2. bis 15. seien von der gesetzlichen Quotierung unmittelbar betroffen, auch wenn noch Zwischenschritte zur endgültigen Entscheidung über die Zulassung erforderlich gewesen seien, wie die Bewerbung von mehr als einem Viertel der Kommunen, eine Reihung und die Aufteilung auf Länderkontingente; denn diese Zwischenschritte seien gerichtlich nicht überprüfbar. Die Beschwerdebefugnis ergebe sich bereits aus der Begrenzung der Optionskommunen auf höchstens 25 Prozent. Diese beschneide die kommunale Entscheidungsfreiheit, sei gleichheitswidrig und willkürlich. Es handele sich dabei um eine objektive Zulassungsbeschränkung, auf deren Erfüllung die einzelne Kommune keinen Einfluss habe. Die länderbezogene Kontingentierung habe zudem zur Folge, dass in Ländern mit einer großen Zahl von Antragstellern Bewerber nicht zugelassen worden seien, die in einem anderen Land ohne weiteres zugelassen worden wären. Darin liege ein besonders intensiver Eingriff in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie, das interkommunale Gleichbehandlungsgebot und das Willkürverbot.

20

b) Entschließe sich der Gesetzgeber, über die bereits zugelassenen Optionskommunen hinaus weitere Gemeinden und Gemeindeverbände zuzulassen, sei dies an der Garantie kommunaler Selbstverwaltung in Verbindung mit dem Gleichheitssatz zu messen. Art. 91e GG sehe nur ein Regel-Ausnahme-Verhältnis vor. § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II beschränke die neu zuzulassenden Optionskommunen dagegen auf 25 Prozent der Aufgabenträger. Der Sache nach handele es sich bei dieser Quote um einen tagespolitischen Kompromiss, den der Gesetzgeber umgesetzt habe, ohne abweichende Erwägungen anzustellen oder ein Regelwerk für eine nachvollziehbare Zulassungsreihenfolge vorzugeben. Die auf Art. 91e Abs. 3 GG basierenden gesetzlichen Regelungen müssten verfassungskonform ausgelegt werden, damit sie nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstießen. Für den Fall eines Überhangs an Antragstellern müsse der Gesetzgeber ein Verteilungsverfahren normieren, das die Auswahl der besten Antragsteller gewährleiste. Das sei bisher nicht der Fall. Die geltenden Regelungen sähen keine Bewertung der Qualität der Antragsteller vor. Das Verfahren genüge auch nicht dem Grundsatz der interkommunalen Gleichbehandlung, wenn es in § 1 Abs. 2 KtEfV den Ländern überlassen werde, wie viele kommunale Träger in einem Land zugelassen würden, unabhängig von der Zahl der antragsberechtigten Kommunen und konkreten Antragsteller sowie ihrer qualitativen Bewertung.

21

3. Schließlich sei auch die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 16. gegen § 6b Abs. 3, § 6b Abs. 4 SGB II zulässig (a) und begründet (b).

22

a) Die Verfassungsbeschwerde sei insbesondere fristgerecht erhoben worden. Durch die Novellierung im Jahr 2010 habe § 6b Abs. 3 SGB II eine den Beschwerdeführer zu 16. stärker belastende Wirkung erhalten als zuvor. § 6b Abs. 3 und Abs. 4 SGB II sähen Prüfbefugnisse des Bundes vor, obwohl die betroffenen Aufgaben von den Kommunen als Selbstverwaltungsaufgaben wahrgenommen würden, die Länder die Aufsicht führten und keinerlei Verwaltungsbefugnisse des Bundes bestünden. Diese Prüfbefugnisse griffen in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie ein und seien nicht durch Art. 91e GG gedeckt.

23

b) Bei einem Auseinanderfallen von Verwaltungs- und Finanzierungszuständigkeit sei für die Prüfbefugnis auf die Verwaltungszuständigkeit abzustellen. Bei der Aufgabenwahrnehmung nach den §§ 6a ff. SGB II bestünden jedoch keine Verwaltungsbefugnisse des Bundes; die Aufsicht werde von den Ländern ausgeübt. Abweichendes ergebe sich auch nicht aus Art. 91e Abs. 2 und Abs. 3 GG. Für Prüfbefugnisse des Bundes sei daher kein Raum. Andernfalls sähen sich die Kommunen drei Prüfungsinstanzen ausgesetzt: den kommunalen Gemeinschaftseinrichtungen (Kommunalprüfungsämtern), der Aufsicht des Landes und der des Bundes.

24

Die Datenerhebung durch den Bundesrechnungshof sei nicht anders zu beurteilen als die Informationsbeschaffung durch die Bundesverwaltung. Die Befugnisse des Bundesrechnungshofes seien weder im Sinne ihrer Effektivierung großzügig auszulegen noch von der Finanzierungskompetenz des Bundes her zu begründen, sondern folgten den Verwaltungskompetenzen des Bundes. Von der Kontrolle durch den Bundesrechnungshof gingen im Übrigen, etwa durch öffentlichen Druck und politische Reaktionen, auch dann Einwirkungen auf die Rechtssphäre Dritter aus, wenn er keine unmittelbar eingreifenden und belastenden Entscheidungen treffe.

25

Der Bund trage nach § 6b Abs. 2 Satz 1 SGB II die Aufwendungen für die Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Verwaltungskosten mit Ausnahme der Aufwendungen für Aufgaben nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II. Vor Inkrafttreten des Art. 91e GG seien die Aufwendungen im Rahmen des Sonderlastenausgleichs nach Art. 106 Abs. 8 GG erstattet worden. Dies habe die Verwaltungszuständigkeiten jedoch unberührt gelassen, so dass § 6b Abs. 3 SGB II nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 6a ZuInvG bereits damals verfassungswidrig gewesen sei und die Gesetzesbegründung zu Art. 91e GG (BTDrucks 17/1554, S. 5) somit auf eine verfassungswidrige Rechtslage beziehungsweise Praxis Bezug nehme. Daran ändere auch Art. 91e GG nichts. Wie Art. 106 Abs. 8 GG ("erforderliche"), so knüpfe auch Art. 91e Abs. 2 Satz 2 GG ("notwendige") an materiell-rechtliche Vorgaben an. Er lasse sich auch nicht als Ausnahme zu Art. 84 Abs. 3 GG verstehen. Für die Bundesaufsicht über die Länder verbleibe es vielmehr bei den allgemeinen Regeln der Art. 84 Abs. 3 und Abs. 4 GG.

III.

26

Der Deutsche Bundestag, der Bundesrat, die Bundesregierung und alle Landesregierungen hatten Gelegenheit zur Äußerung. Von den Äußerungsberechtigten hat nur die Bundesregierung eine Stellungnahme abgegeben.

27

1. a) Die Verfassungsbeschwerde sei bereits unzulässig. Der Beschwerdeführer zu 1. sei von der angegriffenen Vorschrift nicht unmittelbar betroffen, weil die Zulassungsentscheidung durch Rechtsverordnung erfolge, in deren Rahmen die Zulassungsvoraussetzungen geprüft würden. Um den fachgerichtlichen Rechtsweg zu erschöpfen, hätte der Beschwerdeführer zu 1. zudem Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG erheben müssen; jedenfalls wäre dies aufgrund des Grundsatzes der materiellen Subsidiarität geboten gewesen, um die sachnäheren Fachgerichte mit der Sache befassen zu können. Im Übrigen fehle die für die Beschwerdebefugnis erforderliche Kausalität zwischen der angegriffenen Rechtsnorm und der behaupteten Rechtsverletzung, denn auch bei Erreichen der Zwei-Drittel-Mehrheit hätte der Beschwerdeführer zu 1. mangels Eignung nicht als Optionskommune zugelassen werden können.

28

b) Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1. sei aber jedenfalls unbegründet, weil es bereits an einem Eingriff in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie fehle. Deshalb könne auch das Fehlen einer - in der Sache durchaus vorhandenen - Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht gerügt werden.

29

aa) Die kommunale Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 BVerfGG folge nicht den Regeln der abstrakten Normenkontrolle, so dass kompetenzwidrige Gesetzgebungsakte nur dann mit Erfolg angegriffen werden könnten, wenn sie zugleich einen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie darstellten. Dies sei hier nicht der Fall. Ein Eingriff in Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG scheide schon deshalb aus, weil dem Beschwerdeführer zu 1. nach den Feststellungen des zuständigen Bayerischen Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung die nach § 6a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II erforderliche fachliche Eignung gefehlt habe und das qualifizierte Mehrheitserfordernis somit für die behauptete Rechtsverletzung schon nicht ursächlich sei; der Beschwerdeführer zu 1. hätte auch bei Erreichen des Quorums nicht als kommunaler Träger zugelassen werden können.

30

Art. 28 Abs. 2 GG begründe aber auch keinen Anspruch auf Zulassung als kommunaler Träger und auf alleinige Wahrnehmung der Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Im Gegenteil: Bei Gemeindeverbänden beschränke sich der Schutz des Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG von vornherein auf den gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereich. Regelungen wie § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II erschwerten zwar die Aussichten auf eine Zulassung als kommunaler Träger, griffen aber nicht in den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG ein. Wäre der Beschwerdeführer zu 1. früher als Optionskommune zugelassen worden, griffe auch der Entzug dieser Aufgabe nicht in Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG ein; umso weniger könne dies bei einer vorenthaltenen Zulassung der Fall sein. Aus Art. 91e GG folge nichts anderes, denn dieser sehe als Regelfall die Aufgabenwahrnehmung in gemeinsamen Einrichtungen vor; diese verfassungsrechtliche Vorgabe präge zugleich den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 GG.

31

Ein Eingriff liege auch nicht unter dem - nicht gerügten - Gesichtspunkt der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung vor. Diese sei den Gemeindeverbänden ebenfalls nur nach Maßgabe der Gesetze gewährleistet. Bei ihrer inhaltlichen Ausgestaltung müsse der Gesetzgeber nur sicherstellen, dass der Kernbereich der Selbstverwaltung unangetastet bleibe. Gesetzliche Vorgaben bedürften lediglich eines am Gemeinwohl orientierten, rechtfertigenden Grundes, der sich im vorliegenden Fall aus der Gesetzesbegründung ergebe.

32

bb) § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II sei keine Regelung des allgemeinen Kommunalverfassungsrechts, sondern eine Regelung über die Organisation der Aufgabenerledigung im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Insoweit folge die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG, der auch die Befugnis einschließe, die Organisation der Aufgabenerledigung zu regeln. Zur Organisation in diesem Sinne gehöre die Frage, ob und inwieweit Kommunen die Aufgaben in gemeinsamen Einrichtungen oder alleine wahrnehmen und unter welchen Voraussetzungen sie als kommunale Träger zugelassen werden können. § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II enthalte eine Zulassungsvoraussetzung; gesetzessystematisch handele es sich dabei um eine Konkretisierung des Antragserfordernisses. Das qualifizierte Mehrheitserfordernis solle die Nachhaltigkeit der Aufgabenwahrnehmung sicherstellen, was ebenfalls für eine Einordnung als Zulassungsvoraussetzung spreche. Auch aus Art. 91e Abs. 3 GG folge, dass dem Bundesgesetzgeber die Ausgestaltung der Zulassungskriterien obliege. Dass die Vorschrift formal Anforderungen an ein Entscheidungsorgan der Kommune stelle, mache sie noch nicht zu einer kommunalverfassungsrechtlichen Regelung. Einzelne Regelungen dürften insoweit nicht aus dem Regelungszusammenhang gelöst werden; komme eine Zugehörigkeit zu verschiedenen Kompetenzbereichen in Betracht, sei auf den Schwerpunkt abzustellen. Der Schwerpunkt von § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II liege nach der gesetzgeberischen Zielsetzung auf den Anforderungen an die Zulassung als kommunaler Träger. Das Kommunalverfassungsrecht werde durch die Regelung allenfalls reflexhaft betroffen.

33

2. Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 2. bis 15. seien ebenfalls unzulässig (a), jedenfalls aber unbegründet (b).

34

a) Auch den Beschwerdeführern zu 2. bis 15. fehle es insoweit an der unmittelbaren Betroffenheit. Hinzu komme, dass das 25-Prozent-Kontingent nicht nur der Umsetzung, sondern auch der Konkretisierung durch Rechtsverordnung bedürfe. Mit der Begrenzung des Kontingents auf 25 Prozent allein stehe noch nicht fest, welche Kommunen insoweit nachteilig betroffen seien. Zudem seien die Beschwerdeführer zu 3. bis 15. nicht nach Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG, die Beschwerdeführerin zu 2. nicht nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG beschwerdebefugt. Da es sich nicht um Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft handele, griffen gesetzliche Regelungen, die die Aussichten auf eine Zulassung als kommunaler Träger erschwerten, weder in den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG noch in den des Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG ein. Etwas anderes folge auch nicht aus Art. 91e GG, denn dieser bestimme die Aufgabenwahrnehmung in gemeinsamen Einrichtungen zum Regelfall. Schließlich sei auch insoweit der Rechtsweg nicht erschöpft beziehungsweise dem Grundsatz der materiellen Subsidiarität nicht Genüge getan worden, weil die Beschwerdeführer zu 2. bis 15. keine atypische Feststellungsklage vor den Sozialgerichten erhoben hätten.

35

b) § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II verletze weder Art. 28 Abs. 2 GG noch das Willkürverbot oder das interkommunale Gleichbehandlungsgebot.

36

aa) Die Beschwerdeführer zu 3. bis 15. könnten sich nur auf Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG berufen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährleiste dieser lediglich, dass den Kreisen ein Mindestbestand an Aufgaben zugewiesen wird, was offensichtlich der Fall sei. Soweit die Beschwerdeführerin zu 2. sich auf Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG berufen könne, liege ebenfalls keine Verletzung vor, weil es sich bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht um Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft handele.

37

bb) Das Willkürverbot sei nur verletzt, wenn sich schlechthin kein sachgerechter Grund für eine Maßnahme finden lasse oder wenn diese unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar sei. Dies sei nicht hinreichend substantiiert vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich. Der Gesetzgeber habe den ihm zustehenden Gestaltungspielraum genutzt. Zudem gebe es sachliche Gründe für die Begrenzung, weil damit die Vorgabe eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses durch Art. 91e GG umgesetzt worden sei.

38

cc) Die von den Beschwerdeführern insoweit gerügte Ungleichbehandlung - Zulassung sämtlicher Antragsteller in drei Ländern aufgrund des dortigen Kontingents und der fehlenden Antragskonkurrenz, nicht aber Zulassung der Beschwerdeführer zu 2. bis 15. - ergebe sich nicht aus der Begrenzung der Zahl der neu zuzulassenden kommunalen Träger, sondern aus deren Aufteilung auf die von den Ländern gemäß der Verordnung über das Verfahren zur Feststellung der Eignung als zugelassener kommunaler Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende vereinbarten Länderkontingente.

39

3. Auch der Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 16. müsse der Erfolg versagt bleiben.

40

a) Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen § 6b Abs. 3 SGB II richte, sei sie verfristet. Die Vorschrift sei bereits am 6. August 2004 in Kraft getreten. Weder § 6b Abs. 4 SGB II n.F. noch Art. 91e GG enthielten insoweit neue, belastende Wirkungen. Im Übrigen sei Art. 91e GG am 27. Juli 2010 in Kraft getreten, sodass die Jahresfrist auch dann verstrichen wäre, wenn man dieser Vorschrift neue Belastungen im Hinblick auf das Schutzgut des Art. 28 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GG zuschreiben wollte. Soweit § 6b Abs. 4 SGB II angegriffen werde, fehle es an einer gegenwärtigen Beschwer, weil es vollkommen ungewiss sei, ob der Beschwerdeführer von einer anlasslosen Vor-Ort-Überprüfung jemals betroffen sein werde.

41

b) Die Verfassungsbeschwerde gegen § 6b Abs. 4 SGB II sei jedenfalls unbegründet. In der Entscheidung zum Zukunftsinvestitionsgesetz (BVerfGE 127, 165 ff.) habe das Bundesverfassungsgericht offengelassen, ob Prüfbefugnisse des Bundes die Finanzhoheit der Gemeinden beeinträchtigten. Die Schranken der Finanzkontrolle des Bundes gegenüber den Ländern seien vielmehr aus dem Grundsatz der Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern (Art. 109 Abs. 1 GG) sowie der Zuweisung der Erfüllung staatlicher Aufgaben an die Länder (Art. 30 GG) abgeleitet worden. Auf diese Bestimmungen könnten sich Gemeindeverbände im Rahmen einer kommunalen Verfassungsbeschwerde jedoch nicht berufen.

42

Die Kompetenz des Bundes für die Anordnung von Prüfbefugnissen sowohl des Bundesrechnungshofes als auch des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales folge aus Art. 91e Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG. Art. 91e GG stelle die Beziehung zwischen Bund und Optionskommune auf eine eigene verfassungsrechtliche Grundlage und enthalte nicht nur die Abstützung der Optionskommunen und der Kostenbeteiligung des Bundes, sondern auch eine Ermächtigung des Bundes zur Einrichtung einer Finanzkontrolle. Er sei insoweit eine Ausnahmevorschrift zu Art. 83 ff. und Art. 104a ff. GG. Art. 91e GG beschränke die Kostentragungspflicht des Bundes auf "notwendige Ausgaben", so dass auch eine Kontrolle erforderlich sei, ob die Ausgaben für diese Zwecke tatsächlich eingesetzt würden. Die materielle Beschränkung der Finanzierungspflicht begründe mit anderen Worten eine entsprechende Kontrollbefugnis des Bundes und eine Informationspflicht der Begünstigten. Dies belegten auch die Gesetzgebungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Vorschrift. Eine "verfassungssystematische" Auslegung zeige überdies, dass Art. 91e Abs. 2 GG dem Bund die Möglichkeit eröffne, anlasslose Vor-Ort-Prüfungen zuzulassen. Insoweit handele es sich um eine Ausnahmevorschrift zu Art. 84 f. und Art. 30 GG.

43

Die Prüfbefugnisse des Bundes hätten keine aufsichtsgleiche Wirkung. Zwar bestehe ein Risiko von Rückforderungen, wenn eine Kommune am automatisierten Verfahren für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen des Bundes (HKR-Verfahren) teilnehme und der Bund ihr somit Mittel vorstrecke; dieses Risiko wurzele aber im rechtswidrigen Mitteleinsatz, nicht in den Prüfbefugnissen des Bundes. Diese erleichterten allenfalls die Aufdeckung. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Rückforderung liege nicht in den Händen des Bundesministeriums, sondern der Sozialgerichte. Somit seien die Prüfbefugnisse des § 6b Abs. 4 Sätze 1 und 2 SGB II ebenso verfassungskonform wie die anlasslosen Überprüfungen vor Ort (§ 6b Abs. 4 Satz 3 SGB II). § 6b Abs. 4 Satz 1 SGB II sei auf die Feststellung des Sachverhalts und dessen Bewertung beschränkt. Das entspreche den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus der Entscheidung zu § 6a Satz 3 ZuInvG und finde seine Stütze in Art. 91e Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG. Die Vorschrift begründe keine Befugnis zur aktiven Informationsbeschaffung, sondern setze die Verfügbarkeit der zur Prüfung benötigten Informationen voraus. § 6b Abs. 4 Satz 2 SGB II knüpfe an eine freiwillige Entscheidung der Optionskommune zur Teilnahme an dem Informations- und Kontrollsystem an, während § 6b Abs. 4 Satz 3 SGB II eine Befugnis des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales statuiere, Informationen vor Ort zu erheben. Dies sei von Art. 91e Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG gedeckt und diene der Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen in Fällen, in denen die von den zugelassenen kommunalen Trägern im automatisierten Verfahren abgerufenen Bundesmittel rechtswidrig verwendet worden seien.

44

c) Schließlich sei auch die Verfassungsbeschwerde gegen § 6b Abs. 3 SGB II zumindest unbegründet. Durch die Prüfbefugnisse des Bundesrechnungshofes werde die Selbstverwaltungsgarantie ebenfalls nicht beeinträchtigt. Weder Art. 109 Abs. 1 GG noch Art. 30 GG begründeten eine für die Kommunen wehrfähige Position. Zudem sei Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG im übertragenen Wirkungskreis nicht anzuwenden. Art. 91e Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 GG decke auch die Prüfbefugnisse des Bundesrechnungshofes. Wenn bei einer Verwaltungsaufgabe eine alleinige und umfassende Finanzierungsverantwortung des Bundes bestehe, sei die uneingeschränkte Finanzkontrolle durch den Bundesrechnungshof nicht nur zulässig, sondern im Interesse einer möglichst lückenlosen parlamentarischen Finanzkontrolle über die Verwendung der Bundesmittel sogar geboten.

IV.

45

Als sachkundige Dritte gemäß § 27a BVerfGG hatten der Deutsche Landkreistag, der Deutsche Städtetag, der Deutsche Städte- und Gemeindebund und der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. und der Deutsche Landkreistag haben sich zu den vorliegenden Verfassungsbeschwerden geäußert. Die übrigen sachkundigen Dritten haben von ihrem Äußerungsrecht keinen Gebrauch gemacht.

46

1. Der Deutsche Landkreistag hält die Verfassungsbeschwerden für zulässig und begründet.

47

a) Es habe - vor der Föderalismusreform und der Einfügung des Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG - zwei mögliche Wege gegeben, wie der Bund Aufgaben auf Kommunen übertragen konnte. Entweder habe er den Weg über Art. 85 GG oder über Art. 84 GG gewählt. Im ersten Fall seien die übertragenen Aufgaben nicht dem Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 GG unterfallen, im zweiten Fall schon. Eine dritte Kategorie von Selbstverwaltungsaufgaben, die nicht dem Schutz des Art. 28 Abs. 2 GG unterfalle, existiere nicht. Zum Schutz der Organisationshoheit der Länder sei es dem Bund auch grundsätzlich untersagt, eine weitergehende Kategorisierung kommunaler Aufgaben vorzunehmen.

48

b) Das Erfordernis einer Zwei-Drittel-Mehrheit in der zuständigen Vertretungskörperschaft sei verfassungswidrig, da es nicht auf Art. 91e Abs. 3 GG gestützt werden könne. Art. 91e GG modifiziere die Zweistufigkeit des Staatsaufbaus nicht. Die Zuordnung der Kommunen zu den Ländern sei mithin nicht nur bei der Gestaltung der Aufsichtsbeziehungen zu berücksichtigen, sondern auch bei der Gesetzgebungszuständigkeit. Die Regelung sei wegen Verstoßes gegen Art. 28 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 70 GG verfassungswidrig.

49

c) Ausweislich des Wortlauts von Art. 91e Abs. 2 GG bestehe zwar keine Verpflichtung, überhaupt Optionskommunen zuzulassen. Entscheide sich der Gesetzgeber aber, dies zu tun, seien das Willkürverbot und das interkommunale Gleichbehandlungsgebot zu beachten. Die Kontingentierung in Höhe von 25 vom Hundert finde sich zwar in der Begründung zu Art. 91e GG. Die textliche Fixierung eines tagespolitischen Kompromisses binde den Gesetzgeber jedoch nicht. In der Sache gebe es keinen nachvollziehbaren Grund für die Festlegung des konkreten Kontingents. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Erbringung der Leistungen durch kommunale Träger nicht auch ohne zahlenmäßige Begrenzung erfolgen könne, zumal auch die Zulassung aller geeigneten Träger zu einer Quote von weniger als einem Drittel der Aufgabenträger führen würde.

50

d) Mit Blick auf die Prüfbefugnisse des Bundes sei von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. September 2010 auszugehen (BVerfGE 127, 165 ff.). Dabei sei besonders problematisch, dass der Bund seine Prüfbefugnisse dazu nutze, Rückforderungsansprüche gegenüber den Optionskommunen ohne materiell-rechtliche Rechtsgrundlage geltend zu machen. Die kommunalen Träger würden damit bei der Verwaltung von Bundesmitteln einer "Quasi-Fachaufsicht" des Bundes unterstellt und faktisch zu Bundesbehörden degradiert. Aufsichtsrechte des Bundes bestünden jedoch nur nach Maßgabe des Art. 84 Abs. 3 und Abs. 4 GG. § 48 Abs. 2 Satz 2 SGB II sei insoweit verfassungswidrig.

51

Art. 91e Abs. 2 Satz 2, 1. Halbsatz GG sei der Sache nach eine Regelung der Finanzverfassung, modifiziere die Art. 104a Abs. 1 und Abs. 5 GG und begründe eine unmittelbare Finanzbeziehung zwischen Bund und Kommunen. Für die Prüfbefugnisse des Bundes müssten die in BVerfGE 127, 165 ff. zu Art. 104b GG entwickelten Grundsätze übertragen werden. Zwar handele es sich bei Art. 104b GG und Art. 91e Abs. 2 Satz 2 GG um unterschiedliche Anknüpfungsnormen; den Prüfbefugnissen des Bundes vor Ort liege jedoch eine vergleichbare Konstellation zugrunde. In beiden Fällen fielen Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung auseinander.

52

Art. 91e Abs. 2 Satz 2 GG entspreche den Mehrbelastungsausgleichsverpflichtungen in den Landesverfassungen. Da Art. 91e Abs. 2 GG eine Ausnahme vom Aufgabenübertragungsverbot des Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG darstelle, sei dies konsequent. Der Pflicht des Bundes, die "notwendigen Ausgaben" zu tragen, korrespondiere allerdings kein Recht zur Prüfung der Ausgaben und zur Rückforderung.

53

Dass die Aufsicht über die Optionskommunen lückenhaft sei, lasse sich nicht belegen. In den Jobcentern habe es bislang fünf Betrugsfälle von Bediensteten gegeben, wovon vier vom zuständigen Landkreis selbst aufgedeckt worden seien und der fünfte im Kontext des Geldwäschegesetzes. Eine Prüftätigkeit des Bundes sei für keinen dieser Fälle erforderlich gewesen.

54

Weder Art. 91e Abs. 2 noch Abs. 3 GG ermächtigten zur Regelung einer umfassenden Finanzkontrolle. Die Bundesregierung behaupte einerseits einen Unterschied zwischen Fachaufsicht und Finanzkontrolle, qualifiziere die Aufsicht der Länder über die Kommunen aber mit dem Argument ab, diese hätten mangels Einsatzes eigener Mittel kein Interesse an einer rechtmäßigen Verwaltung. Der Bund wolle eigene, den zweistufigen Staatsaufbau negierende Kontrollmechanismen an deren Stelle setzen und die Aufgabenerfüllung nach Art. 91e Abs. 2 GG dem Modell der gemeinsamen Träger nach Art. 91e Abs. 1 GG annähern. Sinn der unterschiedlichen Modelle sei jedoch gerade die andere Ausgestaltung der Verwaltungsstruktur.

55

Die unterschiedlichen Auffassungen der Kommunen und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur Kontrolle der Kommunen schlügen sich in den Verwaltungsvereinbarungen nieder, die Möglichkeiten zur Anpassung, Änderung oder Kündigung offen ließen. Soweit sich Kommunen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales nicht auf den Abschluss einer Verwaltungsvereinbarung verständigen konnten, habe der Bund die Bereitstellung der abzurufenden Mittel verweigert. Die Verwaltungsvereinbarungen nicht abzuschließen, habe somit zur Folge, dass die Kommunen in Vorleistung treten müssten.

56

2. Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. hat seine Stellungnahme auf § 6a SGB II beschränkt.

57

a) Er ist ebenfalls der Auffassung, das Zwei-Drittel-Quorum sei nicht von der Bundeskompetenz gedeckt. Der Regelung des § 6a SGB II mangele es schon deshalb an Konsistenz, weil der Widerruf der Zulassung von der Kommune mit einfacher Mehrheit beantragt werden könne (vgl. § 6a Abs. 6 Satz 2 SGB II). Zwar greife die Vorschrift nicht in den Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie ein; gleichwohl sei das Antragserfordernis in Art. 91e Abs. 2 Satz 1 GG Ausdruck der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie. Zudem seien die Kommunen gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II ohnehin für einen Teil der Grundsicherungsaufgaben zuständig, so dass der kommunale Wirkungskreis schon insoweit eröffnet sei (Art. 28 Abs. 2 GG). Das Erfordernis einer Zwei-Drittel-Mehrheit greife in die Entscheidungsfreiheit der Kommunen ein, was auch jenseits des Kernbereichs kommunaler Selbstverwaltung nur durch ein formell und materiell verfassungskonformes Gesetz geschehen dürfe. Die Gesetzgebungskompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG decke aber nicht die Regelung von Mehrheitserfordernissen in der kommunalen Repräsentativkörperschaft. Auch Art. 91e Abs. 2 und Abs. 3 GG gebe dafür nichts her. Regelungen der kommunalinternen Willensbildung unterfielen vielmehr der ausschließlichen Zuständigkeit der Länder.

58

b) Die gesetzliche Begrenzung der Optionskommunen auf ein Viertel der Aufgabenträger stelle sich ebenfalls als Eingriff in die Garantie kommunaler Selbstverwaltung dar. Zwar dürfe der Bund eine zahlenmäßige Höchstgrenze festlegen. Verfassungsrechtlich geboten sei die Begrenzung auf ein Viertel jedoch nicht. Weder die frühere Zahl von 69 Optionskommunen noch ihre Erweiterung auf höchstens ein Viertel der Aufgabenträger sei verfassungsrechtlich gefordert. Die Auswahl der Optionskommunen durch die obersten Landesbehörden sei problematisch, weil der Bund ein transparentes bundesweites Verfahren hätte vorsehen müssen.

V.

59

In der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2014 haben die Beteiligten ihr Vorbringen bekräftigt und vertieft. Für den Deutschen Landkreistag hat der Senat außerdem Frau Dr. Vorholz als sachverständige Auskunftsperson gehört.

B.

60

Die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 1. (I.) sowie zu 2. bis 15. (II.) sind zulässig. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 16. gegen § 6b Abs. 4 SGB II richtet, ist sie ebenfalls zulässig (III.1.); soweit sie sich gegen § 6b Abs. 3 SGB II richtet, ist sie unzulässig (III.2.).

I.

61

Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1. gegen § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II ist zulässig. Der Beschwerdeführer ist durch die gesetzliche Regelung unmittelbar betroffen.

62

1. Das Erfordernis der unmittelbaren Betroffenheit gilt grundsätzlich auch für Kommunalverfassungsbeschwerden (vgl. BVerfGE 59, 216 <225>; 71, 25 <34 f.>). Diese Anforderung an die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde beruht auf dem in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck gekommenen und dieser Vorschrift zugrunde liegenden Gedanken der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde. Sie fällt vor allem dann ins Gewicht, wenn das Gesetz der Verwaltung einen Spielraum lässt, gilt grundsätzlich aber auch, wenn ein solcher Spielraum fehlt. In beiden Fällen entspricht es dem Grundsatz der Subsidiarität, dass zunächst die für das jeweilige Rechtsgebiet zuständigen Fachgerichte eine Klärung insbesondere darüber herbeiführen, ob und in welchem Ausmaß der Bürger oder die Gemeinde durch die beanstandete Regelung konkret in seinen Rechten betroffen und ob sie mit der Verfassung vereinbar ist; dabei ist nach Maßgabe der Voraussetzungen des Art. 100 Abs. 1 GG zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Vorschriften gegebenenfalls eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen(vgl. BVerfGE 71, 25 <34 f.>). Mit Blick auf die Kommunalverfassungsbeschwerde ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich diese ausschließlich gegen Gesetze richtet und etwaige Vollzugsakte gar nicht angegriffen werden können. Gemeinden und Gemeindeverbände können daher grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden, zunächst einen gegen den Vollzugsakt eröffneten Rechtsweg zu beschreiten, weil Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 BVerfGG sonst weitgehend leer liefen.

63

Es ist Gemeinden und Gemeindeverbänden allerdings auch im Rahmen der Kommunalverfassungsbeschwerde verwehrt, ein Gesetz anzugreifen, das noch der Konkretisierung durch eine Rechtsverordnung bedarf, weil sie die verfassungsgerichtliche Überprüfung der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage in diesem Fall grundsätzlich auch im Rahmen einer gegen die Rechtsverordnung gerichteten Kommunalverfassungsbeschwerde erreichen können (vgl. BVerfGE 71, 25 <34 f.>; 76, 107 <112 f.>). Mit der Kommunalverfassungsbeschwerde können nicht nur Gesetze im formellen Sinne angegriffen werden, sondern alle untergesetzlichen Rechtsnormen mit Außenwirkung (vgl. BVerfGE 71, 25 <34>; 107, 1 <10>). Rechtsverordnungen (vgl. BVerfGE 26, 228 <236>; 56, 298 <309>; 71, 25 <34>; 107, 1 <8>) des Bundes und der Länder sind daher ebenso tauglicher Gegenstand einer Kommunalverfassungsbeschwerde wie Satzungen von Selbstverwaltungskörperschaften (vgl. BVerfGE 26, 228 <245>).

64

2. Nach diesen Grundsätzen ist der Beschwerdeführer zu 1. durch die angegriffene Regelung des § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen. Er musste die Anforderungen der Norm erfüllen, um überhaupt einen aussichtsreichen Antrag auf Zulassung als Optionskommune stellen zu können und hat sie verfehlt. Dass die zuständige oberste Landesbehörde dies im Zulassungsverfahren festgestellt und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, daran anknüpfend, den Beschwerdeführer zu 1. aus dem Kreis der in Betracht kommenden Optionskommunen ausgeschieden hat, vermag daran nichts zu ändern.

II.

65

Die gegen § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II gerichteten Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 2. bis 15. sind ebenfalls zulässig. Diese sind durch die angegriffene Regelung selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen.

66

Die von den Beschwerdeführern beanstandete zahlenmäßige Begrenzung der Optionskommunen durch § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II wird zwar sowohl durch die Verordnung über das Verfahren zur Feststellung der Eignung als zugelassener kommunaler Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende als auch durch die Zweite Verordnung zur Änderung der Kommunalträger-Zulassungsverordnung umgesetzt. Vor allem die unmittelbare Betroffenheit der Beschwerdeführer zu 2. bis 15. durch die angegriffene Regelung stellt dies jedoch nicht in Frage, weil sich die Kontingentierung der Anzahl der Optionskommunen und damit die bloße Einräumung einer Zulassungschance unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.

III.

67

1. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 16. ist zulässig, soweit sie die Vorschrift des § 6b Abs. 4 SGB II angreift; insbesondere ist der Beschwerdeführer zu 16. von der angegriffenen Vorschrift auch gegenwärtig betroffen (vgl. BVerfGE 1, 97 <102>; 43, 291 <385 f.>; 60, 360 <371>; 74, 297 <319>; 114, 258 <277>).

68

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat in seinem Tätigkeitsbericht 2010/2011 ausgeführt, es sei geplant, die Prüfung der Schlussrechnungen 2010 und 2011 im Jahr 2012 zusammen durchzuführen und abzuschließen, um dadurch mit der Prüfung der Schlussrechnungen 2012, die erstmalig auch von den neuen zugelassenen kommunalen Trägern einzureichen seien, gemeinsam für alte und neue kommunale Träger im Jahr 2013 beginnen zu können (HaushaltsausschussDrucks 17/3512, S. 4). Darüber hinaus ergibt sich aus den bisherigen Tätigkeitsberichten - die sich auf die bislang 69 zugelassenen kommunalen Träger beziehen -, dass bei der Prüfung der Jahresschlussrechnung zwischen 14 und 17 - auch verdachtsunabhängige - Vor-Ort-Prüfungen durchgeführt wurden, jährlich also etwa 20 Prozent bis 25 Prozent der zugelassenen kommunalen Träger derartige Überprüfungen hinzunehmen hatten (HaushaltsausschussDrucks 16/3434, S. 6; 16/4563, S. 2; 17/151, S. 4; 17/3512, S. 4). Aus der angekündigten Prüfung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und der hinreichend großen Wahrscheinlichkeit, einer anlasslosen Vor-Ort-Prüfung unterzogen zu werden, ergibt sich auch eine gegenwärtige Betroffenheit für den Beschwerdeführer zu 16. durch die angegriffene gesetzliche Regelung.

69

2. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 16. gegen § 6b Abs. 3 SGB II richtet, ist sie hingegen unzulässig, da sie nicht fristgerecht eingelegt wurde (§ 93 Abs. 3 BVerfGG).

70

a) Für die Kommunalverfassungsbeschwerde gilt - wie für alle Rechtssatzverfassungsbeschwerden - die Fristvorschrift des § 93 Abs. 3 BVerfGG. Danach ist die Verfassungsbeschwerde innerhalb eines Jahres seit Inkrafttreten der angegriffenen Norm einzulegen (vgl. BVerfGE 76, 107 <115>; 79, 127 <142>; 107, 1 <8>). Wird eine Bestimmung im Rahmen einer Gesetzesnovellierung nicht verändert, so beginnt die Frist nicht alleine deshalb neu zu laufen, weil der Gesetzgeber die in Rede stehende Bestimmung - im Sinne einer Bestätigung - erneut in seinen Willen aufgenommen hat (vgl. BVerfGE 11, 255 <259 f.>; stRspr). Auch die Bekanntmachung des gleichen Wortlauts ohne inhaltliche Änderungen führt nicht zu einem neuen Fristlauf (vgl. BVerfGE 17, 364 <368 f.>). Von der Bestimmung muss vielmehr eine neue, den Beschwerdeführer ersichtlich stärker belastende Wirkung ausgehen (vgl. BVerfGE 45, 104 <119 f.>; 78, 350 <356>; 100, 313 <356>). Dies kann der Fall sein, wenn die Änderungen dazu führen, dass der unverändert gebliebenen Norm faktisch ein neuer Inhalt gegeben wird (vgl. BVerfGE 11, 351 <359 f.>; 74, 69 <73>; 78, 350 <356>), oder die Einbettung in ein anderes gesetzliches Umfeld erfolgt, so dass auch von der Anwendung der älteren Vorschrift neue belastende Wirkungen ausgehen können (vgl. BVerfGE 100, 313 <356>; vgl. auch BVerfGE 12, 10 <24>; 49, 1 <7>; 120, 274 <298>).

71

b) Soweit sie sich gegen § 6b Abs. 3 SGB II richtet, ist die am 1. August 2011 beim Bundesverfassungsgericht eingegangene Verfassungsbeschwerde demnach verfristet. Da § 6b Abs. 3 SGB II bereits am 6. August 2004 in Kraft getreten ist, endete die Beschwerdefrist gemäß § 93 Abs. 3 BVerfGG in Verbindung mit § 187 Abs. 2, § 188 Abs. 2, 2. Alt. BGB (vgl. BVerfGE 102, 254 <295 f.>) am 5. August 2005. Sie wurde weder durch die Einfügung des Art. 91e GG (aa) noch durch die Neubekanntmachung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (bb) oder durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende erneut in Gang gesetzt. Letzteres hat auch keine neue Belastung für den Beschwerdeführer zu 16. mit sich gebracht (cc).

72

aa) Ob die Einfügung von Art. 91e GG in das Grundgesetz mit Blick auf § 6b Abs. 3 SGB II eine neue Belastung für den Beschwerdeführer zu 16. verursacht hat, kann im Ergebnis offenbleiben. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, wäre die Verfassungsbeschwerde nicht fristgerecht erhoben worden. Art. 91e GG ist gemäß Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91e) am 27. Juli 2010 in Kraft getreten (BGBl I S. 944), die Frist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde folglich am 26. Juli 2011 abgelaufen.

73

bb) Die Bekanntmachung der Neufassung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 13. Mai 2011 im Bundesgesetzblatt (BGBl I S. 850) hat ausschließlich den aktuellen Wortlaut in übersichtlicher Form, jedoch ohne inhaltliche Änderungen bekannt gemacht und die Frist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde daher nicht erneut in Gang gesetzt (vgl. BVerfGE 17, 364 <368 f.>).

74

cc) Durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3. August 2010 (BGBl I S. 1112) ist der Wortlaut des § 6b Abs. 3 SGB II gegenüber der Vorfassung unverändert geblieben. Aus der Begründung des Gesetzentwurfes ergibt sich überdies, dass der Gesetzgeber die Norm nicht ändern und ihr keinen veränderten Inhalt oder eine vom bisherigen Verständnis abweichende Bedeutung geben wollte. Ausdrücklich heißt es dort, dass das Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofes unberührt bleibe und in der schon bisher geregelten Form aufrechterhalten werde (BTDrucks 17/1555, S. 16). Auch führen die neu in das Gesetz aufgenommenen Bestimmungen, insbesondere § 6b Abs. 4 SGB II, nicht dazu, dass § 6b Abs. 3 SGB II eine neue, den Beschwerdeführer zu 16. stärker als bisher belastende Wirkung erhalten hätte. § 6b Abs. 3 SGB II und § 6b Abs. 4 SGB II weisen inhaltlich keinerlei Bezug zueinander auf und begründen für unterschiedliche Institutionen unterschiedliche Befugnisse.

C.

75

Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1. ist begründet. Im Übrigen sind die Verfassungsbeschwerden, soweit sie zulässig sind, unbegründet.

I.

76

Mit Art. 91e GG hat der verfassungsändernde Gesetzgeber für das Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine umfassende Sonderregelung getroffen, die in ihrem Anwendungsbereich die allgemeinen Vorschriften des Grundgesetzes verdrängt (1.). Die Vorschrift begründet eine unmittelbare Finanzbeziehung zwischen Gemeinden und Gemeindeverbänden und dem Bund und relativiert insoweit die Zweistufigkeit des Staatsaufbaus (2.). Art. 91e Abs. 2 GG räumt Gemeinden und Gemeindeverbänden eine von der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie geschützte Chance ein, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende alleinverantwortlich wahrzunehmen (3.). Zur näheren Ausgestaltung der mit der Zulassung kommunaler Träger nach Art. 91e Abs. 2 GG zusammenhängenden Rechtsverhältnisse zwischen den Kommunen und dem jeweiligen Land sowie zwischen den Kommunen und dem Bund weist Art. 91e Abs. 3 GG dem Bund eine abschließende Gesetzgebungskompetenz zu (4.).

77

1. Art. 91e GG enthält eine Spezialregelung für den Vollzug der Verwaltungsaufgabe Grundsicherung für Arbeitsuchende. Soweit er die Kommunen betrifft, konkretisiert er die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 119, 331 <356 f.>) (a). Dies belegen die Entstehungsgeschichte der Norm und ihre Stellung im Grundgesetz (b). Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von Art. 91e GG bestehen nicht (c). Soweit sein Anwendungsbereich reicht, geht Art. 91e GG den Regelungen des Grundgesetzes über die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung sowie das Finanzwesen vor (d).

78

a) Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat mit Art. 91e GG für das Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine umfassende Sonderregelung geschaffen. Er hat damit auf das Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Dezember 2007 (BVerfGE 119, 331 ff.) reagiert, das die Unvereinbarkeit von § 44b SGB II a.F. mit Art. 28 Abs. 2 Sätze 1 und 2 in Verbindung mit Art. 83 GG festgestellt hatte. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu, dass sich die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende in den Arbeitsgemeinschaften grundsätzlich bewährt habe und dass die Zusammenarbeit von Arbeitsagenturen und Kommunen gewährleiste, dass die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen aus einer Hand betreut würden und Leistungen aus einer Hand erhielten. Diese Organisationsform solle daher als Regelfall fortgesetzt werden (BTDrucks 17/1554, S. 4). Der verfassungsändernde Gesetzgeber wollte mit Art. 91e GG somit den für verfassungswidrig erklärten, im politischen Raum aber für praktikabel befundenen Zustand aufrechterhalten und absichern. Zweck von Art. 91e GG ist es daher, die verfassungsrechtliche Grundlage für die Fortsetzung der Aufgabenwahrnehmung der aus den Agenturen für Arbeit und den kommunalen Trägern bestehenden Arbeitsgemeinschaften in gemeinsamen Einrichtungen zu schaffen und so sicherzustellen, dass die Zusammenarbeit in gemeinsamen Einrichtungen über das Jahr 2010 hinaus weitergeführt werden kann (BTDrucks 17/1554, S. 4).

79

b) Dass der verfassungsändernde Gesetzgeber für die Grundsicherung für Arbeitsuchende eine eigenständige Form der Verwaltungsorganisation schaffen wollte (vgl. Volkmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 91e Rn. 4), in der die Beteiligten, losgelöst von den übrigen Strukturen des Staatsaufbaus, zu einer Zusammenarbeit eigener Art finden, wird auch durch systematische Gesichtspunkte bestätigt. So war von Seiten der Bundesregierung zunächst vorgeschlagen worden, den nunmehrigen Art. 91e GG als Art. 86a oder Art. 87 Abs. 2a und Art. 125d GG in den VIII. und XI. Abschnitt des Grundgesetzes aufzunehmen (vgl. BTDrucks 17/182, S. 3; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 91e Rn. 18 ff.; ders., Der Landkreis 2009, S. 55 ff., 111 ff.) und die beabsichtigte Regelung insoweit in die überkommenen Verwaltungsstrukturen des Grundgesetzes einzupassen. Dem ist der verfassungsändernde Gesetzgeber jedoch nicht gefolgt, sondern hat Art. 91e GG in den Abschnitt VIIIa. des Grundgesetzes "Gemeinschaftsaufgaben, Verwaltungszusammenarbeit" eingefügt.

80

c) Bei Art. 91e GG handelt es sich um eine eng begrenzte Durchbrechung der grundsätzlich auf Trennung von Bund und Ländern angelegten Verteilung der Verwaltungszuständigkeiten nach den Art. 83 ff. GG (vgl. Siekmann, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 91e Rn. 11). Sie beschränkt sich auf die Regelung der Verwaltungs- und Finanzierungszuständigkeiten im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Die in Art. 20 Abs. 1 bis Abs. 3 GG enthaltenen und durch Art. 79 Abs. 3 GG abgesicherten Systementscheidungen der Demokratie sowie des Rechts- und Bundesstaates stellt sie nicht in Frage. Die im Schrifttum teilweise geäußerte Auffassung, Art. 91e GG sei "verfassungswidriges Verfassungsrecht" (vgl. hierzu Hermes, in: Dreier, GG, Supplementum 2010, Art. 91e Rn. 20 f.; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 91e Rn. 13 ; Siekmann, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 91e Rn. 11; Engels, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 91e Rn. 13 <32. Erg.-Lfg. VI/11>), vermag daher nicht zu überzeugen.

81

aa) Zwar durchbricht Art. 91e Abs. 1 GG das grundsätzliche Verbot der Mischverwaltung, das das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 20. Dezember 2007 nicht nur auf Art. 28 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 83 ff. GG gestützt, sondern auch mit Argumenten untermauert hat, die im Demokratieprinzip wurzeln (BVerfGE 119, 331 <365 f.>). Demokratie und Volkssouveränität erschöpfen sich im repräsentativ-parlamentarischen System des Grundgesetzes nicht in Zurechnungsfiktionen und stellen auch nicht nur formale Mindestanforderungen an den Legitimationszusammenhang zwischen dem Volk und den handelnden Staatsorganen. Sie sind vielmehr Rechtsprinzipien, die ihren praktischen Niederschlag in der Verfassungswirklichkeit finden müssen (vgl. BVerfGE 5, 85 <204 f.>; 107, 59 <91 f.>; 130, 76 <123 f.>; 131, 316 <334>). Die Wahlen zum Bundestag und zu den Volksvertretungen der Länder dienen so gesehen nicht nur der Kreation dieser Verfassungsorgane, sondern weisen auch eine real- wie personalplebiszitäre Dimension auf, welche die mit der Wahl verbundene politische Richtungsentscheidung auch konkret erfahrbar macht. Eine Verflechtung von Zuständigkeiten stellt sich vor diesem Hintergrund als Problem dar, weil sie dazu führen kann, dass der Auftrag des Wählers auf Bundes- oder Landesebene durch die Mitwirkung anderer Ebenen relativiert und konterkariert wird. Das gilt auch im Hinblick auf die Verwaltungskompetenzen. Demokratische Verantwortlichkeit setzt auch hier grundsätzlich eine hinreichend klare Zuordnung voraus. Der wahlberechtigte Bürger muss wissen können, wen er wofür - nicht zuletzt durch Vergabe oder Entzug seiner Stimme - verantwortlich machen kann. Daran fehlt es, wenn die Aufgaben durch Organe oder Amtswalter unter Bedingungen wahrgenommen werden, die eine solche Verantwortungszuordnung nicht ermöglichen (vgl. BVerfGE 119, 331 <366>). Das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG gebietet deshalb nicht nur eine weitgehende Normierung von Zuständigkeitszuweisungen, Verfahren und Aufsichtsrechtsverhältnissen, sondern enthält auch ein grundsätzliches Verbot der Mischverwaltung (vgl. BVerfGE 119, 331 <364 ff.>; 127, 165 <191 f.>).

82

bb) Die Anforderungen des Demokratieprinzips berühren sich insoweit mit dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit (Art. 20 Abs. 3 GG), der mit Blick auf die Verwaltungsräume von Bund und Ländern und im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes eine klare und auf Vollständigkeit angelegte Zuordnung von Kompetenzen der handelnden Staatsorgane gebietet. Auch das Rechtsstaatsprinzip verlangt mit Blick auf die für die Ausrichtung und das Verständnis der Verfassungsordnung maßgebliche Sicht des Bürgers zuallererst Klarheit der Kompetenzordnung.

83

cc) Das Gebot der Bundesstaatlichkeit (Art. 20 Abs. 1 GG) schließlich gebietet in seinem verfassungsänderungsfesten Kern lediglich, dass den Ländern im Bereich aller drei Staatsfunktionen - Legislative, Exekutive und Judikative - Aufgaben von substantiellem Gewicht als "Hausgut" unentziehbar verbleiben (vgl. BVerfGE 34, 9 <19 f.>). Bestimmte Aufgaben werden damit nicht zugewiesen.

84

dd) Ein Verstoß von Art. 91e GG gegen Art. 79 Abs. 3 GG scheidet vor diesem Hintergrund aus. Ein absolutes Verbot der Mischverwaltung lässt sich weder aus dem Demokratie- noch aus dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes ableiten (vgl. BVerfGE 63, 1 <38 ff.>; 108, 169 <182>; 119, 331 <364 ff.>; 127, 165 <191>; siehe auch Engels, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 91e Rn. 13 <32. Erg.-Lfg. VI/11>). Die bundesstaatliche Kompetenzverteilung gilt hingegen ohnehin nur so, wie sie durch das Grundgesetz konkret ausgestaltet ist (vgl. BVerfGE 119, 331 <364>). Selbst wenn man - entgegen der sehr engen Interpretation von Art. 79 Abs. 3 GG durch das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 15. Dezember 1970 (BVerfGE 30, 1 <24 ff.>) - mit dem Sondervotum der Richter Geller, von Schlabrendorff und Rupp (vgl. BVerfGE 30, 1, 33 <39>) und Ansätzen in der jüngeren Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte (vgl. BayVerfGHE 52, 104 <122 ff.>; 53, 42 <60 ff.>; Thüringer Verfassungsgerichtshof, LVerfGE 12, 405 <424 ff.>) unverhältnismäßige Beschränkungen oder eine substantielle Erosion der in Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Grundsätze einer Verfassungsänderung entzogen sieht, wird diese Schwelle hier nicht überschritten. Art. 20 Abs. 1 bis Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG hindern den verfassungsändernden Gesetzgeber nicht, in begrenzten Ausnahmefällen die konkreten Ausprägungen der dort verankerten Grundsätze aus sachgerechten Gründen zu modifizieren (vgl. BVerfGE 109, 279 <310>; 132, 195 <244> Rn. 118). Das hat er mit Art. 91e GG getan.

85

d) In seinem Anwendungsbereich verdrängt Art. 91e GG sowohl die Art. 83 ff. GG (aa) als auch Art. 104a GG (bb).

86

aa) Im Verhältnis zu Art. 83 ff. GG wirkt Art. 91e GG als abschließende Sonderregelung.

87

Dass Art. 91e GG eine Ausnahme vom Verbot der Mischverwaltung für die Ausführung von Bundesgesetzen auf dem Gebiet der Grundsicherung für Arbeitsuchende enthält und auch das Verbot einer bundesgesetzlichen Aufgabenübertragung auf die Gemeinden und Gemeindeverbände (Art. 84 Abs. 1 Satz 7, Art. 85 Abs. 1 Satz 2 GG) insoweit nicht gilt (BTDrucks 17/1554, S. 5), ist offensichtlich (vgl. Volkmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 91e Rn. 4; Hermes, in: Dreier, GG, Supplementum 2010, Art. 91e Rn. 48; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 91e Rn. 31 ; Engels, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 91e Rn. 31 <32. Erg.-Lfg. VI/11>; Siekmann, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 91e Rn. 22; Mager, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 91e Rn. 12). Der Umfang dieser Spezialregelung reicht jedoch weiter. Im Verfahren der Verfassungsänderung hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass im Bereich des Art. 91e GG auch die sonstigen Vorgaben der Art. 83 ff. GG, insbesondere Art. 84 Abs. 2 bis Abs. 5 GG, nicht gelten sollen: Die Aufsicht über die Aufgabenwahrnehmung durch die Optionskommunen nach Art. 91e Abs. 2 GG solle sich zwar an der Zuständigkeitsverteilung orientieren, die für die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder als eigene Angelegenheit gelte. Sie solle jedoch "durch ein einheitliches und transparentes Steuerungssystem durch Zielvereinbarungen zwischen Bund und Ländern sowie entsprechende Zielvereinbarungen zwischen den jeweiligen Ländern und Optionskommunen ergänzt" werden (BTDrucks 17/1554, S. 5). Im Rahmen der Ausführungsgesetzgebung wurde in § 48 Abs. 2 Satz 3 SGB II zudem vorgesehen, dass die Bundesregierung die Ausübung der Rechtsaufsicht auf das Bundesministerium für Arbeit und Soziales übertragen kann, was auf der Grundlage von Art. 84 GG nicht möglich wäre. Wäre Art. 84 GG neben Art. 91e GG anwendbar, wären sowohl die in der Gesetzesbegründung skizzierten Aufsichtsstrukturen als auch § 48 Abs. 2 Satz 3 SGB II erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt (vgl. Hermes, in: Dreier, GG, Supplementum 2010, Art. 91e Rn. 48 f.; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 91e Rn. 31 f. ; Siekmann, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 91e Rn. 23). Der verfassungsändernde Gesetzgeber wollte offenkundig keine Regelung schaffen, die sich möglichst schonend in die allgemeinen Strukturen einfügt und als Ausnahme grundsätzlich restriktiv interpretiert werden müsste (vgl. Mehde, in: Beck'scher OK-GG, Art. 91e Rn. 13 <1. Juni 2014>; a.A. Hermes, in: Dreier, GG, Supplementum 2010, Art. 91e Rn. 35). Er wollte vielmehr eine umfassende Absicherung der Verwaltungspraxis ermöglichen.

88

bb) Das zeigt auch die Regelung über die Kostentragung in Art. 91e Abs. 2 Satz 2 GG. Diese Bestimmung - wonach der Bund bei einer Aufgabenwahrnehmung durch Optionskommunen die Kosten trägt, soweit er dies auch im Regelfall des Art. 91e Abs. 1 GG täte - bedeutet in der Sache eine direkte Finanzierung kommunalen Verwaltungshandelns durch den Bund. Dies ermöglicht es zwar, die Verteilung der Finanzierungslasten zwischen Bund und Ländern im Übrigen unangetastet zu lassen, stellt in der Sache jedoch eine Abweichung von den Grundsätzen des Art. 104a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 5 GG dar (vgl. Mager, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 91e Rn. 10). Auch insoweit geht Art. 91e GG den allgemeinen Regelungen der Finanzverfassung vor.

89

2. Indem Art. 91e Abs. 2 GG unmittelbare Verwaltungs- und Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Optionskommunen herstellt, durchbricht er, wenn auch nur punktuell, die Zweistufigkeit des Staatsaufbaus der Bunderepublik Deutschland. Zwar sind die Gemeinden grundsätzlich den Ländern zugeordnet (a); eine klarere Trennung und Entflechtung der Aufgaben der unterschiedlichen staatlichen Ebenen war zudem ein zentrales Anliegen der Föderalismusreform des Jahres 2006 (b). Art. 91e GG enthält jedoch eine teilweise Abkehr von diesen Grundsätzen und Zielsetzungen (c).

90

a) Im zweistufigen Bundesstaat des Grundgesetzes sind die Kommunen - unbeschadet ihrer finanzverfassungsrechtlichen Absicherung durch Art. 28 Abs. 2 Satz 3, Art. 106 Abs. 5 bis Abs. 8 GG - grundsätzlich Teil der Länder (vgl. BVerfGE 39, 96 <109>; 119, 331 <364>). Ihre Aufgaben und ihr Finanzgebaren werden den Ländern zugerechnet (vgl. BVerfGE 86, 148 <215>).

91

aa) Nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes ist es daher grundsätzlich Sache der Länder, die staatlichen Aufgaben zu erfüllen und staatliche Befugnisse auszuüben (Art. 30 GG). Dazu gehört, dass die Länder die Bundesgesetze grundsätzlich in eigener Verantwortung und durch eigene Behörden ausführen (Art. 83 GG). Die Verwaltung des Bundes und die Verwaltung der Länder sind in Aufbau und Organisation voneinander getrennt (vgl. BVerfGE 108, 169 <182>; 119, 331 <364>). Die Verwaltungszuständigkeiten des Bundes und seine Ingerenzrechte in die Verwaltung der Länder sind in den Art. 83 ff. GG abschließend geregelt und können - soweit nichts anderes vorgesehen ist - grundsätzlich weder abbedungen (vgl. BVerfGE 32, 145 <156>; 41, 291 <311>; 63, 1 <39>; 119, 331 <364>) noch erweitert werden. Insoweit findet auch der Spielraum des Bundes zur organisatorischen Ausgestaltung der Verwaltung in den Kompetenz- und Organisationsnormen der Art. 83 ff. GG seine Grenzen (vgl. BVerfGE 63, 1 <39>; 119, 331 <365>). Mitplanungs-, Mitverwaltungs- und Mitentscheidungsbefugnisse des Bundes gleich welcher Art im Aufgabenbereich der Länder sind durch das Grundgesetz daher ausgeschlossen, soweit nicht die Verfassung dem Bund entsprechende Sach- und Verwaltungskompetenzen übertragen hat (vgl. BVerfGE 32, 145 <156>; 108, 169 <182>; 119, 331 <365>).

92

bb) Diese strikte Trennung von Bundes- und Länderhoheit setzt sich auch im Bereich der Finanzverfassung fort (vgl. Art. 104a Abs. 1, Art. 109 Abs. 1 GG) und wird mit Blick auf die Kommunen in Art. 106 Abs. 9 GG noch einmal ausdrücklich bestätigt.

93

b) Mit der Föderalismusreform des Jahres 2006 wollte der verfassungsändernde Gesetzgeber eine noch klarere Trennung von Aufgaben und Befugnissen der unterschiedlichen staatlichen Ebenen erreichen und zu einer Entflechtung der Verantwortung gelangen (vgl. BVerfGE 127, 165 <197>; Bauer, in: Dreier, GG, Supplementum 2007, Art. 20 Rn. 11c; Trute, in: Starck, Föderalismusreform, 2007, Rn. 147 und 149; Burgi, in: Henneke, Kommunen in den Föderalismusreformen I und II, 2008, S. 44 <45 ff.>). Dementsprechend heißt es in der Begründung des einschlägigen Gesetzentwurfs, dass sich die bundesstaatliche Ordnung zwar grundsätzlich bewährt habe, jedoch von langwierigen und komplizierten Entscheidungsprozessen geprägt sei und dass sie an einer übermäßigen institutionellen Verflechtung von Bund und Ländern leide (BTDrucks 16/813, S. 7). Dem sollte durch eine Reihe von Verfassungsänderungen abgeholfen werden, unter anderem durch das in Art. 84 Abs. 1 Satz 7 und Art. 85 Abs. 1 Satz 2 GG normierte sogenannte Durchgriffsverbot (vgl. Trute, a.a.O., Rn. 174).

94

c) Art.91e GG bedeutet in der Sache eine punktuelle Abkehr von der Zielsetzung einer möglichst klaren Trennung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zwischen Bund, Ländern und Kommunen (aa). Er begründet eine unmittelbare Finanzbeziehung zwischen dem Bund und den Optionskommunen und ermöglicht eine Finanzkontrolle, die sich von der Aufsicht wie auch von der Finanzkontrolle durch den Bundesrechnungshof unterscheidet (bb).

95

aa) Aufsichtsbefugnisse über Behörden und Einrichtungen der Länder kommen dem Bund nur insoweit zu, als sie vom Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen werden. So räumt etwa Art. 84 GG dem Bund Einflussmöglichkeiten auf die Anwendung des von ihm gesetzten Rechts ein. Er soll die Möglichkeit haben, auf eine einheitliche Geltung der Rechtsvorschriften hinzuwirken (vgl. BVerfGE 11, 6 <18>; 127, 165 <203>) und für einen wirksamen Gesetzesvollzug zu sorgen (vgl. BVerfGE 22, 180 <210>; 127, 165 <203>). Dabei kommen ihm insbesondere die Rechte nach Art. 84 Abs. 3 und Abs. 4 GG zu (vgl. BVerfGE 39, 96 <109>; 127, 165 <203>). Zur Aufsichtskompetenz gehört auch die Möglichkeit der Aktenanforderung. Diese ist allerdings auf Fälle beschränkt, in denen es Anhaltspunkte für einen Rechtsverstoß gibt (vgl. BVerfGE 127, 165 <221>). Daneben besteht die Befugnis zur Akteneinsicht vor Ort durch den gemäß Art. 84 Abs. 3 Satz 2 GG entsandten Beauftragten. Ein unmittelbarer Durchgriff auf Behörden der Länder ist damit nicht verbunden; auch im Bereich der Bundesauftragsverwaltung sind Weisungen grundsätzlich an die oberste Landesbehörde zu richten (Art. 85 Abs. 3 Satz 2 GG). Diese ist zudem in den Vollzug der Weisung einzubinden (Art. 85 Abs. 3 Satz 3 GG). Ein unmittelbarer Durchgriff auf die Gemeinden war dem Bund - vom Sonderfall des Art. 106 Abs. 8 GG abgesehen - bislang grundsätzlich versagt. Namentlich war er weder berechtigt noch verpflichtet, deren finanzielle Verhältnisse ohne Einschaltung der Länder zu ordnen (vgl. BVerfGE 26, 172 <181 f.>).

96

bb) Art. 91e GG hat diese Rechtslage für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende teilweise modifiziert. Art. 91e Abs. 2 GG begründet eine direkte Finanzbeziehung zwischen dem Bund und der kommunalen Ebene (BTDrucks 17/1554, S. 5) und ermöglicht eine besondere Finanzkontrolle des Bundes, die sich von der Aufsicht (1) wie auch von der Finanzkontrolle durch den Bundesrechnungshof (2) unterscheidet.

97

Zusammen mit der Finanzierungsbefugnis hat der verfassungsändernde Gesetzgeber dem Bund auch die Möglichkeit einer Finanzkontrolle eröffnet. Ohne eine solche Finanzkontrolle bestünde die Gefahr, dass Vollzugs- und Finanzierungsverantwortung im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende auseinanderfallen und keine Anreize für ein wirtschaftliches und sparsames Verwaltungshandeln der Optionskommunen bestehen. Angesichts dieser verfassungsrechtlich ungewöhnlichen Konstellation hat der verfassungsändernde Gesetzgeber die Finanzbeziehungen in diesem eng abgegrenzten Bereich neu geordnet und dem Bund nicht nur die Finanzierungslast zugewiesen, sondern ihm auch die Befugnis wirksamer Finanzkontrolle eingeräumt. So wird in der Begründung zu dem Gesetzentwurf zum einen zwischen einer Finanzkontrolle und der Aufsicht unterschieden und zum anderen in Bezug auf Art. 91e Abs. 2 GG bestimmt, dass "das Bundesgesetz unter anderem Regelungen (…) zu Aufsicht, (…) Finanzkontrolle, Rechnungsprüfung und Leistungsbewertung sowie Übergangsbestimmungen bei Veränderung der Organisation der Gesetzesdurchführung treffen" werde (vgl. BTDrucks 17/1554, S. 5; siehe hierzu bereits BVerfGE 127, 165 <203 f.>).

98

(1) Die (Rechts- und Fach-)Aufsicht über die Optionskommunen ist hingegen nicht Regelungsgegenstand von Art. 91e GG. Weder enthält der Wortlaut entsprechende Anhaltspunkte noch lassen sich der Entstehungsgeschichte, nach welcher der verfassungsändernde Gesetzgeber im Wesentlichen die ursprüngliche Rechtslage absichern wollte, solche Anhaltspunkte entnehmen (vgl. BTDrucks 17/1554, S. 5). Die Aufsicht über Gemeinden und Gemeindeverbände bleibt insoweit Sache der Länder.

99

Die durch Art. 91e Abs. 2 Satz 2 GG ermöglichte Finanzkontrolle des Bundes hebt sich hinreichend von einer Aufsicht ab (vgl. hierzu BVerfGE 127, 165 <203 f.>). Während es bei der Wahrnehmung von Aufsichtsbefugnissen um ein auf Kontrolle zielendes Beobachten, in der Regel in einem hierarchischen Verhältnis, geht, das die Befugnis zum Einwirken auf die zu beaufsichtigende Stelle umfasst, so dass der Aufsichtsmaßstab gegebenenfalls zwangsweise durchgesetzt werden kann (vgl. Kahl, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. III, 2. Aufl. 2013, § 47 Rn. 12 m.w.N.), beschränkt sich die Finanzkontrolle des Art. 91e Abs. 2 Satz 2 GG auf die Überprüfung der Rechnungslegung, die Wirtschaftlichkeit der Ausgaben und die Durchsetzung eventueller Erstattungsansprüche. Sie dient nicht der Rückkopplung des Gesetzesvollzugs an die Absichten des Gesetzgebers und insbesondere nicht der Gewährleistung eines grundsätzlich einheitlichen Gesetzesvollzugs, sondern richtet sich ausschließlich auf die Kontrolle der finanziellen Auswirkungen der gesetzgeberischen Entscheidung, von der Möglichkeit des Art. 91e Abs. 2 GG Gebrauch zu machen (vgl. BVerfGE 127, 165 <203 f.>).

100

(2) Die Finanzkontrolle des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales unterscheidet sich aber auch von jener des Bundesrechnungshofs. Der Bundesrechnungshof ist ein zur unabhängigen Finanzkontrolle berufenes Organ, dessen Prüftätigkeit das allgemeine Verfassungsgebot der Kontrolle über die staatliche Finanzgewalt umsetzt und damit letztlich im Demokratieprinzip gründet (vgl. Hufeld, in: Isensee/Kirchhof, HStR III, 3. Aufl. 2005, § 56 Rn. 10; Degenhart, VVDStRL 55 <1995>, S. 190 <204>; Schulze-Fielitz, VVDStRL 55 <1995>, S. 231 <234>; Schwarz, DVBl 2011, S. 135 <136>). Dies legitimiert ihn, alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes zu prüfen und ihre Wirtschaftlichkeit zu bewerten. Ziel der Prüfung ist es allein, Missstände aufzuzeigen und ihre Beseitigung durch Mitteilung an die zuständigen Organe und gegebenenfalls durch Veröffentlichung zu bewirken. Die Prüfungsbefugnis des Bundesrechnungshofes beschränkt sich jedoch auf eine reine Kontrolle; Mitentscheidungs- oder Sanktionsbefugnisse kommen ihm nicht zu. Seine Finanzkontrolle kann daher auch allenfalls mittelbar dazu beitragen, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu sichern, ihre Leistungsfähigkeit zu verbessern und Fehlentwicklungen zu vermeiden (vgl. Bergel, Rechnungshöfe als vierte Staatsgewalt, 2010, S. 30). Die Finanzkontrolle nach Art. 91e Abs. 2 Satz 2 GG ist in ihrem Anwendungsbereich und ihrer Zielsetzung enger als jene des Bundesrechnungshofes, reicht hinsichtlich ihrer Befugnisse jedoch weiter. Sie bezieht sich ausschließlich auf die fiskalischen Interessen des Bundes, gestattet es ihm aber auch, öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche geltend zu machen und im Wege der Verrechnung durchzusetzen.

101

3. Art. 91e Abs. 2 GG räumt den Gemeinden und Gemeindeverbänden eine Chance ein, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende als kommunale Träger alleinverantwortlich wahrzunehmen (a). Die gesetzliche Ausgestaltung dieser Chance muss willkürfrei erfolgen (b). Ihre Wahrnehmung fällt in den Schutzbereich der Garantie kommunaler Selbstverwaltung (c).

102

a) Art. 91e Abs. 2 GG räumt den Gemeinden und Gemeindeverbänden keinen Anspruch, wohl aber eine Chance darauf ein, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende als sogenannte Optionskommune alleinverantwortlich wahrzunehmen. Dies folgt sowohl aus dem Wortlaut von Art. 91e Abs. 2 GG (aa) als auch aus dem in Art. 91e Abs. 1 und Abs. 2 GG angelegten Regel-Ausnahme-Verhältnis (bb) und gilt unbeschadet des Umstandes, dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet ist, das "Optionsmodell" umzusetzen (cc).

103

aa) Nach Art. 91e Abs. 2 Satz 1 GG kann der Bund zulassen, dass eine begrenzte Anzahl von Gemeinden und Gemeindeverbänden die Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende allein wahrnimmt. Die Formulierung "eine begrenzte Anzahl" macht dabei deutlich, dass nicht alle Gemeinden und Gemeindeverbände die Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende allein wahrnehmen sollen, selbst wenn sie die in der Ausführungsgesetzgebung nach Art. 91e Abs. 3 GG niedergelegten Zulassungsvoraussetzungen erfüllen. Damit steht zugleich fest, dass es auch keinen verfassungsunmittelbaren Zulassungsanspruch zur alleinigen Aufgabenerfüllung gibt. Verfassungsrechtliche Ansprüche einer einzelnen Kommune aus Art. 91e Abs. 2 GG kommen nur insoweit in Betracht, als der Gesetzgeber von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, eine begrenzte Anzahl von Optionskommunen zuzulassen. Sie beschränken sich - der Rechtsstellung von Bewerbern um kontingentierte Zulassungen in anderen Bereichen des öffentlichen Rechts (vgl. BVerfGE 33, 303 <336>; 45, 393 <399>; 85, 36 <54>; 97, 298 <313>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. April 2001 - 1 BvR 1282/99 -, DVBl 2002, S. 400 <401>; vgl. auch BVerwGE 42, 296 <300>; 64, 238 <245>; 139, 210 <212>; BVerwG, Urteil vom 27. April 1984 - 1 C 24/82 -, NVwZ 1984, S. 585) vergleichbar - von vornherein auf eine chancengleiche Teilhabe an der Verteilung der zahlenmäßig begrenzten Optionsmöglichkeiten.

104

bb) Systematische Gesichtspunkte erhärten diesen Befund. Ausweislich des Nebeneinanders von Art. 91e Abs. 1 und Abs. 2 GG besteht zwischen der Aufgabenwahrnehmung in gemeinsamen Einrichtungen nach Art. 91e Abs. 1 GG und ihrer alleinigen Erfüllung durch Optionskommunen gemäß Art. 91e Abs. 2 GG ein Regel-Ausnahme-Verhältnis (BTDrucks 17/1554, S. 4) in dem Sinne, dass die Wahrnehmung der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch Optionskommunen die Ausnahme bleiben muss (vgl. Hermes, in: Dreier, GG, Supplementum 2010, Art. 91e Rn. 39; Volkmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 91e Rn. 9; Siekmann, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 91e Rn. 15; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 91e Rn. 27 ; Engels, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 91e Rn. 23 <32. Erg.-Lfg. VI/11>; Mager, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 91e Rn. 8; Luthe, ZfF 2011, S. 1).

105

cc) Ein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf Zulassung als Optionskommune scheitert schließlich auch daran, dass Art. 91e Abs. 2 Satz 1 GG es dem Gesetzgeber freistellt, das "Optionsmodell" überhaupt einzuführen. Hat er es eingeführt, kann er es auch wieder auslaufen lassen(vgl. Volkmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 91e Rn. 10).

106

b) Bei der Ausgestaltung der Zulassungschance nach Art. 91e Abs. 2 GG ist der Gesetzgeber grundsätzlich frei. Art. 28 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GG vermitteln Gemeinden und Gemeindeverbänden keinen verfassungsrechtlich verankerten Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung der Zulassungschance, auf eine bestimmte Anzahl von Optionsmöglichkeiten oder auf deren Optimierung im Rahmen des dem Gesetzgeber eröffneten Gestaltungsspielraumes. Schafft der Gesetzgeber allerdings eine Verteilungssituation und eröffnet er Gemeinden und Gemeindeverbänden zumindest eine Chance auf das normativ verknappte Gut, so hat er dabei das allgemeine Willkürverbot in Gestalt des Gebotes interkommunaler Gleichbehandlung zu beachten (aa). Gemeinden und Gemeindeverbände können sich auf dieses Gebot berufen (bb). In Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip fordert es zumindest eine gleichmäßige Verteilung der knappen Optionsmöglichkeiten (cc).

107

aa) Zwar gelten die Grundrechte im Allgemeinen und das Grundrecht des Art. 3 Abs. 1 GG im Besonderen grundsätzlich nicht für juristische Personen des öffentlichen Rechts (vgl. BVerfGE 21, 362 <372 f.>; 26, 228 <244>; stRspr); sie gelten daher auch nicht für Gemeinden und Gemeindeverbände, die insoweit keine Grundrechtsträger im Sinne von Art. 19 Abs. 3 GG sind (vgl. BVerfGE 45, 63 <78 f.>; 61, 82 <100 ff.>). Dessen ungeachtet verpflichten das Bundesstaatsprinzip und das Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) Bund und Länder, mit Blick auf ihnen nachgeordnete Hoheitsträger das Gebot der Gleichbehandlung zu beachten.

108

Das gilt grundsätzlich auch mit Blick auf Gemeinden und Gemeindeverbände (vgl. BVerfGE 83, 363 <393>; zuvor bereits ähnlich BVerfGE 76, 107 <119>). Soweit Bund und Länder Verteilungsentscheidungen zwischen Gemeinden und Gemeindeverbänden vorsehen und durchführen, dürfen sie zwischen diesen jedenfalls nicht willkürlich differenzieren. Das interkommunale Gleichbehandlungsgebot verbietet, einzelne Gemeinden oder Gemeindeverbände aufgrund sachlich nicht vertretbarer Differenzierungen zu benachteiligen oder zu bevorzugen, und ist verletzt, wenn für eine unterschiedliche Behandlung kein sachlicher Grund besteht. Der Gesetzgeber ist daher verpflichtet, Begünstigungen und Vorteile nach einheitlichen und sachlich vertretbaren Maßstäben auf die einzelnen Kommunen zu verteilen; auch dürfen die Modalitäten des Verteilungssystems nicht zu willkürlichen Ergebnissen führen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, LVerfGE 17, 103 <118>; Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, OVGE 53, 264 <270>; Landesverfassungsgericht des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 23. Februar 2012 - LVerfG 37/10 -, NVwZ-RR 2012, S. 377 <379>; Kempny/Reimer, Die Gleichheitssätze, 2012, S. 26; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 28 Rn. 23). Gefordert ist nicht die bestmögliche und gerechteste Lösung; angesichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ist auch nicht entscheidend, ob eine Regelung notwendig oder gar unabweisbar ist. Vielmehr kommt ihm insoweit ein weiter Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu, der gewahrt ist, wenn er sich auf eine nachvollziehbare und vertretbare Einschätzung stützt (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, LVerfGE 17, 103 <118>; Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 23. Februar 2012 - LVerfG 37/10 -, NVwZ-RR 2012, S. 377 <379>).

109

bb) Das interkommunale Gleichbehandlungsgebot (vgl. SächsVerfGH, Urteil vom 25. September 2008 - Vf. 54-VIII-08 - NVwZ 2009, S. 39 <44>; BbgVerfG, Urteil vom 16. September 1999 - VfGBbg 28/98 -, NVwZ-RR 2000, S. 129 <132>) ist Teil der durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährleisteten subjektiven Rechtsstellungsgarantie der Kommunen. Gemeinden und Gemeindeverbände können sich deshalb gegenüber dem Staat auf dieses Gebot berufen und seine Verletzung vor dem Bundesverfassungsgericht rügen (vgl. auch BVerfGE 23, 353 <372 f.>; 26, 228 <244>; 76, 107 <119>; 83, 363 <393 >).

110

cc) Fordert das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung eine gleichmäßige Verteilung knapper Mittel oder Güter zwischen den konkurrierenden Kommunen, so ist aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit ein transparentes Verteilungsverfahren zu gewährleisten (vgl. StGH BW, ESVGH 49, 241 <256 ff.>; Schoch, AfK 39 <2000>, S. 225 <240>; ders., in: Ehlers/Krebs, Grundfragen des Verwaltungsrechts und des Kommunalrechts, 2000, S. 93 <127 f.>; Meyer, LKV 2000, S. 1 <4 f.>).

111

Für den Bereich des Grundrechtsschutzes ist anerkannt, dass die in Ansehung einer Entscheidung betroffenen Grundrechte nach einer adäquaten Verfahrensgestaltung verlangen. Unter diesen Voraussetzungen kann ein materieller Zulassungsanspruch in Knappheitssituationen zu einem Anspruch auf chancengerechte Teilhabe am Verfahren reduziert werden, wobei die sachgerechte, rechtswahrende und faire Ausgestaltung des Verteilungsverfahrens der Minderung der Eingriffsintensität dient (vgl. BVerfGE 33, 303 <336>; 45, 393 <399>; 54, 173 <192 ff.>; 73, 280 <296>; 85, 36 <54>; BVerfGK 1, 292 <295>). Prozedurale Vorkehrungen sind auch dort erforderlich, wo eine nachgelagerte gerichtliche Kontrolle etwaige Grundrechtsverletzungen nicht mehr korrigieren kann (vgl. BVerfGE 53, 30 <65>; 63, 131 <143>; 65, 1 <44>; 84, 34 <46>; 90, 60 <95>; stRspr).

112

Dieser Grundgedanke gilt auch für die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (vgl. Gebhardt, Das kommunale Selbstverwaltungsrecht, 2007, S. 55 ff.). So hat das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit dem niedersächsischen Rück-Neugliederungsgesetz ausgesprochen, dass die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung zu ihrem Schutz bestimmter prozeduraler Vorkehrungen, namentlich von Anhörungsrechten und Begründungspflichten bedarf (vgl. BVerfGE 86, 90 <107 f.; 110>). In der Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte ist dieser Ansatz mit Blick auf Gebietsreformen und die Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs weiter ausgebaut worden (vgl. VerfGH NW, OVGE 30, 306 <307>; Nds.StGH, OVGE 33, 497 <499 f.>; ThürVerfGH, Urteil vom 28. Mai 1999 - VerfGH 39/97 -, LKV 2000, S. 31; SächsVerfGH, Urteil vom 25. September 2008 - Vf. 54-VIII-08 -, NVwZ 2009, S. 39 <40>; Gebhardt, a.a.O., S. 55 ff. m.w.N.).

113

c) Die Chance auf Zulassung als Optionskommune nach Art. 91e Abs. 2 GG wird durch Art. 28 Abs. 2 GG geschützt (aa). Er gewährleistet grundsätzlich auch das Recht von Gemeinden und Gemeindeverbänden, die ihnen zugewiesenen Aufgaben eigenverantwortlich zu erledigen (bb). Dieses Recht besteht indes nur "im Rahmen der Gesetze" (cc).

114

aa) Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG statuiert ein verfassungsrechtliches Aufgabenverteilungsprinzip hinsichtlich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zugunsten der Gemeinden (vgl. dazu BVerfGE 79, 127 <150 f.>; 83, 363 <383>; 91, 228 <236>; 110, 370 <400>). Jenseits dessen enthalten weder Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG noch Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG eine inhaltlich umrissene Aufgabengarantie zugunsten von Gemeinden und Gemeindeverbänden. Insbesondere Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG knüpft lediglich an die vom Gesetzgeber zugewiesenen Aufgaben an, erschöpft sich hierin aber auch. Die kommunale Selbstverwaltung der Gemeindeverbände besteht insoweit nur nach Maßgabe der Gesetze. Allerdings muss der Gesetzgeber den Kreisen hinreichende Aufgaben des eigenen Wirkungskreises zuweisen und darf sich nicht ausschließlich auf die Zuweisung materiell staatlicher Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises beschränken (vgl. BVerfGE 83, 363 <383>; 119, 331 <353 f.>). Auch auf der Ebene der Kreise muss der Bestand an Selbstverwaltungsaufgaben für sich genommen und im Vergleich zu den zugewiesenen materiell staatlichen Aufgaben ein Gewicht haben, das der institutionellen Garantie der Kreise als Selbstverwaltungskörperschaften gerecht wird. Würden ihnen nur randständige, in Bedeutung und Umfang nebensächliche Aufgaben des eigenen Wirkungskreises zugewiesen, so wäre Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt (vgl. BVerfGE 119, 331 <353 f.>).

115

Hat der Gesetzgeber Kreisen und Gemeinden Aufgaben zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung zugewiesen, fällt deren Erledigung grundsätzlich in den Gewährleistungsbereich von Art. 28 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GG (vgl. BVerfGE 119, 331 <354> unter Bezugnahme auf NWVerfGH, Urteil vom 22. September 1992 - VerfGH 3/91 -, NVwZ-RR 1993, S. 486 <487>; Urteil vom 12. Dezember 1995 - VerfGH 5/94 -, NVwZ 1996, S. 1100; Urteil vom 9. Dezember 1996 - VerfGH 11, 12, 15, 34 u. 37/95 -, NVwZ 1997, S. 793 f.; RhPfVerfGH, Urteil vom 16. März 2001 - VGH 88/00 -, NVwZ 2001, S. 912 <914>; SachsAnhVerfG, Urteil vom 8. Dezember 1998 - LVG 10-97 -, NVwZ-RR 1999, S. 393 <396>; siehe auch Mehde, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 28 Rn. 100 ; Tettinger/Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Rn. 231). Soweit der Gesetzgeber den Zugang zu einer kommunalen Aufgabe kontingentiert und den Kommunen lediglich eine entsprechende Chance eröffnet hat, ist der Gewährleistungsbereich von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 GG ebenfalls berührt. Das gilt auch für die durch Art. 91e Abs. 2 GG eröffnete Chance auf alleinige Aufgabenwahrnehmung der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

116

bb) Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistet Gemeinden und Gemeindeverbänden ferner das Recht, die ihnen zugewiesenen Aufgaben eigenverantwortlich zu erledigen (vgl. BVerfGE 21, 117 <129>; 23, 353 <365>; 83, 363 <383>; 119, 331 <361>).

117

Eine Regelung gemeindlicher Angelegenheiten in eigener Verantwortung, wie sie Art. 28 Abs. 2 GG garantiert, ist ohne eine gewisse Selbstständigkeit bei der Organisation der Aufgabenwahrnehmung nicht vorstellbar (vgl. BVerfGE 91, 228 <237 f.>). Eine umfassende staatliche Steuerung der kommunalen Organisation widerspräche der vom Verfassungsgeber vorgefundenen und in Art. 28 Abs. 2 GG niedergelegten Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (vgl. BVerfGE 91, 228 <239>). Zu der von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG den Gemeinden garantierten Eigenverantwortlichkeit gehört daher auch die Organisationshoheit (vgl. BVerfGE 38, 258 <278 ff.>; 52, 95 <117>; 78, 331 <341>; 83, 363 <382>; 91, 228 <236>). Sie gewährleistet den Gemeinden - Vergleichbares gilt nach Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG für die Gemeindeverbände (vgl. BVerfGE 21, 117 <129>; 23, 353 <365>; 83, 363 <383>; 119, 331 <361>; siehe auch Th. J. Schmidt, Kommunale Kooperation, 2005, S. 58) - das grundsätzliche Recht, die Wahrnehmung der eigenen Aufgaben, Abläufe und Entscheidungszuständigkeiten im Einzelnen festzulegen und damit auch über Gewichtung, Qualität und Inhalt der Entscheidungen zu befinden. Die Organisationshoheit von Gemeinden und Gemeindeverbänden verbietet Regelungen, die eine eigenständige organisatorische Gestaltungsfähigkeit der Kommunen ersticken würden. Zu ihr rechnet ferner die Möglichkeit, für die Wahrnehmung einzelner Verwaltungsaufgaben aus mehreren vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellten Organisationsformen auswählen zu können (vgl. Schmidt-Jortzig, in: von Mutius, Festgabe für von Unruh, 1983, S. 525 <527>).

118

cc) Die Organisationshoheit der Gemeinden und Gemeindeverbände erfasst sowohl den eigenen als auch den übertragenen Wirkungskreis (vgl. BVerfGE 83, 363 <382>; ebenso Schmidt-Jortzig, in: von Mutius, Festgabe für von Unruh, 1983, S. 525 <531> m.w.N.; Löwer, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 28 Rn. 81 m.w.N.). Sie besteht indes gemäß Art. 28 Abs. 2 GG nur im Rahmen der Gesetze. Dementsprechend sind die Organisationsbefugnisse der Gemeinden oder Gemeindeverbände an Vorgaben des Gesetzgebers nicht nur gebunden (vgl. BVerfGE 83, 363 <382>; 91, 228 <238>); ihre Organisationshoheit gilt grundsätzlich nur nach Maßgabe der gesetzlichen Ausgestaltung.

119

Bei dieser Ausgestaltung setzt die Selbstverwaltungsgarantie dem Gesetzgeber allerdings insoweit Grenzen, als ihr Kernbereich nicht ausgehöhlt werden darf (vgl. BVerfGE 1, 167 <174 f.>; 79, 127 <146>; stRspr). Der Gesetzgeber muss zudem der geschichtlichen Entwicklung und den verschiedenen Erscheinungsformen der Selbstverwaltung Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 59, 216 <226>; 76, 107 <118>; 79, 127 <146>; stRspr) und ihnen bei der Ausgestaltung ihrer internen Organisation eine hinreichende (Mit-)Verantwortung für die organisatorische Bewältigung ihrer Aufgaben lassen. Seine Vorgaben dürfen die Gemeinden aus dieser Verantwortung nicht verdrängen. Daraus folgt nicht nur, dass den Gemeinden insgesamt nennenswerte organisatorische Befugnisse verbleiben müssen, sondern auch, dass ihnen ein hinreichender organisatorischer Spielraum bei der Wahrnehmung der jeweiligen Aufgabenbereiche offengehalten wird. Unterschiede zwischen Selbstverwaltungsaufgaben und Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises mögen dabei eine Rolle spielen; in keinem Fall darf jedoch ausgeschlossen werden, dass die Gemeinden im Bereich ihrer inneren Organisation individuell auf die besonderen Anforderungen vor Ort durch eigene organisatorische Maßnahmen reagieren können (vgl. BVerfGE 79, 127 <147>; 91, 228 <239 f.>). Die Organisation einer Kommune erschließt sich so erst aus dem Ineinandergreifen von staatlichen Vorgaben und eigenverantwortlichen kommunalen Organisationsentscheidungen.

120

4. Art. 91e Abs. 3 GG enthält einen umfassenden und weit zu verstehenden Gesetzgebungsauftrag zugunsten des Bundes. Der Bund verfügt insoweit über die Gesetzgebungskompetenz, die mit der Zulassung als kommunaler Träger zusammenhängenden Rechtsverhältnisse zu regeln (a). Für die Abgrenzung dieser Gesetzgebungskompetenz gelten die allgemeinen Grundsätze (b).

121

a) Nach Art. 91e Abs. 3 GG regelt "das Nähere" ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Die Vorschrift weist dem Bund eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zu und enthält zugleich einen Gesetzgebungsauftrag (vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 91e Rn. 39 ; Mager, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 91e Rn. 11). Dieser ist bewusst weit gefasst und soll dem Bundesgesetzgeber bei der organisatorischen Ausgestaltung der Grundsicherung für Arbeitsuchende einen großen Spielraum eröffnen (vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 91e Rn. 39 ).

122

Der Stellung von Art. 91e GG im Gemeinschaftsaufgaben und Verwaltungszusammenarbeit gewidmeten VIIIa. Abschnitt des Grundgesetzes lässt sich entnehmen, dass Art. 91e Abs. 3 GG den Bundesgesetzgeber ermächtigt, Art und Weise des Vollzugs der in materiell-rechtlicher Hinsicht unter die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz von Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG fallenden Grundsicherung für Arbeitsuchende zu regeln. Das gilt sowohl für das Zusammenwirken von Bund und Ländern als auch für das von Bund und Gemeinden und Gemeindeverbänden. Es gilt für die nähere Ausgestaltung der gemeinsamen Einrichtungen (Art. 91e Abs. 1 GG) und für die Festlegung der Anzahl der Optionskommunen, die Kriterien für ihre Zulassung, das von ihnen durchzuführende Antragsverfahren und - im Falle der Zulassung - die Kostentragung (Art. 91e Abs. 2 GG). In der Begründung zu Art. 91e GG heißt es mit Blick auf Absatz 2, dass das Bundesgesetz "unter anderem Regelungen zur Festlegung der Anzahl der Optionskommunen, zu den Kriterien für die Zulassung von Optionskommunen, […] und zu Kostentragung, Aufsicht, […] Finanzkontrolle, Rechnungsprüfung […] treffen" werde, wobei "die Aufzählung nicht abschließend" sei. Bei der Wahrnehmung dieses Auftrags habe der Gesetzgeber zudem zu berücksichtigen, dass im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine Mischverwaltung als Regelfall und die alleinige Aufgabenwahrnehmung durch Kommunen als Ausnahmefall vorgesehen sei (vgl. BTDrucks 17/1554, S. 5).

123

b) Aus dem Hinweis der Gesetzesbegründung auf die "zwingenden Vorgaben des Grundgesetzes" folgt hingegen, dass die Regelungen des Grundgesetzes im Übrigen zu beachten sind. Namentlich will Art. 91e Abs. 3 GG nichts an der Verteilung der Sachgesetzgebungszuständigkeiten durch die Art. 70 ff. GG ändern. Für die Abgrenzung gelten die allgemeinen Regelungen. Besteht eine sachliche Verknüpfung eines Regelungsgegenstands mit den Materien verschiedener Gesetzgebungszuständigkeiten, so ist zunächst auf die wesensmäßige und historische Zugehörigkeit zu einem dieser Sachgebiete abzustellen (vgl. BVerfGE 7, 29 <40>; 36, 193 <203>). Teilregelungen eines umfassenden Regelungskomplexes dürfen dabei nicht aus ihrem Regelungszusammenhang gelöst und isoliert betrachtet werden. Kommt die Zuordnung einer solchen Regelung zu verschiedenen Kompetenzbereichen in Betracht, so ist aus dem Regelungszusammenhang zu erschließen, wo sie ihren Schwerpunkt hat. Dabei fällt insbesondere ins Gewicht, wie eng die fragliche Teilregelung mit dem Gegenstand der Gesamtregelung verbunden ist. Eine enge Verzahnung und ein geringer eigenständiger Regelungsgehalt der Teilregelung sprechen regelmäßig für eine Zuordnung zum Kompetenzbereich der Gesamtregelung (vgl. BVerfGE 97, 228 <251 f.>).

II.

124

Nach diesen Maßstäben ist die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1. gegen § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II begründet (1.). Soweit sich die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu 2. bis 15. gegen § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II (2.) und des Beschwerdeführers zu 16. gegen § 6b Abs. 4 SGB II richten (3.), sind sie unbegründet.

125

1. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1. gegen § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II ist begründet. Die Rüge, das angegriffene Gesetz verstoße gegen die Gesetzgebungskompetenz der Länder (Art. 70 GG), kann das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Kommunalverfassungsbeschwerde prüfen (a). § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II greift in die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung ein (b). Der Sache nach stellt er eine Regelung des Kommunalverfassungsrechts dar, für das ausschließlich die Länder zuständig sind (c).

126

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt die Kommunalverfassungsbeschwerde des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 91 BVerfGG, auch wenn sie ausschließlich gegen Rechtsnormen gerichtet werden kann, nicht den Regeln der abstrakten Normenkontrolle. Gemeinden und Gemeindeverbände können sich im Rahmen dieses Verfahrens deshalb nur eingeschränkt darauf berufen, dass eine gesetzliche Regelung - über Art. 28 Abs. 2 GG hinaus - auch sonstiges Verfassungsrecht verletzt. Namentlich ist das Bundesverfassungsgericht nicht befugt, im Gefolge einer zulässigen Kommunalverfassungsbeschwerde gemäß § 91 BVerfGG die Begründetheitsprüfung beliebig auf andere Verfassungsbestimmungen auszuweiten (vgl. BVerfGE 119, 331 <356>).

127

Mit der Kommunalverfassungsbeschwerde gemäß § 91 BVerfGG gerügt werden kann jedoch, dass das angegriffene Gesetz unter Verstoß gegen die grundgesetzliche Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zustande gekommen ist, weil die Art. 70 ff. GG ihrem Inhalt nach geeignet sind, das verfassungsrechtliche Bild der Selbstverwaltung mitzubestimmen. Nach Art. 70 GG gehören Gemeindeangelegenheiten grundsätzlich zur Gesetzgebungsbefugnis der Länder. Eingriffe des Bundesgesetzgebers in das kommunale Selbstverwaltungsrecht sind hiernach grundsätzlich ausgeschlossen, soweit nicht die Verfassung besondere Kompetenznormen bereithält, die den Bund auch zu einer Einschränkung der gemeindlichen Selbstverwaltung berechtigen (vgl. BVerfGE 1, 167 <176>; 56, 298 <310>). Das hat der verfassungsändernde Gesetzgeber nicht zuletzt durch die Aufnahme der Art. 84 Abs. 1 Satz 7 und Art. 85 Abs. 1 Satz 2 in das Grundgesetz unterstrichen.

128

b) § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II beschränkt die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung. Er verkürzt die von Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistete Organisationshoheit der Gemeinden in ihrer konkreten gesetzlichen Ausgestaltung hinsichtlich der Art und Weise ihrer Willensbildung.

129

Die durch Art. 28 Abs. 2 GG verbürgte Organisationshoheit gestattet es den Kommunen, über ihre interne Organisation und Willensbildung grundsätzlich selbst zu entscheiden. Sie umfasst das Recht zur eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte und gewährleistet insoweit eine grundsätzliche Freiheit von staatlicher Reglementierung in Bezug auf die Art und Weise der Aufgabenerledigung (vgl. BVerfGE 119, 331 <362>). Art. 28 Abs. 2 GG verbürgt auch die Befugnis der Gemeinden und Gemeindeverbände, über "Ob", "Wann" und "Wie" bei der Wahrnehmung der ihnen zugewiesenen Aufgaben im Rahmen der Gesetze grundsätzlich eigenverantwortlich zu entscheiden. Ändert der Gesetzgeber daher die Vorgaben für die interne Organisation und Willensbildung von Gemeinden und Gemeindeverbänden, greift er damit zugleich in die konkrete Ausgestaltung der verfassungsrechtlich geschützten Organisationshoheit ein.

130

Dies ist bei § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II der Fall. Er bestimmt, dass der Antrag auf Zulassung als Optionskommune unter anderem einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder in der zuständigen Vertretungskörperschaft bedarf. Damit erschwert er, verglichen mit den allgemeinen Regelungen des Kommunalrechts (vgl. Art. 45 Abs. 1 BayLKrO; Art. 51 Abs. 1 BayGO, § 50 Abs. 1 GO-NW, § 35 KrO-NW, § 37 Abs. 6 GemOBW, § 32 Abs. 6 LKrOBW, § 39 Abs. 1 ThürKO, § 112 ThürKO), die Willensbildung in den Stadträten und Kreistagen und greift damit in die de lege lata bestehende Ausgestaltung der kommunalen Organisationshoheit ein. Die Vorschrift knüpft die Realisierung der vom Gesetzgeber eingeräumten Chance, die Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende allein zu erbringen, an zusätzliche Hürden. Im Fall des Beschwerdeführers zu 1. käme, obwohl sich eine Mehrheit des Kreistages - 36 von 60 Mitgliedern - für den Antrag auf Zulassung als Optionskommune ausgesprochen hatte, eine Realisierung der gesetzlich eröffneten Chance schon deshalb nicht mehr in Betracht.

131

c) § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II ist der Sache nach eine Regelung des Kommunalverfassungsrechts. Dieses fällt als Teil des Kommunalrechts in die Gesetzgebungskompetenz der Länder (aa). Etwas anderes folgt weder aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG (bb) noch aus Art. 91e Abs.3 GG (cc) oder aus einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs (dd).

132

aa) Das Grundgesetz weist die Gesetzgebungszuständigkeit für das Kommunalrecht nicht dem Bund zu, sondern belässt sie bei den Ländern (vgl. BVerfGE 22, 180 <210>; 77, 288 <299>; vgl. auch BVerfGE 1, 167 <176>; 26, 172 <181>; 48, 64 <83>; 56, 298 <310>; 57, 43 <59>; 58, 177 <191 f.>). Das Kommunalrecht in diesem Sinne umfasst die Summe der Rechtssätze, die sich mit der Rechtsstellung, der Organisation, den Aufgaben sowie den Handlungsformen der kommunalen Körperschaften befassen. Darunter fällt auch das Gemeindeverfassungsrecht (vgl. Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 70 Rn. 104 ) und insbesondere die Art und Weise der kommunalen Willensbildung (vgl. Burgi, Kommunalrecht, 4. Aufl. 2012, § 1 Rn. 10).

133

§ 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II ist eine Regelung des Kommunalrechts. Er regelt das Zustandekommen von Beschlüssen in Stadträten und Kreistagen und betrifft damit die interne Willensbildung in den Kommunen, die Verwirklichung des Mehrheitsprinzips und der Demokratie auf kommunaler Ebene (vgl. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG) und in gewissem Umfang auch die funktionale Zuständigkeitsverteilung zwischen den Organen der in Rede stehenden Kommune. Die interne Willensbildung in den Kommunen und das Zusammenwirken zwischen den unterschiedlichen Organen der Kommune wird in allen Ländern in den jeweiligen Kommunalordnungen geregelt (vgl. Art. 51 Abs. 1 BayGO, Art. 45 Abs. 1 BayLKrO, § 50 Abs. 1 GO-NW, § 35 KrO-NW, § 37 Abs. 6 GemOBW, § 32 Abs. 6 LKrOBW, § 39 Abs. 1 ThürKO, § 112 ThürKO) und ist ein wesentlicher Teil des Kommunal(verfassungs)rechts. Dieses bestimmt, wie die Willensbildung innerhalb einer Kommune abzulaufen hat und wie die Gewichtsverteilung zwischen Bürgermeister und Gemeinderat beziehungsweise Landrat und Kreistag auszugestalten ist. Wäre dies anders, könnte der Bund in allen Bereichen, in denen er eine Gesetzgebungskompetenz besitzt, auch Vorgaben über die Beschlussfähigkeit der kommunalen Vertretungskörperschaften, die Form der Beschlussfassung oder den Ablauf der Sitzungen treffen. Die den Ländern zustehende Gesetzgebungskompetenz für das Kommunalrecht liefe damit leer.

134

bb) Die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für "die öffentliche Fürsorge" aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG vermag die angegriffene Regelung des § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II nicht zu stützen.

135

(1) Zwar ist der Begriff der "öffentlichen Fürsorge" im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht eng auszulegen (vgl. BVerfGE 88, 203 <329 f.>; 97, 332 <341>). Zu dieser Materie gehören nicht nur Bestimmungen darüber, was die Träger der Fürsorge an materiellen Fürsorgeleistungen zu erbringen haben und auf welche Weise dies geschehen soll. Der Regelungsbereich des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG umfasst auch organisatorische Vorschriften über die Abgrenzung öffentlicher und privater Träger (vgl. BVerfGE 22, 180 <203>; 106, 62 <133 f.>).

136

Bei der Bestimmung der Reichweite der aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG folgenden Gesetzgebungskompetenz ist jedoch Zurückhaltung geboten, wenn mit ihr Regelungen gerechtfertigt werden sollen, von denen nach dem Grundgedanken der Art. 70 ff. GG anzunehmen ist, dass der Regelungsgegenstand im Wesentlichen oder weitgehend in der Kompetenz der Länder verbleiben soll. Das gilt insbesondere mit Blick auf das Kommunalrecht, das nicht nur zum "Hausgut" jener Zuständigkeiten zählen dürfte, das die Organisationshoheit der Länder prägt und den Ländern daher unentziehbar verbleiben muss, sondern das der verfassungsändernde Gesetzgeber im Jahre 2006 auch noch mit einem generellen Durchgriffsverbot gegen Zugriffe des Bundes abgesichert hat (Art. 84 Abs. 1 Satz 7, Art. 85 Abs. 1 Satz 2 GG). Damit hat er auch punktuelle Übergriffe des Bundes, wie sie aufgrund seiner Zuständigkeiten zur Regelung des Verwaltungsvollzugs nach der alten Rechtslage möglich waren (vgl. BVerfGE 22, 180 <209 f.>; 77, 288 <299>), ausgeschlossen. Im Hinblick auf organisationsrechtliche Regelungen ist zudem zu bedenken, dass die Verfassung zwischen der materiellen Gesetzgebungskompetenz in Art. 70 ff. GG und der Regelung von Behördenorganisation und Verwaltungsverfahren in Art. 83 ff. GG unterscheidet und dies nicht durch eine extensive Interpretation von dem Vollzug dienenden Vorschriften wie Art. 91e GG unterlaufen werden darf.

137

(2) Hieran gemessen kann § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II nicht auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG gestützt werden. Das Erfordernis einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen in der zuständigen Vertretungskörperschaft der Kommune regelt keine rein organisatorische Frage bei der Erbringung sozialrechtlicher Leistungen, sondern die Art und Weise der Willensbildung auf kommunaler Ebene (). Gegen die Annahme, die Regelung könne auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG gestützt werden, spricht zudem die Existenz des Art. 91e GG selbst ().

138

(a) Das Erfordernis einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen in der zuständigen Vertretungskörperschaft der Kommune regelt die Art und Weise der Willensbildung auf kommunaler Ebene. Mit der qualifizierten Mehrheit des § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II statuiert der Gesetzgeber verfahrensrechtliche Anforderungen an die Willensbildung der Kommunen, also die Voraussetzungen, unter denen sie zu einer rechtlich relevanten Willensbildung in der Lage sind. Nach der Auffassung des Gesetzgebers soll mit § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II "eine sorgfältige und ausführliche politische Meinungsbildung" sichergestellt werden, welche die Gewähr für "eine langfristig angelegte, umfassend aktiv unterstützte und nachhaltige Aufgabenwahrnehmung" bietet. Dies stelle sicher, dass für die alleinige Wahrnehmung der Aufgaben ein hoher Grad an Akzeptanz vorhanden und die für eine nachhaltige Aufgabenwahrnehmung unabdingbare Kontinuität der Verwaltungsstrukturen gewährleistet sei (vgl. BTDrucks 17/1555, S. 18). Wäre § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II gültig, verdrängte er in seinem Anwendungsbereich die kommunalrechtlichen Regelungen über Form und Verfahren der Beschlussfassung in den Gemeinderäten und Kreistagen und würde sie - da er denselben Gegenstand mit unterschiedlichen Rechtsfolgen regelt - nach Art. 31 GG brechen. Denn er weist denselben Regelungsgegenstand auf wie etwa Art. 51 Abs. 1 BayGO, Art. 45 Abs. 1 BayLKrO, § 50 Abs. 1 GO-NW, § 35 KrO-NW, § 37 Abs. 6 GemOBW, § 32 Abs. 6 LKrOBW, § 39 Abs. 1 ThürKO, § 112 ThürKO und vergleichbare Bestimmungen, an deren kompetenzrechtlicher Zulässigkeit keine Zweifel bestehen. Ist die Festlegung der Mehrheitserfordernisse in den kommunalen Repräsentativkörperschaften aber eine Regelung des Kommunalrechts, dann kann sie nach der Systematik der Art. 70 und Art. 72 Abs. 1 GG nicht zugleich eine solche des Sozialrechts sein.

139

Dem steht auch die Rechtsprechung des Senats zur grundsätzlich weiten Interpretation von Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG (vgl. BVerfGE 22, 180 <212 f.>; 106, 62 <133 f.>) nicht entgegen. Die dort entschiedenen Fälle betrafen die Regelung des Zusammenwirkens und Nebeneinanders von öffentlicher Hand und Privaten und damit Rechte und Pflichten in einem fürsorgerechtlichen Rechtsverhältnis. § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II betrifft dagegen nicht das Rechtsverhältnis, in dem das Zusammenwirken von Bund und Gemeinden oder Gemeindeverbänden bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende näher ausgestaltet wird und Antragserfordernisse, Formvorschriften oder Mitwirkungshandlungen statuiert werden. Er regelt vielmehr, nach welchen Regeln die interne Willensbildung bei einem der Beteiligten im Vorfeld des Zusammenwirkens mit Bund und Ländern zu erfolgen hat. Das Rechtsverhältnis zwischen Kommune und Bund, das insoweit allein möglicher Anknüpfungspunkt für eine Regelung auf der Grundlage von Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG sein könnte, ist somit nicht Regelungsgegenstand der Norm, mag diese auch reflexartige Rückwirkungen auf die Interessen des Bundes haben, indem sie dazu beitragen kann, die Anzahl der antragstellenden Kommunen zu begrenzen und das Risiko zu reduzieren, dass sich einmal zugelassene Optionskommunen aus der Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 6a Abs. 7 SGB II wieder zurückziehen.

140

(b) Gegen die Annahme, die organisatorische beziehungsweise verfahrensrechtliche Regelung des § 6a Abs. 2 Satz 3 GG könne auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG gestützt werden, spricht zudem die Stellung des Art. 91e GG im VIIIa. Abschnitt des Grundgesetzes. Die Regelungen über die gemeinsamen Einrichtungen und die Optionskommunen wurden nach längerer Debatte (vgl. Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 91e Rn. 16) an dieser Stelle eingefügt, weil es auch nach Auffassung des verfassungsändernden Gesetzgebers um eine Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot der Mischverwaltung ging, also um den Vollzug des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches und damit zusammenhängende Fragen der Einrichtung der Behörden und des Verwaltungsverfahrens. Dies unterstreicht die Systematik des Grundgesetzes, nach der die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren gerade keine Frage der Sachgesetzgebungskompetenzen sind und schließt es aus, für eine den Vollzug des materiellen Sozialrechts betreffende Regelung auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG zurückzugreifen.

141

cc) Eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich auch nicht aus Art. 91e Abs. 3 GG. Auf dieser Grundlage kann der Gesetzgeber zwar die Voraussetzungen für die Zulassung von Gemeinden und Gemeindeverbänden als Optionskommunen regeln, insbesondere deren Anzahl sowie Kriterien für die Zulassung festlegen. Auf die Art und Weise der internen Willensbildung der Kommunen erstreckt sich seine Regelungskompetenz jedoch nicht.

142

(1) Nach Art. 91e Abs. 3 GG regelt das Nähere über das Zusammenwirken von Bund und Ländern oder der nach Landesrecht zuständigen Gemeinden und Gemeindeverbände bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Die Vorschrift weist dem Bund eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz zu und enthält zugleich einen Gesetzgebungsauftrag, der bewusst weit gefasst wurde und dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung einen großen Spielraum lassen soll (vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 91e Rn. 39 ). In der Sache bezieht er sich, wie dargelegt, auf die nähere Ausgestaltung der gemeinsamen Einrichtungen (Art. 91e Abs. 1 GG), die Anzahl möglicher Optionskommunen, das von ihnen zu durchlaufende Verfahren und - im Falle der Zulassung - die Kostentragung für die Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Art. 91e Abs. 2 Satz 2 GG).

143

(2) Auch wenn diese Aufzählung nicht abschließend ist, kann § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II nicht auf Art. 91e Abs. 3 GG gestützt werden. Weder kann das Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit in der zuständigen Repräsentativkörperschaft als Zulassungskriterium angesehen werden noch darf der Gesetzgeber über den Regelungsgehalt von Art. 91e Abs. 1 und 2 GG hinausgehen.

144

In der Begründung zu Art. 91e GG hat der verfassungsändernde Gesetzgeber unter anderem betont, dass sich der Gesetzgeber "an die zwingenden Vorgaben des Grundgesetzes zu halten" habe (BTDrucks 17/1554, S. 5) und damit deutlich gemacht, dass Art. 91e GG nichts an der in Art. 70 ff. und 109 GG niedergelegten Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern ändern will. Art. 91e Abs. 3 GG erlaubt vor diesem Hintergrund zwar den Erlass von Vorschriften "zur Festlegung der Anzahl der Optionskommunen" und "zu den Kriterien für die Zulassung von Optionskommunen". Insoweit sind Regelungen über das Erfordernis einer Antragstellung durch die kommunalen Träger und das verfahrensmäßige Zusammenwirken der Kommunen mit anderen Verwaltungsträgern - ähnlich wie bei dem auf Art. 84 Abs. 1 GG gestützten Erfordernis des Einvernehmens nach § 36 Abs. 1 BauGB - Teil der auf die Vollziehung der Verwaltungsaufgabe gerichteten Regelung und gestalten die Rechtsverhältnisse zwischen dem Bund und der Kommune beziehungsweise dem Land und der Kommune näher aus. Der Regelungsgehalt von § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II betrifft dagegen nicht die Rechtsverhältnisse zwischen der antragstellenden Kommune und dem Bund oder dem Land, sondern die interne Organisation der Kommunen. Mit dem Erfordernis der Zwei-Drittel-Mehrheit in den zuständigen Vertretungskörperschaften regelt er die Modalitäten ihrer Beschlussfassung und modifiziert damit nicht nur die Anforderungen an die demokratische Willensbildung in den Kommunen, sondern auch die funktionale Zuständigkeitsverteilung zwischen ihren Organen. Als in der Sache kommunalrechtliche Vorschrift ist § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II nicht von Art. 91e Abs. 3 GG gedeckt.

145

dd) Dem Bund steht schließlich auch keine Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs zu. Eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs ist von vornherein nur dann anzuerkennen, wenn eine Materie verständiger Weise nicht geregelt werden kann, ohne dass zugleich eine dem Bund nicht ausdrücklich zugewiesene andere Materie mitgeregelt wird, wenn also das Übergreifen in die Gesetzgebungskompetenz der Länder unerlässliche Voraussetzung für die Regelung der in Rede stehenden Materie ist (vgl. BVerfGE 3, 407 <421>; 8, 143 <149>; 12, 205 <237>; 15, 1 <20>; 26, 246 <256>; 26, 281 <300>; 97, 228 <251>; 98, 265 <299>; 106, 62 <114 f.>; stRspr). Die umfassende Regelung eines den Ländern vorbehaltenen Bereichs ist dem Bund in keinem Fall eröffnet (vgl. BVerfGE 61, 149 <205>; 98, 265 <299>; 106, 62 <115>).

146

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Es liegt schon fern, dass eine Frage der internen Willensbildung der kommunalen Repräsentativkörperschaften eine zentrale Bedeutung für die Aufgabenerledigung durch sogenannte Optionskommunen haben sollte. Mag das Antragserfordernis sicherstellen, dass die Kommune die Aufgabe aus eigenem Antrieb übernimmt, und dazu beitragen, dass sie sich an diesem rechtserheblichen Schritt festhalten lassen muss, so ist die Frage, auf welche Weise die dem Antrag zugrunde liegenden Beschlüsse zustande kommen, für die Aufgabenwahrnehmung nachrangig und für die organisatorische Ausgestaltung insgesamt unbedeutend. Schon der Blick auf die Rechtslage vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3. August 2010 zeigt, dass die Regelung des § 6a Abs. 2 Satz 3 SGB II keineswegs unerlässlich ist, um eine Behördenstruktur zu schaffen, die die Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende der Zielsetzung des Gesetzgebers entsprechend erfüllen kann (ebenso Luthe, in: Hauck/Noftz/Voelzke, SGB II, § 6a Rn. 11 ; ders., ZfF 2011, S. 1 <3>). Nach § 6a Abs. 2 Satz 1 SGB II a.F. wurden kommunale Träger auf Antrag vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit als Träger im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 durch Rechtsverordnung zugelassen, wenn sie sich zur Schaffung einer besonderen Einrichtung nach § 6a Abs. 6 SGB II a.F. und zur Mitwirkung an der Wirkungsforschung nach § 6c SGB II<2004> verpflichtet hatten. Weitergehende Anforderungen wurden zum damaligen Zeitpunkt als nicht erforderlich angesehen. Vollzugsprobleme haben sich daraus nicht ergeben. Wie die mündliche Verhandlung gezeigt hat, ist es auch nicht zu einem nennenswerten Rückzug von Optionskommunen gekommen.

147

d) § 6a Abs. 2 Satz 3 1.Halbsatz SGB II verletzt danach Art. 28 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GG in Verbindung mit Art. 70 GG. Im Hinblick auf einen geordneten Gesetzesvollzug im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist § 6a Abs. 2 Satz 3 1. Halbsatz SGB II für unvereinbar mit dem Grundgesetz zu erklären. Die Vorschrift gilt für bestehende Zulassungen fort (vgl. BVerfGE 103, 1 <1, 19 f.>). Sie darf in neuen Zulassungsverfahren nach § 6a SGB II nicht mehr angewandt werden. Die bisher ergangenen Zulassungsentscheidungen bleiben unberührt. Das gilt insbesondere für die Zweite Verordnung zur Änderung der Kommunalträger-Zulassungsverordnung vom 14. April 2011 (BGBl I S. 645).

148

aa) Verstößt eine Norm gegen das Grundgesetz, führt dies in der Regel zur Nichtigkeit der angegriffenen Vorschrift. Die bloße Unvereinbarkeitserklärung, verbunden mit der Anordnung einer teilweisen Fortgeltung der verfassungswidrigen Regelung kommt statt der gesetzlich vorgesehenen Nichtigkeit als Rechtsfolge dann in Betracht, wenn es aus verfassungsrechtlichen Gründen unabdingbar ist, eine verfassungswidrige Vorschrift für eine Übergangszeit fortbestehen zu lassen, damit in dieser Zeit nicht ein Zustand besteht, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt ist als der bisherige (vgl. BVerfGE 119, 331 <382 f.> m.w.N.). Neben den Grundrechten (vgl. BVerfGE 83, 130 <154>; 92, 158 <186>) werden vor allem das Rechts- und das Sozialstaatsprinzip (vgl. BVerfGE 37, 217 <261>; 73, 40 <101 f.>; 119, 331 <383 f.>) als verfassungsrechtliche Gründe anerkannt, welche die befristete Weitergeltung einer nicht verfassungskonformen Regelung rechtfertigen können. Das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn mit der Nichtigerklärung der angegriffenen Regelung ein rechtliches Vakuum aufträte und sowohl bei den Behörden als auch bei den Rechtsunterworfenen Unsicherheit über die Rechtslage entstünde (vgl. BVerfGE 37, 217 <261>; 73, 40 <102>; 92, 53 <74>). Die Feststellung der Unvereinbarkeit einer Rechtslage mit dem Grundgesetz darf auch nicht dazu führen, dass der Verwaltung zeitweilig die Erfüllung verfassungsrechtlicher Pflichtaufgaben mangels hinreichender gesetzlicher Grundlage unmöglich gemacht wird (vgl. BVerfGE 83, 130 <152 ff.>; auch 51, 268 <290 f.>).

149

bb) Danach ist § 6a Abs. 2 Satz 3 1. Halbsatz SGB II lediglich für mit der Verfassung unvereinbar zu erklären, um zu verhindern, dass durch die Nichtigerklärung der angegriffenen Regelung bei den betroffenen Behörden und Rechtsunterworfenen Unsicherheit über die Rechtslage entsteht, und um eine wirkungsvolle, durch das Sozialstaatsprinzip gebotene Aufgabenwahrnehmung zu ermöglichen. Die durch die Grundsicherung für Arbeitsuchende gewährten Leistungen decken weite Bereiche der Sozialleistungen des Staates ab. Bei einer Nichtigerklärung könnten die Aufgaben ab sofort nicht mehr einheitlich durch alle zugelassenen Optionskommunen wahrgenommen werden. Hiervon wären eine hohe Zahl von Leistungsempfängern und die Mitarbeiter der Kommunen betroffen. Ohne die Aufrechterhaltung der Regelung für die Vergangenheit ist es nicht möglich, eine geordnete Sozialverwaltung sicherzustellen (vgl. BVerfGE 119, 331 <383>).

150

Als Folge der Übergangsregelung kann auch der Beschwerdeführer zu 1. derzeit nicht als Optionskommune zugelassen werden. Er wird einen neuen Antrag stellen müssen (vgl. BVerfGE 103, 1 <20>).

151

2. Im Übrigen sind die Verfassungsbeschwerden unbegründet. Gegen die Vorschrift des § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Regelung ist formell verfassungsgemäß (a). Mit § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II füllt der Bundesgesetzgeber in nicht zu beanstandender Weise den ihm eingeräumten Gestaltungsauftrag aus (b). Die Festlegung der Anzahl möglicher kommunaler Träger auf 25 Prozent der zum 31. Dezember 2010 bestehenden Aufgabenträger verstößt auch nicht gegen Art. 28 Abs. 2 GG (c). Der Gesetzgeber hat das Verteilungsverfahren schließlich hinreichend bestimmt ausgestaltet; die Verordnungsermächtigung des § 6a Abs. 3 SGB II ist insoweit nicht zu beanstanden (d).

152

a) Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II ergibt sich aus Art. 91e Abs. 3 GG. Danach regelt das Nähere im Hinblick auf Organisation und Verfahren bei der Erledigung der Verwaltungsaufgabe "Grundsicherung für Arbeitsuchende" ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Zum "Näheren" gehört neben Regelungen über die Ausgestaltung des Zulassungs- und Verteilungsverfahrens sowie die Organisation der Aufgabenerfüllung auch die Festlegung der Anzahl zuzulassender Optionskommunen. In der Begründung zu Art. 91e GG ist im Hinblick auf Absatz 2 insoweit ausdrücklich davon die Rede, dass das Bundesgesetz Regelungen über die Festlegung der Anzahl der Optionskommunen treffen werde (vgl. BTDrucks 17/1554, S. 5). Mit § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II hat der Gesetzgeber die Anzahl möglicher Optionskommunen auf 25 Prozent festgelegt und insoweit das Nähere zu Art. 91e Abs. 2 GG geregelt. Dazu ist er durch Art. 91e Abs. 3 GG ermächtigt.

153

b) Art. 91e Abs. 3 GG eröffnet dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum für die Ausgestaltung des Verwaltungsvollzugs in alleiniger Trägerschaft der Kommunen (aa). Dessen Grenzen überschreitet § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II nicht (bb).

154

aa) Indem Art. 91e Abs. 3 GG den Bundesgesetzgeber ermächtigt, "das Nähere" zu regeln, räumt er ihm grundsätzlich einen nicht unerheblichen Spielraum bei der Ausgestaltung des Vollzugs der Verwaltungsaufgabe "Grundsicherung für Arbeitsuchende" in alleiniger Verantwortung der Kommunen ein (vgl. Volkmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 91e Rn. 12; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 91e Rn. 39 ). Inhaltlich geben Art. 91e Abs. 1 und Abs. 2 GG allerdings ein Regel-Ausnahme-Verhältnis vor: Die Aufgabenwahrnehmung in gemeinsamen Einrichtungen soll danach die Regel sein, die alleinige Aufgabenwahrnehmung durch Optionskommunen die Ausnahme. Dies belegen sowohl der Wortlaut des Art. 91e GG (1) als auch seine systematische Stellung und seine Entstehungsgeschichte (2).

155

(1) Bereits dem Wortlaut des Art. 91e GG lässt sich entnehmen, dass das Grundgesetz die Wahrnehmung der Verwaltungsaufgabe "Grundsicherung für Arbeitsuchende" in gemeinsamen Einrichtungen als Regelfall vorsieht. In diesem Sinne ist in Art. 91e Abs. 2 GG davon die Rede, dass der Bund zulassen "könne", dass eine "begrenzte Anzahl von Gemeinden und Gemeindeverbänden" auf ihren Antrag und mit Zustimmung der obersten Landesbehörde die Aufgaben nach Absatz 1 allein wahrnimmt. Nicht nur die Formulierung "eine begrenzte Anzahl" weist dabei auf ein "Regel-Ausnahme-Verhältnis" (BTDrucks 17/1554, S. 4) hin; auch die ausdrückliche Eröffnung eines gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums ("kann zulassen") unterstreicht dies.

156

(2) Art. 91e GG stellt eine allein auf den Vollzug der Verwaltungsaufgabe Grundsicherung für Arbeitsuchende zugeschnittene abschließende Spezialregelung dar. Er wurde bewusst in den Abschnitt VIIIa. "Gemeinschaftsaufgaben, Verwaltungszusammenarbeit" aufgenommen und ordnet ausweislich des Art. 91e Abs. 1 GG grundsätzlich eine Mischverwaltung als Regelfall an. Soweit Art. 91e Abs. 2 GG in diesem Zusammenhang ausnahmsweise auch einen Vollzug durch Optionskommunen vorsieht, stellt er die Grundentscheidung des Art. 91e Abs. 1 GG für den Vollzugstyp der Mischverwaltung nicht in Frage. Art. 91e Abs. 2 GG ist insoweit - anders als in der Literatur zum Teil angenommen wird (vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 91e Rn. 31 ; Engels, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 91e Rn. 31 <32. Erg.-Lfg. VI/11>; Hermes, in: Dreier, GG, Supplementum 2010, Art. 91e Rn. 48; Siekmann, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 91e Rn. 22) - keine Norm, die einen Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen über die Landesexekution gemäß Art. 83 f. GG wieder eröffnete (BTDrucks 17/1554, S. 4), sondern eine spezifische Ausnahmevorschrift von einer ihrerseits abschließenden Spezialregelung.

157

bb) Aus dem Wortlaut des Art. 91e Abs. 2 GG lässt sich eine konkrete Anzahl möglicher Optionskommunen nicht ableiten (1). Die mit § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II vorgenommene Konkretisierung des von Art. 91e Abs. 1 und Abs. 2 GG vorgegebenen Regel-Ausnahme-Verhältnisses hält sich im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben (2).

158

(1) Der Gesetzgeber ist im Rahmen der Vorgaben des Art. 91e Abs. 3 GG grundsätzlich frei, die Anzahl der möglichen Optionskommunen aufgrund politischer Dezision festzusetzen. Soweit im Schrifttum die Auffassung vertreten wird, die Festlegung auf 25 Prozent sei willkürlich und daher verfassungswidrig (Hermes, in: Dreier, GG, Supplementum 2010, Art. 91e Rn. 42; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 91e Rn. 27 ; Siekmann, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 91e Rn. 20), vermag dies nicht zu überzeugen. Zwar hat die Begrenzung auf 25 Prozent in der Tat lediglich in den Gesetzgebungsmaterialien Niederschlag gefunden (vgl. BTDrucks 17/1554, S. 4; 17/2192, S. 2), nicht jedoch im Wortlaut des Art. 91e Abs. 2 GG. Auch lassen sich der Norm über das Regel-Ausnahme-Verhältnis hinaus keine weiteren Kriterien für dessen Konkretisierung entnehmen. Das macht die Bestimmung des Art. 91e Abs. 2 GG jedoch nicht verfassungswidrig, sondern hat lediglich zur Folge, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Verfassung und unter Beachtung des Mehrheitsprinzips (Art. 42 Abs. 2 GG) nach seinen politischen Präferenzen über die Konkretisierung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses entscheiden kann. Er ist dabei rechtlich auch nicht an im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens getroffene politische Absprachen gebunden. Den auf die Einführung eines 25-Prozent-Quorums zielenden Absichtserklärungen in den Gesetzgebungsmaterialien (vgl. BTDrucks 17/1554, S. 4) kommt, für sich genommen, insoweit kein verfassungsrechtlicher Gehalt zu.

159

Mit dem Tatbestandsmerkmal der "begrenzten Anzahl" gibt Art. 91e Abs. 2 GG einen deutlichen Anhaltspunkt dafür vor, dass der Gesetzgeber das Regel-Ausnahme-Verhältnis weitgehend frei konkretisieren darf (vgl. Siekmann, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 91e Rn. 20). Da sich das Regel-Ausnahme-Verhältnis bereits aus dem Nebeneinander von Art. 91e Abs. 1 und 2 GG ergibt, wäre die Aufnahme dieses unbestimmten Verfassungsbegriffs nicht erforderlich gewesen. Spezifischen Bedeutungsgehalt erfährt er daher nur, wenn er als die Bekräftigung der Befugnis des Gesetzgebers verstanden wird, die Anzahl der zuzulassenden Optionskommunen weitgehend nach politischen Präferenzen zu bestimmen.

160

(2) Mit der Festlegung auf 25 Prozent hat der Gesetzgeber die bereits im Verfahren zur Einführung von Art. 91e GG avisierte Zielgröße übernommen und den politischen Erwartungen der Beteiligten Rechnung getragen. Dies ist nicht deshalb willkürlich, weil sich aus der Gesetzesbegründung kein weiteres überzeugendes Regelungsmotiv für die Gewichtung ergibt (vgl. Mehde, in: Beck'scher OK-GG, Art. 91e Rn. 26 <1. Juni 2014>).

161

Es ist nicht ersichtlich, dass § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II den von Art. 91e Abs. 2 GG gezogenen Konkretisierungsspielraum überschreitet (vgl. Volkmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 91e Rn. 10; Engels, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 91e Rn. 26, Fn. 102 <32. Erg.-Lfg. VI/11>; Mager, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 91e Rn. 9; Rixen/Weißenberger, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 6a Rn. 8). Dem Gesetzgeber hätte es zwar frei gestanden, über das 25-Prozent-Quorum hinaus zu gehen (vgl. Engels, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 91e Rn. 26 <32. Erg.-Lfg. VI/11>). Verfassungsrechtlich verpflichtet war er dazu jedoch nicht.

162

c) § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II bedarf auch keiner verfassungskonformen Auslegung im Lichte von Art. 28 Abs. 2 Sätze 1 und 2 GG. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistet den Gemeinden (aa), Art. 28 Abs. 2 Satz 2 den Gemeindeverbänden (bb) eine unterschiedlich weit reichende und wehrfähige Aufgabenausstattung. Diese wird durch die Kontingentierung der möglichen Optionskommunen nicht berührt (cc).

163

aa) Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Gemeinden einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich (vgl. BVerfGE 26, 228 <237 f.>; 56, 298 <312>; 59, 216 <226>; 79, 127 <143>). Dazu gehören diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben (vgl. BVerfGE 8, 122 <134>; 50, 195 <201>; 52, 95 <120>; 79, 127 <151 f.>; 83, 363 <384>; 86, 148 <220 f.>; 110, 370 <400>), die also den Gemeindeeinwohnern als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der Gemeinde betreffen (vgl. BVerfGE 79, 127 <151 f.>; 83, 363 <384>; 86, 148 <220 f.>; 110, 370 <400>). Verändert der Gesetzgeber den Aufgabenbestand der Gemeinden, so hat er den Vorrang zu berücksichtigen, den Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG der Gemeindeebene in den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft einräumt. Dagegen ist er in seiner Zuordnung weitgehend frei, wenn eine Aufgabe keinen oder keinen relevanten örtlichen Charakter besitzt; sie fällt dann von vornherein nicht in den Gewährleistungsbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 79, 127 <152>; 110, 370 <400>).

164

bb) Den Gemeindeverbänden ist das Recht der Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG dagegen im Hinblick auf ihren Aufgabenbestand nur eingeschränkt gewährleistet. Anders als bei den Gemeinden beschreibt die Verfassung die Aufgaben der Kreise nicht selbst, sondern überantwortet ihre Festlegung dem Gesetzgeber (vgl. BVerfGE 119, 331 <353> m.w.N.). Dessen Gestaltungsspielraum stößt, wie dargelegt, bei der Ausgestaltung des Aufgabenbereichs der Kreise erst dort an Grenzen, wo die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Selbstverwaltungsrechts der Kreise entwertet würde. Der Gesetzgeber darf Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG deshalb nicht dadurch unterlaufen, dass er den Kreisen keine Aufgaben zuweist, die in der von der Verfassung selbst gewährten Eigenverantwortlichkeit wahrgenommen werden könnten. Er muss vielmehr einen Mindestbestand an Aufgaben vorsehen, die die Kreise unter Inanspruchnahme der auch ihnen gewährten Eigenverantwortlichkeit erledigen können (vgl. BVerfGE 119, 331 <353>). Ist dies der Fall, so liegt es im (politischen) Ermessen des Gesetzgebers, ob und inwieweit er über den verfassungsrechtlich geforderten Mindestbestand an Aufgaben hinausgeht.

165

cc) Soweit die Beschwerdeführerin zu 2. nicht als Optionskommune anerkannt worden ist, berührt sie dies nicht in ihrer durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Selbstverwaltungsgarantie. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende ist keine Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft. Ihre unterlassene Übertragung berührt Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG von vornherein nicht. Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind nur diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln, also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen vor Ort betreffen (vgl. BVerfGE 79, 127 <151 f.>; 83, 363 <384>; 86, 148 <220 f.>; 110, 370 <400>). Fürsorge- und sozialversicherungsrechtliche Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende lassen sich darunter nicht fassen. Die den Optionskommunen zusätzlich zu übertragenden Aufgaben nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II betreffen die Eingliederung in Arbeit, die normalerweise Gegenstand der Arbeitslosenversicherung ist und von der Bundesagentur für Arbeit überregional und im Bundesgebiet einheitlich wahrgenommen wird. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass Ansprüche auf Sozialhilfe durch die Grundsicherung für Arbeitsuchende abgelöst worden sind, Sozialhilfe jedoch von den kreisfreien Städten und Landkreisen nach Maßgabe der landesrechtlichen Vorschriften in eigener Verantwortung geleistet wird (vgl. § 1 Abs. 1 Hessisches Ausführungsgesetz zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch; § 1 Satz 1 Niedersächsisches Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buchs des Sozialgesetzbuchs; § 1 Ausführungsgesetz zum Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) - Sozialhilfe - für das Land Nordrhein-Westfalen; § 1 Thüringer Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch). Dass diese Gebietskörperschaften seit Jahrzehnten örtliche Träger der Sozialhilfe sind, macht die Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht zu einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft (vgl. Volkmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 91e Rn. 10). Der Schutzbereich des Art 28 Abs. 2 Satz 1 GG ist insoweit nicht eröffnet (vgl. Rixen/Weißenberger, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 6a Rn. 8; vgl. auch Dyllick/Lörincz/Neubauer, NJ 2011, S. 15 <20>).

166

Vor diesem Hintergrund ist auch die Selbstverwaltungsgarantie der Beschwerdeführer zu 3. bis 15. aus Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG nicht verletzt. Da das Recht der Selbstverwaltung den Gemeindeverbänden von vornherein nur nach Maßgabe der Gesetze eingeräumt ist, obliegt es grundsätzlich auch dem Gesetzgeber, die Aufgaben der Gemeindeverbände festzulegen. Der ihm dabei zukommende Spielraum stößt erst dort an Grenzen, wo durch die Zuweisung neuer Aufgaben, deren Entzug oder Nichtzuweisung die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Selbstverwaltung entleert würde (vgl. BVerfGE 119, 331 <352 ff.>). Die Beschwerdeführer zu 3. bis 15. waren bislang nicht als kommunale Träger zugelassen und haben ihre Zulassung als Optionskommune erstmals beantragt. Ihre Nichtzulassung stellt sich somit weder als Aufgabenentzug noch als eine Änderung ihres bisherigen Aufgabenbestandes dar, die an Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG zu messen wäre. Die Beschwerdeführer begehren vielmehr die Zuweisung einer neuen Aufgabe. Dies könnten sie unter Berufung auf die Selbstverwaltungsgarantie nur verlangen, wenn ohne eine Zuständigkeit für die Grundsicherung für Arbeitsuchende die ihnen zukommende Selbstverwaltungsgarantie in ihrem Kern entwertet wäre. Das ist offensichtlich nicht der Fall.

167

d) Eröffnet der Gesetzgeber den Kommunen die Chance auf eine bestimmte Aufgabenzuständigkeit, so muss er allerdings ein Verfahren vorsehen, das eine transparente und nachvollziehbare Verteilungs- und Zulassungsentscheidung sicherstellt (aa). Der Gesetzgeber musste dieses Verteilungsverfahren nicht im Einzelnen ausgestalten, sondern konnte dies auch dem Verordnungsgeber überlassen. § 6a Abs. 3 SGB II ist insoweit eine ausreichende Rechtsgrundlage (bb). Ob die Verordnung über das Verfahren zur Feststellung der Eignung als zugelassener kommunaler Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende (KtEfV) diesen Anforderungen genügt, bedarf im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung (cc).

168

aa) Angesichts der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Kontingentierung der Anzahl der Optionskommunen durch § 6a Abs. 2 Satz 4 SGB II muss der Gesetzgeber sicherstellen, dass die Verteilung der Zulassungen willkürfrei, transparent und nachvollziehbar bewältigt wird und dem Gebot interkommunaler Gleichbehandlung entspricht (vgl. Hermes, in: Dreier, GG, 2. Aufl. Supplementum 2010, Art. 91e Rn. 47; Engels, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 91e Rn. 28 <32. Erg.-Lfg. VI/11>). Dieser aus der Grundrechtsdogmatik entlehnte Gedanke eines Rechtsgüterschutzes durch Verfahren gilt mit Blick auf Art. 28 Abs. 2 GG auch im vorliegenden Zusammenhang.

169

bb) Der Gesetzgeber muss das Verteilungsverfahren allerdings nicht im Einzelnen selbst ausgestalten, sondern kann dies auch dem Verordnungsgeber überlassen. Allerdings muss er die wesentlichen Grundzüge des Verfahrens im Sinne von Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG selbst regeln.

170

Anders als in der Vorgängerregelung des § 6a Abs. 3 bis 6 SGB II in der Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30. Juli 2004 hat sich der Gesetzgeber für die (weitere) Zulassung von Optionskommunen auf die Normierung einer Verordnungsermächtigung in § 6a Abs. 3 SGB II beschränkt, die ein willkürfreies, transparentes und nachvollziebares Verteilungsverfahren jedenfalls in den Grundzügen vorstrukturiert und die Regelung der Einzelheiten dem Verordnungsgeber überlässt (vgl. Engels, in: Berliner Kommentar zum GG, Art. 91e Rn. 28 <32. Erg.-Lfg. VI/11>). Hiergegen ist verfassungsrechtlich nichts zu erinnern.

171

§ 6a Abs. 3 SGB II ermächtigt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, die Voraussetzungen der Eignung nach § 6a Abs. 2 Nr. 1 SGB II und deren Feststellung sowie die Verteilung der Zulassungen nach § 6a Abs. 2 und Abs. 4 SGB II auf die Länder durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu regeln. Damit hat der Gesetzgeber festgelegt, dass der Zulassung von Optionskommunen eine Eignungsprüfung und -feststellung sowie ein Verteilungsverfahren voranzugehen haben, das an der bestmöglichen Erfüllung der Verwaltungsaufgabe auszurichten ist. Das genügt den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG, der nicht verlangt, dass eine Verordnungsermächtigung so bestimmt wie irgend möglich ist, sondern eine hinreichende Bestimmtheit ausreichen lässt (vgl. BVerfGE 8, 274 <312>; 26, 228 <241>; 55, 207 <226>; 58, 257 <277>; 62, 203 <210>; 123, 39 <78>). Vor diesem Hintergrund reicht es, wenn sich - wie hier - das Ausmaß der Ermächtigung mit hinreichender Deutlichkeit aus dem begrenzten Zweck der Ermächtigung ergibt (vgl. BVerfGE 4, 7 <22>; 20, 296 <306>; 28, 66 <86>; 35, 179 <183>; 38, 61 <84>).

172

cc) Ob das Verteilungsverfahren, das die Verordnung über das Verfahren zur Feststellung der Eignung als zugelassener kommunaler Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende näher ausgestaltet, selbst den Anforderungen an ein willkürfreies, transparentes und nachvollziehbares Zulassungsverfahren genügt (vgl. Hermes, in: Dreier, GG, 2. Aufl. Supplementum 2010, Art. 91e Rn. 47 Fn. 149), und ob es insbesondere nicht bundesrechtlicher Regelungen über die Verteilung der möglichen Optionskommunen auf die Länderkontingente bedarf, um ein willkürfreies, transparentes und dem interkommunalen Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechendes Verteilungsverfahren sicherzustellen, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die insoweit möglicherweise unzureichende Verordnung ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

173

3. Schließlich begegnet auch die Vorschrift des § 6b Abs. 4 SGB II keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Gesetzgebungskompetenz hierfür folgt ebenfalls aus Art. 91e Abs. 3 GG (a). Mit der Schaffung einer unmittelbaren Finanzbeziehung zwischen dem Bund und der kommunalen Ebene geht für diesen Bereich eine Befugnis des Bundes einher, die ordnungsgemäße Verwendung der eingesetzten Mittel zu kontrollieren (b).

174

a) Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für § 6b Abs. 4 SGB II folgt aus Art. 91e Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 3 GG. In der Gesetzesbegründung zu Art. 91e Abs. 3 GG heißt es, dass in Bezug auf Art. 91e Abs. 2 das Bundesgesetz unter anderem Regelungen zu Kostentragung, Aufsicht, Finanzkontrolle und Rechnungsprüfung treffen werde (vgl. BTDrucks 17/1554, S. 5). Nach dem Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers sollte der Bund folglich zu einer derartigen Regelung befugt sein.

175

b) Die Befugnis des Bundes zu einer finanziellen Kontrolle der Optionskommunen folgt zwar nicht schon aus der Finanzierungsverantwortung des Bundes (aa). Mit der Schaffung einer unmittelbaren Finanzbeziehung zwischen dem Bund und der kommunalen Ebene sind ihm jedoch zugleich Befugnisse eingeräumt worden, die eine wirksame Finanzkontrolle ermöglichen (bb). Dies verletzt nicht die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (cc).

176

aa) Dass den Bund eine Finanzierungsverantwortung für Aufgaben trifft, welche die zugelassenen kommunalen Träger wahrnehmen, zwingt, für sich genommen, nicht dazu, ihm auch Finanzkontrollbefugnisse einzuräumen. Zwar wird im Schrifttum mit Blick auf den Bundesrechnungshof die Auffassung vertreten, dass Kontrollkompetenzen nicht an die Verwaltungs-, sondern an die Finanzierungsverantwortung anknüpfen (vgl. Kammer, DVBl 1990, 555 <558 f.>; Mähring, DÖV 2006, S. 195 <203>). Mit Blick auf den Bundesrechnungshof hat das Bundesverfassungsgericht es jedoch stets abgelehnt, von der Finanzierungsverantwortung auf eine Kontrollzuständigkeit zu schließen. Für die Reichweite seiner Befugnisse gebe die Annahme einer Finanzgewalt nichts her. Aus ihr ergebe sich insbesondere nicht, dass der Bund Erhebungsbefugnisse im Hinblick auf die Gesamtheit der föderalen Finanzströme haben müsse. Die Kompetenz des Bundes, durch seinen Rechnungshof Erhebungen im Länderbereich durchzuführen, folge im Hinblick auf Finanzhilfen nach Art. 104b GG den Verwaltungskompetenzen des Bundes (vgl. BVerfGE 127, 165 <219 f.>). Daran ist auch im vorliegenden Zusammenhang festzuhalten.

177

bb) Mit der Einfügung von Art. 91e Abs. 2 Satz 2 GG in das Grundgesetz hat der verfassungsändernde Gesetzgeber eine unmittelbare Finanzbeziehung zwischen dem Bund und der kommunalen Ebene etabliert und damit eine Sonderregelung geschaffen, die dem Bund spezifische Verwaltungskompetenzen zuweist und den allgemeinen Regelungen über das Finanzwesen vorgeht. Sie ermächtigt den Bund auch zu einer effektiven Finanzkontrolle über die Optionskommunen. Die Finanzkontrolle des Bundes ist strikt auf die Verwaltung der von ihm zur Verfügung gestellten Mittel für die Grundsicherung für Arbeitsuchende beschränkt (1). Seine Kontrollbefugnisse unterscheiden sich insoweit von jenen des Bundesrechnungshofes (2) und haben weder rechtlich noch faktisch aufsichtsgleiche Wirkung (3).

178

(1) Der Gesetzgeber hat die Unterscheidung zwischen den unterschiedlichen Kontrollformen aufgenommen und die Befugnisse des Bundes zur Finanzkontrolle in § 6b Abs. 4 SGB II, jene des Bundesrechnungshofes in § 6b Abs. 3 SGB II und die Aufsichtsbefugnisse des Bundes und der Länder in §§ 47, 48 SGB II geregelt.

179

(2) Die Befugnisse des Bundes im Rahmen der Finanzkontrolle unterscheiden sich von denen des Bundesrechnungshofes und beschränken sich auf die Gewährleistung der fiskalischen Interessen des Bundes. Das kommt schon darin zum Ausdruck, dass die Befugnisse des Bundesrechnungshofes in § 6b Abs. 3 SGB II, die des Bundes aber in § 6b Abs. 4 SGB II normiert sind, ergibt sich aber auch aus dem unterschiedlichen Inhalt der Befugnisse beider Behörden.

180

Die Finanzkontrolle nach § 6b Abs. 4 SGB II bezieht sich ausschließlich auf die fiskalischen Interessen des Bundes. Sie ist in ihrem Anwendungsbereich und ihrer Zielsetzung enger als jene des Bundesrechnungshofes, reicht hinsichtlich ihrer Befugnisse jedoch weiter. Insbesondere gestattet sie es ihm, öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche geltend zu machen und im Wege der Verrechnung durchzusetzen. In der Begründung zu § 6b Abs. 4 und Abs. 5 SGB II heißt es insoweit, dass sich der Erstattungsanspruch in der Finanzbeziehung zwischen Bund und zugelassenem kommunalen Träger zugunsten der Wiederherstellung der rechtmäßigen Ordnung der Haushalte auswirke. Somit werde im Zusammenwirken mit dem Prüfrecht des Bundes nach § 6b Abs. 4 SGB II eine effektive Finanzkontrolle ermöglicht, welche die Finanzinteressen des Bundes absichere. Dazu würden in Satz 1 die gesetzlichen Prüfbefugnisse des Bundes klargestellt, die jederzeit gewährleisteten, dass eine Kostenerstattung nur erfolge, soweit die Aufwendungen des zugelassenen kommunalen Trägers auf einem gesetzmäßigen Mitteleinsatz beruhten (vgl. BTDrucks 17/1555, S. 19).

181

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist im Rahmen der Finanzkontrolle somit befugt, die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsgemäßheit der von den zugelassenen kommunalen Trägern verausgabten Bundesmittel anhand der vorgelegten Jahresabschlussrechnung zu prüfen und dabei auch die Gesetzmäßigkeit der Ausgaben zu kontrollieren. Es darf zu diesem Zweck Informationen vor Ort erheben und auch ohne konkreten Anlass bei den zugelassenen kommunalen Trägern Prüfungen durchführen.

182

(3) Die dem Bund durch § 6b Abs. 4 SGB II eröffnete Finanzkontrolle über die Optionskommunen unterscheidet sich schließlich auch von der Rechts- und Fachaufsicht. Die Vorschrift statuiert keine Aufsichtsbefugnisse des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Sie dient nicht der Rückkopplung des Gesetzesvollzugs an die Absichten des Gesetzgebers und insbesondere nicht der Gewährleistung eines grundsätzlich einheitlichen Gesetzesvollzugs, sondern beschränkt sich ausschließlich auf die Kontrolle der finanziellen Auswirkungen der gesetzgeberischen Entscheidung, von der Möglichkeit des Art. 91e Abs. 2 GG Gebrauch zu machen (vgl. BVerfGE 127, 165 <203 f.>). Die Befugnisse des Bundes aus § 6b Abs. 4 SGB II erlauben es daher nicht, vertretbare Rechtsauffassungen des zugelassenen kommunalen Trägers zu beanstanden und auf dieser Grundlage Mittel vorzuenthalten oder Erstattungsansprüche durchzusetzen; die Durchsetzung einer einheitlichen Rechtsanwendung ist vielmehr der Rechts- und Fachaufsicht vorbehalten. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist auch nicht befugt, einzelne Optionskommunen von dem automatisierten Verfahren für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen des Bundes (HKR-Verfahren) auszuschließen. Dieses Verfahren dient der Unterstützung und Dokumentation wesentlicher Tätigkeiten bei der Ausführung des Haushaltsplans, der Abwicklung des Zahlungsverkehrs, der Buchführung und der Rechnungslegung sowie der Bereitstellung von tagesaktuellen Informationen über den Stand des Haushaltsvollzugs für alle bewirtschaftenden Dienststellen und ermöglicht die automatisierte Bereitstellung der im Haushaltsgesetz festgestellten Einnahmen, Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen sowie deren unterjährige Veränderungen (wie Restebewilligungen, Nachträge). Im vorliegenden Zusammenhang dient es der Sache nach dazu, eine Vorfinanzierung der Leistungen für die Grundsicherung für Arbeitsuchende durch die Optionskommunen zu vermeiden. Da ein Ausschluss vom HKR-Verfahren für die betroffenen kommunalen Träger erhebliche wirtschaftliche Belastungen und Risiken mit sich brächte und insoweit Sanktionscharakter besäße, ist er von § 6b Abs. 4 SGB II nicht gedeckt. Sanktionen sind kennzeichnend für die Aufsicht, zu der Art. 91e Abs. 2 Satz 2 GG den Bundesgesetzgeber gerade nicht ermächtigt.

183

cc) Ob ein Eingriff in die Finanzhoheit der Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3, 1. Halbsatz GG) und Gemeindeverbände (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3, 1. Halbsatz GG) vorliegt, wenn staatliche Stellen über den Einsatz der Finanzmittel zu unterrichten sind und ihnen Einsicht in Bücher und sonstige Unterlagen gewährt werden muss, hat das Bundesverfassungsgericht bislang offen gelassen, da etwaige Einschränkungen in den entschiedenen Fällen jedenfalls gerechtfertigt waren (vgl. BVerfGE 127, 165 <208>). Das gilt auch hier, wo der Eingriff in die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung mit Blick auf die gesamtstaatliche Bedeutung der Grundsicherung für Arbeitsuchende und den damit verbundenen erheblichen Einsatz von Bundesmitteln im öffentlichen Interesse liegt.

Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt.

(1) Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe.

(2) Zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung kann ein Land in Fällen von besonderer Bedeutung Kräfte und Einrichtungen des Bundesgrenzschutzes zur Unterstützung seiner Polizei anfordern, wenn die Polizei ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen könnte. Zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall kann ein Land Polizeikräfte anderer Länder, Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen sowie des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte anfordern.

(3) Gefährdet die Naturkatastrophe oder der Unglücksfall das Gebiet mehr als eines Landes, so kann die Bundesregierung, soweit es zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist, den Landesregierungen die Weisung erteilen, Polizeikräfte anderen Ländern zur Verfügung zu stellen, sowie Einheiten des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte einsetzen. Maßnahmen der Bundesregierung nach Satz 1 sind jederzeit auf Verlangen des Bundesrates, im übrigen unverzüglich nach Beseitigung der Gefahr aufzuheben.

(1) Die Bundespolizei kann zur Unterstützung eines Landes verwendet werden

1.
zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung in Fällen von besonderer Bedeutung nach Artikel 35 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes,
2.
zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall nach Artikel 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 des Grundgesetzes,
3.
zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes nach Artikel 91 Abs. 1 des Grundgesetzes,
soweit das Land ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen kann.

(2) Die Unterstützung eines Landes durch die Bundespolizei nach Absatz 1 richtet sich nach dem für das Land geltenden Recht. Vorbehaltlich des Artikels 35 Abs. 3 des Grundgesetzes unterliegt die Bundespolizei dabei den fachlichen Weisungen des Landes.

(3) Die Entscheidung über eine Verwendung der Bundespolizei nach Absatz 1 trifft im Fall des Artikels 35 Abs. 3 des Grundgesetzes die Bundesregierung, im übrigen das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat auf Anforderung des Landes. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann seine Entscheidungsbefugnis in bestimmten Fällen durch Verwaltungsvorschrift auf eine Bundespolizeibehörde übertragen.

(4) Einer Anforderung der Bundespolizei ist zu entsprechen, soweit nicht eine Verwendung der Bundespolizei für Bundesaufgaben dringender ist als die Unterstützung des Landes. Die Anforderung soll alle für die Entscheidung wesentlichen Merkmale des Einsatzauftrages enthalten. Die durch eine Unterstützung eines Landes nach Absatz 1 entstehenden Mehrkosten trägt das Land, sofern nicht im Einzelfall aus besonderen Gründen in einer Verwaltungsvereinbarung etwas anderes bestimmt wird.

(5) Die Verpflichtung zur Amtshilfe bleibt unberührt.

Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt.

(1) Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht.

(2) Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern bemißt sich nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes über die ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebung.

Die Länder führen die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zuläßt.

(1) Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe.

(2) Zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung kann ein Land in Fällen von besonderer Bedeutung Kräfte und Einrichtungen des Bundesgrenzschutzes zur Unterstützung seiner Polizei anfordern, wenn die Polizei ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen könnte. Zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall kann ein Land Polizeikräfte anderer Länder, Kräfte und Einrichtungen anderer Verwaltungen sowie des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte anfordern.

(3) Gefährdet die Naturkatastrophe oder der Unglücksfall das Gebiet mehr als eines Landes, so kann die Bundesregierung, soweit es zur wirksamen Bekämpfung erforderlich ist, den Landesregierungen die Weisung erteilen, Polizeikräfte anderen Ländern zur Verfügung zu stellen, sowie Einheiten des Bundesgrenzschutzes und der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte einsetzen. Maßnahmen der Bundesregierung nach Satz 1 sind jederzeit auf Verlangen des Bundesrates, im übrigen unverzüglich nach Beseitigung der Gefahr aufzuheben.

(1) Die Bundespolizei kann zur Unterstützung eines Landes verwendet werden

1.
zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung in Fällen von besonderer Bedeutung nach Artikel 35 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes,
2.
zur Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall nach Artikel 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 des Grundgesetzes,
3.
zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes nach Artikel 91 Abs. 1 des Grundgesetzes,
soweit das Land ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen kann.

(2) Die Unterstützung eines Landes durch die Bundespolizei nach Absatz 1 richtet sich nach dem für das Land geltenden Recht. Vorbehaltlich des Artikels 35 Abs. 3 des Grundgesetzes unterliegt die Bundespolizei dabei den fachlichen Weisungen des Landes.

(3) Die Entscheidung über eine Verwendung der Bundespolizei nach Absatz 1 trifft im Fall des Artikels 35 Abs. 3 des Grundgesetzes die Bundesregierung, im übrigen das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat auf Anforderung des Landes. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann seine Entscheidungsbefugnis in bestimmten Fällen durch Verwaltungsvorschrift auf eine Bundespolizeibehörde übertragen.

(4) Einer Anforderung der Bundespolizei ist zu entsprechen, soweit nicht eine Verwendung der Bundespolizei für Bundesaufgaben dringender ist als die Unterstützung des Landes. Die Anforderung soll alle für die Entscheidung wesentlichen Merkmale des Einsatzauftrages enthalten. Die durch eine Unterstützung eines Landes nach Absatz 1 entstehenden Mehrkosten trägt das Land, sofern nicht im Einzelfall aus besonderen Gründen in einer Verwaltungsvereinbarung etwas anderes bestimmt wird.

(5) Die Verpflichtung zur Amtshilfe bleibt unberührt.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

1. Die Antragsgegnerin hat

a) den Antragsteller zu 1. durch die Antworten auf die in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 6. Juli 2011 gestellte Frage PlenProt 17/119, S. 13802 D, soweit sich diese auf die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien bezieht, und auf die schriftliche Frage 7/193 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) soweit sich diese darauf bezieht, ob eine positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates vorliegt,

b) die Antragstellerin zu 2. durch die Antwort auf die schriftliche Frage 7/132 von Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 24) soweit sich die Frage darauf bezieht, ob eine positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates vorliegt,

nach Maßgabe der Gründe in deren Rechten aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 und Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes verletzt.

2. In dem unter B.II.2. genannten Umfang werden die Anträge verworfen und im Übrigen zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Antragsteller sind Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Sie wenden sich dagegen, dass die Bundesregierung, die Antragsgegnerin, verschiedene Anfragen zu Kriegswaffenexporten nicht oder nur unzureichend beantwortet habe. Die Fragen betrafen die nach Presseberichten angeblich von der Antragsgegnerin erteilte Genehmigung für die Lieferung von 200 Panzern des Typs Leopard 2 an Saudi-Arabien sowie Waffenexporte nach Saudi-Arabien und Algerien.

I.

2

1. Die Ordnung der Kriegswaffenexportkontrolle hat in Deutschland Verfassungsrang. Nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG dürfen zur Kriegsführung bestimmte Waffen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Nähere regelt nach Satz 2 ein Bundesgesetz.

3

Das Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen - Kriegswaffenkontrollgesetz - KWKG) regelt die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Beförderung von Kriegswaffen innerhalb und außerhalb des Bundesgebietes sowie die Vermittlung und den Abschluss von Verträgen über den Erwerb oder das Überlassen von Kriegswaffen, die sich außerhalb des Bundesgebietes befinden. Kriegswaffen im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes sind gemäß § 1 Abs. 1 KWKG die in der dem Gesetz als Anlage beigefügten Kriegswaffenliste aufgeführten Gegenstände, Stoffe und Organismen. Die Ausfuhr von Kriegswaffen setzt nach § 3 Abs. 3 KWKG eine Beförderungsgenehmigung voraus. Über diese Genehmigung, die jederzeit widerrufen werden kann, wird nach Ermessen entschieden, sofern keine zwingenden Versagungsgründe nach § 6 Abs. 3 KWKG vorliegen. Zu versagen ist die Genehmigung unter anderem, wenn die Gefahr besteht, dass die Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung, insbesondere bei einem Angriffskrieg, verwendet werden, § 6 Abs. 3 Nr. 1 KWKG. Leitlinien für die Ermessensentscheidung bilden die "Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" vom 19. Januar 2000 (Bundesanzeiger Nr. 19 vom 28. Januar 2000, S. 1299 ff.). Gemäß § 3 Abs. 4, § 4 Abs. 2 und § 4a Abs. 4 KWKG können allgemeine Genehmigungen erteilt werden. Dies erfolgt durch Rechtsverordnungen der Bundesregierung, die der Zustimmung des Bundesrates nicht bedürfen, § 8 Abs. 1 und 4 KWKG.

4

Da alle Kriegswaffen im Sinne des KWKG zugleich in der Ausfuhrliste der Verordnung zur Durchführung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWV - Anlage AL) aufgeführt sind, ist für deren Ausfuhr regelmäßig auch eine Genehmigung nach dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) erforderlich (Ehrlich, in: Bieneck (Hrsg.), Handbuch des Außenwirtschaftsrechts, 2. Aufl. 2005, § 2 Rn. 4). Weitere Genehmigungsanforderungen für den Export militärisch relevanter Güter können sich aus Unionsrecht ergeben, namentlich aus der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 des Rates vom 5. Mai 2009 über eine Gemeinschaftsregelung für die Kontrolle der Ausfuhr, der Verbringung, der Vermittlung und der Durchfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck (sogenannte "Dual-Use-Verordnung", ABl L 134 vom 29. Mai 2009, S. 1 ff.) zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 388/2012 vom 19. April 2012 (ABl L 129 vom 16. Mai 2012, S. 12 ff.).

5

Zuständig für die Erteilung oder Versagung von Ausfuhrgenehmigungen nach dem AWG und der AWV ist gemäß § 13 Abs. 1 AWG grundsätzlich das zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (ehemals Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie) gehörende Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Außenwirtschaftsrechts (BGBl I 2013 S. 1482) am 1. September 2013 ergab sich diese Zuständigkeit aus § 28 Abs. 3 Nr. 1 AWG in Verbindung mit § 1 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten im Außenwirtschaftsverkehr vom 18. Juli 1977 (BGBl I S. 1308), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 27. Juli 2011 zur Umsetzung der Richtlinie 2009/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 zur Vereinfachung der Bedingungen für die innergemeinschaftliche Verbringung von Verteidigungsgütern (BGBl I S. 1595).

6

Die Zuständigkeit für die Erteilung der Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen liegt nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG, § 11 Abs. 1 KWKG bei der Bundesregierung. Durch § 11 Abs. 2 und 3 KWKG wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates nicht bedarf, die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung auf bestimmte Bundesministerien für ihren jeweiligen Geschäftsbereich zu übertragen. Von dieser Delegationsbefugnis hat die Bundesregierung mit Erlass der Ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen vom 1. Juni 1961 (BGBl I S. 649), zuletzt geändert durch Art. 344 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl I S. 2407, 2453) Gebrauch gemacht. Durch § 1 der Ersten Durchführungsverordnung wird die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung für den Bereich der Bundeswehr auf das Bundesministerium für Verteidigung (Abs. 1 Nr. 1), für den Bereich des Zollgrenzdienstes auf das Bundesministerium der Finanzen (Abs. 1 Nr. 2), für den Bereich der für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörden oder Dienststellen sowie der Behörden des Strafvollzugs auf das Bundesministerium des Innern (Abs. 1 Nr. 3) und für alle übrigen Bereiche auf das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Abs. 1 Nr. 4) übertragen. Für die Beförderung von Kriegswaffen mit deutschen Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im Ausland überträgt § 1 Abs. 2 Satz 1 der Ersten Durchführungsverordnung die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung auf das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, das diese Befugnis nach Satz 2 im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt ausübt.

7

§ 10 KWKG enthält Bestimmungen über Inhalt und Form der Genehmigung, die weiteren Einzelheiten des Genehmigungsverfahrens sind geregelt in der auf der Grundlage von § 11 Abs. 4 KWKG von der Bundesregierung erlassenen Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen vom 1. Juni 1961 (BGBl I S. 649), zuletzt geändert durch Art. 31 des Gesetzes über die Zusammenlegung des Bundesamtes für Wirtschaft mit dem Bundesausfuhramt vom 21. Dezember 2000 (BGBl I S. 1956).

8

In der Praxis der Genehmigungsverfahren nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz und dem Außenwirtschaftsgesetz hat sich das gesetzlich nicht geregelte Institut der Voranfrage herausgebildet. Durch eine Voranfrage kann ein Unternehmen frühzeitig klären, ob die für ein beabsichtigtes Exportgeschäft erforderliche Genehmigung voraussichtlich erteilt würde. Über Voranfragen wird nach den gleichen Kriterien entschieden wie über Genehmigungsanträge. Voranfragen zu Kriegswaffenausfuhren sind an das Auswärtige Amt und bei sonstigen Rüstungsgütern an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zu richten. Auch das weitere Verfahren entspricht der Bearbeitung von Anträgen auf Genehmigungserteilung. Bedeutende Vorhaben werden dem Bundessicherheitsrat vorgelegt. Die Voranfrage ersetzt nicht die - im Regelfall erst nach Abschluss des jeweiligen Kaufvertrages - zu beantragende Genehmigung (siehe zum Ganzen den vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie herausgegebenen "Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahre 2013 - Rüstungsexportbericht 2013" vom Mai 2014, S. 6 f.).

9

Bei Ausfuhrvorhaben, die im Hinblick auf das Empfängerland, das Rüstungsgut oder den Geschäftsumfang von besonderer Bedeutung sind, wird in der Regel der Bundessicherheitsrat befasst (Rüstungsexportbericht 2013, S. 7). Beim Bundessicherheitsrat handelt es sich um einen Kabinettausschuss zur ressortübergreifenden Koordinierung von Aspekten der Verteidigungs- und Außenpolitik sowie von Gesichtspunkten des Außenwirtschaftsrechts (Busse/Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, 5. Aufl. 2010, S. 97). Den Vorsitz im Bundessicherheitsrat führt die Bundeskanzlerin, weitere Mitglieder sind die Bundesministerinnen und Bundesminister des Auswärtigen, des Innern, der Justiz und für Verbraucherschutz, der Finanzen, für Wirtschaft und Energie, der Verteidigung, für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und der Chef des Bundeskanzleramtes (Rüstungsexportbericht 2013, ebd.). Andere Teilnehmer werden bei Bedarf mit beratender Stimme hinzugezogen, so etwa andere Bundesministerinnen und -minister, der Generalinspekteur der Bundeswehr, die Chefs des Bundespräsidialamtes und des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, die Beauftragte der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle usw. Die Abstimmung im Bundessicherheitsrat erfolgt nach den Grundsätzen, die § 24 der Geschäftsordnung der Bundesregierung für Kabinettsitzungen vorsieht. Die Sitzungen des Bundessicherheitsrates werden durch ein beim Bundeskanzleramt angesiedeltes interministerielles Sekretariat und einen Ausschuss auf Staatssekretärsebene vorbereitet. Die Ergebnisse der Beratungen des Bundessicherheitsrates werden in Sitzungsprotokollen festgehalten, die mit dem Geheimhaltungsgrad "Geheim" eingestuft sind (zum Ganzen Glawe, Organkompetenzen und Handlungsinstrumente auf dem Gebiet der nationalen Sicherheit, 2011, S. 35 ff.; Zähle, Der Staat 44 (2005), S. 462 <471 ff.>).

10

2. Die Bundesregierung informiert durch ihre jährlichen Rüstungsexportberichte über die im vorangegangenen Kalenderjahr erteilten Genehmigungen zur Ausfuhr von Rüstungsgütern und die tatsächlich erfolgten Ausfuhren von Kriegswaffen. Die Berichte werden bislang regelmäßig in der zweiten Jahreshälfte des auf das Berichtsjahr folgenden Jahres veröffentlicht (zu beabsichtigten Änderungen siehe Rn. 103). Sie enthalten statistische Angaben zu den erteilten Genehmigungen ohne Nennung des jeweiligen Exportunternehmens und Angaben in allgemeiner Form zu abgelehnten Anträgen. Begründungen für die Genehmigung oder Ablehnung eines Rüstungsexportgeschäftes werden nicht mitgeteilt soweit nicht nach dem Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern (ABl L 335 vom 13. Dezember 2008, S. 99 ff.) im Rahmen der danach vorgesehenen Ablehnungsanzeigen (sogenannte denial notifications) Ablehnungsgründe mitgeteilt wurden. Auch über die in dem jeweiligen Berichtsjahr beschiedenen Voranfragen betreffend die Genehmigungsfähigkeit bestimmter Ausfuhrvorhaben wird nicht berichtet (siehe zum Ganzen Rüstungsexportbericht 2013, S. 17).

11

Bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen beruft sich die Bundesregierung in ständiger Praxis darauf, dass Sitzungen und Entscheidungen des Bundessicherheitsrates der Geheimhaltung unterlägen und deshalb keine Auskunft gegeben werden könne (vgl. etwa BTDrucks 14/383, S. 2; 14/1466 S. 2; 14/1938, S. 3; PlenProt 14/68, S. 6063 A, 6066 A; BTDrucks 14/2483, S. 27 f.; 14/3619, S. 4 und 5; 14/3657, S. 3; 14/6958, S. 1 f.; 15/288, S. 26; 15/5998, S. 16; 16/7969, S. 6; PlenProt 16/97, S. 9947 C; PlenProt 16/99, S. 10101 D, 10102 A; zu einzelnen Ausnahmen vgl. etwa PlenProt 14/68, S. 6063 D und PlenProt 16/223, S. 24509).

12

Zu Voranfragen über die Genehmigungsfähigkeit bestimmter Ausfuhrvorhaben äußert sich die Bundesregierung bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen grundsätzlich nicht (vgl. BTDrucks 17/10520). Teilweise wurde in der Vergangenheit allerdings mitgeteilt, ob eine Voranfrage hinsichtlich der Genehmigungsaussichten eines bestimmten Exportgeschäfts (vgl. etwa BTDrucks 14/383, S. 1 und 2; 14/1466, S. 2; PlenProt 14/107, S. 10045 C und D, 10046 B; BTDrucks 14/3619, S. 2 und 3; 16/7969, S. 6) oder ein Genehmigungsantrag vorliegt (vgl. BTDrucks 14/3619, S. 3; 14/4213, S. 25; 14/4364, S. 3; 15/4295, S. 21 f.; 16/3430, S. 3; 17/9710, S. 12; 17/2889, S. 3). Nach Darstellung der Bundesregierung wird über abgelehnte Anträge, soweit sie den Bundessicherheitsrat involvieren, überhaupt nicht, ansonsten nur in Form des Rüstungsexportberichts Auskunft gegeben (vgl. PlenProt 17/161, S. 19141 B).

13

Die Gründe für die Ablehnung von Anträgen teilt die Bundesregierung auf parlamentarische Anfragen hin grundsätzlich nur mit, wenn diese nach dem Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP ohnehin als denial notification anzuzeigen sind (vgl. BTDrucks 16/12673, S. 8; 17/8275, S. 11 f.; 17/3391, S. 8).

II.

14

Dem Verfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

15

1. Anfang Juli 2011 berichteten mehrere Zeitschriften, Saudi-Arabien habe an mehr als 200 Panzern "Leopard" in der modernsten Version Interesse. Der Bundessicherheitsrat habe den Export grundsätzlich gebilligt. Die Artikel kritisierten die Panzerlieferung unter Verweis darauf, dass saudi-arabische Truppen im benachbarten Bahrain geholfen hätten, Proteste gegen die Regierung niederzuschlagen, und dass Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien in jüngerer Zeit stets abgelehnt worden seien. Zudem wurde berichtet, Deutschland wolle mit Algerien "milliardenschwere Rüstungsexporte abwickeln".

16

2. In der Fragestunde im Deutschen Bundestag am 6. Juli 2011 stellte der Abgeordnete Volker Beck die dringliche Frage 1, wie die Bundesregierung die Genehmigung der Lieferung von mehr als 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien vor dem Hintergrund von Saudi-Arabiens Intervention in Bahrain und der Lage im Nahen Osten rechtfertige. Hierauf antwortete der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Hans-Joachim Otto, nach allgemeinen Ausführungen über die Entscheidungsgrundlagen für Rüstungsexporte (PlenProt 17/119, S. 13797 D):

17

" (...) Bei etwaigen Ausfuhrvorhaben, die besonders brisant oder von besonderem Interesse sind, entscheidet in der Regel der Bundessicherheitsrat. (...) Herr Kollege Beck, Sie wissen genauso gut wie ich, dass der Bundessicherheitsrat seit jeher geheim tagt. Auch die Tagesordnungen und die Ergebnisse sind als Geheim eingestuft. Daher kann - dafür haben Sie sicherlich Verständnis - die Bundesregierung zu den Presseberichten über angebliche Entscheidungen des Bundessicherheitsrates keine Stellung nehmen. Ich möchte hinzufügen: Das war noch nie anders.

Die Notwendigkeit zur Geheimhaltung - das will ich noch erläutern - entsteht nicht aus irgendwelchen subjektiven Interessen oder Wünschen des Kabinetts oder des Bundessicherheitsrates, sondern es geht vorrangig um das Schutzbedürfnis der Beziehungen Deutschlands zu den möglichen Empfängerländern. Ein weiterer Grund ist der Schutz der Interessen des Empfängerlandes.

Zu den konkreten Presseberichten kann und darf ich deshalb nicht Stellung nehmen. Ich will aber trotzdem kurz zu Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien allgemein Stellung nehmen. (...)"

18

Auf eine Zusatzfrage des Abgeordneten Beck hin führte der Parlamentarische Staatssekretär Otto unter anderem aus:

"Herr Kollege Beck, erstens liegen Sie falsch, wenn Sie meinen, dass die Ergebnisse der Sitzungen des Bundessicherheitsrats in die Öffentlichkeit getragen werden dürfen. Es ist sogar so, dass man sich strafrechtlich zu verantworten hätte, wenn man der Öffentlichkeit Dienstgeheimnisse preisgäbe. (…) Weil das so ist - weil der Bundessicherheitsrat nicht öffentlich, sondern geheim tagt und auch die Ergebnisse geheim sind -, kann ich zum Thema Bahrain nicht im Einzelnen Stellung nehmen. (...) Ich kann weder bestätigen noch dementieren, dass es überhaupt eine Entscheidung gegeben hat."

19

Nach weiteren Zusatzfragen stellte der Antragsteller zu 1. die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13802 D):

"Herr Staatssekretär, Sie haben gerade auf die Fragen des Kollegen geantwortet, die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien sei anders als die in Deutschland. Ich frage Sie deshalb: Ist der Bundesregierung bekannt, dass in Saudi-Arabien von Amts wegen - also von Staats wegen - Menschen ausgepeitscht, in entwürdigender Art und Weise hingerichtet und unterdrückt werden, dass keine Bürgerrechte gelten, dass insbesondere Frauen, die nicht einmal Auto fahren dürfen, unterdrückt werden? Gibt die Bundesregierung mir recht, dass es sich hierbei um eine innere Repression sowie um eine fortdauernde und systematische Menschenrechtsverletzung handelt? Ist es, wenn solche Voraussetzungen vorliegen, nach den Richtlinien für Rüstungsexporte in solche Länder so, dass Genehmigungen nicht in Betracht kommen?"

20

Antwort Otto:

"Herr Kollege Ströbele, sollte es zu einer Entscheidung gekommen sein oder sollte es noch zu einer Entscheidung kommen, sind all diese Dinge zu berücksichtigen. Es ist nicht meine Aufgabe, jetzt hier eine Menschenrechtslage im Detail zu beurteilen. Ich bin Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Im Übrigen gibt es in Bezug auf diese Gesichtspunkte einen Abwägungsprozess. Auch die Menschenrechtslage ist im Rahmen eines Abwägungsprozesses zu berücksichtigen. Ich habe Ihnen bzw. Kollegen von Ihnen schon gesagt, dass wir uns - sonst würden wir den Menschenrechtsdialog nicht führen - Verbesserungen an dieser Front wünschen und diese anstreben. Wie Sie wissen, macht die EU das. Das gilt auch für die Bundesregierung. Detailfragen aber - ob Auspeitschungen und ähnliche Dinge vorkommen - sind nicht an den Bundeswirtschaftsminister zu richten."

21

Der Bundestagspräsident wies darauf hin, dass die Antworten unbeschadet der Aufteilung auf die Ressorts an die Regierung gerichtet und von dieser beantwortet würden.

22

Nach einer weiteren Zusatzfrage stellte die Antragstellerin zu 2. die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13803 D):

" (...) Herr Staatssekretär, Sie haben zu Beginn Ihrer Ausführungen die Rechtsgrundlagen dargelegt und die Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung zitiert. Danach sind Kriegswaffenexporte in Drittstaaten grundsätzlich verboten. Von diesem Grundsatz darf nur ausnahmsweise, beim Vorliegen besonderer sicherheitspolitischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland, abgewichen werden."

23

Antwort Otto:

"Korrekt".

24

Die Antragstellerin zu 2.:

"Dort steht aber auch: Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine Rolle spielen."

25

Antwort Otto:

"Keine ausschlaggebende."

26

Die Antragstellerin zu 2.:

"Können Sie ausschließen, dass bei der Entscheidung des Bundessicherheitsrates beschäftigungspolitische oder gar industriepolitische Gründe eine Rolle gespielt haben?"

27

Antwort Otto:

"Frau Kollegin, zunächst einmal: Ich kann Ihnen aus den bekannten Gründen gar keine Auskunft darüber geben, ob diese Entscheidung getroffen worden ist oder nicht. Ich möchte aber, um das klarzustellen, die entsprechende Stelle der Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung zitieren. In den Politischen Grundsätzen heißt es: Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine ausschlaggebende Rolle spielen. Dies bedeutet allerdings im Umkehrschluss, dass sie eine gewisse Rolle spielen dürfen, sozusagen als nachrangige Gründe. Ich kann mir vorstellen, dass dies auch bei ähnlichen Entscheidungen in der Vergangenheit der Fall war. Das wäre auch völlig legitim gewesen, weil die Politischen Grundsätze wie erwähnt niedergelegt worden sind. Ausschlaggebend ist das sicherheits- und bündnispolitische Interesse. Nachrangig können auch beschäftigungspolitische Gründe eine Rolle spielen."

28

Die Antragstellerin zu 3. schloss die Zusatzfrage an (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B):

" (...) Herr Otto, meine erste Frage. In der heutigen Ausgabe der seriösen Süddeutschen Zeitung war zu lesen: Aus Regierungskreisen verlautete, dass im Vorfeld der Entscheidung im Bundessicherheitsrat am 27. Juni dieses Jahres die Zustimmung von Israel und den USA eingeholt worden sei und dass beide Staaten nicht nur konsultiert worden seien, sondern auch keine Bedenken angemeldet hätten. - Stimmen diese Verlautbarungen aus Regierungskreisen? Meine zweite Frage. Sie haben vorhin gesagt, es gehe darum, dass die deutsche Außenpolitik die Werteordnung in der Region, in Saudi-Arabien, stabilisieren will. Von welcher Werteordnung sprechen Sie? Sind Menschenrechte Ihrer Meinung nach nicht universell gültig, sondern ist ihre Geltung von der jeweiligen Region abhängig?"

29

Antwort Otto:

"Ich möchte zunächst zu Ihrer zweiten Frage Stellung nehmen. Selbstverständlich sind Menschenrechte - sie sind in der UN-Menschenrechtscharta niedergelegt - weltweit gültig. (…)

Insofern: Die Standards, an denen wir die Menschenrechtslage messen, sind in der UN-Menschenrechtscharta niedergelegt, und an dieser universell geltenden Charta halten wir fest. Ich habe bereits geschildert, dass es in Saudi-Arabien diesbezüglich Defizite gibt. Sonst würden wir auch nicht in einem ständigen Dialog stehen.

Zu dem ersten Teil Ihrer Frage würde Herr Staatsminister von Klaeden gerne Stellung nehmen, wenn, Herr Präsident, das erlaubt ist."

30

Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin:

"Frau Kollegin Roth, es gilt das, was Kollege Staatssekretär Otto bereits gesagt hat, nämlich dass wir zu den Sitzungen des Bundessicherheitsrates keine Auskunft geben. Das gilt dann eben auch für die Frage, ob Pressemeldungen dementiert oder bestätigt werden. Ich will aber gerne noch einmal die Gelegenheit nutzen, einige Sätze zu unseren Beziehungen zu Saudi-Arabien zu sagen, damit hier kein unausgewogenes Bild entsteht. Hinsichtlich der Menschenrechtslage in Saudi-Arabien besteht zwischen der Einschätzung der seriösen Menschenrechts- und Außenpolitiker des Bundestages und der Einschätzung der Bundesregierung keine Differenz. Warum Saudi-Arabien trotz seiner schwierigen Menschenrechtssituation gleichwohl ein wichtiger Partner für uns ist, will ich an folgenden Punkten deutlich machen: (...)"

31

Nach weiteren Zusatzfragen zur Rolle Saudi-Arabiens in Bezug auf terroristische Aktivitäten und die Ereignisse in Bahrain stellte der Abgeordnete Dr. Frithjof Schmidt die Zusatzfrage, ob die Bundeskanzlerin die Ermächtigung erteilen könne, über Sitzungen des Bundessicherheitsrates Auskunft zu geben, und ob eine politische Begründung genannt werden könne, weshalb sie dies nicht tue.

32

Antwort Otto:

"Ich nehme hier nicht die Rolle der Bundeskanzlerin ein. Ich sitze nicht auf ihrem Platz, sondern daneben. Aber ganz klar ist, dass es zumindest seit dem Jahr 2000 völlig unstreitig ist, (...) dass der Verlauf und die Ergebnisse der Sitzungen des Bundessicherheitsrats als Geheim einzustufen sind, was zur Folge hat, dass niemand, auch nicht die Bundeskanzlerin, das Recht hat, dies sozusagen durch freie Entscheidung zu öffnen. (...)"

33

Anschließend wurde die dringliche Frage 2 des Antragstellers zu 1) (BTDrucks 17/6438, S. 1) aufgerufen (PlenProt 17/119, S. 13807 A):

"Welche Angaben macht die Bundesregierung zum jetzt bekannt gewordenen Zustandekommen des Waffengeschäfts über die Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern von Deutschland an Saudi-Arabien hinsichtlich der Zahlung 'nützlicher Aufwendungen' sowie der Vermittler, Unterstützer in der Bundesregierung und Nutznießer dieses Waffengeschäfts?"

34

Antwort Otto:

"Herr Kollege Ströbele, ein Teil Ihrer Frage bezieht sich auf das, was wir eben schon ausgiebig diskutiert haben. Ich nehme Bezug auf das, was ich eben schon gesagt habe, und möchte das nicht verlängern. Im Übrigen kann ich Ihnen mitteilen, dass der Bundesregierung keinerlei Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vorliegen, die irgendwie im Zusammenhang mit dem in der Presseberichterstattung genannten Geschäft stehen könnten. Wäre es anders, würde die Bundesregierung von irgendeiner gesetzwidrigen Zahlung Erkenntnisse bekommen, dann wäre das eine Sache der Strafverfolgungsbehörden. Auch insofern verweise ich auf die Richtlinie der Bundesregierung zur Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung vom 30. Juli 2004. Sie werden sie sicherlich noch gut kennen; sie ist nämlich in der Zeit der rot-grünen Regierungskoalition verabschiedet worden. Auch sie, Herr Kollege Ströbele, gilt unverändert fort."

35

Der Antragsteller zu 1. stellte folgende Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C):

"Herr Staatssekretär, Ihre Auffassung, dass Sie hier jegliche Auskunft über das Geschäft verweigern dürfen, ist nicht nur abenteuerlich, sondern verfassungswidrig. Sie hebeln faktisch das Recht des Deutschen Bundestages, die Bundesregierung zu kontrollieren, in diesem wichtigen Punkt, der mindestens die Hälfte der deutschen Bevölkerung beschäftigt, für ein Jahr aus.

Meine Frage an Sie lautet: Wie viel kosten die 200 Leopard-Kampfpanzer, wenn man sie in Deutschland kauft bzw. verkauft, und wie viel soll die saudi-arabische Regierung dafür bezahlen? Denn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Kaufpreis und dem, was tatsächlich gezahlt wird, gilt wie schon im Jahr 1991 als sogenannte nützliche Aufwendungen, das heißt Bestechungsgelder.

Deshalb richte ich als Abgeordneter des Bundestages, der die Bundesregierung auch bei diesem Geschäft kontrollieren muss, diese Frage an Sie."

36

Antwort Otto:

"Herr Kollege Ströbele, mit allem Respekt: Es ist sehr mutig, was Sie hier machen. Zunächst einmal weise ich den Vorwurf, ich würde mich verfassungswidrig verhalten, mit allem Nachdruck zurück. Ich mache genau das, was alle Bundesregierungen bisher aus gutem Grund gemacht haben. Nennen Sie mir einen einzigen Fall aus den vergangenen Jahren, auch unter rot-grüner Regierung, in dem sich ein Staatssekretär hier hingestellt hat und gesagt hat: Herr Ströbele, das und das ist im Bundessicherheitsrat beschlossen worden. - Das hat es nie gegeben, und dafür gibt es gute Gründe. Das hat mit Verfassungswidrigkeit nichts zu tun. Es war die rot-grüne Bundesregierung, die noch einmal festgestellt hat, dass die Berichterstattung über die Beschlüsse des Bundessicherheitsrates und die Rüstungsexportpolitik in einem jährlichen Rüstungsexportbericht niedergelegt wird. Dadurch wird das Parlament beteiligt.

Der Rüstungsexportbericht für 2010 wird in Kürze veröffentlicht. Ich kann Ihnen die Zahlen für Saudi-Arabien geben. Im Übrigen, Herr Kollege Ströbele, zu dem, was Sie da an Spekulationen geäußert haben - also zur Preisdifferenz; das, was in der Presse steht -, will ich in keiner Weise Stellung nehmen. Ich halte Ihre Spekulationen wirklich für abenteuerlich und weise sie zurück. Die Annahme, dass ein in Saudi-Arabien gegenüber Deutschland veränderter Preis automatisch mit nützlichen Aufwendungen, kriminellen Handlungen verbunden ist, ist wirklich - mit Verlaub - Ihre private Meinung. Das ist nicht die Meinung der Bundesregierung."

37

Der Antragsteller zu 1. stellte folgende zweite Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13807 D, S. 13808 A):

"Herr Staatssekretär, bis zum Jahre 1999 habe ich es auch als abenteuerlich angesehen, dass ein ausgewachsener deutscher Bundeskanzler Barbeträge, gebündeltes Bares von Spendern anonym entgegennimmt und in seine Jackentasche steckt. Ich habe es auch als abenteuerlich angesehen, dass 220 Millionen Euro an sogenannten nützlichen Aufwendungen gezahlt wurden, von denen 1 Million an die CDU, an deren Schatzmeister, geflossen sind. Das war alles abenteuerlich. Seit dem Jahr 1999 weiß ich, dass so etwas in der Bundesrepublik Deutschland möglich ist. Deshalb stelle ich Ihnen nochmals die Frage: Sind Sie bereit, über Einzelheiten dieses Geschäfts dem Deutschen Bundestag Auskunft zu geben, oder verweigern Sie diese weiterhin in verfassungswidriger Weise?"

38

Antwort Otto:

"Herr Kollege Ströbele, in aller Klarheit: Der Vorwurf an ein Mitglied der Bundesregierung, sich verfassungswidrig zu verhalten, ist starker Tobak. Sie wissen genauso gut wie ich, weil Sie langjähriger Parlamentarier sind: Niemand von denen, die hier Zwischenrufe machen, würde sich anders verhalten, wenn er in meiner Situation wäre, niemand. Ich würde mich sogar strafbar machen, wenn ich irgendwelche Erkenntnisse, die ich als Mitglied der Bundesregierung erhalten habe, hier offenbarte. Das geht nicht anders. Das war zu Ihrer Zeit auch nicht anders. Dafür gibt es gute Gründe; das habe ich schon gesagt. Das hat mit Verfassungswidrigkeit gar nichts zu tun, Herr Kollege Ströbele, bei allem Respekt. Zu dem, was Sie zu früheren Zeiten, zu 1999, gesagt haben - auch ich war in dem Untersuchungsausschuss Mitglied -: Das ist aufgeklärt worden. Das wird sich auch nicht wiederholen. Ich hoffe nicht, dass durch Ihre Frage intoniert werden sollte, die jetzige Bundesregierung hätte Ähnliches vor oder getan. Ich weise das in aller Klarheit zurück. Das ist aufgearbeitet worden. Es hat auch Strafverfahren gegeben. Dass Sie das jetzt in einen Zusammenhang mit diesen Presseberichten stellen, finde ich schon sehr fragwürdig."

39

Zu weiteren Zusatzfragen zu bisherigen Anfragen Saudi-Arabiens wegen des Erwerbs von Panzern führte der Parlamentarische Staatssekretär Otto aus:

"Diese Antwort habe ich genauso zu verweigern wie jede andere. Auch solche Anfragen sind geheimschutzbedürftig. Ich bin nicht befugt, jede Frage nach Anfragen nach Rüstungsgütern zu beantworten. Das ist sehr naheliegend; denn wenn die Bundesregierung verpflichtet wäre, schon bei Eingang einer Anfrage die Öffentlichkeit zu informieren, dann würden viele - vielleicht sogar nach Ihrer Meinung - notwendige Geschäfte vereitelt. Das gilt übrigens auch für Anfragen jenseits von Rüstungsgütern, zum Beispiel nach Dual-use-Gütern. Die Verwaltung ist nicht befugt, Auskünfte über Anfragen nach Rüstungsgütern oder sonstige Exportgenehmigungen zu erteilen. Genauso wie bei jedem anderen Verwaltungshandeln ist das alles diskret zu behandeln. Darüber werden in der Öffentlichkeit keine Auskünfte gegeben. All das, was notwendig ist, um das Parlament zu unterrichten, enthält der Rüstungsexportbericht. Der Rüstungsexportbericht und die Stellung des Bundessicherheitsrates gehen nicht auf diese Regierung zurück. Es handelt sich hier um eine jahrzehntelange Praxis."

40

Nach weiteren Zusatzfragen zur Auslegung und Verbindlichkeit der Rüstungsexportrichtlinien, zur Bundesregierung als dem "Erfüllungsgehilfen der deutschen Rüstungslobby" und zum Entscheidungsverfahren im Bundessicherheitsrat wurde die dringliche Frage 3 der Antragstellerin zu 2. (BTDrucks 17/6438, S. 1) aufgerufen (PlenProt 17/119, S. 13810 D):

"Welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe führt die Bundesregierung für die Genehmigung der am 4. Juli 2011 durch das Magazin Der Spiegel gemeldeten Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien an, und wie bewertet die Bundesregierung die Vereinbarkeit dieser Lieferung mit den einzelnen Kriterien des EU-Kodex für Waffenausfuhren?"

41

Antwort Otto:

"Frau Kollegin Keul, nachdem ich schon recht ausführlich zu den dringlichen Fragen 1 und 2 Stellung genommen habe, kann ich in Ihrer Frage keinen zusätzlichen Gehalt erkennen, der über den der dringlichen Frage 1 hinausgeht. Deswegen wiederhole ich das, was ich auf die Frage des Kollegen Beck gesagt habe, auch Ihnen gegenüber."

42

Die Antragstellerin zu 2. stellte die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13811 A):

"Ich wüsste gerne, auf welche Weise die Bundesregierung ausschließt, dass die für Saudi-Arabien genehmigten Rüstungsexportgüter zu innerer Repression genutzt werden."

43

Antwort Otto:

"Frau Kollegin Keul, wenn ich dazu Stellung nähme, würde ich eine Auskunft geben, dass es eine Entscheidung gegeben hat oder dass es keine Entscheidung gegeben hat. Da ich diese Auskunft aus den bekannten Gründen nicht geben kann, kann ich Ihre Frage nicht beantworten. Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Grundsätze, sowohl die Politischen Grundsätze der Bundesregierung als auch die des Europäischen Rates, in jedem Einzelfall zu beachten sind und von der Bundesregierung in jedem Fall auch peinlich beachtet werden. Das ist die klare Aussage. Das ist eine Selbstbindung der Bundesregierung, die nach wie vor gilt. Da gibt es keine Veränderung. Es ist genau so wie in den Jahren vorher."

44

Als im Folgenden thematisiert wurde, ob es einen Austausch mit anderen Regierungen im Hinblick auf die Genehmigung gegeben habe, antwortete der Parlamentarische Staatssekretär Otto:

" (…) Das betrifft nicht den Bundessicherheitsrat, aber dabei handelt es sich um sicherheitspolitische Interessen, die hier nicht auf dem Markt verhandelt werden können. (…) Sicherheitspolitische Absprachen zwischen Bündnisländern können hier nicht im Einzelfall besprochen werden. Das kann nicht anders sein, und das gilt unabhängig von Rüstungsexportfragen. (…) Das sind Rücksichtnahmen auch auf bilaterale Beziehungen. (…)"

45

Später wurde die dringliche Frage 4 des Abgeordneten Niema Movassat aufgerufen:

"Wie vereinbart die Bundesregierung die geplante Lieferung von Panzern an Saudi-Arabien mit ihren Äußerungen, an der Seite der Demokratiebewegung in den arabischen Ländern zu stehen?"

46

Hierzu stellte die Antragstellerin zu 3. folgende Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13814 B):

"Herr Westerwelle hat in seinen ersten außenpolitischen Leitlinien dafür plädiert, dass jenen Staaten die Entwicklungshilfe zu streichen sei, in denen Männer und Frauen nur deshalb hingerichtet werden, weil sie homosexuell sind.

Unseres Wissens gibt es in Saudi-Arabien eine drakonische Verfolgung von Schwulen und von Lesben. Sie müssen mit der Todesstrafe rechnen, wenn man ihnen Homosexualität nachweisen kann. Muss ich Ihre Äußerungen jetzt so interpretieren, dass Saudi-Arabien keine Entwicklungshilfe, wenn es welche beantragen würde - Konjunktiv! -, bekommen würde, weil dort Homosexualität verfolgt wird, aber Panzer bekommen würde, weil diese zur Stabilisierung der Region beitragen?"

47

Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt:

"Frau Abgeordnete, was die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien anbelangt, will ich unterstreichen, was Sie gesagt haben: Die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien ist auf keinen Fall zu akzeptieren. Sie ist sehr unbefriedigend, auch wenn sich die Regierung seit einigen Jahren für Menschenrechtsthemen öffnet. 2009 gab es 69 Hinrichtungen und 2010 immer noch 29. Schlimm sind auch die religiöse Intoleranz, Frauendiskriminierung und Rechtlosigkeit ausländischer Arbeitskräfte und vieles andere mehr. Bei realistischer Einschätzung muss man sagen, dass die Bemühungen der Regierung und des Schura-Rates, also des rein beratenden und vom König ernannten Parlaments, die wichtigsten internationalen Menschenrechtsstandards in nationales Recht umzusetzen, sicher erst in Jahren erfolgreich sein werden. Das ist sehr unbefriedigend; da gebe ich Ihnen recht. Sehen Sie bitte auf der anderen Seite, dass wir an der Stabilität in dieser Region und an einer entsprechenden Sicherheitspolitik interessiert sind und deshalb auch nach Strohhalmen greifen. Es ist wichtig, dass sich Saudi-Arabien - Staatsminister von Klaeden hat es bereits gesagt - für Friedensinitiativen in der Region engagiert, wie es 2002 der Fall war."

48

3. Im Juli stellte die Antragstellerin zu 2. die schriftliche Anfrage an die Bundesregierung (Frage 7/132; BTDrucks 17/6658, S. 24):

"Wann hat die Bundesregierung den Verkauf von Transportpanzern Fuchs, Last- und Geländewagen, Fregatten oder Verteidigungs- und Sicherheitselektronik für den Grenzschutz bzw. dazu bestimmte Fertigungsanlagen an Algerien genehmigt (vgl. Handelsblatt, "Deutschland gibt Rüstung für Algerien frei", 3. Juli 2011) und welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe führt sie jeweils für die Genehmigung an?"

49

Für die Bundesregierung antwortete der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Jochen Homann, am 15. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 24 f.):

"Über Rüstungsexporte entscheidet die Bundesregierung im Einzelfall und im Lichte der jeweiligen Situation. Grundlage hierfür sind (…).

Bei Ausfuhrvorhaben, die im Hinblick auf das Empfängerland, das Rüstungsgut oder den Geschäftsumfang von besonderer Bedeutung sind, wird in der Regel der Bundessicherheitsrat befasst. (…).

Der Bundessicherheitsrat tagt geheim. Tagesordnung und Ergebnisse sind ebenso eingestuft. Daher kann die Bundesregierung zu den Presseberichten über Entscheidungen des Bundessicherheitsrats keine Stellung nehmen.

Die Notwendigkeit zur Geheimhaltung ergibt sich vorrangig aus dem Schutzbedürfnis der Beziehungen Deutschlands zu den möglichen Empfängerländern. Der Schutz der Interessen des Empfängerlands ist ein weiterer Grund.

Die Bundesregierung informiert über die erteilten Exportgenehmigungen für Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter nach Algerien in ihrem jährlichen Rüstungsexportbericht im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen. Bei der Entscheidung über Rüstungsexporte nach Algerien werden insbesondere die Zusammenarbeit mit Algerien im Kampf gegen den Terrorismus, die legitimen Sicherheitsinteressen Algeriens sowie die Menschenrechtslage in Algerien berücksichtigt."

50

Am 8. Juli 2011 stellte der Antragsteller zu 1. die Frage zur schriftlichen Beantwortung an die Bundesregierung (Frage 7/84; BTDrucks 17/6658, S. 56):

"Inwieweit trifft im Einzelnen zu, dass die Bundeswehr schon im 3. Quartal dieses Jahres - also in den jetzigen Monaten - Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien schicken (bzw. durch den Hersteller schicken lassen) wird und dort - wie schon zu Anfang 2011 in Katar - auf deren Klima- bzw. Wüstentauglichkeit sowie Kampffähigkeit testen lassen will, wie am 24. Mai 2011 der Abteilungsleiter im Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, [Herr] E., oder ein anderer Redner von dem Panzerbataillon 33 in der Wilhelmstein-Kaserne anlässlich der öffentlichen Soldaten-Verabschiedung nach Afghanistan angekündigt haben soll, und sofern dies grundsätzlich zutrifft, wie steht dieses Vorhaben im Zusammenhang mit dem offenbar genehmigten Verkauf von 200 Leopard-Panzern nach Saudi-Arabien?"

51

Für die Bundesregierung antwortete der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium Christian Schmidt am 18. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 56):

" (…) Nach den im BMVg vorliegenden Redetexten der Veranstaltung vom 24. Mai 2011 beim Panzerbataillon 33 lässt sich nicht erkennen, dass einer der Redner die Aussage getätigt hat, Leopard-Panzer sollen durch die Bundeswehr, oder in deren Auftrag durch den Hersteller KMW, in Saudi-Arabien getestet werden.

Ich darf Ihnen mitteilen, dass weder die Bundeswehr selbst noch durch Beauftragte die Klima- bzw. Wüstentauglichkeit sowie Kampffähigkeit von Leopard-Panzern in Saudi-Arabien feststellen lässt."

52

Am 14. Juli 2011 stellte der Antragsteller zu 1. die Frage zur schriftlichen Beantwortung an die Bundesregierung (Frage 7/193; BTDrucks 17/6658, S. 28):

"Welche Angaben macht die Bundesregierung zu getroffenen Entscheidungen der Bundesregierung bzw. ihrer Ausschüsse oder nachgeordneten Stellen betreffend die Lieferung von ca. 200 Panzer LEO in die Krisenregion am arabischen Golf nach Saudi-Arabien, insbesondere zu der bisherigen Verbindlichkeit der Entscheidungen und zu den Inhalten der Entscheidungen wie Verkaufspreise, Lieferbedingungen oder eventuellen Auflagen zum Einsatz in diesem Land oder in anderen Ländern, und wie rechtfertigt die Bundesregierung Entscheidungen über diese Kriegswaffenexporte angesichts der Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung, nach denen solche Kriegswaffenlieferungen in Länder wie Saudi-Arabien, in den fortdauernd und systematisch Menschenrechte verletzt werden, nicht in Betracht kommen?"

53

Für die Bundesregierung antwortete der Staatssekretär beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Dr. Bernhard Heitzer am 21. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 29):

"Der Bundesregierung sind die aktuellen Presseberichte über eine angebliche rüstungsexportkontrollpolitische Entscheidung des Bundessicherheitsrats zur Ausfuhr von 200 Panzern Leopard nach Saudi-Arabien bekannt. Tagesordnung und Entscheidungen des Bundessicherheitsrats unterliegen der Geheimhaltung. Daher kann die Bundesregierung hierzu nicht Stellung nehmen.

In allgemeiner Form kann jedoch gesagt werden:

Über Rüstungsexporte entscheidet die Bundesregierung im Einzelfall und im Lichte der jeweiligen Situation nach sorgfältiger Prüfung unter Einbeziehung außen- und sicherheitspolitischer Erwägungen. Grundlage hierfür sind die 'Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern' aus dem Jahr 2000 und der 'Gemeinsame Standpunkt 2008/944/GASP des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern'. Der Beachtung der Menschenrechte im Empfängerland und den Möglichkeiten eines Missbrauchs des konkreten Rüstungsguts kommen im Rahmen der hiernach vorzunehmenden Gesamtabwägung eine besondere Bedeutung zu.

Saudi-Arabien ist ein stabilisierender Faktor in der Region und wichtiger Partner der Bundesrepublik Deutschland.

Im Rahmen ihrer bilateralen Beziehungen mit Saudi-Arabien setzt sich die Bundesregierung für die Einhaltung von demokratischen Werten und Menschenrechten ein. (…)

(…) Die Bundesregierung verfolgt die aktuellen Entwicklungen in Saudi-Arabien und der Region sehr genau."

54

Am 14. Juli 2011 stellte die Antragstellerin zu 3. die schriftliche Frage an die Bundesregierung (Frage 7/174; BTDrucks 17/6658, S. 26):

"Wie begründet die Bundesregierung die Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern an Saudi-Arabien angesichts der geltenden Richtlinien für Rüstungsexporte, die Waffengeschäfte mit [Staaten wie] Saudi-Arabien aufgrund der hinreichenden Belege für massive und alltägliche Menschenrechtsverletzungen verbieten?"

55

Die Antwort des Staatssekretärs beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Dr. Bernhard Heitzer für die Bundesregierung am 21. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 26 f.) ist wortgleich mit der am gleichen Tag erteilten Antwort auf die Frage des Antragstellers zu 1. vom 14. Juli 2011.

56

Ebenfalls am 14. Juli 2011 stellte die Antragstellerin zu 3. die schriftliche Frage an die Bundesregierung (Frage 7/175; BTDrucks 17/6658, S. 27):

"Welche Angaben macht die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag gegenüber zum bekannt gewordenen Zustandekommen der Leopard-Kampfpanzerlieferung an Saudi-Arabien hinsichtlich der Zahlung 'nützlicher Aufwendungen' sowie der Vermittler, Unterstützer in der Bundesregierung und Nutznießer dieses Waffengeschäfts?"

57

Für die Bundesregierung antwortete der Staatssekretär beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Dr. Bernhard Heitzer am 21. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 27):

"Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, die im Zusammenhang mit dem in der Presseberichterstattung genannten Geschäfte stehen könnten. Anderenfalls wären bereits die Strafverfolgungsbehörden unterrichtet worden. Im Übrigen wird auf die Richtlinie der Bundesregierung zur Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung vom 30. Juli 2004 verwiesen."

III.

58

Die Antragsteller begehren die Feststellung, sie seien durch die Antragsgegnerin dadurch in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt worden, dass ihre oben wiedergegebenen Fragen beziehungsweise Nachfragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages vom 6. Juli 2011 und ihre oben wiedergegebenen schriftlichen Fragen durch die Antragsgegnerin nicht beziehungsweise unzureichend beantwortet worden seien.

59

1. Die Antragsteller sehen ihre Anträge als zulässig an. Insbesondere sei die Bundesregierung die richtige Antragsgegnerin. Sie könne nicht etwa auf eine Zuständigkeit des Bundessicherheitsrates verweisen, denn der Informationsanspruch der Abgeordneten und des Gesamtparlaments richte sich nach Maßgabe der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages gegen die Bundesregierung. Außerdem sei der Bundessicherheitsrat ein Ausschuss der Antragsgegnerin und damit Teil derselben.

60

2. Durch die Art der Beantwortung der Fragen habe die Antragsgegnerin sie in ihren verfassungsrechtlichen Rechten verletzt.

61

a) Aus Art. 38 Abs. 1 GG folge ein Informationsanspruch der Abgeordneten, dem hier auch angesichts der Regelung des Art. 26 Abs. 2 GG keine wesentlichen Schranken - etwa durch Geheimhaltungsbedürftigkeit im Hinblick auf den Bundessicherheitsrat als besonderen Entscheidungsträger - gesetzt werden könnten.

62

Art. 26 Abs. 2 GG sei als Verbot mit Befreiungsvorbehalt zu verstehen. Die Genehmigung selbst müsse jeweils unter Berücksichtigung der Ziele des Art. 26 Abs. 1 GG, jede Friedensstörung möglichst weitgehend zu vermeiden, gerechtfertigt werden. Dass Kriegswaffen nach Art. 26 Abs. 2 GG "nur mit Genehmigung der Bundesregierung" in Verkehr gebracht werden dürften, spreche im Zusammenhang mit Art. 62 GG dafür, dass nur die gesamte Bundesregierung im Kabinett eine entsprechende Entscheidung treffen könne. Eine Delegation an ein anderes Gremium sei in höchstem Maße verfassungsrechtlich bedenklich. Jedenfalls müsse die Bundesregierung selbst dann, wenn eine solche Delegation möglich wäre, in vollem Umfang die Verantwortung für die getroffenen Maßnahmen übernehmen.

63

Weil Art. 26 Abs. 2 GG der Bundesregierung eine besondere Verantwortung zuweise und die Ausübung dieser Verantwortung effektiv nur durch das Parlament kontrolliert werden könne, bestehe eine besonders stringente Informationspflicht gegenüber dem Parlament. Andere Kontrollmechanismen seien nur bedingt wirksam. Hinsichtlich der Genehmigungen bestehe im Wesentlichen ein ungebundenes Ermessen mit der Folge besonderer Korruptionsanfälligkeit. Dies zeigten auch die Feststellungen des ersten Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages in der 14. Wahlperiode zu Schmiergeld im Zusammenhang mit der Lieferung von Fuchs-Panzern an Saudi-Arabien. Vor dem damaligen Untersuchungsausschuss hätten die Zeugen Dr. Kohl und Genscher öffentlich über den Gang der Beratungen und die Entscheidung im Bundessicherheitsrat detailliert ausgesagt.

64

Das Informationsinteresse der Antragsteller sei vorliegend zudem besonders hoch gewesen. Die Pressemeldungen über den Export von 200 Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien hätten bei vielen Mitgliedern des Deutschen Bundestages und in der Öffentlichkeit zu Unruhe und Empörung geführt, weil die Bundesrepublik die Demokratiebewegungen des "arabischen Frühling(s)" begrüßt und unterstützt habe, gerade die Regierung des Königreichs Saudi-Arabien aber einige Wochen vorher nicht nur Demokraten im eigenen Land unterdrückt und systematisch Menschenrechte verletzt habe, sondern auch in Bahrain mit Panzern eingerückt sei, um zu helfen, die Demokratiebewegung dort blutig niederzuwalzen. Dies sei wiederum von zahlreichen Regierungen und Abgeordneten übereinstimmend verurteilt worden. Gerade die Leopard-Panzer Typ 2 A7 seien besonders ausgerüstet und geeignet für den Einsatz gegen Menschenmengen und für den Straßenkampf.

65

b) Geheimhaltungsgründe, die dem parlamentarischen Informationsrecht entgegenstehen könnten, habe die Antragsgegnerin nicht beziehungsweise nicht substantiiert dargetan. Die Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrats könne einen Geheimhaltungsbedarf nicht bindend gegenüber dem Parlament begründen. Im Übrigen könne und müsse die Geheimhaltung aufgehoben werden, wenn keine hinreichenden Gründe für diese bestünden.

66

Die Antragsgegnerin könne nicht auf die Erfüllung des parlamentarischen Informationsanspruchs durch den jährlichen Rüstungsexportbericht verweisen. Nicht die Antragsgegnerin bestimme, in welcher Weise und wann das Parlament Informationen erhalte, sondern allein das nach den Maßgaben der Geschäftsordnung des Bundestages an sie herangetragene Informationsbegehren.

67

Die Geheimhaltungsbedürftigkeit könne auch nicht mit rechtlich geschützten Interessen der Exporteure begründet werden. Da deren Geschäfte von der Verfassung gerade grundsätzlich missbilligt würden, fehle es an einer verfassungsrechtlich schützenswerten Rechtsposition. Hersteller und Verkäufer von Kriegswaffen müssten ebenso wie Abnehmer mit Rücksicht auf die Friedensverpflichtung aus Art. 26 GG mit einer nur eingeschränkten Geltung von Betriebsgeheimnissen jedenfalls gegenüber dem Parlament rechnen. Dass Saudi-Arabien Interesse am Kauf deutscher Panzer einer bestimmten Firma habe, sei überdies seit Jahren bekannt und kein schützenswertes Betriebsgeheimnis mehr.

68

Einen Schutz des Kernbereichs der Entscheidungsfindung könne die Antragsgegnerin grundsätzlich nur bei laufenden Vorgängen in Anspruch nehmen. Solange sie nicht klar sage, ob und von wem eine Entscheidung überhaupt getroffen worden sei, berufe sie sich nicht substantiiert auf den Kernbereichsschutz. Der Gesichtspunkt der "Aufklärung von Missständen" gebiete zudem vorliegend einen engen Zuschnitt des Kernbereichs auch bei laufenden Vorgängen. Überdies sei der Vorgang bereits mit der politischen Entscheidung des Bundessicherheitsrates und nicht etwa erst mit der Erteilung des Genehmigungsbescheids "abgeschlossen" im Sinne der Kernbereichs-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dies gelte auch bei Voranfragen. Die Fragen der Antragsteller seien zudem gerade nicht auf die Ausforschung der Willensbildung der Regierung gerichtet, sondern wollten nur die Kontrolle von gefällten Entscheidungen ermöglichen. Bei einer gegenüber Volk und Parlament verantwortlichen Regierung verbiete es sich, die öffentliche oder parlamentarische Debatte selbst als Eingriff in den Kernbereich der Regierung oder als "verbotenes Mitregieren" anzusehen.

69

Auf eine Beeinträchtigung des Staatswohls durch eine Offenlegung des "Ob" und der Einzelheiten einer Genehmigungsentscheidung habe sich die Antragsgegnerin bisher hinsichtlich des Rüstungsexportes nach Saudi-Arabien nicht klar berufen. Sollte sie anführen wollen, dass die Offenlegung von Einzelheiten über den Export zur Beeinträchtigung des Verhältnisses zu anderen Staaten führen könne, so stimme dieses Bild nicht mit den Wertungen des Art. 26 Abs. 2 GG überein. Da vor den friedenssichernden Zielen des Art. 26 GG jeder Export rechtfertigungsbedürftig sei und im demokratisch verfassten Deutschland eine Rechtfertigung grundsätzlich öffentlich vor dem Parlament erfolge, könne die Ausübung der Kontrollpflichten des Bundestages das Staatswohl nicht beeinträchtigen.

70

Soweit die Antragsgegnerin nun im Organstreitverfahren auf sicherheits- und verteidigungspolitische Belange verweise, fehle es am konkreten Bezug zu den Fragen. Das sicherheitspolitische Interesse der Bundesrepublik an Panzerlieferungen auf die arabische Halbinsel erschließe sich nicht. Auf die Belastung außenpolitischer Beziehungen durch Bekanntwerden kritischer Bewertungen potentieller Empfängerländer könne sich die Antragsgegnerin schon deshalb nicht berufen, weil im Fall Saudi-Arabien die Menschenrechtslage jährlich durch den Menschenrechtsbericht öffentlich kritisch bewertet werde. Selbst wenn an einzelnen Punkten Geheimhaltungsbedürftigkeit bestehen sollte, hätte die Antragsgegnerin das Parlament vertraulich informieren müssen.

71

Es handle sich auch nicht um unzulässige hypothetische Fragen. Frageziel der Antragsteller sei gewesen zu erfahren, ob eine politische Entscheidung getroffen worden sei und welche Bewertungen dieser Entscheidung zugrunde gelegen hätten. Die Fragen hinsichtlich der Bewertung seien nur deshalb "hypothetisch" gewesen, weil die Antragsgegnerin rechtswidrigerweise schon die Antwort auf das "Ob" verweigert habe.

72

Angesichts der öffentlichen Diskussion dränge sich der Eindruck auf, dass die Antragsgegnerin sich hinter dem Argument der Geheimhaltung verstecke. Die Verfassung berechtige die Antragsgegnerin jedoch nicht zu einer alleinigen Steuerung des gesamten parlamentarischen und öffentlichen Kommunikationsprozesses im Bereich der Rüstungsexporte. Andere Staaten ließen hier mehr Transparenz und parlamentarische Kontrolle zu. Die Antragsgegnerin dürfe nicht den Zeitpunkt einer öffentlichen Debatte beeinflussen und diese fern der politischen Entscheidung halten. Politische Debatten fänden zeitnah zur Entscheidung der Regierung statt.

73

3. Die Antragsteller sind der Ansicht, die Antragsgegnerin habe die Frage, ob die thematisierten Waffenlieferungen von der Bundesregierung genehmigt worden seien, mit dem bloßen Hinweis auf den geheim tagenden Bundessicherheitsrat beantwortet. Fragen zu Einzelheiten der Waffenlieferungen habe sie überhaupt nicht beantwortet. Vielmehr habe sie lediglich allgemeine Erwägungen zu dem Für und Wider von Waffengeschäften unter Bezugnahme auf gesetzliche Regelungen und Rüstungsexportrichtlinien mitgeteilt.

74

a) Hinsichtlich der dringlichen Anfrage des Antragstellers zu 1. (PlenProt 17/119, S. 13807 A) habe die Antragsgegnerin Bezug genommen auf Antworten, die auf die vorangegangene dringliche Frage des Abgeordneten Volker Beck und die dazu gestellten Zusatzfragen gegeben worden seien. Mit dem auf diese Weise in Bezug genommenen Hinweis auf die Geheimhaltung für Sitzungen des Bundessicherheitsrates sei jegliche Antwort darauf verweigert worden, ob überhaupt schon eine Genehmigung für die Panzerlieferung erteilt worden sei. Schon gar nicht sei die Teilfrage beantwortet worden, ob "nützliche Aufwendungen" gezahlt worden seien und wer am Zustandekommen des Kriegswaffengeschäfts beteiligt gewesen sei.

75

Hinsichtlich einer Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. (PlenProt 17/119, S. 13802 D) sei seitens der Antragsgegnerin die Antwort mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit anderer Ressorts verweigert worden. Auch ein Hinweis des Bundestagspräsidenten habe nicht zu einer ergänzenden Antwort geführt. Insbesondere sei die Teilfrage nicht beantwortet worden, ob nach dem Wortlaut der Rüstungsexportrichtlinien eine Lieferung von Kriegswaffen in Länder, in denen fortdauernd und systematisch Menschenrechte verletzt würden, gar nicht in Betracht komme.

76

Hinsichtlich der ersten Nachfrage des Antragstellers zu 1. zu seiner dringlichen Frage (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C) habe die Antragsgegnerin Informationen über den Preis der Leopard-Panzer in Deutschland und darüber, wieviel Saudi-Arabien dafür zahle, vollständig verweigert. Damit bleibe sie eine Antwort auf die implizite Vorfrage, ob ein Export genehmigt worden sei, schuldig.

77

Mit seiner zweiten Nachfrage zu seiner dringlichen Frage (PlenProt 17/119, S. 13807 D, S. 13808 A) habe der Antragsteller zu 1. ersichtlich wiederum Einzelheiten über den Waffenexport zu erfahren versucht. Die Antragsgegnerin habe die Antwort darauf mit dem generellen Hinweis auf ein Offenbarungsverbot umfassend verweigert.

78

Auch die schriftliche Frage des Antragstellers zu 1. nach getroffenen Entscheidungen betreffend die Panzerlieferung, zu deren Verbindlichkeit und Inhalten wie Verkaufspreisen, Lieferbedingungen und Auflagen (Frage 7/193) sei wiederum nicht beantwortet worden.

79

In ihrer Antwort auf die schriftliche Frage 7/84 des Antragstellers zu 1. habe die Bundesregierung verschwiegen, dass in der Zeit vom 26. Juni bis 30. Juli 2011 sehr wohl deutsche Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 A7 auf ihre Klima- und Wüstentauglichkeit unter Beteiligung von Bundeswehrsoldaten getestet worden seien, und zwar in dem Golfstaat Arabische Emirate. Mit ihrer unvollständigen Antwort, die ausschließlich am Wortlaut der Frage orientiert sei, ignoriere die Bundesregierung bewusst den offensichtlichen Sinn und das Ziel der Fragestellung.

80

b) Die dringliche Frage der Antragstellerin zu 2. nach den Gründen der Entscheidung über die Lieferung der Leopard-Panzer (PlenProt 17/119, S. 13810 D) sei nicht beantwortet worden, weil die Antragsgegnerin schon den Mantel des Schweigens darüber decke, ob überhaupt ein Export genehmigt worden sei. Gleiches gelte für beide Zusatzfragen der Antragstellerin zu 2. nach Vorkehrungen und Vertragsbedingungen gegen den Einsatz der Leopard-Panzer zur inneren Repression in Saudi-Arabien (PlenProt 17/119, S. 13811 A) und nach der Rolle beschäftigungs- und industriepolitischer Gründe bei der Entscheidung (PlenProt 17/119, S. 13803 D).

81

Die schriftliche Anfrage 7/132 nach der Genehmigung des Verkaufs von Panzern und Rüstungsgütern nach Algerien und den Gründen dafür sei mit dem bloßen Hinweis auf die Geheimhaltung von Entscheidungen des Bundessicherheitsrates überhaupt nicht beantwortet worden.

82

c) Die Zusatzfrage der Antragstellerin zu 3. nach der Konsultation von Israel und den USA vor der Entscheidung über den Verkauf der Panzer an Saudi-Arabien (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B) sei wiederum im Kern allein mit der Begründung nicht beantwortet worden, dass schon das "Ob" der Entscheidung geheim sei.

83

Die Antragsgegnerin habe auch nicht die Frage beantwortet, ob Entwicklungshilfe an Saudi-Arabien nicht gewährt werden könne, weil Homosexualität dort verfolgt werde, während Panzer geliefert werden könnten (PlenProt 17/119, S. 13814 B).

84

Die Antwort auf die konkret gestellte schriftliche Frage Nr. 7/174 der Antragstellerin zu 3. nach der Begründung der Panzerlieferung an Saudi-Arabien werde mit Verweis auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit verweigert, weil die Antragsgegnerin wiederum schon die Vorfrage, ob ein Export genehmigt worden sei, nicht beantworten wolle.

85

Hinsichtlich der schriftlichen Frage Nr. 7/175 der Antragstellerin zu 3. habe die Antragsgegnerin eine Frage beantwortet, die gar nicht gestellt worden sei, nämlich nach "gesetzeswidrigen Zahlungen". Gefragt gewesen sei nach "nützlichen Aufwendungen", die nicht gesetzeswidrig sein müssten und die bis 1999 steuerabzugsfähig gewesen seien. Den letzten Frageteil nach "Vermittlern, Unterstützern in der Bundesregierung und Nutznießern des Waffengeschäfts" habe die Antragsgegnerin vollkommen ignoriert.

IV.

86

Nach Auffassung der Antragsgegnerin haben die Anträge keine Aussicht auf Erfolg.

87

1. Die Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs in Form der Geheimhaltungsbedürftigkeit und des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung würden durch Art. 26 Abs. 2 GG nicht relativiert. Ob es sich bei Art. 26 Abs. 2 GG um ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt handle, sei zweifelhaft. Die Einbindung des Bundessicherheitsrates, dessen Entscheidungen lediglich politische, nicht aber rechtliche Verbindlichkeit zukomme, sei rechtlich unbedenklicher Ausdruck der Organisationskompetenz der Antragsgegnerin. Jedenfalls begründe aber die grundgesetzliche Sensibilität gegenüber dem Umgang mit Kriegswaffen, die in Art. 26 GG zum Ausdruck komme, keine herausgehobene Stellung des Parlaments und damit auch keine gesteigerten Informationsrechte. Die Norm schaffe keinen Entscheidungsverband von Parlament und Regierung, sondern weise im Gegenteil gerade der Bundesregierung eine bedeutende Rolle zu. Der Verweis auf fehlende gerichtliche Kontrolle und Korruptionsgefahr sei nicht ausschlaggebend, da die Antragsgegnerin ihre Rüstungsexportpolitik einmal im Jahr im Rüstungsexportbericht offenlege.

88

Die Geheimhaltungsbedürftigkeit der Sitzungen des Bundessicherheitsrates gründe in dem Schutz der Integrität der Bundesrepublik Deutschland, der Länder und des Kabinetts in sicherheits- und verteidigungspolitischen Belangen sowie dem Schutz der Beziehungen Deutschlands zu möglichen Empfängerländern. Ferner gehe es um die grundsätzlich schutzwürdigen Belange anderer Staaten und um die Wahrung von Betriebsgeheimnissen der jeweiligen Rüstungsunternehmen. Diese Gründe stünden auch der Veröffentlichung des "Ob" einer Sitzung, von deren Ergebnissen und ihrer Begründung entgegen. Insbesondere kritische Bewertungen potentieller Empfängerländer seitens des Bundessicherheitsrates würden im Fall des Publikwerdens regelmäßig die außenpolitischen Beziehungen der Bundesrepublik zu diesen Ländern belasten. Außerdem könnten sie Rückschlüsse auf die Informationsquelle zulassen und damit die schutzwürdigen Interessen Dritter beeinträchtigen. Aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin sich in ihren Menschenrechtsberichten kritisch zur Menschenrechtslage in einzelnen Ländern äußere, folge nicht, dass eine öffentliche Debatte über konkrete Exportgenehmigungsentscheidungen die außen-, sicherheits- und verteidigungspolitischen Belange der Bundesrepublik nicht beeinträchtigen könnte. Das Bestreben, im diplomatischen Kontakt auf eine Verbesserung der Menschenrechtslage hinzuwirken, würde konterkariert, wenn die betroffenen Staaten in öffentlicher Debatte in verletzender Weise kritisiert würden. Auch in anderen europäischen Ländern finde keine direkte Mitwirkung der Parlamente an konkreten Ausfuhrentscheidungen statt. Dem Bundestag stehe es frei, sich kritisch zu möglichen Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien zu äußern und die Antragsgegnerin zu einem entsprechenden Genehmigungsverhalten aufzufordern. Die Antragsgegnerin sei allerdings nicht verpflichtet, hierfür die begehrten Informationen und Bewertungen beizusteuern.

89

Schließlich seien gerade bei den vom Bundessicherheitsrat zu entscheidenden besonders sensiblen Einzelfällen verfassungsrechtlich geschützte Geschäftsgeheimnisse gefährdet, da die betroffenen Unternehmen regelmäßig schon in einem sehr frühen Stadium der Geschäftsanbahnung eine Voranfrage stellten. In diesem Stadium könnte ein Bekanntwerden der Geschäftsabsichten jedoch Konkurrenten auf die Geschäftsgelegenheit hinweisen und potentiellen Gegnern die Gelegenheit geben, frühzeitig Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Diese Erwägungen hätten im Grundsatz auch für Anträge auf Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen Geltung. Deshalb erfolgten Mitteilungen über erteilte Ausfuhrgenehmigungen auch im Rüstungsexportbericht grundsätzlich in anonymisierter Form (Umschreibung des ausgeführten Guts und Nennung von Wert und Empfängerland). Auch dort, wo Gerüchte über Geschäfte kursierten oder potentielle Abnehmer ihr Erwerbsinteresse öffentlich bekundeten, würde eine Bestätigung den Informationen den "Stempel des Offiziellen" geben und damit in Geschäftsgeheimnisse eingreifen. Es sei auch nicht anzunehmen, dass bereits die Überschaubarkeit des jeweiligen Marktes einer Annahme von Geschäftsgeheimnissen entgegenstehe.

90

Dem Begehren der Antragsteller nach zeitnaher Information zu Entscheidungen des Bundessicherheitsrates stehe ferner der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung entgegen. Eine Offenbarung des Sitzungsverlaufs im Bundessicherheitsrat komme grundsätzlich zu keinem Zeitpunkt in Betracht, weil andernfalls "einengende Vorwirkungen" wegen nachträglich zu erwartender Kontrolle zu gewärtigen wären. Eine gerade in Sicherheitsfragen existentielle Vertraulichkeit des Austausches unter Regierungsmitgliedern wäre dann nicht mehr gewährleistet. Die Bundessicherheitsratsentscheidung sei dem rein regierungsinternen Bereich der Willensbildung zuzurechnen. Bis zur Umsetzung der Entscheidungen des Bundessicherheitsrates durch Bescheide gegenüber den antragstellenden Unternehmen handle es sich noch um einen laufenden Vorgang. Auch nach diesem Zeitpunkt würde eine Information des Parlaments aber zu einem unzulässigen "Mitregieren" führen. Durch eine unmittelbar bevorstehende öffentliche Diskussion entstünde erheblicher Druck auf die Mitglieder des Bundessicherheitsrates. Ihre Entscheidungsfindung wäre beeinträchtigt, weil sie davon ausgehen müssten, sich einerseits kurzfristig für die getroffene Entscheidung öffentlich rechtfertigen zu müssen, sich andererseits aber aus objektiven Geheimhaltungsgründen nicht umfassend und sachgerecht äußern zu können und der Kritik weitgehend schutzlos ausgeliefert zu sein. Dies würde dazu führen, dass sachgerechte, aber objektiv geheimhaltungsbedürftige Aspekte bei der Entscheidungsfindung unberücksichtigt blieben. Auch in der mit einem frühen Bekanntwerden einhergehenden De-facto-Vereitelung eines Rüstungsgeschäfts aufgrund der Information von Konkurrenten oder des Rückzugs des potentiellen Vertragspartners liege ein unzulässiges Mitregieren in Form eines unmittelbaren Einflusses des Parlaments auf die Regierungsentscheidung. Eine Veröffentlichung nach Maßgabe der Geheimschutzordnung des Bundestages könne diese Folgen nicht verhindern. In ihrem innersten Bereich müsse die Regierung selbst dann keine parlamentarische Beteiligung dulden, wenn das Parlament besonderen Verschwiegenheitspflichten unterliege.

91

Ein Informationsanspruch des Parlaments komme nur mit zunehmendem zeitlichen Abstand in Betracht. Die Sensibilität der Informationen nehme ebenso wie das "Vereitelungspotential" des Parlaments kontinuierlich ab. Bezüglich des angemessenen Zeitpunkts der Unterrichtung habe die Antragsgegnerin einen Einschätzungsspielraum. Die Entscheidung, das Parlament über Genehmigungen grundsätzlich erst mit dem Rüstungsexportbericht im darauf folgenden Jahr zu unterrichten, sei weder willkürlich noch anderweitig sachwidrig. Die pauschalierte Handhabung gewähre vielmehr den Abgeordneten wie den betroffenen Unternehmen Rechtssicherheit. Die nachträgliche parlamentarische Kontrolle werde dadurch nicht substantiell geschmälert, sie sei nicht auf tagesaktuelle Information angewiesen.

92

Da diese Handhabung zwischen Parlament und Regierung seit langem üblich sei, habe die Darlegung der Antragsgegnerin in der Fragestunde auch den Begründungsanforderungen genügt. Ihre Stellungnahme sei mündlich und im Wechsel von Rede und Gegenrede erfolgt, die Anforderungen an die Substantiierung dürften daher nicht überspannt werden.

93

Nur Fragen mit Realitätsbezug könnten eine Antwortpflicht der Antragsgegnerin begründen. Zum Anstellen hypothetischer Überlegungen sei sie nicht verpflichtet, da eine zwangsläufig fiktionale Antwort weder ein Wissensdefizit eines Abgeordneten beseitige noch zur Kontrolle der Regierung beitrage. Die Antragsgegnerin treffe auch keine Pflicht zur Bewertung politisch relevanter Sachverhalte. Meinungen, Bewertungen und subjektive Stellungnahmen müsse die Regierung nicht artikulieren, soweit sie nicht notwendig mit der Mitteilung von Sachinformationen verbunden seien; zumindest müsse sie sich keine Meinung bilden.

94

2. Die Antragsgegnerin habe danach mit den gerügten Antworten keine Rechte der Antragsteller verletzt.

95

a) Hinsichtlich der vom Antragsteller zu 1. gerügten Antwort auf die schriftliche Frage 7/84 - "Test der Klima- und Wüstentauglichkeit" - sei klarstellend zu ergänzen, dass das Verteidigungsministerium auf konkrete Nachfrage der Presse bereitwillig mitgeteilt habe, dass Personal der Bundeswehr an einer technischen Erprobung des Kampfpanzers Leopard 2 in den Vereinigten Arabischen Emiraten beteiligt sei. Erst als der Antragsteller zu 1. daraufhin die Beantwortung der Frage 7/84 als unangemessen gerügt habe, sei der Antragsgegnerin verdeutlicht worden, dass die Frage nicht ausschließlich auf Saudi-Arabien, welches zum damaligen Zeitpunkt allein im Fokus der öffentlichen Debatte gestanden habe, gezielt habe. Sie habe mit Schreiben vom 27. September 2011 dem Antragsteller zu 1. gegenüber dann die Auskunft zu Erprobungen von Kampfpanzern in den Vereinigten Arabischen Emiraten erteilt und gesondert darauf hingewiesen, dass diese Erprobung in keinem Zusammenhang mit möglichen Lieferungen in das Königreich Saudi-Arabien stehe.

96

Die schriftliche Frage 7/193 ziele direkt auf die Aufklärung, ob eine Exportgenehmigung erteilt worden sei. Diesbezügliche Entscheidungen dürften aus den dargelegten Gründen geheim gehalten werden.

97

Soweit weitere Fragen implizit die Vorfrage nach der Genehmigung entsprechender Exporte nach Saudi-Arabien enthielten, dürfe die Antragsgegnerin auch diese unbeantwortet lassen. Dies gelte etwa für die Frage nach den Kosten der Panzer (PlenProt 17/119, S. 13807). Die Antragsgegnerin könne sich darauf beschränken, die Geheimhaltungsbedürftigkeit zu begründen. Dies sei mehrfach ausführlich getan worden, obwohl allen Beteiligten die gebräuchliche Praxis bekannt gewesen sei. Die Frage nach "nützlichen Aufwendungen" sei ersichtlich beantwortet worden. Die (Nach-)Frage PlenProt 17/119, S. 13802 habe einen hypothetischen Kern und sei konkret nicht sinnvoll beantwortbar. Angesichts des von den Rüstungsexportrichtlinien eröffneten Beurteilungsspielraums und des komplexen Abwägungsprozesses im Einzelfall lasse sie sich nur auf die erfolgte allgemeine Weise beantworten.

98

Die schriftliche Frage 7/84 zum Test der Klima- und Wüstentauglichkeit sei vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet worden. Die Antragsgegnerin habe nicht etwa eine erkennbare Intention der Frage ignoriert. Wenn sie Fragen zum Anlass nehmen müsste, beliebige Informationen zusammenzutragen, die für den Abgeordneten womöglich gleichfalls von Interesse sein könnten, würde der Antragsgegnerin eine "kurze" (GO-BT, Anlage 4, Ziff. 1) Beantwortung von Fragen unmöglich gemacht. Sobald deutlich geworden sei, dass der Antragsteller die Frage nicht ausschließlich auf Saudi-Arabien beschränkt verstanden wissen wollte, seien ihm unverzüglich weitere Informationen mitgeteilt worden.

99

b) Die Fragen PlenProt 17/119, S. 13811 ("Lieferung") und S. 13803 f. ("beschäftigungspolitische Gründe") zielten direkt auf die Aufklärung, ob eine Genehmigung erfolgt sei, und hätten daher nicht beantwortet werden müssen. Eine Begründung hierfür sei während der Debatte mehrfach gegeben worden und habe nicht wiederholt werden müssen. Gleiches gelte für die auf Aufklärung zielende Frage 7/132, ob eine Genehmigung eines Exports nach Algerien erfolgt sei. Auch auf die Frage PlenProt 17/119, S. 13811 zu Bemühungen, einen Missbrauch von Panzern zu verhindern, hätte nur eingegangen werden können, wenn zur Frage der Genehmigung Stellung bezogen worden wäre.

100

c) Die Frage PlenProt 17/119, S. 13804 ("Zustimmung Israel/USA") ziele unmittelbar auf den Vorbereitungsprozess einer Genehmigung, der ebenfalls Bestandteil des Geheimnisschutzes sei. Bei der Frage PlenProt 17/119, S. 13814 ("Entwicklungshilfe/Homosexualität") handle es sich um eine hypothetische Frage, für welche keine Antwortpflicht bestanden habe. Die schriftliche Frage 7/174 ziele direkt auf Aufklärung, ob eine Genehmigung erfolgt sei; diesbezügliche Entscheidungen dürften (vorerst) geheim gehalten werden. Die Frage 7/175 zu "nützlichen Aufwendungen" sei beantwortet worden. Da "nützliche Aufwendungen" seit 1999 nicht mehr steuerlich abzugsfähig seien, verstehe sich die Frage als Frage nach rechtswidrigen Mitteln. Überdies ziele sie auch darauf, ob überhaupt eine Genehmigung erfolgt sei, und habe deshalb nicht beantwortet werden müssen.

101

3. Zur Bindungswirkung der Entscheidungen des Bundessicherheitsrates führte die Antragsgegnerin auf Anfrage ergänzend aus, der Bundessicherheitsrat lasse die verfassungsrechtlichen Entscheidungsbefugnisse des Art. 65 GG unberührt. Rechtlich seien seine Entscheidungen als Empfehlungen zu verstehen, auch wenn sie faktisch häufig als maßgebliche Richtschnur behandelt würden. Der Ausschuss unterstütze den zuständigen Bundesminister, indem er ihm vermittle, ob dessen Entscheidung politisch mitgetragen werde. Beschlüsse des Bundessicherheitsrates über Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung würden den zuständigen Genehmigungsbehörden mittels eines Ergebnisprotokolls der Sitzung des Bundessicherheitsrates mitgeteilt. Die Genehmigungsbehörden setzten die Beschlüsse, an welche sie politisch, aber nicht rechtlich gebunden seien, anschließend um. Nach der Befassung des Bundessicherheitsrates werde keine zusätzliche Kabinettsentscheidung herbeigeführt. Dies gelte auch für Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz und Ausfuhrgenehmigungen nach dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung.

Antworten auf Voranfragen wegen der beabsichtigten Ausfuhr von Kriegswaffen komme keine rechtliche Bindungswirkung für die spätere Entscheidung über einen Genehmigungsantrag zu. Es handele sich vielmehr um eine schlichte Auskunft, ob das geplante Vorhaben nach der zur Zeit der Beantwortung bestehenden Sachlage grundsätzlich genehmigungsfähig sei. Rechtlich verpflichtet sei der Bundessicherheitsrat aber auch bei unveränderter Sachlage nicht, die Genehmigungsfähigkeit bei einer Genehmigungsentscheidung über den Export von Kriegswaffen genauso zu beurteilen wie bei einer vorangegangenen Voranfrage. Dies gelte auch bei einer grundlegend neuen politischen Bewertung durch den Bundessicherheitsrat, da diese regelmäßig auf einer Änderung der außen- und sicherheitspolitischen Gesamtlage beruhe und daher als Änderung der Sachlage anzusehen sei.

V.

102

Als sachkundige Dritte haben der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. und die Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co. KG schriftlich Stellung genommen. Diese haben ausgeführt, dass Voranfragen zur Genehmigungsfähigkeit regelmäßig bereits in einer frühen Phase der Anbahnung eines Rüstungsexportgeschäfts gestellt würden. Bei positiver Bescheidung schließe sich eine Akquisitionsphase an, die Monate oder auch Jahre andauern könne und oftmals sehr kostenträchtig sei. So beliefen sich allein die Kosten für die Vorführung eines Kampfpanzers vom Typ Leopard 2 im Ausland typischerweise auf über zwei Millionen Euro. Die potentiellen Vertragspartner, bei denen es sich zumeist um Staaten handele, bestünden regelmäßig darauf, dass ihr Interesse an Rüstungsgütern vertraulich behandelt werde. Erst recht werde Vertraulichkeit hinsichtlich der Details der Vertragsverhandlungen erwartet. Auch die sodann abgeschlossenen Kaufverträge enthielten nahezu ausnahmslos Vertraulichkeitsvereinbarungen hinsichtlich des Vertrages und seines Inhaltes. Durch eine frühzeitige Information der Öffentlichkeit über schwebende Vertragsverhandlungen würden derartige Geschäfte praktisch vereitelt. Dies gelte insbesondere im Falle einer Offenlegung gestellter oder beschiedener Voranfragen gegenüber dem Parlament, zumal in diesem Stadium der entsprechende Kaufvertrag im Regelfall noch nicht geschlossen sei.

VI.

103

In der mündlichen Verhandlung hat der Bundesminister des Innern für die Bundesregierung Stellung genommen und die Verfahrensabläufe im Bundessicherheitsrat erläutert. Ergänzend hat er mitgeteilt, dass die Bundesregierung beabsichtige, Parlament und Öffentlichkeit künftig zeitnäher über Genehmigungsentscheidungen zu informieren. Der Rüstungsexportbericht solle jeweils vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause statt zum Ende des Folgejahres erscheinen. Zudem werde es einen Zwischenbericht für das erste Halbjahr des laufenden Jahres im jeweiligen Herbst geben. Über abschließende Genehmigungen des Bundessicherheitsrates werde der Bundestag künftig unverzüglich, spätestens zwei Wochen nach der Tagung des Bundessicherheitsrates schriftlich informiert.

B.

104

Die Anträge des Antragstellers zu 1. sind hinsichtlich der Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13802 D) und der dringlichen Frage (PlenProt 17/119, S. 13807 A) teilweise und hinsichtlich der weiteren Zusatzfragen (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C) sowie der schriftlichen Frage 7/193 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) vollumfänglich zulässig. Die Anträge der Antragstellerin zu 2. sind insgesamt zulässig, die der Antragstellerin zu 3. hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/175 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 27) teilweise und hinsichtlich der beiden Zusatzfragen (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B und PlenProt 17/119, S. 13814 B) sowie der schriftlichen Frage 7/174 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 26) vollumfänglich zulässig. Im Übrigen sind die Anträge unzulässig.

I.

105

1. Die Parteifähigkeit der Antragsteller als Abgeordnete des Deutschen Bundestages folgt aus Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG. Dem Abgeordneten kommt gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ein eigener verfassungsrechtlicher Status zu, der im Organstreitverfahren gegenüber anderen Verfassungsorganen verteidigt werden kann (BVerfGE 108, 251<270>; 124, 161 <184>; stRspr).

106

2. Die Anträge beziehen sich auf taugliche Antragsgegenstände. Nach § 64 Abs. 1 BVerfGG kann Antragsgegenstand im Organstreitverfahren sowohl eine Maßnahme als auch ein Unterlassen sein. Es kommt somit nicht darauf an, ob es sich bei den gerügten Antworten der Antragsgegnerin jeweils um eine Maßnahme in Form der Verweigerung einer hinreichenden Antwort oder um ein Unterlassen in Form einer pflichtwidrigen Nichtbeantwortung oder einer nicht hinreichenden Beantwortung der jeweiligen Anfrage handelt. Die Antwortverweigerung, die schlichte Nichtbeantwortung und die nicht hinreichende Beantwortung der Anfragen der Antragsteller können diese konkret in ihrem jeweiligen Rechtskreis aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG betreffen. Somit sind die Maßnahmen oder Unterlassungen auch rechtserheblich (vgl. BVerfGE 96, 264 <277>; 103, 81 <86>; 104, 310 <324>).

107

3. Die Anträge der Antragstellerin zu 3. sind berichtigend dahin auszulegen, dass Antragsgegenstand unter anderem die Nichtbeantwortung beziehungsweise unzureichende Beantwortung der unter Sitzungsprotokoll S. 13814 anstatt "S. 13841" protokollierten Nachfrage und der schriftlichen Frage 175 anstatt "715" sind. Die offensichtliche Unrichtigkeit der Bezeichnungen ergibt sich aus der Antragsbegründung.

II.

108

1. Die Antragsteller sind hinsichtlich des überwiegenden Teils der Antragsgegenstände antragsbefugt. Sie beanstanden eine Reaktion der Antragsgegnerin auf an diese gerichtete parlamentarische Anfragen und berufen sich auf Rechte, die sich unmittelbar aus dem Grundgesetz selbst ergeben. Ein die Antragsteller einerseits und die Antragsgegnerin andererseits umschließendes Verfassungsrechtsverhältnis (vgl. etwa BVerfGE 1, 208 <221>; 84, 290 <297>; 124, 161 <185>) liegt vor. Das - fristgerecht eingeleitete - Organstreitverfahren betrifft die Reichweite des aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Fragerechts des Abgeordneten und der grundsätzlichen Verpflichtung der Bundesregierung, auf dessen Fragen Rede und Antwort zu stehen (vgl. BVerfGE 124, 161 <185> m.w.N.). Es kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin eigene Rechte der Antragsteller, die aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten erwachsen, verletzt (vgl. BVerfGE 94, 351 <362 f.>; 112, 363 <365>). Es erscheint möglich, dass die Antragsgegnerin durch ihre Antworten einen Informationsanspruch der Antragsteller aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG in unzulässiger Weise verkürzt hat. Die Antragsteller haben hinreichend dargelegt, dass sie durch das angegriffene Verhalten der Antragsgegnerin in Rechten verletzt sein können, die ihnen durch das Grundgesetz übertragen worden sind. Eine Verletzung der Rechte der Antragsteller scheidet insbesondere nicht deswegen von vornherein aus, weil die Bundesregierung deren Auskunftsansprüche bereits durch die regelmäßige Veröffentlichung von Rüstungsexportberichten erfüllt. Ob und inwieweit diese ausreichen, um das berechtigte parlamentarische Informationsinteresse zu befriedigen, bedarf vielmehr der Prüfung im Einzelnen (siehe hierzu Rn. 203 ff.).

109

a) Hinsichtlich der Teilfrage der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13802 D zu der Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien könnte die Antragsgegnerin Informationsrechte des Antragstellers zu 1. verletzt haben, wenn sie unzutreffende Beschränkungen ihrer Antwortpflicht aufgrund des Ressortprinzips angenommen hätte.

110

Hinsichtlich der Teilfrage der dringlichen Frage des Antragstellers zu 1. nach PlenProt 17/119, S. 13807 A in Bezug auf Vermittler, Unterstützer und Nutznießer des Panzergeschäfts mit Saudi-Arabien könnte sich eine Rechtsverletzung aus der Verweigerung einer Sachantwort unter Verkennung der Reichweite des parlamentarischen Informationsanspruchs oder aus einer unzureichenden Begründung der Antwortverweigerung ergeben.

111

Hinsichtlich der Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. nach PlenProt 17/119, S. 13807 B, C zum Unterschiedsbetrag zwischen dem Kaufpreis der Panzer in Deutschland und in Saudi-Arabien liegt eine mögliche Rechtsverletzung zwar nicht darin, dass auf die "implizite Vorfrage" nach der Genehmigung eines Panzerexports nicht unmittelbar eingegangen wurde. Eine Antwortplicht kommt nur hinsichtlich tatsächlich gestellter Fragen in Betracht. Eine Rechtsverletzung könnte sich aber durch das möglicherweise nicht gerechtfertigte oder nicht hinreichend begründete Unterlassen einer Sachantwort auf die Frage nach dem Unterschiedsbetrag hinsichtlich der Kaufpreise ergeben.

112

Hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/193 des Antragstellers zu 1. vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) besteht die Möglichkeit einer Rechtsverletzung wegen Verkennung der Reichweite des parlamentarischen Informationsanspruchs. Die Frage, welche Angaben die Antragsgegnerin zu getroffenen Entscheidungen bezüglich der Lieferung von 200 Panzern "LEO" nach Saudi-Arabien macht, richtete sich nach ihrem Zusammenhang auch auf Einzelheiten des konkreten Geschäfts. Dies folgt auch aus der Teilfrage, wie die Antragsgegnerin diese Entscheidungen rechtfertige. Die so verstandene Frage hat die Antragsgegnerin nicht beantwortet.

113

b) Gleiches gilt für die dringliche Frage der Antragstellerin zu 2. (PlenProt 17/119, S.13810 D) danach, welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe die Antragsgegnerin für die Genehmigung der Panzerlieferungen anführe und wie sie deren Vereinbarkeit mit einzelnen Kriterien des EU-Kodexes für Waffenausfuhren bewerte, sowie für ihre Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13811 A) danach, wie die Antragsgegnerin ausschließe, dass die für Saudi-Arabien genehmigten Rüstungsexportgüter zu innerer Repression genutzt würden.

114

In Bezug auf die Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13803 D, ob ausgeschlossen werden könne, dass bei der Entscheidung beschäftigungs- oder industriepolitische Gründe eine Rolle gespielt hätten, ist die Antragstellerin zu 2. ebenfalls antragsbefugt. Die Antragsgegnerin gibt zwar an, dass solche Gründe nachrangig eine Rolle spielen könnten. Sie macht jedoch keine Angaben zum konkreten Geschäft und verletzt damit möglicherweise unter Verkennung der Reichweite des Auskunftsrechts der Abgeordneten Rechte der Antragstellerin zu 2.

115

Antragsbefugt ist die Antragstellerin zu 2. auch hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/132 (BTDrucks 17/6658, S. 24) danach, wann die Antragsgegnerin den Verkauf bestimmter Rüstungsgüter nach Algerien genehmigt habe und welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe sie für die Genehmigung anführe. Die Frage zielte mit der Formulierung "besonderen ... Gründe" ersichtlich auf den Einzelfall. Die Ausführungen der Antragsgegnerin zu den allgemein bei der Entscheidung über Rüstungsexporte nach Algerien zu berücksichtigenden Aspekten beantworten diese Frage nicht.

116

c) Die Antragstellerin zu 3. ist hinsichtlich der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13804 A, B antragsbefugt. Die Frage, ob es stimme, dass die Zustimmung Israels und der USA eingeholt und erteilt worden sei, wurde - möglicherweise unter Verkennung des Auskunftsrechts - in der Sache nicht beantwortet. Auf diese Teilfrage beschränkt sich die Rüge der Antragstellerin zu 3. Die Teilfrage nach der universellen Gültigkeit von Menschenrechten ist nicht Streitgegenstand.

117

Die Antragsbefugnis besteht auch hinsichtlich der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13814 B. Mit dieser Frage wollte die Antragstellerin zu 3. ersichtlich einen Widerspruch in der Haltung der Antragsgegnerin in den Bereichen Entwicklungshilfe und Rüstungsexporte nachweisen. Eine Rechtsverletzung kann darin liegen, dass für eine vollständige Sachantwort möglicherweise eine Gegenüberstellung der jeweiligen Kriterien erforderlich gewesen wäre.

118

Hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/174 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 26) ist die Antragstellerin zu 3. ebenfalls antragsbefugt. Die Frage bezieht sich auf die Begründung der getroffenen Entscheidungen über die Lieferung von Panzern. Da konkret nach "getroffenen" Entscheidungen gefragt war, beantworten die allgemeinen Ausführungen der Antragsgegnerin zu Entscheidungen auf Grundlage der Richtlinien und zur besonderen Bedeutung der Menschenrechte die Frage nicht vollständig. Die Antragsgegnerin hat eine Stellungnahme zum konkreten Geschäft unter Hinweis auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit abgelehnt und damit möglicherweise unter Verkennung des Auskunftsrechts Rechte der Antragstellerin zu 3. verletzt.

119

Auch die Teilfrage der schriftlichen Frage 7/175 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 27) nach Vermittlern, Unterstützern in der Bundesregierung und Nutznießern des Geschäfts wurde nicht beantwortet.

120

2. Hinsichtlich einzelner vom Antragsteller zu 1. und der Antragstellerin zu 3. gestellter Fragen fehlt es an der Antragsbefugnis, weil eine Rechtsverletzung von vornherein ausgeschlossen werden kann.

121

a) Dem Antragsteller zu 1. fehlt es hinsichtlich einer Teilfrage der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13802 D, einer Teilfrage der dringlichen Frage nach PlenProt 17/119, S. 13807 A, der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13807 D und der schriftlichen Frage 7/84 vom 8. Juli 2011 an der Antragsbefugnis. Insoweit kann ausgeschlossen werden, dass das Antwortverhalten der Antragsgegnerin eigene Rechte des Antragstellers zu 1. verletzt haben könnte.

122

Soweit die Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13802 D darauf gerichtet war, ob bei der geschilderten Menschenrechtslage in Saudi-Arabien nach den Richtlinien für Rüstungsexporte Genehmigungen nicht in Betracht kämen, ist sie hinreichend beantwortet worden. Die Antragsgegnerin hat angegeben, dass die Menschenrechtslage im Rahmen eines Abwägungsprozesses zu berücksichtigen sei. Damit hat sie den Standpunkt zum Ausdruck gebracht, dass die Menschenrechtslage als solche eine Genehmigung nicht in jedem Fall ausschließt.

123

Soweit sich die dringliche Frage nach PlenProt 17/119, S. 13807 A auf "nützliche Aufwendungen" beim Zustandekommen des Panzergeschäfts bezog, ist sie mit der Angabe der Antragsgegnerin, ihr lägen keinerlei Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, hinreichend beantwortet worden. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin die Frage zu eng auslegt, wenn sie "nützliche Aufwendungen" als "gesetzeswidrige Zahlungen" versteht. Das Verständnis "nützlicher Aufwendungen" als Bestechungsgelder und damit gesetzeswidrige Zahlungen (§§ 331 ff. StGB) steht nicht in Widerspruch zum allgemeinen Sprachgebrauch. Auch der Antragsteller zu 1. selbst gebraucht den Begriff in diesem Sinne, etwa in der Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13807 B, C ("sogenannte nützliche Aufwendungen, das heißt Bestechungsgelder").

124

Auch die Zusatzfrage nach PlenProt 17/119, S. 13807 D danach, ob die Antragsgegnerin bereit sei, über die Einzelheiten des Geschäfts Auskunft zu geben, oder ob die Antwort weiter in verfassungswidriger Weise verweigert werde, wurde beantwortet. Mit ihrer Antwort hat die Antragsgegnerin klar zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht bereit sei, über Einzelheiten des Geschäfts Auskunft zu geben, und den Vorwurf der Verfassungswidrigkeit zurückgewiesen. Die Argumentation des Antragstellers zu 1., er habe "ersichtlich" Einzelheiten über den Waffenexport zu erfahren versucht und insoweit keine Antwort erhalten, macht die Möglichkeit einer Rechtsverletzung nicht plausibel. Die Frage lässt sich in dem von der Antragsgegnerin zugrunde gelegten Sinn verstehen. Wollte der Antragsteller zu 1. sie nicht so verstanden wissen, so hätte es ihm oblegen, sie von vornherein anders zu formulieren oder ihren Sinn durch eine entsprechende Nachfrage klarzustellen.

125

Entsprechendes gilt hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/84 vom 8. Juli 2011, inwieweit es zutreffe, dass die Bundeswehr Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien schicken und dort testen wolle, und wie dieses Vorhaben im Zusammenhang mit dem offenbar genehmigten Verkauf stehe. Die Korrektheit der Antwort der Antragsgegnerin, dass Leopard-Panzer weder von der Bundeswehr selbst noch durch Beauftragte in Saudi-Arabien getestet würden, zieht der Antragsteller zu 1. nicht in Zweifel. Er rügt vielmehr, die Antragsgegnerin habe Tests in den Arabischen Emiraten verschwiegen und damit bewusst das offensichtliche Ziel der Fragestellung ignoriert. Dass die Antragsgegnerin die Frage pflichtwidrig zu eng ausgelegt hätte, ist jedoch nicht ersichtlich. Vom Fragesteller kann eine sorgfältige Formulierung seiner Fragen erwartet werden. Daher ist bei der Auslegung einer parlamentarischen Anfrage zunächst vom Wortlaut und dem Zusammenhang auszugehen, in den die Frage ausdrücklich gestellt ist (vgl. BVerfGE 110, 199 <213>). Wo allerdings Ungenauigkeiten bei der Formulierung der Frage erkennbar aus einem Informationsdefizit des Fragestellers resultieren, ist bei der Beantwortung dem dahinter stehenden Informationsbedürfnis so weit wie möglich Rechnung zu tragen. Vorliegend hat die Antragsgegnerin die Frage ihrem Wortlaut entsprechend beantwortet, ohne dabei ein erkennbares Informationsbedürfnis des Fragestellers außer Acht zu lassen. Zwar könnte die Bezugnahme auf nur gerüchteweise bekannte Äußerungen bei einer bestimmten Veranstaltung auf ein Informationsdefizit des Antragstellers zu 1. hinweisen, welches für eine großzügigere Auslegung der Frage hätte sprechen können. Da die Frage aber im Kontext der Diskussion über Lieferung von Rüstungsgütern nach Saudi-Arabien erfolgt ist und der Test des Leopard-Panzers in den Vereinigten Arabischen Emiraten nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Antragsgegnerin mit einem solchen etwaigen Rüstungsgeschäft nicht in Zusammenhang stand, bestand für die Antragsgegnerin kein hinreichender Anlass, die Frage über den Wortlaut hinaus zu verstehen.

126

b) Der Antragstellerin zu 3. fehlt die Antragsbefugnis im Hinblick auf ihre schriftliche Frage 7/175 (BTDrucks 17/6658, S. 27), soweit sie sich darin nach "nützliche[n] Aufwendungen" erkundigt. Mit der Angabe der Antragsgegnerin, es lägen ihr keine Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, ist die Frage hinreichend beantwortet worden. Auch hier durfte die Antragsgegnerin "nützliche Aufwendungen" als "gesetzeswidrige Zahlungen" verstehen.

III.

127

Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller in Bezug auf die Fragen zu Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien besteht fort. Es wird insbesondere nicht dadurch beseitigt, dass die Antragsgegnerin angekündigt hat, ihre Berichtspraxis zu ändern und den Deutschen Bundestag binnen zwei Wochen über Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates zu informieren, denn die Antragsgegnerin stellt die streitige Verpflichtung zur Beantwortung von Anfragen zu Entscheidungen des Bundessicherheitsrates im hiesigen Verfahren weiterhin in Abrede. Außerdem betrifft die beabsichtigte zeitnahe Information des Deutschen Bundestages nur erteilte Genehmigungen und nicht auch Entscheidungen des Bundessicherheitsrates über Voranfragen.

128

Die Antragsteller haben ein objektives Interesse an der Klärung der Reichweite des aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG abzuleitenden Fragerechts des Abgeordneten und der Antwortpflicht der Bundesregierung (vgl. zum Klarstellungsinteresse BVerfGE 121, 135 <152>; 131, 152 <194>; Beschluss des Zweiten Senats vom 6. Mai 2014 - 2 BvE 3/12 -, juris, Rn. 6). Auch der zwischenzeitliche Ablauf der Legislaturperiode lässt das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen, da die Antragsteller weiterhin Mitglieder des Deutschen Bundestages sind (vgl. BVerfGE 87, 207 <209>).

C.

129

Die Anträge sind - soweit zulässig - teilweise begründet.

I.

130

1. Aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG folgt ein Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung, an dem die einzelnen Abgeordneten und die Fraktionen als Zusammenschlüsse von Abgeordneten nach Maßgabe der Ausgestaltung in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages teilhaben und dem grundsätzlich eine Antwortpflicht der Bundesregierung korrespondiert (vgl. BVerfGE 124, 161 <188>; stRspr). Aus dem Frage- und Interpellationsrecht des Parlaments folgt für die Mitglieder der Bundesregierung daher die verfassungsrechtliche Verpflichtung, auf Fragen Rede und Antwort zu stehen. Die Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen und auf Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages sollen dazu dienen, dem Bundestag und den einzelnen Abgeordneten die für ihre Tätigkeit nötigen Informationen auf rasche und zuverlässige Weise zu verschaffen. Die Bundesregierung schafft mit ihren Antworten auf parlamentarische Anfragen so die Voraussetzungen für eine sachgerechte Arbeit innerhalb des Parlaments (vgl. zum Ganzen BVerfGE 13, 123 <125>; 57, 1 <5>; 105, 252 <270>; 105, 279 <306>; 124, 161 <187 ff.>).

131

Das parlamentarische Regierungssystem wird auch durch die Kontrollfunktion des Parlaments geprägt. Die parlamentarische Kontrolle von Regierung und Verwaltung verwirklicht den Grundsatz der Gewaltenteilung, der für das Grundgesetz ein tragendes Funktions- und Organisationsprinzip darstellt. Der Gewaltenteilungsgrundsatz zielt dabei nicht auf eine absolute Trennung der Funktionen der Staatsgewalt, sondern auf die politische Machtverteilung, das Ineinandergreifen der drei Gewalten und die daraus resultierende gegenseitige Kontrolle und Begrenzung mit der Folge der Mäßigung der Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 3, 225 <247>; 7, 183 <188>; 9, 268 <279>; 22, 106 <111>; 34, 52 <59>; 95, 1 <15>). Er gebietet gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung, zumal wegen mangelnder Eingriffsmöglichkeiten des Parlaments in den der Exekutive zukommenden Bereich unmittelbarer Handlungsinitiative und Gesetzesanwendung, eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle auch tatsächlich wirksam werden kann. Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung kann das Parlament sein Kontrollrecht gegenüber der Regierung nicht ausüben. Daher kommt dem parlamentarischen Informationsinteresse besonders hohes Gewicht zu, soweit es um die Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb von Regierung und Verwaltung geht (vgl. BVerfGE 67, 100 <130>; 110, 199 <219, 222>; 124, 78 <121>).

132

Die Kontrollfunktion ist zugleich Ausfluss der aus dem Demokratieprinzip folgenden Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG gestaltet den Grundsatz der Volkssouveränität aus. Er legt fest, dass das Volk die Staatsgewalt, deren Träger es ist, außer durch Wahlen und Abstimmungen durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausübt. Das setzt voraus, dass das Volk einen effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt durch diese Organe hat. Deren Akte müssen sich auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <66>; 130, 76 <123>). Dieser Zurechnungszusammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft wird außer durch die Wahl des Parlaments, die vom Parlament beschlossenen Gesetze als Maßstab der vollziehenden Gewalt und die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung auch durch den parlamentarischen Einfluss auf die Politik der Regierung hergestellt. Das "Ausgehen der Staatsgewalt" vom Volk muss für das Volk wie auch die Staatsorgane jeweils konkret erfahrbar und praktisch wirksam sein. Es muss ein hinreichender Gehalt an demokratischer Legitimation erreicht werden, ein bestimmtes Legitimationsniveau (vgl. BVerfGE 83, 60 <72>; 93, 37 <67>; 107, 59 <87>; 130, 76 <124>). Nur das vom Volk gewählte Parlament kann den Organ- und Funktionsträgern der Verwaltung auf allen ihren Ebenen demokratische Legitimation vermitteln. Im Fall der nicht durch unmittelbare Volkswahl legitimierten Amtswalter und Organe setzt die demokratische Legitimation der Ausübung von Staatsgewalt regelmäßig voraus, dass sich die Bestellung der Amtsträger auf das Staatsvolk zurückführen lässt und ihr Handeln eine ausreichende sachlich-inhaltliche Legitimation erfährt. In personeller Hinsicht ist eine hoheitliche Entscheidung demokratisch legitimiert, wenn sich die Bestellung desjenigen, der sie trifft, durch eine ununterbrochene Legitimationskette auf das Staatsvolk zurückführen lässt. Die sachlich-inhaltliche Legitimation wird durch Gesetzesbindung und Bindung an Aufträge und Weisungen der Regierung vermittelt. Letztere entfaltet Legitimationswirkung aufgrund der Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Volksvertretung (BVerfGE 93, 37 <67 f.>; 107, 59 <87 f.>; 130, 76 <124>).

133

Geheimhaltung gegenüber dem Parlament beschränkt die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten und kann deshalb den notwendigen demokratischen Legitimationszusammenhang beeinträchtigen oder unterbrechen (vgl. BVerfGE 130, 76 <128>).

134

2. Der Informationsanspruch des Bundestages und der einzelnen Abgeordneten besteht gleichwohl nicht grenzenlos.

135

a) Er kann sich von vornherein nicht auf Angelegenheiten beziehen, die nicht in die Zuständigkeit der Bundesregierung fallen, da es insoweit an einer Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag fehlt (BVerfGE 124, 161 <189>).

136

b) Begrenzt wird der Informationsanspruch des Bundestages und der einzelnen Abgeordneten auch durch das Gewaltenteilungsprinzip (siehe Rn. 131). In seiner grundgesetzlichen Ausformung als Gebot der Unterscheidung zwischen gesetzgebender, vollziehender und rechtsprechender Gewalt (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) dient dieses Prinzip zugleich einer funktionsgerechten Zuordnung hoheitlicher Befugnisse zu unterschiedlichen, jeweils aufgabenspezifisch ausgeformten Trägern öffentlicher Gewalt und sichert die rechtliche Bindung aller Staatsgewalt (BVerfGE 124, 78<120>). Das Grundgesetz fordert keine absolute Trennung, sondern gegenseitige Kontrolle, Hemmung und Mäßigung der Gewalten (BVerfGE 95, 1 <15>). Die Zweige der Staatsgewalt sind aufeinander bezogen und miteinander verschränkt, dürfen aber ihrer jeweiligen Eigenheit und ihrer spezifischen Aufgaben und Zuständigkeiten nicht beraubt werden (BVerfGE 9, 268 <279 f.>; stRspr). Das Gewaltenteilungsprinzip ist damit zugleich Grund und Grenze des Informationsanspruchs des Parlaments gegenüber der Regierung. Je weiter ein parlamentarisches Informationsbegehren in den inneren Bereich der Willensbildung der Regierung eindringt, desto gewichtiger muss es sein, um sich gegen ein von der Regierung geltend gemachtes Interesse an Vertraulichkeit durchsetzen zu können (vgl. BVerfGE 110, 199 <222>; 124, 78 <122 f.>).

137

aa) Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setzt notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt. Dazu gehört zum Beispiel die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht (BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <214, 222>; 124, 78 <120>; 131, 152 <210>). Bei dem einer konkreten Positionierung vorgelagerten Willensbildungsprozess der Bundesregierung handelt es sich um einen von verschiedenen innen- und außenpolitischen sowie innerorganschaftlichen Belangen, Erwägungen und Entwicklungen abhängigen Vorgang, der den Bereich der Bundesregierung noch nicht verlässt und über den der Bundestag von Verfassungs wegen grundsätzlich (noch) nicht zu informieren ist (vgl. BVerfGE 131, 152 <206>). Eine Pflicht der Regierung, parlamentarischen Informationswünschen zu entsprechen, besteht danach in der Regel nicht, wenn die Information zu einem Mitregieren Dritter bei Entscheidungen führen kann, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegen (BVerfGE 110, 199 <214>; 124, 78 <120 f.>). Diese Gefahr besteht bei Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen regelmäßig, solange die Entscheidung noch nicht getroffen ist (BVerfGE 110, 199 <214>; 124, 78 <122>). So könnte ein so wesentlicher Teil einer politischen Entscheidung wie die Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem sie fallen soll, der Regierung weitgehend aus der Hand genommen werden, wenn das Parlament schon vor diesem Zeitpunkt auf den Stand der Entscheidungsvorbereitung innerhalb der Regierung zugreifen könnte (vgl. BVerfGE 110, 199 <214 f.>).

138

Die Kontrollkompetenz des Bundestages erstreckt sich demnach grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge; sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen (BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <215>; 124, 78 <121>). Der aus dem Gewaltenteilungsprinzip folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung erschöpft sich jedoch nicht in dieser Abschirmung gegen unmittelbare Eingriffe in die autonome Kompetenzausübung der Regierung, sondern wirkt über den Zeitpunkt einer Entscheidung hinaus (BVerfGE 110, 199 <215>).

139

bb) Die Rüstungsexportkontrolle ist nicht wegen der außenpolitischen Bedeutung dieses Teilbereichs des Regierungshandelns von vornherein jeglicher parlamentarischen Kontrolle entzogen. Im Bereich der auswärtigen Politik hat das Grundgesetz in Anknüpfung an die traditionelle Staatsauffassung der Regierung aber einen weit bemessenen Spielraum zu eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung überlassen. Die Rolle des Parlaments als Gesetzgebungsorgan ist schon aus Gründen der Funktionsgerechtigkeit in diesem Bereich beschränkt (BVerfGE 104, 151 <207>; vgl. auch schon BVerfGE 49, 89 <125>; 68, 1 <87>). Eine erweiternde Auslegung der Zustimmungs- oder Mitwirkungsbefugnisse des Bundestages würde die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung ungerechtfertigt beschneiden und auf eine nicht funktionsgerechte Teilung der Staatsgewalt hinauslaufen (BVerfGE 104, 151 <207>).

140

Dies bedeutet aber nicht, dass wesentliche Entscheidungen am Bundestag vorbei getroffen werden könnten. Auch die der Bundesregierung anvertraute auswärtige Gewalt steht keineswegs außerhalb parlamentarischer Kontrolle. Dem Bundestag, der Entscheidungen der Exekutive in auswärtigen Angelegenheiten missbilligt, verbleiben jedoch auch in diesem Bereich seine parlamentarischen Kontrollbefugnisse (vgl. BVerfGE 49, 89 <125>; 68, 1 <89, 109>; 90, 286 <364>; 104, 151 <207>). Er kann sein Frage-, Debatten- und Entschließungsrecht ausüben, seine Kontroll- und Haushaltsbefugnisse wahrnehmen und dadurch auf die Entscheidungen der Regierung einwirken oder durch Wahl eines neuen Bundeskanzlers die Regierung stürzen (BVerfGE 68, 1 <109 f.>).

141

Entsprechendes gilt für den Bereich der Rüstungsexportkontrolle. Zwar weist Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG der Bundesregierung die Zuständigkeit für die Genehmigung von Kriegswaffenexporten zu. Hierdurch wird die Erfüllung dieser Aufgabe der Kontrolle durch das Parlament aber nicht von vornherein entzogen (so aber Glawe, DVBl 2012, S. 329 <335>). Vielmehr ist zwischen parlamentarischer Mitwirkung einerseits und parlamentarischer Kontrolle andererseits zu unterscheiden. Eine Mitwirkung des Parlaments bei der Ausübung von Staatsfunktionen kommt nur dort in Betracht, wo sie durch das Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Die Gewaltenteilung darf nicht unter Berufung auf das Demokratieprinzip durch Einräumung parlamentarischer Mitentscheidungsbefugnisse unterlaufen, die grundgesetzliche Kompetenzordnung nicht durch die Konstruktion eines allumfassenden Parlamentsvorbehalts überlagert werden (vgl. BVerfGE 68, 1 <87>). Daraus ist aber keine Einschränkung der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung zu folgern. In der Ausübung parlamentarischer Kontrolle liegt kein verfassungswidriger Einbruch in den Gestaltungsbereich der Exekutive. Sie kommt auch dort zum Tragen, wo das Grundgesetz eine ausschließliche Zuständigkeit der Regierung begründet. Unter dem Gesichtspunkt der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns tritt die parlamentarische Kontrolle an die Stelle der in dem Bereich ausschließlicher Zuständigkeit der Regierung fehlenden sachlich-inhaltlichen Mitwirkungsrechte des Parlaments. Die Zuständigkeitszuweisung des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG schafft somit für sich genommen keinen der parlamentarischen Verantwortung grundsätzlich entzogenen Raum gubernativen Entscheidens.

142

cc) Die Beratung und Beschlussfassung im Bundessicherheitsrat unterfallen dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung.

143

(1) Der Bundesregierung steht es auch ohne ausdrückliche verfassungsrechtliche Ermächtigung im Rahmen ihrer Organisationsgewalt zu, Kabinettsausschüsse einzurichten, die gegenüber dem Regierungskollegium eine vorbereitende und beratende Funktion ohne eigenes Entscheidungsrecht ausüben (Busse, DVBl 1993, S. 413 <414>; Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2. Aufl. 1998, S. 246; Detterbeck, in: Isensee/P. Kirchhof, HStR III, 3. Aufl. 2005, § 66 Rn. 63; Schröder, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 65 Rn. 37; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 65 Rn. 6). Soweit ein solcher Ausschuss Entscheidungen des Kabinetts vorbereitet, unterfallen die Ausschussberatungen und -ergebnisse grundsätzlich in demselben Umfang dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung wie eigene Vorbereitungshandlungen des Regierungskollegiums.

144

Nach der derzeitigen Staatspraxis bereitet der Bundessicherheitsrat Entscheidungen des Kabinetts allerdings nicht vor, sondern wird an seiner Stelle tätig. Dem Vorbringen der Antragsgegnerin zufolge wird nach der Befassung des Bundessicherheitsrates keine Kabinettsentscheidung mehr herbeigeführt (so auch Zähle, Der Staat 44 (2005), S. 462 <476>). Folglich können sich die Beschlüsse des Bundessicherheitsrates über Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung allein an den jeweils zuständigen Fachminister richten, im Bereich der Kriegswaffen also an den Minister, dem nach § 11 Abs. 2 und 3 KWKG in Verbindung mit § 1 der Ersten Durchführungsverordnung zum KWKG die Befugnis zur Erteilung und zum Widerruf der Genehmigung für seinen Geschäftsbereich übertragen ist. Dieser Fachminister erteilt die Genehmigung gegenüber dem Antrag stellenden Unternehmen durch entsprechenden Bescheid.

145

Allerdings dürfen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG zur Kriegführung bestimmte Waffen nur mit Genehmigung "der Bundesregierung" hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Das Grundgesetz unterscheidet zwischen Befugnissen und Zuständigkeiten der Bundesregierung und solchen einzelner Bundesminister (vgl. die Auflistung in BVerfGE 132, 1 <21>). Die Bundesregierung ist ein Kollegialorgan, das nach Art. 62 GG aus dem Bundeskanzler und aus den Bundesministern besteht. Bei Regelungen des Grundgesetzes, die eine Entscheidungszuständigkeit der Bundesregierung vorsehen, ist daher grundsätzlich davon auszugehen, dass es eines Beschlusses des gesamten Kabinetts bedarf (BVerfGE 91, 148 <166>; 115, 118 <149>; 132, 1 <21>). Ausnahmsweise können unter dem Begriff der Bundesregierung jedoch auch die jeweils ressortzuständigen Minister verstanden werden, wenn Sinn und Zweck der jeweiligen Regelung eine solche Auslegung gebieten (BVerfGE 26, 338 <396>). So wird etwa zu der Regelung in Art. 86 GG betreffend die bundeseigene Verwaltung die Ansicht vertreten, dass mangels Betroffenheit der Länder (auch) der jeweilige Fachminister für seinen Bereich Verwaltungsvorschriften und Regelungen über die Einrichtung der Behörden erlassen kann (BVerwGE 36, 327<333>; Hermes, in: Dreier, GG, Bd. III, 2. Aufl. 2008, Art. 86 Rn. 52; Ibler, in: Maunz/Dürig, GG, Mai 2008, Art. 86 Rn. 135; Burgi, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 86 Rn. 67).

146

In der Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, dass Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG keine Entscheidung des Kabinetts verlange (Pottmeyer, Kriegswaffenkontrollgesetz, 2. Aufl. 1994, § 11 Rn. 2; Frank, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 26 Rn. 47; Hernekamp, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 26 Rn. 29) oder dass Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GG eine Delegationsbefugnis beinhalte (Bieneck, Handbuch des Außenwirtschaftsrechts, 2. Aufl. 2005, § 41 Rn. 4).

147

Überwiegend wird jedoch davon ausgegangen, dass die Delegation der Genehmigungserteilung auf einzelne Minister mit Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar und § 11 Abs. 2 KWKG aus diesem Grunde verfassungswidrig sei (Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 210 ff.; Hartwig, in: Umbach/ Clemens, Bd. 1, 2002, Art. 26 Rn. 40; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, März 2014, Art. 26 Rn. 56; Pernice, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 26 Rn. 28; Fink, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 26 Rn. 76; Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, 12. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 12; Schmahl, in: Sodan, GG, 2. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 13; Streinz, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 46; Hobe, in: Berliner Kommentar zum GG, Nov. 2012, Art. 26 Rn. 18; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 26 Rn. 10).

148

(2) Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob die Bundesregierung zur Einrichtung des Bundessicherheitsrates und zur Übertragung der Entscheidungsbefugnis über Kriegswaffenexportanträge auf diesen oder auf einzelne Bundesminister berechtigt ist. Denn im Rechtsverhältnis zum Deutschen Bundestag und seinen Mitgliedern sind die Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG der Bundesregierung zuzuordnen und durch diese unmittelbar gegenüber dem Parlament und mittelbar gegenüber dem Volk zu verantworten, gleich ob sie durch das Kabinett, durch einen von diesem eingesetzten Ausschuss oder durch einen einzelnen Minister getroffen werden. Genauso wenig, wie die Bundesregierung sich durch eine Delegation der ihr durch das Grundgesetz zugewiesenen Entscheidungsbefugnisse ihrer Verantwortung für die getroffenen Entscheidungen entledigen kann, führt eine solche Delegation - gleich ob zulässig oder unzulässig - dazu, dass die Entscheidung des Ministers und die darauf bezogene Willensbildung im Bundessicherheitsrat den Charakter des Regierungshandelns verlören und dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung entzogen wären. Ein möglicher Verstoß gegen ein aus der Verfassung abzuleitendes Delegationsverbot änderte nichts daran, dass die Willensbildung im Bundessicherheitsrat im System der Gewaltenteilung der Regierung zuzuordnen ist, zumal in diesem Unterausschuss des Regierungskollegiums allein Regierungsmitglieder stimmberechtigt sind. Der aus dem Gewaltenteilungsprinzip folgende Schutz vor informatorischen Eingriffen in den Bereich exekutiver Entscheidungsvorbereitung würde durch einen solchen Verstoß nicht entbehrlich. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Bundesregierung, die den Bundessicherheitsrat durch einen Kabinettsbeschluss eingerichtet hat, dieses Gremium jederzeit durch entsprechenden Beschluss auflösen oder einzelne Beratungen "an sich ziehen" könnte.

149

Der Teilnahme des Bundessicherheitsrates am Kernbereichsschutz steht nicht entgegen, dass an dessen Sitzungen neben Regierungsmitgliedern auch der Chef des Bundeskanzleramtes, der Generalinspekteur der Bundeswehr, die Chefs des Bundespräsidialamtes und des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, die Beauftragte der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie bei Bedarf weitere Dritte teilnehmen können. Hierdurch verliert das Gremium nicht den direkten Bezug zu der Willensbildung innerhalb der Bundesregierung, der die Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG vorbehalten sind. Soweit der Senat für die sogenannte Präsidentenrunde entschieden hat, dass diese an dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung nicht im gleichen Umfang teilnimmt wie das Kabinett (BVerfGE 124, 78 <137>), ist diese Entscheidung auf den Bundessicherheitsrat nicht übertragbar. Die Funktion der Präsidentenrunde besteht lediglich im Austausch von Informationen, der Beratung sowie in der Vorbereitung einer Entscheidungsfindung in den zuständigen Ressorts in Fragen der äußeren und inneren Sicherheit. Weder handelt es sich um ein Entscheidungsgremium, noch dienen die Beratungen der Präsidentenrunde notwendiger- oder auch nur typischerweise der unmittelbaren Vorbereitung von Kabinettsentscheidungen (BVerfG, a.a.O.). Erst recht treten sie nicht faktisch an deren Stelle.

150

c) Eine weitere Grenze des Informationsanspruchs des Bundestages bildet das Wohl des Bundes oder eines Landes (Staatswohl), das durch das Bekanntwerden geheimhaltungsbedürftiger Informationen gefährdet werden kann (vgl. BVerfGE 67, 100 <134 ff.>; 124, 78 <123> jeweils für das Beweiserhebungsrecht parlamentarischer Untersuchungsausschüsse). Die Frage, welche Grenzen die Verfassung dem parlamentarischen Frage- und Untersuchungsrecht setzt, ist unter Berücksichtigung seiner Bedeutung im Verfassungsgefüge zu beantworten. Dies gilt auch für die Auslegung und Anwendung des Begriffs der Gefährdung des Staatswohls (vgl. BVerfGE 124, 78 <123>). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Bundestag in der Geheimschutzordnung in detaillierter Weise die Voraussetzungen für die Wahrung von Dienstgeheimnissen bei der Aufgabenerfüllung des Bundestages festgelegt hat (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 77, 1 <48>; vgl. auch BVerfGE 70, 324 <359>). Die Verschwiegenheitspflicht aufgrund parlamentsrechtlicher Regelungen wird durch die strafrechtliche Sanktion des § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB bekräftigt. Diese Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der Tatsache, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungsrecht noch das Haushaltsrecht noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte (BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>). Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Staatswohl im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes nicht allein der Bundesregierung, sondern dem Bundestag und der Bundesregierung gemeinsam anvertraut ist (vgl. BVerfGE 67, 100 <136>; 124, 78 <124>). Das Parlament und seine Organe können nicht als Außenstehende behandelt werden, die zum Kreis derer gehören, vor denen Informationen zum Schutz des Staatswohls geheim zu halten sind (BVerfGE 124, 78 <124>). Mithin kann die Berufung auf das Wohl des Bundes gerade gegenüber dem Bundestag in aller Regel dann nicht in Betracht kommen, wenn beiderseits wirksam Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen getroffen wurden. Dass auch die Beachtung von Vorschriften zur Wahrung von Dienstgeheimnissen deren Bekanntwerden nicht ausschließt, steht dem nicht entgegen, denn diese Tatsache betrifft alle drei Gewalten (BVerfGE 67, 100 <136>).

151

Die Geheimschutzbestimmungen des Bundestages lassen allerdings die eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung der Bundesregierung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse unberührt (BVerfGE 67, 100 <137>; 70, 324 <359>). Die Bundesregierung ist daher nicht verpflichtet, Verschlusssachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Bundestag vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet (vgl. BVerfGE 67, 100 <137>). Vorkehrungen zur Geheimhaltung und die Entscheidung, nur ein sehr kleines parlamentarisches Gremium mit Beratungsgegenständen aus einem vertraulichen Bereich zu befassen, können daher verfassungsrechtlich zulässig sein, obgleich damit erhebliche Beschränkungen des Zugangs der meisten Abgeordneten zu diesen Informationen verbunden sind (BVerfGE 70, 324 <360, 364>; 130, 318 <352 f., 359>; 131, 230 <235>).

152

Andererseits ist zu beachten, dass der Deutsche Bundestag seine Repräsentationsfunktion grundsätzlich in seiner Gesamtheit durch die Mitwirkung aller seiner Mitglieder wahrnimmt (BVerfGE 130, 318 <342>; vgl. auch schon BVerfGE 44, 308 <316>; 56, 396 <405>; 80, 188 <218>; ferner BVerfGE 131, 230 <235>). Daher ist jeder Abgeordnete berufen, an der Arbeit des Bundestages, seinen Verhandlungen und Entscheidungen teilzunehmen (BVerfGE 130, 318 <342>). Soweit Abgeordnete durch die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf einen beschließenden Ausschuss von der Mitwirkung an der parlamentarischen Entscheidungsfindung ausgeschlossen werden, ist dies nur zum Schutz anderer Rechtsgüter mit Verfassungsrang und unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig (BVerfGE 131, 230 <235>). Es bedarf eines besonderen Grundes, der durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht ist, das der Gleichheit der Abgeordneten die Waage halten kann (BVerfGE 131, 230 <235>).

153

Überträgt der Deutsche Bundestag zur Wahrung anderer Rechtsgüter von Verfassungsrang einem von ihm aufgrund seiner Selbstorganisationsbefugnis eingerichteten Ausschuss oder einem anderen Untergremium einzelne der von ihm zu erfüllenden Aufgaben zur selbständigen und plenarersetzenden Wahrnehmung und bestehen dafür Gründe, die dem Gebot der gleichberechtigten Mitwirkung aller Abgeordneten die Waage halten, darf die Beschränkung der Statusrechte der gewählten Abgeordneten und die damit verbundene Ungleichbehandlung nicht weiter reichen, als dies unbedingt erforderlich ist (BVerfGE 130, 318 <353>). Auch Belange des Geheimschutzes im Interesse verfassungsrechtlich geschützter Güter sind als zwingende Gründe des Staatswohls grundsätzlich geeignet, die Einschränkung von Statusrechten der Abgeordneten zu rechtfertigen (BVerfGE 70, 324 <358 f.>; 130, 318 <359>; vgl. auch BVerfGE 131, 230 <235>). Die Staatspraxis kennt das aus elf Abgeordneten gebildete Parlamentarische Kontrollgremium, das unter anderem die nachrichtendienstliche Tätigkeit überwacht (BVerfGE 130, 318 <359>). Zudem hat es das Bundesverfassungsgericht gebilligt, dass über die Wirtschaftspläne der Geheimdienste des Bundes nicht das Plenum, sondern ein wesentlich kleineres, geheim verhandelndes und ausschließlich zu diesem Zwecke gebildetes Gremium berät, weil aus der Vielzahl der Informationen, die bei der Beratung bekannt werden, mosaikartig auch ein Bild von den konkreten Operationen der Geheimdienste gewonnen werden und dies darüber hinaus zur Gefährdung von Personen führen kann (BVerfGE 70, 324 <364>). Ebenso wie bei militärischen Geheimnissen oder sonstigen aus Gründen des Staatsschutzes geheim zu haltenden Informationen kann die Geheimschutzordnung möglicherweise auch dann keine ausreichende Vorsorge bieten, wenn über Maßnahmen entschieden werden muss, bei denen nicht nur der Inhalt der Beratung, sondern auch die Tatsache der Beratung und der Beschlussfassung an sich geheim gehalten werden müssen, um den Erfolg einer Maßnahme nicht von vornherein unmöglich zu machen (BVerfGE 130, 318 <362>).

154

d) Schließlich können das Fragerecht der Abgeordneten und die Antwortpflicht der Bundesregierung dadurch begrenzt sein, dass diese gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten haben (BVerfGE 67, 100<142>; 76, 363 <387>; 77, 1 <46>; 124, 78 <125>). Werden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch den Staat offen gelegt oder verlangt er deren Offenlegung, so ist Art. 12 Abs. 1 GG in seinem Schutzbereich berührt (vgl. BVerfGE 115, 205 <230>; 128, 1 <56>).

155

Das Grundrecht der Berufsfreiheit ist nach Art. 19 Abs. 3 GG auch auf juristische Personen anwendbar, soweit sie eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer juristischen wie einer natürlichen Person offen steht (BVerfGE 50, 290<363>; 115, 205 <229>; stRspr). Das Freiheitsrecht des Art. 12 Abs. 1 GG schützt das berufsbezogene Verhalten einzelner Personen oder Unternehmen am Markt. Erfolgt die unternehmerische Berufstätigkeit nach den Grundsätzen des Wettbewerbs, wird die Reichweite des Freiheitsschutzes auch durch die rechtlichen Regeln mitbestimmt, die den Wettbewerb ermöglichen und begrenzen (BVerfGE 105, 252 <265>; 115, 205 <229>). Behindert eine den Wettbewerb beeinflussende staatliche Maßnahme eine juristische Person in ihrer beruflichen Tätigkeit, so stellt dies eine Beschränkung ihres Freiheitsrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG dar (BVerfGE 86, 28<37>; 115, 205 <230>).

156

Durch die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen kann die Ausschließlichkeit der Nutzung des betroffenen Wissens für den eigenen Erwerb beeinträchtigt werden. Wird exklusives wettbewerbserhebliches Wissen den Konkurrenten zugänglich, mindert dies die Möglichkeit, die Berufsausübung unter Rückgriff auf dieses Wissen erfolgreich zu gestalten. So können unternehmerische Strategien durchkreuzt werden. Auch kann ein Anreiz zu innovativem unternehmerischen Handeln entfallen, weil die Investitionskosten nicht eingebracht werden können, während gleichzeitig Dritte unter Einsparung solcher Kosten das innovativ erzeugte Wissen zur Grundlage ihres eigenen beruflichen Erfolgs in Konkurrenz mit dem Geheimnisträger nutzen (vgl. zum Ganzen BVerfGE 115, 205 <230>).

157

3. Aus der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Pflicht der Bundesregierung, Informationsansprüche des Deutschen Bundestages zu erfüllen, folgt, dass sie die Gründe darlegen muss, aus denen sie die erbetenen Auskünfte verweigert (BVerfGE 124, 161 <193>). Denn der Bundestag kann seine Aufgabe der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns nur dann effektiv wahrnehmen, wenn er anhand einer der jeweiligen Problemlage angemessen ausführlichen Begründung beurteilen und entscheiden kann, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert oder welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen. Hierzu muss er Abwägungen betroffener Belange, die zur Versagung von Auskünften geführt haben, auf ihre Plausibilität und Nachvollziehbarkeit überprüfen können (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>). Eine Begründung der Antwortverweigerung ist daher nur dann entbehrlich, wenn die Geheimhaltungsbedürftigkeit evident ist (vgl. BVerfGE 124, 161 <193>).

II.

158

Nach diesen Maßstäben ist die Bundesregierung verpflichtet, Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf entsprechende Anfragen hin mitzuteilen, dass der Bundessicherheitsrat ein bestimmtes, das heißt hinsichtlich des Rüstungsguts, des Auftragsvolumens und des Empfängerlandes konkretisiertes Kriegswaffenexportgeschäft genehmigt hat oder dass eine Genehmigung für ein wie in der Anfrage beschriebenes Geschäft nicht erteilt worden ist. Darüber hinaus gehende Angaben sind verfassungsrechtlich nicht geboten.

159

1. Die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung ist nicht bereits mit der positiven oder negativen Antwort auf eine Voranfrage (a), sondern erst mit dem vom Bundessicherheitsrat gefassten Beschluss zu einem formellen Genehmigungsantrag abgeschlossen; über eine positive Genehmigungsentscheidung hat die Bundesregierung den Bundestag und seine Mitglieder daher auf Anfrage zu unterrichten (b). Keine Antwortpflicht besteht hingegen bei Fragen zu den Gründen einer getroffenen Entscheidung und zum Inhalt und Verlauf der Beratungen im Bundessicherheitsrat (c).

160

a) Die positive Beantwortung einer auf die Genehmigungsfähigkeit eines Kriegswaffenexportgeschäfts abzielenden Voranfrage eines Unternehmens der Rüstungsindustrie schließt die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung in Bezug auf das betreffende Exportvorhaben nicht ab. Etwas anderes könnte für die Ablehnung einer Voranfrage gelten, die aber nach dem von den Antragstellern nicht angezweifelten Vorbringen der Antragsgegnerin grundsätzlich nicht erfolgt und zudem aus anderen, unten näher dargelegten Gründen (vgl. Rn. 174 ff.) nicht mitzuteilen ist.

161

Mit einer positiven Beantwortung einer Voranfrage lassen der Bundessicherheitsrat und der für Voranfragen in Bezug auf Kriegswaffen zuständige Minister erkennen, dass zum Zeitpunkt der Antwort keine Bedenken gegen das beabsichtigte Exportgeschäft bestehen, so dass ein entsprechender formgerechter, konkretisierter und mit ausreichenden Unterlagen unterlegter Antrag Aussicht auf Erfolg hätte. Es handelt sich folglich bei der Beantwortung einer Voranfrage um eine Auskunft über die Genehmigungsfähigkeit des beabsichtigten Exports zum Zeitpunkt der Bescheidung dieser Anfrage, nicht aber um eine Zusicherung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) oder gar um eine abschließende Teilregelung oder Teilgenehmigung (Pottmeyer, Kriegswaffenkontrollgesetz, 2. Aufl. 1994, § 9 Rn. 55; a.A. Zähle, Der Staat 44 (2005) S. 462 <475> und VG Frankfurt, Urteil vom 1. November 2001 - 1 E 6167/00 (1) -, juris, Rn. 21). Eine Zusicherung im Sinne von § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG liegt nur vor, wenn der Wille der Behörde, sich für die Zukunft zu binden und einen entsprechenden Anspruch des Begünstigten auf die zugesagte Maßnahme zu begründen, in der Erklärung eindeutig erkennbar ist. Wird eine Maßnahme lediglich "in Aussicht gestellt", so liegt im Regelfall nur eine unverbindliche Absichtserklärung vor, wie weiter zu verfahren ist (Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 38 Rn. 21 ff. <24>). Die von der Antragsgegnerin exemplarisch eingereichten Antworten des Auswärtigen Amtes auf Voranfragen betreffend die Ausfuhr von Kriegswaffen sind so formuliert, dass dem anfragenden Unternehmen mitgeteilt wird, dass die Bundesregierung eine Genehmigung der Ausfuhr in Aussicht stellt, soweit sich die Umstände zum Zeitpunkt der Stellung des konkreten Antrages nicht wesentlich geändert haben. Aus einer solchen Mitteilung geht der Wille der Bundesregierung, sich zu binden und entgegen § 6 Abs. 1 KWKG einen Anspruch des Unternehmens auf die Genehmigung zu begründen, nicht eindeutig hervor. Der Bundessicherheitsrat und die beteiligten Ministerien sind folglich an die positive Beantwortung einer Voranfrage nicht gebunden, ein anschließender Antrag auf Erteilung der Genehmigung kann auch bei unveränderten Umständen abgelehnt werden. Ob in einem solchen Fall ein Amtshaftungsanspruch gegen die Bundesrepublik bestehen kann (so Pottmeyer, a.a.O., Rn. 56), bedarf hier keiner Klärung.

162

Dieser Rechtslage entspricht anscheinend die tatsächliche Praxis der Antragsgegnerin. Nach deren Vorbringen fühlt sich der Bundessicherheitsrat an seine Antworten auf Voranfragen rechtlich nicht gebunden. Vielmehr wird nach Eingang des vollständigen Genehmigungsantrages nochmals in die Beratung eingetreten und kommt es auch zu anschließenden Ablehnungsentscheidungen, die offenbar auch auf einer geänderten Einschätzung der im Wesentlichen unveränderten Lage in dem Empfängerland beruhen können.

163

Eine Verpflichtung der Bundesregierung, den Bundestag generell oder einzelne Abgeordnete auf konkrete Fragen hin über Entscheidungen des Bundessicherheitsrates zu Voranfragen in Bezug auf beabsichtigte Kriegswaffenexporte zu informieren, würde vor diesem Hintergrund in einen noch nicht abgeschlossenen ressortübergreifenden Willensbildungsprozess aus dem Verantwortungsbereich der Bundesregierung eingreifen. Der durch die Beantwortung der Voranfrage rechtlich nicht gebundene Bundessicherheitsrat würde der Einflussnahme des Parlaments auf seine von verschiedenen außenpolitischen Belangen, Erwägungen und Entwicklungen abhängige Beratung und Entscheidung über den nachfolgenden Genehmigungsantrag ausgesetzt. Damit würde dem Parlament das faktische Mitregieren bei einer Entscheidung ermöglicht, die in der alleinigen Kompetenz der Regierung liegt. Die Kontrollaufgabe des Parlaments würde in eine Steuerungsbefugnis verkehrt, die ihm ausweislich von Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG in diesem Bereich nicht zukommt.

164

b) Die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung ist nicht erst mit dem Erlass des positiven oder negativen Genehmigungsbescheides durch das jeweils zuständige Bundesministerium abgeschlossen. Entscheidender Willensbildungsakt ist vielmehr die Beratung eines Genehmigungsantrages im Bundessicherheitsrat, die mit dessen Beschlussfassung ihren Abschluss findet.

165

Die rechtliche Qualität der Beschlüsse des Bundessicherheitsrates im Bereich der Kriegswaffenexporte ist in der Literatur umstritten. Teilweise wird die auch von der Antragsgegnerin vorgebrachte Ansicht vertreten, es handele sich um rechtlich unverbindliche Empfehlungen, die dem jeweils zuständigen Minister lediglich vermitteln, ob dessen Entscheidung politisch mitgetragen werde (so Stern, Staatsrecht, Bd. II, 1980, § 42 IV. 4. c), S. 875; Zähle, Der Staat 44 (2005), S. 462 <477>, im Wege verfassungskonformer Auslegung; Busse/Hofmann, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, 5. Aufl. 2010, S. 96 f.; Glawe, Organkompetenzen und Handlungsinstrumente auf dem Gebiet der nationalen Sicherheit, 2011, S. 32, der allerdings von einer Empfehlung an das Bundeskabinett ausgeht). Nach anderer Ansicht trifft der Bundessicherheitsrat selbst die Genehmigungsentscheidung, an die der zuständige Minister gebunden ist und die sein Ministerium als Genehmigungsbehörde durch entsprechenden Bescheid umsetzen muss (Kadner, Die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers gegenüber der Sonderstellung einzelner Bundesminister unter besonderer Berücksichtigung des Bundesministers für Verteidigung, 1970, S. 111; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 227; Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2. Aufl. 1998, S. 247). Dieser Auffassung zufolge ist der Bundessicherheitsrat aufgrund der ihm als Entscheidungsgremium zukommenden Leitungsgewalt wegen Verstoßes gegen die Ressortselbständigkeit der Minister und die Kanzlerprärogative verfassungswidrig (Kadner, a.a.O.; Epping, a.a.O.; Böckenförde, a.a.O.; a.A. Steinberg, Abrüstungs- und Rüstungskontrollverwaltung in der Bundesrepublik Deutschland, 1982, S. 108, der zwar ein Entscheidungsrecht des Bundessicherheitsrates annimmt, dies aber mit Art. 65 GG für vereinbar hält).

166

Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob - wie es der Wortlaut von Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG nahe legt - die Bundesregierung beziehungsweise der Bundessicherheitsrat selbst zur Entscheidung verpflichtet ist (zum Erlass von Verwaltungsakten durch die Bundesregierung vgl. BVerwGE 117, 322 <328>, Rn. 16) oder das zuständige Ministerium als Genehmigungsbehörde rechtlich an den jeweiligen Beschluss des Bundessicherheitsrates gebunden ist. Nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin erfolgt in der Staatspraxis die abschließende Entscheidung im Bundessicherheitsrat. An dessen Beschlüsse halten sich die Minister faktisch und fühlen sich durch diese gebunden. Der Antragsgegnerin zufolge ist ihr kein Fall bekannt, in dem ein Minister von einer Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates abgewichen ist. Es besteht kein Grund, an dieser Darstellung zu zweifeln. Eine andere Handhabung würde auf Dauer zu fortwährenden Konflikten zwischen der Gesamtheit der Mitglieder des Bundessicherheitsrates und dem von dessen Beschlüssen abweichenden Minister und zu einer ständigen Befassung des gesamten Kabinetts führen (Art. 65 Satz 3 GG).

167

Zugunsten der Antragsteller kann daher davon ausgegangen werden, dass die Willensbildung der Bundesregierung in Bezug auf einen Kriegswaffenexportantrag mit dem jeweiligen Beschluss des Bundessicherheitsrates abgeschlossen ist. Damit endet der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung für die getroffene Entscheidung in diesem Zeitpunkt. Die Bundesregierung ist verpflichtet, den Abgeordneten des Bundestages auf Anfragen hin mitzuteilen, dass der Bundessicherheitsrat einen Beschluss über die Genehmigung eines Kriegswaffenexportgeschäfts gefasst hat.

168

c) Die Bundesregierung ist jedoch nicht verpflichtet, über die Mitteilung einer erfolgten Genehmigung hinaus Angaben zu der dieser Entscheidung vorausgegangenen Willensbildung innerhalb des Bundessicherheitsrates zu machen.

169

Parlamentarische Informationsrechte in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge scheiden zwar nicht grundsätzlich immer dann aus, wenn es sich um Informationen aus dem Bereich der Willensbildung der Regierung, einschließlich der vorbereitenden Willensbildung innerhalb der Ressorts und der Abstimmung zwischen ihnen handelt (BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>). Dem parlamentarischen Zugriff können grundsätzlich auch Informationen aus dem Bereich der regierungsinternen Willensbildung unterliegen (BVerfGE 124, 78 <122>).

170

Andererseits würde ein - sei es auch erst nach Abschluss des jeweiligen Entscheidungsprozesses einsetzender - schrankenloser parlamentarischer Anspruch auf Informationen aus diesem Bereich vor allem durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der selbständigen Funktion beeinträchtigen, die das Gewaltenteilungsprinzip ihr zuweist (BVerfGE 110, 199 <215>; 124, 78 <121>). Informationen aus dem Vorfeld von Regierungsentscheidungen sind danach zwar nach Abschluss der jeweiligen Entscheidung nicht mehr im selben Maße geschützt wie in der Phase, in der die Kenntnisnahme Dritter diesen einen unmittelbaren Einfluss auf die Entscheidung verschaffen würde (vgl. BVerfGE 110, 199 <215 f.>). Jedoch sind auch bei abgeschlossenen Vorgängen Fälle möglich, in denen die Regierung nicht verpflichtet ist, geheim zu haltende Tatsachen aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung mitzuteilen (vgl. BVerfGE 67, 100 <139>; 110, 199 <216>; 124, 78 <121>). Die Grenzen des parlamentarischen Informationsanspruchs lassen sich in Bezug auf abgeschlossene Vorgänge nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände feststellen (vgl. BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>). Die Notwendigkeit, hier zwischen gegenläufigen Belangen abzuwägen, entspricht der doppelten Funktion des Gewaltenteilungsgrundsatzes als Grund und Grenze parlamentarischer Kontrollrechte (BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>). In ihr kommt zum Ausdruck, dass die parlamentarische Kontrolle der Regierung einerseits gerade dazu bestimmt ist, eine demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechende Ausübung der Regierungsfunktion sicherzustellen, andererseits aber diese Funktion auch stören kann und daher der Begrenzung auf ein funktionsverträgliches Maß bedarf (BVerfGE 110, 199 <219>; 124, 78 <122>).

171

Als funktioneller Belang fällt bei abgeschlossenen Vorgängen nicht mehr die Entscheidungsautonomie der Regierung, sondern vor allem die Freiheit und Offenheit der Willensbildung innerhalb der Regierung ins Gewicht. Unter diesem Aspekt sind Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen, die Aufschluss über den Prozess der Willensbildung geben, umso schutzwürdiger, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen (vgl. BVerfGE 110, 199 <221>; 124, 78 <122 f.>).

172

Die Bundesregierung ist danach nicht verpflichtet, über den Inhalt und den Verlauf der Beratungen im Bundessicherheitsrat und über das Abstimmungsverhalten seiner Mitglieder Auskunft zu geben. Die Mitglieder des Gremiums sind auf die Vertraulichkeit der Beratungen in besonderem Maße angewiesen, da die Entscheidung über eine beabsichtigte Ausfuhr von Kriegswaffen eine eingehende Beurteilung des Empfängerlandes erfordert, etwa im Hinblick auf dessen politische und militärische Stabilität. Müssten die Mitglieder des Bundessicherheitsrates damit rechnen, dass die von ihnen in den Beratungen abgegebenen Einschätzungen alsbald nach der getroffenen Entscheidung veröffentlicht werden, so könnten sie nicht in auf Vertraulichkeit der Beratungen fußender Offenheit Gründe vorbringen, die für oder gegen eine Genehmigung sprechen. Es wäre sogar naheliegend, dass in einer solchen Situation die eigentlichen Beratungen faktisch nicht mehr in dem Gremium selbst erfolgen, sondern in Vorbesprechungen oder in kleinere, geheim tagende Kreise ausgelagert würden. Derartige einengende Vorwirkungen würden den Bundessicherheitsrat in seiner Funktion nachhaltig beeinträchtigen. Die Preisgabe der Beratungsabläufe im Bundessicherheitsrat wäre daher ein erheblicher Eingriff in den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung.

173

Das parlamentarische Informationsinteresse fällt demgegenüber weniger stark ins Gewicht. Parlamentarisch verantwortlich für die Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG ist die Bundesregierung. Die Information, welcher Minister im Rahmen der Beratungen welche Position vertreten hat, mag daher von allgemeinem politischen Interesse sein, für die parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelns ist sie aber nicht relevant.

174

2. Die Antwort auf Fragen zu noch nicht beschiedenen Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung für die Ausfuhr von Kriegswaffen kann die Bundesregierung ebenso wie die Auskunft über Voranfragen von Rüstungsunternehmen auch aus Gründen des Staatswohls verweigern. Entsprechendes gilt für die Tatsache, dass ein Genehmigungsantrag abgelehnt wurde. Auch bei durch den Bundessicherheitsrat bereits gebilligten Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung kann die Verweigerung der Antwort aus diesen Gründen gerechtfertigt sein.

175

Die Weitergabe der Information, ob der Bundessicherheitsrat eine Voranfrage beschieden hat, kann zu Verwerfungen im Verhältnis zu dem jeweiligen Erwerberland führen. Zum einen können dadurch Rüstungserwerbsabsichten publik werden, die das jeweilige Land jedenfalls in diesem frühen Stadium der Geschäftsanbahnung geheim halten möchte, etwa weil durch eine Veröffentlichung die künftige Verteidigungsstrategie des Landes erkennbar würde. Zum anderen kann das Bekanntwerden der Tatsache, dass eine Genehmigung verweigert beziehungsweise eine Voranfrage abschlägig beschieden oder zurückgestellt wurde, das an dem Erwerb interessierte Land öffentlich brüskieren und damit die Beziehungen zur Bundesrepublik stören.

176

Eine erhebliche Beeinträchtigung außenpolitischer Interessen drohte, wenn auch die Gründe für die Ablehnung einer Genehmigung oder Voranfrage mitgeteilt werden müssten, etwa die Gefahr der Verwendung der zur Ausfuhr vorgesehenen Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung oder bei Menschenrechtsverletzungen. Zudem könnten die Gründe in Einzelfällen Rückschlüsse auf bestimmte Informationsquellen zulassen, an deren Geheimhaltung die Bundesregierung gerade im Verhältnis zu dem betroffenen Land zum Schutz seiner Informationskanäle ein berechtigtes Interesse hat.

177

Das Bekanntwerden sensibler Rüstungsexportgeschäfte kann auch über das Verhältnis zum direkt betroffenen Erwerberland hinaus die außenpolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung beeinträchtigen. Rüstungsexportentscheidungen haben in der Regel eine diplomatische Dimension. So wird der Export von Kriegswaffen in Länder, die nicht Mitglied der NATO oder der Europäischen Union oder den NATO-Mitgliedsländern gleichgestellt sind, nur genehmigt, wenn "im Einzelfall besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der Bündnisinteressen für eine ausnahmsweise zu erteilende Genehmigung sprechen" (Politische Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern, III. 2., abgedruckt im Rüstungsexportbericht 2013, Anlage 1, S. 36). Der Handel mit Rüstungsgütern gilt als "wichtiges diplomatisches Instrument" (Richter, Die Rüstungsindustrie im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 20). Waffenexporte können den Zusammenhalt von Bündnissen und die militärische Schlagkraft befreundeter Staaten stärken und als "Gegenleistung" eingesetzt werden, etwa für Stationierungs- oder Überflugrechte (Roeser, Völkerrechtliche Aspekte des internationalen Handels mit konventionellen Waffen, 1988, S. 41). Die Verweigerung von Rüstungsexporten kann demgegenüber - wie etwa konzertierte Embargo-Aktionen zeigen - der Erhaltung des eigenen waffentechnischen Vorsprungs gegenüber anderen Staaten und damit der Sicherheit des Staates dienen (von Poser und Groß Naedlitz, Die Genehmigungsentscheidung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz, 1999, S. 56). Die Haltung der Bundesregierung zu einem beabsichtigten Rüstungsgeschäft kann damit auch Indikator für die politische Beziehung zu einem Land oder Ausdruck einer bestimmten Sicherheitsstrategie sein. Das vorzeitige Öffentlichwerden solcher Rüstungsexportgeschäfte kann ebenso wie das Bekanntwerden einer ablehnenden Entscheidung die Abschätzbarkeit der deutschen Außenpolitik für andere Länder erleichtern und damit Verhandlungs- und Gestaltungsspielräume verengen. Gleiches gilt für das Bekanntwerden der Gründe für die Bewilligung oder Ablehnung einer Genehmigung. Die Bundesregierung ist daher nicht verpflichtet, die Gründe für eine vom Bundessicherheitsrat getroffene Entscheidung mitzuteilen. Auch über die Ablehnung eines Kriegswaffenausfuhrantrages muss keine Auskunft erteilt werden.

178

Ein frühzeitiges Bekanntwerden eines beabsichtigten Rüstungsexportgeschäfts und der Haltung der Bundesregierung bereits im Stadium der Vertragsanbahnung birgt darüber hinaus die Gefahr, dass ein drittes Land, welches mit dem Geschäft nicht einverstanden ist, versucht, dieses Geschäft vor seiner tatsächlichen Durchführung durch den Einsatz von Druckmitteln zu verhindern. Zudem kann ein frühzeitiges Bekanntwerden dazu führen, dass ausländische Konkurrenzunternehmen an den Kaufinteressenten herantreten und das Geschäft durch Abgabe eines günstigeren Angebots an sich ziehen. Dies kann jedenfalls dort ein Geheimhaltungsinteresse der Bundesregierung aus Gründen des Staatswohls rechtfertigen, wo die Durchführung des Exportgeschäfts im außenpolitischen Interesse der Bundesrepublik liegt. Zudem stellt die Aufrechterhaltung eines nationalen Rüstungswesens ein legitimes staatliches Ziel dar. Eine eigene rüstungsindustrielle Basis führt aus verteidigungspolitischer Sicht dazu, dass die nationalen Streitkräfte durch die inländische Industrie ausgerüstet werden können. Gegenüber der Beschaffung der militärischen Ausrüstung auf dem Weltmarkt werden als Vorteile unter anderem der staatliche Einfluss als Hauptauftraggeber (Richter, Die Rüstungsindustrie im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2007, S. 24; ähnlich Raidel, Eine Lanze für die deutsche Verteidigungswirtschaft, Politik & Sicherheit, Heft 8, August 2009, S. 1 f.) und die daraus folgende passgenaue Ausrichtung nationaler Rüstungsprodukte auf die taktischen und operativen Konzepte der Streitkräfte sowie die Möglichkeit der konzeptionellen Weiterentwicklung der Streitkräfte genannt (Küchle, Die deutsche Heeresindustrie in Europa, 2007, S. 9). Zudem erhöht eine eigene Rüstungsindustrie die Versorgungssicherheit und dient der Vermeidung von Abhängigkeiten von der Exportpolitik anderer Staaten.

179

Diese Gefahren für die Durchführung des Rüstungsexportgeschäfts nehmen mit dem Fortgang des Verfahrens ab. Sie bestehen vor allem in der oft Monate oder gar Jahre andauernden Phase der Vertragsanbahnung. Aus diesem Grunde ist die Bundesregierung nicht verpflichtet, Abgeordneten des Bundestages auf Anfrage mitzuteilen, ob eine Voranfrage zu einem beabsichtigten Ausfuhrgeschäft gestellt und wie diese beschieden wurde. Die positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates, die anschließend durch das zuständige Ministerium in dem Genehmigungsbescheid umgesetzt wird, stellt auch hier eine Zäsur dar. Nach den Angaben der sachkundigen Dritten ist zum Zeitpunkt des Antrages auf Genehmigung einer Kriegswaffenausfuhr der Vertrag mit dem Empfängerland im Regelfall jedenfalls endverhandelt, zumeist sogar bereits geschlossen. Damit verringert sich die Gefahr einer Einflussnahme Dritter auf das zur Genehmigung anstehende Geschäft erheblich. Mit der positiven Entscheidung des Bundessicherheitsrates über einen Genehmigungsantrag entfällt auch die Möglichkeit der Bloßstellung eines kaufinteressierten Staates, die mit der Ablehnung eines frühzeitig - etwa durch die Auskunft über eine Voranfrage - bekannt gewordenen Geschäfts verbunden sein kann.

180

Die Zäsurwirkung der positiven Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates schließt nicht aus, dass die Bundesregierung aus den genannten Gründen des Staatswohls in Einzelfällen ausnahmsweise auch die Antwort auf die Frage verweigern darf, ob eine solche Entscheidung getroffen wurde. Wann eine solche Antwortverweigerung gerechtfertigt sein kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn jedenfalls müsste die Bundesregierung die Verweigerung der Auskunft in ihrer Antwort gesondert begründen, was vorliegend nicht geschehen ist.

181

3. Eine weitere Einschränkung der Antwortpflicht der Bundesregierung in Bezug auf die Befassung des Bundessicherheitsrates mit Voranfragen und Genehmigungsanträgen zu beabsichtigten Kriegswaffenausfuhrgeschäften ergibt sich aus dem grundrechtlichen Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der jeweiligen Rüstungsunternehmen.

182

a) Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Zu derartigen Geheimnissen zählen etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden können (BVerfGE 115, 205 <230 f.>; vgl. auch BVerfGE 128, 1 <56>). Als Betriebsgeheimnisse kommen vorliegend unter anderem die konkreten technischen Daten und Spezifikationen der einzelnen Kriegswaffen in Betracht, als Geschäftsgeheimnisse insbesondere die Details der vertraglichen Vereinbarungen wie etwa Lieferzeiten und -orte, Preise und Preisbestandteile, Zahlungsbedingungen und Angaben zu den beteiligten Zulieferunternehmen. Der Umstand, dass ein Unternehmen Verhandlungen mit einem Staat über den Erwerb von Kriegswaffen bestimmter Gattung führt, stellt für sich genommen ebenfalls ein Geschäftsgeheimnis dar, weil die Verhandlungspartner in aller Regel eine Vertraulichkeitsvereinbarung abschließen und weil Konkurrenzunternehmen versuchen können, die Anbahnung des Geschäfts durch eigene Angebote oder andere Maßnahmen zu unterminieren. Somit stellen das Kaufinteresse eines Staates und die Aufnahme von Vertragsverhandlungen exklusives wettbewerbserhebliches Wissen dar und mindert die Offenlegung dieser Tatsachen die Möglichkeit, die Berufsausübung unter Rückgriff auf dieses Wissen erfolgreich zu gestalten.

183

b) Zwar begründet Art. 12 Abs. 1 GG kein ausschließliches Recht der Unternehmen auf eigene Außendarstellung und auf eine uneingeschränkte unternehmerische Selbstdarstellung am Markt. Marktbezogene Informationen des Staates beeinträchtigen den grundrechtlichen Gewährleistungsbereich der Berufsfreiheit der betroffenen Unternehmen daher nicht, sofern der Einfluss auf wettbewerbserhebliche Faktoren ohne Verzerrung der Marktverhältnisse nach Maßgabe der rechtlichen Vorgaben für staatliches Informationshandeln erfolgt (BVerfGE 105, 252 <264 ff., 268>). Unabhängig davon wäre aber durch die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Kriegswaffen produzierenden Unternehmen durch die Bundesregierung der Schutzbereich der Berufsfreiheit berührt (vgl. BVerfGE 115, 205 <230>). Dieser Schutzbereich ist jedenfalls insoweit nicht durch Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG eingeschränkt. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei dem Genehmigungserfordernis um ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (so Pottmeyer, Kriegswaffenkontrollgesetz, 1991, S. 69 ff.; Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 120) oder um ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt handelt (so Pernice, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2006, Art. 26 Rn. 20; Fink, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 26 Rn. 75; Streinz, in: Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 26 Rn. 45; Hernekamp, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 26 Rn. 29; Hobe, in: Berliner Kommentar zum GG, Nov. 2012, Art. 26 Rn. 18). Selbst wenn man der Regelung eine grundsätzliche Missbilligung der Herstellung, der Beförderung und des Inverkehrbringens von Kriegswaffen entnehmen wollte, sind diese Verhaltensweisen bei Vorliegen einer Genehmigung erlaubt und von der Berufsfreiheit geschützt. Dieser Schutz erstreckt sich auf solche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ein Unternehmen zur Erlangung der Genehmigung gegenüber staatlichen Behörden offenlegen muss, und zwar selbst für den Fall, dass die Genehmigung versagt werden sollte. Das Grundgesetz missbilligt nicht die Vorbereitung und Anbahnung eines Kriegswaffenexportgeschäfts, sondern allenfalls dessen nicht genehmigte Durchführung.

184

c) Durch die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen von Unternehmen der Rüstungsindustrie im Rahmen der Beantwortung parlamentarischer Anfragen griffe die Bundesregierung in den Schutzbereich der Berufsfreiheit ein. Sowohl schriftliche Antworten der Bundesregierung als auch mündliche Antworten im Rahmen von Fragestunden sind öffentlich. Schriftliche Antworten werden durch den Bundestag in Drucksachen veröffentlicht (§ 105 Satz 1 und 2 i.V.m. Anlage 4, Ziff. 14 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980, BGBl I S.1237, zuletzt geändert durch Beschluss vom 3. April 2014, BGBl I S. 534 - GO-BT -), mündliche Antworten in Fragestunden sind den jeweiligen Plenarprotokollen zu entnehmen, nachgereichte schriftliche Antworten werden in einen Anhang zu dem betreffenden Protokoll aufgenommen (GO-BT, Anlage 4, Ziff. 12). Damit würde Konkurrenten die Kenntnisnahme von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der betroffenen Unternehmen ermöglicht (vgl. BVerfGE 115, 205 <231>).

185

d) Der mit einer Offenlegung von Informationen zu beabsichtigten Rüstungsexportgeschäften verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit der Unternehmen der deutschen Rüstungsindustrie ist generell insoweit gerechtfertigt, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort Auskunft darüber gibt, dass der Bundessicherheitsrat die Genehmigung für ein konkretes Kriegswaffenausfuhrgeschäft erteilt hat und in diesem Rahmen Angaben über Art und Anzahl der Kriegswaffen, über das Empfängerland, über die beteiligten deutschen Unternehmen und über das Gesamtvolumen des Geschäfts macht. Darüber hinaus gehende Angaben würden grundsätzlich in unverhältnismäßiger Weise in die Berufsfreiheit der Unternehmen eingreifen. Dies gilt insbesondere für Angaben, die so konkret sind, dass aus ihnen auf vertrauliche Informationen, etwa auf den Einzelpreis eines bestimmten Rüstungsguts, rückgeschlossen werden könnte.

186

aa) Die Offenlegung von Unternehmensinformationen durch die Bundesregierung in Antworten auf Anfragen von Abgeordneten betrifft ein mehrpoliges Rechtsverhältnis, in welchem die Bundesregierung das Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten einerseits und das den Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gewährleistende Grundrecht der betroffenen Unternehmen auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG andererseits zum Ausgleich zu bringen hat. In einer solchen Konstellation sind Eignung und Erforderlichkeit der Beeinträchtigungen mit Blick auf beide widerstreitenden Rechtsgüter zu beurteilen. Dabei sind die Vor- und Nachteile bei der Verwirklichung der verschiedenen betroffenen Rechtsgüter in ihrer Gesamtheit abzuwägen. Hat der Gesetzgeber einen Weg zur Lösung des Konflikts durch eine einfachgesetzliche Regelung vorgezeichnet, so ist sein Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Überlässt er die Entscheidung hingegen den Organen der Rechtsanwendung, so sind deren Eingriffshandlungen verfassungsrechtlich darauf zu überprüfen, ob die zugrunde gelegten Annahmen und Abwägungsregeln sowie ihre Abwägung im konkreten Fall den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen, das heißt auch, ob sie innerhalb des den Entscheidungsträgern gewährten Einschätzungsspielraums verbleiben und zur Herstellung praktischer Konkordanz im konkreten Streitfall führen (zum Ganzen BVerfGE 115, 205 <233 f.>).

187

bb) § 12a Abs. 2 Satz 1 KWKG ermächtigt die Bundesregierung, die auf Grund einer Rechtsverordnung nach Absatz 1 erhobenen Daten zusammengefasst ohne Nennung von Empfängern und Lieferanten zu den in Absatz 1 genannten Zwecken an internationale Organisationen oder zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages zu übermitteln oder zu veröffentlichen. Die Vorschrift wurde mit dem Achten Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes vom 9. August 1994 (BGBl I S. 2068) in das KWKG aufgenommen und dient der Umsetzung einer Resolution der Vereinten Nationen, mit der beim Generalsekretariat der Vereinten Nationen ein Waffenregister eingerichtet wurde und die Mitgliedstaaten aufgerufen wurden, die Ein- und Ausfuhr bestimmter Kriegswaffen dorthin zu melden (BTDrucks 12/6911, S. 11). Die Ermächtigung zur Übermittlung oder Veröffentlichung zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages beruhte auf der Erwägung, dass Daten, die wie im Falle des Waffenregisters der Einsicht aller Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen offen stehen, grundsätzlich auch zur Unterrichtung des Deutschen Bundestages oder der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen sollten (BTDrucks 12/6911, S. 12). Diese Regelung kann den erforderlichen Ausgleich zwischen dem Fragerecht der Abgeordneten und dem Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen auch unter Berücksichtigung des Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise herstellen. Dies folgt schon daraus, dass sie die Weitergabe der Informationen an den Deutschen Bundestag lediglich ermöglicht, ohne die Bundesregierung hierzu zu verpflichten. Der Ausgleich der konfligierenden Rechtsgüter bleibt so letztlich der Bundesregierung überlassen und es kann auch zu einer völligen Versagung von Auskünften kommen. Der Gesetzgeber hat damit keinen Lösungsweg bereitgestellt, der stets eine Verwirklichung der gegenläufigen Interessen in diesem mehrpoligen Rechtsverhältnis sichert (vgl. BVerfGE 115, 205 <235>). Eine erweiternde Auslegung ist angesichts des klaren Wortlautes nicht möglich.

188

cc) Die somit erforderliche Abwägung unmittelbar zwischen dem Fragerecht der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG einerseits und dem durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des jeweiligen die Ausfuhr beabsichtigenden Unternehmens andererseits ergibt, dass die Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates unabhängig von dem jeweils konkret durch Abgeordnete des Bundestages angefragten Kriegswaffenausfuhrgeschäft die entscheidende Zäsur darstellt.

189

Das Interesse des jeweiligen Rüstungsunternehmens an der Geheimhaltung des beabsichtigten Rüstungsexportgeschäfts ist bis zur endgültigen Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates höher zu bewerten als das berechtigte Informationsinteresse der Abgeordneten. In der Phase der Geschäftsanbahnung ist die Information, dass ein bestimmtes Empfängerland ein bestimmtes Rüstungsgut erwerben möchte, besonders wettbewerbsrelevant. Konkurrenzunternehmen, die von einem solchen Erwerbsinteresse Kenntnis erlangten, könnten versuchen, durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit auf den Genehmigungsprozess Einfluss zu nehmen. Zudem könnten sie ein eigenes Angebot abgeben und das Geschäft auf diese Weise an sich ziehen; dies gälte erst recht, wenn die Bundesregierung über die bloße Tatsache des beabsichtigten Geschäfts hinaus auch Angaben zu Preisen machte.

190

Es ist nicht zu verkennen, dass das Informationsinteresse des Parlaments und der einzelnen Abgeordneten in diesem Stadium ebenfalls besonders hoch ist, da noch auf den Genehmigungsprozess Einfluss genommen werden kann. Im Rahmen der Abwägung der konfligierenden Interessen ist aber zu berücksichtigten, dass ein dahin gehendes Informationsinteresse nicht schützenswert ist, da es auf ein dem Gewaltenteilungsprinzip widersprechendes Mitregieren zielt (siehe oben Rn. 163).

191

Nach erfolgter Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates ist die Schutzbedürftigkeit des jeweils betroffenen Unternehmens geringer. In diesem Stadium besteht für Konkurrenzunternehmen kaum noch die Möglichkeit, auf das genehmigte Geschäft Einfluss zu nehmen. Der Kaufvertrag ist im Regelfall bereits geschlossen, und je nach zeitlichem Abstand zwischen der Entscheidung des Bundessicherheitsrates und dem Erlass des Genehmigungsbescheides durch die zuständige Behörde kann mit der Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen alsbald begonnen werden.

192

In Bezug auf Angaben, die über die Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates und die Grunddaten des Kriegswaffenausfuhrgeschäfts, also die Art und die Anzahl der Kriegswaffen, das Empfängerland und das Gesamtvolumen hinausgehen, fällt die Abwägung zwischen den konfligierenden Rechtsgütern grundsätzlich zugunsten der Unternehmen aus, deren Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vor der Kenntnisnahme durch Wettbewerber zu schützen sind. Unverhältnismäßig wäre insbesondere die Offenlegung von Angaben, die Rückschlüsse auf die Preisgestaltung oder auf Spezifikationen des Rüstungsguts sowie auf handelnde Personen der an dem Geschäft beteiligten Unternehmen oder Staaten zuließen. An diesen Daten besteht auch kein berechtigtes Informationsinteresse, weil sie für die parlamentarische Kontrolle der Regierungstätigkeit nicht erforderlich sind.

193

e) Ob die Antwortpflicht der Bundesregierung auch durch das Grundrecht betroffener Unternehmen aus Art. 14 Abs. 1 GG begrenzt sein kann, bedarf keiner Entscheidung, weil der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen durch Art. 14 Abs. 1 GG jedenfalls nicht weiter geht als der durch Art. 12 Abs. 1 GG (BVerfGE 115, 205<248>).

194

4. Der Konflikt zwischen dem Fragerecht der Abgeordneten auf der einen und dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung, dem Staatswohl und der Berufsfreiheit der Kriegswaffen ausführenden Unternehmen auf der anderen Seite kann, anders als die Antragsteller meinen, nicht durch Maßnahmen des Geheimnisschutzes auf Seiten des Parlaments aufgelöst werden. Weder die Beschränkung des Adressatenkreises der Antworten der Bundesregierung durch Einrichtung eines parlamentarischen Kontrollgremiums (a) noch die Anwendung der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages (b) sind geeignet, einen angemessenen Ausgleich zwischen den konfligierenden Rechtsgütern zu schaffen.

195

a) Der Deutsche Bundestag könnte zwar für die parlamentarische Kontrolle der Tätigkeit des Bundessicherheitsrates ein Gremium nach Art des Parlamentarischen Kontrollgremiums (siehe § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumgesetz) vom 29. Juli 2009, BGBl I S. 2346), des Vertrauensgremiums nach § 10a Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung vom 19. August 1969 (BGBl I S. 1284) oder des Sondergremiums nach § 3 Abs. 3 des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus (Stabilisierungsmechanismusgesetz) vom 22. Mai 2010 (BGBl I S. 627) einrichten und dieses Gremium der Geheimschutzordnung unterwerfen. Durch die Beschränkung des Fragerechts der Mitglieder des Bundestages auf die Mitglieder eines solchen Gremiums würde ein Maß an Geheimhaltung praktisch ermöglicht, das zum Ausgleich der konfligierenden Interessen führen könnte.

196

Die Beschränkung der Wahrnehmung der Beteiligungsrechte des Bundestages auf parlamentarische Untergremien greift aber ihrerseits in die Rechte der in dem Sondergremium nicht vertretenen Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ein, über eine Angelegenheit des Deutschen Bundestages zu beraten, zu ihr zu reden, das Frage- und Informationsrecht des Parlaments auszuüben und schließlich darüber abzustimmen (BVerfGE 130, 318<357>). Bei einer solchen Beschränkung der Statusrechte der Abgeordneten ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und ein angemessener Ausgleich zwischen der Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages und den Statusrechten der Abgeordneten sicherzustellen. Erfolgt die Delegation von Beteiligungsrechten im Interesse besonderer Vertraulichkeit, muss sie deshalb auf wenige Ausnahmen mit begrenztem Anwendungsbereich beschränkt bleiben und zwingend erforderlich sein (BVerfGE 130, 318 <359 f.>).

197

Ob die Beratungen des Bundessicherheitsrates einen solchen Ausnahmefall darstellen können, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die Delegation der Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages auf ein Gremium zur Kontrolle der Genehmigungsentscheidungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG erscheint nicht zwingend erforderlich. Eine solche Delegation würde es zwar ermöglichen, das Parlament mit Informationen zu versehen, die über die bloße Mitteilung einer erfolgten Genehmigungsentscheidung hinausgehen. So könnte ein der Geheimhaltung unterliegendes Sondergremium auch über Ablehnungsentscheidungen und vor allem auch über die Gründe für eine vom Bundessicherheitsrat getroffene Entscheidung unterrichtet werden. Diesem Erhalt zusätzlicher Informationen stünde aber eine erhebliche Beschränkung der parlamentarischen Kontrolle und der Statusrechte der nicht im Gremium vertretenen Abgeordneten gegenüber. Zudem entfiele dadurch, dass die Kontrolle der Parlamentsöffentlichkeit entzogen würde, auch die Kontrolle durch die Bürger, die der effektiven Verantwortlichkeit des Parlaments gegenüber dem Wähler dient (vgl. BVerfGE 125, 104 <124>; 130, 318 <344>). Der Zugewinn an Informationen über Angelegenheiten des Bundessicherheitsrates kann derartige Beschränkungen nicht rechtfertigen. Die Verpflichtung der Bundesregierung, den Deutschen Bundestag öffentlich über positive Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates zu informieren, ermöglicht eine hinreichende parlamentarische Kontrolle. Die Steigerung der Kontrolltiefe, die mit der Information eines Sondergremiums über Ablehnungsentscheidungen und über die Gründe der Entscheidungen des Bundessicherheitsrates erreicht würde, steht in keinem Verhältnis zu den Einbußen für die Funktion der Kontrolle, die durch eine öffentliche Kontrolle vermittelte Legitimation des staatlichen Handelns und die Statusrechte der nicht in dem Gremium vertretenen Abgeordneten, die die weit überwiegende Mehrheit des Deutschen Bundestages darstellten.

198

b) Auch durch eine Information des Deutschen Bundestages über Belange des Bundessicherheitsrates nach Maßgabe der Geheimschutzordnung (GO-BT, Anlage 3) kann der Interessenskonflikt nicht aufgelöst werden.

199

Verschlusssachen, die mit dem Geheimhaltungsgrad "Geheim" oder "Streng geheim" versehen sind, dürfen von Abgeordneten des Deutschen Bundestages grundsätzlich nur in den Räumen der Geheimregistratur eingesehen werden, § 3a Satz 1 Geheimschutzordnung. Die Möglichkeit zur Weitergabe der Information ist durch § 4 Geheimschutzordnung beschränkt; in jedem Fall scheidet eine Information der Öffentlichkeit aus.

200

Die Geheimschutzordnungist grundsätzlich ein taugliches Instrument des Ausgleichs zwischen exekutivem Geheimhaltungsinteresse und parlamentarischem Informationsinteresse (vgl. BVerfGE 67, 100 <135>; 70, 324 <359>; 124, 78 <124 f.>; siehe ferner BVerfGE 130, 318 <362>; 131, 152 <208>). Auch eine systematische Gesamtschau einer Reihe von Grundgesetzbestimmungen - etwa Art. 42 Abs. 1 Satz 2, Art. 44 Abs. 1 Satz 2, Art. 45a Abs. 3 und Art. 53a GG - zeigt, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit in der Verfassung als eine Möglichkeit zur Wahrung von Geheimschutzinteressen unter gleichzeitiger Einbeziehung des Parlaments angelegt ist. Die Anwendung der Geheimschutzordnung konfligiert allerdings mit der Öffentlichkeitsfunktion des Parlaments. Die genannten Ausnahmevorschriften ändern nichts daran, dass die Öffentlichkeit der Beratungen nach Art. 42 Abs. 1 GG für die parlamentarische Entscheidungsfindung grundsätzlich unverzichtbar ist. Die Informationsrechte des Parlaments dürfen nicht dazu führen, dass sich über den parlamentarischen Geheimnisschutz die Arbeits- und Funktionsweise des Parlaments in den wichtigen Bereichen grundlegend verschiebt und diese spezifische Öffentlichkeitsfunktion ausgeblendet wird.

201

Eine unter Bedingungen der Geheimschutzordnung erlangte Information können die Parlamentarier nicht in den öffentlichen Meinungsbildungsprozess überspielen. Wenn das Parlament unter Anwendung der Geheimschutzordnung informiert wird, ist daher zwar formal der Zurechnungszusammenhang zwischen Regierung und Parlament gewahrt. Der weitere Verantwortungszusammenhang zum Volk ist jedoch insoweit unterbrochen. Der Wahlvorgang sichert die Kontrolle des Volkes über die Benutzung der Macht durch die politische Mehrheit (BVerfGE 5, 85 <199>). Ohne die entsprechende Information kann die Wählerschaft weder das Handeln der Regierung noch die parlamentarische Reaktion auf die erlangte Information zur Kenntnis nehmen und bewerten. Beides ist aber für die demokratische Legitimation durch den Wahlakt essentiell.

202

Auch im Verhältnis zwischen Regierung und Parlament wird der Kontrollzusammenhang durch die Anwendung der Geheimschutzordnung abgeschwächt. Öffentlichkeit ist essentiell für die Ausübung der Kontrollfunktion des Parlaments. Während die zur Vorbereitung von Gesetzgebung begehrten Informationen dem Parlament auch dann den gewünschten Sachverstand verschaffen und damit ihren Zweck erfüllen, wenn sie nicht öffentlich sind, verhält es sich mit Informationen zum Zweck der politischen oder der Rechtskontrolle anders. In der politischen Realität ist das Fragerecht in seiner Kontrolldimension ganz überwiegend ein Mittel der Opposition, welches zu seiner Wirksamkeit grundsätzlich auf Öffentlichkeit angewiesen ist. Fällt das Öffentlichkeitselement weg, so scheidet in der Praxis zumindest eine sanktionierende Kontrolle aus.

203

5. Die Pflicht der Bundesregierung, parlamentarische Anfragen zu positiven Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates zu beantworten, wird nicht schon durch die jährlich veröffentlichten Rüstungsexportberichte erfüllt.

204

Die Berichtsform unterscheidet sich systematisch von der Frage- und Antwortstruktur des Interpellationsrechts. Sowohl die Struktur und der Gehalt der Information als auch ihr Zeitpunkt werden beim Rüstungsexportbericht nicht durch die Abgeordneten, sondern durch die Bundesregierung bestimmt. Bereits deshalb ist ein allgemeiner Bericht dem parlamentarischen Fragerecht grundsätzlich nicht gleichwertig.

205

Die Rüstungsexportberichte der Bundesregierung sind zudem nicht hinreichend präzise, um das berechtigte parlamentarische Informationsinteresse zu befriedigen. Die Berichte differenzieren nicht nach einzelnen Genehmigungsakten, sondern führen die im Berichtsjahr genehmigten Geschäfte summiert auf. Die Beschreibung der betroffenen Güter erfolgt pauschal. In der maßgeblichen Anlage 8 des Rüstungsexportberichts für das Jahr 2013 werden unter der Rubrik "Ausfuhrgenehmigungen nach Ländergruppen und Ländern" lediglich Anzahl und Gesamtwert der Genehmigungen sowie von den Genehmigungen betroffene Ausfuhrlisten-Positionen mitgeteilt. Die insgesamt 22 Ausfuhrlisten-Positionen sind in der Ausfuhrliste (AWV Anlage AL) näher beschrieben. Sie sind durch einen überwiegend sehr pauschalen Erfassungsstatus gekennzeichnet (Wahren, in: Hohmann/John (Hrsg.), Ausfuhrrecht, 2002, Teil 4, Außenwirtschaftsverordnung, Erläuterungen AL Teil 1, Rn. 40). So fiele der in den streitgegenständlichen Anfragen angesprochene Leopard-Panzer als für militärische Zwecke konstruiertes Landfahrzeug unter die Rubrik A0006 der Ausfuhrliste. Nach der dortigen Anmerkung 1 erfasst diese Rubrik aber auch gepanzerte Fahrzeuge, amphibische und tiefwatfähige Fahrzeuge, Bergungsfahrzeuge und Fahrzeuge zum Befördern und Schleppen von Munition oder Waffensystemen und zugehörige Ladesysteme. Da sich die Rüstungsexportberichte an diesen groben Einteilungen der Ausfuhrliste orientieren, ist es auf der Grundlage dieser Berichte kaum möglich, die für eine effektive parlamentarische Kontrolle relevanten politisch bedeutsamen Exportgenehmigungen auszumachen.

206

Zwar enthält der Rüstungsexportbericht für die 20 wichtigsten Bestimmungsländer des Jahres 2013 in Anlage 7 eine etwas detailliertere Aufstellung. Hier werden neben dem Gesamtwert der erteilten Einzelgenehmigungen auch die wesentlichen Güter und ihr prozentualer Anteil am Gesamtwert der Genehmigungen genannt. Verlässliche Rückschlüsse auf bedeutsame einzelne Genehmigungen erlaubt jedoch auch diese Aufstellung nicht. So lässt sich dieser Liste etwa entnehmen, dass für Ausfuhren nach Katar Genehmigungen im Gesamtwert von 673.377.690 Euro erteilt wurden, von denen 44,4 % auf Zugmaschinen, LKW, Kranwagen, Auflieger, Anhänger, Masten und Teile für Panzer, Panzerhaubitzen, gepanzerte Fahrzeuge, LKW und Landfahrzeuge entfielen. Welcher Anteil hiervon auf LKW und welcher auf Teile für Panzer oder Panzerhaubitzen entfiel, ist hieraus nicht zu erkennen. Es muss den Abgeordneten daher im Rahmen einer effektiven parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns möglich sein, über diese Rüstungsexportberichte hinaus durch konkrete Fragen Informationen darüber zu erhalten, in welchem Umfang Genehmigungen für die Ausfuhr von Kriegswaffen besonderer Bedeutung, wie etwa Kampfpanzer, in bestimmte Staaten erteilt wurden.

207

6. Die Bundesregierung kann die Antwort auf parlamentarische Anfragen zu Angelegenheiten des Bundessicherheitsrates insoweit verweigern, wie die jeweilige Anfrage auf Informationen abzielt, die über die Mitteilung einer erfolgten positiven Genehmigungsentscheidung und die Eckdaten des betreffenden Ausfuhrgeschäfts hinausgehen. Eine gesonderte Begründung der Antwortverweigerung ist insoweit nicht erforderlich, die generelle Berufung auf die Geheimhaltung der Beratungen des Bundessicherheitsrates reicht aus.

208

Es besteht eine Jahrzehnte währende und allgemein bekannte Praxis der Bundesregierung, die Beantwortung derartiger Anfragen unter Berufung auf die Vertraulichkeit der Beratungen des Bundessicherheitsrates zu verweigern, selbst wenn in Einzelfällen aufgrund besonderer Umstände einzelne Angaben gemacht worden sein sollten. Angesichts dieser langjährigen Praxis ist nicht zu verlangen, dass die Bundesregierung in jeder Antwort auf eine entsprechende Anfrage ihre allgemeine Auffassung zu dem Verhältnis zwischen parlamentarischem Informationsrecht einerseits und Schutz der exekutiven Eigenverantwortung, Belangen des Staatswohls und Schutz der Grundrechte Dritter andererseits darlegt. Eine solche fortwährend wiederholte Darlegung wäre nur formalistisch und nicht geeignet, den Frage stellenden Abgeordneten einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn zu verschaffen. Ein Abgeordneter, der die Gründe für die grundsätzliche Antwortverweigerung hinterfragen möchte, ist daher gehalten, diese selbst zum Gegenstand einer Anfrage zu machen.

209

Eine Begründungspflicht besteht allerdings insoweit, wie die Bundesregierung die Auskunft über eine erteilte Genehmigung oder über die in diesem Rahmen mitzuteilenden Generalia des Exportgeschäfts verweigern will.

III.

210

Die Antragsgegnerin hat die Grenzen ihrer Antwortpflicht bei der Beantwortung der streitgegenständlichen Fragen teilweise verkannt und hierdurch Rechte der Antragsteller aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt.

211

1. Die Antragsgegnerin hat ihrer Antwortpflicht in Bezug auf die Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. aus der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 6. Juli 2011, PlenProt 17/119, S. 13802 D, soweit sie sich auf die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien bezieht, nicht und hinsichtlich der schriftlichen Frage 7/193 vom 14. Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 28) teilweise nicht genügt, im Übrigen sind die Anträge des Antragstellers - soweit zulässig - unbegründet.

212

a) Die Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. aus der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 6. Juli 2011 (PlenProt 17/119, S. 13802 D) richtete sich unter anderem darauf, ob der Bundesregierung Erkenntnisse über die Verletzung von Menschen- und Bürgerrechten in Saudi-Arabien vorliegen.

213

Indem der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie die Antwort auf diese Frage unter Hinweis auf die fehlende Zuständigkeit des Bundeswirtschaftsministers endgültig verweigerte, hat die Antragsgegnerin das Fragerecht des Antragstellers zu 1. in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise verkürzt. Das Fragerecht der Abgeordneten besteht gegenüber der Bundesregierung, diese ist zur Beantwortung der Fragen verpflichtet. Die Antwort kann daher nicht durch Verweis auf das Ressortprinzip verweigert werden. Auf sonstige Geheimhaltungsgründe hat sich die Antragsgegnerin nicht berufen; sie drängen sich auch nicht auf.

214

b) Die Antwort auf die zur schriftlichen Beantwortung gestellte Frage des Antragstellers zu 1. vom 14. Juli 2011 (Frage 7/193, BTDrucks 17/6658, S. 28) hat die Antragsgegnerin teilweise zu Unrecht verweigert. Es hätte ihr oblegen, dem Antragsteller zu 1. mitzuteilen, ob der Bundessicherheitsrat die Lieferung von 200 Panzern des Typs Leopard nach Saudi-Arabien genehmigt hat.

215

Zu darüber hinausgehenden Angaben war die Antragsgegnerin allerdings nicht verpflichtet. Falls zum Zeitpunkt der Beantwortung der Frage eine positive Entscheidung des Bundessicherheitsrates nicht vorgelegen haben sollte, wäre sie daher nicht verpflichtet gewesen, dem Antragsteller zu 1. mitzuteilen, ob überhaupt ein entsprechender Genehmigungsantrag oder eine entsprechende Voranfrage vorlag. Dass die Presse über die vermeintlich erteilte Genehmigung einer solchen Lieferung berichtet hatte, ändert hieran nichts. Unterfällt ein Willensbildungsvorgang innerhalb der Regierung dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, so wird er nicht dadurch weniger geheimhaltungsbedürftig, dass Dritte über ihn öffentlich berichten. Anderenfalls könnte die Regierung durch gezielte Spekulationen zu Auskünften über geheimhaltungsbedürftige Willensbildungsvorgänge gezwungen werden. Auch eine ablehnende Entscheidung hätte die Antragsgegnerin nicht als solche mitteilen, sondern nur angeben müssen, dass keine positive Genehmigungsentscheidung vorliegt. Sollte eine positive Entscheidung des Bundessicherheitsrates vorgelegen haben, so wäre die Antragsgegnerin nicht verpflichtet gewesen, die Frage insoweit zu beantworten, wie sie sich auf Verkaufspreise, Lieferbedingungen oder eventuelle Auflagen zum Einsatz in Saudi-Arabien oder in anderen Ländern bezog. Auch Angaben zu den Gründen der Entscheidung wären nicht erforderlich gewesen.

216

c) Berechtigterweise hat die Antragsgegnerin die Antwort auf die dringliche Frage 2 des Antragstellers zu 1. (BTDrucks 17/6438, S. 1) verweigert (PlenProt 17/119, S. 13807 A), soweit diese sich auf "Vermittler, Unterstützer in der Bundesregierung und Nutznießer dieses Waffengeschäfts" bezog.

217

Die Frage, welche Mitglieder der Bundesregierung ein bestimmtes Rüstungsexportgeschäft unterstützen oder unterstützt haben, betrifft den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Regierung. An der Offenlegung interner Abstimmungsvorgänge der Regierung besteht auch kein berechtigtes Informationsinteresse, da diese als Ganze dem Parlament gegenüber verantwortlich ist und bei Mehrheitsentscheidungen nur für die getroffene Entscheidung, nicht aber für etwaige Gegenstimmen einzustehen hat.

218

Soweit sich die Frage auf "Vermittler und Nutznießer" bezieht, zielt sie ersichtlich auf die von dem Antragsteller zu 1. angenommene Leistung "nützlicher Aufwendungen" beim Zustandekommen des Panzergeschäfts und ist mit der Angabe der Antragsgegnerin, ihr lägen keinerlei Erkenntnisse über geleistete gesetzeswidrige Zahlungen vor, hinreichend beantwortet worden (siehe Rn. 123).

219

d) Auch die Antwort auf die Zusatzfrage des Antragstellers zu 1. zu dem konkreten Kaufpreis für 200 Leopard-Kampfpanzer (PlenProt 17/119, S. 13807 B, C) durfte die Antragsgegnerin verweigern. Hierbei handelt es sich um ein Geschäftsgeheimnis des diese Panzer vertreibenden Unternehmens. Die Offenlegung der Kaufpreise aus konkreten einzelnen Ausfuhrgeschäften würde anderen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, da diese ihre eigene Preispolitik entsprechend anpassen könnten. Zudem würde dem betreffenden inländischen Unternehmen ein Nachteil daraus erwachsen, dass die verschiedenen Abnehmer dieser Panzer einen Überblick über die Preisspanne erhielten und diese Information in künftigen Vertragsverhandlungen zu Lasten der Anbieter ausnutzen könnten.

220

Es besteht auch kein überwiegendes berechtigtes Interesse an dieser Information. Konkrete Kaufpreise sind für die parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelns in aller Regel irrelevant. Dafür, dass der Differenzbetrag zwischen einem etwaigen Kaufpreis für derartige Panzer in Deutschland und dem von Saudi-Arabien gezahlten Preis als Bestechungsgeld anzusehen sein müsste, ist nichts ersichtlich. Schon die Annahme, dass es überhaupt einen feststehenden Kaufpreis im Inland gibt, ist wenig naheliegend. Die jeweiligen Preise dürften nach allgemeinen marktwirtschaftlichen Regeln schwanken.

221

2. Die Antragsgegnerin hat ihrer Antwortpflicht in Bezug auf die schriftliche Frage 7/132 der Antragstellerin zu 2. von Juli 2011 (BTDrucks 17/6658, S. 24) nicht genügt, soweit sich die Frage darauf bezieht, ob eine positive Genehmigungsentscheidung des Bundessicherheitsrates vorliegt. Im Übrigen sind die Anträge der Antragstellerin zu 2. unbegründet.

222

a) Die schriftliche Frage 7/132 der Antragstellerin zu 2. richtete sich zum einen darauf, wann die Bundesregierung den Verkauf von Transportpanzern Fuchs, Last- und Geländewagen, Fregatten oder Verteidigungs- und Sicherheitselektronik für den Grenzschutz beziehungsweise dazu bestimmte Fertigungsanlagen an Algerien genehmigt hat, und zum anderen darauf, welche besonderen außen- und sicherheitspolitischen Gründe diesen Genehmigungen zu Grunde lagen.

223

Die Antragsgegnerin war verpflichtet, den ersten Teil der Frage zu beantworten und der Antragstellerin zu 2. mitzuteilen, ob und - bejahendenfalls - wann der Bundessicherheitsrat eine entsprechende positive Genehmigungsentscheidung getroffen hat. Zur Darlegung der Gründe für die etwaige Entscheidung des Bundessicherheitsrates war sie hingegen nicht verpflichtet (siehe Rn. 177).

224

b) Hinsichtlich der Zusatzfrage der Antragstellerin zu 2. (PlenProt 17/119, S. 13803 D) und ihrer dringlichen Frage (BTDrucks 17/6438, S. 1; PlenProt 17/119, S. 13810 D) war die Antragsgegnerin zur Antwortverweigerung berechtigt, da diese Fragen ebenfalls auf die Gründe für eine vermeintlich getroffene Entscheidung des Bundessicherheitsrates abzielten.

225

c) Auch die Antwort auf die Zusatzfrage der Antragstellerin zu 2. (PlenProt 17/119, S. 13811 A) hat die Antragsgegnerin in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verweigert. Die Frage, auf welche Weise die Bundesregierung ausschließt, dass die für Saudi-Arabien genehmigten Rüstungsexportgüter zu innerer Repression genutzt werden, könnte durch die Antragsgegnerin nur beantwortet werden, indem sie Absprachen offenlegt, die sie mit dem Empfängerstaat getroffen hat. Hierzu ist sie aus Gründen des Staatswohls nicht verpflichtet.

226

Die Antragsgegnerin müsste zur Beantwortung der Frage zunächst offenlegen, ob sie davon ausgegangen ist, dass die Nutzung der zur Ausfuhr vorgesehenen Rüstungsgüter zu innerer Repression durch den Empfängerstaat konkret drohte. Derartige Ausführungen könnten zu einer erheblichen Beeinträchtigung außenpolitischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland führen und unter Umständen Rückschlüsse auf bestimmte Informationsquellen zulassen, an deren Geheimhaltung die Bundesregierung gerade im Verhältnis zu dem betroffenen Land zum Schutz seiner Informationskanäle ein berechtigtes Interesse hat (siehe Rn. 176). Sollte hingegen auf konkrete Absprachen oder Auflagen verzichtet worden sein, könnte dies für bestimmte außenpolitische Interessen der Bundesrepublik an dem konkreten Exportgeschäft sprechen, deren Öffentlichwerden die Abschätzbarkeit der deutschen Außenpolitik für andere Länder erleichtern und damit Verhandlungs- und Gestaltungsspielräume verengen kann (siehe Rn. 177). Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass die maßgebenden Gründe für eine solche Genehmigungsentscheidung für die parlamentarische Kontrolle von Bedeutung sind, darf die Antragsgegnerin die Offenlegung der Gründe daher verweigern.

227

3. Soweit die Anträge der Antragstellerin zu 3. zulässig sind, haben sie keinen Erfolg, da die Antragsgegnerin die Antwort auf die betreffenden Fragen verweigern durfte.

228

a) Die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13804 A, B) danach, ob im Vorfeld der vermeintlichen Entscheidung des Bundessicherheitsrates die Zustimmung Israels und der USA zu dem Rüstungsexportgeschäft eingeholt worden sei, betrifft den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Regierung. Die Bundesregierung ist nicht verpflichtet, über den Inhalt und den Verlauf der Beratungen im Bundessicherheitsrat Auskunft zu geben (Rn. 172). Dies gilt auch für Gespräche, die zur Vorbereitung einer Entscheidung des Gremiums mit anderen Staaten geführt wurden. Müssten Drittstaaten damit rechnen, dass ihre der Bundesregierung gegenüber vertraulich abgegebenen Einschätzungen alsbald nach der getroffenen Entscheidung veröffentlicht werden, so wäre zu befürchten, dass die Bundesrepublik künftig nicht mehr mit derartigen Informationen versorgt würde. Die Antwort kann insoweit folglich auch aus Gründen des Staatswohls verweigert werden.

229

b) Die Zusatzfrage (PlenProt 17/119, S. 13814 B, im Antrag bezeichnet mit "S. 13841 B") der Antragstellerin zu 3., ob die Verfolgung Homosexueller durch ein Land der Genehmigungsfähigkeit einer Ausfuhr von Panzern an diesen Staat entgegenstünde, betrifft wiederum einen Abwägungsvorgang innerhalb des Bundessicherheitsrates, der als Teil des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung geschützt ist.

230

c) Entsprechendes gilt für die schriftliche Frage vom 14. Juli 2011 (Frage 7/174; BTDrucks 17/6658, S. 26), mit der die Antragstellerin zu 3. direkt nach den Gründen für die vermeintliche Genehmigung der Lieferung von 200 Leopard-Kampfpanzern an Saudi-Arabien fragt.

231

d) Hinsichtlich der weiteren schriftlichen Frage vom 14. Juli 2011 (Frage 7/175; BTDrucks 17/6658, S. 27) kann auf die Ausführungen zu der entsprechenden Frage des Antragstellers zu 1. verwiesen werden (siehe Rn. 216 ff.). Auch insoweit durfte die Antragsgegnerin die Antwort verweigern.

D.

232

Besondere Billigkeitsgründe, die die Anordnung einer Auslagenerstattung nach § 34a Abs. 3 BVerfGG ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>), liegen nicht vor.

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.

(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.