Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 19. Okt. 2016 - 11 Sa 114/16

ECLI:ECLI:DE:LAGK:2016:1019.11SA114.16.00
bei uns veröffentlicht am19.10.2016

Tenor

Die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 17.11.2015 – 12 Ca 2313/15 – werden jeweils kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 11 13 15 16 18 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35

Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 19. Okt. 2016 - 11 Sa 114/16

Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 19. Okt. 2016 - 11 Sa 114/16

Referenzen - Gesetze

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.
Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 19. Okt. 2016 - 11 Sa 114/16 zitiert 17 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund


(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unte

Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG | § 14 Zulässigkeit der Befristung


(1) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn 1. der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht,2. die Bef

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 187 Fristbeginn


(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. (2) Ist der Beginn

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 123 Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung


(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten. (2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

Zivilprozessordnung - ZPO | § 222 Fristberechnung


(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. (2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 188 Fristende


(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist. (2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Fa

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 142 Wirkung der Anfechtung


(1) Wird ein anfechtbares Rechtsgeschäft angefochten, so ist es als von Anfang an nichtig anzusehen. (2) Wer die Anfechtbarkeit kannte oder kennen musste, wird, wenn die Anfechtung erfolgt, so behandelt, wie wenn er die Nichtigkeit des Rechtsgesc

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 124 Anfechtungsfrist


(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen. (2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im F

Referenzen - Urteile

Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 19. Okt. 2016 - 11 Sa 114/16 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 19. Okt. 2016 - 11 Sa 114/16 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 29. Apr. 2015 - 7 AZR 310/13

bei uns veröffentlicht am 29.04.2015

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 14. August 2012 - 14 Sa 53/12 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 12. Feb. 2015 - 6 AZR 845/13

bei uns veröffentlicht am 12.02.2015

Tenor 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. April 2013 - 2 Sa 490/12 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Beschluss, 05. Juni 2014 - 6 AZN 267/14

bei uns veröffentlicht am 05.06.2014

Tenor 1. Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 27. August 2013 - 8 Sa 62/08 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11

bei uns veröffentlicht am 24.05.2012

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 20. Oktober 2010 - 8 Sa 249/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 27. August 2013 - 8 Sa 62/08 - aufgehoben.

2. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens - an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 9.900,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs.

2

Der Kläger stand auf der Grundlage gerichtlicher Beschlüsse vom 12. Juli 2005 unter Betreuung. Die Parteien begründeten im Jahre 2007 ein Arbeitsverhältnis, welches der Beklagte mit zwei Kündigungen innerhalb der Wartezeit beenden wollte. Der Kläger hat hiergegen Kündigungsschutzklage erhoben. Die Parteien haben vor dem Arbeitsgericht am 12. März 2008 einen verfahrensbeendenden Vergleich geschlossen, welcher ua. die Zahlung einer Abfindung iHv. 56.000,00 Euro brutto als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes vorsieht. Der Beklagte hat daraufhin sowohl den Abschluss des Arbeitsvertrags als auch des Prozessvergleichs wegen arglistiger Täuschung und Irrtums angefochten. Der Kläger hält an der Wirksamkeit des Vergleichs fest.

3

Durch Beschluss des zuständigen Landgerichts vom 31. August 2009 wurde die Betreuung des Klägers aufgehoben. Das Oberlandesgericht hat diese Entscheidung am 30. August 2010 dahin gehend abgeändert, dass die Betreuerbestellung noch für Gerichtsverfahren nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO sowie bezüglich Gerichtsverfahren mit Auslandsbezug besteht. Schließlich hat das Betreuungsgericht mit Beschluss vom 31. Mai 2011 diese Betreuung gänzlich aufgehoben.

4

Das Arbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 2. Dezember 2008 den auf die Unwirksamkeit des Vergleichs gerichteten Feststellungsantrag des Beklagten als unbegründet angesehen. Das Landesarbeitsgericht hat nach dem Ende der Vertretung des Klägers durch seinen vormaligen Betreuer mit Beschluss vom 3. Dezember 2010 einen Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten beigeordnet. Es hat zur Prüfung der Prozessfähigkeit des Klägers ein Gutachten eingeholt. Am 27. November 2012 hat das Landesarbeitsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem Kläger beschlossen, dass der Kläger für das vorliegende Verfahren als prozessunfähig angesehen wird. Ihm wurde Gelegenheit gegeben, bis zum 10. Januar 2013 für die Bestellung eines Betreuers zu sorgen. Am 9. Januar 2013 hat der Kläger das Betreuungsgericht hierüber informiert und gebeten „das Notwendige“ zu veranlassen. Bis zur nächsten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 16. Juli 2013 erfolgte keine Entscheidung über die erneute Bestellung eines Betreuers.

5

In diesem Termin war der Kläger mit dem beigeordneten Rechtsanwalt anwesend. Das Landesarbeitsgericht hat den Kläger jedoch als nicht wirksam vertreten und damit säumig angesehen. Der beigeordnete Rechtsanwalt handle ohne wirksame Vollmacht, da der Kläger partiell prozessunfähig für arbeitsgerichtliche Verfahren sei und insoweit keine Prozessvollmachten erteilen könne. Zwar komme das eingeholte Sachverständigengutachten nicht eindeutig zu dem Ergebnis der Prozessunfähigkeit des Klägers. Diese sei aber aus dem gesamten prozessualen Verhalten des Klägers in einer Vielzahl von Prozessen erkennbar. Auch frühere Begutachtungen sowie ein von dem Beklagten vorgelegtes Gutachten vom 11. September 2011 kämen zu diesem Ergebnis. Der Kläger sei aufgrund einer Geistesstörung nicht in der Lage, seinen Willen frei zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Insbesondere sei er krankhaft außer Stande, eigene Überzeugungen kritisch zu hinterfragen, den situativen Erfordernissen anzupassen oder gar zu revidieren. Der Kläger sei auch nicht unverschuldet säumig geblieben. Er habe die ihm bis zum 10. Januar 2013 gesetzte Frist nicht genutzt und durch die Mitteilung falscher Anschriften das eingeleitete Betreuungsverfahren verzögert.

6

Auf Antrag des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung nach Lage der Akten entschieden, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 12. März 2008 nicht beendet worden ist. Die Kündigungsschutzklage hat das Landesarbeitsgericht abgewiesen.

7

Das vom Kläger mit Schreiben vom 9. Januar 2013 angeregte Betreuungsverfahren wurde durch das Betreuungsgericht mit Beschluss vom 27. Dezember 2013 eingestellt.

8

II. Die Beschwerde führt zulässig und begründet den absoluten Revisionsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO sowie eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG an. Nach § 72a Abs. 7 ArbGG hat der Senat das angefochtene Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob weitere Verletzungen des Anspruchs auf rechtliches Gehör vorliegen, welche ebenfalls zur Zurückverweisung gemäß § 72a Abs. 7 ArbGG geführt hätten. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob die Voraussetzungen einer Grundsatz- oder Divergenzbeschwerde hier erfüllt sind.

9

1. Die Beschwerde ist nicht wegen Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72a Abs. 2 Satz 1 und § 72a Abs. 3 Satz 1 ArbGG unzulässig.

10

a) Zum Zeitpunkt der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde am 1. April 2014 waren diese Fristen mit Blick auf die Zustellung des Urteils des Landesarbeitsgerichts am 2. September 2013 versäumt.

11

b) Dem Kläger ist jedoch die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO zu gewähren. Der Kläger war wegen Mittellosigkeit und somit ohne sein Verschulden verhindert, die Fristen zur Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde einzuhalten. Er hat aber innerhalb der einmonatigen Notfrist des § 72a Abs. 2 Satz 1 ArbGG am 2. Oktober 2013 Prozesskostenhilfe beantragt, die ihm mit Beschluss des Senats vom 10. März 2014 - 6 AZA 16/13 - bewilligt worden ist (vgl. BAG 11. Oktober 2010 - 9 AZN 418/10 - Rn. 5). Die Entscheidung wurde dem Kläger am 18. März 2014 zugestellt. Der am 1. April 2014 eingegangene Wiedereinsetzungsantrag wahrte die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Frist begann mit dem Tag, an dem das der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde entgegenstehende Hindernis behoben war (§ 234 Abs. 2 ZPO). Das Hindernis der Mittellosigkeit entfiel mit der Bekanntgabe des Beschlusses über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe an den Kläger (vgl. BGH 22. November 2000 - XII ZB 28/00 - zu II 1 der Gründe). Die Wiedereinsetzungsfrist endete folglich mit Ablauf des 1. April 2014 (§ 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ging am 16. April 2014 und damit innerhalb der Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO ein.

12

2. Die mögliche mangelnde Prozessfähigkeit des Klägers führt nicht zur Unzulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde.

13

a) Die Prozessfähigkeit gemäß § 51 Abs. 1, § 52 ZPO ist zwingende Prozessvoraussetzung. Bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Partei prozessunfähig sein könnte, hat deshalb das jeweils mit der Sache befasste Gericht nach § 56 Abs. 1 ZPO von Amts wegen zu ermitteln, ob Prozessunfähigkeit vorliegt. Dabei ist es nicht an die förmlichen Beweismittel des Zivilprozesses gebunden, vielmehr gilt der Grundsatz des Freibeweises (vgl. BGH 9. November 2010 - VI ZR 249/09 - Rn. 4). Das mögliche Fehlen der Prozessfähigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens, also auch noch in der Berufungs- und Revisionsinstanz, von Amts wegen zu berücksichtigen (BAG 20. Januar 2000 - 2 AZR 733/98 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 93, 248; zum Ermessenspielraum des Revisionsgerichts, ob es den Sachverhalt selbst aufklären will vgl. BAG 26. August 1988 - 7 AZR 746/87 - zu I 2 der Gründe). Die höhere Instanz ist an die Tatsachenfeststellungen der unteren Instanz zu den Prozessvoraussetzungen nicht gebunden und hat auch neues Tatsachenvorbringen zu berücksichtigen (Zöller/Vollkommer ZPO 30. Aufl. § 56 Rn. 2 mwN). Für den Streit über die Prozessfähigkeit ist die davon betroffene Partei aber in jedem Fall als prozessfähig anzusehen (BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 3; BGH 9. November 2010 - VI ZR 249/09 - Rn. 3). So kann auch eine Partei, deren Prozessfähigkeit in der Vorinstanz verneint worden ist, wirksam ein Rechtsmittel einlegen, um eine andere Beurteilung zu erreichen (BGH 6. Dezember 2013 - V ZR 8/13 - Rn. 4).

14

b) Nach den zutreffenden Ausführungen des Landesarbeitsgerichts in der anzufechtenden Entscheidung wurde die Prozessunfähigkeit des Klägers gutachterlich nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt. Die dennoch durch das Landesarbeitsgericht vorgenommene Einschätzung des Klägers als „partiell prozessunfähig für arbeitsgerichtliche Verfahren“ begegnet Bedenken.

15

aa) Für die Prozessfähigkeit ist maßgeblich, ob eine Person sich durch Verträge verpflichten kann ( § 52 ZPO ). Prozessunfähig, weil geschäftsunfähig, sind deshalb Volljährige unter den Voraussetzungen des § 104 Nr. 2 BGB. Danach ist geschäftsunfähig, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden, dauerhaften Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet. Ein solcher Zustand ist gegeben, wenn jemand nicht im Stande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von einer vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Das kann auch der Fall sein, wenn lediglich eine Geistesschwäche vorliegt. Abzustellen ist allein darauf, ob eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich ist oder ob umgekehrt von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, etwa weil infolge der Geistesstörung Einflüsse dritter Personen den Willen übermäßig beherrschen (BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 8 mwN).

16

bb) Ein Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit des Klägers ist jedenfalls bezogen auf das vorliegende Verfahren nicht zu erkennen. Der Kläger verfolgt nur noch das Ziel, sich gegen die Angriffe des Beklagten gegen die Wirksamkeit des am 12. März 2008 geschlossenen Prozessvergleichs zu verteidigen. Dies ist nachvollziehbar, denn schließlich sieht dieser Vergleich für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses während der Wartezeit eine Abfindung iHv. 56.000,00 Euro brutto vor. Die vom Landesarbeitsgericht diagnostizierten Wahnvorstellungen kommen hier nicht zum Ausdruck. Im Gegensatz zum Landesarbeitsgericht hat das Betreuungsgericht zudem in seinem Beschluss vom 31. Mai 2011 angeführt, dass der Kläger in der Lage sei, sich in anhängigen Prozessen als Partei zu artikulieren oder einen Prozessbevollmächtigten zu mandatieren. Er sei auf die Unterstützung durch einen gesetzlichen Vertreter nicht angewiesen.

17

c) In der Gesamtschau der zahlreichen Prozesse des Klägers in den letzten Jahren erscheint es dennoch möglich, dass der Kläger (wieder) prozessunfähig ist. Bezüglich des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens kann dies jedoch offenbleiben. Mit dem Beschwerdeverfahren wird der Streit über die Prozessfähigkeit des Klägers fortgeführt, da die Beschwerde Rügen erhebt, die sich auf die Führung des Verfahrens durch das Landesarbeitsgericht bei von diesem unterstellter Prozessunfähigkeit des Klägers beziehen.

18

3. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Es liegt der absolute Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts vor (§ 547 Nr. 1 ZPO iVm. § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG).

19

a) Die Beschwerdebegründung enthält eine ausreichende Geltendmachung dieses Revisionsgrundes.

20

aa) Wird mit einer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG das Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes geltend gemacht, muss nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG die Beschwerdebegründung die Darlegung des absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO enthalten. Die bloße Benennung eines Zulassungsgrundes genügt nicht. Der Beschwerdeführer hat vielmehr die Tatsachen, aus denen sich der Verfahrensfehler des Berufungsgerichts ergeben soll, substantiiert vorzutragen (BAG 5. Dezember 2011 - 5 AZN 1036/11 - Rn. 7).

21

bb) Diese Voraussetzungen sind hier bezüglich des absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 ZPO erfüllt. Der Beschwerdeführer hat diese Rechtsnorm zwar nicht konkret bezeichnet, sondern als absoluten Revisionsgrund unter Nr. 3, 4 und 5 der Beschwerdebegründung nur § 547 Nr. 4 ZPO ausdrücklich angeführt sowie einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör(Art. 103 Abs. 1 GG) gerügt. Die Beschwerdebegründung lässt aber deutlich erkennen, dass der Beschwerdeführer die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts iSd. § 547 Nr. 1 ZPO als gegeben ansieht(vgl. BAG 25. Januar 2012 - 4 AZR 185/10 - Rn. 12). Dies ergibt sich daraus, dass die Beschwerdebegründung anführt, dass die Voraussetzungen einer Entscheidung nach Aktenlage gemäß § 331a ZPO, wie sie das Landesarbeitsgericht hier vorgenommen hat, nicht gegeben seien. Da im arbeitsgerichtlichen Verfahren bei einer solchen Entscheidung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 4 ArbGG eine Alleinentscheidung durch die Vorsitzende oder den Vorsitzenden erfolgt(vgl. GMP/Germelmann ArbGG 8. Aufl. § 55 Rn. 17), umfasst die erhobene und begründete Rüge bezüglich der Entscheidung nach Aktenlage zwingend die Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts. Die Beschwerde macht damit deutlich, dass die Entscheidung unzulässigerweise ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter erfolgte.

22

b) Der absolute Revisionsgrund des § 547 Nr. 1 ZPO ist gegeben, da das Landesarbeitsgericht keine Entscheidung nach Aktenlage gemäß § 331a ZPO durch Alleinentscheidung der Vorsitzenden treffen durfte. Die Alleinentscheidung stellt eine Entscheidung bei nicht vorschriftsmäßiger Besetzung des Gerichts dar. Dies gilt unabhängig davon, ob der Kläger prozessfähig oder prozessunfähig war.

23

aa) Wäre der Kläger - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - prozessfähig gewesen, so wäre er durch den ihm beigeordneten Rechtsanwalt in der mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß vertreten gewesen (§ 11 Abs. 4 ArbGG). Eine Säumnis hätte nicht vorgelegen.

24

bb) Bei zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens vorliegender Prozessunfähigkeit des Klägers hätte das Landesarbeitsgericht den Antrag des Beklagten auf Entscheidung nach Lage der Akten gemäß § 335 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zurückweisen müssen. In diesem Fall wäre keine ordnungsgemäße Ladung des Klägers zum Termin am 16. Juli 2013 erfolgt.

25

(1) Nicht verkündete Terminsbestimmungen sind gemäß § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO zuzustellen. Gemäß § 170 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist bei nicht prozessfähigen Personen an ihren gesetzlichen Vertreter zuzustellen. Die Zustellung an die nicht prozessfähige Person ist unwirksam (§ 170 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Betreute Personen werden im Aufgabenkreis des Betreuers gemäß § 1902 BGB durch diesen gerichtlich und außergerichtlich vertreten.

26

(2) Bei unterstellter Prozessunfähigkeit des Klägers hätte die am 27. März 2013 vorgenommene und nicht verkündete Terminsbestimmung mit Ladung einem Betreuer des Klägers zugestellt werden müssen. Dies ist nicht erfolgt.

27

(3) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts konnte die nicht an den gesetzlichen Vertreter des Klägers erfolgte Zustellung auch nicht durch das Erscheinen des Klägers und des beigeordneten Anwalts im Termin geheilt werden. Eine Heilung von Zustellungsmängeln kommt gemäß § 189 ZPO nur in Betracht, wenn das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. Diese Person wäre ein Betreuer gewesen. An einen Betreuer erfolgte aber zu keinem Zeitpunkt eine Ladung.

28

(4) Die Zustellung der Ladung an den beigeordneten Anwalt als Prozessbevollmächtigten nach § 172 Abs. 1 ZPO war entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch nicht ausreichend, weil der Streit über die Prozessfähigkeit noch andauerte. Das Landesarbeitsgericht hatte bereits mit Beschluss vom 27. November 2012 entschieden, dass es den Kläger für das vorliegende Verfahren als prozessunfähig ansieht.

29

cc) Selbst bei Annahme einer ordnungsgemäßen Ladung und Vorliegen einer Säumnis hätte das Landesarbeitsgericht keine Entscheidung nach Aktenlage treffen dürfen.

30

(1) Ein Urteil nach Lage der Akten darf nach § 331a Satz 2, § 251a Abs. 2 ZPO nur ergehen, wenn in einem früheren Termin mündlich verhandelt worden ist. Es darf frühestens in zwei Wochen verkündet werden. Das Gericht hat der nicht erschienenen Partei den Verkündungstermin formlos mitzuteilen. Es bestimmt neuen Termin zur mündlichen Verhandlung, wenn die Partei dies spätestens am siebenten Tag vor dem zur Verkündung bestimmten Termin beantragt und glaubhaft macht, dass sie ohne ihr Verschulden ausgeblieben ist und die Verlegung des Termins nicht rechtzeitig beantragen konnte.

31

(2) Der Kläger hatte mit Schriftsatz vom 1. Juli 2013 die Verlegung des Termins am 16. Juli 2013 beantragt, weil über die Bestellung eines Betreuers noch nicht entschieden worden sei. Ihm stünde kein Mittel zur Verfahrensbeschleunigung zur Verfügung. Nach Durchführung des Termins wiederholte er dies mit Schriftsatz vom 31. Juli 2013, welcher am selben Tag bei Gericht einging, und beantragte die Bestimmung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung. Das Landesarbeitsgericht verkündete in dem vom 13. August 2013 auf den 27. August 2013 verlegten Verkündungstermin dennoch das angegriffene Urteil. Es hätte aber antragsgemäß einen neuen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmen müssen. Die wegen der nicht erfolgten Vertretung durch einen Betreuer angenommene Säumnis wäre nicht auf ein Verschulden des Klägers zurückzuführen.

32

(a) Das erkennende Gericht muss darauf hinwirken, dass ein nach Auffassung des Gerichts prozessunfähiger Kläger, der damit mangels Geschäftsfähigkeit auch keinen Prozessbevollmächtigten wirksam hatte bestellen können, seine prozessualen Rechte wahrnehmen kann. Das Gericht muss den Kläger also darauf hinweisen, dass er für eine ordnungsgemäße Vertretung zu sorgen hat und sich deshalb selbst um die Bestellung eines Betreuers nach § 1896 BGB bemühen muss, der nur vom Betreuungsgericht, nicht aber vom Prozessgericht bestellt werden kann. Es muss dem Kläger dafür vor Erlass des Prozessurteils die nötige Zeit einräumen (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 6; BGH 9. November 2010 - VI ZR 249/09 - Rn. 7). Dabei ist zu berücksichtigen, dass selbst die Bestellung eines vorläufigen Betreuers durch einstweilige Anordnung nach § 300 FamFG nicht ohne eine ärztliche Stellungnahme und eine vorherige Anhörung des Betroffenen durch das Betreuungsgericht zulässig ist, was eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt(BGH 6. Dezember 2013 - V ZR 8/13 - Rn. 21). Zudem muss das Gericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht nach § 26 FamFG etwaigen Zweifeln am Vorliegen der Voraussetzungen einer Betreuerbestellung nachgehen(vgl. Keidel/Budde FamFG 18. Aufl. § 300 Rn. 4). Diese Umstände sind unter Berücksichtigung der Komplexität des jeweiligen Falls bei der Einschätzung des erforderlichen Zeitrahmens zu berücksichtigen.

33

(b) Die Beschwerdebegründung weist unter Nr. 4 zutreffend darauf hin, dass die dem Kläger für die Bestellung eines Betreuers bis zum 10. Januar 2013 gesetzte Frist praktisch unhaltbar war. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger erst mit Beschluss vom 27. November 2012 mitgeteilt, dass es ihn für das vorliegende Verfahren als prozessunfähig ansieht. Die Zeitspanne bis zum Fristablauf war offensichtlich nicht ausreichend, um das gerichtliche Verfahren bzgl. der Bestellung eines Betreuers abzuschließen. Es ist daher ohne Belang, dass der Kläger sich erst am 9. Januar 2013 an das zuständige Betreuungsgericht gewandt hat. Hinsichtlich des weiteren Ablaufs des Verfahrens kann dem Kläger entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht mit auschlaggebender Wirkung angelastet werden, dass eine Entscheidung über die Betreuerbestellung bis zur mündlichen Verhandlung am 16. Juli 2013 nicht getroffen wurde. Es sprechen zwar durchaus Umstände dafür, dass sich der Kläger hinsichtlich der Angabe der zutreffenden Adresse zunächst nicht konstruktiv verhalten hat. Zumindest gegenüber dem Landesarbeitsgericht hat er jedoch mit Schriftsatz vom 12. April 2013 seine aktuelle Adresse mitgeteilt. Eine Weitergabe an das Betreuungsgericht wäre gemäß § 22a Abs. 2 FamFG in Betracht gekommen. Es obliegt im Übrigen dem Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht mit hinreichendem Nachdruck die entsprechende Klarheit herbeizuführen.

34

4. Die Verfahrensgestaltung des Landesarbeitsgerichts verletzt den Kläger auch in seinem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG(BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 5; BGH 6. Dezember 2013 - V ZR 8/13 - Rn. 19). Dies rügt die Beschwerde zu Recht.

35

5. Zur Beschleunigung des Verfahrens hat der Senat den Rechtsstreit nach § 72a Abs. 7 ArbGG an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen und dabei wegen der Gesamtumstände von der Möglichkeit der Zurückverweisung an eine andere Kammer Gebrauch gemacht. Hinsichtlich der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gründet sich dies auf die direkte Anwendung des § 72a Abs. 7 ArbGG. Bezüglich des absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 ZPO ist § 72a Abs. 7 ArbGG analog anzuwenden.

36

a) Nach § 72a Abs. 7 ArbGG kann das Bundesarbeitsgericht bei Verletzung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen. Dem Wortlaut der Vorschrift nach besteht diese Möglichkeit nicht bei Vorliegen eines anderen Zulassungsgrundes. § 72a Abs. 7 ArbGG ist aber bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes iSv. § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG, § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO analog anzuwenden.

37

aa) Analoge Gesetzesanwendung setzt voraus, dass der gesetzlich ungeregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangt wie die erfassten Fälle (BAG 24. Oktober 2013 - 2 AZR 320/13 - Rn. 25). Es muss allerdings eine positiv festzustellende Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes vorliegen (BAG 16. Mai 2013 - 6 AZR 556/11 - Rn. 56).

38

bb) Nach diesen Grundsätzen ist eine analoge Anwendung des § 72a Abs. 7 ArbGG bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO geboten.

39

(1) § 72a Abs. 7 ArbGG wurde durch das Anhörungsrügengesetz vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3220) neu eingefügt. Die Vorschrift orientiert sich an § 544 Abs. 7 ZPO und dient der Beschleunigung des Verfahrens(BR-Drs. 663/04 S. 49; BT-Drs. 15/3706 S. 20). Diesem Zweck der Verfahrensbeschleunigung würde es widersprechen, wenn bei Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes die angefochtene Entscheidung zunächst im Revisionsverfahren ohne weitere Sachprüfung aufgehoben und das Verfahren erst dann an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden müsste (Bepler RdA 2005, 65, 76; ErfK/Koch 14. Aufl. § 72a ArbGG Rn. 10; Düwell/Lipke/Düwell ArbGG 3. Aufl. § 72a Rn. 59).

40

(2) Für eine unbewusste Gesetzeslücke im Sinne eines Redaktionsversehens spricht die ausweislich der Gesetzesbegründung erfolgte Orientierung an dem im Wesentlichen wortgleichen § 544 Abs. 7 ZPO, der wiederum § 133 Abs. 6 VwGO zum Vorbild hat(BT-Drs. 15/3706 S. 17; BAG 12. Dezember 2006 - 3 AZN 625/06 - Rn. 34, BAGE 120, 322). Dabei ist offenbar übersehen worden, dass § 543 ZPO anders als § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG eine Zulassung der Revision wegen Vorliegens eines absoluten Revisionsgrundes nicht vorsieht(vgl. Bepler RdA 2005, 65, 76; Düwell/Lipke/Düwell ArbGG 3. Aufl. § 72a Rn. 59). Die Berücksichtigung absoluter Revisionsgründe war bei § 544 Abs. 7 ZPO daher nicht veranlasst.

41

(3) All dies spricht dafür, dass die mit § 72a Abs. 7 ArbGG bezweckte Verfahrensbeschleunigung zur Vermeidung eines lediglich entscheidungsverzögernden Revisionsverfahrens auch bei Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gemäß § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG ermöglicht werden soll. Eine entsprechende Analogie entspricht auch der Interessenlage der Parteien und dem allgemeinen Beschleunigungsgebot nach § 9 Abs. 1 ArbGG(ErfK/Koch 14. Aufl. § 72a ArbGG Rn. 10). In der Literatur wird die analoge Anwendung des § 72a Abs. 7 ArbGG daher überwiegend befürwortet(so GWBG/Benecke ArbGG 8. Aufl. § 72a Rn. 51; Schwab/Weth/Ulrich 3. Aufl. ArbGG § 72a Rn. 87a; BeckOK ArbR/Klose Stand 1. März 2014 ArbGG § 72a Rn. 21; aA GK-ArbGG/Mikosch Stand April 2010 § 72a Rn. 84; GMP/Müller-Glöge ArbGG 8. Aufl. § 72a Rn. 62).

42

b) § 72a Abs. 7 ArbGG ermöglicht auch die Zurückverweisung an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts. Die Vorschrift sieht dies zwar nicht ausdrücklich vor. Dieser Weg ist jedoch in entsprechender Anwendung von § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO eröffnet. Eine derartige Notwendigkeit kann auch bei einer Zurückverweisung im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens entstehen (BAG 12. Dezember 2006 - 3 AZN 625/06 - Rn. 33, BAGE 120, 322).

43

6. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung gemäß § 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG ab.

44

III. Die nach der Zurückverweisung zuständige Kammer des Landesarbeitsgerichts wird zu prüfen haben, ob sie - ggf. nach Einholung eines erneuten Sachverständigengutachtens - ebenfalls von der Prozessunfähigkeit des Klägers ausgeht. In diesem Fall wird zu klären sein, ob eine durchgehende Prozessunfähigkeit seit Beginn des Verfahrens vorliegt, so dass eine konkludente Genehmigung der bisherigen Prozesshandlungen durch den zeitweise prozessfähigen Kläger ausscheidet (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 6 AZN 17/09 - Rn. 10). Bei zeitweiser Prozessfähigkeit wären die Vorgaben der §§ 86, 246 ZPO zu beachten. Bei durchgehender Prozessunfähigkeit wird das Landesarbeitsgericht dem Kläger wiederum Gelegenheit geben müssen, für eine gesetzliche Vertretung durch Bestellung eines Betreuers zu sorgen.

45

Sollte das Landesarbeitsgericht demgegenüber zu der Auffassung gelangen, dass der Kläger prozessfähig ist, wird es den Rechtsstreit nach mündlicher Verhandlung unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter entscheiden müssen.

46

IV. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

47

V.  Die Wertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Augat    

        

    Kreis    

                 

(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

(3) Bei der Berechnung einer Frist, die nach Stunden bestimmt ist, werden Sonntage, allgemeine Feiertage und Sonnabende nicht mitgerechnet.

(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.

(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.

(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist.

(2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, im Falle des § 187 Abs. 2 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.

(3) Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Wird ein anfechtbares Rechtsgeschäft angefochten, so ist es als von Anfang an nichtig anzusehen.

(2) Wer die Anfechtbarkeit kannte oder kennen musste, wird, wenn die Anfechtung erfolgt, so behandelt, wie wenn er die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gekannt hätte oder hätte kennen müssen.

(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen.

(2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.

(3) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. April 2013 - 2 Sa 490/12 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses sowie über davon abhängige Vergütungsansprüche des Klägers.

2

Der 1989 geborene Kläger nahm zum 1. August 2010 eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der beklagten Bank auf. Die Ausbildungszeit sollte zum 31. Januar 2013 enden.

3

Am 11. Februar 2011 und am 30. März 2011 meldete sich der Kläger arbeitsunfähig und nahm am Berufsschulunterricht nicht teil. Er besuchte an diesen Tagen eine Spielhalle, wo er mehrere Zahlungen mit seiner EC-Karte vornahm und dabei sein Konto überzog.

4

Am 20. Juni 2011 war er mit dem Bankkaufmann S in der Filiale der Beklagten in G tätig. Der Kläger zählte an diesem Tag das sich in den Nachttresor-Kassetten befindliche Geld mit einer Zählmaschine. Dabei war Herr S nicht anwesend. Es ist ungeklärt, ob die Bündelung der Geldscheine nach der Zählung durch den Kläger oder Herrn S erfolgte. Im späteren Verlauf des Tages schweißte Herr S die Geldbündel zur Weiterleitung an die Landeszentralbank ein. Die Zentralbank stellte einen Kassenfehlbestand von 500,00 Euro in Form von zehn fehlenden 50-Euro-Scheinen fest. Hiervon erlangte die Beklagte am 28. Juni 2011 Kenntnis.

5

Die Beklagte bat den Kläger zu einem Personalgespräch am 30. Juni 2011. Diesen Termin nahm der Kläger aus persönlichen Gründen nicht wahr. Es wurde daraufhin eine Verlegung auf den 4. Juli 2011 vereinbart, obwohl dem Kläger ab diesem Tag für zwei Wochen Urlaub bewilligt worden war. Am 3. Juli 2011 sagte der Kläger den Termin ab, weil er kurzfristig am nächsten Tag noch in den Urlaub fliege. Das Gespräch fand schließlich am 21. Juli 2011 statt. Dem Kläger wurden die beabsichtigten Gesprächsthemen vorher nicht mitgeteilt. An dem Treffen nahmen das Vorstandsmitglied Si, der Ausbildungsleiter K sowie der Kläger teil.

6

Der Kläger räumte bei der Unterredung ein, dass er den Termin am 4. Juli 2011 nicht wegen einer Flugreise abgesagt habe. Er habe vielmehr zwei Wochen in einer Gießerei gearbeitet. Es wurden sodann die Fehlzeiten des Klägers im Berufsschulunterricht sowie seine Spielhallenbesuche besprochen. Der Kläger teilte mit, dass er wegen des Glückspiels Therapiestunden bei einer Beratungsstelle besuche. Über deren Inhalt und Zielsetzung ist nichts Näheres bekannt. Die Vertreter der Beklagten sprachen den Kläger auf Kassenfehlbeträge in Filialen, in denen der Kläger eingesetzt wurde, an. Dies betraf eine Differenz iHv. 50,00 Euro am 3. Juni 2011 in der Filiale D sowie die fehlenden 500,00 Euro am 20. Juni 2011 in G. Der diesbezügliche Gesprächsverlauf ist zwischen den Parteien streitig geblieben.

7

Mit Schreiben vom 22. Juli 2011 teilte die Beklagte dem bei ihr gebildeten Betriebsrat unter Nennung der Sozialdaten des Klägers mit, dass sie beabsichtige das Ausbildungsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgemäß zu kündigen. Dem Betriebsrat wurde der Kassenfehlbetrag von 500,00 Euro am 20. Juni 2011 genannt. Da der Kläger alleine gebündelt habe und dies nicht nachkontrolliert worden sei, müsse die Beklagte „davon ausgehen, dass er die Differenz ‚verursacht‘ habe“. Im Gespräch mit Herrn Si und Herrn K habe der Kläger selbst die Höhe des Fehlbetrags genannt. Ferner habe er zugegeben, dass die Differenz in D am 3. Juni 2011 von ihm verursacht worden sei. Der Kläger habe weiterhin ausgeführt, dass er spielsüchtig sei. Zudem enthält die Betriebsratsanhörung Angaben zu den Fehlzeiten in der Berufsschule und zu der nicht genehmigten Arbeit in einer Gießerei während des Erholungsurlaubs. Insgesamt sei der Kläger für die Bank nicht mehr tragbar. Die Fortführung des Ausbildungsverhältnisses mit ihm stelle ein erhöhtes Risiko dar.

8

Der Betriebsrat stimmte der Kündigung noch mit Vermerk vom 22. Juli 2011 zu. Daraufhin kündigte die Beklagte das Ausbildungsverhältnis mit Schreiben vom 22. Juli 2011 außerordentlich fristlos zum 25. Juli 2011 und hilfsweise ordentlich zum 30. September 2011. Darin wurde die Kündigung entsprechend der Unterrichtung des Betriebsrats begründet. Die für das Ausbildungsverhältnis unverzichtbare Vertrauensbasis sei nicht mehr gegeben und könne auch nicht wieder hergestellt werden. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 25. Juli 2011 zu.

9

Mit seiner am 1. August 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage vom 29. Juli 2011 hat sich der Kläger gegen diese Kündigung gewandt. Das von ihm mit weiterem Schreiben vom 29. Juli 2011 beantragte Verfahren vor dem Schlichtungsausschuss der Industrie- und Handelskammer (IHK) T endete am 12. September 2011 ohne Einigung. Der Ausschuss fällte allerdings keinen Spruch. Er stellte lediglich das Scheitern der Verhandlungen fest. Damit sei der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet.

10

Nach Ansicht des Klägers ist die streitgegenständliche Kündigung unwirksam. Eine Verdachtskündigung sei im Ausbildungsverhältnis nicht zulässig. Eine solche widerspreche dem Zweck und Charakter der Berufsausbildung. Sie sei auch mit der besonderen Fürsorgepflicht des Ausbildenden nicht zu vereinbaren. Zudem bestehe kein hinreichender Tatverdacht. Er habe zwar entgegen der Anweisung, dass ein Auszubildender bei einem Zählvorgang durch einen Bankkaufmann kontrolliert werden müsse („Vier-Augen-Prinzip“), die Zählungen am 20. Juni 2011 in G alleine vorgenommen. Die Bündelung und das Einschweißen der Geldscheine sei jedoch durch Herrn S erfolgt. Dieser habe somit ebenso Zugriff auf das Geld gehabt wie andere Beschäftigte der Beklagten in dieser Filiale. Die Geldbestände seien nicht durchgehend gesichert gewesen. Die Beklagte habe sich auch nicht durch eine entsprechende Befragung von Herrn S einen vollständigen Überblick über die Geschehnisse verschafft.

11

Die Besprechung am 21. Juli 2011 sei keine ordnungsgemäße Anhörung gewesen. Dazu wäre die vorherige Mitteilung des beabsichtigten Gesprächsinhalts erforderlich gewesen. Die Beklagte hätte ihn darauf hinweisen müssen, dass er einen Rechtsanwalt oder eine sonstige Person seines Vertrauens hinzuziehen könne. Sie stelle zudem den Gesprächsverlauf falsch dar. Er habe nicht von sich aus den Fehlbetrag von 500,00 Euro genannt. Vielmehr hätten die Vertreter der Beklagten vorher erwähnt, dass zehn 50-Euro-Scheine gefehlt hätten. Daher sei ihm der Gesamtbetrag bekannt gewesen. Im Übrigen wäre die Anhörung auch fehlerhaft, wenn er erstmals die Summe von 500,00 Euro genannt hätte, denn dann hätte die Beklagte ihn anlässlich der Begründung eines Verdachts wegen Offenbarung von Täterwissen zu einer erneuten Anhörung einladen müssen. Die bloße Fortsetzung des Gesprächs stelle keine ordnungsgemäße Anhörung bezüglich dieser neuen Verdachtstatsachen dar. Zudem habe die Beklagte bei der Anhörung gegen datenschutzrechtliche Vorgaben (§§ 4, 32 BDSG) verstoßen.

12

Die Kündigung scheitere auch an dem Fehlen einer einschlägigen Abmahnung sowie an der vorzunehmenden Interessenabwägung. Bei dieser sei zu berücksichtigen, dass er kurz vor Vollendung seines ersten Ausbildungsjahres gestanden habe und das Berufsausbildungsverhältnis für ihn von existenzieller Bedeutung sei. Der in Frage stehende wirtschaftliche Schaden der Beklagten sei „überschaubar“. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte das Entstehen einer solch unklaren Situation bei einem Fehlbetrag maßgeblich zu verantworten habe. Wären die Vorgaben hinsichtlich des „Vier-Augen-Prinzips“ bei einem Zählvorgang und einer stringenten Kontrolle der Auszubildenden beachtet worden, wäre der Verdacht gegen ihn nicht entstanden. Durch eine konsequente Anwendung der Sicherheitsvorschriften könne die Beklagte künftig die Entstehung einer solchen Problematik ausschließen.

13

Weiterhin sei die Zwei-Wochen-Frist des § 22 Abs. 4 BBiG versäumt. Angesichts einer Kenntniserlangung von dem Fehlbetrag am 28. Juni 2011 und einem bewilligten Erholungsurlaub vom 4. Juli bis zum 18. Juli 2011 hätte die Beklagte ihn entweder noch in der Woche bis zum 1. Juli 2011 oder schriftlich anhören müssen.

14

Die Kündigung sei außerdem mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam. Der Anhörung sei nicht zu entnehmen, welche konkrete Handlung ihm vorgeworfen werde. Es werde nicht deutlich, dass es sich um eine Verdachtskündigung handeln solle. Zudem sei der Betriebsrat inhaltlich falsch unterrichtet worden. Er, der Kläger, habe nie erklärt, den Fehlbetrag von 50,00 Euro in D verursacht zu haben und spielsüchtig zu sein.

15

Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung sei unwirksam, da ein Berufsausbildungsverhältnis nach Ablauf der Probezeit nur außerordentlich gekündigt werden könne. Die Beklagte sei zur Nachzahlung der Ausbildungsvergütung iHv. monatlich 907,00 Euro für die Zeit von August 2011 bis einschließlich November 2011 sowie des anteiligen dreizehnten Monatseinkommens iHv. 1.360,50 Euro brutto verpflichtet.

16

Der Kläger hat daher zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Ausbildungsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 22. Juli 2011, zugegangen am 25. Juli 2011, nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Ausbildungsverhältnis durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung zum 30. September 2011 nicht aufgelöst worden ist;

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 907,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 1. September 2011 zu zahlen;

        

4.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 907,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 1. Oktober 2011 zu zahlen;

        

5.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 907,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 1. November 2011 zu zahlen;

        

6.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 1.360,50 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 1. Dezember 2011 zu zahlen.

17

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag mit der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 22. Juli 2011 begründet. Die Verdachtskündigung eines Ausbildungsverhältnisses sei jedenfalls dann möglich, wenn dessen besonderer Charakter eine vertiefte Vertrauensbasis erfordere. Dies sei bei der Ausbildung zum Bankkaufmann der Fall. Die Voraussetzungen einer wirksamen Verdachtskündigung seien hier erfüllt. Die Anhörung des Klägers am 21. Juli 2011 sei ordnungsgemäß erfolgt. Die Themen der Besprechung hätten dem Kläger vorher nicht bekannt gegeben werden müssen. Zudem habe sich der Verdacht eines Vermögensdeliktes erst im Verlauf des Gesprächs ergeben. Der Kläger habe von sich aus einen Fehlbetrag von 500,00 Euro genannt, ohne dass diese Summe oder fehlende Einzelbeträge zuvor erwähnt worden seien.

18

Es seien alle möglichen und erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen durchgeführt worden. Nachdem der Kläger im Gespräch am 21. Juli 2011 durch Preisgabe seines Täterwissens den Verdacht begründet habe, wäre eine weitere Anhörung bloße Förmelei gewesen. Der Ausbildungsleiter K habe auch Herrn S telefonisch befragt. Dieser habe mit einer E-Mail noch am 21. Juli 2011 mitgeteilt, dass der Kläger das Geld am 20. Juni 2011 sowohl gezählt als auch gebündelt habe.

19

Der begründete Verdacht der Unterschlagung von 500,00 Euro habe das erforderliche Vertrauen zu dem Kläger zerstört. Dabei sei auch die Spielsucht zu berücksichtigten, welche der Kläger am 21. Juli 2011 ausdrücklich eingeräumt habe. Deshalb habe er sich in Therapie befunden. Der Betriebsrat sei auch in diesem Punkt ordnungsgemäß unterrichtet worden.

20

Die Vorinstanzen haben die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageziele weiter.

Entscheidungsgründe

21

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Das Berufsausbildungsverhältnis wurde durch die Kündigung der Beklagten vom 22. Juli 2011 gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG mit ihrem Zugang am 25. Juli 2011 beendet. Mangels eines darüber hinausgehenden Bestands des Ausbildungsverhältnisses ist die Klage auch unbegründet, soweit sie sich gegen die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung zum 30. September 2011 richtet und Vergütungsansprüche für die Zeit ab dem 1. August 2011 zum Gegenstand hat.

22

I. Die Klage ist zulässig.

23

1. Die nach § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG erforderliche Verhandlung vor dem bei der IHK T gebildeten Schlichtungsausschuss ist erfolgt.

24

a) Die nach § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG erforderliche Anrufung eines bestehenden Schlichtungsausschusses ist eine von Amts wegen zu beachtende Prozessvoraussetzung für arbeitsgerichtliche Klagen in Ausbildungsstreitigkeiten. Nach § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG muss der Klage in allen Fällen die Verhandlung vor dem Ausschuss vorangegangen sein. Der Mangel der Nichtanrufung des Schlichtungsausschusses kann jedoch nach Klageeinreichung noch geheilt werden, wenn das Schlichtungsverfahren gemäß § 111 Abs. 2 ArbGG nachgeholt wird. Die Klage wird dann nachträglich zulässig (vgl. BAG 13. März 2007 - 9 AZR 494/06 - Rn. 10).

25

b) Die Parteien verhandelten vor dem Schlichtungsausschuss der IHK T am 5. September 2011. Ausweislich des Protokolls erging jedoch entgegen § 111 Abs. 2 Satz 3 ArbGG kein Spruch. Es fand nur eine mündliche Verhandlung statt (§ 111 Abs. 2 Satz 2 ArbGG). Dies ist grundsätzlich unzureichend für die Erfüllung der Prozessvoraussetzung (vgl. GMP/Prütting ArbGG 8. Aufl. § 111 Rn. 19; GK-ArbGG/Mikosch Stand Juni 2014 § 111 Rn. 24). Ausweislich des Protokolls wurde allerdings festgestellt, dass mangels einer Einigungsmöglichkeit die Verhandlung gescheitert und den Parteien der Weg zum Arbeitsgericht eröffnet sei. Hierdurch hat der Ausschuss den Abschluss des Verfahrens zum Ausdruck gebracht. Der Prozessvoraussetzung des § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG ist damit Genüge getan. Verweigert der Ausschuss den ordnungsgemäßen Abschluss des Schlichtungsverfahrens, ist der betroffene Antragsteller prozessual nicht schlechter zu stellen, als wenn der Ausschuss die Durchführung des Verfahrens gänzlich verweigert oder mitgeteilt hätte, dass ein Spruch nicht möglich sei. Auch in diesen Fällen kann die Klage erhoben werden (vgl. Zimmermann in Natter/Gross ArbGG 2. Aufl. § 111 Rn. 28; HWK/Kalb 6. Aufl. § 111 ArbGG Rn. 22; GK-ArbGG/Mikosch Stand Juni 2014 § 111 Rn. 21). Das Unterbleiben einer Entscheidung kann dem Antragsteller nicht angelastet werden (BAG 27. November 1991 - 2 AZR 263/91 - zu B I der Gründe).

26

2. Für die beiden Feststellungsanträge ist das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse gegeben, obwohl die Ausbildungszeit und damit das Berufsausbildungsverhältnis mangels Erfüllung eines Verlängerungstatbestands spätestens zum 31. Januar 2013 geendet hat (§ 21 Abs. 1 Satz 1 BBiG). Wäre die streitgegenständliche Kündigung unwirksam, so hätte dies Konsequenzen für den Inhalt des nach § 16 BBiG zu erteilenden Zeugnisses. Der Kläger könnte zudem ggf. weitere Vergütung sowie Schadensersatz nach § 23 BBiG verlangen(vgl. BAG 13. März 2007 - 9 AZR 494/06 - Rn. 12; 17. Juli 2007 - 9 AZR 103/07 - Rn. 11, BAGE 123, 247 zu § 16 Abs. 1 BBiG aF).

27

II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Beklagte hat das Ausbildungsverhältnis wegen des dringenden Verdachts der rechtswidrigen Zueignung von 500,00 Euro Bargeld wirksam zum 25. Juli 2011 gekündigt.

28

1. Entgegen der Auffassung der Revision kann der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Auszubildenden einen wichtigen Grund iSd. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG darstellen.

29

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses bilden(BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 14, BAGE 145, 278; vgl. auch 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 16, BAGE 146, 303). Eine auf einen solchen Verdacht gestützte Kündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich der Verdacht auf objektive Tatsachen gründet, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr., vgl. BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 13, BAGE 143, 244). Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden darzulegende und ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er in der Sache zutrifft (BAG 25. Oktober 2012 - 2 AZR 700/11 - Rn. 14, aaO; 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 16).

30

b) Die in Art. 6 Abs. 2 MRK verankerte Unschuldsvermutung steht der Verdachtskündigung entgegen der Auffassung der Revision nicht entgegen. Die Unschuldsvermutung bindet unmittelbar nur den Richter, der über die Begründetheit der Anklage zu entscheiden hat (BAG 14. September 1994 - 2 AZR 164/94 - zu II 3 c der Gründe, BAGE 78, 18). Bei der Verdachtskündigung geht es nicht um die Verhängung einer Strafe, sondern um die Beendigung eines privatrechtlichen Dauerschuldverhältnisses (vgl. Krause in vHH/L 15. Aufl. § 1 Rn. 466; HaKo/Gallner 4. Aufl. § 1 Rn. 633; Hoefs Die Verdachtskündigung S. 92, 93).

31

c) Der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Auszubildenden kann auch die außerordentliche Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG rechtfertigen.

32

aa) Dies ist allerdings umstritten.

33

(1) Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 19. September 2006 (- 9 Sa 1555/05 - Rn. 26) entschieden, dass Verdachtskündigungen im Berufsausbildungsverhältnis grundsätzlich nicht zuzulassen seien. Eine nur in einem sehr engen Rahmen denkbare Ausnahme sei möglich, wenn der besondere Charakter des Ausbildungsverhältnisses eine vertiefte Vertrauensbasis zwischen den Vertragsparteien erfordere. In einem normalen Ausbildungsverhältnis ohne besondere Vertrauenssituation stünden dem Ausbildenden nach erfolgtem Aufklärungsversuch die Möglichkeiten der Abmahnung, ggf. der Versetzung, weit eher zur Verfügung als bei einem Arbeitnehmer, dessen Leistung an einem bestimmten Arbeitsplatz bereits bei der Einstellung fest eingeplant worden sei (zum Erfordernis besonderen Vertrauens vgl. bereits Heinze ArbuR 1984, 237, 243).

34

(2) In der Literatur wird diese Auffassung geteilt (KR/Weigand 10. Aufl. §§ 21 - 23 BBiG Rn. 48; ErfK/Schlachter 15. Aufl. § 22 BBiG Rn. 3; APS/Biebl 4. Aufl. § 22 BBiG Rn. 16; HWK/Hergenröder 6. Aufl. § 22 BBiG Rn. 6; Benecke in Benecke/Hergenröder BBiG § 22 Rn. 22; Schieckel/Oestreicher/Decker/Grüner BBiG Bd. 1 Stand 1. September 2013 § 22 Rn. 8; Schulien in Hurlebaus/Baumstümmler/Schulien Berufsbildungsrecht Stand Mai 2014 § 22 Rn. 50c; Lakies in Lakies/Malottke BBiG 4. Aufl. § 22 Rn. 48; Lakies/Nehls BBiG 3. Aufl. § 22 Rn. 47a). Es sei zu beachten, dass es sich beim Ausbildungsverhältnis nicht um ein Arbeitsverhältnis, sondern um ein besonderes Rechtsverhältnis handle, bei dem die charakterliche Förderung nach § 14 Abs. 1 Nr. 5 BBiG eine besondere Rolle spiele(Pepping in Wohlgemuth BBiG § 22 Rn. 23).

35

(3) Nach anderer Ansicht ist die Verdachtskündigung wegen ihrer erhöhten Anforderungen auch im Berufsausbildungsverhältnis zulässig (Schaub/Vogelsang ArbR-HdB 15. Aufl. § 174 Rn. 95; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 228; Hoefs Die Verdachtskündigung S. 318; Stück in Braun/Mühlhausen/Munk/Stück BBiG § 15 Rn. 113; Herkert/Töltl BBiG Bd. 1 Stand Dezember 2014 § 22 Rn. 95 ff.; differenzierend Leinemann/Taubert BBiG 2. Aufl. § 22 Rn. 62). Die besondere Bedeutung des Ausbildungsverhältnisses könne im konkreten Einzelfall allerdings weiter gehende Einschränkungen erfordern (HK-ArbR/Herrmann 3. Aufl. § 22 BBiG Rn. 14).

36

bb) Der letztgenannten Auffassung ist zuzustimmen. Der dringende Tatverdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Auszubildenden kann dem Ausbildenden die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses unzumutbar machen und daher einen wichtigen Grund zur Kündigung nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG darstellen. Dem besonderen Charakter des Berufsausbildungsverhältnisses ist jedoch bei der Prüfung der Voraussetzungen einer Verdachtskündigung Rechnung zu tragen.

37

(1) Berufsausbildungsverhältnisse und Arbeitsverhältnisse sind nicht generell gleichzusetzen, weil beide Vertragsverhältnisse unterschiedliche Pflichtenbindungen aufweisen (BAG 10. Juli 2003 - 6 AZR 348/02 - zu 2 a bb der Gründe, BAGE 107, 72; 16. Juli 2013 - 9 AZR 784/11 - Rn. 37, BAGE 145, 371). Inhalt eines Arbeitsverhältnisses ist nach § 611 BGB die Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung gegen Zahlung eines Entgelts. Demgegenüber schuldet der Auszubildende, sich ausbilden zu lassen, während die Hauptpflicht des Ausbildenden nach § 14 BBiG darin besteht, dem Auszubildenden die zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln. Der Auszubildende schuldet im Gegensatz zu einem Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung gegen Zahlung eines Entgelts, sondern hat sich nach § 13 Satz 1 BBiG zu bemühen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erwerben, die zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlich ist(BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 360/10 - Rn. 13 mwN).

38

(2) An den Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes ist erkennbar, dass der Gesetzgeber es zur Erreichung des Ausbildungsziels für erforderlich gehalten hat, auf einen möglichst lange dauernden Bestand des Ausbildungsverhältnisses hinzuwirken und Kündigungen zu erschweren (BAG 16. Juli 2013 - 9 AZR 784/11 - Rn. 38, BAGE 145, 371). Die Erfüllung der Berufsausbildungsaufgabe verlangt eine besonders starke Bindung der Vertragsparteien (BT-Drs. V/4260 S. 11 zu § 15 BBiG aF). Konsequenterweise ist eine ordentliche Kündigung nach Ablauf der Probezeit durch den Ausbildenden nicht möglich. Es bedarf eines wichtigen Grundes iSv. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG. Dies entspricht dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jedes Dauerrechtsverhältnis aus einem wichtigen Grund fristlos gekündigt werden kann. Ein wichtiger Grund ist gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Berufsausbildungsverhältnissesbis zum Ablauf der Ausbildungszeit nicht zugemutet werden kann (BT-Drs. V/4260 aaO). Das Verständnis des wichtigen Grundes iSv. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG entspricht somit dem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB(vgl. hierzu BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 16 mwN). Diese Parallelität spricht für die grundsätzliche Zulässigkeit der Verdachtskündigung auch im Berufsausbildungsverhältnis.

39

(3) § 10 Abs. 2 BBiG steht dem nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift sind auf den Berufsausbildungsvertrag die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze anzuwenden, soweit sich aus dem Wesen und Zweck des Berufsausbildungsvertrags und aus dem Berufsbildungsgesetz nichts anderes ergibt. Dies ist bezogen auf die grundsätzliche Anerkennung eines Tatverdachts als wichtiger Grund iSv. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG nicht der Fall. Auch bei Berücksichtigung der besonderen Verpflichtungen des Ausbildenden, welche nach § 14 Abs. 1 Nr. 5 BBiG auch die charakterliche Förderung des Auszubildenden umfassen, bedarf es zur zumutbaren Durchführung des Ausbildungsverhältnisses einer tragfähigen Vertrauensbasis. Insbesondere muss der Ausbildende darauf vertrauen können, dass der Auszubildende ihn nicht vorsätzlich schädigt.

40

(4) Die vom Landesarbeitsgericht Köln und Teilen der Literatur geforderte besondere Vertrauensstellung bzw. vertiefte Vertrauensbasis ist keine Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Verdachtskündigung. Die Revision führt insoweit zutreffend aus, dass ein solches Kriterium zu unbestimmt wäre. Es lässt sich nicht hinreichend eingrenzen, bei welchen Ausbildungen eine solche vertiefte Vertrauensbasis gegeben sein muss. Dieses Erfordernis kann aus unterschiedlichen Gründen gegeben sein. Es gibt Ausbildungsberufe, bei denen ein hohes Maß an Vertrauen wegen der Erlangung der Kenntnis von Betriebsgeheimnissen erforderlich ist (vgl. § 13 Satz 2 Nr. 6 BBiG). Ferner existieren Ausbildungsberufe, bei denen ein besonderes Risiko daraus resultiert, dass der Auszubildende Umgang mit gefährlichen Maschinen hat, welche auch Dritte gefährden können. Auch hier muss die entsprechende Vertrauensbasis bestehen. Eine solche Grundlage muss auch gegeben sein, wenn der Auszubildende Zugang zu Bargeldbeständen hat. Dies hängt allerdings nicht von der Ausbildung ab, sondern von den Verhältnissen im Ausbildungsbetrieb. Alle Ausbildungen in Betrieben mit nicht hinreichend gesicherten Barkassen wären erfasst. Unabhängig von dem Ausbildungsgang wäre die besondere Vertrauensstellung deshalb in einer Vielzahl von Fällen bezogen auf die Umstände im Betrieb zu prüfen. Dies gilt auch bei Zugang zu anderen Wertgegenständen. Zudem hat schon Heinze (ArbuR 1984, 237, 243) darauf hingewiesen, dass in größeren Betrieben der Auszubildende den Einsatzort öfter wechselt. Hierbei mag es Bereiche geben, in denen eine vertiefte Vertrauensbasis erforderlich ist, in anderen nicht. In der Gesamtschau ist die Unterscheidung zwischen einem „normalen Ausbildungsverhältnis“ und einem mit besonderer Vertrauensstellung kein taugliches Kriterium für die grundsätzliche Zulässigkeit der Verdachtskündigung. Eine besondere Vertrauensstellung ist vielmehr bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses in die Interessenabwägung einzustellen.

41

(5) Die enge Bindung der Parteien des Berufsausbildungsvertrags ist bei der Prüfung der Voraussetzungen einer Verdachtskündigung im Einzelfall zu berücksichtigen. Dabei ist dem Umstand Sorge zu tragen, dass es sich bei Auszubildenden typischerweise um Personen mit geringer Lebens- und Berufserfahrung handelt und den Ausbildenden besondere Fürsorgepflichten sowohl in charakterlicher als auch körperlicher Hinsicht treffen (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 BBiG). Ein Tatverdacht kann nur dann einen wichtigen Grund iSd. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG zur Kündigung darstellen, wenn der Verdacht auch bei Berücksichtigung der Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses dem Ausbildenden die Fortsetzung der Ausbildung objektiv unzumutbar macht. Dies bedarf einer Würdigung der Umstände im Einzelfall.

42

(6) Vor diesem Hintergrund dringen die weiteren Einwände der Revision nicht durch.

43

(a) Es ist zwar zutreffend, dass der mit der Kündigung verbundene faktische Abbruch der Ausbildung und das Verstreichen einer ggf. erheblichen Zeitspanne bis zur Wiederaufnahme der Ausbildung für den Auszubildenden besonders schwerwiegend ist. Dies gilt jedoch auch im Falle einer Tatkündigung, bei der nach dem Unterliegen im Kündigungsschutzverfahren zudem kein Wiedereinstellungsanspruch in Betracht kommt (zu einem solchen Anspruch bei einer Verdachtskündigung vgl. ErfK/Müller-Glöge 15. Aufl. § 626 BGB Rn. 184; KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 234). Bei der Verdachtskündigung ist außerdem ein strenger Maßstab anzulegen. Die besondere Schutzwürdigkeit des Auszubildenden ist dabei im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen. Die grundsätzliche Unzulässigkeit der Verdachtskündigung ist zur Gewährleistung des Schutzniveaus nicht erforderlich.

44

(b) Auch der Hinweis auf die Möglichkeit einer verstärkten Überwachung eines in Verdacht geratenen Auszubildenden trägt nicht. Die Realisierbarkeit und Zumutbarkeit einer verstärkten Anleitung und Kontrolle muss einzelfallbezogen beurteilt werden. Eine gleichsam permanente Überwachung des Auszubildenden zur Verhinderung von Vermögensdelikten ist dem Ausbildenden in der Regel nicht zumutbar. Dies stünde auch im Widerspruch zum Charakter des Ausbildungsverhältnisses, welches dem Auszubildenden nach § 13 BBiG Pflichten auferlegt und dabei die Beachtung materieller Interessen des Ausbildenden vorschreibt(vgl. § 13 Satz 2 Nr. 5, Nr. 6 BBiG).

45

(c) Schließlich ist die Verdachtskündigung auch nicht wegen der Befristung des Ausbildungsverhältnisses auszuschließen. Dies berücksichtigt § 22 Abs. 2 BBiG bereits mit dem Ausschluss der ordentlichen Kündigung nach der Probezeit. Zudem besteht insoweit kein Unterschied zum befristeten Arbeitsverhältnis.

46

2. Die streitgegenständliche Kündigung vom 22. Juli 2011 hat das zwischen den Parteien bestehende Berufsausbildungsverhältnis mit ihrem Zugang am 25. Juli 2011 gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG wegen des dringenden Verdachts des Diebstahls bzw. der Unterschlagung von 500,00 Euro beendet.

47

a) Die Würdigung, ob dem Auszubildenden ein Vermögensdelikt zum Nachteil seines Ausbildenden oder eine ähnlich schwerwiegende Pflichtverletzung anzulasten ist oder ob zumindest ein dahingehender dringender Verdacht besteht, liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung iSd. § 286 ZPO. Diese ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob das Berufungsgericht den Inhalt der Verhandlung berücksichtigt und alle erhobenen Beweise gewürdigt hat, ob eine Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei, ohne Verletzung von Denkgesetzen sowie allgemeinen Erfahrungssätzen erfolgt und ob sie rechtlich möglich ist (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 16, BAGE 145, 278; 18. Oktober 2012 - 6 AZR 289/11 - Rn. 43; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 29).

48

b) Bei Berücksichtigung dieses revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs hat das Landesarbeitsgericht die Wirksamkeit der streitgegenständlichen außerordentlichen Kündigung rechtsfehlerfrei bejaht.

49

aa) Es ist der dringende Tatverdacht der Begehung eines Vermögensdelikts zulasten der Beklagten gegeben. Dieser Verdacht ist geeignet, das für die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören.

50

(1) Das Landesarbeitsgericht ist nach Vernehmung des Zeugen K zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger in dem Gespräch am 21. Juli 2011 von sich aus den Betrag von 500,00 Euro genannt hat, welcher als Kassendifferenz der Filiale G am 20. Juni 2011 festgestellt wurde. Dies habe der Zeuge K widerspruchsfrei im Rahmen seiner Darstellung des Gesprächsverlaufs in jeder Hinsicht glaubhaft ausgesagt. Durch diese Offenbarung von Täterwissen könne mit großer Wahrscheinlichkeit darauf geschlossen werden, dass sich der Kläger und kein anderer Mitarbeiter den fehlenden Geldbetrag zugeeignet habe. Diese Beweiswürdigung ist sowohl hinsichtlich der Bewertung der Glaubwürdigkeit des Zeugen als auch seiner inhaltlichen Aussage nicht zu beanstanden. Die Preisgabe fundamentalen Täterwissens ist ohne Hinzutreten weiterer Umstände geeignet, einen dringenden Tatverdacht zu begründen.

51

(2) Entgegen der Auffassung der Revision musste das Landesarbeitsgericht Herrn S nicht zu der Frage vernehmen, ob er oder der Kläger das Geld gebündelt hatte. Das Landesarbeitsgericht konnte die Bündelung durch Herrn S am 20. Juni 2011 zugunsten des Klägers unterstellen, ebenso wie Zugriffsmöglichkeiten anderer Mitarbeiter. In jedem Fall hätte auch Herr S die Gelegenheit zur Unterschlagung von Bargeld gehabt, weil er unstreitig am Ende des Arbeitstags die Geldbündel zum Versand an die Zentralbank eingeschweißt hat. Entscheidend war aber, dass sich der Kreis der Verdächtigen wegen der Nennung des Geldbetrags durch den Kläger auf diesen eingegrenzt hatte. Ein weiteres „Bild von den Geschehensabläufen“ durch Vernehmung des Zeugen S musste sich das Gericht entgegen der Revision nicht machen.

52

(3) Dieser Verdacht ist geeignet, das für die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören.

53

(a) Begeht der Auszubildende eine rechtswidrige und vorsätzliche - ggf. strafbare - Handlung unmittelbar gegen das Vermögen seines Ausbildenden, verletzt er zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 10 Abs. 2 BBiG iVm. § 241 Abs. 2 BGB und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen(vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 26, BAGE 134, 349). Dies gilt auch dann, wenn die rechtswidrige Handlung Gegenstände von geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat. Maßgebend ist der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (BAG 31. Juli 2014 - 2 AZR 407/13 - Rn. 27; 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 13, BAGE 145, 278).

54

(b) Ein Diebstahl bzw. eine Unterschlagung von 500,00 Euro wäre demnach eine schwerwiegende Pflichtverletzung, auch wenn es sich mit den Worten der Revision aus Sicht einer Bank um einen „überschaubaren Betrag“ handeln mag.

55

bb) Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Beklagte dem Kläger ordnungsgemäß Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben habe. Die von der Revision wegen einer rechtswidrigen Anhörung des Klägers angenommenen Beweisverwertungsverbote bestehen deshalb nicht.

56

(1) Der Ausbildende hat erst dann alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan, wenn er dem Auszubildenden Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Die Notwendigkeit der Anhörung vor Erklärung einer Verdachtskündigung ist Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Die Anhörung soll den Ausbildenden vor voreiligen Entscheidungen bewahren und der Gefahr begegnen, dass ein Unschuldiger von der Kündigung betroffen wird (vgl. zu § 626 Abs. 1 BGB BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 102/12 - Rn. 31). Der Umfang der Nachforschungspflichten und damit auch die Ausgestaltung der Anhörung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 17; 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - Rn. 24). Die Anhörung muss sich aber immer auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Auszubildende muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Ausbildenden im Dunkeln liegende Geschehnisse beizutragen (vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 33).

57

(2) Sowohl bei der Vorbereitung als auch bei der Durchführung der Anhörung hat der Ausbildende auf die typischerweise bestehende Unerfahrenheit des Auszubildenden und die daraus resultierende Gefahr einer Überforderung gemäß § 10 Abs. 2 BBiG iVm. § 241 Abs. 2 BGB Rücksicht zu nehmen. Die Anhörung eines psychisch blockierten Auszubildenden kann ihren Zweck nicht erreichen. Zudem besteht bei einem Auszubildenden eher als bei einem berufserfahrenen Arbeitnehmer das Risiko der Einräumung einer nicht begangenen Tat, um sich damit der Situation zu entziehen. Auch mag ein Auszubildender sensibler auf eine Überzahl an Vertretern des Ausbildungsbetriebs reagieren als ein lebens- und berufserfahrener Arbeitnehmer mit größerem Selbstbewusstsein. Maßgeblich sind jedoch durchweg die Umstände des Einzelfalls. Dabei ist ein objektiver Maßstab aus Sicht eines verständigen Ausbildenden zugrunde zu legen.

58

(3) Hiervon ausgehend ist es entgegen der Revision grundsätzlich nicht erforderlich, den Auszubildenden vor Durchführung einer Anhörung über den beabsichtigten Gesprächsinhalt zu unterrichten.

59

(a) Die Auffassung der Revision, wonach Art. 103 Abs. 1 GG dies im Wege der mittelbaren Drittwirkung verlange, ist unzutreffend. Nach Art. 103 Abs. 1 GG hat jedermann vor Gericht Anspruch auf rechtliches Gehör. Diese Garantie gilt ausschließlich vor Gericht, das heißt bei allen staatlichen Gerichten iSd. Art. 92 GG(BeckOK GG/Radtke/Hagemeier Stand 1. Dezember 2014 GG Art. 103 Rn. 3; Kunig in v. Münch/Kunig GG 6. Aufl. Art. 103 Rn. 4; Nolte in v. Mangoldt/Klein/Starck GG 6. Aufl. Art. 103 Abs. 1 Rn. 16; aA Lembke RdA 2013, 82, 85).

60

(b) In Rechtsprechung und Literatur wird die Themenbekanntgabe vor der Anhörung gefordert (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 16. Dezember 2010 - 2 Sa 2022/10 - Rn. 31; HaKo/Gieseler 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 52; Lange/Vogel DB 2010, 1066, 1069; Klenter AiB 2012, 616, 619; vgl. auch Sasse/Freihube ArbRB 2006, 15, 16). Hierfür spricht, dass eine solche Information dem Arbeitnehmer bzw. Auszubildenden die inhaltliche und „mentale“ Vorbereitung auf das Gespräch ermöglicht (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 30. März 2012 - 10 Sa 2272/11 - Rn. 75; Eylert NZA-RR 2014, 393, 402; BeckOK BGB/Fuchs Stand 1. November 2014 BGB § 626 Rn. 43). Der Betroffene wird dadurch in die Lage versetzt, schon im Vorfeld der Anhörung zu entscheiden, ob er sich einlassen will oder nicht (Fischer BB 2003, 522, 523; Eylert/Friedrichs DB 2007, 2203, 2205). Bei umfangreichen und komplexen Sachverhalten ermöglicht eine entsprechende Vorbereitung eine substantiierte Einlassung in der Anhörung (vgl. Lücke BB 1998, 2259, 2261). Auch wird dem Arbeitnehmer Gelegenheit gegeben, sich schon vor der persönlichen Konfrontation mit Verdachtsmomenten an den Betriebsrat zu wenden oder sich Rat bei einem Rechtsanwalt einzuholen. Im Falle der Anhörung eines Auszubildenden kommt die mögliche Einschaltung der Jugend- und Auszubildendenvertretung hinzu.

61

(c) Andererseits besteht jedoch in Fällen des begründeten Verdachts die Gefahr einer Verdunkelung der Tat (Lembke RdA 2013, 82, 88; Dzida NZA 2013, 412, 415; Eylert/Friedrichs DB 2007, 2203, 2205; Gaul/Schmidt-Lauber ArbRB 2012, 18, 19; Lücke BB 1998, 2259, 2261), welcher nicht immer mit Mitteln der Beweissicherung zu begegnen sein wird (so aber wohl Lange/Vogel DB 2010, 1066, 1069). Zudem wird dem Anzuhörenden die Gelegenheit entzogen, sich möglichst unbefangen mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen und möglicherweise schon mit seiner spontanen Reaktion eine Entlastung herbeizuführen (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 35).

62

(d) Eine Mitteilung des beabsichtigten Gesprächsthemas ist gegenüber dem Auszubildenden deshalb grundsätzlich nicht erforderlich (ebenso zur Anhörung eines Arbeitnehmers ErfK/Müller-Glöge 15. Aufl. § 626 BGB Rn. 178b). Die Revision weist allerdings zutreffend darauf hin, dass die Gesprächssituation den Auszubildenden erkennbar überfordern kann, sei es in psychischer Hinsicht oder wegen der Komplexität des Sachverhalts. Es entspricht dann der Rücksichtnahmepflicht des Ausbildenden, das Gespräch von sich aus oder auf Wunsch des Auszubildenden abzubrechen und eine erneute Anhörung anzuberaumen, wenn der Auszubildende grundsätzlich zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Verdachtsmomenten bereit ist. Damit erhält der Auszubildende die ggf. erforderliche Vorbereitungszeit (vgl. Dzida NZA 2013, 412, 414; ders. NZA 2014, 809, 814). Diese muss abhängig von den Umständen des Einzelfalls eine angemessene Dauer aufweisen (vgl. KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 230). Die Unterbrechung der Anhörung ist auch geboten, wenn der Auszubildende die Beratung mit einer Vertrauensperson verlangt. Der Ausbildende ist jedoch nicht verpflichtet, den Auszubildenden auf die Möglichkeit der Kontaktierung eines Rechtsanwalts hinzuweisen (vgl. Lange/Vogel DB 2010, 1066, 1069; Eylert/Friedrichs DB 2007, 2203, 2205; Lembke RdA 2013, 82, 89; Hunold Anm. NZA-RR 2010, 184). Dies gilt auch bezüglich sonstiger Vertrauenspersonen.

63

(4) Die Beklagte war demnach nicht verpflichtet, den Kläger vor der Anhörung am 21. Juli 2011 über den beabsichtigten Inhalt dieses Gesprächs zu informieren. Von einem 21-jährigen Auszubildenden darf ohnehin erwartet werden, dass er sich zu einem Kassenfehlbestand äußern kann und sei es auch nur mit der Aussage, dass er ihm nicht erklärlich sei. Für die Beklagte war eine Überforderung des Klägers während der Anhörung nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts objektiv nicht erkennbar. Der Kläger hat zur Frage der Kassendifferenz Stellung genommen, ohne einen Abbruch des Gesprächs zu verlangen.

64

(5) Die Durchführung der Anhörung ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden.

65

(a) Die Beklagte musste den Kläger nicht weiter über ihren Kenntnisstand bezüglich der Geschehnisse am 20. Juni 2011 in der Filiale G unterrichten oder den Kläger mit einem Bericht der Revisionsabteilung konfrontieren. Es war ausreichend, ihm mitzuteilen, dass an dem bestimmten Tag in der bestimmten Filiale ein Fehlbetrag zu verzeichnen war, und ihn zu fragen, ob er sich dies erklären könne. Dies war der maßgebliche Sachverhalt.

66

(b) Soweit der Kläger im Revisionsverfahren erstmals vorbringt, dass er durch weitere Recherchen in Erfahrung gebracht habe, dass sich der Fehlbetrag entgegen der Darstellung der Beklagtenvertreter in der Anhörung nicht nur auf die von ihm gezählten Gelder aus dem Nachttresor, sondern auch auf von ihm nicht gezähltes Geld aus dem Tresor und dem Schalterbereich beziehe, handelt es sich zum einen um neues Tatsachenvorbringen, welches in der Revisionsinstanz nicht mehr zulässig ist. Zum anderen würde die Vermengung der beiden Geldmengen nichts an dem Fehlbetrag und an der Begründung des Verdachts durch die klägerseitige Nennung der genauen Summe ändern.

67

(c) Die Anhörung erweist sich auch nicht als fehlerhaft, weil dem Kläger keine Gelegenheit zur Beiziehung eines Rechtsanwalts oder einer sonstigen Vertrauensperson gegeben wurde. Eine solche Beteiligung hat der Kläger nicht verlangt. Er kann daher mit der Revision auch nicht einwenden, dass ihm ein nahestehender Zeuge für den Gesprächsverlauf fehle.

68

(6) Entgegen der Revision handelt es sich bei der Anhörung nicht um eine nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG unzulässige Datenerhebung. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist hier nicht eröffnet.

69

(a) Die gesetzlichen Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung im Bundesdatenschutzgesetz konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägung des durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts und regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe in dieses Recht zulässig sind(vgl. für das Datenschutzgesetz NRW BAG 15. November 2012 - 6 AZR 339/11 - Rn. 16, BAGE 143, 343). Dies stellt § 1 Abs. 1 BDSG ausdrücklich klar. Liegt keine Einwilligung des Betroffenen vor, ist die Datenverarbeitung nach dem Gesamtkonzept des Bundesdatenschutzgesetzes nur zulässig, wenn eine verfassungsgemäße Rechtsvorschrift diese erlaubt. Fehlt es an der danach erforderlichen Ermächtigungsgrundlage oder liegen deren Voraussetzungen nicht vor, ist die Erhebung, Verarbeitung und/oder Nutzung personenbezogener Daten verboten. Dieser das deutsche Datenschutzrecht prägende Grundsatz ist in § 4 Abs. 1 BDSG kodifiziert(BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 22, BAGE 145, 278).

70

(b) Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach dessen Begründung für seine Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Auch Auszubildende sind gemäß § 3 Abs. 11 Nr. 2 BDSG Beschäftigte. Nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG dürfen zur Aufdeckung von Straftaten personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.

71

(c) Bei der zur Aufklärung von Verdachtsmomenten vorgenommenen Anhörung eines Arbeitnehmers bzw. Auszubildenden handelt es sich um eine Datenerhebung iSv. § 32 Abs. 1 BDSG.

72

(aa) Nach der Begriffsbestimmung in § 3 Abs. 1 BDSG sind personenbezogene Daten Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Persönliche und sachliche Verhältnisse sind Informationen über die Person des Betroffenen oder über einen auf diesen bezogenen Sachverhalt (Weichert in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert BDSG 4. Aufl. § 3 Rn. 19; Gola/Schomerus BDSG 11. Aufl. § 3 Rn. 6, 7). Die Anhörung bezieht sich auf eine bestimmte Person und deren Angaben zu einem Sachverhalt, der wegen des Aufklärungszwecks sie selbst betrifft. Die Angaben werden über die betroffene Person iSd. § 3 Abs. 3 BDSG beschafft und damit erhoben.

73

(bb) § 32 BDSG setzt nicht voraus, dass die Datenerhebung zum Zwecke ihrer Nutzung und Verarbeitung in automatisierten Dateien erfolgt. Durch § 32 Abs. 2 BDSG wird die grundsätzliche Beschränkung der Anwendung des dritten Abschnitts des Bundesdatenschutzgesetzes auf dateigebundene bzw. automatisierte Verarbeitungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 3, § 27 Abs. 1 BDSG) ausdrücklich aufgehoben. Die Vorschrift erfasst damit sowohl nach ihrem Wortlaut als auch nach ihrem Regelungsgehalt die Datenerhebung durch rein tatsächliche Handlungen (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 24, BAGE 145, 278). Damit sind auch Befragungen eines Beschäftigten erfasst (ErfK/Franzen 15. Aufl. § 32 BDSG Rn. 2; Stamer/Kuhnke in Plath BDSG § 32 Rn. 7; Riesenhuber NZA 2012, 771, 774).

74

(d) Entgegen der Ansicht der Revision ist die Anhörung des Klägers am 21. Juli 2011 nicht unter Verletzung des § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG erfolgt. Zwar stellt sie eine Datenerhebung dar, welche zur Aufdeckung einer Straftat vorgenommen wurde. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, dass tatsächliche Anhaltspunkte dokumentiert wurden, die den Verdacht gegen den Kläger im Vorfeld der Anhörung begründet und seine Anhörung veranlasst hätten. Die Anhörung ist aber keine Überwachungsmaßnahme. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG bezieht sich nicht auf jede Aufklärungshandlung, sondern nur auf Kontroll- bzw. Überwachungsmaßnahmen zur Aufdeckung einer Straftat.

75

(aa) Nach der Gesetzesbegründung sollte die Regelung des § 32 BDSG die bislang von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze des Datenschutzes im Beschäftigungsverhältnis nicht ändern, sondern lediglich zusammenfassen(BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 52, BAGE 146, 303; 20. Juni 2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 26, BAGE 145, 278; vgl. auch Gola/Schomerus BDSG 11. Aufl. § 32 Rn. 2; HWK/Lembke 6. Aufl. § 32 BDSG Rn. 2; Seifert in Simitis BDSG 8. Aufl. § 32 Rn. 1). § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG orientiert sich im Wortlaut an § 100 Abs. 3 Satz 1 TKG und inhaltlich an den Anforderungen, die das Bundesarbeitsgericht ua. in seinem Urteil vom 27. März 2003 (- 2 AZR 51/02 - BAGE 105, 356) zur verdeckten Überwachung von Beschäftigten aufgestellt hat (BT-Drs. 16/13657 S. 21). Der Tatbestand des § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG ist daher auf diese oder vergleichbare Fälle von Kontrollmaßnahmen zu beschränken(ErfK/Franzen 15. Aufl. § 32 BDSG Rn. 31). Der Gesetzgeber ging davon aus, dass Maßnahmen zur Aufdeckung einer Straftat in der Regel besonders intensiv in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreifen (BT-Drs. 16/13657 S. 21). Dies ist bei (verdeckter) Überwachung von Beschäftigten der Fall, weshalb die - von der Gesetzesbegründung in Bezug genommenen - restriktiven Grundsätze der hierzu ergangenen Rechtsprechung mit § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG kodifiziert wurden. Die Vorschrift soll hinsichtlich der Eingriffsintensität vergleichbare Maßnahmen erfassen (vgl. Taeger/Gabel/Zöll § 32 BDSG Rn. 41). Die Gesetzesbegründung lässt umgekehrt darauf schließen, dass die erhöhten datenschutzrechtlichen Anforderungen des § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG bei weniger belastenden Aufklärungsmaßnahmen, durch welche die Beschäftigten weder kontrolliert noch überwacht werden, keine Geltung beanspruchen sollen.

76

(bb) Demnach unterfällt die Anhörung eines Beschäftigten nicht den Anforderungen des § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG(aA wohl Lembke RdA 2013, 82, 87; ders. in HWK 6. Aufl. § 32 BDSG Rn. 21). Die Anhörung ist weder Kontrolle noch Überwachung. Der Beschäftigte wird in offener Weise mit Verdachtsmomenten konfrontiert und erhält die Gelegenheit zu deren Entkräftung. Er kann sich der Anhörung - im Gegensatz zu einer Überwachungsmaßnahme - entziehen, indem er eine Einlassung verweigert. Dementsprechend hat die Rechtsprechung auch keinen einer Überwachungsmaßnahme vergleichbaren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht erkannt. Die in § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG vorgesehenen Anforderungen sind daher nicht veranlasst. Wie dargelegt wollte der Gesetzgeber mit § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG nur Aufklärungsmaßnahmen erfassen, die wegen der Intensität des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht solch erhöhte Anforderungen verlangen.

77

(cc) Die Anhörung des Klägers musste auch nicht nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG dokumentiert werden. Im Rahmen der Anhörung entstand zwar die verdachtsbegründende Tatsache der Offenbarung von Täterwissen. Die Beklagte nahm aber nach der Anhörung deswegen keine weiteren Überwachungsmaßnahmen vor. Die Ermittlungen gegen den Kläger waren mit der Anhörung abgeschlossen.

78

(7) Die Anhörung des Klägers war gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig. Die damit verbundene Datenerhebung und -nutzung erfolgte für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses und war für die Entscheidung über dessen weitere Durchführung oder Beendigung erforderlich. Die Erforderlichkeit ergibt sich schon aus den Vorgaben der Rechtsprechung zur Wirksamkeit einer etwaigen Verdachtskündigung.

79

(8) Es kann hier unentschieden bleiben, ob § 32 Abs. 1 BDSG auch § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG verdrängt(vgl. zum Streitstand BeckOK DatenSR/Riesenhuber Stand 1. November 2014 BDSG § 32 Rn. 25 f.). Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG sind erfüllt. Das berechtigte Interesse der Beklagten folgt aus ihrer Verpflichtung zur Durchführung einer Anhörung im Rahmen der gebotenen Aufklärungsbemühungen. Das Interesse des Klägers an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung der durch die Anhörung gewonnenen Daten überwiegt demgegenüber nicht. Die Durchführung der Anhörung diente ursprünglich gerade seinem Interesse an einer Stellungnahme, welche die Möglichkeit zur Klärung des Sachverhalts in seinem Sinne gab. Der Umstand, dass sich erst durch die Anhörung der kündigungsbegründende Tatverdacht ergab, ändert daran nichts. Das Interesse des Klägers an der Nichtverwertung der belastenden Aussagen ist nicht schutzwürdig. Anderenfalls könnten nur entlastende Erkenntnisgewinne iSd. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG genutzt werden, während verdachtsbegründende oder -verstärkende Umstände unberücksichtigt bleiben müssten.

80

(9) Offenbleiben kann auch, ob § 28 Abs. 1 Satz 2 BDSG neben § 32 Abs. 1 BDSG zur Anwendung kommt. Dies wird trotz der eindeutigen Gesetzesbegründung, wonach § 28 Abs. 1 Satz 2 BDSG verdrängt wird(BT-Drs. 16/13657 S. 20), wegen der damit verbundenen und gesetzlich nicht beabsichtigten Absenkung des Schutzniveaus vertreten (vgl. Däubler in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert BDSG 4. Aufl. § 32 Rn. 9; Thüsing NZA 2009, 865; ErfK/Franzen 15. Aufl. § 28 BDSG Rn. 4). Im vorliegenden Fall diente die Anhörung nach der unbestrittenen Darstellung der Beklagten der Aufklärung des Sachverhalts, indem der Kläger zu der Kassendifferenz befragt wurde. Damit wurde der Zweck festgelegt. Anderes behauptet auch der Kläger nicht. Eine schriftliche Festlegung des Zwecks verlangt § 28 Abs. 1 Satz 2 BDSG nicht(Plath in Plath BDSG § 28 Rn. 90; Simitis in Simitis BDSG 8. Aufl. § 28 Rn. 43; Taeger/Gabel/Taeger § 28 BDSG Rn. 111). Eine generelle Verpflichtung zur schriftlichen Fixierung der Zweckfestlegung lässt sich auch der allgemeinen Vorschrift des § 9 BDSG nicht entnehmen(aA jedenfalls bei Anwendbarkeit der Anlage zu § 9 Satz 1 BDSG Gola/Schomerus BDSG 11. Aufl. § 28 Rn. 35). Eine schriftliche Dokumentation der mit einer Anhörung verbundenen Zwecksetzung wäre iSd. § 9 BDSG nicht erforderlich, da der Aufklärungszweck evident ist. Die Unterrichtungspflicht nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BDSG kann auch ohne eine solche schriftliche Dokumentation erfüllt werden.

81

(10) Soweit der Kläger in der Verhandlung vor dem Senat einen Verstoß gegen § 4 Abs. 3 BDSG wegen der fehlenden Themenbekanntgabe vor der Anhörung behauptet hat, greift diese Rüge nicht durch. Etwaige Unterrichtungs- und Hinweispflichten nach § 4 Abs. 3 BDSG müssen nur vor der Datenerhebung erfüllt werden(BeckOK DatenSR/Bäcker Stand 1. November 2014 BDSG § 4 Rn. 76). Dies kann auch unmittelbar vor der Anhörung erfolgen. Weder der im Revisionsverfahren verwertbare Tatsachenvortrag des Klägers noch die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lassen auf entsprechende Pflichtverletzungen schließen.

82

(11) Die Anhörung des Klägers hat folglich weder datenschutzrechtliche Vorgaben noch in sonstiger Weise das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt. Ein auf die Erkenntnisse der Anhörung bezogenes prozessuales Beweisverwertungsverbot (vgl. hierzu BAG 21. November 2013 - 2 AZR 797/11 - Rn. 48 f., BAGE 146, 303) besteht daher nicht.

83

(12) Nach der Begründung des Verdachts im Verlauf des Gesprächs am 21. Juli 2011 war entgegen der Ansicht der Revision keine erneute Anhörung erforderlich. Die Verdachtsbegründung war mit der Nennung des Fehlbetrags durch den Kläger abgeschlossen. Der Kläger war am 21. Juli 2011 sogleich damit konfrontiert worden. Weiter gehende Ermittlungen, die neue verdachtsbegründende Tatsachen ergeben hätten, wurden von der Beklagten nicht durchgeführt (vgl. zu einem solchen Fall BAG 13. September 1995 - 2 AZR 587/94 - zu II 4 a der Gründe, BAGE 81, 27). Dies gilt auch, wenn die Beklagte sich erst nach der Anhörung des Klägers mit Herrn S am 21. Juli 2011 in Verbindung gesetzt haben sollte. Die Stellungnahme von Herrn S mit seiner E-Mail vom selben Tag hat keine neuen Erkenntnisse gebracht, welche eine erneute Anhörung erforderlich gemacht hätten. Herr S hat lediglich angeführt, dass der Kläger auch die Bündelung vorgenommen habe. Wie dargestellt, ist dies jedoch wegen der Verdachtsbegründung aufgrund der Nennung des Fehlbetrags nicht ausschlaggebend.

84

cc) Schließlich ist auch die durch das Landesarbeitsgericht bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses vorgenommene Interessenabwägung nicht zu beanstanden.

85

(1) Das Landesarbeitsgericht hat die mit dem Verlust des Ausbildungsplatzes verbundenen erheblichen Nachteile für die künftige berufliche Entwicklung des Klägers ebenso wie die im Herbst 2011 erfolgreich abgelegte Zwischenprüfung berücksichtigt. Es hat zugunsten des Klägers angeführt, dass er kurz vor Vollendung seines ersten Ausbildungsjahres stand, obwohl diese relativ kurze Dauer des Ausbildungsverhältnisses eher zu seinen Lasten hätte gewertet werden können. Ferner hat das Landesarbeitsgericht die fehlende Einhaltung der Kontrollvorschriften („Vier-Augen-Prinzip“) berücksichtigt.

86

(2) Es überschreitet den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum nicht, wenn es dennoch zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Interessen der Beklagten an der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses wegen des irreparablen, dh. auch durch eine Abmahnung nicht mehr auszugleichenden, Vertrauensverlustes überwiegen.

87

(a) Dabei hat das Landesarbeitsgericht den Kontakt des Klägers mit hohen Geldbeträgen angeführt. Die Beklagte könne nicht darauf verwiesen werden, den Kläger künftig in gesteigertem Maße zu überwachen. Dies ist nachvollziehbar, denn eine solche Kontrolldichte würde angesichts der Zugriffsmöglichkeiten auf Bargeld in einem Bankbetrieb eine unverhältnismäßige Belastung darstellen. Gelegenheiten des Diebstahls oder der Unterschlagung können bei entsprechendem Willen eines Beschäftigten potentiell auch bei der von der Revision angemahnten konsequenten Umsetzung von Anforderungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht an das Risikomanagement und Vorgaben der berufsgenossenschaftlichen Vorschriften (UVV Kassen) geschaffen werden.

88

(b) Nicht zu beanstanden ist auch das Abstellen auf die Fehltage in der Berufsschule am 11. Februar 2011 und 30. März 2011. Hierdurch hat der Kläger seine Verpflichtung aus § 13 Satz 2 Nr. 2 iVm. § 15 Satz 1 BBiG verletzt und damit das Ausbildungsverhältnis belastet. Dies steht entgegen der Revision nicht im Widerspruch zu der erfolgreich abgelegten Zwischenprüfung. Diese bezieht sich auf die fachlichen Inhalte der Ausbildung und nicht auf das Verhalten im Ausbildungsverhältnis.

89

(c) Das Landesarbeitsgericht hat ferner in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auf die „Spielproblematik“ abgestellt. Der Revision ist insoweit zwar zuzugestehen, dass mangels Feststellung einer Spielsucht ein Rückschluss auf das künftige Verhalten des Klägers insoweit schwierig ist. Das Landesarbeitsgericht durfte allerdings auf die unstreitigen Therapiestunden bei der Caritas und auf die spielbedingten Fehlzeiten im Berufsschulunterricht hinweisen. Vor diesem Hintergrund musste das Landesarbeitsgericht keinen unbeanstandeten Verlauf des Ausbildungsverhältnisses hervorheben.

90

3. Die nach § 22 Abs. 3 BBiG zu wahrenden Formerfordernisse wurden beachtet. Die Kündigung erfolgte schriftlich und gab den Kündigungsgrund an.

91

a) Nach § 22 Abs. 3 BBiG muss die Kündigung schriftlich und in den Fällen des § 22 Abs. 2 BBiG unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen. Der Kündigende muss dabei die Tatsachen mitteilen, die für die Kündigung maßgebend sind (vgl. zu § 15 Abs. 3 BBiG aF BAG 25. November 1976 - 2 AZR 751/75 - zu A III 1 a der Gründe). Pauschale Schlagworte und Werturteile genügen nicht (BAG 10. Februar 1999 - 2 AZR 176/98 - zu II 1 der Gründe). Der Ausbildende darf sich im Kündigungsschutzprozess nicht auf Gründe stützen, die er im Kündigungsschreiben nicht genannt hat (vgl. ErfK/Schlachter 15. Aufl. § 22 BBiG Rn. 7).

92

b) Diesen Anforderungen genügt das Kündigungsschreiben vom 22. Juli 2011. Dort wird sowohl der Kassenfehlbestand als auch die Begründung des Verdachts gegen den Kläger mitgeteilt. Es bleibt nicht unklar, auf welche Pflichtverletzung sich der Verdacht richtet. Die Beklagte hat deutlich gemacht, dass sie den Kläger verdächtigt, sich den Fehlbestand iHv. 500,00 Euro „angeeignet zu haben“. Deutlich wird auch, dass die Beklagte die für die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses „unverzichtbare Vertrauensbasis“ als nicht mehr gegeben und nicht wiederherstellbar ansieht. Die Beklagte offenbart auch ihre Annahme einer Spielsucht des Klägers aufgrund der Aussagen des Klägers in dem Gespräch am 21. Juli 2011. Damit begründet sie die aus ihrer Sicht bestehende Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Ausbildung. Soweit in dem Kündigungsschreiben weitere Pflichtverstöße angeführt werden (Fehlzeiten im Berufsschulunterricht; Arbeit in einer Gießerei während des Erholungsurlaubs), wird deutlich, dass die Beklagte das Ausbildungsverhältnis insgesamt als belastet ansieht. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Vertragsverstöße für sich genommen das Gewicht eines Kündigungsgrundes zum Ausdruck bringen. Die Beklagte hat sich im Prozess als Kündigungsgrund nur auf den - mitgeteilten - Verdacht eines Vermögensdelikts berufen.

93

4. Die Kündigung erfolgte auch unter Wahrung der Frist des § 22 Abs. 4 Satz 1 BBiG.

94

a) Nach § 22 Abs. 4 Satz 1 BBiG ist eine Kündigung aus wichtigem Grund unwirksam, wenn die ihr zugrunde liegenden Tatsachen dem zur Kündigung Berechtigten länger als zwei Wochen bekannt sind. Die Vorschrift entspricht nach Inhalt und Zweck § 626 Abs. 2 BGB. Dementsprechend beginnt auch die Frist des § 22 Abs. 4 Satz 1 BBiG mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Ausbildungsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen eine Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der bislang nur Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen begänne. Dies gilt allerdings nur so lange, wie er aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen. Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen. Bei Vorliegen besonderer Umstände darf sie auch überschritten werden (vgl. BAG 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 - Rn. 14 mwN; 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 15, BAGE 137, 54).

95

b) Demnach hatte die Beklagte von den der Kündigung zugrunde liegenden Tatsachen zum Zeitpunkt ihres Zugangs am 25. Juli 2011 nicht länger als zwei Wochen Kenntnis. Sie wusste zwar bereits seit dem 28. Juni 2011 von dem Kassenfehlbestand in G. Die Begründung des der Kündigung zugrunde liegenden Verdachts gegen den Kläger erfolgte jedoch erst in dessen Anhörung am 21. Juli 2011. Die Beklagte betrieb die Sachverhaltsaufklärung mit der gebotenen Eile, auch wenn die Anhörung nicht innerhalb einer Woche ab Kenntnis von der Kassendifferenz stattfand. Eine schriftliche Aufforderung zur Stellungnahme war nicht veranlasst. Durch die Anberaumung des Gesprächstermins zunächst auf den 30. Juni 2011 und dann auf den 4. Juli 2011 versuchte die Beklagte eine zeitnahe Anhörung durchzuführen. Am 30. Juni 2011 war der Kläger jedoch aus persönlichen Gründen verhindert. Den Termin am 4. Juli 2011 sagte er wegen einer angeblichen Flugreise ab. Nach dem Urlaubsende hat die Beklagte die Anhörung sodann zügig durchgeführt. Sie fand noch in der ersten Woche nach dem Urlaub statt. Nach der Verdachtsbegründung am 21. Juli 2011 hat die Beklagte die Kündigung innerhalb von zwei Wochen, nämlich bereits am 25. Juli 2011, erklärt.

96

5. Die Kündigung ist auch nicht mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.

97

a) Will der Arbeitgeber seine Kündigung auf den dringenden Verdacht einer erheblichen Pflichtverletzung stützen, muss er dies dem Betriebsrat mitteilen und die Umstände angeben, aus denen sich der konkrete Verdacht ergeben soll (BAG 23. April 2008 - 2 ABR 71/07 - Rn. 24). Nach dem Grundsatz der subjektiven Determination ist der Betriebsrat dabei ordnungsgemäß angehört, wenn der Arbeitgeber ihm die Gründe mitgeteilt hat, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und die für seinen Kündigungsentschluss maßgeblich sind. Diesen Kündigungsentschluss hat er regelmäßig unter Angabe von Tatsachen so zu beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen kann (BAG 12. September 2013 - 6 AZR 121/12 - Rn. 21).

98

b) Bei der Betriebsratsanhörung handelt es sich um eine atypische Willenserklärung, deren Auslegung grundsätzlich Sache der Tatsacheninstanz ist (BAG 22. September 2005 - 6 AZR 607/04 - zu II 4 b bb (1) der Gründe). Die Auslegung atypischer Willenserklärungen durch das Landesarbeitsgericht kann in der Revisionsinstanz nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt hat oder gegen Denk- und Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (vgl. BAG 15. April 2014 - 3 AZR 435/12 - Rn. 18; 25. April 2013 - 8 AZR 453/12 - Rn. 23).

99

c) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Anhörung des Betriebsrats mit Schreiben vom 22. Juli 2011 genüge inhaltlich den Anforderungen des § 102 BetrVG, hält den Angriffen der Revision stand.

100

aa) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend auf den Grundsatz der subjektiven Determination abgestellt und ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Schluss gelangt, dass bei Berücksichtigung der Gesamtumstände die beabsichtigte Erklärung einer Verdachtskündigung für den Betriebsrat erkennbar gewesen sei. Dem Betriebsrat wurde der Geschehensablauf aus Sicht der Beklagten und die wesentliche verdachtsbegründende Tatsache (Nennung des Fehlbetrags durch den Kläger) mitgeteilt. Der Formulierung „müssen wir davon ausgehen, dass er die Differenz ‚verursacht‘ hat“, kann mit dem Landesarbeitsgericht die beabsichtigte Erklärung einer Verdachtskündigung entnommen werden. Jedenfalls lässt diese Wortlautinterpretation keine Tatsachen unberücksichtigt und verstößt nicht gegen Denk- und Erfahrungssätze. Durch die Beschreibung der Gesamtumstände wird dem Betriebsrat hinreichend verdeutlicht, dass die Beklagte im Sinne eines Verdachts von einem Vermögensdelikt „ausgeht“. Die Dringlichkeit des Verdachts wird mit „müssen wir“ zum Ausdruck gebracht.

101

bb) Es ist mit dem Landesarbeitsgericht auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte den Betriebsrat bewusst falsch über die Verursachung des Fehlbetrags von 50,00 Euro in D und über eine Spielsucht des Klägers informiert hat. Die Beklagte ging hiervon aus. Wegen des Grundsatzes der subjektiven Determinierung der Betriebsratsanhörung ist daher unbeachtlich, ob diese Vorwürfe objektiv gerechtfertigt sind.

102

cc) Der Betriebsrat wurde auch nicht fehlerhaft über den Kündigungsgrund des Verdachts eines Vermögensdelikts unterrichtet, weil in der Anhörung noch weiteres Fehlverhalten des Klägers angeführt wurde (Fehlzeiten in der Berufsschule; Arbeit in der Gießerei während des Erholungsurlaubs). Es handelt sich ersichtlich um eine für die Interessenabwägung bedeutsame Darstellung der aus Sicht der Beklagten bestehenden Belastungen des Ausbildungsverhältnisses.

103

6. Die Klage ist auch im Übrigen unbegründet. Wegen der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses am 25. Juli 2011 bestand zum Zeitpunkt der beabsichtigten Beendigung durch die ordentliche Kündigung am 30. September 2011 kein Ausbildungsverhältnis mehr. Aus demselben Grund kann der Kläger die eingeklagte Ausbildungsvergütung für die Zeit ab dem 1. August 2011 nicht beanspruchen.

104

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    M. Jostes    

        

    M. Geyer    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 20. Oktober 2010 - 8 Sa 249/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Verdachtskündigung.

2

Der 1953 geborene Kläger war seit Januar 2002 bei der Beklagten - einer bundesunmittelbaren juristischen Person des öffentlichen Rechts mit Sitz in F - als Ingenieur beschäftigt. Seine Tätigkeit verrichtete er in einer nach M ausgelagerten „Fachstelle/Bau“ der Abteilung „Zentrales Baumanagement“. In seine Zuständigkeit fiel die Abwicklung von Bau- und sonstigen Sanierungsvorhaben im Bereich der M Außenstelle der Beklagten und an ihren Liegenschaften in B und R.

3

Der Kläger betreute ua. das Projekt „Erneuerung der Brandschutzklappen des Dienstgebäudes B“. Um den Auftrag bewarb sich die A GmbH (im Folgenden: GmbH), die schon zuvor in dem Dienstgebäude mit regelmäßigen Wartungsarbeiten betraut war. Anfang März 2008 gab sie ein erstes Angebot und unter dem 11. März 2008 ein zweites, inhaltlich erweitertes Angebot mit einer Angebotssumme von 122.652,68 Euro ab.

4

Ein von der Beklagten beauftragtes Ingenieurbüro befürwortete im Hinblick auf das zweite Angebot die Vergabe des Auftrags an die GmbH, allerdings mit der Einschränkung, dass bestimmte Positionen wegen zu hoher Zeitansätze bzw. Einheitspreise nachzuverhandeln seien. Die Unterlagen reichte der Kläger an das Servicezentrum der Beklagten in F weiter. Nachdem von dort die Höhe des Angebots beanstandet worden war, reduzierte die GmbH nach Verhandlungen mit dem Kläger das zweite Angebot um einen Betrag von 10.499,75 Euro. Auf Vorschlag des Klägers und nach Gegenzeichnung durch seinen Vorgesetzten sowie weiteren Genehmigungen über mehrere Hierarchieebenen wurde der GmbH im Wege einer freihändigen Vergabe der Zuschlag erteilt.

5

Aufgrund einer Selbstanzeige des Geschäftsführers der GmbH leitete die Staatsanwaltschaft gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der versuchten Erpressung und Bestechlichkeit ein. Am 4. Februar 2009 wurden die Privatwohnung des Klägers und die Geschäftsräume der M Außenstelle der Beklagten durchsucht. Der Beklagten wurde der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts M vom 21. November 2008 eröffnet, der eine detaillierte Darstellung des zugrunde liegenden Sachverhalts enthält. Insbesondere ist dort der Inhalt mehrerer Gespräche wiedergegeben, die zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer geführt worden sein sollen. Bei der Beklagten wurden Geschäftsunterlagen betreffend die Projekte „Erneuerung der Brandschutzklappen“ und „Umbau Zu- und Abluftanlage“ beschlagnahmt, darunter Unterlagen von Firmen, die hierauf bezogen Angebote abgegeben hatten. Ein dem Kläger am Folgetag eröffneter Haftbefehl wurde gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.

6

Mit Schreiben vom 5. Februar 2009 stellte die Beklagte den Kläger von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Zugleich teilte sie mit, er sei verdächtig, am 15. Februar 2008 vom Geschäftsführer der GmbH eine Gegenleistung in Höhe von 10 vH des Auftragswerts dafür gefordert zu haben, dass er sich in besonderer Weise für eine Beauftragung der GmbH durch die Beklagte einsetzen würde. Außerdem stehe er im Verdacht, im August 2008 das Angebot des Geschäftsführers der GmbH angenommen zu haben, ihm ohne finanzielle Gegenleistung eine Ferienwohnung am Gardasee für eine Woche zur Verfügung zu stellen. Um dem Kläger Gelegenheit zu geben, sich zu den Vorwürfen zu äußern, lud sie ihn zu einem Gespräch am Montag, dem 9. Februar 2009, in ihre F Zentrale ein.

7

Mit anwaltlichem Schreiben vom 6. Februar 2009 sagte der Kläger seine Teilnahme an dem Gespräch ab. Er berief sich mit Blick auf das laufende staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren auf sein Schweigerecht. Gleichwohl sei er bereit, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, wozu er einen Fragenkatalog erbitte. Mit Schreiben vom selben Tag teilte die Beklagte dem Kläger unter Beifügung einer Kopie des Durchsuchungsbeschlusses vom 21. November 2008 mit, es stehe ihm frei, sich schriftlich zu den in dem Beschluss angeführten Verdachtstatsachen zu äußern. Sie erwarte den Eingang einer Stellungnahme „bis Dienstschluss“ am 9. Februar 2009. Einen Fragenkatalog werde sie nicht erstellen.

8

Mit Schreiben vom 9. Februar 2009 erklärte der Kläger, ihm sei noch keine Akteneinsicht gewährt worden. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe wies er pauschal als unzutreffend zurück. Weder bei seinem ersten Zusammentreffen noch zu einem späteren Zeitpunkt habe er den mitbeschuldigten Geschäftsführer zu Zahlungen im Zusammenhang mit einer möglichen Beauftragung aufgefordert. Er habe auch keine finanziellen Zuwendungen oder einen geldwerten Vorteil sonstiger Art erhalten. Hinsichtlich der Ferienwohnung am Gardasee sei anzumerken, dass er gemeinsam mit seiner Ehefrau bereits Monate zuvor einen Hotelurlaub an der Adria gebucht und gezahlt habe, wie aus einer beigefügten Buchungsbestätigung hervorgehe.

9

Nach Beteiligung des Gesamtpersonalrats kündigte die Beklage das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 12. Februar 2009 außerordentlich fristlos. Mit Schreiben vom 26. Februar 2009 erklärte sie hilfsweise eine ordentliche Kündigung zum 30. Juni 2009. Gegen beide Kündigungen erhob der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage.

10

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigungen seien unwirksam. Die Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung lägen nicht vor. Die Beklagte habe sich nicht auf eine Aussage des Geschäftsführers im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren stützen dürfen, sondern habe eigene Nachforschungen anstellen müssen. Der Geschäftsführer sei nicht glaubwürdig. Diesem sei Straffreiheit zugesichert worden. Auch habe er wohl angesichts der knappen Kalkulation der Aufträge seinen Betrieb gefährdet gesehen und ihn - den Kläger - aus dem Weg räumen wollen. Er selbst habe keinen bestimmenden Einfluss auf die Vergabe von Aufträgen durch die Beklagte gehabt. Sollte je ein dringender Tatverdacht bestanden haben sei dieser mit der am 3. März 2010 - unstreitig - erfolgten Aufhebung des Haftbefehls entfallen. Die Erhebung der öffentlichen Klage vom 8. April 2010 und die anschließende Eröffnung des Hauptverfahrens ließen keine andere Bewertung zu. Diese Entscheidungen erforderten nur ein geringeres Maß an Tatverdacht. Eine im Verlauf des Rechtsstreits von der Beklagten veranlasste Innenrevision habe keine Unregelmäßigkeiten ergeben. Die Beklagte habe ihn vor der Kündigung nicht ausreichend angehört. Die Äußerungsfrist sei zu kurz gewesen und habe ihm keine substantiierte Stellungnahme ermöglicht. Mangels konkreter Vorgaben habe er nicht erkennen können, zu welchen Sachverhalten und/oder Tatsachen er sich habe äußern sollen. Die Beklagte habe es versäumt, auf ihre Kündigungsabsicht hinzuweisen.

11

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 12. Februar 2009 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Februar 2009 nicht aufgelöst worden ist und weiter fortbesteht.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, ein wichtiger Grund zur Kündigung liege vor, zumindest sei die ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt. Der Kläger sei einer Bestechlichkeit und der versuchten Erpressung verdächtig. Grundlage hierfür seien die im Durchsuchungsbeschluss festgehaltenen Ermittlungsergebnisse. Soweit diese auf Aussagen des Geschäftsführers der GmbH beruhten, habe sie keinen Anlass gehabt, an dessen Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Auch die Strafverfolgungsbehörden hätten offenkundig einen dringenden Tatverdacht angenommen, da ein Haftbefehl nur unter dieser Voraussetzung habe erlassen werden dürfen. Deren Erkenntnisse und Bewertungen mache sie sich zu eigen. Der Kläger habe an der Aufklärung des Sachverhalts nicht nach Kräften mitgewirkt. Weitere Ermittlungen habe sie weder anstellen müssen, noch sei sie dazu nach Beschlagnahme ihrer Geschäftsunterlagen in der Lage gewesen. Soweit der Kläger wegen der Ferienwohnung am Gardasee darauf verwiesen habe, vom 6. bis 13. September 2008 andernorts in Italien eine Unterkunft gebucht zu haben, sei dies angesichts des bis zum 26. September 2008 bewilligten Urlaubs nicht geeignet, den Vorwurf der Bestechlichkeit zu entkräften. Ebenso wenig komme es darauf an, ob der Kläger die Unterkunft tatsächlich genutzt habe. Entscheidend sei, dass er sich den Vorteil habe versprechen lassen.

13

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Die außerordentliche Kündigung vom 12. Februar 2009 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Damit bleibt auch die Klage gegen die ordentliche Kündigung erfolglos.

15

I. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

16

1. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr., BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 16, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155).

17

2. Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden ggf. zu beweisende - Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 27, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67). Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus (BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 30, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 79 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 3). Schließlich muss der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - Rn. 28, aaO). Der Umfang der Nachforschungspflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/10 - aaO; 10. Februar 2005 - 2 AZR 189/04 - aaO).

18

3. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 17, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 30, BAGE 134, 349). Auch der dringende Verdacht einer nicht strafbaren, gleichwohl erheblichen Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein(BAG 25. November 2010 - 2 AZR 801/09 - Rn. 17, aaO).

19

II. Danach liegt „an sich“ ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vor.

20

1. Wer als Arbeitnehmer bei der Ausführung von vertraglichen Aufgaben Vorteile für sich fordert, sich versprechen lässt oder entgegen nimmt, verletzt zugleich - unabhängig von einer möglichen Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 1 StGB oder - als Beschäftigter im öffentlichen Dienst - wegen Vorteilsannahme nach § 331 Abs. 1 StGB bzw. Bestechlichkeit nach § 332 Abs. 1 StGB - seine Pflicht, auf die berechtigten Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen(§ 241 Abs. 2 BGB). Ein solches Verhalten ist „an sich“ geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob es zu einer den Arbeitgeber schädigenden Handlung gekommen ist. Der ins Auge gefasste Vorteil begründet vielmehr allgemein die Gefahr, der Annehmende werde nicht mehr allein die Interessen des Geschäftsherrn wahrnehmen. Der wichtige Grund liegt in der zu Tage getretenen Einstellung des Arbeitnehmers, bei der Erfüllung von arbeitsvertraglich geschuldeten Aufgaben unberechtigte eigene Vorteile wahrzunehmen. Durch sein Verhalten zerstört der Arbeitnehmer regelmäßig das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und Redlichkeit (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 2 a der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1; 21. Juni 2001 - 2 AZR 30/00 - zu B III 2 a der Gründe, EzA BGB § 626 Unkündbarkeit Nr. 7). Auch der dringende Verdacht einer derartigen Pflichtverletzung kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen (BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 2 b der Gründe, aaO).

21

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei im Kündigungszeitpunkt einer in diesem Sinne schwerwiegenden Pflichtverletzung dringend verdächtig gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

22

a) Die Beklagte hat sich für den Verdacht auf den im Durchsuchungsbeschluss vom 21. November 2008 wiedergegebenen Sachverhalt berufen. Danach soll der Kläger - zusammengefasst - den Geschäftsführer der GmbH Mitte Februar 2008 aufgefordert haben, ihm eine Gegenleistung iHv. 10 vH des Werts des Auftrags betreffend die Brandschutzklappensanierung dafür zu gewähren, dass er sich in besonderer Weise für die Vergabe von Aufträgen an die GmbH einsetze. Nachdem der Geschäftsführer ihm in einem Telefonat vom 10. März 2008 mitgeteilt habe, er werde den geforderten Betrag nicht zahlen, soll der Kläger ihn gefragt haben, ob er sich diese Weigerung auch gut überlegt habe; diese Haltung könne Konsequenzen nach sich ziehen. Die Äußerungen soll der Kläger am 5. August 2008 anlässlich einer Besprechung in der Räumlichkeiten der Bu sinngemäß wiederholt und nachfolgend das Angebot des Geschäftsführers, ihm eine Ferienwohnung am Gardasee zur Verfügung zu stellen, angenommen haben.

23

b) Mit der Bezugnahme auf diese Sachverhaltsdarstellung hat die Beklagte hinreichend objektive Tatsachen aufgezeigt, die den Verdacht begründen, der Kläger habe sich in Bezug auf seine Berufstätigkeit Geld bzw. geldwerte Vorteile von einem Vertragspartner der Beklagten versprechen lassen und diesen zu dem Versprechen durch das Inaussichtstellen eines möglichen Auftragsverlusts genötigt. Die Beklagte beruft sich dazu nicht auf bloße Mutmaßungen oder Spekulationen, sondern auf einen greifbaren, durch die Strafverfolgungsbehörden ermittelten und in dem Durchsuchungsbeschluss über mehrere Seiten hinweg hinsichtlich Tatzeit und Tatgeschehen detailliert beschriebenen Sachverhalt. Dass dieser Sachverhalt im Wesentlichen auf den Angaben des im Ermittlungsverfahren mitbeschuldigten Geschäftsführers der GmbH über den Inhalt mit dem Kläger geführter Vieraugengespräche beruht und mit dessen Aussage „steht und fällt“, steht dem Umstand, dass es sich dabei um objektive Verdachtstatsachen handelt, nicht entgegen. Die Beklagte hatte keinen durchgreifenden Anlass, die Glaubhaftigkeit der Angaben des Geschäftsführers in Zweifel zu ziehen. Auch wenn diesem - wie der Kläger im Verlauf des Kündigungsrechtsstreits behauptet hat - Straffreiheit zugesagt worden sein sollte, ist nicht erkennbar - und ist es fernliegend -, dass sich diese Zusage auch auf den Straftatbestand der falschen Verdächtigung (§ 164 StGB) bezöge. Möglichen Unsicherheiten in Bezug auf die Beweisführung hat die Beklagte dadurch Rechnung getragen, dass sie die Kündigung auf den Verdacht und nicht auf die Erwiesenheit einer Tat stützt.

24

c) Demgegenüber bringt der Kläger lediglich vor, das Landesarbeitsgericht sei zu Unrecht von der Dringlichkeit des Verdachts ausgegangen. Insbesondere habe es verkannt, dass sich die Beklagte hierfür nicht auf den gegen ihn erlassenen Haftbefehl habe berufen dürfen. Damit hat der Kläger die den Verdacht begründenden Tatsachen nicht entkräftet.

25

aa) Im Strafverfahren gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme verstärken, der Arbeitnehmer habe die Pflichtverletzung begangen (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 17, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 49 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 25, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 711). Derartige Umstände können nicht nur bei der Frage Bedeutung gewinnen, zu welchem Zeitpunkt eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden soll, und deshalb für die Einhaltung der Zweiwochenfrist von Bedeutung sein (BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 17, aaO). Sie können auch den Kündigungsgrund selbst unterstützen, sofern es um Handlungen oder Anordnungen der Ermittlungsbehörden geht, die ihrerseits einen dringenden Tatverdacht voraussetzen (vgl. BAG 29. November 2007 - 2 AZR 724/06 - Rn. 38, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 5). Das trifft auf den in Rede stehenden Haftbefehl grundsätzlich zu. Nach § 112 Abs. 1 iVm. § 114 StPO darf Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten nur angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und - kumulativ - ein Haftgrund besteht. Hinzu kommt, dass die Staatsanwaltschaft der materiellen Wahrheit verpflichtet ist und deshalb nach § 160 Abs. 2 StPO auch den Beschuldigten entlastende Umstände zu ermitteln und bei ihrem Vorgehen zu berücksichtigen hat(Löwe/Rosenberg/Erb StPO § 160 Rn. 47 mwN). Gleiches gilt für den Ermittlungsrichter, der über die Anordnung von Untersuchungshaft entscheidet.

26

bb) Allerdings wird die Verdachtskündigung nicht allein auf eine den dringenden Tatverdacht bejahende Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden als solche gestützt werden können. Bei der Kündigung wegen erwiesener Tat reicht eine strafgerichtliche Verurteilung für sich genommen nicht aus, die Kündigung zu rechtfertigen. Vielmehr sind die Arbeitsgerichte gehalten, den Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess ohne Bindung an das Strafurteil selbst aufzuklären und zu bewerten (BAG 18. November 1999 - 2 AZR 852/98 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 93, 12; 26. März 1992 - 2 AZR 519/91 - zu B II 4 und III 3 b, dd der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 23 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4). Für die Verdachtskündigung wird nichts anderes gelten können. Dies hat zur Folge, dass Handlungen oder Entscheidungen der Strafverfolgungsbehörden allenfalls indizielle Bedeutung für die vom Gericht vorzunehmende Bewertung erlangen können, ob die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund wegen des entsprechenden Verdachts gerechtfertigt ist. Die behördlichen Maßnahmen bilden dagegen für sich genommen keinen Kündigungsgrund und sind nicht geeignet, eine eigene Bewertung der den Verdacht begründenden Tatsachen durch die mit der Sache befassten Gerichte zu ersetzen. Im Ergebnis kommt es hierauf nicht an.

27

(1) Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Beklagte habe im Kündigungszeitpunkt davon ausgehen dürfen, der Kläger sei der ihm vorgeworfenen Taten dringend verdächtig, nicht mit dem Haftbefehl als solchem begründet. Es hat vielmehr angenommen, die Beklagte habe sich auf der Grundlage bekannter Verdachtstatsachen die Einschätzung der Ermittlungsbehörden zur Dringlichkeit des Verdachts zu eigen gemacht.

28

(2) Daran anknüpfend hat es weiter geprüft, ob sich der Verdacht aufgrund des Parteivorbringens im vorliegenden Verfahren als weniger intensiv darstellt. Seine Auffassung, dies sei nicht der Fall, hat es im Wesentlichen damit begründet, Manipulationen bei der Preisgestaltung seien den Umständen nach nicht auszuschließen. Das gelte auch dann, wenn das zweite Angebot der GmbH vom 11. März 2008 - wie vom Kläger behauptet - auf der Grundlage des Leistungsverzeichnisses des hinzugezogenen Ingenieurbüros erfolgt sei. Dieser Umstand entlaste den Kläger nicht, weil schon der Umfang der auf 38 Seiten zusammengestellten Angebotspositionen die Chance erhöhe, dass unbemerkt einzelne preisrelevante Posten höher als erforderlich kalkuliert würden. Außerdem sei eine mögliche Preismanipulation durch die später, allerdings erst auf Initiative des Servicezentrums der Beklagten tatsächlich erreichte deutliche Reduzierung des Angebotspreises indiziert.

29

(a) Diese Würdigung ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - EzA AGG § 22 Nr. 3; 7. November 2002 - 2 AZR 599/01 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 40 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 50; 1. Oktober 1997 - 5 AZR 685/96 - BAGE 86, 347 mwN). Einen derartigen Rechtsfehler zeigt der Kläger nicht auf.

30

(b) Die Wertung des Landesarbeitsgerichts ist grundsätzlich möglich. Das gilt umso mehr, als der Kläger keinen Grund dafür benannt hat, warum er als zuständiger Sachbearbeiter das Angebot an das Servicezentrum der Beklagten in F weitergeleitet hat, ohne auf die vom Ingenieurbüro beanstandeten Punkte einzugehen. Selbst wenn er sich damit im Rahmen bestehender Richtlinien bewegt haben sollte, fügt sich sein Vorgehen immerhin in das „Bild“ der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen. Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe in Erwägung ziehen müssen, dass vereinzelt falsche Mengen zu dem überhöhten Angebotspreis vom 11. März 2008 geführt hätten, ist unbegründet. Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils hat das Ingenieurbüro eine Nachverhandlung des betreffenden Angebots wegen zu hoher Zeitansätze und Einheitspreise vorgeschlagen. Daran knüpfen die Ausführungen des Gerichts an. Das Landesarbeitsgericht hat dabei nicht den Vortrag des Klägers übergangen, er habe auf die Auftragsvergabe keinen bestimmenden Einfluss nehmen können. Es hat das Vorbringen im Tatbestand seines Urteils erwähnt und im Rahmen seiner rechtlichen Ausführungen (unter II 1.2.1.2 der Entscheidungsgründe) gewürdigt. Dass es darin keinen Umstand erblickt hat, der die Intensität des Verdachts hätte vermindern können, begründet keinen Rechtsfehler im aufgezeigten Sinne. Im Übrigen schließt das Fehlen einer Möglichkeit zur internen Einflussnahme nicht aus, dass sich der Arbeitnehmer nach außen einer solchen berühmt. Soweit der Kläger gemeint hat, die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts seien „lebensfremd“, setzt er seine eigene Bewertung der Abläufe an die Stelle derjenigen des Landesarbeitsgerichts. Das macht dessen Würdigung nicht rechtsfehlerhaft.

31

d) Die Beklagte hat ihre Verpflichtung nicht verletzt, den Verdacht so weit wie möglich aufzuklären. Insbesondere hat sie den Kläger vor der Kündigung ordnungsgemäß angehört.

32

aa) Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung. Bei dieser besteht in besonderem Maße die Gefahr, dass der Arbeitnehmer zu Unrecht beschuldigt wird. Dessen Anhörung ist deshalb ein Gebot der Verhältnismäßigkeit. Unterbliebe sie, wäre die Kündigung nicht „ultima ratio“ (BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 51, BAGE 131, 155; 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 14 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6).

33

bb) Der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Verfehlung kann nur dann für den Ausspruch einer Kündigung genügen, wenn es weder gelungen ist, ihn auszuräumen, noch gelungen ist, die erhobenen Vorwürfe auf eine sichere Grundlage zu stellen (BAG 28. November 2007 - 5 AZR 952/06 - Rn. 19, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4). Die Anhörung des Arbeitnehmers ist deshalb ein stets gebotenes Mittel der Sachverhaltsaufklärung. Ihr Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Einerseits muss sie nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden(BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 15, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6; 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 1 b bb der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1). Andererseits reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss sich auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Um dieser Aufklärung willen wird dem Arbeitgeber die Anhörung abverlangt. Sie ist nicht etwa dazu bestimmt, als verfahrensrechtliche Erschwernis die Aufklärung zu verzögern und die Wahrheit zu verdunkeln (BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - aaO).

34

cc) Diesen Anforderungen wird die Anhörung des Klägers gerecht. Die Beklagte hat ihm die konkreten Vorwürfe bekannt gemacht und hinreichend Zeit für eine Stellungnahme eingeräumt. Eines ausdrücklichen Hinweises auf eine bestehende Kündigungsabsicht bedurfte es nicht.

35

(1) Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 5. und 6. Februar 2009 mit dem gegen ihn gehegten Verdacht konfrontiert. Aufgrund der Mitteilungen im ersten Schreiben wusste der Kläger, dass es im Kern um zwei Sachverhalte geht. Die Darstellung der Vorwürfe war ausreichend. Der Kläger konnte angesichts des dem Schreiben vom 6. Februar 2009 beigefügten Durchsuchungsbeschlusses und der dort enthaltenen ausführlichen Darstellung des maßgebenden Sachverhalts in räumlicher und zeitlicher Hinsicht nicht im Unklaren sein, über welchen Kenntnisstand die Beklagte verfügte und auf welche Umstände sie den Verdacht stützte. Einen Katalog von Fragen - wie vom Kläger erbeten - brauchte die Beklagte nicht zu formulieren. Zweck der Anhörung ist die Aufklärung des belastenden Sachverhalts in seiner Gänze, und zwar auch in Richtung auf eine mögliche Entlastung. Der Arbeitnehmer soll Gelegenheit erhalten, sich möglichst unbefangen mit den Vorwürfen des Arbeitgebers auseinanderzusetzen, weil möglicherweise schon seine spontane Reaktion zu einer Entlastung führt (Ebeling Die Kündigung wegen Verdachts S. 167). Diesem Zweck liefe die Formulierung konkreter Fragen zuwider.

36

(2) Die dem Kläger im zweiten Schreiben eingeräumte Frist zur Stellungnahme „bis Dienstschluss“ am Montag, dem 9. Februar 2009, war zwar knapp bemessen. Der Kläger hat aber weder dargelegt, dass und ggf. warum ihm tatsächlich eine sachangemessene Äußerung binnen der Frist nicht zumutbar war, noch sind solche Umstände objektiv erkennbar. Das gilt umso mehr, als die ihm eingeräumte Möglichkeit zur schriftlichen Äußerung seinem Wunsch entsprach und die - allemal rechtzeitige - Einladung der Beklagten zu dem Gesprächstermin am 9. Februar 2009 nicht aufhob. Soweit mit Blick auf die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB für Aufklärungsbemühungen des Arbeitgebers im Wege der Anhörung des Arbeitnehmers in der Regel eine Frist von einer Woche zu veranschlagen ist(BAG 27. Januar 2011 - 2 AZR 825/09 - Rn. 22, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 49 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10), folgt daraus nicht, dass dem Arbeitnehmer stets eine entsprechend lange Frist zur Stellungnahme einzuräumen wäre. Das gilt auch angesichts der dem Arbeitnehmer grundsätzlich zuzugestehenden Möglichkeit, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen (vgl. insoweit BAG 13. März 2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6). Im Übrigen hat der Kläger in seinem Schreiben vom 9. Februar 2009 Stellung genommen, ohne um eine Verlängerung der Frist nachzusuchen. Daraus durfte die Beklagte folgern, es habe sich um eine abschließende Äußerung gehandelt. Dass sich der Kläger vorbehalten hat, nach Einsicht in die Ermittlungsakten zu einzelnen Punkten weiter Stellung zu beziehen, steht dem nicht entgegen. Der Kläger hat nicht begründet, warum er sich zu welchen Gesichtspunkten nicht abschließend hat erklären können oder wollen. Dessen hätte es aber bedurft, da sich die Verdachtstatsachen auf Gegenstände seiner eigenen Wahrnehmung bezogen und er keinen Anlass haben konnte anzunehmen, die Beklagte verfüge über bessere Erkenntnisse als er selbst (ähnlich BAG 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - zu B I 1 c der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1).

37

(3) Für die ordnungsgemäße Anhörung kommt es nicht darauf an, ob mit der Angabe „Dienstschluss“ das Ende der dem Kläger eingeräumten Frist hinreichend bestimmt bezeichnet worden ist. Die Beklagte hat sich gegenüber den Erklärungen im Schreiben vom 9. Februar 2009 nicht auf Verspätung berufen. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte ihr Anhörungsschreiben nicht mehr an ihn persönlich, sondern an seinen bereits umfassend beauftragten Rechtsanwalt habe übermitteln müssen, ist vor diesem Hintergrund nicht verständlich.

38

(4) Die Anhörung ist auch nicht deshalb unzureichend, weil die Beklagte den Kläger nicht ausdrücklich auf eine bestehende Kündigungsabsicht für den Fall hingewiesen hat, dass sich die Vorwürfe nicht ausräumen ließen. Es ist bereits fraglich, ob den Arbeitgeber eine solche Verpflichtung trifft (bejahend Fischer BB 2003, 522, 523; Seeling/Zwickel MDR 2008, 1022). In jedem Fall bleibt die Nichterteilung eines Hinweises auf eine mögliche Kündigung dann folgenlos, wenn für den Arbeitnehmer die Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses erkennbar war. So liegt es hier. Die Beklagte hat den Kläger mit dem Schreiben vom 5. Februar 2009 mit sofortiger Wirkung von der Arbeitsleistung frei gestellt. Sie hat mitgeteilt, aufgrund des Verdachts und der Schwere der ihm zugrunde liegenden Tat sei ihr seine Weiterbeschäftigung unzumutbar. Unter diesen Umständen musste dem Kläger klar sein, dass der Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses aus Sicht der Beklagten ganz wesentlich von seiner Stellungnahme abhing.

39

dd) Die Beklagte hat nicht andere Erkenntnismöglichkeiten ungenutzt gelassen, insbesondere nur unzureichende eigene Ermittlungen angestellt. Anhaltspunkte für weitere Aufklärungsbemühungen konnten sich angesichts der Beschlagnahme relevanter Geschäftsunterlagen nur aus der Stellungnahme des Klägers ergeben. Dieser hat sich darauf beschränkt, den Verdacht pauschal von sich zu weisen. Er hat sich mit den im Durchsuchungsbeschluss einzeln aufgeführten Gesprächen weder auseinandergesetzt, noch ihnen substantiierten Vortrag entgegengehalten. Ohne eine detaillierte Erwiderung hatte die Beklagte keinen Anlass, etwa den Geschäftsführer der GmbH selbst zu befragen. Mit Blick auf das Angebot einer Ferienwohnung am Gardasee ist die Beklagte den Angaben des Klägers zur Buchung einer angeblich zeitgleichen Urlaubsreise an die Adria nachgegangen - mit dem Ergebnis, dass dieser Umstand in Anbetracht der Dauer des dem Kläger bewilligten Urlaubs nacheinander liegende Aufenthalte an beiden Orten nicht ausschloss.

40

3. Der Verdacht besteht weiterhin. Er wurde im Verlauf des Rechtsstreits weder entkräftet, noch sind Umstände eingetreten, die zu seiner Abschwächung geführt hätten.

41

a) Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Verdachtskündigung ist zu berücksichtigen, dass der ursprüngliche Verdacht durch später bekannt gewordene Umstände, jedenfalls soweit sie bei Kündigungszugang objektiv bereits vorlagen, abgeschwächt oder verstärkt werden kann (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 28, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67; 6. November 2003 - 2 AZR 631/02 - zu B II 1 c der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 39 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2). Eine Differenzierung danach, ob der Arbeitgeber objektiv die Möglichkeit hatte, von den betreffenden Tatsachen bis zum Kündigungsausspruch Kenntnis zu erlangen, ist nicht gerechtfertigt.

42

b) Demgegenüber hält das Landesarbeitsgericht nur solche Tatsachen für berücksichtigungsfähig, die der Arbeitgeber bei Anwendung gebotener und zumutbarer Sorgfalt hätte erkennen können. Dies überzeugt nicht. Hat der Arbeitgeber entlastende Umstände deshalb nicht erkannt, weil er den Sachverhalt nicht sorgfältig genug aufgeklärt hat, ist die Verdachtskündigung regelmäßig schon aus diesem Grund unwirksam. Dass zugunsten des Arbeitnehmers darüber hinaus Tatsachen berücksichtigungsfähig sind, die der Arbeitgeber selbst nach zumutbaren Aufklärungsbemühungen noch nicht hat kennen können, trägt der Besonderheit Rechnung, dass im Rahmen der Verdachtskündigung nicht der volle Nachweis einer Pflichtverletzung verlangt wird. Blieben den Arbeitnehmer entlastende Tatsachen, die erst im Prozess zutage getreten sind, außer Betracht, hätte der Arbeitgeber ein sehr geringes Prozessrisiko. Er müsste nur nachweisen, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein dringender Tatverdacht bestand. Das würde der bei der Verdachtskündigung bestehenden Gefahr, einen Unschuldigen zu treffen, nicht gerecht (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 587/08 - Rn. 28, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 67). Die Gefahr würde vielmehr „sehenden Auges“ vergrößert. Ihr erst mit einem möglichen Wiedereinstellungsanspruch zu begegnen, würde der Sach- und Interessenlage nicht gerecht.

43

c) Der Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts wirkt sich im Ergebnis nicht aus (§ 561 ZPO).

44

aa) Der Kläger hat dem Vorbringen der Beklagten zum Inhalt der Gespräche mit dem Geschäftsführer der GmbH keinen anderen, im Einzelnen dargelegten Gesprächsverlauf entgegengesetzt. Er hat sich auf ein einfaches Bestreiten beschränkt und lediglich behauptet, die eine oder andere Äußerung sei so nicht gefallen. Dabei ist er auch dann noch geblieben, als die Beklagte vorgetragen hatte, sie habe mittlerweile Einsicht in die beschlagnahmten Unterlagen nehmen können und diese ausgewertet, zudem habe sie den Geschäftsführer der GmbH befragt, der seine frühere Aussage bekräftigt habe. Spätestens angesichts dieses Vorbringens hätte der Kläger dem von der Beklagten behaupteten Inhalt und Verlauf der Gespräche mit dem Geschäftsführer der GmbH substantiiert entgegentreten müssen. Das hat er unterlassen. Damit hat er seiner Erklärungspflicht nach § 138 Abs. 1, Abs. 2 ZPO nicht genügt. Das gilt gleichermaßen für die bruchstückhafte Einlassung zum Komplex „Ferienwohnung“. Sie fügt sich ohne Weiteres in die von der Beklagten behaupteten Verdachtstatsachen ein und vermag diese gerade nicht zu entkräften. Der Kläger hat eine vollständige Darstellung des tatsächlichen, aus seiner Sicht wahrhaftigen Geschehensablaufs auch insoweit unterlassen. Auf eine Einschränkung seiner prozessualen Wahrheitspflicht wegen des laufenden Strafverfahrens hat er sich nicht berufen. Es kann deshalb offenbleiben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein solcher Einwand mit Blick auf die Besonderheiten der Verdachtskündigung beachtlich gewesen wäre.

45

bb) Die Aufhebung des Haftbefehls entlastet den Kläger nicht. Aus ihr folgt - unbeschadet der Frage, inwieweit dies dem Kläger zugute kommen könnte - nicht, die Strafverfolgungsbehörden hätten einen dringenden Tatverdacht zuletzt nicht mehr bejaht. Sie kann ebenso gut darauf zurückzuführen sein, dass der Sachverhalt aus Sicht der zuständigen Stellen ausermittelt war und etwa der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nicht mehr vorlag. Die Annahme, dass nicht etwa der Wegfall eines dringenden Tatverdachts zur Aufhebung des Haftbefehls geführt hat, liegt deshalb nahe, weil er zu diesem Zeitpunkt schon über ein Jahr bestand. Zumindest hatte der Kläger aufgrund seiner Sachnähe Anlass, sich zum Grund der Aufhebung zu erklären. Das hat er versäumt. Ebenso wenig wird der Verdacht dadurch entkräftet, dass bei einer von der Beklagten durchgeführten Innenrevision kein weiteres den Kläger belastendes Material aufgefunden wurde.

46

III. Die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts ist unter Beachtung eines ihm zukommenden Beurteilungsspielraums (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 33, BAGE 134, 349; 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5) revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es hat alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen. Danach konnte es ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangen, der Beklagten sei in Anbetracht der Schwere der Pflichtverletzung, derer der Kläger verdächtig war, ein Festhalten am Arbeitsverhältnis selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen.

47

IV. Die Kündigungserklärungsfrist (§ 626 Abs. 2 BGB)ist gewahrt. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind die den Verdacht begründenden Tatsachen der Beklagten erstmals am 4. Februar 2009 bekannt geworden. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 13. Februar 2009 zu.

48

V. Das Landesarbeitsgericht hat nicht näher geprüft, ob die Kündigung an einer fehlerhaften Beteiligung des Personalrats oder des Gesamtpersonalrats scheitert. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe zuletzt eine fehlerhafte Beteiligung nicht mehr behauptet. Dagegen wendet sich die Revision nicht. Ein Rechtsfehler liegt auch objektiv nicht vor.

49

1. Allerdings entbindet der Umstand, dass ein Arbeitnehmer, der die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats bzw. Gesamtpersonalrats gerügt hat, den Ausführungen des Arbeitgebers nicht weiter entgegen tritt, das mit der Sache befasste Gerichte nicht von der Verpflichtung, den Arbeitgebervortrag auf seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen. Hinsichtlich des Vorbringens zur ordnungsgemäßen Beteiligung des zuständigen Personalrats gilt - wie für die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG - eine abgestufte Darlegungslast(BAG 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 3 a der Gründe, AP LPVG Niedersachsen § 28 Nr. 1 = EzA BGB § 626 Krankheit Nr. 4). Hat der Arbeitnehmer die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats bestritten, muss der Arbeitgeber im Detail darlegen, ob und ggf. wie das Verfahren durchgeführt worden ist. Erst wenn er dem nachgekommen ist und eine ordnungsgemäße Beteiligung des zuständigen Personalrats schlüssig aufgezeigt hat, kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer diesem Vorbringen iSv. § 138 Abs. 2 ZPO ausreichend entgegengetreten ist, insbesondere deutlich gemacht hat, welche Angaben des Arbeitgebers er weiterhin(mit Nichtwissen, § 138 Abs. 4 ZPO) bestreitet (BAG 23. Juni 2005 - 2 AZR 193/04 - zu II 1 b der Gründe, AP ZPO § 138 Nr. 11 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 12; 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - aaO; 16. März 2000 - 2 AZR 75/99 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 114 = EzA BGB § 626 nF Nr. 179).

50

2. Einer Schlüssigkeitsprüfung im dargestellten Sinne bedarf es nur dann nicht, wenn der Arbeitnehmer auf die Ausführungen des Arbeitgebers zur Personalratsbeteiligung zweifelsfrei zu erkennen gibt, dass er an der betreffenden Rüge als solcher nicht länger festhält. Mit seinem Vorbringen, es fehle an einer ordnungsgemäßen Beteiligung der zuständigen Arbeitnehmervertretung, beruft sich der Arbeitnehmer auf einen „anderen“ Unwirksamkeitsgrund iSd. § 4 Satz 1, § 6 KSchG(BAG 18. Januar 2012 - 6 AZR 407/10 - Rn. 12, EzA KSchG § 6 Nr. 4). Die Rüge, die Kündigung sei noch aus einem anderen Grund als dem der Sozialwidrigkeit unwirksam, führt zwar nicht zu einem Wechsel des Streitgegenstands, sondern nur zu einer Erweiterung des Sachvortrags im Kündigungsschutzprozess. Die Regelung des § 6 KSchG ist aber Beleg dafür, dass der Arbeitnehmer über die Einführung der Unwirksamkeitsgründe frei entscheiden und den Prozessstoff insoweit von vorneherein begrenzen oder in den zeitlichen Grenzen des § 6 Satz 1 KSchG erweitern kann. Die gerichtliche Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung hat nur im Rahmen der iSv. § 4 Satz 1 iVm. § 6 Satz 1 KSchG rechtzeitig angebrachten Unwirksamkeitsgründe zu erfolgen. Für die außerordentliche Kündigung gilt über § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG Entsprechendes. Unterliegt es deshalb in diesem rechtlichen Rahmen der Disposition des Arbeitnehmers, den Umfang der gerichtlichen Überprüfung einer Kündigung zu bestimmen, ist regelmäßig davon auszugehen, dass sich der Prozessstoff entsprechend reduziert, falls der Arbeitnehmer im Verlauf des Rechtsstreits zweifelsfrei zu erkennen gibt, sich auf bestimmte, rechtlich eigenständige Unwirksamkeitsgründe nicht mehr berufen zu wollen. Eine solche die Gerichte bindende Beschränkung des Sachvortrags ist grundsätzlich noch in zweiter Instanz möglich. Die Regelung des § 6 Satz 1 KSchG dient der Konzentration des Kündigungsschutzprozesses und in diesem Zusammenhang auch dem Schutz des Arbeitgebers. Dieser soll sich nicht erstmals in zweiter Instanz auf einen bis dahin in das gerichtliche Verfahren nicht eingeführten „anderen“ Unwirksamkeitsgrund einlassen und dementsprechend langfristig entsprechende Beweise sichern müssen. Diesem Zweck widerspricht es nicht, dem Arbeitnehmer die Befugnis einzuräumen, die Unwirksamkeitsrüge bezogen auf einen bestimmten Unwirksamkeitsgrund selbst im fortgeschrittenen Verfahrensstadium wieder fallen zu lassen.

51

3. So liegt es hier. Einer Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung mit Blick auf die (Gesamt-)Personalratsbeteiligung bedurfte es nicht. Das Landesarbeitsgericht hat im Tatbestand des Berufungsurteils festgestellt, der Kläger erhebe die betreffende Rüge nicht mehr. Tatbestandsberichtigung hat der Kläger nicht beantragt.

52

VI. Da die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang am 13. Februar 2009 beendet hat, bleibt die Klage gegen die ordentliche Kündigung zum 30. Juni 2009 schon deshalb ohne Erfolg.

53

VII. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Koch    

        

    Berger    

        

        

        

    Gans    

        

    F. Löllgen    

                 

(1) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn

1.
der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht,
2.
die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern,
3.
der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird,
4.
die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt,
5.
die Befristung zur Erprobung erfolgt,
6.
in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen,
7.
der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder
8.
die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.

(2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.

(2a) In den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von vier Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von vier Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Dies gilt nicht für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen. Maßgebend für den Zeitpunkt der Gründung des Unternehmens ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, die nach § 138 der Abgabenordnung der Gemeinde oder dem Finanzamt mitzuteilen ist. Auf die Befristung eines Arbeitsvertrages nach Satz 1 findet Absatz 2 Satz 2 bis 4 entsprechende Anwendung.

(3) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne des § 138 Absatz 1 Nummer 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch gewesen ist, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch teilgenommen hat. Bis zu der Gesamtdauer von fünf Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung des Arbeitsvertrages zulässig.

(4) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn

1.
der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht,
2.
die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern,
3.
der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird,
4.
die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt,
5.
die Befristung zur Erprobung erfolgt,
6.
in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen,
7.
der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder
8.
die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.

(2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.

(2a) In den ersten vier Jahren nach der Gründung eines Unternehmens ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von vier Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von vier Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Dies gilt nicht für Neugründungen im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen. Maßgebend für den Zeitpunkt der Gründung des Unternehmens ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, die nach § 138 der Abgabenordnung der Gemeinde oder dem Finanzamt mitzuteilen ist. Auf die Befristung eines Arbeitsvertrages nach Satz 1 findet Absatz 2 Satz 2 bis 4 entsprechende Anwendung.

(3) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne des § 138 Absatz 1 Nummer 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch gewesen ist, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch teilgenommen hat. Bis zu der Gesamtdauer von fünf Jahren ist auch die mehrfache Verlängerung des Arbeitsvertrages zulässig.

(4) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 14. August 2012 - 14 Sa 53/12 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.

2

Der Kläger wurde von der beklagten Stadt in der Zeit vom 1. November 1998 bis zum 31. August 2013 aufgrund von zehn befristeten Arbeitsverträgen als stellvertretender Leiter der Küche des städtischen Alten- und Pflegeheims beschäftigt. In der Küche waren 5,2 Vollzeitkräfte beschäftigt; andere Küchen betrieb die Beklagte nicht. Der Kläger vertrat jeweils die stellvertretende Küchenleiterin S, die in dieser Zeit infolge der Geburt von drei Kindern wegen schwangerschaftsbedingter Erkrankung, Mutterschutz, Erziehungsurlaubs bzw. Elternzeit und Sonderurlaubs ausfiel. Die Laufzeiten der mit dem Kläger abgeschlossenen befristeten Verträge entsprachen der jeweils zu prognostizierenden Arbeitsverhinderung bzw. der bewilligten Freistellung von Frau S. Der letzte Arbeitsvertrag vom 4. Mai 2011 war für die Zeit vom 1. September 2011 bis zum 31. August 2013 abgeschlossen. Vor dem Abschluss dieses Arbeitsvertrags hatte die Beklagte Frau S unter Bezugnahme auf § 28 TVöD antragsgemäß Sonderurlaub zur Betreuung ihrer drei Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren für die Zeit vom 1. September 2011 bis zum 31. August 2013 gewährt.

3

Mit der am 1. Dezember 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 7. Dezember 2011 zugestellten Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, die Befristung sei unwirksam. Sie sei nicht durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt. Bei Abschluss des letzten befristeten Arbeitsvertrags habe die Beklagte nicht mehr mit der Rückkehr von Frau S an ihren Arbeitsplatz rechnen können. Die Befristung sei zudem rechtsmissbräuchlich. Frau S habe kein Anspruch auf Gewährung von Sonderurlaub zugestanden. Außerdem habe die Beklagte nicht geprüft, ob Frau S nach einer etwaigen Rückkehr auf einem anderen Arbeitsplatz eingesetzt werden könne.

4

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten nicht aufgrund der Befristung zum 31. August 2013 beendet ist, sondern als unbefristetes Arbeitsverhältnis über die Befristung hinaus fortbesteht,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den Ablauf der Befristung hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.

5

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Befristung sei sachlich gerechtfertigt. Sie habe davon ausgehen müssen, dass Frau S nach Ablauf des Sonderurlaubs ihre Arbeit wieder aufnehmen werde. Die Befristung sei nicht rechtsmissbräuchlich, da für den Kläger nur ein vorübergehender Beschäftigungsbedarf bestanden habe.

6

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aufgrund der Befristung am 31. August 2013 geendet. Der als Hilfsantrag zu verstehende Weiterbeschäftigungsantrag fällt damit nicht zur Entscheidung an.

8

I. Der als Befristungskontrollantrag auszulegende, zulässige Klageantrag zu 1. ist unbegründet.

9

1. Der Antrag zu 1. ist zulässig.

10

a) Der Feststellungsantrag ist als Befristungskontrollantrag nach § 17 Satz 1 TzBfG zu verstehen. Der Kläger macht geltend, die Befristung seines Arbeitsverhältnisses sei unwirksam. Aus der Datumsangabe „31. August 2013“ ergibt sich, dass der Kläger sich allein gegen die zuletzt mit Arbeitsvertrag vom 4. Mai 2011 vereinbarte Befristung zum 31. August 2013 wendet.

11

Soweit der Kläger nach dem Antragswortlaut die Feststellung begehrt, dass sein Arbeitsverhältnis „als unbefristetes Arbeitsverhältnis über die Befristung hinaus fortbesteht“, handelt es sich nicht um eine allgemeine Feststellungklage iSv. § 256 ZPO, die eines besonderen Feststellungsinteresses bedürfte. Vielmehr ergibt die Auslegung des Klageantrags, dass der Kläger kein von der Befristungskontrolle getrenntes Klagebegehren verfolgt, sondern im Rahmen des Befristungskontrollantrags lediglich die Rechtsfolge klargestellt wissen will, die sich nach seiner Auffassung bei einer unwirksamen Befristung seines Arbeitsverhältnisses ergibt.

12

b) Mit diesem Inhalt ist der Antrag zulässig. Das Feststellungsinteresse für den Befristungskontrollantrag ergibt sich schon aus der Regelung in § 17 Satz 1 TzBfG, wonach die Unwirksamkeit der Befristung innerhalb einer dreiwöchigen Klagefrist durch Erhebung einer Feststellungsklage geltend zu machen ist(BAG 18. Juli 2012 - 7 AZR 451/11 - Rn. 10). Dem steht nicht entgegen, dass die Klage 20 Monate vor dem Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit erhoben wurde. An der alsbaldigen Klärung der Frage, ob eine Befristung wirksam ist, besteht in der Regel bereits vor dem vereinbarten Vertragsende ein rechtliches Interesse der Parteien. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich der Arbeitgeber - wie im Streitfall - auf die Wirksamkeit der Befristung beruft (vgl. BAG 23. Juni 2010 - 7 AZR 1021/08 - Rn. 12).

13

2. Der Befristungskontrollantrag ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aufgrund der Befristung am 31. August 2013 geendet. Die Befristung ist wirksam. Sie ist nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG iVm. § 21 Abs. 1 BEEG gerechtfertigt. Sie erweist sich nicht als rechtsmissbräuchlich.

14

a) Die Befristung zum 31. August 2013 gilt nicht bereits nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam. Mit seiner am 7. Dezember 2011 erhobenen Klage hat der Kläger die Frist des § 17 Satz 1 TzBfG für die Geltendmachung der Unwirksamkeit der Befristung gewahrt. Die Klage kann schon vor dem Ablauf der vereinbarten Frist erhoben werden (BAG 23. Juni 2010 - 7 AZR 1021/08 - Rn. 12; 13. Oktober 2004 - 7 AZR 654/03 - zu I 1 der Gründe; 10. März 2004 - 7 AZR 402/03 - zu I der Gründe, BAGE 110, 38).

15

b) Die Befristungsabrede im Arbeitsvertrag vom 4. Mai 2011 ist durch den Sachgrund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG iVm. § 21 Abs. 1 BEEG gerechtfertigt.

16

aa) Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG ist die Befristung eines Arbeitsvertrags zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Ein sachlicher Grund liegt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. Der Sachgrund der Vertretung wird durch § 21 Abs. 1 BEEG konkretisiert(vgl. zur Vorgängerregelung in § 21 BErzGG: BAG 19. Februar 2014 - 7 AZR 260/12 - Rn. 27; 12. Januar 2011 - 7 AZR 194/09 - Rn. 13). Danach liegt ein sachlicher Grund, der die Befristung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigt, ua. dann vor, wenn ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers oder einer anderen Arbeitnehmerin für die Dauer des Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz, einer Elternzeit oder einer auf Tarifvertrag oder einzelvertraglicher Vereinbarung beruhenden Arbeitsfreistellung zur Betreuung eines Kindes eingestellt wird.

17

Der Grund für die Befristung liegt in Vertretungsfällen darin, dass der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend ausfallenden Mitarbeiter in einem Rechtsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Mitarbeiters rechnet. Damit besteht für die Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Mitarbeiter obliegenden Arbeitsaufgaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis. Teil des Sachgrunds ist daher eine Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs durch die Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters. Der Sachgrund der Vertretung setzt des Weiteren einen Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenen und der Einstellung des Vertreters voraus. Der Einsatz des befristet beschäftigten Arbeitnehmers muss wegen des Arbeitskräftebedarfs erfolgen, der durch die vorübergehende Abwesenheit des zu vertretenden Mitarbeiters entsteht. Es muss sich deshalb aus den Umständen bei Vertragsschluss ergeben, dass der Bedarf für die Beschäftigung des Vertreters auf die Abwesenheit des zeitweilig ausfallenden Arbeitnehmers zurückzuführen ist. Die Anforderungen an den Kausalzusammenhang und seine Darlegung durch den Arbeitgeber richten sich dabei nach der Form der Vertretung. Geht es um eine unmittelbare Vertretung, hat der Arbeitgeber darzulegen, dass der Vertreter nach dem Arbeitsvertrag Aufgaben wahrzunehmen hat, die zuvor dem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer übertragen waren (vgl. BAG 10. Oktober 2012 - 7 AZR 462/11 - Rn. 15 ff.). Unerheblich ist es, ob im Zeitpunkt des Ablaufs des befristeten Vertrags eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen Arbeitspatz für den Vertreter besteht (vgl. BAG 19. Februar 2014 - 7 AZR 260/12 - Rn. 30).

18

bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die im Arbeitsvertrag vom 4. Mai 2011 vereinbarte Befristung durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt.

19

(1) Der Kläger wurde zur Vertretung der Frau S für die Dauer ihres Sonderurlaubs eingestellt und vertrat sie unmittelbar. Bei diesem Sonderurlaub handelte es sich um eine Arbeitsfreistellung zur Kinderbetreuung iSv. § 21 Abs. 1 BEEG. Der Sonderurlaub wurde Frau S zur Betreuung ihrer drei minderjährigen Kinder gewährt. Es kommt zur Rechtfertigung der mit dem Kläger vereinbarten Befristung nicht darauf an, ob Frau S ein Anspruch auf Gewährung von Sonderurlaub nach § 28 TVöD zustand. Wäre das nicht der Fall gewesen, hätte die Arbeitsfreistellung auf einer einzelvertraglichen Vereinbarung beruht. Diese kann nach § 21 Abs. 1 BEEG die Befristung des Arbeitsvertrags mit einer Vertretungskraft ebenso rechtfertigen wie eine auf Tarifvertrag beruhende Arbeitsfreistellung.

20

(2) Die Beklagte durfte bei Abschluss des Arbeitsvertrags am 4. Mai 2011 davon ausgehen, dass Frau S am 1. September 2013 ihre Tätigkeit als stellvertretende Küchenleiterin wieder aufnehmen werde.

21

(a) Entsteht der Vertretungsbedarf durch Krankheit, Urlaub oder Freistellung, kann der Arbeitgeber nach der ständigen Rechtsprechung des Senats regelmäßig damit rechnen, dass der Vertretene seine arbeitsvertraglichen Pflichten künftig wieder erfüllen wird. Die Stammkraft hat einen arbeitsvertraglichen Anspruch darauf, nach Wegfall des Verhinderungsgrunds die vertraglich vereinbarte Tätigkeit wieder aufzunehmen. Der Arbeitgeber muss daher davon ausgehen, dass der Vertretene diesen Anspruch nach Beendigung der Krankheit, Beurlaubung oder Freistellung geltend machen wird. Besondere Ausführungen dazu, dass mit der Rückkehr des Vertretenen zu rechnen ist, sind in diesen Fällen regelmäßig nicht veranlasst. Nur wenn der Arbeitgeber aufgrund ihm vorliegender Informationen erhebliche Zweifel daran haben muss, dass der zu vertretende Arbeitnehmer überhaupt wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehren wird, kann dies dafür sprechen, dass der Sachgrund der Vertretung nur vorgeschoben ist. Dann kann die Befristung unwirksam sein. Dies setzt in der Regel voraus, dass der zu vertretende Arbeitnehmer dem Arbeitgeber bereits vor dem Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags mit dem Vertreter verbindlich erklärt hat, er werde die Arbeit nicht wieder aufnehmen. Ansonsten darf und muss der Arbeitgeber mit dessen Rückkehr an den Arbeitsplatz rechnen (BAG 11. Februar 2015 - 7 AZR 113/13 - Rn. 16; 16. Januar 2013 - 7 AZR 661/11 - Rn. 21, BAGE 144, 193; 25. März 2009 - 7 AZR 34/08 - Rn. 12; 2. Juli 2003 - 7 AZR 529/02 - zu I 2 a der Gründe, BAGE 107, 18). Dies gilt auch dann, wenn der Vertreter bereits längere Zeit auf der Grundlage befristeter Arbeitsverträge zur Vertretung desselben Arbeitnehmers beschäftigt wurde. Die Anforderungen an die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses anzustellende Prognose sind nicht mit zunehmender Anzahl einzelner befristeter Verträge zu verschärfen (ausf. BAG 18. Juli 2012 - 7 AZR 783/10 - Rn. 16 ff.).

22

(b) Danach durfte und musste die Beklagte bei Vereinbarung der Befristung davon ausgehen, dass Frau S nach Beendigung des Sonderurlaubs am 31. August 2013 an ihren Arbeitsplatz zurückkehren werde. Frau S hatte nicht verbindlich erklärt, die Arbeit nicht wieder aufzunehmen. Sie hatte vielmehr mit dem erneuten Antrag auf Bewilligung von Sonderurlaub ihr Interesse an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bekundet. Der Rückkehrprognose standen weder die Dauer der Abwesenheit der Frau S noch ihre wiederholte Inanspruchnahme von Sonderurlaub entgegen, zumal der Betreuungsbedarf der Kinder mit deren Heranwachsen abnimmt.

23

c) Die streitgegenständliche Befristung ist auch nicht nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs unwirksam.

24

aa) Die Gerichte dürfen sich bei der Befristungskontrolle nicht auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrunds beschränken (BAG 12. November 2014 - 7 AZR 891/12 - Rn. 27). Sie sind vielmehr aus unionsrechtlichen Gründen verpflichtet, durch Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen (EuGH 26. Januar 2012 - C-586/10 - [Kücük] Rn. 40). Diese zusätzliche Prüfung ist im deutschen Recht nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) vorzunehmen (grundlegend BAG 18. Juli 2012 - 7 AZR 443/09 - Rn. 38, BAGE 142, 308 und - 7 AZR 783/10 - Rn. 33).

25

(1) Die Prüfung, ob der Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgegriffen hat, verlangt eine Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (vgl. EuGH 26. Januar 2012 - C-586/10 - [Kücük] Rn. 40, 43, 51, 55; BAG 18. Juli 2012 - 7 AZR 443/09 - Rn. 40, BAGE 142, 308). Von besonderer Bedeutung sind die Gesamtdauer der befristeten Verträge sowie die Anzahl der Vertragsverlängerungen. Ferner ist der Umstand zu berücksichtigen, ob der Arbeitnehmer stets auf demselben Arbeitsplatz mit denselben Aufgaben beschäftigt wurde oder ob es sich um wechselnde, ganz unterschiedliche Aufgaben handelt. Bei zunehmender Anzahl befristeter Verträge und Dauer der befristeten Beschäftigung eines Arbeitnehmers kann es eine missbräuchliche Ausnutzung der dem Arbeitgeber an sich rechtlich eröffneten Befristungsmöglichkeit darstellen, wenn er gegenüber einem bereits langjährig beschäftigten Arbeitnehmer trotz der tatsächlich vorhandenen Möglichkeit einer dauerhaften Einstellung immer wieder auf befristete Verträge zurückgreift (BAG 19. Februar 2014 - 7 AZR 260/12 - Rn. 36 mwN). Zu berücksichtigen ist außerdem, ob die Laufzeit der Verträge zeitlich hinter dem prognostizierten Vertretungsbedarf zurückbleibt (BAG 18. Juli 2012 - 7 AZR 443/09 - Rn. 46, aaO). Bei der Gesamtwürdigung können daneben weitere Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Zu denken ist dabei insbesondere an die Zahl und Dauer von Unterbrechungen zwischen den befristeten Verträgen (BAG 10. Juli 2013 - 7 AZR 761/11 - Rn. 27) sowie an branchenspezifische Besonderheiten, etwa bei Saisonbetrieben. Auch können bei der Gesamtbeurteilung grundrechtlich gewährleistete Freiheiten von Bedeutung sein (BAG 24. September 2014 - 7 AZR 987/12 - Rn. 38; 19. Februar 2014 - 7 AZR 260/12 - Rn. 36).

26

(2) Zur Bestimmung der Schwelle einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung von Sachgrundbefristungen kann an die gesetzlichen Wertungen in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG angeknüpft werden. Die Vorschrift macht eine Ausnahme von dem Erfordernis der Sachgrundbefristung und erleichtert damit den Abschluss von befristeten Verträgen bis zu der festgelegten Höchstdauer von zwei Jahren bei maximal dreimaliger Verlängerungsmöglichkeit. Sie kennzeichnet den nach Auffassung des Gesetzgebers unter allen Umständen unproblematischen Bereich. Ist ein Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG gegeben, lässt erst das erhebliche Überschreiten dieser Grenzwerte den Schluss auf eine missbräuchliche Gestaltung zu. Zumindest regelmäßig besteht hiernach bei Vorliegen eines die Befristung an sich rechtfertigenden Sachgrunds kein gesteigerter Anlass zur Missbrauchskontrolle, wenn die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG für die sachgrundlose Befristung bezeichneten Grenzen nicht um ein Mehrfaches überschritten sind. Werden diese Grenzen jedoch alternativ oder insbesondere kumulativ mehrfach überschritten, ist eine umfassende Missbrauchskontrolle geboten, in deren Rahmen es Sache des Arbeitnehmers ist, noch weitere für einen Missbrauch sprechende Umstände vorzutragen. Werden die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten Grenzen alternativ oder insbesondere kumulativ in gravierendem Ausmaß überschritten, kann eine missbräuchliche Ausnutzung der an sich eröffneten Möglichkeit zur Sachgrundbefristung indiziert sein. In einem solchen Fall hat allerdings der Arbeitgeber regelmäßig die Möglichkeit, die Annahme des indizierten Gestaltungsmissbrauchs durch den Vortrag besonderer Umstände zu entkräften. Der Senat hat bei einer Dauer von insgesamt sieben Jahren und neun Monaten bei vier befristeten Arbeitsverträgen sowie keinen weiteren - vom Arbeitnehmer vorzutragenden - Umständen keine Anhaltspunkte für einen Missbrauch gesehen (BAG 18. Juli 2012 - 7 AZR 783/10 -), während er bei einer Gesamtdauer von mehr als elf Jahren und einer Anzahl von 13 Befristungen sowie einer gleichbleibenden Beschäftigung zur Deckung eines ständigen Vertretungsbedarfs davon ausgegangen ist, die rechtsmissbräuchliche Ausnutzung der an sich eröffneten Möglichkeit der Befristung sei indiziert, könne aber vom Arbeitgeber noch widerlegt werden (BAG 18. Juli 2012 - 7 AZR 443/09 - Rn. 49, BAGE 142, 308).

27

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen, dass sich die Befristung nicht als rechtsmissbräuchlich erweist. Die missbräuchliche Ausnutzung der an sich eröffneten Möglichkeit zur Sachgrundbefristung ist zwar aufgrund der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses von fast 15 Jahren und der Anzahl von zehn befristeten Verträgen indiziert. Die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG bestimmte Höchstdauer von zwei Jahren wurde hierdurch in besonders gravierendem Ausmaß überschritten, die Anzahl der Vertragsverlängerungen übersteigt die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannte Grenze erheblich. Aufgrund der besonderen Umstände des Streitfalls ist die Annahme des Gestaltungsmissbrauchs jedoch widerlegt. Für die Beschäftigung des Klägers bestand zu keinem Zeitpunkt ein dauerhafter Bedarf.

28

Der Kläger wurde ausschließlich zur Vertretung der stellvertretenden Küchenleiterin S eingestellt und vertrat diese unmittelbar. Allein der Ausfall dieser Stammkraft begründete einen befristeten Beschäftigungsbedarf für die Dauer der Inanspruchnahme von Mutterschutz, Erziehungsurlaub bzw. Elternzeit und Sonderurlaub auf deren Arbeitsplatz als stellvertretende Küchenleiterin. Die Beklagte betrieb nur eine Küche, in der sie 5,2 Vollzeitkräfte beschäftigte. Sie verfügte damit nicht über weitere Stellen für stellvertretende Küchenleiter. Ein ständiger und dauerhafter Vertretungsbedarf für stellvertretende Küchenleiter bestand daher nicht. Der Vertretungsbedarf existierte nur für die Zeit, in der Frau S verhindert war, den einzigen bei der Beklagten vorhandenen Arbeitsplatz als stellvertretende Küchenleiterin einzunehmen. Entgegen der Ansicht des Klägers war die Beklagte nicht verpflichtet, die dauerhafte Beschäftigung des Klägers als stellvertretender Küchenleiter durch Versetzung der Frau S zu ermöglichen. Eine Pflicht zur Versetzung der Stammkraft besteht nicht. Andernfalls müsste der Arbeitgeber eine andere Stelle für die Stammkraft freihalten und könnte daher auf dieser Stelle Arbeitnehmer nur befristet beschäftigen, oder er müsste eine zusätzliche Stelle schaffen, auf der die Stammkraft beschäftigt werden könnte. Hierzu ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet.

29

Da stets nur eine befristete Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger bestand, entsprach die Verlängerung der befristeten Arbeitsverträge dem tatsächlichen Bedarf der Beklagten. Die Verlängerung der befristeten Arbeitsverträge war zur Deckung dieses zeitlich begrenzten Beschäftigungsbedarfs erforderlich. Das steht der Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs entgegen (vgl. EuGH 26. Januar 2012 - C-586/10 - [Kücük] Rn. 34; 3. Juli 2014 - C-362/13 ua. - [Fiamingo ua.] Rn. 71; BAG 18. Juli 2012 - 7 AZR 443/09 - Rn. 45, BAGE 142, 308). Der bloße Umstand, dass der Arbeitgeber gezwungen ist, wiederholt oder sogar dauerhaft auf befristete Arbeitsverträge zurückzugreifen, begründet noch nicht das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs (EuGH 26. Januar 2012 - C-586/10 - [Kücük] Rn. 50). Das gilt vor allem auch dann, wenn die Befristung - wie hier - auf § 21 Abs. 1 BEEG beruht. Diese Regelung dient dem sozialpolitischen Ziel, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Sie stellt in Konkretisierung von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG klar, dass der Arbeitgeber Ausfallzeiten, die durch Mutterschutz, Elternzeit und Sonderurlaub zur Kinderbetreuung bedingt sind, durch die befristete Einstellung einer Vertretungskraft überbrücken kann. Das kann - insbesondere bei der Betreuung mehrerer Kinder - zu längeren Vertretungszeiten führen.

30

Auch aus der hohen Anzahl der befristeten Verträge ergibt sich kein Gestaltungsmissbrauch. Diese beruht darauf, dass Frau S wegen der Geburt von drei Kindern mehrfach Mutterschutz, Erziehungsurlaub und Elternzeit sowie im Anschluss daran Sonderurlaub in Anspruch genommen hat. Die Arbeitsverträge mit dem Kläger wurden jeweils anlässlich des Mutterschutzes, des Erziehungsurlaubs und der Elternzeit sowie des Sonderurlaubs geschlossen. Ihre Laufzeit entsprach jeweils der Dauer der Verhinderung.

31

II. Der Antrag des Klägers auf Weiterbeschäftigung fällt nicht zur Entscheidung an. Dieser Antrag ist ersichtlich als uneigentlicher Hilfsantrag für den Fall des Obsiegens mit dem Befristungskontrollantrag gestellt. Diese innerprozessuale Bedingung ist nicht eingetreten.

32

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Gräfl    

        

    Kiel    

        

    M. Rennpferdt    

        

        

        

    Busch    

        

    Donath    

                 

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.