Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 25. Juni 2014 - 5 Sa 75/14

ECLI:ECLI:DE:LAGK:2014:0625.5SA75.14.00
bei uns veröffentlicht am25.06.2014

Tenor

  • 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28. November 2013– 15 Ca 3879/13 – wird gegenüber der Beklagten zu 1) als unbegründet zurückgewiesen und gegenüber der Beklagten zu 2) als unzulässig verworfen.

  • 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

  • 3. Die Revision wird für die Klägerin insoweit zugelassen, als die Berufung gegenüber der Beklagten zu 1) zurückgewiesen worden ist. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.


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Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 25. Juni 2014 - 5 Sa 75/14

Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 25. Juni 2014 - 5 Sa 75/14

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver
Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 25. Juni 2014 - 5 Sa 75/14 zitiert 22 §§.

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(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

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(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

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(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen G

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(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

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Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 15 Entschädigung und Schadensersatz


(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Wegen eines Schadens,

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 3 Begriffsbestimmungen


(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 1 Ziel des Gesetzes


Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

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(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden. (2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbs

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Tenor Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 3.780,31 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 23.04.2014 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. D

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Tenor

  • 1 Die Klage wird abgewiesen.

  • 2 Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

  • 3 Der Streitwert beträgt 135.000,00 €.


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(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

Tenor

  • 1 Die Klage wird abgewiesen.

  • 2 Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

  • 3 Der Streitwert beträgt 135.000,00 €.


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(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 31. März 2009 - 14 Sa 1783/08 - aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 29. Oktober 2008 - 1 Ca 1098/08 - wird als unzulässig verworfen.

2. Der Kläger hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten für die Zeit ab 1. Januar 2007 über die zutreffende Eingruppierung der Tätigkeit des Klägers nach dem Entgeltrahmenabkommen in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 18. Dezember 2003 (ERA).

2

Der Kläger ist langjährig bei der Beklagten als Werkstoffprüfer im mechanischen Labor eingesetzt, wo insgesamt vier Werkstoffprüfer mit der Arbeitsaufgabe Qualitätsprüfung-Metallografie unter einem Laborleiter im Zweischichtbetrieb tätig sind.

3

Die Beklagte bildet ua. Verfahrensmechaniker (Umformtechnik), Drahtzieher und Industriekaufleute aus, Werkstoffprüfer hingegen seit Jahren nicht mehr. Die Auszubildenden zu Industriekaufleuten und zu Verfahrensmechanikern werden jeweils vier Wochen im mechanischen Labor eingesetzt, wobei sie nicht jeden Tag anwesend sind. Bei Auszubildenden zu Verfahrensmechanikern ist eine vierwöchige Ausbildung im mechanischen Labor Bestandteil des Ausbildungsplans und die Inhalte sind prüfungsrelevant. Sie werden in Einzelfällen nach dieser Ausbildung im mechanischen Labor zur Urlaubs- oder Krankheitsvertretung eingesetzt. Außerdem werden für zwei bis drei Wochen pro Jahr zwei bis drei Schülerpraktikanten betreut. Grundsätzlich wird jeweils nur ein Auszubildender oder Praktikant dem mechanischen Labor zugewiesen, wobei es gelegentlich zu Überschneidungen kommt.

4

Im Hinblick auf die zum 1. Januar 2007 beabsichtigte Einführung des ERA schloss die Beklagte mit dem bei ihr eingerichteten Betriebsrat am 28. April 2005 eine freiwillige Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Einführung von ERA gemäß § 2 Nr. 4 ERA-Einführungstarifvertrag in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens (ERA-ETV).In Nr. 9 dieser Betriebsvereinbarung vereinbarten die Betriebsparteien die Anwendung des besonderen Eingruppierungs- und Reklamationsverfahrens gem. § 7 ERA-ETV, § 4 Nr. 3 ERA und richteten im Rahmen dieses Verfahrens eine Paritätische Kommission ein.

5

Dem Kläger wurde von der Beklagten im November 2006 eine Aufgabenbeschreibung sowie die Eingruppierung mit Wirkung zum 1. Januar 2007 nach der Entgeltgruppe 11 ERA mitgeteilt. Dagegen wandte er sich mit einem Widerspruch, der auf das Anforderungsmerkmal „Kooperation“ gestützt war und der von der Paritätischen Kommission am 23. Januar 2007 abgelehnt wurde. Dies teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 25. Januar 2007 mit, in dem sie gleichzeitig ankündigte, die Aufgabenbeschreibung hinsichtlich der zuvor nicht darin erwähnten Obliegenheit der Betreuung von Auszubildenden zu ergänzen.

6

Die im Juni 2007 insoweit ergänzte Aufgabenbeschreibung des Klägers bewertet die einzelnen Anforderungsmerkmale des ERA; die Mitarbeiterführung ordnet sie der Stufe 1 zu, vergibt also insoweit 0 Punkte und kommt zu einem Gesamtwert von 110 Punkten, der eine Einstufung in Entgeltgruppe 11 zur Folge hat.

7

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 12 ERA zu. Seine Tätigkeit sei wegen ihrer Prägung durch regelmäßige Betreuung von Auszubildenden und Praktikanten bezüglich des Anforderungsmerkmales „Mitarbeiterführung“ nach der Stufe 2 zu bewerten, so dass ihm weitere fünf Punkte zuzuerkennen seien und er einen für eine Einstufung in Entgeltgruppe 12 ausreichenden Gesamtwert von 115 Punkten erreiche.

8

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass er mit Wirkung zum 1. Januar 2007 in die Entgeltgruppe 12 des Entgeltrahmenabkommens (ERA) der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen einzugruppieren ist.

9

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, dass die Bewertung des Anforderungsprofils „Mitarbeiterführung“ zutreffend sei. Das Tätigkeitsbild der Arbeitsaufgabe „Werkstoffprüfung“ beinhalte nicht die fachliche Anweisung, Anleitung und Unterstützung anderer Beschäftigter. Die zeitweise Betreuung der Auszubildenden während des vorübergehenden Einsatzes im mechanischen Labor präge die Tätigkeit des Klägers nicht.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts war mangels einer den Anforderungen von § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG entsprechenden Berufungsbegründung unzulässig. Sie wäre deshalb vom Landesarbeitsgericht zu verwerfen gewesen.

12

I. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessfortsetzungsvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung (BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - Rn. 17, NZA 2010, 1446). Sie ist deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., vgl. zB BAG 27. Juli 2010 - 1 AZR 186/09 - aaO; 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - Rn. 10, BAGE 121, 18 mzN). Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Begründung iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, hat das Revisionsgericht eine Sachentscheidung des Berufungsgerichts aufzuheben und die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass sie verworfen wird(im Ergebnis ebenso BAG 15. August 2002 - 2 AZR 473/01 - AP ZPO § 519 Nr. 55 = EzA ZPO § 519 Nr. 14). Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist hierbei ohne Bedeutung (vgl. BAG 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - Rn. 9; 9. Juli 2003 - 10 AZR 615/02 - Rn. 5 mwN, AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 33 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 37; 29. November 2001 - 4 AZR 729/00 - EzA ZPO § 519 Nr. 13).

13

II. Mit der Berufungsbegründungsschrift ist die erstinstanzliche Entscheidung nicht ausreichend iSv. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG angegriffen worden. Es fehlt an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des arbeitsgerichtlichen Urteils.

14

1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungsführer die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (st. Rspr., vgl. ua. BAG 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - Rn. 11; 28. Mai 2009 - 2 AZR 223/08 - Rn. 14, AP ZPO § 520 Nr. 2; 6. März 2003 - 2 AZR 596/02 - BAGE 105, 200). Dabei dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zwar keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden (BAG 28. Mai 2009 - 2 AZR 223/08 - aaO). Die Berufungsbegründung muss aber auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll (BAG 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - Rn. 11 mwN, BAGE 121, 18; 25. April 2007 - 6 AZR 436/05 - Rn. 14 mwN, BAGE 122, 190). Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - aaO; 25. April 2007 - 6 AZR 436/05 - Rn 14 mwN, aaO).

15

2. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung des Klägers vom 12. Dezember 2008 nicht.

16

a) Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Klage sei unbegründet, weil sich die Paritätische Kommission bereits nach dem eigenen Vortrag des Klägers bei der Überprüfung der Eingruppierung mit dem Anforderungsmerkmal „Mitarbeiterführung“ nicht beschäftigt habe. Mit § 7 ERA-ETV hätten die Tarifvertragsparteien festgelegt, dass die Feststellung der Eingruppierung einem besonderen Verfahren unterworfen sei, das nur eine beschränkte Überprüfung des gefundenen Ergebnisses vorsehe. Aus § 7 Abs. 1 und Abs. 4 ERA-ETV ergebe sich, dass die Entscheidung der Paritätischen Kommission gerichtlich nur auf Verfahrensfehler und die grobe Verkennung der tariflichen Bewertungsgrundsätze überprüft werden könne. Beides mache der Kläger jedoch nicht geltend. Da sich die Paritätische Kommission nach seinem eigenen Vorbringen nicht mit dem Merkmal Mitarbeiterführung befasst habe, könne ihr insoweit auch kein Fehler unterlaufen sein. Das Unterlassen der Überprüfung des Merkmales Mitarbeiterführung sei der Paritätischen Kommission nicht vorzuwerfen, da sich der Kläger gegenüber seiner tariflichen Ersteinstufung ausdrücklich nur auf das Merkmal „Kooperation“ bezogen habe. Deshalb habe das Gericht nicht zu prüfen, ob der Kläger im Rahmen seiner Arbeitsaufgabe regelmäßig oder nur gelegentlich während eines Betriebsdurchlaufes Auszubildende und Praktikanten betreue.

17

b) Die Berufungsbegründungsschrift des Klägers enthält keinerlei Bezug zu und nicht ansatzweise eine Auseinandersetzung mit diesen Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts. Entgegen den Anforderungen des § 520 ZPO ist nichts dazu vorgetragen, in welchen Punkten rechtlicher und tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll.

18

Das Urteil des Arbeitsgerichts wird in der Berufungsbegründung weder ausdrücklich noch implizit erwähnt. Es findet keinerlei argumentative Auseinandersetzung mit der Auffassung des Arbeitsgerichts statt, dass die Klage bereits unbegründet sei, weil sich die Paritätische Kommission bei der Überprüfung der Eingruppierung mit dem Anforderungsmerkmal „Mitarbeiterführung“ nicht beschäftigt habe. Auch die Ansicht des Arbeitsgerichts, dass die Entscheidung der Paritätischen Kommission gerichtlich nur auf Verfahrensfehler und die grobe Verkennung der tariflichen Bewertungsgrundsätze überprüft werden könne, findet weder Erwähnung noch erfolgt irgendeine Auseinandersetzung mit diesem rechtlichen Ansatz.

19

Stattdessen enthält die Berufungsbegründungsschrift ausschließlich Vortrag von bereits erstinstanzlich vorgetragenen Tatsachen, teils wiederholend, teils vertiefend. Nachdem referiert worden ist, dass das ERA auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist, welche Bewertung der Tätigkeit des Klägers mit welchem Ergebnis erfolgt ist und woran es dabei aus Sicht des Klägers mangelt, wird auch der Ablauf des Verfahrens vor der Paritätischen Kommission geschildert. Die Ausführungen hierzu bleiben jedoch ausschließlich im Tatsächlichen. Es fehlt an jeder rechtlichen Argumentation, die sich mit den Ausführungen im angefochtenen Urteil auseinandersetzt.

20

Soweit der Kläger sich dahingehend äußert, die Paritätische Kommission habe seine Beanstandung im Hinblick auf die nicht zutreffend vorgenommene Bewertung im Rahmen des Merkmales „Mitarbeiterführung“ nicht abgearbeitet, zeigt er keinen Verfahrensfehler auf. Dieses Vorbringen kann zwar anfänglich dahingehend verstanden werden, der Kläger wolle vortragen, dass die Kommission sich mit dem von ihm vorgebrachten Merkmal der „Mitarbeiterführung“ nicht beschäftigt habe. Darin könnte - obwohl vom Kläger nicht ausdrücklich erwähnt - auf den ersten Blick der Vorwurf eines Verfahrensfehlers liegen. Allerdings ergibt sich aus seinen weiteren Ausführungen etwas anderes. So weist der Kläger ausdrücklich darauf hin, dass der Paritätischen Kommission der Themenbereich „Mitarbeiterführung“ bekannt gewesen, „eine Bewertung, insbesondere im Sinne des Klägers, allerdings nicht“ erfolgt sei. Auch sei der Betriebsratsvorsitzenden von der Kommission erklärt worden, dass die Werkstoffprüfer selbstverständlich zur Ausbildung verpflichtet seien, die Aufgabenbeschreibung entsprechend abgeändert werde, eine Bewertung insofern allerdings nicht erfolge. Damit bringt der Kläger zum Ausdruck, dass er die aus seiner Sicht fehlerhafte Bewertung des Merkmales Mitarbeiterführung durch die Paritätische Kommission beanstandet, nicht aber einen Verfahrensfehler durch Nichtberücksichtigung seines Vorbringens rügt.

21

Auch die weiteren Ausführungen in der Berufungsbegründung, insbesondere zu den gleichzeitigen Anwesenheitszeiten von Mitarbeitern des mechanischen Labors und Auszubildenden und Praktikanten in den Jahren 2007 und 2008 und zur Beschreibung der Ausbildungsinhalte im mechanischen Labor, stellen keine argumentative Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts dar.

22

III. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung und Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Bepler    

        

    Treber    

        

    Winter    

        

        

        

    Pieper     

        

    Plautz    

                 

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 4. November 2009 - 6 Sa 18/09 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 17. Dezember 2008 - 4 Ca 1090 b/08 - als unzulässig verworfen wird.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags.

2

Die 1952 geborene Klägerin und die Beklagte verbindet ein Arbeitsverhältnis. Die Beklagte beschäftigt die Klägerin als Krankenschwester in einem Krankenhaus. Der kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbare Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom 5. Mai 1998 in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 30. Juni 2000 (TV ATZ) gewährt Beschäftigten unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch gegen den Arbeitgeber, mit ihnen einen Altersteilzeitarbeitsvertrag abzuschließen. Einen solchen Anspruch sieht auch der zwischen dem Kommunalen Arbeitgeberverband Schleswig-Holstein und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di geschlossene Tarifvertrag „Arbeitszeit für Schleswig-Holstein“ (TV-ArbZ SH) vor.

3

Mit Schreiben vom 17. März 2008, das der Beklagten am 26. März 2008 zuging, forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos auf, mit ihr einen Altersteilzeitarbeitsvertrag für den Zeitraum vom 1. Oktober 2009 bis zum 30. September 2017 zu schließen.

4

Die Klägerin hat die Rechtsauffassung vertreten, die ablehnende Entscheidung der Beklagten diskriminiere sie wegen ihres Alters. Die Tarifvertragsparteien, die an den grundgesetzlichen Gleichheitssatz gebunden seien, hätten den ihnen von Verfassungs wegen zustehenden Regelungsspielraum überschritten. Es verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, den Beschäftigten der Stadt Kiel, nicht aber den Beschäftigten in den Krankenhäusern den Zugang zur Altersteilzeit unter den TV-ArbZ SH spezifizierten Bedingungen zu gewähren.

5

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihr Angebot zum Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags in Form des Teilzeitmodells in der Zeit vom 1. Oktober 2009 bis zum 30. September 2017 anzunehmen.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht gewesen, sie sei berechtigt, Altersteilzeitanträge von Arbeitnehmern, die das 60. Lebensjahr nicht vollendet hätten, aus Kostengründen abzulehnen. Das ihr zustehende Ermessen habe sie fehlerfrei ausgeübt.

7

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist unbegründet, da bereits die Berufung unzulässig gewesen ist. Das Landesarbeitsgericht hätte die Berufung als unzulässig verwerfen müssen; denn die Berufungsbegründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen.

9

1. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung (BAG 27. Juli 2010 -  1 AZR 186/09  - Rn. 17, NZA 2010, 1446). Sie ist deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (BAG 17. Januar 2007 - 7 AZR 20/06 - Rn. 10, BAGE 121, 18). Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Begründung iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, hat das Revisionsgericht die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Berufung verworfen wird(vgl. BAG 15. August 2002 -  2 AZR 473/01  - zu 2 der Gründe, AP ZPO § 519 Nr. 55 = EzA ZPO § 519 Nr. 14). Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist hierbei ohne Bedeutung (vgl. BAG 9. Juli 2003 -  10 AZR 615/02  - zu 1 der Gründe, AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 33 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 37).

10

2. Die Berufungsbegründungsschrift genügt nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin hat sich nicht in ausreichender Weise mit den Erwägungen des Arbeitsgerichts, auf die es seine klageabweisende Entscheidung gestützt hat, auseinandergesetzt.

11

a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Begründung der Berufung auch im Urteilsverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen anwendbar(BAG 10. Februar 2005 -  6 AZR 183/04  - zu 2 a der Gründe, EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 40). Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll (BAG 28. Mai 2009 -  2 AZR 223/08  - Rn. 14, AP ZPO § 520 Nr. 2). Die Regelung des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird(vgl. BAG 11. März 1998 - 2 AZR 497/97 - zu I der Gründe, BAGE 88, 171). Deshalb hat der Berufungsführer die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (vgl. BAG 6. März 2003 2 AZR 596/02  - zu II 1 a der Gründe, BAGE 105, 200). Dadurch soll bloß formelhaften Berufungsbegründungen entgegengewirkt und eine Beschränkung des Rechtsstoffs im Berufungsverfahren erreicht werden (BAG 15. August 2002 - 2 AZR 473/01 - zu 2 der Gründe, AP ZPO § 519 Nr. 55 = EzA ZPO § 519 Nr. 14). Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den Streitfall zugeschnitten sein (BAG 8. Mai 2008 - 6 AZR 517/07 - Rn. 30, AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 40 = EzA ZPO 2002 § 520 Nr. 6). Eine schlüssige Begründung kann zwar nicht verlangt werden; doch muss sich die Berufungsbegründung mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will (BAG 10. Februar 2005 -  6 AZR 183/04  - zu 2 a der Gründe, aaO ; 16. Juni 2004 - 5 AZR 529/03 - zu II 2 b der Gründe, EzA ZPO 2002 § 520 Nr. 3; 15. August 2002 - 2 AZR 473/01 - zu 2 der Gründe, aaO). Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 25. April 2007 -  6 AZR 436/05  - Rn. 14, BAGE 122, 190).

12

b) An diesem Maßstab gemessen, hat die Klägerin die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts nicht ausreichend begründet. Das Arbeitsgericht hat in seinem Urteil mit § 2 Abs. 1 TV ATZ(Seite 6 des Urteils) und § 7 TV-ArbZ SH(Seite 8 des Urteils) zwei Anspruchsgrundlagen in Betracht gezogen und deren Voraussetzungen im Ergebnis verneint.

13

aa) Zu § 2 Abs. 1 TV ATZ hat das Arbeitsgericht im Einzelnen ausgeführt, die Beklagte habe das ihr von den Tarifvertragsparteien eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Die von der Beklagten angeführten wirtschaftlichen Gründe rechtfertigten die Ablehnung des von der Klägerin unter dem 17. März 2008 gestellten Antrags. Eine Diskriminierung der Beschäftigten, die das 60. Lebensjahr nicht vollendet hätten, liege nicht vor, da diese nicht benachteiligt würden. Die Tarifbestimmung begünstige ältere Arbeitnehmer, ohne jüngere zu benachteiligen. Ausweislich der Präambel des Tarifvertrags solle älteren Beschäftigten ein gleitender Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand ermöglicht und dadurch vorrangig Auszubildenden und Arbeitslosen Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnet werden. Die Tarifvertragsparteien verfolgten mit den Regelungen des TV ATZ arbeitsmarktpolitische Ziele und beschränkten die Begünstigung deshalb auf Arbeitnehmer, für die der gesetzliche Ruhestand alsbald anstehe.

14

Die Berufungsbegründungsschrift der Klägerin enthält keine argumentative Auseinandersetzung mit diesen Erwägungen. Soweit die Klägerin auf Seite 1 der Berufungsbegründung ausführt, ihr Anspruch ergebe sich aus § 2 des Arbeitsvertrags, paraphrasiert sie im Folgenden die Tarifnorm des § 2 TV ATZ und rügt „die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes“. Zudem „beruft (sie) sich auch auf das AGG, das jede Diskriminierung aus Altersgründen verbietet“. Hierbei handelt es sich um eine formelhafte Wendung, auf die die Klägerin in ähnlicher Form bereits in der Klageschrift vom 31. Mai 2008 zurückgegriffen hat. Dort hat sie die Ansicht vertreten, in der Regelung liege eine „rechtswidrige Diskriminierung aus Altersgründen, die mit Europa-, Verfassungs- und Bundesrecht unvereinbar“ sei. Die Klägerin legt weder dar, aus welchem Grund sie den Gleichbehandlungsgrundsatz für verletzt erachtet, noch, aufgrund welcher Umstände sie sich auf welche Vorschriften des AGG zur Stützung der Rechtsbehauptung, ihr stehe ein Anspruch auf Abschluss des begehrten Altersteilzeitarbeitsvertrags zu, berufen will. Der pauschale Hinweis auf den Gleichbehandlungsgrundsatz und die Vorschriften des AGG ersetzt nicht die erforderliche Auseinandersetzung mit der die angefochtene Entscheidung tragenden Erwägung des Arbeitsgerichts, es liege keine Ungleichbehandlung zulasten der jüngeren, sondern eine - diskriminierungsrechtlich gerechtfertigte - Begünstigung älterer Arbeitnehmer vor. Auf das weitere Argument des Arbeitsgerichts, die unterschiedliche Behandlung beider Arbeitnehmergruppen sei aufgrund arbeitsmarktpolitischer Erwägungen der Tarifvertragsparteien gerechtfertigt, geht die Klägerin nicht ein.

15

bb) Auch hinsichtlich der zweiten von dem Arbeitsgericht in Betracht gezogenen Anspruchsgrundlage, der Regelung des § 7 TV-ArbZ SH, fehlt es an einer der Form des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO entsprechenden Berufungsbegründung. Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, es sei Sache der Tarifvertragsparteien, die Gruppe derer zu bestimmen, auf die das zur Verfügung stehende arbeitsmarktpolitische Instrumentarium angewendet werde. Eine Diskriminierung sei nicht ersichtlich, da im Bereich der Krankenpflege keine erhebliche Arbeitslosigkeit bestehe. Angesichts dessen habe kein Bedarf zur Förderung von Arbeitslosen und Jugendlichen bestanden.

16

Dieser Urteilsbegründung setzt die Klägerin auf Seite 2 der Berufungsbegründung den pauschalen Hinweis entgegen, die Tarifvertragsparteien hätten ihre Regelungsbefugnis überschritten. Damit wird die Klägerin ihrer Begründungsobliegenheit nicht gerecht. Ihre ohne nähere Erläuterung aufgestellte Behauptung, „Rechtfertigungsgründe für die Ungleichbehandlung sind nicht ersichtlich“ (Seite 3 der Berufungsbegründung), ist nicht auf die Erwägungen, die das erstinstanzliche Gericht zur Klageabweisung bewogen haben, zugeschnitten. Das Arbeitsgericht hat auf die mit der Einführung von Altersteilzeit verfolgten arbeitsmarktpolitischen Zwecke abgestellt und ist davon ausgegangen, es bestehe angesichts der Arbeitsmarktlage kein Bedürfnis, Mitarbeitern in Krankenhäusern den Zugang zur Altersteilzeit zu eröffnen. Mit diesen sowohl rechtlichen als auch tatsächlichen Argumenten des Arbeitsgerichts befasst sich die Klägerin nicht. Sie erhebt weder Verfahrensrügen, noch stellt sie die rechtlichen Folgerungen des Arbeitsgerichts infrage. Wenn sie auf Seite 3 der Berufungsbegründung ohne nähere Erklärung auf eine Gleichstellung von Altenpflegern und Krankenpflegern im Krankenpflegegesetz verweist, steht dies mit den maßgebenden Tarifbestimmungen in keinem erkennbaren Zusammenhang.

17

C. Die Klägerin hat als Revisionsführerin die Kosten der ohne Erfolg eingelegten Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Düwell    

        

    Krasshöfer    

        

    Suckow    

        

        

        

    Faltyn    

        

    Kranzusch    

                 

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
2.
die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten,
3.
Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind; zu diesen gehören auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten.
Als Beschäftigte gelten auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis sowie die Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist.

(2) Arbeitgeber (Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen) im Sinne dieses Abschnitts sind natürliche und juristische Personen sowie rechtsfähige Personengesellschaften, die Personen nach Absatz 1 beschäftigen. Werden Beschäftigte einem Dritten zur Arbeitsleistung überlassen, so gilt auch dieser als Arbeitgeber im Sinne dieses Abschnitts. Für die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten tritt an die Stelle des Arbeitgebers der Auftraggeber oder Zwischenmeister.

(3) Soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft, gelten die Vorschriften dieses Abschnitts für Selbstständige und Organmitglieder, insbesondere Geschäftsführer oder Geschäftsführerinnen und Vorstände, entsprechend.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 22. November 2012 - 4 Sa 246/12 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine Entschädigung, weil sich der Kläger wegen seines Alters bei einer erfolglosen Stellenbewerbung benachteiligt sieht.

2

Der 1969 geborene Kläger schloss 1998 ein Studium der Betriebswirtschaft als Dipl.-Betriebswirt (FH) ab. Zuletzt war er von September 2010 bis September 2011 als Lehrkraft einer privaten Fachoberschule für die Fächer Betriebswirtschaft und Rechnungswesen, Volkswirtschaftslehre, Rechtslehre und Wirtschaftsinformatik beschäftigt.

3

Mitte September 2011 wurde in einem Online-Stellenportal eine Stelle für „PERSONALVERMITTLER (m/w) für unsere Niederlassung B“ ausgeschrieben. Im Bewerberprofil wurde ua. „Erste Berufserfahrung im Dienstleistungsbereich sowie Kontakt im Bereich der Personalauswahl“ vorgesehen. Als Bewerbervorteile wurden ua. ausdrücklich genannt eine „Berufserfahrung: 1 bis 2 Jahre“ und als Karrierestatus „Berufseinsteiger“.

4

Gemäß der Stellenausschreibung sollte die Bewerbung per E-Mail unter Angabe der Einkommensvorstellung an [email protected] oder per Post an „U N GmbH“, Frau B, H Straße 1, A, gesendet werden. Hinsichtlich etwaiger „Kontaktinformationen für Bewerber“ wurde am Ende der Stellenausschreibung eine „U GmbH“, Frau B, H Straße 1, A, genannt.

5

Sein auf den 26. September 2011 datiertes Bewerbungsschreiben übermittelte der Kläger am 25. September 2011 nebst Anlagen an die in der Ausschreibung angegebene E-Mail-Adresse. Das Bewerbungsschreiben selbst war dabei an die „U GmbH“ unter der angegebenen Adresse gerichtet. Als Gehaltsvorstellung teilte er einen Betrag iHv. 3.600,00 Euro monatlich mit.

6

Am 5. Oktober 2011 erhielt der Kläger von „B“ ([email protected]) per E-Mail die Absage auf seine Bewerbung. Unterzeichnet war diese E-Mail mit folgenden Angaben:

        

„Mit freundlichen Grüßen

        

B       

        

Regionale Personalreferentin

        

U N GmbH

        

H Straße 1

        

A       

                 
        

Telefon: +49(0)

        

Telefax: +49(0)

        

Mobil: +49(0)

                 
        

Internet: www.u-personal.de

        

E-Mail: [email protected]“.

7

Mit Schreiben vom 9. November 2011 wandte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers an die Beklagte, also die „U N GmbH“, verlangte eine Entschädigung nach AGG iHv. 16.000,00 Euro und machte Ersatz des materiellen Schadens sowie einen Unterlassungsanspruch geltend. Dies lehnte die Beklagte mit einem auf ihrem Briefbogen verfassten Schreiben vom 30. November 2011 ab, wobei sie ausführte, der Kläger habe sich „bei der U N GmbH als Personalvermittler beworben“.

8

Mit einer Klage vom 8. Februar 2012, am gleichen Tag beim Arbeitsgericht eingegangen, machte der Kläger einen Anspruch auf angemessene Entschädigung, die 16.000,00 Euro nicht unterschreiten sollte, gerichtlich geltend. Darauf reichte dieselbe Syndika, die zuvor unter der Firma der Beklagten den Entschädigungsanspruch abgelehnt hatte, unter dem 20. Februar 2012, nunmehr aber unter der Firma „U GmbH“ mit Sitz in M, ein Schreiben beim Arbeitsgericht ein, demzufolge der Kläger sich nicht bei der Beklagten, sondern bei der rechtlich selbstständigen Schwestergesellschaft „U GmbH“ mit Sitz in M für deren Standort in B beworben habe. Somit habe der Kläger die falsche Gesellschaft verklagt. Eine Umstellung seiner Klage nahm der Kläger nicht vor.

9

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei passivlegitimiert und richtige Anspruchsgegnerin des von ihm geltend gemachten Entschädigungsanspruchs. Er habe sich jedenfalls nicht auf eine Stelle beworben, die der U GmbH mit Sitz in M zuzuordnen sei. Dagegen spreche bereits der gesamte vorprozessuale Schriftwechsel, in dem sich die Beklagte als potentielle Arbeitgeberin aufgeführt habe. Im Übrigen müsse sich die Beklagte auch aus Rechtsscheingesichtspunkten als passivlegitimiert behandeln lassen. Es habe nirgendwo Anklang gefunden, dass die Beklagte lediglich als Personalvermittlerin für ihre Schwestergesellschaft aufgetreten sei. Sie, die Beklagte, könne sich nicht zu jedem Zeitpunkt einer Inanspruchnahme im Nachhinein entziehen, indem sie einfach vorgebe, nicht die richtige Beklagte zu sein.

10

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihm eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, jedoch den Betrag von 16.000,00 Euro nicht unterschreiten solle, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 1. Dezember 2011.

11

Ihren Antrag auf Klageabweisung hat die Beklagte vorrangig damit begründet, dass ihr die Passivlegitimation fehle. Der Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG sei nur gegen den „potentiellen Arbeitgeber“ zu richten. Bereits aus der Stellenausschreibung habe sich unter der Überschrift „Kontaktinformationen für Bewerber“ die ausdrückliche Benennung der Firma U GmbH ergeben. Diese und nur diese Gesellschaft mit Sitz in M habe potentiell Arbeitgeberin sein sollen und wollen. Sie selbst - die Beklagte - unterhalte auch keine Niederlassung in B, dem Standort, für den die Stelle ausgeschrieben worden sei. Die dortige Niederlassung werde ausschließlich von der U GmbH geführt. Dies ergebe sich auch aus dem Internetauftritt.

12

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den von ihm geltend gemachten Entschädigungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des Klägers ist unbegründet, weil die Klage unbegründet ist. Den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG kann der Kläger nicht gegen die Beklagte richten, da diese nicht Arbeitgeberin iSd. § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG in Verb. mit § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG war bzw. werden sollte.

14

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG richte sich ausschließlich gegen den potentiellen oder tatsächlichen Arbeitgeber. Dies sei erkennbar die „U GmbH“ mit Sitz in M. Die Beklagte dagegen wäre nicht Arbeitgeberin des Klägers geworden. Ihre Vorgehensweise sei zwar undurchsichtig gewesen, da sie den gesamten vorprozessualen Schriftverkehr geführt und den Kläger dabei nicht darauf hingewiesen habe, nicht potentieller Arbeitgeber zu sein. Bereits die Ausschreibung habe aber Hinweise auf die „U GmbH“ enthalten. An diese habe der Kläger auch sein eigentliches Bewerbungsschreiben adressiert. Der Standort B, für den ausgeschrieben worden sei, gehöre zur „U GmbH“. Dies gehe aus dem Internetauftritt hervor. Die Beklagte dagegen habe keine Niederlassung in B. Der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG richte sich nur gegen potentielle Arbeitgeber, nicht gegen bloße Personalvermittler wie die Beklagte. Gegen diese bestehe ggf. ein Auskunftsanspruch. Im Zweifel beginne die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG für die Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs erst nach Klärung der Identität des potentiellen Arbeitgebers. Die Beklagte hafte auch nicht nach § 164 BGB, der nur auf Willenserklärungen Anwendung finde. Die Ablehnung einer Bewerbung sei ein rein tatsächlicher Vorgang.

15

B. Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Berufungsurteil hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

16

I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Für den gegen die Beklagte geltend gemachten Entschädigungsanspruch fehlt es bereits an ihrer Passivlegitimation, da sie nicht potentielle Arbeitgeberin des sich bewerbenden Klägers war bzw. werden sollte.

17

1. Der persönliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist eröffnet. Der Kläger ist als Bewerber „Beschäftigter“ im Sinne des Gesetzes. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG gelten als Beschäftigte auch Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis.

18

Für den Bewerberbegriff kommt es nicht darauf an, ob der Bewerber für die ausgeschriebene Tätigkeit objektiv geeignet ist (vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 18, AP AGG § 15 Nr. 9 = EzA AGG § 15 Nr. 16). Die objektive Eignung eines Bewerbers ist vielmehr für die Frage bedeutsam, ob eine „vergleichbare Situation“ iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vorliegt(vgl. BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 29, AP AGG § 15 Nr. 6 = EzA AGG § 15 Nr. 13).

19

2. Die Beklagte ist jedoch nicht passivlegitimiert.

20

a) Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG ist Arbeitgeber im Sinne des Gesetzes, wer „Personen nach Absatz 1“ des § 6 AGG beschäftigt. Arbeitgeber ist auch derjenige, der um Bewerbungen für ein von ihm angestrebtes Beschäftigungsverhältnis bittet oder nachsucht (st. Rspr., vgl. BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 188/11 - Rn. 18, BAGE 142, 143 = AP AGG § 15 Nr. 12 = EzA AGG § 15 Nr. 20; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 19, EzA AGG § 15 Nr. 16; 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - Rn. 23).

21

Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass nicht die Beklagte, sondern ihre Schwestergesellschaft „U GmbH“ Arbeitgeberin iSv. § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG war. Diese Gesellschaft mit Sitz in M hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts allein den Standort in B, wo sich die ausgeschriebene Stelle befand, auf die sich der Kläger beworben hat. Diese Feststellungen sind nicht durch eine Verfahrensrüge angegriffen und für den Senat bindend (§ 559 Abs. 2 ZPO).

22

b) Für die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG ist der potentielle Arbeitgeber nach § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG, der die Stelle ausgeschrieben und Bewerbungen dafür erbeten hat, der richtige Anspruchsgegner.

23

aa) Dem Wortlaut des Gesetzes nach wird zwar in § 15 Abs. 2 AGG der Anspruchsgegner nicht genannt, anders als in Abs. 1 der Norm. Systematisch kann jedoch der Anspruchsgegner eines Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG nur der Arbeitgeber sein. § 15 AGG behandelt ausschließlich Ansprüche, die sich aus Pflichtverstößen des Arbeitgebers ergeben können. Ansprüche gegen Dritte sieht der Gesetzgeber dort nicht vor.

24

bb) Dem entspricht die Entstehungsgeschichte der Norm und deren Sinn und Zweck. Zur Gewährleistung eines tatsächlichen und wirksamen Rechtsschutzes strebte der Gesetzgeber „eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber“ an. Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG soll „die Forderungen der Richtlinien sowie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nach einer wirksamen und verschuldensunabhängig ausgestalteten Sanktion bei Verletzung des Benachteiligungsverbotes durch den Arbeitgeber“ erfüllen(BT-Drs. 16/1780 S. 38).

25

cc) Der Arbeitgeber, der gegen ein Benachteiligungsverbot verstößt, soll in Anspruch genommen werden können, ohne dass die Voraussetzung des Verschuldens vorliegen muss (vgl. EuGH 22. April 1997 - C-180/95 - [Draehmpaehl] Slg. 1997, I-2195). Es ist dabei die Entscheidung der Mitgliedstaaten, Verstöße gegen Diskriminierungsverbote mit einer Sanktion zu belegen, die sich im Rahmen zivilrechtlicher Haftung bewegt. Der Kläger hat die Beklagte wegen einer Benachteiligung bei der Bewerbung um ein Arbeitsverhältnis in Anspruch genommen. Eine Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr hat er nicht dargelegt, eine Entschädigung iSv. § 21 Abs. 2 Satz 3 AGG hat er, unbeschadet der Frage des dafür zulässigen Rechtsweges nicht geltend gemacht.

26

dd) Für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ist auch nach dem Schrifttum der „Arbeitgeber“ der richtige Anspruchsgegner(Däubler/Bertzbach/Deinert AGG 3. Aufl. § 15 Rn. 45, 145; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 3; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 8 f.; Voigt in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 4. Aufl. § 15 Rn. 28; Palandt/Weidenkaff 73. Aufl. § 15 AGG Rn. 1, 6). Insbesondere begründen § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG keine Ansprüche gegen Personalberatungsunternehmen(vgl. Adomeit/Mohr FS Kreutz 2010 S. 3 ff.; Stoffels RdA 2009, 204, 207), selbst wenn der Personalvermittler die endgültige Auswahl in alleiniger Verantwortung durchführt (Voigt in Schleusener/Suckow/Voigt aaO).

27

II. Über mögliche Ansprüche des Klägers auf Ersatz seines Vermögensschadens gegen die Beklagte ist vorliegend nicht zu entscheiden, da Gegenstand des Rechtsstreits ausschließlich der vom Kläger geltend gemachte Entschädigungsanspruch ist. Soweit sich dieser, wie im Falle der Beklagten, nicht gegen einen Arbeitgeber iSv. § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG richten soll, ist dafür keine gesetzliche Grundlage ersichtlich(§ 253 Abs. 1 BGB). Insbesondere ist der Kläger durch das Verhalten der Beklagten nicht in einem seiner in § 253 Abs. 2 BGB genannten Rechtsgüter verletzt worden.

28

III. Eine Haftung der Beklagten als Vertreterin ohne Vertretungsmacht, § 179 BGB, oder wegen eines von ihr gesetzten Rechtsscheins führt nicht zu einem Anspruch auf Entschädigung, sondern allenfalls auf Ersatz des materiellen Schadens.

29

Für eine Analogie fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke und insbesondere einer vergleichbaren Interessenlage. Der Entschädigungsanspruch aus § 15 Abs. 2 AGG soll sich gegen den potentiellen Arbeitgeber, nicht gegen einen Dritten richten. Soweit der Arbeitgeber nicht bekannt ist, steht insoweit dem abgelehnten Bewerber ein Auskunftsanspruch zu (LAG Berlin 30. März 2006 - 10 Sa 2395/05 - Rn. 26). Außerdem beginnt die Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG im Falle einer Bewerbung erst dann zu laufen, wenn der Bewerber von „der“ Ablehnung Kenntnis erlangt, wozu auch gehört, wer ihn als Arbeitgeber abgelehnt hat. Auch insoweit ist der wirksame Schutz vor Diskriminierungen nicht infrage gestellt.

30

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Breinlinger    

        

    Winter    

        

        

        

    Burr    

        

    Mallmann    

                 

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Tenor

Das Endurteil des Oberlandesgerichts München vom 23. Oktober 2012 - 18 U 2334/12 Pre - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit das Oberlandesgericht die Klage der Beschwerdeführerin auf Unterlassung der Äußerung, die Beschwerdeführerin sei eine "durchgeknallte Frau", abwies.

Die Entscheidung wird insoweit aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Der Freistaat Bayern hat der Beschwerdeführerin ein Drittel ihrer notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen ein Berufungsurteil, das der Beschwerdeführerin einen Anspruch auf Unterlassung bestimmter Äußerungen versagt. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG).

2

1. Die Beschwerdeführerin ist ehemalige Landrätin von F. und war bis September 2013 Mitglied des Bayerischen Landtages. Im Jahre 2006 forderte sie den Rücktritt des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. Ende 2006 posierte sie für das Gesellschaftsmagazin "P. A.", das die Fotostrecke in ihrer Ausgabe 1/2007 veröffentlichte. Dies nahm die B. GmbH & Co. KG, die Beklagte des Ausgangsverfahrens, zum Anlass, unter ihrer Rubrik "Post von …" auf der Internetseite "www. …" am 3. April 2007 folgenden Text zu veröffentlichen:

3

Post von …

Liebe Latex-Landrätin,

im goldenen Minikleid (ohne Höschen, weil es unfotogen durchdrückt) "begraben Sie Ihre Karriere in der P. A.", schrieb die …. Auf sechs Doppelseiten der Zeitschrift "P. A." lassen Sie sich in Domina-Posen - mit Latex-Handschuhen und gespreizten Beinen - fotografieren. Die Fotos sind klassische Pornografie. Der pornografische Voyeur lebt in der Qual, Ihnen die Kleider vom Leib zu reißen. Kein Foto löst in mir den Impuls aus, Sie zu lieben bzw. zärtliche Worte mit Ihnen zu flüstern. Kein Mann liebt eine Frau in einem Pornofilm.

Auf all diesen Fotos sind Sie angezogen, nichts Nacktes. Sie sind die Frau dazwischen. Warum machen Sie das? Warum sind Sie nach Ihrem Stoiber-Triumph nicht die brave, allein erziehende Mutter geblieben? Warum lassen Sie sich so fotografieren?

Ich sage es Ihnen: Sie sind die frustrierteste Frau, die ich kenne. Ihre Hormone sind dermaßen durcheinander, dass Sie nicht mehr wissen, was wer was ist. Liebe, Sehnsucht, Orgasmus, Feminismus, Vernunft.

Sie sind eine durchgeknallte Frau, aber schieben Sie Ihren Zustand nicht auf uns Männer.

Herzlichst

Ihr F.J. W.

4

Die Beschwerdeführerin behauptet, von dieser Veröffentlichung erst im Herbst 2011 Kenntnis erlangt zu haben. Sie behauptet weiter, die Bilder seien in der P. A. in dieser Weise nicht freigegeben worden. Sie sieht sich in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und begehrte von der Beklagten,

5

es zu unterlassen zu behaupten, zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen

a) Frau Dr. P. ist eine durchgeknallte Frau,

b) die Fotos von Frau Dr. P., die in der P. A. erschienen sind, sind klassische Pornografie,

c) im Zusammenhang mit den Fotos von Frau Dr. P., die in der P. A. erschienen sind, von "Domina-Posen", "einem Pornofilm" und "pornografischen Inhalten" zu sprechen.

6

Des Weiteren begehrte sie eine angemessene Geldentschädigung in Höhe von mindestens 5.000 €.

7

2. Das Landgericht T. verurteilte die Beklagte mit nicht angegriffenem Urteil zur begehrten Unterlassung, wies die Klage aber bezüglich der Geldentschädigung ab.

8

3. Gegen das Urteil legten beide Parteien Berufung ein. Mit angegriffenem Urteil wies das Oberlandesgericht die Berufung der Beschwerdeführerin zurück und änderte das Urteil des Landgerichts auf die Berufung der Beklagten dahingehend ab, dass es die Klage insgesamt abwies. Es ordnete die drei streitgegenständlichen Äußerungen als Werturteil ein und ließ in der Abwägung die Meinungsfreiheit der Beklagten überwiegen.

9

4. In ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Der Beitrag lasse jegliche sachliche Auseinandersetzung vermissen. Vielmehr zeichne er sich dadurch aus, dass er die Beschwerdeführerin auf ganz privater Ebene unter Bezugnahme auf ihre inneren Gedankengänge und ihr Gefühlsleben angreife und herabwürdige.

10

5. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens hat sich zu der Verfassungsbeschwerde nicht geäußert. Die Bayerische Staatsregierung hat von einer Stellungnahme abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

II.

11

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG teilweise zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

12

Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG teilweise offensichtlich begründet. Die angegriffene Entscheidung verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, soweit sie die Äußerung lit. a zulässt, die Beschwerdeführerin sei eine "durchgeknallte Frau".

13

1. Die Entscheidung berührt den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Beschwerdeführerin.

14

Das in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht ergänzt die im Grundgesetz normierten Freiheitsrechte und gewährleistet die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen (vgl. BVerfGE 54, 148 <153>). Hierzu gehört der Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen der Person, ins-besondere ihr Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken (vgl. BVerfGE 114, 339 <346> m.w.N.).

15

Die inkriminierten Äußerungen lit. a - c sind geeignet, das soziale und politische Ansehen der Beschwerdeführerin herabzusetzen, wie das Oberlandesgericht selbst zutreffend herausstellt.

16

2. Durch das Urteil des Oberlandesgerichts wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin teilweise verletzt. Soweit das Oberlandesgericht die Äußerung lit. a, die Beschwerdeführerin sei eine "durchgeknallte Frau", nicht beanstandet, hält sich dies nicht mehr im fachgerichtlichen Wertungsrahmen.

17

a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gilt nicht vorbehaltlos. Es findet seine Schranken gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in der verfassungsmäßigen Ordnung einschließlich der Rechte anderer. Zu diesen Rechten gehört auch die Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

18

Aber auch die Meinungsfreiheit ist nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern findet ihrerseits gemäß Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranken in den allgemeinen Gesetzen. Zivilrechtliche Grundlage zur Durchsetzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Wege eines Unterlassungsanspruches ist hier § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit § 823 BGB. Die Anwendung dieser verfassungsrechtlich unbedenklichen Vorschriften ist Sache der hierfür zuständigen Zivilgerichte. Doch müssen diese die betroffenen Grundrechte interpretationsleitend berücksichtigen und ihrer Bedeutung und Tragweite Rechnung tragen, damit der wertsetzende Gehalt der Grundrechte auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 114, 339 <348> m.w.N.; stRspr).

19

Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Dabei ist stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen. Dieser legt ihren Sinn aber nicht abschließend fest. Er wird vielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht und von den erkennbaren Begleitumständen, unter denen sie fällt, bestimmt. Die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils wird den Anforderungen an eine tragfähige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2009 - 1 BvR 2272/04 -, NJW 2009, S. 3016 m.w.N.).

20

Die Gerichte haben die betroffenen unterschiedlichen Interessen und das Ausmaß ihrer Beeinträchtigung zu erfassen. Die sich gegenüberstehenden Positionen sind in Ansehung der konkreten Umstände des Einzelfalls in ein Verhältnis zu bringen, das ihnen jeweils angemessen Rechnung trägt (vgl. BVerfGE 120, 180 <209> m.w.N.).

21

b) Gemessen an diesen Maßstäben hat das Oberlandesgericht die drei streitigen Äußerungen zunächst beanstandungsfrei als Meinungsäußerungen und nicht als Tatsachenbehauptungen oder Schmähkritik eingeordnet.

22

aa) Hinsichtlich der Äußerungen lit. b und c hält sich die daran anschließende Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin und der Meinungsfreiheit der Beklagten im fachgerichtlichen Wertungsrahmen und wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Von einer weiteren Begründung wird insoweit abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

23

bb) Zu beanstanden ist demgegenüber die Abwägung hinsichtlich der Äußerung lit. a, weil das Oberlandesgericht dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin ein zu schwaches Gewicht beimisst.

24

Wenn die Beschwerdeführerin von der Beklagten die Unterlassung der Äußerung "Frau Dr. P. ist eine durchgeknallte Frau" beantragt, so wendet sie sich gegen diese Äußerung als Zusammenfassung des vorangegangenen Absatzes, in dem es heißt: "Sie sind die frustrierteste Frau, die ich kenne. Ihre Hormone sind dermaßen durcheinander, dass Sie nicht mehr wissen, was wer was ist. Liebe, Sehnsucht, Orgasmus, Feminismus, Vernunft." Durch das Wort "durchgeknallt" wird dieser Absatz zusammengefasst. Das Wort "durchgeknallt" hat hier somit eine grundlegend andere Bedeutung als in dem von dem Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall "durchgeknallter Staatsanwalt" (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2009 - 1 BvR 2272/04 -, NJW 2009, S. 3016). Eine schlichte Übertragung der verfassungsrechtlichen Beurteilung jenes Falls auf den vorliegenden Fall durch den formalen Verweis auf die in beiden Fällen gefallene Bezeichnung einer Person als "durchgeknallt" scheidet so von vorneherein aus.

25

Das Oberlandesgericht übersieht die persönliche Ehre als in Art. 5 Abs. 2 GG ausdrücklich genannte Schranke, die auf zivilrechtlichem Gebiet durch die §§ 823 ff. BGB gesetzlich normiert ist (vgl. BVerfGE 33, 1 <17>). Die Beklagte verschiebt mit ihrem Text die öffentliche Auseinandersetzung um die Person der Beschwerdeführerin in dem inkriminierten Absatz hin zu rein spekulativen Behauptungen über den Kern ihrer Persönlichkeit als Privatperson. Sie stützt diese auf Beurteilungen, die thematisch den innersten Intimbereich betreffen, ohne dass diese Spekulationen irgendeinen Tatsachenkern hätten. Sie knüpfen zwar an das Verhalten der Beschwerdeführerin an, die für ein Gesellschaftsmagazin posierte und eine Serie von Fotos von sich fertigen ließ, weswegen sich die Beschwerdeführerin eine Auseinandersetzung hiermit auch gefallen lassen muss. Die von der Beklagten hieraus gezogenen Folgerungen, die sie mit den Worten "durchgeknallte Frau" zusammenfasst, haben jedoch als solche keinerlei Anknüpfungspunkt in dem Verhalten der Beschwerdeführerin. Die Beklagte zielt hier vielmehr bewusst darauf, die Beschwerdeführerin nicht nur als öffentliche Person und wegen ihres Verhaltens zu diskreditieren, sondern ihr provokativ und absichtlich verletzend jeden Achtungsanspruch gerade schon als private Person abzusprechen.

26

Angesichts dessen kann sich die Meinungsfreiheit nicht durchsetzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend um einen bewusst geschriebenen und als Verletzung gewollten Text handelt, der nicht Ausdruck einer spontanen Äußerung im Zusammenhang einer emotionalen Auseinandersetzung ist, wie es in dem von dem Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall "durchgeknallter Staatsanwalt" der Fall war (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2009 - 1 BvR 2272/04 -, NJW 2009, S. 3016), in dem es außerdem um eine strafrechtliche Verurteilung und nicht - wie hier - um einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch ging. Auch bleibt es der Beklagten unbenommen, sich - auch zugespitzt und polemisch - zu dem Verhalten der Beschwerdeführerin zu äußern. Die in den Intimbereich übergreifende Verächtlichmachung der Beschwerdeführerin durch die Beschreibung als "frustrierteste Frau", die nicht mehr wisse "was wer was ist. Liebe, Sehnsucht, Orgasmus, Feminismus, Vernunft" und ihre Bezeichnung als in diesem Sinne "durchgeknallt" ist demgegenüber mit dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Beschwerdeführerin nicht mehr vereinbar.

27

Das Oberlandesgericht hat insoweit das Ausmaß der Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Beschwerdeführerin nicht hinreichend erfasst und die sich gegenüberstehenden Positionen in Ansehung der konkreten Umstände des Einzelfalls nicht in ein Verhältnis gebracht, das dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin angemessen Rechnung trägt.

28

3. Die Entscheidung beruht auf dem aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehler und ist insoweit aufzuheben. Es ist nicht auszuschließen, dass das Oberlandesgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.

29

4. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin beruht auf § 34a Abs. 2, 3 BVerfGG.

30

5. Die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG. Das Bundesverfassungsgericht orientiert sich unter anderem auch an dem im Ausgangsverfahren festgesetzten Streitwert.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.

(2) Der Arbeitgeber ist zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 23. Dezember 2009 - 6 Sa 158/09 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um einen Entschädigungsanspruch der Klägerin wegen Diskriminierung aufgrund ihrer Rasse und ihrer ethnischen Herkunft.

2

Die im ehemaligen Jugoslawien geborene und muttersprachlich kroatisch sprechende Klägerin war von Juni 1985 bis Dezember 1990 und ist seit dem 1. Januar 1992 ununterbrochen bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Sie ist als Reinigungskraft und als Vertretung der Kassenkräfte im Schwimmbad der Beklagten eingesetzt. Über die erforderliche Kassenbefugnis verfügt die Klägerin seit mehr als 14 Jahren.

3

Im ersten Quartal 2006 forderte der Betriebsleiter des Schwimmbades (teilweise auch als Abteilungsleiter Bäder bezeichnet) N die Klägerin auf, einen Deutschkurs in der Volkshochschule auf eigene Kosten und außerhalb der Arbeitszeit zu besuchen. Dies lehnte die Klägerin ab, erklärte sich aber bereit, einen Sprachkurs zu absolvieren, wenn die Beklagte die Kosten hierfür übernimmt. Hierzu war die Beklagte nicht bereit.

4

Mit Schreiben vom 18. Mai 2006, welches der Klägerin am 22. Juni 2006 übergeben worden ist, verpflichtete der Geschäftsführer der Beklagten die Klägerin, die Anmeldung zu einem Deutschkurs nachzuweisen. Auszugsweise lautet das Schreiben:

        

„aufgrund Ihrer unzureichenden Deutschkenntnisse kommt es immer wieder zu Problemen in der Verständigung mit Kollegen, Vorgesetzten und Kunden. Es ist nicht möglich, Sie aufgabengerecht einzusetzen, wenn Sie Sachverhalte nicht verstehen, geschweige denn deuten können.

        

Sie werden hiermit verbindlich verpflichtet, uns unverzüglich die Anmeldung für einen Deutschkurs nachzuweisen, wobei wir gerne bei der Auswahl behilflich sein werden.

        

Diese Kurse werden immer wieder bei allen Volkshochschulen, auch der an Ihrem Wohnort, angeboten. Die Organisation und Anmeldung führen Sie bitte selbst durch; die Bescheinigung legen Sie bitte der Personalabteilung vor.“

5

Nach Rückkehr der Klägerin aus dem Urlaub am 17. Juli 2006 fanden am 2. August, am 10. August und am 15. August 2006 weitere Gespräche hinsichtlich des geforderten Deutschkurses statt. Während des Gesprächs vom 15. August 2006 wurde der Klägerin der Entwurf einer Abmahnung wegen der bislang unterlassenen Anmeldung zu einem Deutschkurs zum Durchlesen vorgelegt.

6

Vom 18. August 2006 bis zum 14. September 2006 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Sowohl am 15. September 2006 als auch am 18. September 2006 fanden weitere Gespräche hinsichtlich des geforderten Deutschkurses statt. In der zeitlichen Folge war die Klägerin vom 19. September 2006 bis zum 12. Oktober 2007 arbeitsunfähig erkrankt.

7

Am 20. Oktober 2007 erhielt die Klägerin eine Abmahnung wegen der unterlassenen Anmeldung zu einem Deutschkurs, welche ihr bereits im Entwurf am 15. August 2006 vorgelegt worden war, mit folgender Ergänzung vom 19. Oktober 2007:

        

„Die vorstehende Abmahnung, ursprünglich datiert auf den 17.08.2006, konnte Ihnen aufgrund Ihrer Langzeiterkrankung nicht zeitnah ausgesprochen werden.

        

Leider müssen wir feststellen, dass sich an den abzumahnenden Tatsachen auch nach über einem Jahr nichts grundlegendes geändert hat. Weder haben sich Ihre Deutschkenntnisse verbessert, noch haben Sie uns einen Nachweis vorgelegt, der Ihre derzeitige oder erfolgreich abgeschlossene Teilnahme an einem geeigneten Deutschkurs belegt. Da wir bei Ihnen keine Verhaltensänderung feststellen können, halten wir auch aus heutiger Sicht die Abmahnung für zwingend geboten.“

8

Mit Schreiben ihres damaligen Rechtsanwalts Dr. S vom 27. November 2007 ließ die Klägerin die Beklagte auffordern, die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen und die in der Abmahnung enthaltenen Äußerungen zu widerrufen. Auch ließ die Klägerin darauf hinweisen, dass sie durch die Aufforderung, einen Deutschkurs zu belegen, aufgrund ihrer Nationalität diskriminiert sei.

9

Auf dieses Schreiben erwiderte die Beklagte am 31. Januar 2008 wie folgt:

        

„Sehr geehrter Herr Dr. S,

        

hiermit teile ich Ihnen mit, dass zur Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung die gegen Ihre Mandantin, Frau K, gerichtete Abmahnung mit dem heutigen Tage aus der Personalakte entfernt worden ist. Dies geschieht nicht zuletzt auf Grund der formalrechtlichen Problematik, die in einer Aufrechterhaltung der Abmahnung liegen würde.

        

Gestatten Sie mir gleichwohl folgende Hinweise:

        

Ihre Mandantin ist nicht nur Reinigungskraft im Hallenbad, sondern gleichermaßen Kassen- und Servicekraft am Empfang des Hallenbades der Ko GmbH. Dass sie deshalb in der Lage sein muss, sich auf Deutsch zu verständigen, liegt auf der Hand. Das Problem liegt darin, dass Frau K - im Unterschied zu früher - ihre Sprachkompetenz in einem Umfang verloren hat, dass die erforderliche Verständigung mit Badegästen nicht mehr ausreichend gesichert ist. Auch die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen ist durch die Sprachproblematik der Frau K gefährdet.

        

Ich bitte Sie zu akzeptieren, dass dann - auch in einer Situation, in der Ihre Mandantin tarifrechtlich ordentlich unkündbar ist - Maßnahmen seitens des Unternehmens ergriffen werden. Diese bestanden in der Aufforderung, einen Deutschkursus zu belegen. Die - auch vom Betriebsrat befürwortete - Abmahnung war dabei nicht der erste Schritt, sondern der letzte Schritt nach verschiedensten ‚Diskussionen’ mit Frau K. Unsäglich finde ich Ihre Schlussfolgerung, dass durch diese Aufforderung die Ko GmbH Ihre Mandantin aufgrund ihrer Nationalität diskriminiert habe. Schließlich wäre auch in dem denkbaren Fall, dass ein Mitarbeiter deutscher Nationalität sich nicht auf Deutsch verständigen könnte, dieser für die Tätigkeit am Empfang des Hallenbades nicht geeignet. Auch dass es in den vergangenen 20 Jahren keine Beschwerden über Ihre Mandantin gegeben habe, entspricht nicht den Tatsachen. Tatsächlich gab es zunehmend Probleme mit Badegästen und Mitarbeitern wegen der Tatsache, dass die sprachliche Verständigung unter der Inkompetenz der Frau K gelitten hat.

        

Wir sind weiterhin der Meinung, dass diese sprachliche Verständigungsfähigkeit Grundvoraussetzung des Arbeitsplatzes Ihrer Mandantin ist. Dies bedeutet aus unserer Sicht, dass sie sich auch um die erforderlichen Deutschkenntnisse zu bemühen hat.

        

Richtig schreiben Sie, dass die Abmahnung nicht sofort erteilt wurde. Dies lag daran, dass sich die Problematik im Ganzen ‚aufgeschaukelt’ hat und außerdem aus fürsorglichen Gründen davon abgesehen wurde, eine Abmahnung in Abwesenheit der vielfach erkrankten Frau K auszusprechen. Dies war Frau K auch entsprechend mitgeteilt worden.

        

Vielleicht können Sie, sehr geehrter Herr Rechtsanwalt, auch unabhängig von juristischen Kategorien Ihrer Mandantin klar machen, dass Ihr Arbeitgeber an einer gütlichen und gleichzeitig den Unternehmenszielen dienenden Problemlösung interessiert ist. Dies würde bedeuten, dass Frau K schlicht Ihre Resistenz gegenüber der Sprache des Landes aufgibt, in dem sie sich seit mehr als 25 Jahren aufhält. Wie wir dies hinbekommen, wissen wir bisher nicht. Wir hoffen aber auf eine entsprechende Kooperativität Ihrer Mandantin.

        

Mit freundlichem Gruß

        

Ko GmbH

        

F       

        

Geschäftsführer“

10

Mit Anwaltsschreiben vom 31. März 2008 ließ die Klägerin unter Hinweis auf die Abmahnung, die Forderung nach einem Deutschkurs und das Schreiben der Beklagten vom 31. Januar 2008 auf das Bestehen einer Diskriminierung wegen ihrer Rasse und ihrer Nationalität hinweisen und forderte die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 15.000,00 Euro auf. Mit der am 30. April 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen vorliegenden Klage verfolgt die Klägerin diesen Anspruch weiter.

11

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte diskriminiere sie bewusst wegen ihrer Rasse und ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Es lägen sowohl benachteiligende Einzelmaßnahmen als auch eine Benachteiligung in Form einer Belästigung im Sinne von § 3 Abs. 3 AGG vor. Die Klägerin hat behauptet, sie sei erstmals am 20. Januar 2004 von dem Betriebsleiter N und von dem Betriebsratsmitglied P aufgefordert worden, einen Deutschkurs zu absolvieren, da sich - angeblich - das von ihr gesprochene Deutsch verschlechtert habe. Diese Aufforderung habe N bis zum Zugang des Aufforderungsschreibens vom 18. Mai 2006 am 22. Juni 2006 mindestens dreimal wiederholt. Weder diese erstmalige Aufforderung noch die zeitlich nachfolgenden Aufforderungen seien gerechtfertigt gewesen. Alle ihr übertragenen Aufgaben habe sie stets ausführen können. Beschwerden von Kunden oder Kollegen über fehlende sprachliche Fähigkeiten habe es - zumindest ihr gegenüber - nicht gegeben. Die Klägerin hat bestritten, dass sie Sprachkompetenz verloren habe. Sie hat weiter behauptet, der vierwöchigen Arbeitsunfähigkeit im August 2006 habe eine leichte Depression zugrunde gelegen. Diese Depression sei darauf zurückzuführen, dass sie ständig das Gefühl gehabt habe, jede ihrer Äußerungen werde auf sprachliche Korrektheit hin überprüft. Weiterhin hat die Klägerin vorgetragen, der Betriebsleiter N habe ihr nach Rückkehr aus dieser Arbeitsunfähigkeit im September 2006 die Kassenzuständigkeit entzogen und ihr mitgeteilt, dass sie zukünftig nur noch Kolleginnen während deren Pausen an der Kasse vertreten werde. Diese Demütigung habe stärkere Depressionen ausgelöst, die der Grund für die Erkrankung von September 2006 bis Oktober 2007 gewesen seien. Darüber hinaus hat die Klägerin behauptet, ab Oktober 2007 sei sie als einzige Reinigungskraft in der Spätschicht an zahlreichen Tagen nur noch bis 21:00 Uhr eingesetzt worden. Die zuschlagsberechtigte Arbeit zwischen 21:00 und 22:15 Uhr sei ihr ohne sachlichen Grund teilweise entzogen worden. Die Klägerin hat gemeint, da alle anderen Arbeitnehmer der Beklagten nicht aufgefordert worden seien, einen Deutschkurs zu besuchen, sei nach § 22 AGG von einer Indizwirkung für ihre diskriminierende Benachteiligung durch die Beklagte auszugehen. Bereits aus der mehr als 20 Jahre dauernden beanstandungsfreien Tätigkeit für die Beklagte folge, dass mangelnde sprachliche Fähigkeiten nicht der Grund für die getroffenen Anordnungen und Schikanen sein könnten. Auch die in dem - nach Auffassung der Klägerin beleidigenden - Schreiben der Beklagten vom 31. Januar 2008 verwendeten Formulierungen, wie die der „sprachlichen Resistenz“, belegten, dass es der Beklagten ausschließlich um Angriffe gegen die ethnische Herkunft und Rasse der Klägerin gegangen sei.

12

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie eine angemessene, in das Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

13

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Klägerin nicht diskriminiert zu haben. Das Schreiben vom 31. Januar 2008 enthalte keine diskriminierenden Äußerungen, sondern beschreibe lediglich, dass auf dem Arbeitsplatz der Klägerin unabdingbar ausreichende Deutschkenntnisse erforderlich seien, über die die Klägerin nicht - mehr - verfüge. Seit Ende 2004 habe sich bei der Klägerin eine Entwicklung eingestellt, für die der Begriff der „ausreichenden Sprachkompetenz“ verwendet worden sei. So sei die Klägerin beispielsweise nicht in der Lage, hinreichende Erklärungen zu Kassendifferenzen selbst schriftlich zu verfassen. Teilweise habe die Klägerin diese Erklärungen von anderen Mitarbeitern ausfüllen lassen, teilweise seien die von ihr selbst geschriebenen Erklärungen nicht verständlich gewesen. Auch habe sie anderen Mitarbeitern selbst einfach gelagerte Probleme nicht nachvollziehbar erklären können. Die Beklagte hat weiter behauptet, Mitarbeiter und Kunden hätten sich über die Klägerin wegen deren Sprachproblemen beschwert. Die Beklagte hat bestritten, dass sie der Klägerin die Kassenbefugnis entzogen habe. Vielmehr habe sie ihr mitgeteilt, dass sie zukünftig so wenig wie möglich an der Kasse eingesetzt werden solle. Ausdrücklich sei der Klägerin erklärt worden, dass sie zukünftig hauptsächlich als Urlaubs- und Krankheitsvertretung an der Kasse arbeiten solle. Die Beklagte hat bestritten, dass die Diskussionen um die Deutschkenntnisse der Klägerin eine Ursache für die Erkrankungen darstellten und dass bei der Klägerin Depressionen diagnostiziert worden seien. Schließlich hat die Beklagte die Auffassung vertreten, der Entschädigungsanspruch sei bereits deshalb ausgeschlossen, da die Klägerin die Klage nicht innerhalb der 3-Monats-Frist des § 61b Abs. 1 ArbGG erhoben habe. Im Schreiben vom 27. November 2007 habe die Klägerin eine Diskriminierung aufgrund ihrer Nationalität beanstandet. Folglich hätte die Klage bis Ende Februar 2008 und nicht erst, wie tatsächlich geschehen, im April 2008 erhoben sein müssen.

14

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der von dem Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Ihr steht die geltend gemachte Entschädigung nicht zu. Eine Benachteiligung wegen der Rasse oder der ethnischen Herkunft liegt nicht vor.

16

A. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und das Bestehen eines Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG abgelehnt, da die Beklagte nicht gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 AGG iVm. § 1 AGG verstoßen habe.

17

Die Klägerin habe den Tatbestand einer Benachteiligung in der Form einer Belästigung nach § 3 Abs. 3 AGG nicht hinreichend dargelegt. Das von der Klägerin als unerwünscht bezeichnete Verhalten der Beklagten - die wiederholten und nachdrücklichen Aufforderungen zum Besuch eines Deutschkurses - stehe nicht im Zusammenhang mit einem Merkmal nach § 1 AGG. Das Verhalten sei nicht aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft erfolgt. Die Herkunft der Klägerin aus dem ehemaligen Jugoslawien habe ebenso wenig für die Aufforderungen eine Rolle gespielt wie ihre kroatische Muttersprache. Die Aufforderungen seien durch die Beklagte vielmehr erfolgt, weil sie die Deutschkenntnisse der Klägerin nicht für ausreichend erachtete. Die Anknüpfung sei mithin an die Sprachkompetenz und nicht an die Ethnie der Klägerin erfolgt. Zwar könne in der Einstellungsvoraussetzung, dass die ausreichende Beherrschung der deutschen Sprache Bedingung für eine Tätigkeit sei, eine mittelbare Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft liegen, da die Mehrzahl der Betroffenen nicht deutscher Herkunft sei. Vorliegend gehe es aber nicht um eine Einstellung, sondern darum, ob die bereits beschäftigte Klägerin noch die erforderliche sprachliche Qualifikation besitze. Die Beklagte habe die Klägerin nicht schlechter als muttersprachlich deutsch sprechende Mitarbeiter behandeln wollen.

18

Aber selbst wenn ein Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Beklagten und den geschützten Merkmalen der Rasse oder der ethnischen Herkunft anzunehmen sei, wäre der Belästigungstatbestand des § 3 Abs. 3 AGG nicht verwirklicht, da die der Norm immanente Erheblichkeitsschwelle nicht überschritten sei. Zwar habe die Beklagte mit erheblicher Hartnäckigkeit versucht, die Klägerin zum Besuch eines Deutschkurses zu bewegen, allerdings sei nicht zu erkennen, dass hierdurch die Würde der Klägerin angegriffen worden sei. Das Verhalten der Beklagten habe, so unangenehm es die Klägerin auch empfunden haben möge, nicht oberhalb der bloßen Lästigkeitsschwelle gelegen.

19

B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Revision der Klägerin war daher zurückzuweisen.

20

I. Die Revision ist zulässig. Sie ist gemäß § 72 Abs. 1 ArbGG statthaft, da sie durch das Landesarbeitsgericht im Tenor des angegriffenen Urteils zugelassen worden ist. Die Revision ist gemäß § 74 Abs. 1 ArbGG frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden.

21

II. Die Revision ist nicht begründet. Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Entschädigung infolge einer Diskriminierung oder Belästigung aus Gründen der Rasse oder ethnischen Herkunft.

22

1. Der auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere ist er hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin die Höhe der von ihr begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. Diese Möglichkeit eröffnet bereits der Wortlaut von § 15 Abs. 2 AGG. Den Gerichten wird hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Hängt die Bestimmung eines Betrages vom billigen Ermessen des Gerichts ab, ist ein unbezifferter Zahlungsantrag zulässig, wenn die Klagepartei einerseits Tatsachen benennt, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrages heranziehen soll, und andererseits die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angibt (vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 466/09 - Rn. 20, EzA AGG § 15 Nr. 12; 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - Rn. 17 f., BAGE 131, 86 = AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 18, BAGE 127, 367 = AP SGB IX § 81 Nr. 15 = EzA SGB IX § 81 Nr. 17; 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - Rn. 17, AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6).

23

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin hat einen Sachverhalt dargelegt, welchen das Gericht im Rahmen der Ermessensausübung heranziehen soll und der grundsätzlich die Festsetzung einer Entschädigung, welche die Klägerin mit 15.000,00 Euro beziffert, ermöglicht.

24

2. Die Klage ist jedoch nicht begründet.

25

a) Das AGG, das am 18. August 2006 in Kraft getreten ist, findet auf den Streitfall Anwendung. Maßgeblich kommt es für die Anwendbarkeit des AGG auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung an (BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 28, EzA AGG § 15 Nr. 10; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 15 mwN, BAGE 131, 232 = AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1). In Fällen wiederholter, miteinander in einem untrennbaren Zusammenhang stehender Benachteiligungen, die einen einheitlichen Lebenssachverhalt bilden, wie etwa bei sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden andauernden Belästigungen oder einer Kette von Benachteiligungshandlungen ist die Anwendbarkeit des AGG nur ausgeschlossen, wenn alle Benachteiligungshandlungen und Belästigungen in den Zeitraum vor Inkrafttreten des AGG fallen und abgeschlossen sind. Fällt auch nur ein Benachteiligungs- oder Belästigungsakt in die Zeit nach Inkrafttreten des AGG, findet das Gesetz insgesamt Anwendung (vgl. BAG 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 18, AP AGG § 3 Nr. 3 = EzA AGG § 10 Nr. 3; Schleusener/Suckow/Voigt AGG/Suckow 3. Aufl. § 33 Rn. 4; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 33 Rn. 9; Wendeling-Schröder in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 33 Rn. 6).

26

Die unstreitigen vier mündlichen Aufforderungen durch den Betriebsleiter des Schwimmbades der Beklagten N im Zeitraum zwischen dem ersten Quartal 2006 und dem 15. August 2006, die Klägerin möge einen Deutschkurs besuchen, sowie die der Klägerin im Juni 2006 zugegangene entsprechende schriftliche Verpflichtung vom 18. Mai 2006 erfolgten zwar vor dem Inkrafttreten des AGG. Alle diese Handlungen der Beklagten hatten jeweils die Aufforderung zur Durchführung eines Deutschkurses zum Inhalt. Dies hat die Beklagte ihrer Abmahnung vom 17. August 2006, die unter dem 19. Oktober 2007 erstellt und der Klägerin im Oktober 2007 erteilt worden ist, zugrunde gelegt. Die vorausgehenden Aufforderungen stehen daher mit der Abmahnung und dem Schreiben vom 31. Januar 2008, mit welchem die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte mitgeteilt wurde (beide zeitlich nach dem Inkrafttreten des AGG), in einem untrennbaren Zusammenhang und bilden mit diesen einen einheitlichen Lebenssachverhalt. Auf diesen findet das AGG insgesamt Anwendung.

27

b) Die Klägerin unterfällt dem persönlichen Anwendungsbereich des AGG, da sie als Arbeitnehmerin der Beklagten eine Beschäftigte iSv. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG ist. Die Beklagte ist Arbeitgeberin iSv. § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG, da sie Arbeitnehmer beschäftigt.

28

c) Voraussetzung für die von der Klägerin nach § 15 Abs. 2 AGG begehrte Entschädigung in Geld wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, ist ein Verstoß der Beklagten gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 Abs. 1 AGG. Hiernach dürfen Beschäftigte (§ 6 Abs. 1 AGG) nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Die Klägerin beruft sich auf eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft.

29

Die Begriffe der Rasse und der ethnischen Herkunft definiert weder das AGG noch die diesem hinsichtlich der Merkmale der Rasse und der ethnischen Herkunft zugrunde liegende Richtlinie RL 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft. Ausweislich der Begründung des AGG-Gesetzentwurfs sind die Merkmale Rasse bzw. ethnische Herkunft in einem umfassenden Sinn zu verstehen, denn sie sollen einen möglichst lückenlosen Schutz vor ethnisch motivierten Benachteiligungen gewährleisten (BT-Drucks. 16/1780 S. 30).

30

d) Als Formen der Benachteiligung kommen die unmittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 AGG, die mittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 2 AGG, die Belästigung nach § 3 Abs. 3 AGG sowie die sexuelle Belästigung nach § 3 Abs. 4 AGG und die Anweisung zur Benachteiligung nach § 3 Abs. 5 AGG in Betracht.

31

Als Benachteiligungshandlungen benennt die Klägerin die ihr - als einziger Mitarbeiterin - mehrfach erteilten Anweisungen, einen Deutschkurs außerhalb der Arbeitszeit auf eigene Kosten zu besuchen und, hieraus resultierend, das im Oktober 2007 übergebene Abmahnungsschreiben vom 17. August 2006, den (behaupteten) Entzug der Kassenkompetenz, die (streitige) Einschränkung ihres Einsatzes im zuschlagspflichtigen Spätdienst ab 21:00 Uhr sowie den Inhalt des Schreibens vom 31. Januar 2008.

32

aa) Eine unmittelbare Benachteiligung der Klägerin nach § 3 Abs. 1 AGG ist nicht gegeben.

33

Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde, wobei die sich nachteilig auswirkende Maßnahme direkt an das verbotene Merkmal anknüpfen muss(BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - Rn. 50, EzA AGG § 22 Nr. 2; 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 - Rn. 19, AP AGG § 8 Nr. 2 = EzA AGG § 8 Nr. 2). Die benachteiligende Regelung oder Maßnahme wird hierbei unmittelbar mit einem in § 1 AGG genannten Merkmal begründet(Adomeit/Mohr KommAGG § 3 Rn. 25 f.; Schleusener/Suckow/Voigt AGG/Schleusener 3. Aufl. § 3 Rn. 1).

34

Die Aufforderungen an die Klägerin, ihre Deutschkenntnisse durch Teilnahme an einem Deutschkurs zu verbessern, die Abmahnung, welche die fortdauernde Ablehnung durch die Klägerin zum Gegenstand hatte, der (behauptete) Entzug der Kassenkompetenz, die (streitige) Einschränkung ihres Einsatzes im zuschlagspflichtigen Spätdienst ab 21:00 Uhr und das Schreiben der Beklagten vom 31. Januar 2008 knüpfen weder ausdrücklich noch verdeckt zwingend an eines der verpönten Merkmale des § 1 AGG an. Insbesondere erfolgten weder die Aufforderungen noch die Abmahnung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft der Klägerin. Die Beherrschung der deutschen Sprache in Wort und Schrift ist von einer Rasse oder Ethnie unabhängig (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 764/08 - Rn. 16, AP AGG § 3 Nr. 4 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 24). Auch Mitglieder fremder Ethnien können die deutsche Sprache fehlerfrei in Wort und Schrift beherrschen, so dass sie, wären sie anstelle der Klägerin gewesen, von den Handlungen der Beklagten nicht betroffen gewesen wären.

35

bb) Auch eine mittelbare Diskriminierung der Klägerin liegt nicht vor.

36

Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

37

Der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung setzt das Vorliegen dem Anschein nach neutraler Vorschriften, Kriterien oder Verfahren voraus. Neutral iSv. § 3 Abs. 2 AGG sind die bezeichneten Regelungen stets dann, wenn sie nicht an ein verpöntes Merkmal nach § 1 AGG unmittelbar oder verdeckt zwingend anknüpfen. Als neutrale Regelungen kommen neben allen individual- und kollektivvertraglichen Vereinbarungen auch solche Einzelmaßnahmen - etwa in Gestalt von Weisungen - in Betracht, die auf die Aufstellung oder die Anwendung einer allgemeinen Regel bzw. eines verallgemeinernden Kriteriums zurückgehen (HWK/Annuß/Rupp 4. Aufl. § 3 AGG Rn. 6; Schleusener/Suckow/Voigt AGG/Schleusener 3. Aufl. § 3 Rn. 74; vgl. auch Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 22 f., die von einseitiger Aufstellung von Maßstäben oder Voraussetzungen durch den Arbeitgeber sprechen).

38

Trotz des etwaigen Vorliegens einer Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals, ist der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung dennoch nicht verwirklicht, wenn die Maßnahme gerechtfertigt ist. Für eine Rechtfertigung bedarf es eines sachlichen Grundes für die neutrale und sich benachteiligend auswirkende Regelung. Es muss mit der Regelung ein legitimes Ziel verfolgt werden. Das Ziel muss mithin vom berechtigten Interesse des Arbeitgebers getragen sein und die Differenzierung muss zur Erreichung des Ziels geeignet, erforderlich und angemessen sein. Geeignet ist die Differenzierung bereits dann, wenn durch sie das angestrebte Ziel erreicht werden kann. Erforderlich ist sie, wenn es bei gleicher Erfolgsgeeignetheit kein milderes Mittel gibt und angemessen ist die Differenzierung, wenn aufgrund einer Zweck-Mittel-Relation die Schwere des Eingriffs im Verhältnis zur Bedeutung des Ziels zurücktritt (HWK/Annuß/Rupp 4. Aufl. § 3 AGG Rn. 10; ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 3 AGG Rn. 9).

39

Die mündlichen und schriftlichen Aufforderungen der Klägerin durch die Beklagte, auf ihre eigenen Kosten außerhalb der Arbeitszeit einen Deutschkurs zu belegen, lagen der Abmahnung vom 19. Oktober 2007 zugrunde. Hintergrund der Aufforderungen und mithin auch der Abmahnung ist die Vorgabe der Beklagten, Mitarbeiter an der Kasse müssen der deutschen Sprache in einem Umfang mächtig sein, der es gestattet, die erforderliche Kommunikation mit Gästen, Kollegen und Vorgesetzten zu führen und die betrieblich verwendeten schriftlichen „Erklärungen zur Kassendifferenz“ eigenständig und verständlich auszufüllen. In dieser allgemeinen Anforderung an das Kassenpersonal liegt eine merkmalsneutrale Vorgabe im Sinne einer Vorschrift nach § 3 Abs. 2 AGG.

40

Diese Anforderung, die deutsche Sprache in Wort und Schrift in einem bestimmten Umfang zu beherrschen, kann ausländische Arbeitnehmer in besonderer Weise gegenüber deutschen Arbeitnehmern benachteiligen. Zwar verfügen viele ausländische Arbeitnehmer - etwa weil sie im Inland bzw. im deutschsprachigen Ausland aufgewachsen sind, sich entsprechend schulen konnten oder in sonstiger Weise die entsprechenden Sprachkenntnisse erworben haben - über umfassende Deutschkenntnisse in Wort und Schrift, so dass nicht alle Ausländer von einer solchen Vorgabe gleichermaßen betroffen sind. Dies gilt aber zwangsläufig nicht für die Arbeitnehmer mit einer anderen Muttersprache, denen solche Möglichkeiten zum Erwerb der deutschen Sprachkenntnisse nicht zur Verfügung gestanden haben. Daher kann die Forderung nach dem Besuch von Deutschsprachkursen während des bestehenden Beschäftigungsverhältnisses eine mittelbare Diskriminierung von Ausländern darstellen, wenn die Forderung nach genügenden Deutschkenntnissen nicht aufgrund der (vorgesehenen) Tätigkeit sachlich gerechtfertigt ist (vgl. LAG Hamm 17. Juli 2008 - 16 Sa 544/08 - Rn. 33 ff., LAGE KSchG § 1 Nr. 14; ArbG Berlin 26. Januar 2010 - 25 Ca 282/09 - Rn. 41 ff.; ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 1 AGG Rn. 4; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 1 Rn. 14; v. Roetteken AGG Stand August 2011 § 1 Rn. 126 und 128; HWK/Annuß/Rupp 4. Aufl. § 3 AGG Rn. 11; Greßlin BB 2008, 115, 116; Herbert/Oberrath DB 2009, 2434; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 38; Wisskirchen DB 2006, 1491; KR-Pfeiffer 8. Aufl. AGG Rn. 40; Schleusener/Suckow/Voigt AGG/Schleusener 3. Aufl. § 3 Rn. 115 anders aber Schleusener/Suckow/Voigt AGG/Schleusener 3. Aufl. § 1 Rn. 45).

41

Die Forderung der Beklagten, die Klägerin möge einen Sprachkurs in deutscher Sprache besuchen, ist im Sinne von § 3 Abs. 2 AGG sachlich gerechtfertigt. Sowohl die Verfolgung eines legitimen Zwecks als auch die Geeignetheit der Maßnahme sind gegeben. Die Anweisung ist erforderlich und angemessen. Dabei ist davon auszugehen, dass die Verständigungsmöglichkeit mit den Badegästen und Kolleginnen und Kollegen für die Tätigkeit der Klägerin erforderlich ist und die von der Klägerin geleisteten Tätigkeiten den vertraglichen Vereinbarungen entsprechen und zulässigerweise angeordnet sind. Durch die Absolvierung eines Sprachkurses können - ebenso wie bei deutschsprachigen Arbeitnehmern, die zur Erfüllung der von ihnen geschuldeten Tätigkeiten eine Fremdsprache beherrschen müssen - die arbeitsnotwendigen Sprachkenntnisse vermittelt werden. Die Anweisung, einen Sprachkurs zu besuchen, war erforderlich, weil die arbeitsnotwendige Sprachkompetenz hergestellt werden kann.

42

cc) Die Anweisung, einen Deutschkurs zu absolvieren, stellt auch keine Belästigung iSd. § 3 Abs. 3 AGG dar.

43

Nach § 3 Abs. 3 AGG ist eine Belästigung eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 AGG genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Nach dem Gesetzeswortlaut bedarf es mithin sowohl einer bezweckten oder tatsächlich bewirkten Würdeverletzung als auch der Schaffung eines sog. „feindlichen Umfeldes“ als Synonym für „ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld“. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen (BAG 24. September 2009 - 8 AZR 705/08 - Rn. 29, AP AGG § 3 Nr. 2 = EzA AGG § 3 Nr. 1).

44

Der Begriff der unerwünschten Verhaltensweise ist umfassend zu verstehen. Er beinhaltet verbale und nonverbale Kommunikation gleichermaßen und kann etwa in Form von Beleidigungen, Verleumdungen, abwertenden Äußerungen, Schmierereien, körperlichen Berührungen oder Gesten zum Ausdruck kommen. Ob die Verhaltensweise unerwünscht ist, bestimmt sich nach objektiven Maßstäben, soweit nicht der Betroffene darauf hingewiesen hat, dass er das Verhalten als unerwünscht empfindet. Darüber hinaus muss das unerwünschte Verhalten mit einem verpönten Merkmal des § 1 AGG in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen(HWK/Annuß/Rupp 4. Aufl. § 3 AGG Rn. 12 ff.).

45

Schließlich muss durch die unerwünschte Verhaltensweise ein feindliches Umfeld geschaffen werden. Eine Verhaltensweise unterhalb einer bloßen Lästigkeitsschwelle, die sich in einem einzelnen Zwischenfall erschöpft, führt regelmäßig nicht zur Schaffung eines feindlichen Umfeldes.

46

Die Aufforderung durch den Arbeitgeber, einen Sprachkurs zu absolvieren, weil dieser die Sprachkenntnisse des Arbeitnehmers zur Durchführung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit für unzureichend hält, ist keine Belästigung in diesem Sinne, wenn der Sprachkurs dazu dient, arbeitsnotwendige Sprachkenntnisse zu vermitteln.

47

e) Ist der Arbeitgeber vertraglich oder tarifvertraglich verpflichtet, den Deutschkurs während der Arbeitszeit und auf seine Kosten durchführen zu lassen, ist die Weisung, einen Deutschkurs auf eigene Kosten und außerhalb der Arbeitszeit zu besuchen, zwar tarif- und/oder vertragswidrig. So sieht der TVöD zum Beispiel die Übernahme der Qualifizierungskosten durch den Arbeitgeber vor. Das berechtigt aber nicht zur Annahme einer Diskriminierung der Klägerin wegen der Rasse oder der ethnischen Herkunft.

48

Allein die Verletzung allgemeiner arbeitsvertraglicher Verpflichtungen durch den Arbeitgeber im Zusammenhang mit einer an sich nicht gegen § 7 AGG verstoßenden Maßnahme führt nicht dazu, dass diese nunmehr zu einer unzulässigen Benachteiligung iSd. § 1 AGG wird. Die Arbeitnehmerin muss in diesem Fall ihre vertraglichen oder tarifvertraglichen Rechte - notfalls auch gerichtlich - geltend machen.

49

f) Ob die Klägerin den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG auch form- und fristgerecht geltend gemacht hat, kann dahinstehen.

50

C. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Volz    

        

    Burr    

                 

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 17. Juni 2009 - 12 Sa 8/09 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Hemmung der Stufenlaufzeit im TVöD während der Inanspruchnahme von Elternzeit.

2

Die Klägerin war vom 8. September 2003 bis zum 31. Dezember 2009 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft einzelvertraglicher Vereinbarung zunächst der Bundesmanteltarifvertrag für die Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) Anwendung, seit dem 1. Oktober 2005 der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 (TVöD). Die Klägerin war in der Kostümabteilung des von der beklagten Stadt unterhaltenen Theaters tätig. Dort verrichtete sie zusammen mit etwa sieben weiteren Beschäftigten Schneiderarbeiten und Änderungsarbeiten. Bei Bedarf bügelte, wusch und reparierte sie auch Kostüme.

3

Nach der Geburt ihres zweiten Kindes und Ablauf der Mutterschutzfrist nahm die Klägerin Elternzeit vom 28. April 2005 bis zum 29. Februar 2008. Bei der Überleitung in den TVöD gruppierte die Beklagte die Klägerin tarifgerecht in die Entgeltgruppe 5 ein. Nach Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit am 1. März 2008 ordnete die Beklagte die Klägerin der Entgeltstufe 2 dieser Entgeltgruppe zu.

4

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA richtet sich der weitere Stufenaufstieg der Arbeiter nach ihrer ersten Zuordnung in das Entgeltsystem des TVöD nach den Regelungen des TVöD, die wie folgt lauten:

        

§ 15 Tabellenentgelt.

        

(1) Die/Der Beschäftigte erhält monatlich ein Tabellenentgelt. Die Höhe bestimmt sich nach der Entgeltgruppe, in die sie/er eingruppiert ist, und nach der für sie/ihn geltenden Stufe.

        

...     

        

§ 16 (VKA) Stufen der Entgelttabelle.

        

(1) 1Die Entgeltgruppen 2 bis 15 umfassen sechs Stufen. ...

        

(3) 1Die Beschäftigten erreichen - von Stufe 3 an die jeweils nächste Stufe in Abhängigkeit von ihrer Leistung gemäß § 17 Abs. 2 - nach folgenden Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeitgeber (Stufenlaufzeit):

        

-       

Stufe 2 nach einem Jahr in Stufe 1,

        

-       

Stufe 3 nach zwei Jahren in Stufe 2,

        

…       

        

§ 17 Allgemeine Regelungen zu den Stufen.

        

…       

        

(3) 1Den Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit im Sinne des ... § 16 Abs. 3 Satz 1 stehen gleich:

        

a)    

Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz,

        

b)    

Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit nach § 22 bis zu 39 Wochen,

        

c)    

Zeiten eines bezahlten Urlaubs,

        

d)    

Zeiten eines Sonderurlaubs, bei denen der Arbeitgeber vor dem Antritt schriftlich ein dienstliches bzw. betriebliches Interesse anerkannt hat,

        

e)    

Zeiten einer sonstigen Unterbrechung von weniger als einem Monat im Kalenderjahr,

        

f)    

Zeiten der vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit.

        

2Zeiten der Unterbrechung bis zu einer Dauer von jeweils drei Jahren, die nicht von Satz 1 erfasst werden, und Elternzeit bis zu jeweils fünf Jahren sind unschädlich, werden aber nicht auf die Stufenlaufzeit angerechnet. …“

5

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Elternzeit müsse auf die Stufenlaufzeit angerechnet werden. Sie habe deshalb bereits seit Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit der Stufe 3 ihrer Entgeltgruppe zugeordnet werden müssen. Nach wie vor würden Frauen, die Elternzeit nähmen, mittelbar diskriminiert, weil sie durchschnittlich Elternzeit länger in Anspruch nähmen als Männer. Längere Unterbrechungen der Berufstätigkeit führten nicht zwingend zum Verlust von Erfahrungswissen. Jedenfalls sei nicht verständlich, warum Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz, nicht aber die Elternzeit auf die Stufenlaufzeit angerechnet würden. Auch sei es nicht gerechtfertigt, dass eine Arbeitsunfähigkeit bis zu 39 Wochen anders als eine Elternzeit von gleicher Dauer für den Stufenaufstieg unschädlich sei. Ebenso wenig sei Sonderurlaub aus betrieblichen Gründen zwingend mit einem Gewinn an einschlägiger Berufserfahrung verbunden. Elternzeit könne nicht als „Nullum“ an beruflich verwertbarer Erfahrung betrachtet werden. Erfahrungen in der Erziehung vermittelten eine soziale Kompetenz, die für die konkrete Tätigkeit der Klägerin nützlich sei. Dies kompensiere auch ein Weniger an Berufserfahrung. Ohnehin habe die Klägerin während der Elternzeit zumindest teilweise ihre beruflichen Fertigkeiten fortentwickelt.

6

Die Klägerin hat zuletzt unter Klagerücknahme im Übrigen beantragt:

        

Es wird festgestellt, dass die Beklagte die Klägerin bereits ab 1. März 2008 (Wiederaufnahme der Arbeitsleistung der Klägerin nach Rückkehr aus der Elternzeit) bis zum 31. Dezember 2009 nach Stufe 3 der Entgeltgruppe 5 TVöD zu vergüten hat.

7

Sie hat weiter sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für die Monate März 2008 bis August 2008 jeweils 97,94 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu zahlen und der Klägerin für die Monate März 2008 bis August 2008 eine ordnungsgemäße Gehaltsabrechnung, basierend auf einem Gesamtbrutto-Gehalt in Höhe von 2.289,83 Euro, zu erteilen.

8

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag darauf gestützt, dass eine ununterbrochene Tätigkeit zu mehr Wissen, Arbeitspraxis und Routine führe, weswegen Arbeitsvorgänge schneller und besser erledigt werden könnten. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz mache der TVöD nur für Zeiten kürzerer Unterbrechungen, bei denen von einer Erweiterung bzw. Erhaltung des bisherigen Wissens ausgegangen werden könne. Längere Unterbrechungen der Tätigkeit führten dagegen nach allgemeiner Lebenserfahrung zu Wissenseinbußen. Eine mittelbare Diskriminierung weiblicher Arbeitnehmer erfolge dadurch nicht. Eine klare Gruppenbildung dahin, dass von der Gesamtregelung wesentlich mehr Frauen als Männer betroffen seien, sei angesichts der Vielzahl anderer schädlicher Unterbrechungstatbestände nicht möglich. Im Gegensatz zu den anderen Unterbrechungstatbeständen sei die Elternzeit mit einer Unschädlichkeitsfrist von fünf Jahren privilegiert. Jedenfalls rechtfertige das Ruhen des Arbeitsverhältnisses die Hemmung der Stufenlaufzeit.

9

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Erstmals in der Revision rügt sie eine unmittelbare Diskriminierung von Frauen, die Elternzeit beanspruchen, durch die Regelung des § 17 Abs. 3 TVöD-AT. Zwischen Elternzeit und Mutterschaft lasse sich keine eindeutige Abgrenzung finden. Es müsse sichergestellt werden, dass kein Wertungswiderspruch zu den in § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG genannten Tatbeständen der Schwangerschaft bzw. Mutterschaft auftrete.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet.

11

A. Die Feststellungsklage ist nur teilweise zulässig.

12

I. Der Eingruppierungsfeststellungsklage fehlt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, soweit der Antrag den Zeitraum vom 1. März 2008 bis zum 31. August 2008 erfasst, für den die Klägerin die Vergütungsdifferenz zwischen der von ihr erhaltenen und der begehrten Vergütung beziffert geltend macht. Sie hat nicht vorgetragen, welches über die mit der Leistungsklage verfolgten Zahlungen hinausgehende Interesse für diesen Zeitraum an der begehrten Feststellung besteht. Die Klage ist dagegen hinsichtlich der Monate September 2008 bis Dezember 2009, für die keine Überschneidung mit der Leistungsklage vorliegt, als Eingruppierungsfeststellungsklage zulässig (Senat 27. Januar 2011 - 6 AZR 578/09 - Rn. 14, 18). Das gilt ungeachtet des Umstands, dass sich diese Klage auf einen abgeschlossenen Zeitraum in der Vergangenheit bezieht (Senat in st. Rspr. seit 13. August 2009 - 6 AZR 330/08 - Rn. 13, AP BGB § 241 Nr. 4).

13

II. Die Klage ist für die Zeit der Überschneidung von Leistungs- und Feststellungsantrag auch nicht als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Die Frage, ab wann die Klägerin die begehrte Vergütung aus der Stufe 3 der Entgeltgruppe 5 verlangen kann, wirkt sich infolge ihres Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis zur Beklagten am 31. Dezember 2009 nicht mehr auf den Zeitpunkt ihres Aufstiegs in die höheren Stufen ihrer Entgeltgruppe aus. Auch unter Zugrundelegung ihrer Rechtsauffassung wäre sie erst zum 1. März 2011 in die Stufe 4 aufgestiegen. Rechtsfolgen aus der begehrten Feststellung, die über das mit der erfolgreichen Leistungsklage Erreichte hinausgehen, sind damit nicht mehr möglich (vgl. Senat 27. Januar 2011 - 6 AZR 578/09 - Rn. 15 - 17).

14

B. Die Elternzeit der Klägerin vom 28. April 2005 bis zum 29. Februar 2008 ist nach § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-AT nicht auf die Stufenlaufzeit des § 16 Abs. 3 TVöD-AT (VKA) anzurechnen. Diese Hemmung der Stufenlaufzeit ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

15

I. Die Klägerin wird durch § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-AT nicht wegen ihres Geschlechts diskriminiert. Diese Bestimmung entfaltet weder unmittelbar noch mittelbar geschlechtsdiskriminierende Wirkung.

16

1. Eine unmittelbare Diskriminierung der Klägerin wegen ihres Geschlechts liegt nicht vor.

17

a) Nur Vorschriften, die nicht gleichermaßen für Männer und Frauen gelten, können unmittelbar diskriminierende Wirkung wegen des Geschlechts entfalten (EuGH 7. Dezember 2000 - C-79/99 - [Schnorbus] Rn. 33, Slg. 2000, I-10997). § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-AT knüpft nicht an das Geschlecht, sondern an die Elternzeit an, die gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BEEG von Männern und Frauen in Anspruch genommen werden kann. Damit kann die tarifliche Regelung zur Hemmung der Stufenlaufzeit allenfalls zu einer mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung führen (vgl. v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 41).

18

b) Entgegen der Auffassung der Revision folgt aus § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG nichts anderes. Danach liegt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft und Mutterschaft vor. Der von der Revision aus dem Begriff „Mutterschaft“ über die Brücke des früher im Mutterschutzgesetz geregelten Mutterschaftsurlaubs gezogene Rückschluss, damit sei auch die Elternzeit erfasst, trägt nicht.

19

aa) Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch unterfällt in vollem Umfang dem zeitlichen Geltungsbereich des AGG. Anknüpfungszeitpunkt für die von der Klägerin behauptete Benachteiligung ist die Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit am 1. März 2008. Zu diesem Zeitpunkt galt das AGG bereits.

20

bb) Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stellt jede im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft erfolgende Schlechterstellung von Frauen eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar (EuGH 18. November 2004 - C-284/02 - [Sass] Rn. 35 f., Slg. 2004, I-11143; v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 137 mwN). Das hat Eingang in Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 3 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (RL 76/207/EWG) idF der Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG (RL 2002/73/EG) sowie später in Art. 2 Abs. 2 Buchst. c der die Richtlinie 76/207/EWG ablösenden Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (RL 2006/54/EG) gefunden (siehe nur Erwägungsgrund 23 RL 2006/54/EG). Dies beruht darauf, dass Schwangerschaft und Mutterschaft untrennbar mit dem Geschlecht verbunden sind, diese Differenzierungsmerkmale also ausschließlich Frauen nachteilig treffen können.

21

cc) Einen weitergehenden Bedeutungsinhalt hat § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG nicht. Der nationale Gesetzgeber wollte damit unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH lediglich klarstellen, dass eine unmittelbare Benachteiligung auch dann vorliegt, wenn die Unterscheidung wegen eines Merkmals erfolgt, das mit dem Geschlecht in untrennbarem Zusammenhang steht. Er hat angenommen, dass dies für die Situation von „Schwangerschaft und Mutterschaft“ einer Frau der Fall ist (BT-Drucks. 16/1780 S. 32). § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG geht also nicht über die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben hinaus(v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 149; vgl. auch Wendeling-Schröder/Stein AGG § 1 Rn. 25).

22

dd) Aus Art. 11 Abs. 2 des 1985 ratifizierten UN-Übereinkommens vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau - CEDAW - (BGBl. 1985 II S. 648) folgt entgegen der Auffassung der Revision nichts anderes.

23

Art. 11 Abs. 2 CEDAW bestimmt:

        

„Um eine Diskriminierung der Frau wegen Eheschließung oder Mutterschaft zu verhindern und ihr ein wirksames Recht auf Arbeit zu gewährleisten, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen

        

a)    

zum - mit der Androhung von Sanktionen verbundenen - Verbot der Entlassung wegen Schwangerschaft oder Mutterschaftsurlaub sowie der Diskriminierung aufgrund des Familienstands bei Entlassungen;

        

b)    

zur Einführung des bezahlten oder mit vergleichbaren sozialen Vorteilen verbundenen Mutterschaftsurlaubs ohne Verlust des bisherigen Arbeitsplatzes, des Dienstalters oder sozialer Zulagen;

        

...“   

        
24

Auch diese Verpflichtungen - die im Übrigen die Bundesrepublik Deutschland und nicht die Tarifvertragsparteien treffen - beziehen sich nur auf Schwangerschaft und Mutterschaftsurlaub, nicht dagegen auf die hier allein streitbefangenen Nachteile durch die Inanspruchnahme von Elternzeit.

25

2. § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-AT führt auch nicht zu einer nach § 7 Abs. 1, Abs. 2 AGG iVm. §§ 1, 3 Abs. 2 AGG untersagten mittelbaren Diskriminierung von Frauen, die Elternzeit in Anspruch nehmen.

26

a) Die Klägerin hat eine mittelbare Diskriminierung bereits nicht hinreichend dargelegt.

27

aa) Für die Annahme einer mittelbaren Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 2 AGG ist nicht zwingend ein statistischer Nachweis erforderlich, dass Träger eines der Merkmale des § 1 AGG zahlenmäßig wesentlich stärker von einer Vorschrift benachteiligt werden als Personen, bei denen dieses Merkmal nicht vorliegt. Mittelbare Diskriminierungen können statistisch nachgewiesen werden, können sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. Eine derartige Auslegung des § 3 Abs. 2 AGG entspricht dem unionsrechtlichen Gebot des effet utile. Eine mittelbare Diskriminierung ist danach gegeben, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften ihrem Wesen nach geeignet sind, Personen oder Personengruppen aus den in § 1 AGG genannten Gründen in besonderer Weise zu benachteiligen. Dies kann der Fall sein, wenn Vorschriften im wesentlichen oder ganz überwiegend Personen, die eines der verpönten Merkmale erfüllen, betreffen, wenn sie an Voraussetzungen knüpfen, die von Personen, die von § 1 AGG nicht erfasst sind, leichter erfüllt werden oder wenn sich die Tatbestandsvoraussetzungen einer Norm besonders zum Nachteil von Personen, für die ein Merkmal des § 1 AGG gilt, auswirken(Senat 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 20 f. mwN, AP GG Art. 3 Nr. 322 = EzTöD 320 TVÜ-VKA § 5 Abs. 2 Ortszuschlag Nr. 20).

28

bb) Zur Feststellung dieser Voraussetzungen sind Vergleichsgruppen zu bilden, die dem persönlichen Geltungsbereich der Differenzierungsregel entsprechend zusammengesetzt sind. Bei Tarifverträgen ist deshalb auf den gesamten Kreis der von der fraglichen Bestimmung erfassten Normunterworfenen abzustellen (für Gesetze siehe EuGH 30. November 1993 - C-189/91 - [Kirsammer-Hack] Slg. 1993, I-6185; allgemein 13. Januar 2004 - C-256/01 - [Allonby] Rn. 73 f., Slg. 2004, I-873). Der Gesamtheit der Personen, die von der Regelung erfasst werden, ist die Gesamtheit der Personen gegenüber zu stellen, die durch die Regelung benachteiligt werden. Im Vergleich dieser Gruppen ist zu prüfen, ob die Träger eines Merkmals des § 1 AGG im oben genannten Sinn besonders benachteiligt sind(vgl. Schiek Anm. zu Senat 3. April 2004 - 6 AZR 633/01 - AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 185; dies. Frauengleichstellungsgesetze des Bundes und der Länder 2. Aufl. Rn. 36, 929).

29

cc) Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass durch § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-AT weibliche Beschäftigte, die Elternzeit in Anspruch nehmen, im Vergleich zu anderen Beschäftigten, bei denen wegen Unterbrechungen in der tatsächlichen Tätigkeit die Stufenlaufzeit ebenfalls gehemmt wird, in besonderer Weise nachteilig betroffen sind.

30

§ 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-AT erfasst nicht nur weibliche Beschäftigte, die Elternzeit nehmen, sondern unabhängig von ihrem Geschlecht auch alle Beschäftigten, denen Sonderurlaub aus privaten Gründen bewilligt worden ist, die eine Rente auf Zeit beziehen, weswegen gemäß § 33 Abs. 2 Satz 6 TVöD-AT das Arbeitsverhältnis ruht, oder die arbeitsunfähig erkrankt sind, ohne dass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b TVöD-AT erfüllt sind. Weder hat das Landesarbeitsgericht festgestellt noch hat die Klägerin behauptet, dass weibliche Beschäftigte, die Elternzeit beanspruchen, deutlich stärker, sei es überproportional häufig oder materiell besonders gravierend, durch die Hemmung der Stufenlaufzeit betroffen werden als der übrige von § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-AT erfasste Personenkreis. Dies ist auch nicht offenkundig. Immerhin haben die Tarifvertragsparteien bei der Elternzeit einen Zeitraum von fünf Jahren als lediglich hemmend angesehen, während bei den übrigen Unterbrechungstatbeständen gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT bereits nach drei Jahren eine Rückstufung erfolgt.

31

b) Die Hemmung der Stufenlaufzeit durch § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-AT führt aber auch dann nicht zu einer unzulässigen mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung, wenn nur auf die von dieser Vorschrift erfasste Teilgruppe der Beschäftigten, die Elternzeit beanspruchen, abgestellt wird. Dabei kann aufgrund der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zugunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, dass Frauen von Nachteilen durch die Inanspruchnahme von Elternzeit immer noch stärker getroffen werden als Männer, weil insbesondere die Dauer der von Männern genommenen Elternzeit deutlich kürzer ist als die von Frauen.

32

aa) Der Aufstieg aus der Stufe 2 in die Stufe 3 der Entgeltgruppe erfolgt unabhängig von der Leistung des Beschäftigten nach zwei Jahren. Erst ab der Stufe 3 kann gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 TVöD-AT (VKA) iVm. § 17 Abs. 2 TVöD-AT leistungsabhängig eine Verkürzung oder Verlängerung der Stufenlaufzeit erfolgen. Die Kriterien dafür, ob eine nach § 7 Abs. 1, Abs. 2 AGG iVm. §§ 1, 3 Abs. 2 AGG verbotene mittelbare Geschlechtsdiskriminierung vorliegt, sind deshalb nicht Art. 157 AEUV zu entnehmen, sondern der durch das AGG umgesetzten RL 76/207/EWG idF der RL 2002/73/EG bzw. für die Ansprüche seit dem 15. August 2009 der RL 2006/54/EG. Letzten Endes verwehrt § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-AT den Elternzeitern nicht den Stufenaufstieg, sondern verzögert ihn nur. Es geht also nicht um das „ob“ des Stufenaufstiegs, sondern dessen „wann“. Eine derartige Präzisierung der Bedingungen des Zugangs zu einer höheren Stufe der beruflichen Rangordnung unterfällt dem Anwendungsbereich der RL 76/207/EWG bzw. der RL 2006/54/EG (vgl. für den Bewährungsaufstieg nach § 23a BAT-O EuGH 18. November 2004 - C-284/02 - [Sass] Rn. 30 f., Slg. 2004, I-11143 in Abgrenzung zur Entscheidung vom 7. Februar 1991 - C-184/89 - [Nimz] Rn. 9 f., Slg. 1991, I-297). Darüber hinaus sind etwaige weitergehende Vorschriften des nationalen Rechts heranzuziehen.

33

bb) Das Verbot mittelbarer Diskriminierung ist eine besondere Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes, wonach gleiche Sachverhalte nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandelt werden dürfen. Eine mittelbare Diskriminierung kann daher nur vorliegen, wenn die benachteiligten und die begünstigten Personen vergleichbar sind (EuGH 12. Oktober 2004 - C-313/02 - [Wippel] Rn. 55 f., Slg. 2004, I-9483; vgl. auch 16. Juli 2009 - C-537/07 - [Gómez-Limón] Rn. 56, Slg. 2009, I-6525; v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 15, 181 mwN).

34

(1) Die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis während der Elternzeit unter Suspendierung der wechselseitigen Hauptpflichten ruht, und die aktiven Beschäftigten sind grundsätzlich nicht vergleichbar (vgl. EuGH 21. Oktober 1999 - C-333/97 - [Lewen] Rn. 37, Slg. 1999, I-7243; 16. Juli 2009 - C-537/07 - [Gómez-Limón] Rn. 57, Slg. 2009, I-6525). Die Elternzeit darf darum bei Entgeltbestandteilen, die auf das aktive Arbeitsverhältnis abstellen, anspruchsmindernd berücksichtigt werden (vgl. EuGH 21. Oktober 1999 - C-333/97 - [Lewen] Rn. 38, aaO; BAG 20. April 2010 - 3 AZR 370/08 - Rn. 30 mwN, EzA GG Art. 3 Nr. 109; 21. Mai 2008 - 5 AZR 187/07 - Rn. 25, BAGE 126, 375). Der Stufenaufstieg im TVöD knüpft in rechtlich zulässiger Weise an den Erfahrungsgewinn im aktiven Arbeitsverhältnis. Bereits deswegen führt die Hemmung der Stufenlaufzeit für die Dauer der Elternzeit im Ausgangspunkt nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung (v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 40).

35

Der Stufenaufstieg im Entgeltsystem des TVöD soll die gewonnene Berufserfahrung honorieren. Die Tarifvertragsparteien sind davon ausgegangen, dass die Beschäftigten durch die Ausübung der ihnen übertragenen Tätigkeit laufend Kenntnisse und Erfahrungen sammeln, die die Arbeitsqualität und -quantität verbessern (Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Januar 2011 § 16 [VKA] Rn. 13 f.). Erfahrungswissen kann auch nach längerer Dauer des Arbeitsverhältnisses noch wachsen (BAG 21. Mai 2008 - 5 AZR 187/07 - Rn. 25, BAGE 126, 375). Diese Annahme einer Produktivitätssteigerung durch Erfahrungsgewinn entspricht der Lebenserfahrung (vgl. BAG 21. Oktober 1992 - 4 AZR 73/92 - zu III 2 c aa der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Milch-Käseindustrie Nr. 1 = EzA TVG § 4 Milchindustrie Nr. 1; vgl. auch 4. Mai 2010 - 9 AZR 184/09 - Rn. 45, AP BAT-O § 23a Nr. 4) und steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, wonach Berufserfahrung Arbeitnehmer befähigt, ihre Arbeit besser zu verrichten (EuGH 3. Oktober 2006 - C-17/05 - [Cadman] Rn. 34 f., Slg. 2006, I-9583).

36

In der Zeit, in der das Arbeitsverhältnis wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit unter Suspendierung der beiderseitigen Hauptpflichten ruht, wird keine Berufserfahrung gewonnen. Die Tarifvertragsparteien durften darum regeln, dass der Arbeitgeber für die Zeit, in der das Arbeitsverhältnis ruht, auch keine indirekten Leistungen durch die Anrechnung dieser Zeit auf die Stufenlaufzeit erbringen muss (vgl. BAG 18. Juni 1997 - 4 AZR 647/95 - AP BAT § 23b Nr. 3 = EzA EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 49). Die Tarifvertragsparteien haben auf die konkrete Tätigkeit am zugewiesenen Arbeitsplatz und nicht auf den unbestrittenen Zuwachs an allgemeiner Lebenserfahrung, sozialer Kompetenz und Organisationsfähigkeit durch Mutterschaft und Erziehung von Kindern abgestellt, auf den die Klägerin verweist. Der Zuwachs an solchen Fähigkeiten wird nach dem ihre Einschätzungsprärogative nicht überschreitenden Willen der Tarifvertragsparteien bei der Stufenlaufzeit nicht berücksichtigt.

37

(2) Differenzierungskriterium in § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-AT ist im Übrigen nicht das Geschlecht, sondern das Ruhen des Arbeitsverhältnisses und das damit verbundene Fehlen eines Zuwachses an Erfahrungswissen. Das sind objektive Kriterien ohne Bezug zu einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, die die Nichtberücksichtigung der Elternzeit bei der Stufenlaufzeit zulassen (vgl. EuGH 21. Oktober 1999 - C-333/97 - [Lewen] Rn. 37 f., Slg. 1999, I-7243; BAG 21. Mai 2008 - 5 AZR 187/07 - Rn. 25, BAGE 126, 375; 18. Juni 1997 - 4 AZR 647/95 - zu II 2 d der Gründe, AP BAT § 23b Nr. 3 = EzA EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 49; 9. November 1994 - 10 AZR 3/94 - zu II 2 a der Gründe, AP BAT § 23a Nr. 33 = EzA BAT § 23a Nr. 3; Senat 10. November 1994 - 6 AZR 486/94 - BAGE 78, 264, 271; vgl. auch BFH 5. Dezember 2000 - VII R 18/00 - zu II 2 der Gründe, BFHE 193, 234 für die fehlende Anrechnung des Erziehungsurlaubs auf die nach § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG vorgeschriebene Dauer einer berufspraktischen Tätigkeit).

38

cc) Allerdings wäre die Gleichstellung der Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit ruht, und der aktiven Beschäftigten anzunehmen, wenn es Vorschriften gäbe, die bei einer Fortsetzung der Berufstätigkeit nach Beendigung der Elternzeit ungeachtet des grundsätzlichen Unterschiedes zwischen ruhendem und aktivem Arbeitsverhältnis die Fiktion des Erwerbs von Berufserfahrung während der Elternzeit geböten (vgl. zur Anrechnung des Wochenurlaubs nach § 244 AGB-DDR auf die Beschäftigungszeit für den Fall, dass es sich dabei um einen gesetzlichen Urlaub zum Schutz der Frau nach der Entbindung gehandelt hätte EuGH 18. November 2004 - C-284/02 - [Sass] Rn. 48, Slg. 2004, I-11143; v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 37 ff., 160). Derartige Bestimmungen finden sich jedoch weder im Unions- noch im nationalen Recht.

39

(1) Das Unionsrecht verlangt allerdings in Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 2 RL 76/207/EWG idF der RL 2002/73/EG sowie in Art. 15 RL 2006/54/EG die Anrechnung des Mutterschaftsurlaubs auf Beschäftigungszeiten(vgl. für die Zeit vor Inkrafttreten dieser Richtlinien bereits EuGH 21. Oktober 1999 - C-333/97 - [Lewen] Rn. 41 f., Slg. 1999, I-7243). Dieser Urlaub bezweckt den Schutz der körperlichen Verfassung der Frau während und nach der Schwangerschaft sowie der besonderen Beziehung von Mutter und Kind während der Zeit unmittelbar nach der Entbindung (EuGH 14. April 2005 - C-519/03 - [Kommission/Luxemburg] Rn. 32, Slg. 2005, I-3067). Demselben Zweck dienen die Schutzfristen nach dem MuSchG (vgl. Senat 16. Juni 2005 - 6 AZR 108/01 - BAGE 115, 113), die Art. 8 RL 92/85/EWG ins nationale Recht umsetzen(vgl. BT-Drucks. 13/2763 S. 9; BT-Drucks. 14/8525 S. 8). Diese Zeiten werden nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. a TVöD-AT auf die Stufenlaufzeit angerechnet und sind nicht streitbefangen.

40

(2) Die Anrechnung der Elternzeit auf die Stufenlaufzeit im Entgeltsystem des TVöD ist dagegen unionsrechtlich nicht geboten. Nach Paragraph 2 Nr. 6 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub im Anhang zur Richtlinie 96/34/EG des Rates vom 3. Juni 1996 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Elternurlaub bleiben die Rechte, die der Arbeitnehmer zu Beginn des Elternurlaubs erworben hatte oder dabei war zu erwerben, bis zum Ende des Elternurlaubs bestehen. Im Anschluss an den Elternurlaub finden diese Rechte mit den Änderungen Anwendung, die sich aus den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder Gepflogenheiten ergeben.

41

(a) Diese Bestimmung verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht, den Arbeitnehmern während der Zeit des Elternurlaubs zu garantieren, dass sie Rechte auf künftige Leistungen des Arbeitgebers in demselben Umfang erwerben, als ob sie weiterhin eine (Vollzeit-)Tätigkeit ausgeübt hätten (vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-537/07 - [Gómez-Limón] Rn. 40, 43, Slg. 2009, I-6525; BAG 20. April 2010 - 3 AZR 370/08 - Rn. 47, EzA GG Art. 3 Nr. 109). Es muss lediglich sichergestellt sein, dass die Rechte, die der Arbeitnehmer bei Antritt des Elternurlaubs bereits erworben hatte oder dabei war, zu erwerben, bis zum Ende des Elternurlaubs bestehen bleiben und sich der Arbeitnehmer im Anschluss an den Elternurlaub im Hinblick auf diese Rechte in derselben Situation befindet wie vor dem Urlaub (EuGH 22. Oktober 2009 - C-116/08 - [Meerts] Rn. 38 f., Slg. 2009, I-10063). Alle übrigen Regelungen hinsichtlich des Status des Arbeitsverhältnisses während des Elternurlaubs überlässt Paragraph 2 Nr. 7 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub den Mitgliedstaaten und/oder den Sozialpartnern. Dazu gehört auch die Frage, ob und inwieweit ein Arbeitnehmer, der Elternurlaub beansprucht, während der Dauer des Elternurlaubs weiterhin Anwartschaften oder sonstige Ansprüche gegen seinen Arbeitgeber erwirbt.

42

(b) § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-AT genügt diesen Anforderungen. Die vor Beginn der Elternzeit absolvierte Stufenlaufzeit bleibt erhalten, nur ihr weiterer Ablauf wird für die Zeit der Unterbrechung gehemmt und setzt nach Wiederaufnahme der Tätigkeit nahtlos wieder ein (Fieberg GKÖD Stand Dezember 2010 § 17 TVöD/TV-L Rn. 35; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Januar 2011 § 17 Rn. 32). Damit befinden sich die Beschäftigten im Anschluss an die Elternzeit im Hinblick auf die Stufenlaufzeit in derselben Situation wie vor der Elternzeit. Ob auch § 17 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT, wonach bei Elternzeiten von mehr als fünf Jahren eine Rückstufung erfolgt, mit Paragraph 2 Nr. 6 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub vereinbar ist, hatte der Senat nicht zu entscheiden.

43

(3) Auch Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 2 und 3 RL 76/207/EWG idF der RL 2002/73/EG bzw. Art. 16 der diese mit Wirkung zum 15. August 2009 ersetzenden RL 2006/54/EG lässt sich kein Anspruch auf eine Fiktion der Berufserfahrung während der Dauer der Elternzeit und damit der Anrechnung dieser Zeit auf die Stufenlaufzeit entnehmen. Nach diesen Bestimmungen bleibt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, Vaterschaftsurlaub und/oder Adoptionsurlaub anzuerkennen. Haben sie derartige Rechte zugebilligt, müssen sie sicherstellen, dass den Arbeitnehmern nach ihrer Rückkehr an ihren Arbeitsplatz alle Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, auf die sie während ihrer Abwesenheit Anspruch gehabt hätten, zugute kommen.

44

(a) Aus diesen Bestimmungen folgt nicht, dass Beschäftigte nach ihrer Rückkehr aus der Elternzeit Anspruch auf Gleichstellung mit den Beschäftigten haben, die durch ihre aktive Tätigkeit Berufserfahrung gewonnen haben. Die für den Vaterschafts- und Adoptionsurlaub geltenden Normen in den RL 76/207/EWG und 2006/54/EG sind nicht auf den Elternurlaub und damit nicht auf die Elternzeit nach § 15 BEEG zu übertragen. Sie erfassen ausschließlich Arbeitnehmer, die aus dem Männern vorbehaltenen Vaterschaftsurlaub bzw. dem Adoptionsurlaub zurückkehren. Vaterschafts- und Adoptionsurlaub kennt das deutsche Recht nicht. Das Unionsrecht verpflichtet die Mitgliedstaaten auch nicht dazu, diese Institute zu schaffen. Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 3 RL 76/207/EWG und Art. 16 RL 2006/54/EG haben daher für das deutsche Recht aktuell keine Bedeutung(aA v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 40 f., 157, 160 f., 324; ders. Anm. zu EuGH 22. Oktober 2009 - C-116/08 - [Meerts] jurisPR-ArbR 49/2009 Anm. 1 unter D; ders. BGleiG § 15 BGleiG Stand Oktober 2010 Rn. 10a, 62a).

45

(aa) Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 3 RL 76/207/EWG bezieht sich nur auf den Vaterschafts- und Adoptionsurlaub, nicht aber auch auf den Eltern- und Mutterschaftsurlaub (aA möglicherweise v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 155). Nur Vaterschafts- bzw. Adoptionsurlaub können von den Mitgliedstaaten anerkannt werden, während Eltern- und Mutterschaftsurlaub für Arbeitnehmer im nationalen Recht zwingend vorzusehen sind. Etwaige Zweifel am Verständnis dieser Norm sind jedenfalls durch die RL 2006/54/EG geklärt. Nach Art. 15 bzw. Art. 16 dieser Richtlinie haben nur die Arbeitnehmer, die aus dem Mutter- oder Vaterschaftsurlaub bzw. dem Adoptionsurlaub zurückkehren, Anspruch auf die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, auf die sie während ihrer Abwesenheit Anspruch gehabt hätten. Art. 16 RL 2006/54/EG übernimmt unverändert Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 zweiter Teil der RL 76/207/EWG, soweit dieser festgelegt hat, dass das Recht der Mitgliedstaaten unberührt bleibt, eigene Rechte auf Vaterschafts- und/oder Adoptionsurlaub anzuerkennen (Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen vom 21. April 2004 KOM (2004) 279 endgültig S. 31). Nach der Entsprechungstabelle im Anhang II der RL 2006/54/EG entspricht Art. 16 (nur) der früheren Bestimmung in Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Sätze 2 und 3, während Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 1 RL 76/207/EWG sich nunmehr in Art. 28 Abs. 2 RL 2006/54/EG wiederfindet. Soweit in Art. 16 Satz 2 RL 2006/54/EG - auf den ersten Blick irritierend - von „männlichen und weiblichen Arbeitnehmern“ die Rede ist, erklärt sich dies daraus, dass Art. 16 auch den Adoptionsurlaub erfasst. Dieser wiederum kommt für Männer und Frauen in Betracht (vgl. Erwägungsgrund 27 RL 2006/54/EG).

46

(bb) Das Unionsrecht verwendet die Begrifflichkeiten „Mutterschaftsurlaub“, „Vaterschaftsurlaub“, „Adoptionsurlaub“ und „Elternurlaub“. Der Elternurlaub ist sowohl nach dem Kreis der Personen, die ihn in Anspruch nehmen können, als auch hinsichtlich Dauer und Zeitraum seiner Inanspruchnahme sowie der mit ihm verfolgten Zwecke streng vom Mutterschafts-, Vaterschafts- und Adoptionsurlaub zu unterscheiden.

47

(aaa) Mutterschaftsurlaub iSv. Art. 8 RL 92/85/EWG sind die 14 Wochen vor und/oder nach der Entbindung, die der Mutter als Arbeitsbefreiung zu gewähren sind. Dieser Urlaub kann begriffsnotwendig nur von Frauen in Anspruch genommen werden. Er dient wie ausgeführt dem Schutz der körperlichen Verfassung der Frau während und nach der Schwangerschaft sowie dem Schutz der besonderen Beziehung zwischen der Mutter und ihrem Kind während der Zeit unmittelbar nach der Entbindung.

48

(bbb) Vaterschaftsurlaub ist im unionsrechtlichen Kontext ein individuelles, nicht übertragbares Recht männlicher Arbeitnehmer, das nach der Geburt oder Adoption eines Kindes unter Wahrung der bestehenden arbeitsbezogenen Rechte gleichzeitig mit dem Mutterschaftsurlaub in Anspruch genommen werden kann (vgl. Ziff. 2b i der Entschließung des Rates und der im Rat Vereinigten Minister für Beschäftigung und Sozialpolitik vom 29. Juni 2000 über eine ausgewogene Teilhabe von Frauen und Männern am Berufs- und Familienleben, ABl. EG C 218 vom 31. Juli 2000 S. 5; vgl. auch Erwägungsgrund 13 RL 2002/73/EG und Erwägungsgrund 26 RL 2006/54/EG). Dieser Urlaub korrespondiert mit dem Mutterschaftsurlaub. Es handelt sich um einen kurzen Urlaub für Väter zur Zeit der Geburt bzw. Adoption eines Kindes (3.1 der Mitteilung der Kommission vom 3. Oktober 2008 an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Bessere Work-Life-Balance). Dadurch soll der Vater ab der Geburt eines Kindes in die häuslichen und familiären Verpflichtungen eingebunden werden (3.2 des Berichts der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zur Gleichstellung von Frauen und Männern - 2007 vom 7. Februar 2007).

49

Bisher gibt es bezüglich des Vaterschaftsurlaubs noch keine unionsrechtlichen Rechtsvorschriften (Erwägung C der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Februar 2010 zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Europäischen Union - 2009, ABl. EU C 341E vom 16. Dezember 2010 S. 35). Das Europäische Parlament hat in Nr. 23 der Entschließung vom 10. Februar 2010 die Notwendigkeit unterstrichen, de lege ferenda die Frage des Vaterschaftsurlaubs „anzugehen“ und die Kommission ersucht, jeden Vorstoß zu unterstützen, der dazu diene, einen Vaterschaftsurlaub auf europäischer Ebene einzuführen. Es hat dabei die Auffassung vertreten, Mutterschafts- und Vaterschaftsurlaub müssten dergestalt verknüpft werden, dass die in der Gesellschaft vorherrschenden Klischeevorstellungen in Bezug auf die Inanspruchnahme dieses Urlaubs bekämpft würden. De lege lata erkennt das Unionsrecht in Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 2 RL 76/207/EWG bzw. in Art. 16 RL 2006/54/EG lediglich die bestehenden nationalen Regelungen über Vaterschaftsurlaub an und setzt dafür rechtliche Mindestbedingungen. Derartige Regelungen bestehen etwa in Frankreich, Großbritannien und Schweden (Rüling/Kassner Familienpolitik aus der Gleichstellungsperspektive - Ein europäischer Vergleich S. 97 bis 99), nicht dagegen in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Hadeler NZA 2003, 77, 80; Rüling/Kassner aaO S. 95).

50

(ccc) Adoptionsurlaub ist eine neue Urlaubsform, die wie der Vaterschaftsurlaub bisher keine unionsrechtliche Ausgestaltung erfahren hat (siehe nur 2.1 des Vorschlags der Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Durchführung der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub und zur Aufhebung der RL 96/34/EG und 2 des Vorschlags für eine Richtlinie zur Änderung der RL 92/85/EWG). Nach dem Verständnis der Kommission soll dieser wie Mutterschutzurlaub zur Zeit der Adoption eines Kindes gewährt werden (3.1 der Mitteilung der Kommission vom 3. Oktober 2008 an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Bessere Work-Life-Balance). Auch diesen Urlaub gibt es bisher im deutschen Recht nicht.

51

(ddd) Demgegenüber ist der Elternurlaub ein seit langem im Unionsrecht anerkanntes Institut. Gemäß Paragraph 2 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub kann er von erwerbstätigen Männern und Frauen im Fall der Geburt oder der Adoption eines Kindes genommen werden, damit sie sich mindestens drei Monate um dieses Kind kümmern können. Gemäß Art. 28 Abs. 2 RL 2006/54/EG bleibt dieser Urlaub von den Bestimmungen der Gleichbehandlungsrichtlinie unberührt. Ungeachtet des Art. 16 der RL 2006/54/EG kann also nach wie vor im Falle der Adoption eines Kindes Elternurlaub genommen werden. Damit ist nach den eindeutigen unionsrechtlichen Bestimmungen zu unterscheiden zwischen Elternurlaub, der wegen der Adoption eines Kindes genommen wird einerseits und Adoptionsurlaub, der - bei Bestehen entsprechender Regelungen im nationalen Recht - wegen der Adoption eines Kindes beansprucht wird.

52

Elternurlaub soll gemäß der Präambel der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub die Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben und die Chancengleichheit von Männern und Frauen fördern. Die Rahmenvereinbarung legt Mindestanforderungen und Vorschriften für einen vom Mutterschutz getrennten Elternurlaub fest (Erwägungsgrund 9). Dieser Urlaub muss nicht im zeitlichen Zusammenhang mit dem Mutterschaftsurlaub genommen werden, sondern kann bis zu einem Alter von acht Jahren des Kindes beansprucht werden.

53

(cc) Auch in Paragraph 5 Nr. 2 der Neufassung der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub aus dem Jahr 2009 im Anhang der Richtlinie 2010/18/EU des Rates vom 8. März 2010 zur Durchführung der von BUSINESSEUROPE, UEAPME, CEEP und EGB geschlossenen überarbeiteten Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub und zur Aufhebung der Richtlinie 96/34/EG ist wie bisher in Paragraph 2 Nr. 6 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub lediglich vorgesehen, dass erworbene Rechte und Anwartschaften erhalten bleiben. Einen Anspruch auf die Anrechnung von Zeiten des Elternurlaubs als Beschäftigungszeit sieht auch die überarbeitete Rahmenvereinbarung über Elternurlaub nicht vor. Es stünde jedoch in unauflöslichem Widerspruch, wenn einerseits in Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 1 RL 76/207/EWG bzw. in Art. 28 Abs. 2 RL 2006/54/EG bestimmt wird, dass die Richtlinien zum Elternurlaub und Mutterschutz unberührt bleiben, andererseits aber die Gleichbehandlungsrichtlinie weit darüber hinausgehende Ansprüche der Elternurlauber vorsähe.

54

(dd) Dementsprechend ist unter den Beispielen für Diskriminierungen in Art. 9 RL 2006/54/EG unter Buchst. g lediglich die Unterbrechung der Aufrechterhaltung oder des Erwerbs von Ansprüchen während eines gesetzlich oder tarifvertraglich festgelegten Mutterschutzurlaubs oder Urlaubs aus familiären Gründen, der vom Arbeitgeber bezahlt wird, aufgeführt. Zeiten des (unbezahlten) Elternurlaubs iSd. Rahmenvereinbarung über Elternurlaub sind nicht genannt.

55

(b) Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV zur Reichweite von Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 3 RL 76/207/EWG bzw. Art. 16 RL 2006/54/EG bedurfte es nicht(aA v. Roetteken Anm. zu EuGH 22. Oktober 2009 - C-116/08 - [Meerts] jurisPR-ArbR 49/2009 Anm. 1).

56

(aa) Ist die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel auch unter Berücksichtigung der Eigenheiten dieses Rechts, der besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und der Gefahr voneinander abweichender Entscheidungen innerhalb der Europäischen Union keinerlei Raum verbleibt, ist eine Vorlage auch durch ein letztinstanzliches Gericht wie das Bundesarbeitsgericht entbehrlich. Ob ein sog. „acte clair“ vorliegt, bleibt allein der Beurteilung des nationalen letztinstanzlichen Gerichts überlassen (EuGH 6. Oktober 1982 - C-283/81 - [CILFIT] Rn. 16 ff., Slg. 1982, I-3415; 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 33, 37, Slg. 2005, I-8151).

57

(bb) Die Voraussetzungen eines „acte clair“ sind hier erfüllt. Die Unterscheidung zwischen Mutterschafts-, Vaterschafts-, Adoptions- und Elternurlaub im Unionsrecht ist so eindeutig, dass sowohl für den EuGH als auch für die Gerichte der Mitgliedstaaten der Europäischen Union Gewissheit bestünde, dass Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 3 RL 76/207/EWG und Art. 16 RL 2006/54/EG auf die unionsrechtlichen Bestimmungen über den Elternurlaub und die diese in das nationale Recht umsetzenden Regelungen keine Anwendung findet. Die unterschiedlichen Sprachfassungen der RL 2006/54/EG erlauben keinerlei Zweifel daran, dass es sich bei Mutterschafts-, Vaterschafts-, Adoptions- und Elternurlaub um vier unterschiedliche Institute handelt:

-       

in der französischen Fassung der RL 2006/54/EG ist Art. 15 mit „Retour de congé de maternité“, Art. 16 mit „congé de paternité ou d'adoption“ überschrieben. Für den Elternurlaub wird dagegen die Bezeichnung „congé parental“ benutzt (s. nur Erwägungsgrund 24);

-       

in der englischen Fassung ist von „maternity leave“ für den Mutterschaftsurlaub, von „paternity leave“ für den Vaterschaftsurlaub, „adoption leave“ für den Adoptionsurlaub und schließlich von „paternal leave“ für den Elternurlaub die Rede;

-       

die niederländische Fassung verwendet die Bezeichnungen „zwangerschaps en bevallingsverlof“ für den Mutterschaftsurlaub, „vaderschapsverlof“ für den Vaterschaftsurlaub, „adoptieverlof“ für den Adoptionsurlaub und schließlich „ouderschapsverlof“ für den Elternurlaub;

-       

die italienische Fassung unterscheidet zwischen „congedo di maternità“, „congedo di paternità“, „congedo di adozione“ und „congedo parentale“;

-       

die spanische Fassung verwendet die Begriffe „permiso de maternidad“, „permiso de paternidad“, „permiso de adopción“ und „permiso parental“;

-       

die portugiesische Fassung differenziert zwischen „licença de maternidade“, „licença de paternidade“, „licença por adopção“ und „licença parental“;

-       

in der griechischen Fassung heißt es „άδεια μητρότητας“ für Mutterschaftsurlaub, „άδεια πατρότητας“ für Vaterschaftsurlaub, „άδεια υιοθεσίας“ für Adoptionsurlaub und schließlich „γονική άδεια“ für Elternurlaub.

58

In allen ausgewerteten Sprachfassungen wird also streng zwischen den vier Instituten differenziert. Regelungen, die sich auf den Vaterschaftsurlaub bzw. den Adoptionsurlaub beziehen, können darum nicht auf das gänzlich anders gelagerte Institut des „Elternurlaubs“ übertragen werden.

59

(cc) Soweit in der Literatur abweichend von diesem eindeutigen Auslegungsergebnis die Auffassung vertreten wird, Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 3 RL 76/207/EWG bzw. Art. 16 RL 2006/54/EG fände auf die Elternzeit gemäß § 15 BEEG Anwendung, wird nicht ansatzweise begründet, warum Bestimmungen des Unionsrechts, die sich auf den Vaterschafts- bzw. Adoptionsurlaub beziehen, auf das rechtlich davon zu unterscheidende Institut des Elternurlaubs zu übertragen sein sollen. Dieser vereinzelt gebliebenen, wenn auch breit gestreuten Meinung (v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 40 f., 157, 160 f., 324; ders. Anm. zu EuGH 22. Oktober 2009 - C-116/08 - [Meerts] jurisPR-ArbR 49/2009 Anm. 1; ders. BGleiG § 15 BGleiG Stand Oktober 2010 Rn. 10a, 62a) ist darum gegenüber der vom Senat vertretenen nicht eindeutig der Vorzug zu geben (vgl. BVerfG 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - Rn. 19, 21, EzA KSchG § 17 Nr. 21).

60

(c) Die Elternzeit nach § 15 BEEG entspricht dem Elternurlaub im Sinne der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub, wobei sie in zeitlicher Hinsicht weit über das unionsrechtlich verlangte Mindestmaß hinausgeht(Buchner/Becker Mutterschutzgesetz Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz 8. Aufl. Vor §§ 15 - 21 BEEG Rn. 17; v. Roetteken AGG Stand November 2010 Rn. 156), nicht aber dem Vaterschafts- oder Adoptionsurlaub iSv. Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 RL 76/207/EWG bzw. Art. 16 RL 2006/54/EG.

61

(aa) Die Elternzeit verfolgt einen anderen Zweck als der Vaterschaftsurlaub im unionsrechtlichen Sinn. Der Anspruch auf Elternzeit soll sicherstellen, dass das Kind eine ständige Betreuungsperson hat (BT-Drucks. 10/3792 S. 19 für den Erziehungsurlaub). Er soll die Ausübung des Erziehungsrechts ohne Verlust des Arbeitsplatzes erleichtern und dient der Förderung der Betreuung und Erziehung des Kindes in den ersten Lebensjahren durch die Eltern sowie der besseren Vereinbarung von Familie und Beruf (Senat 18. Dezember 2008 - 6 AZR 287/07 - Rn. 30, BAGE 129, 93).

62

(bb) Auch in den Fällen, in denen Arbeitnehmer Elternzeit ab Aufnahme eines adoptierten Kindes in ihren Haushalt in Anspruch nehmen können (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BEEG), handelt es sich nicht um Adoptionsurlaub iSv. Art. 16 RL 2006/54/EG, sondern um Elternzeit, die nach dem Willen des nationalen Gesetzgebers entsprechend den Vorgaben in Paragraph 2 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub auch Adoptiveltern gewährt werden kann. § 15 BEEG setzt insoweit die Vorgaben der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub ausreichend in deutsches Recht um. Ein weitergehender Umsetzungsbedarf besteht nicht, weil Art. 16 RL 2006/54/EG keinen zwingenden Charakter hat. Ein Arbeitnehmer, der ein Kind adoptiert und Elternzeit in Anspruch genommen hat, kann damit nicht unter Berufung auf Art. 16 RL 2006/54/EG die Anrechnung seiner Zeit der Abwesenheit auf die Stufenlaufzeit verlangen.

63

(4) Die weiteren unionsrechtlichen Bestimmungen über den Elternurlaub sind nicht rechtlich bindend und begründen daher keinen Anspruch der Klägerin, während der Elternzeit den Gewinn von Berufserfahrung für den Stufenaufstieg zu fingieren.

64

(a) Art. 33 Abs. 2 GRC sieht lediglich den Anspruch auf Elternurlaub vor, ohne daran rechtliche Vorgaben zu knüpfen.

65

(b) Die Empfehlung des Rates vom 31. März 1992 zur Kinderbetreuung (92/241/EWG) (ABl. EG L 123 vom 8. Mai 1992 S. 16) entfaltet gemäß Art. 288 AEUV ebenfalls keine verbindliche Wirkung. Im Übrigen wird auch darin nur vorgeschlagen, Initiativen zu ergreifen, die es Frauen und Männern ermöglichen, ihre beruflichen, familiären und erzieherischen Pflichten im Hinblick auf die Kindesbetreuung miteinander in Einklang zu bringen.

66

(5) Nationale, über den Gewährleistungsinhalt des Unionsrechts hinausgehende Gleichstellungsvorschriften, die es geböten, die Elternzeit auf die Stufenlaufzeit anzurechnen, bestehen nicht.

67

(a) Aus dem Gesetz zur Verwirklichung der Chancengleichheit von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst des Landes Baden-Württemberg vom 11. Oktober 2005 (Chancengleichheitsgesetz - ChancenG, GBl. 650) lässt sich kein Anspruch der Klägerin auf Anrechnung der Elternzeit auf die Stufenlaufzeit ableiten. Gemäß § 3 Abs. 2 ChancenG gilt dieses Gesetz ua. für Kommunen nur eingeschränkt. Aus §§ 23 und 24 ChancenG lassen sich keine konkreten Ansprüche einzelner Beschäftigter ableiten.

68

(b) Das Bundesgleichstellungsgesetz findet auf die bei einer Kommune beschäftigte Klägerin keine Anwendung. Darum kann dahinstehen, ob § 9 Abs. 2 Nr. 1 BGleiG und/oder § 15 Abs. 3 und Abs. 4 BGleiG Beschäftigten des Bundes Anspruch auf die Anrechnung der Elternzeit auf die Stufenlaufzeit gewähren(in diesem Sinne v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 161; das BMI geht davon aus, dass nur keine Rückstufung gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 TVöD erfolgen darf [Rundschreiben vom 8. Dezember 2005 - D II 2-220-210-2/0 - S. 44]).

69

(6) Auch § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG gebietet keine Berücksichtigung der Elternzeit für den Stufenaufstieg im Entgeltsystem des TVöD(vgl. BAG 20. April 2010 - 3 AZR 370/08 - Rn. 49, EzA GG Art. 3 Nr. 109; 21. Mai 2008 - 5 AZR 187/07 - Rn. 29, BAGE 126, 375). Zwar kann von den Vorschriften über den Erziehungsurlaub auch nicht durch Tarifvertrag abgewichen werden. Die Tarifvertragsparteien müssen aber nicht für einen Ausgleich der Nachteile sorgen, die sich aus der gesetzlichen Ausgestaltung des Erziehungsurlaubs für die Arbeitnehmer ergeben (BAG 15. Dezember 1998 - 3 AZR 251/97 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 25 = EzA BErzGG § 15 Nr. 12).

70

dd) Der Gleichberechtigungsgrundsatz in seiner Ausprägung durch Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 GG ist ebenfalls nicht verletzt. Zwar verbieten auch diese Bestimmungen sowohl eine unmittelbare als auch mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts (BVerfG 27. November 1997 - 1 BvL 12/91 - BVerfGE 97, 35, 43; 18. Juni 2008 - 2 BvL 6/07 - Rn. 48 f., BVerfGE 121, 241). Die Gewährleistungen des Art. 3 GG gehen insoweit jedoch nicht über das Unionsrecht hinaus(vgl. BAG 20. April 2010 - 3 AZR 370/08 - Rn. 28, EzA GG Art. 3 Nr. 109; BFH 5. Dezember 2000 - VII R 18/00 - zu II 3 der Gründe, BFHE 193, 234 ).

71

II. Auch Art. 6 GG ist nicht verletzt.

72

1. Die Tarifvertragsparteien haben nicht die Pflicht, durch tarifliche Regelungen zum besonderen Schutz von Ehe und Familie beizutragen. Der Schutzauftrag aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG richtet sich nicht an die Tarifvertragsparteien, sondern an den Staat(Senat 18. Dezember 2008 - 6 AZR 287/07 - Rn. 20, BAGE 129, 93). Gleichwohl darf die von ihnen vorgenommene Gruppenbildung die durch Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG geschützten Belange von Ehe und Familie nicht gleichheits- und sachwidrig außer Betracht lassen(vgl. zu dieser Grenze der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien Senat 30. Oktober 2008 - 6 AZR 712/07 - Rn. 15, BAGE 128, 219). Diesen Anforderungen genügt § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-AT.

73

Das neue Entgeltsystem des TVöD stellt durch den Stufenaufstieg innerhalb der Entgeltgruppe auf die Berufserfahrung und die darin zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit ab. Diese Entgeltkomponente hat keinerlei Bezug zu den Gewährleistungen des Art. 6 GG. Die Tarifvertragsparteien durften typisierend annehmen, dass während der Elternzeit kein Zuwachs an Erfahrungswissen erfolgt und durften darum vorsehen, dass diese Zeit nicht auf die Stufenlaufzeit anzurechnen ist. Nach ihrer typisierenden Betrachtung unterscheidet sich die Arbeitsleistung durchgehend aktiv Beschäftigter und der Beschäftigten, die nach einer Elternzeit die Beschäftigung wieder aufnehmen. Nach Sinn und Zweck der Entgeltsteigerung durch den Aufstieg in den Stufen war es daher nicht geboten, die Elternzeit auf die Stufenlaufzeit anzurechnen. Im Gegenteil würde es dem Sinn und Zweck des Stufenaufstiegs widersprechen, wenn Zeiten ohne tatsächliche Arbeitsleistung, die über die in § 17 Abs. 3 Satz 1 TVöD-AT aufgezählten hinausgehen, berücksichtigt würden.

74

2. Die Rechtslage bei Sozialplanabfindungen gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Würdigung. Danach widerspricht es den in Art. 6 GG enthaltenen Wertungen, die über § 75 BetrVG auch in die Prüfung von Sozialplänen Eingang finden, wenn die Betriebspartner bei der Höhe der Abfindung zwar auch die Dauer der Beschäftigung berücksichtigen, nicht aber Zeiten des Erziehungsurlaubs(BAG 12. November 2002 - 1 AZR 58/02 - BAGE 103, 321). Die Sozialplanabfindung hat keinen Entgeltcharakter und soll nicht die geleisteten Dienste vergüten. Ihr kommt vielmehr eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion zu (vgl. nur BAG 23. März 2010 - 1 AZR 832/08 - Rn. 29, AP BetrVG 1972 § 75 Nr. 55 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 35). Sinn und Zweck der Sozialplanabfindung bedingen also gerade nicht das Außerachtlassen von Elternzeiten (vgl. BAG 12. November 2002 - 1 AZR 58/02 - BAGE 103, 321, 327 f.). Darin liegt der Unterschied zur Stufenlaufzeit.

75

3. Art. 6 Abs. 4 GG scheidet als Prüfungsmaßstab aus. Aus dieser Norm können für Sachverhalte, die nicht allein Mütter betreffen, keine besonderen Rechte hergeleitet werden. § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-AT gilt jedoch für alle Beschäftigten, die Elternzeit in Anspruch nehmen, egal ob sie Väter oder Mütter sind. Auch wenn sich die Hemmung des Stufenaufstiegs tatsächlich vor allem zulasten der Mütter auswirkt, weil diese auch heute noch durch die Inanspruchnahme von Elternzeit jedenfalls länger als die Väter ihre Berufstätigkeit unterbrechen, ist der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 4 GG nicht berührt(vgl. BVerfG 12. März 1996 - 1 BvR 609/90, 1 BvR 692/90 - BVerfGE 94, 241; BAG 20. April 2010 - 3 AZR 370/08 - Rn. 42, EzA GG Art. 3 Nr. 109).

76

III. Art. 3 Abs. 1 GG ist durch den Zuschnitt der Personenkreise, bei denen in § 17 Abs. 3 Satz 1 TVöD-AT Unterbrechungen der Arbeitsleistung mit Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit gleichgestellt worden sind, nicht verletzt.

77

1. Die Klägerin macht insoweit geltend, es sei nicht verständlich, warum eine Arbeitsunfähigkeit bis zu 39 Wochen als Zeit einer ununterbrochenen Tätigkeit angesehen werde, während eine Elternzeit von gleicher Dauer schädlich sei. Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b TVöD-AT werden die Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit bis zu 39 Wochen angerechnet. Das gilt für jeden Fall der Arbeitsunfähigkeit, wobei bei Fortsetzungserkrankungen alle rechtlich im Fortsetzungszusammenhang stehenden Zeiten als eine Arbeitsunfähigkeit gelten (Fieberg GKÖD Stand Dezember 2010 § 17 TVöD/TV-L Rn. 32). In Einzelfällen kann daher die anrechnungsfähige Zeit mehrerer unterschiedlicher Arbeitsunfähigkeiten die Dauer der die Stufenlaufzeit hemmenden Elternzeit übersteigen. Das führt jedoch nicht dazu, dass jedenfalls 39 Wochen der Elternzeit der Klägerin auf die Stufenlaufzeit anzurechnen wären.

78

a) Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte jedoch dazu, Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen und deshalb Art. 3 GG verletzen. Dabei kommt den Tarifvertragsparteien als selbständigen Grundrechtsträgern allerdings aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Wie weit dieser reicht, hängt von den im Einzelfall vorliegenden Differenzierungsmerkmalen ab, wobei den Tarifvertragsparteien in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen eine Einschätzungsprärogative zusteht (Senat 18. Dezember 2008 - 6 AZR 287/07 - BAGE 129, 93). Art. 3 GG untersagt auch einen gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss. Auch wenn man berücksichtigt, dass sich die Regelung in § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-AT auf die grundrechtlich geschützte Freiheit, Elternzeit zu beanspruchen, auswirken kann, und deshalb einen Rechtfertigungsgrund verlangt, der im angemessenen Verhältnis zum Grad der Ungleichbehandlung steht(vgl. BVerfG 15. März 2000 - 1 BvL 16/96 ua. - BVerfGE 102, 68, 87), begünstigt die Regelung in § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b TVöD-AT unter Berücksichtigung der Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien Arbeitsunfähige nicht gleichheitswidrig gegenüber den Beschäftigten, die nach einer Elternzeit ihre Tätigkeit wieder aufnehmen.

79

b) Zwar kann während der Zeit einer Arbeitsunfähigkeit ebenso wie während der Elternzeit, in der das Arbeitsverhältnis ruht, kein für den Stufenaufstieg relevantes Erfahrungswissen erworben werden. Die Tarifvertragsparteien durften aber davon ausgehen, dass typischerweise auch im öffentlichen Dienst Zeiten langdauernder ununterbrochener Arbeitsunfähigkeit Ausnahmefälle darstellen. Weniger als 5 % aller Arbeitsunfähigkeitsfälle der in den gesetzlichen Krankenkassen Versicherten dauern über die gesetzliche Entgeltfortzahlung von sechs Wochen hinaus (Badura/Schröder/Klose/Macco Fehlzeiten-Report 2010 S. 439 Abb. 29.6). Auch die Dauer der Arbeitsunfähigkeit der AOK-Mitglieder im öffentlichen Dienst überstieg nur in 11,5 % aller Arbeitsunfähigkeitsfälle 21 Tage. Lediglich in 4,2 % aller Fälle lag dabei eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als 42 Tagen vor (Badura/Schröder/Klose/Macco aaO S. 400 Tabelle 28.10.5). Die durchschnittliche Dauer eines Arbeitsunfähigkeitsfalles unter den bei der AOK Versicherten ist von etwas mehr als 12 Tagen im Jahr 2004 auf knapp unter 12 Tagen im Jahr 2009 gesunken (Badura/Schröder/Klose/Macco aaO S. 398 Tabelle 28.10.1). Das gilt trotz des Umstandes, dass die in den öffentlichen Verwaltungen beschäftigten AOK-Mitglieder eine ungünstigere Altersstruktur aufweisen als die in der freien Wirtschaft Beschäftigten und in der AOK die Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes mit einer besonders hohen Arbeitsbelastung überrepräsentiert sind (Badura/Schröder/Klose/Macco aaO S. 279). Selbst bei den Berufsgruppen mit den höchsten Fehlzeiten lag die Dauer der Arbeitsunfähigkeit je Fall bei knapp unter 16 Tagen (Badura/Schröder/Klose/Macco aaO S. 399 Tabelle 28.10.4).

80

Zwischen einzelnen Krankheiten oder Krankheitsphasen kommt es also auch im öffentlichen Dienst typischerweise, gerade auch bei Fortsetzungserkrankungen, immer wieder zu Zeiten tatsächlicher Arbeitsleistung und damit des Erfahrungsgewinns. Durch die Inanspruchnahme von Elternzeit, bei der das Arbeitsverhältnis ruht, tritt also bei typisierender Betrachtung eine erheblich längere Unterbrechung des Erfahrungsgewinns ein als durch Arbeitsunfähigkeit. Das durften die Tarifvertragsparteien ihrer Regelung zugrunde legen.

81

Des Weiteren durften die Tarifvertragsparteien darauf abstellen, dass Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von 39 Wochen nicht zur gänzlichen Suspendierung der Vergütungspflicht führt. Nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums steht dem Beschäftigten gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 TVöD-AT bei einer Beschäftigungszeit von mehr als drei Jahren nach § 22 Abs. 2 TVöD-AT ein Krankengeldzuschuss bis zum Ende der 39. Woche der Arbeitsunfähigkeit zu. Demgegenüber ruht das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit unter Suspendierung aller wechselseitigen Pflichten. Bei der notwendigerweise pauschalisierenden Bewertung, welche Zeiten der Unterbrechung der Tätigkeit sie einer tatsächlichen Beschäftigung gleichstellen wollten, hält es sich noch im Rahmen des Gestaltungsspielraums der Tarifvertragsparteien, solche Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit, für die noch ein Anspruch auf Krankengeldzuschuss bestehen kann und damit die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis auf Arbeitgeberseite nicht gänzlich suspendiert sind, auf die Stufenlaufzeit anzurechnen und demgegenüber auch Elternzeiten von weniger als 39 Wochen als Hemmung der Stufenlaufzeit zu werten (vgl. BAG 9. November 1994 - 10 AZR 3/94 - AP BAT § 23a Nr. 33 = EzA BAT § 23a Nr. 3 für die Anrechnung der Arbeitsunfähigkeit auf die Bewährungszeit nach § 23a BAT).

82

2. Auch der Einwand der Klägerin, Sonderurlaub aus betrieblichen Gründen sei nicht zwingend mit einem Gewinn an einschlägiger Berufserfahrung verbunden, ist nicht geeignet, eine gleichheitswidrige Begünstigung des von § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. d TVöD-AT erfassten Personenkreises aufzuzeigen.

83

Sonderurlaub, bei dem der Arbeitgeber vor dem Antritt schriftlich ein dienstliches oder betriebliches Interesse anerkannt hat, wird gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. d TVöD-AT unabhängig von seiner Dauer auf die Stufenlaufzeit angerechnet. Ein solcher Sonderurlaub wird typischerweise dann gewährt, wenn sich der einzelne Beschäftigte qualifizieren will und der Arbeitgeber sich diese Qualifikation später zunutze machen will (Künzl GKÖD Stand Dezember 2010 § 34 TVöD/TV-L Rn. 424). Gleiches gilt, wenn die Übernahme der Tätigkeit, für die die Beurlaubung erfolgt, im dienstlichen Interesse liegt (Fieberg GKÖD Stand Dezember 2010 § 28 TVöD/TV-L Rn. 28). So liegt die Tätigkeit von Bundesbediensteten in öffentlichen zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisationen im deutschen Interesse. Die Beurlaubung (Entsendung) zur Dienstleistung bei Internationalen Organisationen fördert das Leistungsniveau und die Verwendbarkeit auch im nationalen Dienst. Darum ist Beschäftigten des Bundes bei einer solchen Entsendung Sonderurlaub nach § 28 TVöD zu gewähren, der im dienstlichen Interesse liegt und daher bei Erfüllung der formellen Anforderungen auf die Beschäftigungszeit anzurechnen ist(I und IV der Richtlinien für die Entsendung von Bundesbediensteten in öffentliche zwischenstaatliche oder überstaatliche Organisationen (Entsendungsrichtlinien - EntsR -) vom 26. September 2005, GMBl. S. 1074). Aus denselben Gründen ist Beschäftigten des Bundes Sonderurlaub für Aufgaben der Entwicklungszusammenarbeit zu gewähren (I und IV der Richtlinien für die Beurlaubung von Bundesbediensteten zur Übernahme von Aufgaben der Entwicklungszusammenarbeit (Beurlaubungsrichtlinien - BeurlR) vom 25. Oktober 2000, GMBl. S. 1112). Die Anrechnung der Zeiten des Sonderurlaubs auf die Stufenlaufzeit erklärt sich also daraus, dass sich während der Beurlaubung typischerweise die berufliche Qualifikation und Verwendbarkeit verbessern. Darauf durften die Tarifvertragsparteien bei typisierender Betrachtung abstellen.

84

IV. Eine Altersdiskriminierung rügt die Klägerin nicht. Ein auf Berufserfahrung abstellendes Entgeltsystem wie das des TVöD ist nicht per se altersdiskriminierend. Es ist vielmehr ein legitimes Ziel der Entgeltpolitik, Berufserfahrung zu honorieren, die den Arbeitnehmer befähigt, seine Arbeit besser zu verrichten (EuGH 3. Oktober 2006 - C-17/05 - [Cadman] Rn. 34, Slg. 2006, I-9583). Da die Klägerin keine Indizien für eine auch nur mittelbare Altersdiskriminierung durch das auf Berufserfahrung abstellende Stufensystem des TVöD aufgezeigt hat, war keine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über die Vorlage des Senats vom 20. Mai 2010 (- 6 AZR 319/09 (A) -) geboten.

85

C. Auf den von der Klägerin angeführten besonderen Umstand, dass sie ihre beruflichen Fertigkeiten während der Elternzeit weiter entwickelt haben will, kommt es nicht an. Darüber hinaus ist ihr Vortrag insoweit unsubstantiiert.

86

I. Die Tarifvertragsparteien haben typisierend darauf abgestellt, dass bei der Mehrzahl der vom TVöD erfassten Berufsbilder während der Elternzeit keine für die geschuldete Tätigkeit förderliche Berufserfahrung erworben wird. Dies gilt auch für die Entgeltgruppe 5, in die die Klägerin eingruppiert war. In dieser Entgeltgruppe sind die frühere Vergütungsgruppe VII des BAT sowie die Lohngruppen 5 (mit Aufstieg nach 5a) und 4 (mit Aufstieg nach 5 und 5a) und damit eine Vielzahl von Berufsbildern nicht nur häuslichen Zuschnitts zusammengefasst worden (Anlage 3 zum TVÜ-VKA). Darauf, ob im Einzelfall bei Beschäftigten während der Elternzeit bezogen auf ihre berufliche Tätigkeit ein Erfahrungszuwachs eintritt, kommt es damit nicht an, zumal es auch in diesen Fällen an der Eingliederung in die betriebliche Organisation fehlt, die essentiell für die von den Tarifvertragsparteien angenommene Verbesserung von Arbeitsqualität und -quantität ist.

87

II. Der Hinweis der Klägerin, sie habe während der Elternzeit zumindest teilweise ihre beruflichen Fertigkeiten als Schneiderin fortentwickelt, ist darüber hinaus unsubstantiiert. Sie behauptet nicht konkret, dass sie ihre Kerntätigkeit als Schneiderin auch während der Elternzeit in einem Maße verrichtet habe, das dem Erwerb weiterer Berufserfahrung durch die von ihr geschuldete Tätigkeit gleichgekommen wäre.

88

D. Die Klägerin hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass es sich bei den auf Gehaltsabrechnung bezogenen Anträgen um unechte Hilfsanträge für den Fall des Obsiegens mit den Zahlungsanträgen handelt. Diese Anträge sind darum nicht zur Entscheidung angefallen.

89

E. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    D. Knauß    

        

    U. Lauth    

                 

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 17. Juni 2009 - 12 Sa 8/09 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Hemmung der Stufenlaufzeit im TVöD während der Inanspruchnahme von Elternzeit.

2

Die Klägerin war vom 8. September 2003 bis zum 31. Dezember 2009 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft einzelvertraglicher Vereinbarung zunächst der Bundesmanteltarifvertrag für die Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) Anwendung, seit dem 1. Oktober 2005 der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 (TVöD). Die Klägerin war in der Kostümabteilung des von der beklagten Stadt unterhaltenen Theaters tätig. Dort verrichtete sie zusammen mit etwa sieben weiteren Beschäftigten Schneiderarbeiten und Änderungsarbeiten. Bei Bedarf bügelte, wusch und reparierte sie auch Kostüme.

3

Nach der Geburt ihres zweiten Kindes und Ablauf der Mutterschutzfrist nahm die Klägerin Elternzeit vom 28. April 2005 bis zum 29. Februar 2008. Bei der Überleitung in den TVöD gruppierte die Beklagte die Klägerin tarifgerecht in die Entgeltgruppe 5 ein. Nach Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit am 1. März 2008 ordnete die Beklagte die Klägerin der Entgeltstufe 2 dieser Entgeltgruppe zu.

4

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-VKA richtet sich der weitere Stufenaufstieg der Arbeiter nach ihrer ersten Zuordnung in das Entgeltsystem des TVöD nach den Regelungen des TVöD, die wie folgt lauten:

        

§ 15 Tabellenentgelt.

        

(1) Die/Der Beschäftigte erhält monatlich ein Tabellenentgelt. Die Höhe bestimmt sich nach der Entgeltgruppe, in die sie/er eingruppiert ist, und nach der für sie/ihn geltenden Stufe.

        

...     

        

§ 16 (VKA) Stufen der Entgelttabelle.

        

(1) 1Die Entgeltgruppen 2 bis 15 umfassen sechs Stufen. ...

        

(3) 1Die Beschäftigten erreichen - von Stufe 3 an die jeweils nächste Stufe in Abhängigkeit von ihrer Leistung gemäß § 17 Abs. 2 - nach folgenden Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeitgeber (Stufenlaufzeit):

        

-       

Stufe 2 nach einem Jahr in Stufe 1,

        

-       

Stufe 3 nach zwei Jahren in Stufe 2,

        

…       

        

§ 17 Allgemeine Regelungen zu den Stufen.

        

…       

        

(3) 1Den Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit im Sinne des ... § 16 Abs. 3 Satz 1 stehen gleich:

        

a)    

Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz,

        

b)    

Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit nach § 22 bis zu 39 Wochen,

        

c)    

Zeiten eines bezahlten Urlaubs,

        

d)    

Zeiten eines Sonderurlaubs, bei denen der Arbeitgeber vor dem Antritt schriftlich ein dienstliches bzw. betriebliches Interesse anerkannt hat,

        

e)    

Zeiten einer sonstigen Unterbrechung von weniger als einem Monat im Kalenderjahr,

        

f)    

Zeiten der vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit.

        

2Zeiten der Unterbrechung bis zu einer Dauer von jeweils drei Jahren, die nicht von Satz 1 erfasst werden, und Elternzeit bis zu jeweils fünf Jahren sind unschädlich, werden aber nicht auf die Stufenlaufzeit angerechnet. …“

5

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Elternzeit müsse auf die Stufenlaufzeit angerechnet werden. Sie habe deshalb bereits seit Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit der Stufe 3 ihrer Entgeltgruppe zugeordnet werden müssen. Nach wie vor würden Frauen, die Elternzeit nähmen, mittelbar diskriminiert, weil sie durchschnittlich Elternzeit länger in Anspruch nähmen als Männer. Längere Unterbrechungen der Berufstätigkeit führten nicht zwingend zum Verlust von Erfahrungswissen. Jedenfalls sei nicht verständlich, warum Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz, nicht aber die Elternzeit auf die Stufenlaufzeit angerechnet würden. Auch sei es nicht gerechtfertigt, dass eine Arbeitsunfähigkeit bis zu 39 Wochen anders als eine Elternzeit von gleicher Dauer für den Stufenaufstieg unschädlich sei. Ebenso wenig sei Sonderurlaub aus betrieblichen Gründen zwingend mit einem Gewinn an einschlägiger Berufserfahrung verbunden. Elternzeit könne nicht als „Nullum“ an beruflich verwertbarer Erfahrung betrachtet werden. Erfahrungen in der Erziehung vermittelten eine soziale Kompetenz, die für die konkrete Tätigkeit der Klägerin nützlich sei. Dies kompensiere auch ein Weniger an Berufserfahrung. Ohnehin habe die Klägerin während der Elternzeit zumindest teilweise ihre beruflichen Fertigkeiten fortentwickelt.

6

Die Klägerin hat zuletzt unter Klagerücknahme im Übrigen beantragt:

        

Es wird festgestellt, dass die Beklagte die Klägerin bereits ab 1. März 2008 (Wiederaufnahme der Arbeitsleistung der Klägerin nach Rückkehr aus der Elternzeit) bis zum 31. Dezember 2009 nach Stufe 3 der Entgeltgruppe 5 TVöD zu vergüten hat.

7

Sie hat weiter sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für die Monate März 2008 bis August 2008 jeweils 97,94 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu zahlen und der Klägerin für die Monate März 2008 bis August 2008 eine ordnungsgemäße Gehaltsabrechnung, basierend auf einem Gesamtbrutto-Gehalt in Höhe von 2.289,83 Euro, zu erteilen.

8

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag darauf gestützt, dass eine ununterbrochene Tätigkeit zu mehr Wissen, Arbeitspraxis und Routine führe, weswegen Arbeitsvorgänge schneller und besser erledigt werden könnten. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz mache der TVöD nur für Zeiten kürzerer Unterbrechungen, bei denen von einer Erweiterung bzw. Erhaltung des bisherigen Wissens ausgegangen werden könne. Längere Unterbrechungen der Tätigkeit führten dagegen nach allgemeiner Lebenserfahrung zu Wissenseinbußen. Eine mittelbare Diskriminierung weiblicher Arbeitnehmer erfolge dadurch nicht. Eine klare Gruppenbildung dahin, dass von der Gesamtregelung wesentlich mehr Frauen als Männer betroffen seien, sei angesichts der Vielzahl anderer schädlicher Unterbrechungstatbestände nicht möglich. Im Gegensatz zu den anderen Unterbrechungstatbeständen sei die Elternzeit mit einer Unschädlichkeitsfrist von fünf Jahren privilegiert. Jedenfalls rechtfertige das Ruhen des Arbeitsverhältnisses die Hemmung der Stufenlaufzeit.

9

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Erstmals in der Revision rügt sie eine unmittelbare Diskriminierung von Frauen, die Elternzeit beanspruchen, durch die Regelung des § 17 Abs. 3 TVöD-AT. Zwischen Elternzeit und Mutterschaft lasse sich keine eindeutige Abgrenzung finden. Es müsse sichergestellt werden, dass kein Wertungswiderspruch zu den in § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG genannten Tatbeständen der Schwangerschaft bzw. Mutterschaft auftrete.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet.

11

A. Die Feststellungsklage ist nur teilweise zulässig.

12

I. Der Eingruppierungsfeststellungsklage fehlt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, soweit der Antrag den Zeitraum vom 1. März 2008 bis zum 31. August 2008 erfasst, für den die Klägerin die Vergütungsdifferenz zwischen der von ihr erhaltenen und der begehrten Vergütung beziffert geltend macht. Sie hat nicht vorgetragen, welches über die mit der Leistungsklage verfolgten Zahlungen hinausgehende Interesse für diesen Zeitraum an der begehrten Feststellung besteht. Die Klage ist dagegen hinsichtlich der Monate September 2008 bis Dezember 2009, für die keine Überschneidung mit der Leistungsklage vorliegt, als Eingruppierungsfeststellungsklage zulässig (Senat 27. Januar 2011 - 6 AZR 578/09 - Rn. 14, 18). Das gilt ungeachtet des Umstands, dass sich diese Klage auf einen abgeschlossenen Zeitraum in der Vergangenheit bezieht (Senat in st. Rspr. seit 13. August 2009 - 6 AZR 330/08 - Rn. 13, AP BGB § 241 Nr. 4).

13

II. Die Klage ist für die Zeit der Überschneidung von Leistungs- und Feststellungsantrag auch nicht als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Die Frage, ab wann die Klägerin die begehrte Vergütung aus der Stufe 3 der Entgeltgruppe 5 verlangen kann, wirkt sich infolge ihres Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis zur Beklagten am 31. Dezember 2009 nicht mehr auf den Zeitpunkt ihres Aufstiegs in die höheren Stufen ihrer Entgeltgruppe aus. Auch unter Zugrundelegung ihrer Rechtsauffassung wäre sie erst zum 1. März 2011 in die Stufe 4 aufgestiegen. Rechtsfolgen aus der begehrten Feststellung, die über das mit der erfolgreichen Leistungsklage Erreichte hinausgehen, sind damit nicht mehr möglich (vgl. Senat 27. Januar 2011 - 6 AZR 578/09 - Rn. 15 - 17).

14

B. Die Elternzeit der Klägerin vom 28. April 2005 bis zum 29. Februar 2008 ist nach § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-AT nicht auf die Stufenlaufzeit des § 16 Abs. 3 TVöD-AT (VKA) anzurechnen. Diese Hemmung der Stufenlaufzeit ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

15

I. Die Klägerin wird durch § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-AT nicht wegen ihres Geschlechts diskriminiert. Diese Bestimmung entfaltet weder unmittelbar noch mittelbar geschlechtsdiskriminierende Wirkung.

16

1. Eine unmittelbare Diskriminierung der Klägerin wegen ihres Geschlechts liegt nicht vor.

17

a) Nur Vorschriften, die nicht gleichermaßen für Männer und Frauen gelten, können unmittelbar diskriminierende Wirkung wegen des Geschlechts entfalten (EuGH 7. Dezember 2000 - C-79/99 - [Schnorbus] Rn. 33, Slg. 2000, I-10997). § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-AT knüpft nicht an das Geschlecht, sondern an die Elternzeit an, die gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BEEG von Männern und Frauen in Anspruch genommen werden kann. Damit kann die tarifliche Regelung zur Hemmung der Stufenlaufzeit allenfalls zu einer mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung führen (vgl. v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 41).

18

b) Entgegen der Auffassung der Revision folgt aus § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG nichts anderes. Danach liegt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft und Mutterschaft vor. Der von der Revision aus dem Begriff „Mutterschaft“ über die Brücke des früher im Mutterschutzgesetz geregelten Mutterschaftsurlaubs gezogene Rückschluss, damit sei auch die Elternzeit erfasst, trägt nicht.

19

aa) Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch unterfällt in vollem Umfang dem zeitlichen Geltungsbereich des AGG. Anknüpfungszeitpunkt für die von der Klägerin behauptete Benachteiligung ist die Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit am 1. März 2008. Zu diesem Zeitpunkt galt das AGG bereits.

20

bb) Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stellt jede im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft erfolgende Schlechterstellung von Frauen eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar (EuGH 18. November 2004 - C-284/02 - [Sass] Rn. 35 f., Slg. 2004, I-11143; v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 137 mwN). Das hat Eingang in Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 3 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (RL 76/207/EWG) idF der Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG (RL 2002/73/EG) sowie später in Art. 2 Abs. 2 Buchst. c der die Richtlinie 76/207/EWG ablösenden Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (RL 2006/54/EG) gefunden (siehe nur Erwägungsgrund 23 RL 2006/54/EG). Dies beruht darauf, dass Schwangerschaft und Mutterschaft untrennbar mit dem Geschlecht verbunden sind, diese Differenzierungsmerkmale also ausschließlich Frauen nachteilig treffen können.

21

cc) Einen weitergehenden Bedeutungsinhalt hat § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG nicht. Der nationale Gesetzgeber wollte damit unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH lediglich klarstellen, dass eine unmittelbare Benachteiligung auch dann vorliegt, wenn die Unterscheidung wegen eines Merkmals erfolgt, das mit dem Geschlecht in untrennbarem Zusammenhang steht. Er hat angenommen, dass dies für die Situation von „Schwangerschaft und Mutterschaft“ einer Frau der Fall ist (BT-Drucks. 16/1780 S. 32). § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG geht also nicht über die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben hinaus(v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 149; vgl. auch Wendeling-Schröder/Stein AGG § 1 Rn. 25).

22

dd) Aus Art. 11 Abs. 2 des 1985 ratifizierten UN-Übereinkommens vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau - CEDAW - (BGBl. 1985 II S. 648) folgt entgegen der Auffassung der Revision nichts anderes.

23

Art. 11 Abs. 2 CEDAW bestimmt:

        

„Um eine Diskriminierung der Frau wegen Eheschließung oder Mutterschaft zu verhindern und ihr ein wirksames Recht auf Arbeit zu gewährleisten, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen

        

a)    

zum - mit der Androhung von Sanktionen verbundenen - Verbot der Entlassung wegen Schwangerschaft oder Mutterschaftsurlaub sowie der Diskriminierung aufgrund des Familienstands bei Entlassungen;

        

b)    

zur Einführung des bezahlten oder mit vergleichbaren sozialen Vorteilen verbundenen Mutterschaftsurlaubs ohne Verlust des bisherigen Arbeitsplatzes, des Dienstalters oder sozialer Zulagen;

        

...“   

        
24

Auch diese Verpflichtungen - die im Übrigen die Bundesrepublik Deutschland und nicht die Tarifvertragsparteien treffen - beziehen sich nur auf Schwangerschaft und Mutterschaftsurlaub, nicht dagegen auf die hier allein streitbefangenen Nachteile durch die Inanspruchnahme von Elternzeit.

25

2. § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-AT führt auch nicht zu einer nach § 7 Abs. 1, Abs. 2 AGG iVm. §§ 1, 3 Abs. 2 AGG untersagten mittelbaren Diskriminierung von Frauen, die Elternzeit in Anspruch nehmen.

26

a) Die Klägerin hat eine mittelbare Diskriminierung bereits nicht hinreichend dargelegt.

27

aa) Für die Annahme einer mittelbaren Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 2 AGG ist nicht zwingend ein statistischer Nachweis erforderlich, dass Träger eines der Merkmale des § 1 AGG zahlenmäßig wesentlich stärker von einer Vorschrift benachteiligt werden als Personen, bei denen dieses Merkmal nicht vorliegt. Mittelbare Diskriminierungen können statistisch nachgewiesen werden, können sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. Eine derartige Auslegung des § 3 Abs. 2 AGG entspricht dem unionsrechtlichen Gebot des effet utile. Eine mittelbare Diskriminierung ist danach gegeben, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften ihrem Wesen nach geeignet sind, Personen oder Personengruppen aus den in § 1 AGG genannten Gründen in besonderer Weise zu benachteiligen. Dies kann der Fall sein, wenn Vorschriften im wesentlichen oder ganz überwiegend Personen, die eines der verpönten Merkmale erfüllen, betreffen, wenn sie an Voraussetzungen knüpfen, die von Personen, die von § 1 AGG nicht erfasst sind, leichter erfüllt werden oder wenn sich die Tatbestandsvoraussetzungen einer Norm besonders zum Nachteil von Personen, für die ein Merkmal des § 1 AGG gilt, auswirken(Senat 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 20 f. mwN, AP GG Art. 3 Nr. 322 = EzTöD 320 TVÜ-VKA § 5 Abs. 2 Ortszuschlag Nr. 20).

28

bb) Zur Feststellung dieser Voraussetzungen sind Vergleichsgruppen zu bilden, die dem persönlichen Geltungsbereich der Differenzierungsregel entsprechend zusammengesetzt sind. Bei Tarifverträgen ist deshalb auf den gesamten Kreis der von der fraglichen Bestimmung erfassten Normunterworfenen abzustellen (für Gesetze siehe EuGH 30. November 1993 - C-189/91 - [Kirsammer-Hack] Slg. 1993, I-6185; allgemein 13. Januar 2004 - C-256/01 - [Allonby] Rn. 73 f., Slg. 2004, I-873). Der Gesamtheit der Personen, die von der Regelung erfasst werden, ist die Gesamtheit der Personen gegenüber zu stellen, die durch die Regelung benachteiligt werden. Im Vergleich dieser Gruppen ist zu prüfen, ob die Träger eines Merkmals des § 1 AGG im oben genannten Sinn besonders benachteiligt sind(vgl. Schiek Anm. zu Senat 3. April 2004 - 6 AZR 633/01 - AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 185; dies. Frauengleichstellungsgesetze des Bundes und der Länder 2. Aufl. Rn. 36, 929).

29

cc) Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass durch § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-AT weibliche Beschäftigte, die Elternzeit in Anspruch nehmen, im Vergleich zu anderen Beschäftigten, bei denen wegen Unterbrechungen in der tatsächlichen Tätigkeit die Stufenlaufzeit ebenfalls gehemmt wird, in besonderer Weise nachteilig betroffen sind.

30

§ 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-AT erfasst nicht nur weibliche Beschäftigte, die Elternzeit nehmen, sondern unabhängig von ihrem Geschlecht auch alle Beschäftigten, denen Sonderurlaub aus privaten Gründen bewilligt worden ist, die eine Rente auf Zeit beziehen, weswegen gemäß § 33 Abs. 2 Satz 6 TVöD-AT das Arbeitsverhältnis ruht, oder die arbeitsunfähig erkrankt sind, ohne dass die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b TVöD-AT erfüllt sind. Weder hat das Landesarbeitsgericht festgestellt noch hat die Klägerin behauptet, dass weibliche Beschäftigte, die Elternzeit beanspruchen, deutlich stärker, sei es überproportional häufig oder materiell besonders gravierend, durch die Hemmung der Stufenlaufzeit betroffen werden als der übrige von § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-AT erfasste Personenkreis. Dies ist auch nicht offenkundig. Immerhin haben die Tarifvertragsparteien bei der Elternzeit einen Zeitraum von fünf Jahren als lediglich hemmend angesehen, während bei den übrigen Unterbrechungstatbeständen gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT bereits nach drei Jahren eine Rückstufung erfolgt.

31

b) Die Hemmung der Stufenlaufzeit durch § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-AT führt aber auch dann nicht zu einer unzulässigen mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung, wenn nur auf die von dieser Vorschrift erfasste Teilgruppe der Beschäftigten, die Elternzeit beanspruchen, abgestellt wird. Dabei kann aufgrund der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zugunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, dass Frauen von Nachteilen durch die Inanspruchnahme von Elternzeit immer noch stärker getroffen werden als Männer, weil insbesondere die Dauer der von Männern genommenen Elternzeit deutlich kürzer ist als die von Frauen.

32

aa) Der Aufstieg aus der Stufe 2 in die Stufe 3 der Entgeltgruppe erfolgt unabhängig von der Leistung des Beschäftigten nach zwei Jahren. Erst ab der Stufe 3 kann gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 TVöD-AT (VKA) iVm. § 17 Abs. 2 TVöD-AT leistungsabhängig eine Verkürzung oder Verlängerung der Stufenlaufzeit erfolgen. Die Kriterien dafür, ob eine nach § 7 Abs. 1, Abs. 2 AGG iVm. §§ 1, 3 Abs. 2 AGG verbotene mittelbare Geschlechtsdiskriminierung vorliegt, sind deshalb nicht Art. 157 AEUV zu entnehmen, sondern der durch das AGG umgesetzten RL 76/207/EWG idF der RL 2002/73/EG bzw. für die Ansprüche seit dem 15. August 2009 der RL 2006/54/EG. Letzten Endes verwehrt § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-AT den Elternzeitern nicht den Stufenaufstieg, sondern verzögert ihn nur. Es geht also nicht um das „ob“ des Stufenaufstiegs, sondern dessen „wann“. Eine derartige Präzisierung der Bedingungen des Zugangs zu einer höheren Stufe der beruflichen Rangordnung unterfällt dem Anwendungsbereich der RL 76/207/EWG bzw. der RL 2006/54/EG (vgl. für den Bewährungsaufstieg nach § 23a BAT-O EuGH 18. November 2004 - C-284/02 - [Sass] Rn. 30 f., Slg. 2004, I-11143 in Abgrenzung zur Entscheidung vom 7. Februar 1991 - C-184/89 - [Nimz] Rn. 9 f., Slg. 1991, I-297). Darüber hinaus sind etwaige weitergehende Vorschriften des nationalen Rechts heranzuziehen.

33

bb) Das Verbot mittelbarer Diskriminierung ist eine besondere Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes, wonach gleiche Sachverhalte nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandelt werden dürfen. Eine mittelbare Diskriminierung kann daher nur vorliegen, wenn die benachteiligten und die begünstigten Personen vergleichbar sind (EuGH 12. Oktober 2004 - C-313/02 - [Wippel] Rn. 55 f., Slg. 2004, I-9483; vgl. auch 16. Juli 2009 - C-537/07 - [Gómez-Limón] Rn. 56, Slg. 2009, I-6525; v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 15, 181 mwN).

34

(1) Die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis während der Elternzeit unter Suspendierung der wechselseitigen Hauptpflichten ruht, und die aktiven Beschäftigten sind grundsätzlich nicht vergleichbar (vgl. EuGH 21. Oktober 1999 - C-333/97 - [Lewen] Rn. 37, Slg. 1999, I-7243; 16. Juli 2009 - C-537/07 - [Gómez-Limón] Rn. 57, Slg. 2009, I-6525). Die Elternzeit darf darum bei Entgeltbestandteilen, die auf das aktive Arbeitsverhältnis abstellen, anspruchsmindernd berücksichtigt werden (vgl. EuGH 21. Oktober 1999 - C-333/97 - [Lewen] Rn. 38, aaO; BAG 20. April 2010 - 3 AZR 370/08 - Rn. 30 mwN, EzA GG Art. 3 Nr. 109; 21. Mai 2008 - 5 AZR 187/07 - Rn. 25, BAGE 126, 375). Der Stufenaufstieg im TVöD knüpft in rechtlich zulässiger Weise an den Erfahrungsgewinn im aktiven Arbeitsverhältnis. Bereits deswegen führt die Hemmung der Stufenlaufzeit für die Dauer der Elternzeit im Ausgangspunkt nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung (v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 40).

35

Der Stufenaufstieg im Entgeltsystem des TVöD soll die gewonnene Berufserfahrung honorieren. Die Tarifvertragsparteien sind davon ausgegangen, dass die Beschäftigten durch die Ausübung der ihnen übertragenen Tätigkeit laufend Kenntnisse und Erfahrungen sammeln, die die Arbeitsqualität und -quantität verbessern (Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Januar 2011 § 16 [VKA] Rn. 13 f.). Erfahrungswissen kann auch nach längerer Dauer des Arbeitsverhältnisses noch wachsen (BAG 21. Mai 2008 - 5 AZR 187/07 - Rn. 25, BAGE 126, 375). Diese Annahme einer Produktivitätssteigerung durch Erfahrungsgewinn entspricht der Lebenserfahrung (vgl. BAG 21. Oktober 1992 - 4 AZR 73/92 - zu III 2 c aa der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Milch-Käseindustrie Nr. 1 = EzA TVG § 4 Milchindustrie Nr. 1; vgl. auch 4. Mai 2010 - 9 AZR 184/09 - Rn. 45, AP BAT-O § 23a Nr. 4) und steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, wonach Berufserfahrung Arbeitnehmer befähigt, ihre Arbeit besser zu verrichten (EuGH 3. Oktober 2006 - C-17/05 - [Cadman] Rn. 34 f., Slg. 2006, I-9583).

36

In der Zeit, in der das Arbeitsverhältnis wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit unter Suspendierung der beiderseitigen Hauptpflichten ruht, wird keine Berufserfahrung gewonnen. Die Tarifvertragsparteien durften darum regeln, dass der Arbeitgeber für die Zeit, in der das Arbeitsverhältnis ruht, auch keine indirekten Leistungen durch die Anrechnung dieser Zeit auf die Stufenlaufzeit erbringen muss (vgl. BAG 18. Juni 1997 - 4 AZR 647/95 - AP BAT § 23b Nr. 3 = EzA EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 49). Die Tarifvertragsparteien haben auf die konkrete Tätigkeit am zugewiesenen Arbeitsplatz und nicht auf den unbestrittenen Zuwachs an allgemeiner Lebenserfahrung, sozialer Kompetenz und Organisationsfähigkeit durch Mutterschaft und Erziehung von Kindern abgestellt, auf den die Klägerin verweist. Der Zuwachs an solchen Fähigkeiten wird nach dem ihre Einschätzungsprärogative nicht überschreitenden Willen der Tarifvertragsparteien bei der Stufenlaufzeit nicht berücksichtigt.

37

(2) Differenzierungskriterium in § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-AT ist im Übrigen nicht das Geschlecht, sondern das Ruhen des Arbeitsverhältnisses und das damit verbundene Fehlen eines Zuwachses an Erfahrungswissen. Das sind objektive Kriterien ohne Bezug zu einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, die die Nichtberücksichtigung der Elternzeit bei der Stufenlaufzeit zulassen (vgl. EuGH 21. Oktober 1999 - C-333/97 - [Lewen] Rn. 37 f., Slg. 1999, I-7243; BAG 21. Mai 2008 - 5 AZR 187/07 - Rn. 25, BAGE 126, 375; 18. Juni 1997 - 4 AZR 647/95 - zu II 2 d der Gründe, AP BAT § 23b Nr. 3 = EzA EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 49; 9. November 1994 - 10 AZR 3/94 - zu II 2 a der Gründe, AP BAT § 23a Nr. 33 = EzA BAT § 23a Nr. 3; Senat 10. November 1994 - 6 AZR 486/94 - BAGE 78, 264, 271; vgl. auch BFH 5. Dezember 2000 - VII R 18/00 - zu II 2 der Gründe, BFHE 193, 234 für die fehlende Anrechnung des Erziehungsurlaubs auf die nach § 36 Abs. 2 Nr. 1 StBerG vorgeschriebene Dauer einer berufspraktischen Tätigkeit).

38

cc) Allerdings wäre die Gleichstellung der Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit ruht, und der aktiven Beschäftigten anzunehmen, wenn es Vorschriften gäbe, die bei einer Fortsetzung der Berufstätigkeit nach Beendigung der Elternzeit ungeachtet des grundsätzlichen Unterschiedes zwischen ruhendem und aktivem Arbeitsverhältnis die Fiktion des Erwerbs von Berufserfahrung während der Elternzeit geböten (vgl. zur Anrechnung des Wochenurlaubs nach § 244 AGB-DDR auf die Beschäftigungszeit für den Fall, dass es sich dabei um einen gesetzlichen Urlaub zum Schutz der Frau nach der Entbindung gehandelt hätte EuGH 18. November 2004 - C-284/02 - [Sass] Rn. 48, Slg. 2004, I-11143; v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 37 ff., 160). Derartige Bestimmungen finden sich jedoch weder im Unions- noch im nationalen Recht.

39

(1) Das Unionsrecht verlangt allerdings in Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 2 RL 76/207/EWG idF der RL 2002/73/EG sowie in Art. 15 RL 2006/54/EG die Anrechnung des Mutterschaftsurlaubs auf Beschäftigungszeiten(vgl. für die Zeit vor Inkrafttreten dieser Richtlinien bereits EuGH 21. Oktober 1999 - C-333/97 - [Lewen] Rn. 41 f., Slg. 1999, I-7243). Dieser Urlaub bezweckt den Schutz der körperlichen Verfassung der Frau während und nach der Schwangerschaft sowie der besonderen Beziehung von Mutter und Kind während der Zeit unmittelbar nach der Entbindung (EuGH 14. April 2005 - C-519/03 - [Kommission/Luxemburg] Rn. 32, Slg. 2005, I-3067). Demselben Zweck dienen die Schutzfristen nach dem MuSchG (vgl. Senat 16. Juni 2005 - 6 AZR 108/01 - BAGE 115, 113), die Art. 8 RL 92/85/EWG ins nationale Recht umsetzen(vgl. BT-Drucks. 13/2763 S. 9; BT-Drucks. 14/8525 S. 8). Diese Zeiten werden nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. a TVöD-AT auf die Stufenlaufzeit angerechnet und sind nicht streitbefangen.

40

(2) Die Anrechnung der Elternzeit auf die Stufenlaufzeit im Entgeltsystem des TVöD ist dagegen unionsrechtlich nicht geboten. Nach Paragraph 2 Nr. 6 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub im Anhang zur Richtlinie 96/34/EG des Rates vom 3. Juni 1996 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Elternurlaub bleiben die Rechte, die der Arbeitnehmer zu Beginn des Elternurlaubs erworben hatte oder dabei war zu erwerben, bis zum Ende des Elternurlaubs bestehen. Im Anschluss an den Elternurlaub finden diese Rechte mit den Änderungen Anwendung, die sich aus den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder Gepflogenheiten ergeben.

41

(a) Diese Bestimmung verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht, den Arbeitnehmern während der Zeit des Elternurlaubs zu garantieren, dass sie Rechte auf künftige Leistungen des Arbeitgebers in demselben Umfang erwerben, als ob sie weiterhin eine (Vollzeit-)Tätigkeit ausgeübt hätten (vgl. EuGH 16. Juli 2009 - C-537/07 - [Gómez-Limón] Rn. 40, 43, Slg. 2009, I-6525; BAG 20. April 2010 - 3 AZR 370/08 - Rn. 47, EzA GG Art. 3 Nr. 109). Es muss lediglich sichergestellt sein, dass die Rechte, die der Arbeitnehmer bei Antritt des Elternurlaubs bereits erworben hatte oder dabei war, zu erwerben, bis zum Ende des Elternurlaubs bestehen bleiben und sich der Arbeitnehmer im Anschluss an den Elternurlaub im Hinblick auf diese Rechte in derselben Situation befindet wie vor dem Urlaub (EuGH 22. Oktober 2009 - C-116/08 - [Meerts] Rn. 38 f., Slg. 2009, I-10063). Alle übrigen Regelungen hinsichtlich des Status des Arbeitsverhältnisses während des Elternurlaubs überlässt Paragraph 2 Nr. 7 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub den Mitgliedstaaten und/oder den Sozialpartnern. Dazu gehört auch die Frage, ob und inwieweit ein Arbeitnehmer, der Elternurlaub beansprucht, während der Dauer des Elternurlaubs weiterhin Anwartschaften oder sonstige Ansprüche gegen seinen Arbeitgeber erwirbt.

42

(b) § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-AT genügt diesen Anforderungen. Die vor Beginn der Elternzeit absolvierte Stufenlaufzeit bleibt erhalten, nur ihr weiterer Ablauf wird für die Zeit der Unterbrechung gehemmt und setzt nach Wiederaufnahme der Tätigkeit nahtlos wieder ein (Fieberg GKÖD Stand Dezember 2010 § 17 TVöD/TV-L Rn. 35; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Januar 2011 § 17 Rn. 32). Damit befinden sich die Beschäftigten im Anschluss an die Elternzeit im Hinblick auf die Stufenlaufzeit in derselben Situation wie vor der Elternzeit. Ob auch § 17 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT, wonach bei Elternzeiten von mehr als fünf Jahren eine Rückstufung erfolgt, mit Paragraph 2 Nr. 6 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub vereinbar ist, hatte der Senat nicht zu entscheiden.

43

(3) Auch Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 2 und 3 RL 76/207/EWG idF der RL 2002/73/EG bzw. Art. 16 der diese mit Wirkung zum 15. August 2009 ersetzenden RL 2006/54/EG lässt sich kein Anspruch auf eine Fiktion der Berufserfahrung während der Dauer der Elternzeit und damit der Anrechnung dieser Zeit auf die Stufenlaufzeit entnehmen. Nach diesen Bestimmungen bleibt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, Vaterschaftsurlaub und/oder Adoptionsurlaub anzuerkennen. Haben sie derartige Rechte zugebilligt, müssen sie sicherstellen, dass den Arbeitnehmern nach ihrer Rückkehr an ihren Arbeitsplatz alle Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, auf die sie während ihrer Abwesenheit Anspruch gehabt hätten, zugute kommen.

44

(a) Aus diesen Bestimmungen folgt nicht, dass Beschäftigte nach ihrer Rückkehr aus der Elternzeit Anspruch auf Gleichstellung mit den Beschäftigten haben, die durch ihre aktive Tätigkeit Berufserfahrung gewonnen haben. Die für den Vaterschafts- und Adoptionsurlaub geltenden Normen in den RL 76/207/EWG und 2006/54/EG sind nicht auf den Elternurlaub und damit nicht auf die Elternzeit nach § 15 BEEG zu übertragen. Sie erfassen ausschließlich Arbeitnehmer, die aus dem Männern vorbehaltenen Vaterschaftsurlaub bzw. dem Adoptionsurlaub zurückkehren. Vaterschafts- und Adoptionsurlaub kennt das deutsche Recht nicht. Das Unionsrecht verpflichtet die Mitgliedstaaten auch nicht dazu, diese Institute zu schaffen. Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 3 RL 76/207/EWG und Art. 16 RL 2006/54/EG haben daher für das deutsche Recht aktuell keine Bedeutung(aA v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 40 f., 157, 160 f., 324; ders. Anm. zu EuGH 22. Oktober 2009 - C-116/08 - [Meerts] jurisPR-ArbR 49/2009 Anm. 1 unter D; ders. BGleiG § 15 BGleiG Stand Oktober 2010 Rn. 10a, 62a).

45

(aa) Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 3 RL 76/207/EWG bezieht sich nur auf den Vaterschafts- und Adoptionsurlaub, nicht aber auch auf den Eltern- und Mutterschaftsurlaub (aA möglicherweise v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 155). Nur Vaterschafts- bzw. Adoptionsurlaub können von den Mitgliedstaaten anerkannt werden, während Eltern- und Mutterschaftsurlaub für Arbeitnehmer im nationalen Recht zwingend vorzusehen sind. Etwaige Zweifel am Verständnis dieser Norm sind jedenfalls durch die RL 2006/54/EG geklärt. Nach Art. 15 bzw. Art. 16 dieser Richtlinie haben nur die Arbeitnehmer, die aus dem Mutter- oder Vaterschaftsurlaub bzw. dem Adoptionsurlaub zurückkehren, Anspruch auf die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, auf die sie während ihrer Abwesenheit Anspruch gehabt hätten. Art. 16 RL 2006/54/EG übernimmt unverändert Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 zweiter Teil der RL 76/207/EWG, soweit dieser festgelegt hat, dass das Recht der Mitgliedstaaten unberührt bleibt, eigene Rechte auf Vaterschafts- und/oder Adoptionsurlaub anzuerkennen (Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen vom 21. April 2004 KOM (2004) 279 endgültig S. 31). Nach der Entsprechungstabelle im Anhang II der RL 2006/54/EG entspricht Art. 16 (nur) der früheren Bestimmung in Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Sätze 2 und 3, während Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 1 RL 76/207/EWG sich nunmehr in Art. 28 Abs. 2 RL 2006/54/EG wiederfindet. Soweit in Art. 16 Satz 2 RL 2006/54/EG - auf den ersten Blick irritierend - von „männlichen und weiblichen Arbeitnehmern“ die Rede ist, erklärt sich dies daraus, dass Art. 16 auch den Adoptionsurlaub erfasst. Dieser wiederum kommt für Männer und Frauen in Betracht (vgl. Erwägungsgrund 27 RL 2006/54/EG).

46

(bb) Das Unionsrecht verwendet die Begrifflichkeiten „Mutterschaftsurlaub“, „Vaterschaftsurlaub“, „Adoptionsurlaub“ und „Elternurlaub“. Der Elternurlaub ist sowohl nach dem Kreis der Personen, die ihn in Anspruch nehmen können, als auch hinsichtlich Dauer und Zeitraum seiner Inanspruchnahme sowie der mit ihm verfolgten Zwecke streng vom Mutterschafts-, Vaterschafts- und Adoptionsurlaub zu unterscheiden.

47

(aaa) Mutterschaftsurlaub iSv. Art. 8 RL 92/85/EWG sind die 14 Wochen vor und/oder nach der Entbindung, die der Mutter als Arbeitsbefreiung zu gewähren sind. Dieser Urlaub kann begriffsnotwendig nur von Frauen in Anspruch genommen werden. Er dient wie ausgeführt dem Schutz der körperlichen Verfassung der Frau während und nach der Schwangerschaft sowie dem Schutz der besonderen Beziehung zwischen der Mutter und ihrem Kind während der Zeit unmittelbar nach der Entbindung.

48

(bbb) Vaterschaftsurlaub ist im unionsrechtlichen Kontext ein individuelles, nicht übertragbares Recht männlicher Arbeitnehmer, das nach der Geburt oder Adoption eines Kindes unter Wahrung der bestehenden arbeitsbezogenen Rechte gleichzeitig mit dem Mutterschaftsurlaub in Anspruch genommen werden kann (vgl. Ziff. 2b i der Entschließung des Rates und der im Rat Vereinigten Minister für Beschäftigung und Sozialpolitik vom 29. Juni 2000 über eine ausgewogene Teilhabe von Frauen und Männern am Berufs- und Familienleben, ABl. EG C 218 vom 31. Juli 2000 S. 5; vgl. auch Erwägungsgrund 13 RL 2002/73/EG und Erwägungsgrund 26 RL 2006/54/EG). Dieser Urlaub korrespondiert mit dem Mutterschaftsurlaub. Es handelt sich um einen kurzen Urlaub für Väter zur Zeit der Geburt bzw. Adoption eines Kindes (3.1 der Mitteilung der Kommission vom 3. Oktober 2008 an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Bessere Work-Life-Balance). Dadurch soll der Vater ab der Geburt eines Kindes in die häuslichen und familiären Verpflichtungen eingebunden werden (3.2 des Berichts der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zur Gleichstellung von Frauen und Männern - 2007 vom 7. Februar 2007).

49

Bisher gibt es bezüglich des Vaterschaftsurlaubs noch keine unionsrechtlichen Rechtsvorschriften (Erwägung C der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Februar 2010 zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Europäischen Union - 2009, ABl. EU C 341E vom 16. Dezember 2010 S. 35). Das Europäische Parlament hat in Nr. 23 der Entschließung vom 10. Februar 2010 die Notwendigkeit unterstrichen, de lege ferenda die Frage des Vaterschaftsurlaubs „anzugehen“ und die Kommission ersucht, jeden Vorstoß zu unterstützen, der dazu diene, einen Vaterschaftsurlaub auf europäischer Ebene einzuführen. Es hat dabei die Auffassung vertreten, Mutterschafts- und Vaterschaftsurlaub müssten dergestalt verknüpft werden, dass die in der Gesellschaft vorherrschenden Klischeevorstellungen in Bezug auf die Inanspruchnahme dieses Urlaubs bekämpft würden. De lege lata erkennt das Unionsrecht in Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 2 RL 76/207/EWG bzw. in Art. 16 RL 2006/54/EG lediglich die bestehenden nationalen Regelungen über Vaterschaftsurlaub an und setzt dafür rechtliche Mindestbedingungen. Derartige Regelungen bestehen etwa in Frankreich, Großbritannien und Schweden (Rüling/Kassner Familienpolitik aus der Gleichstellungsperspektive - Ein europäischer Vergleich S. 97 bis 99), nicht dagegen in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Hadeler NZA 2003, 77, 80; Rüling/Kassner aaO S. 95).

50

(ccc) Adoptionsurlaub ist eine neue Urlaubsform, die wie der Vaterschaftsurlaub bisher keine unionsrechtliche Ausgestaltung erfahren hat (siehe nur 2.1 des Vorschlags der Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Durchführung der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub und zur Aufhebung der RL 96/34/EG und 2 des Vorschlags für eine Richtlinie zur Änderung der RL 92/85/EWG). Nach dem Verständnis der Kommission soll dieser wie Mutterschutzurlaub zur Zeit der Adoption eines Kindes gewährt werden (3.1 der Mitteilung der Kommission vom 3. Oktober 2008 an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Bessere Work-Life-Balance). Auch diesen Urlaub gibt es bisher im deutschen Recht nicht.

51

(ddd) Demgegenüber ist der Elternurlaub ein seit langem im Unionsrecht anerkanntes Institut. Gemäß Paragraph 2 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub kann er von erwerbstätigen Männern und Frauen im Fall der Geburt oder der Adoption eines Kindes genommen werden, damit sie sich mindestens drei Monate um dieses Kind kümmern können. Gemäß Art. 28 Abs. 2 RL 2006/54/EG bleibt dieser Urlaub von den Bestimmungen der Gleichbehandlungsrichtlinie unberührt. Ungeachtet des Art. 16 der RL 2006/54/EG kann also nach wie vor im Falle der Adoption eines Kindes Elternurlaub genommen werden. Damit ist nach den eindeutigen unionsrechtlichen Bestimmungen zu unterscheiden zwischen Elternurlaub, der wegen der Adoption eines Kindes genommen wird einerseits und Adoptionsurlaub, der - bei Bestehen entsprechender Regelungen im nationalen Recht - wegen der Adoption eines Kindes beansprucht wird.

52

Elternurlaub soll gemäß der Präambel der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub die Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben und die Chancengleichheit von Männern und Frauen fördern. Die Rahmenvereinbarung legt Mindestanforderungen und Vorschriften für einen vom Mutterschutz getrennten Elternurlaub fest (Erwägungsgrund 9). Dieser Urlaub muss nicht im zeitlichen Zusammenhang mit dem Mutterschaftsurlaub genommen werden, sondern kann bis zu einem Alter von acht Jahren des Kindes beansprucht werden.

53

(cc) Auch in Paragraph 5 Nr. 2 der Neufassung der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub aus dem Jahr 2009 im Anhang der Richtlinie 2010/18/EU des Rates vom 8. März 2010 zur Durchführung der von BUSINESSEUROPE, UEAPME, CEEP und EGB geschlossenen überarbeiteten Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub und zur Aufhebung der Richtlinie 96/34/EG ist wie bisher in Paragraph 2 Nr. 6 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub lediglich vorgesehen, dass erworbene Rechte und Anwartschaften erhalten bleiben. Einen Anspruch auf die Anrechnung von Zeiten des Elternurlaubs als Beschäftigungszeit sieht auch die überarbeitete Rahmenvereinbarung über Elternurlaub nicht vor. Es stünde jedoch in unauflöslichem Widerspruch, wenn einerseits in Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 1 RL 76/207/EWG bzw. in Art. 28 Abs. 2 RL 2006/54/EG bestimmt wird, dass die Richtlinien zum Elternurlaub und Mutterschutz unberührt bleiben, andererseits aber die Gleichbehandlungsrichtlinie weit darüber hinausgehende Ansprüche der Elternurlauber vorsähe.

54

(dd) Dementsprechend ist unter den Beispielen für Diskriminierungen in Art. 9 RL 2006/54/EG unter Buchst. g lediglich die Unterbrechung der Aufrechterhaltung oder des Erwerbs von Ansprüchen während eines gesetzlich oder tarifvertraglich festgelegten Mutterschutzurlaubs oder Urlaubs aus familiären Gründen, der vom Arbeitgeber bezahlt wird, aufgeführt. Zeiten des (unbezahlten) Elternurlaubs iSd. Rahmenvereinbarung über Elternurlaub sind nicht genannt.

55

(b) Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV zur Reichweite von Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 3 RL 76/207/EWG bzw. Art. 16 RL 2006/54/EG bedurfte es nicht(aA v. Roetteken Anm. zu EuGH 22. Oktober 2009 - C-116/08 - [Meerts] jurisPR-ArbR 49/2009 Anm. 1).

56

(aa) Ist die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel auch unter Berücksichtigung der Eigenheiten dieses Rechts, der besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und der Gefahr voneinander abweichender Entscheidungen innerhalb der Europäischen Union keinerlei Raum verbleibt, ist eine Vorlage auch durch ein letztinstanzliches Gericht wie das Bundesarbeitsgericht entbehrlich. Ob ein sog. „acte clair“ vorliegt, bleibt allein der Beurteilung des nationalen letztinstanzlichen Gerichts überlassen (EuGH 6. Oktober 1982 - C-283/81 - [CILFIT] Rn. 16 ff., Slg. 1982, I-3415; 15. September 2005 - C-495/03 - [Intermodal Transports] Rn. 33, 37, Slg. 2005, I-8151).

57

(bb) Die Voraussetzungen eines „acte clair“ sind hier erfüllt. Die Unterscheidung zwischen Mutterschafts-, Vaterschafts-, Adoptions- und Elternurlaub im Unionsrecht ist so eindeutig, dass sowohl für den EuGH als auch für die Gerichte der Mitgliedstaaten der Europäischen Union Gewissheit bestünde, dass Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 3 RL 76/207/EWG und Art. 16 RL 2006/54/EG auf die unionsrechtlichen Bestimmungen über den Elternurlaub und die diese in das nationale Recht umsetzenden Regelungen keine Anwendung findet. Die unterschiedlichen Sprachfassungen der RL 2006/54/EG erlauben keinerlei Zweifel daran, dass es sich bei Mutterschafts-, Vaterschafts-, Adoptions- und Elternurlaub um vier unterschiedliche Institute handelt:

-       

in der französischen Fassung der RL 2006/54/EG ist Art. 15 mit „Retour de congé de maternité“, Art. 16 mit „congé de paternité ou d'adoption“ überschrieben. Für den Elternurlaub wird dagegen die Bezeichnung „congé parental“ benutzt (s. nur Erwägungsgrund 24);

-       

in der englischen Fassung ist von „maternity leave“ für den Mutterschaftsurlaub, von „paternity leave“ für den Vaterschaftsurlaub, „adoption leave“ für den Adoptionsurlaub und schließlich von „paternal leave“ für den Elternurlaub die Rede;

-       

die niederländische Fassung verwendet die Bezeichnungen „zwangerschaps en bevallingsverlof“ für den Mutterschaftsurlaub, „vaderschapsverlof“ für den Vaterschaftsurlaub, „adoptieverlof“ für den Adoptionsurlaub und schließlich „ouderschapsverlof“ für den Elternurlaub;

-       

die italienische Fassung unterscheidet zwischen „congedo di maternità“, „congedo di paternità“, „congedo di adozione“ und „congedo parentale“;

-       

die spanische Fassung verwendet die Begriffe „permiso de maternidad“, „permiso de paternidad“, „permiso de adopción“ und „permiso parental“;

-       

die portugiesische Fassung differenziert zwischen „licença de maternidade“, „licença de paternidade“, „licença por adopção“ und „licença parental“;

-       

in der griechischen Fassung heißt es „άδεια μητρότητας“ für Mutterschaftsurlaub, „άδεια πατρότητας“ für Vaterschaftsurlaub, „άδεια υιοθεσίας“ für Adoptionsurlaub und schließlich „γονική άδεια“ für Elternurlaub.

58

In allen ausgewerteten Sprachfassungen wird also streng zwischen den vier Instituten differenziert. Regelungen, die sich auf den Vaterschaftsurlaub bzw. den Adoptionsurlaub beziehen, können darum nicht auf das gänzlich anders gelagerte Institut des „Elternurlaubs“ übertragen werden.

59

(cc) Soweit in der Literatur abweichend von diesem eindeutigen Auslegungsergebnis die Auffassung vertreten wird, Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 Satz 3 RL 76/207/EWG bzw. Art. 16 RL 2006/54/EG fände auf die Elternzeit gemäß § 15 BEEG Anwendung, wird nicht ansatzweise begründet, warum Bestimmungen des Unionsrechts, die sich auf den Vaterschafts- bzw. Adoptionsurlaub beziehen, auf das rechtlich davon zu unterscheidende Institut des Elternurlaubs zu übertragen sein sollen. Dieser vereinzelt gebliebenen, wenn auch breit gestreuten Meinung (v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 40 f., 157, 160 f., 324; ders. Anm. zu EuGH 22. Oktober 2009 - C-116/08 - [Meerts] jurisPR-ArbR 49/2009 Anm. 1; ders. BGleiG § 15 BGleiG Stand Oktober 2010 Rn. 10a, 62a) ist darum gegenüber der vom Senat vertretenen nicht eindeutig der Vorzug zu geben (vgl. BVerfG 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 - Rn. 19, 21, EzA KSchG § 17 Nr. 21).

60

(c) Die Elternzeit nach § 15 BEEG entspricht dem Elternurlaub im Sinne der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub, wobei sie in zeitlicher Hinsicht weit über das unionsrechtlich verlangte Mindestmaß hinausgeht(Buchner/Becker Mutterschutzgesetz Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz 8. Aufl. Vor §§ 15 - 21 BEEG Rn. 17; v. Roetteken AGG Stand November 2010 Rn. 156), nicht aber dem Vaterschafts- oder Adoptionsurlaub iSv. Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 4 RL 76/207/EWG bzw. Art. 16 RL 2006/54/EG.

61

(aa) Die Elternzeit verfolgt einen anderen Zweck als der Vaterschaftsurlaub im unionsrechtlichen Sinn. Der Anspruch auf Elternzeit soll sicherstellen, dass das Kind eine ständige Betreuungsperson hat (BT-Drucks. 10/3792 S. 19 für den Erziehungsurlaub). Er soll die Ausübung des Erziehungsrechts ohne Verlust des Arbeitsplatzes erleichtern und dient der Förderung der Betreuung und Erziehung des Kindes in den ersten Lebensjahren durch die Eltern sowie der besseren Vereinbarung von Familie und Beruf (Senat 18. Dezember 2008 - 6 AZR 287/07 - Rn. 30, BAGE 129, 93).

62

(bb) Auch in den Fällen, in denen Arbeitnehmer Elternzeit ab Aufnahme eines adoptierten Kindes in ihren Haushalt in Anspruch nehmen können (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BEEG), handelt es sich nicht um Adoptionsurlaub iSv. Art. 16 RL 2006/54/EG, sondern um Elternzeit, die nach dem Willen des nationalen Gesetzgebers entsprechend den Vorgaben in Paragraph 2 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub auch Adoptiveltern gewährt werden kann. § 15 BEEG setzt insoweit die Vorgaben der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub ausreichend in deutsches Recht um. Ein weitergehender Umsetzungsbedarf besteht nicht, weil Art. 16 RL 2006/54/EG keinen zwingenden Charakter hat. Ein Arbeitnehmer, der ein Kind adoptiert und Elternzeit in Anspruch genommen hat, kann damit nicht unter Berufung auf Art. 16 RL 2006/54/EG die Anrechnung seiner Zeit der Abwesenheit auf die Stufenlaufzeit verlangen.

63

(4) Die weiteren unionsrechtlichen Bestimmungen über den Elternurlaub sind nicht rechtlich bindend und begründen daher keinen Anspruch der Klägerin, während der Elternzeit den Gewinn von Berufserfahrung für den Stufenaufstieg zu fingieren.

64

(a) Art. 33 Abs. 2 GRC sieht lediglich den Anspruch auf Elternurlaub vor, ohne daran rechtliche Vorgaben zu knüpfen.

65

(b) Die Empfehlung des Rates vom 31. März 1992 zur Kinderbetreuung (92/241/EWG) (ABl. EG L 123 vom 8. Mai 1992 S. 16) entfaltet gemäß Art. 288 AEUV ebenfalls keine verbindliche Wirkung. Im Übrigen wird auch darin nur vorgeschlagen, Initiativen zu ergreifen, die es Frauen und Männern ermöglichen, ihre beruflichen, familiären und erzieherischen Pflichten im Hinblick auf die Kindesbetreuung miteinander in Einklang zu bringen.

66

(5) Nationale, über den Gewährleistungsinhalt des Unionsrechts hinausgehende Gleichstellungsvorschriften, die es geböten, die Elternzeit auf die Stufenlaufzeit anzurechnen, bestehen nicht.

67

(a) Aus dem Gesetz zur Verwirklichung der Chancengleichheit von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst des Landes Baden-Württemberg vom 11. Oktober 2005 (Chancengleichheitsgesetz - ChancenG, GBl. 650) lässt sich kein Anspruch der Klägerin auf Anrechnung der Elternzeit auf die Stufenlaufzeit ableiten. Gemäß § 3 Abs. 2 ChancenG gilt dieses Gesetz ua. für Kommunen nur eingeschränkt. Aus §§ 23 und 24 ChancenG lassen sich keine konkreten Ansprüche einzelner Beschäftigter ableiten.

68

(b) Das Bundesgleichstellungsgesetz findet auf die bei einer Kommune beschäftigte Klägerin keine Anwendung. Darum kann dahinstehen, ob § 9 Abs. 2 Nr. 1 BGleiG und/oder § 15 Abs. 3 und Abs. 4 BGleiG Beschäftigten des Bundes Anspruch auf die Anrechnung der Elternzeit auf die Stufenlaufzeit gewähren(in diesem Sinne v. Roetteken AGG Stand November 2010 § 3 Rn. 161; das BMI geht davon aus, dass nur keine Rückstufung gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 TVöD erfolgen darf [Rundschreiben vom 8. Dezember 2005 - D II 2-220-210-2/0 - S. 44]).

69

(6) Auch § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG gebietet keine Berücksichtigung der Elternzeit für den Stufenaufstieg im Entgeltsystem des TVöD(vgl. BAG 20. April 2010 - 3 AZR 370/08 - Rn. 49, EzA GG Art. 3 Nr. 109; 21. Mai 2008 - 5 AZR 187/07 - Rn. 29, BAGE 126, 375). Zwar kann von den Vorschriften über den Erziehungsurlaub auch nicht durch Tarifvertrag abgewichen werden. Die Tarifvertragsparteien müssen aber nicht für einen Ausgleich der Nachteile sorgen, die sich aus der gesetzlichen Ausgestaltung des Erziehungsurlaubs für die Arbeitnehmer ergeben (BAG 15. Dezember 1998 - 3 AZR 251/97 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 25 = EzA BErzGG § 15 Nr. 12).

70

dd) Der Gleichberechtigungsgrundsatz in seiner Ausprägung durch Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 GG ist ebenfalls nicht verletzt. Zwar verbieten auch diese Bestimmungen sowohl eine unmittelbare als auch mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts (BVerfG 27. November 1997 - 1 BvL 12/91 - BVerfGE 97, 35, 43; 18. Juni 2008 - 2 BvL 6/07 - Rn. 48 f., BVerfGE 121, 241). Die Gewährleistungen des Art. 3 GG gehen insoweit jedoch nicht über das Unionsrecht hinaus(vgl. BAG 20. April 2010 - 3 AZR 370/08 - Rn. 28, EzA GG Art. 3 Nr. 109; BFH 5. Dezember 2000 - VII R 18/00 - zu II 3 der Gründe, BFHE 193, 234 ).

71

II. Auch Art. 6 GG ist nicht verletzt.

72

1. Die Tarifvertragsparteien haben nicht die Pflicht, durch tarifliche Regelungen zum besonderen Schutz von Ehe und Familie beizutragen. Der Schutzauftrag aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG richtet sich nicht an die Tarifvertragsparteien, sondern an den Staat(Senat 18. Dezember 2008 - 6 AZR 287/07 - Rn. 20, BAGE 129, 93). Gleichwohl darf die von ihnen vorgenommene Gruppenbildung die durch Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG geschützten Belange von Ehe und Familie nicht gleichheits- und sachwidrig außer Betracht lassen(vgl. zu dieser Grenze der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien Senat 30. Oktober 2008 - 6 AZR 712/07 - Rn. 15, BAGE 128, 219). Diesen Anforderungen genügt § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-AT.

73

Das neue Entgeltsystem des TVöD stellt durch den Stufenaufstieg innerhalb der Entgeltgruppe auf die Berufserfahrung und die darin zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit ab. Diese Entgeltkomponente hat keinerlei Bezug zu den Gewährleistungen des Art. 6 GG. Die Tarifvertragsparteien durften typisierend annehmen, dass während der Elternzeit kein Zuwachs an Erfahrungswissen erfolgt und durften darum vorsehen, dass diese Zeit nicht auf die Stufenlaufzeit anzurechnen ist. Nach ihrer typisierenden Betrachtung unterscheidet sich die Arbeitsleistung durchgehend aktiv Beschäftigter und der Beschäftigten, die nach einer Elternzeit die Beschäftigung wieder aufnehmen. Nach Sinn und Zweck der Entgeltsteigerung durch den Aufstieg in den Stufen war es daher nicht geboten, die Elternzeit auf die Stufenlaufzeit anzurechnen. Im Gegenteil würde es dem Sinn und Zweck des Stufenaufstiegs widersprechen, wenn Zeiten ohne tatsächliche Arbeitsleistung, die über die in § 17 Abs. 3 Satz 1 TVöD-AT aufgezählten hinausgehen, berücksichtigt würden.

74

2. Die Rechtslage bei Sozialplanabfindungen gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Würdigung. Danach widerspricht es den in Art. 6 GG enthaltenen Wertungen, die über § 75 BetrVG auch in die Prüfung von Sozialplänen Eingang finden, wenn die Betriebspartner bei der Höhe der Abfindung zwar auch die Dauer der Beschäftigung berücksichtigen, nicht aber Zeiten des Erziehungsurlaubs(BAG 12. November 2002 - 1 AZR 58/02 - BAGE 103, 321). Die Sozialplanabfindung hat keinen Entgeltcharakter und soll nicht die geleisteten Dienste vergüten. Ihr kommt vielmehr eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion zu (vgl. nur BAG 23. März 2010 - 1 AZR 832/08 - Rn. 29, AP BetrVG 1972 § 75 Nr. 55 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 35). Sinn und Zweck der Sozialplanabfindung bedingen also gerade nicht das Außerachtlassen von Elternzeiten (vgl. BAG 12. November 2002 - 1 AZR 58/02 - BAGE 103, 321, 327 f.). Darin liegt der Unterschied zur Stufenlaufzeit.

75

3. Art. 6 Abs. 4 GG scheidet als Prüfungsmaßstab aus. Aus dieser Norm können für Sachverhalte, die nicht allein Mütter betreffen, keine besonderen Rechte hergeleitet werden. § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-AT gilt jedoch für alle Beschäftigten, die Elternzeit in Anspruch nehmen, egal ob sie Väter oder Mütter sind. Auch wenn sich die Hemmung des Stufenaufstiegs tatsächlich vor allem zulasten der Mütter auswirkt, weil diese auch heute noch durch die Inanspruchnahme von Elternzeit jedenfalls länger als die Väter ihre Berufstätigkeit unterbrechen, ist der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 4 GG nicht berührt(vgl. BVerfG 12. März 1996 - 1 BvR 609/90, 1 BvR 692/90 - BVerfGE 94, 241; BAG 20. April 2010 - 3 AZR 370/08 - Rn. 42, EzA GG Art. 3 Nr. 109).

76

III. Art. 3 Abs. 1 GG ist durch den Zuschnitt der Personenkreise, bei denen in § 17 Abs. 3 Satz 1 TVöD-AT Unterbrechungen der Arbeitsleistung mit Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit gleichgestellt worden sind, nicht verletzt.

77

1. Die Klägerin macht insoweit geltend, es sei nicht verständlich, warum eine Arbeitsunfähigkeit bis zu 39 Wochen als Zeit einer ununterbrochenen Tätigkeit angesehen werde, während eine Elternzeit von gleicher Dauer schädlich sei. Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b TVöD-AT werden die Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit bis zu 39 Wochen angerechnet. Das gilt für jeden Fall der Arbeitsunfähigkeit, wobei bei Fortsetzungserkrankungen alle rechtlich im Fortsetzungszusammenhang stehenden Zeiten als eine Arbeitsunfähigkeit gelten (Fieberg GKÖD Stand Dezember 2010 § 17 TVöD/TV-L Rn. 32). In Einzelfällen kann daher die anrechnungsfähige Zeit mehrerer unterschiedlicher Arbeitsunfähigkeiten die Dauer der die Stufenlaufzeit hemmenden Elternzeit übersteigen. Das führt jedoch nicht dazu, dass jedenfalls 39 Wochen der Elternzeit der Klägerin auf die Stufenlaufzeit anzurechnen wären.

78

a) Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte jedoch dazu, Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen und deshalb Art. 3 GG verletzen. Dabei kommt den Tarifvertragsparteien als selbständigen Grundrechtsträgern allerdings aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Wie weit dieser reicht, hängt von den im Einzelfall vorliegenden Differenzierungsmerkmalen ab, wobei den Tarifvertragsparteien in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen eine Einschätzungsprärogative zusteht (Senat 18. Dezember 2008 - 6 AZR 287/07 - BAGE 129, 93). Art. 3 GG untersagt auch einen gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss. Auch wenn man berücksichtigt, dass sich die Regelung in § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-AT auf die grundrechtlich geschützte Freiheit, Elternzeit zu beanspruchen, auswirken kann, und deshalb einen Rechtfertigungsgrund verlangt, der im angemessenen Verhältnis zum Grad der Ungleichbehandlung steht(vgl. BVerfG 15. März 2000 - 1 BvL 16/96 ua. - BVerfGE 102, 68, 87), begünstigt die Regelung in § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b TVöD-AT unter Berücksichtigung der Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien Arbeitsunfähige nicht gleichheitswidrig gegenüber den Beschäftigten, die nach einer Elternzeit ihre Tätigkeit wieder aufnehmen.

79

b) Zwar kann während der Zeit einer Arbeitsunfähigkeit ebenso wie während der Elternzeit, in der das Arbeitsverhältnis ruht, kein für den Stufenaufstieg relevantes Erfahrungswissen erworben werden. Die Tarifvertragsparteien durften aber davon ausgehen, dass typischerweise auch im öffentlichen Dienst Zeiten langdauernder ununterbrochener Arbeitsunfähigkeit Ausnahmefälle darstellen. Weniger als 5 % aller Arbeitsunfähigkeitsfälle der in den gesetzlichen Krankenkassen Versicherten dauern über die gesetzliche Entgeltfortzahlung von sechs Wochen hinaus (Badura/Schröder/Klose/Macco Fehlzeiten-Report 2010 S. 439 Abb. 29.6). Auch die Dauer der Arbeitsunfähigkeit der AOK-Mitglieder im öffentlichen Dienst überstieg nur in 11,5 % aller Arbeitsunfähigkeitsfälle 21 Tage. Lediglich in 4,2 % aller Fälle lag dabei eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als 42 Tagen vor (Badura/Schröder/Klose/Macco aaO S. 400 Tabelle 28.10.5). Die durchschnittliche Dauer eines Arbeitsunfähigkeitsfalles unter den bei der AOK Versicherten ist von etwas mehr als 12 Tagen im Jahr 2004 auf knapp unter 12 Tagen im Jahr 2009 gesunken (Badura/Schröder/Klose/Macco aaO S. 398 Tabelle 28.10.1). Das gilt trotz des Umstandes, dass die in den öffentlichen Verwaltungen beschäftigten AOK-Mitglieder eine ungünstigere Altersstruktur aufweisen als die in der freien Wirtschaft Beschäftigten und in der AOK die Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes mit einer besonders hohen Arbeitsbelastung überrepräsentiert sind (Badura/Schröder/Klose/Macco aaO S. 279). Selbst bei den Berufsgruppen mit den höchsten Fehlzeiten lag die Dauer der Arbeitsunfähigkeit je Fall bei knapp unter 16 Tagen (Badura/Schröder/Klose/Macco aaO S. 399 Tabelle 28.10.4).

80

Zwischen einzelnen Krankheiten oder Krankheitsphasen kommt es also auch im öffentlichen Dienst typischerweise, gerade auch bei Fortsetzungserkrankungen, immer wieder zu Zeiten tatsächlicher Arbeitsleistung und damit des Erfahrungsgewinns. Durch die Inanspruchnahme von Elternzeit, bei der das Arbeitsverhältnis ruht, tritt also bei typisierender Betrachtung eine erheblich längere Unterbrechung des Erfahrungsgewinns ein als durch Arbeitsunfähigkeit. Das durften die Tarifvertragsparteien ihrer Regelung zugrunde legen.

81

Des Weiteren durften die Tarifvertragsparteien darauf abstellen, dass Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von 39 Wochen nicht zur gänzlichen Suspendierung der Vergütungspflicht führt. Nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums steht dem Beschäftigten gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 TVöD-AT bei einer Beschäftigungszeit von mehr als drei Jahren nach § 22 Abs. 2 TVöD-AT ein Krankengeldzuschuss bis zum Ende der 39. Woche der Arbeitsunfähigkeit zu. Demgegenüber ruht das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit unter Suspendierung aller wechselseitigen Pflichten. Bei der notwendigerweise pauschalisierenden Bewertung, welche Zeiten der Unterbrechung der Tätigkeit sie einer tatsächlichen Beschäftigung gleichstellen wollten, hält es sich noch im Rahmen des Gestaltungsspielraums der Tarifvertragsparteien, solche Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit, für die noch ein Anspruch auf Krankengeldzuschuss bestehen kann und damit die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis auf Arbeitgeberseite nicht gänzlich suspendiert sind, auf die Stufenlaufzeit anzurechnen und demgegenüber auch Elternzeiten von weniger als 39 Wochen als Hemmung der Stufenlaufzeit zu werten (vgl. BAG 9. November 1994 - 10 AZR 3/94 - AP BAT § 23a Nr. 33 = EzA BAT § 23a Nr. 3 für die Anrechnung der Arbeitsunfähigkeit auf die Bewährungszeit nach § 23a BAT).

82

2. Auch der Einwand der Klägerin, Sonderurlaub aus betrieblichen Gründen sei nicht zwingend mit einem Gewinn an einschlägiger Berufserfahrung verbunden, ist nicht geeignet, eine gleichheitswidrige Begünstigung des von § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. d TVöD-AT erfassten Personenkreises aufzuzeigen.

83

Sonderurlaub, bei dem der Arbeitgeber vor dem Antritt schriftlich ein dienstliches oder betriebliches Interesse anerkannt hat, wird gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 Buchst. d TVöD-AT unabhängig von seiner Dauer auf die Stufenlaufzeit angerechnet. Ein solcher Sonderurlaub wird typischerweise dann gewährt, wenn sich der einzelne Beschäftigte qualifizieren will und der Arbeitgeber sich diese Qualifikation später zunutze machen will (Künzl GKÖD Stand Dezember 2010 § 34 TVöD/TV-L Rn. 424). Gleiches gilt, wenn die Übernahme der Tätigkeit, für die die Beurlaubung erfolgt, im dienstlichen Interesse liegt (Fieberg GKÖD Stand Dezember 2010 § 28 TVöD/TV-L Rn. 28). So liegt die Tätigkeit von Bundesbediensteten in öffentlichen zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisationen im deutschen Interesse. Die Beurlaubung (Entsendung) zur Dienstleistung bei Internationalen Organisationen fördert das Leistungsniveau und die Verwendbarkeit auch im nationalen Dienst. Darum ist Beschäftigten des Bundes bei einer solchen Entsendung Sonderurlaub nach § 28 TVöD zu gewähren, der im dienstlichen Interesse liegt und daher bei Erfüllung der formellen Anforderungen auf die Beschäftigungszeit anzurechnen ist(I und IV der Richtlinien für die Entsendung von Bundesbediensteten in öffentliche zwischenstaatliche oder überstaatliche Organisationen (Entsendungsrichtlinien - EntsR -) vom 26. September 2005, GMBl. S. 1074). Aus denselben Gründen ist Beschäftigten des Bundes Sonderurlaub für Aufgaben der Entwicklungszusammenarbeit zu gewähren (I und IV der Richtlinien für die Beurlaubung von Bundesbediensteten zur Übernahme von Aufgaben der Entwicklungszusammenarbeit (Beurlaubungsrichtlinien - BeurlR) vom 25. Oktober 2000, GMBl. S. 1112). Die Anrechnung der Zeiten des Sonderurlaubs auf die Stufenlaufzeit erklärt sich also daraus, dass sich während der Beurlaubung typischerweise die berufliche Qualifikation und Verwendbarkeit verbessern. Darauf durften die Tarifvertragsparteien bei typisierender Betrachtung abstellen.

84

IV. Eine Altersdiskriminierung rügt die Klägerin nicht. Ein auf Berufserfahrung abstellendes Entgeltsystem wie das des TVöD ist nicht per se altersdiskriminierend. Es ist vielmehr ein legitimes Ziel der Entgeltpolitik, Berufserfahrung zu honorieren, die den Arbeitnehmer befähigt, seine Arbeit besser zu verrichten (EuGH 3. Oktober 2006 - C-17/05 - [Cadman] Rn. 34, Slg. 2006, I-9583). Da die Klägerin keine Indizien für eine auch nur mittelbare Altersdiskriminierung durch das auf Berufserfahrung abstellende Stufensystem des TVöD aufgezeigt hat, war keine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über die Vorlage des Senats vom 20. Mai 2010 (- 6 AZR 319/09 (A) -) geboten.

85

C. Auf den von der Klägerin angeführten besonderen Umstand, dass sie ihre beruflichen Fertigkeiten während der Elternzeit weiter entwickelt haben will, kommt es nicht an. Darüber hinaus ist ihr Vortrag insoweit unsubstantiiert.

86

I. Die Tarifvertragsparteien haben typisierend darauf abgestellt, dass bei der Mehrzahl der vom TVöD erfassten Berufsbilder während der Elternzeit keine für die geschuldete Tätigkeit förderliche Berufserfahrung erworben wird. Dies gilt auch für die Entgeltgruppe 5, in die die Klägerin eingruppiert war. In dieser Entgeltgruppe sind die frühere Vergütungsgruppe VII des BAT sowie die Lohngruppen 5 (mit Aufstieg nach 5a) und 4 (mit Aufstieg nach 5 und 5a) und damit eine Vielzahl von Berufsbildern nicht nur häuslichen Zuschnitts zusammengefasst worden (Anlage 3 zum TVÜ-VKA). Darauf, ob im Einzelfall bei Beschäftigten während der Elternzeit bezogen auf ihre berufliche Tätigkeit ein Erfahrungszuwachs eintritt, kommt es damit nicht an, zumal es auch in diesen Fällen an der Eingliederung in die betriebliche Organisation fehlt, die essentiell für die von den Tarifvertragsparteien angenommene Verbesserung von Arbeitsqualität und -quantität ist.

87

II. Der Hinweis der Klägerin, sie habe während der Elternzeit zumindest teilweise ihre beruflichen Fertigkeiten als Schneiderin fortentwickelt, ist darüber hinaus unsubstantiiert. Sie behauptet nicht konkret, dass sie ihre Kerntätigkeit als Schneiderin auch während der Elternzeit in einem Maße verrichtet habe, das dem Erwerb weiterer Berufserfahrung durch die von ihr geschuldete Tätigkeit gleichgekommen wäre.

88

D. Die Klägerin hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass es sich bei den auf Gehaltsabrechnung bezogenen Anträgen um unechte Hilfsanträge für den Fall des Obsiegens mit den Zahlungsanträgen handelt. Diese Anträge sind darum nicht zur Entscheidung angefallen.

89

E. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    D. Knauß    

        

    U. Lauth    

                 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 23. Dezember 2009 - 6 Sa 158/09 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um einen Entschädigungsanspruch der Klägerin wegen Diskriminierung aufgrund ihrer Rasse und ihrer ethnischen Herkunft.

2

Die im ehemaligen Jugoslawien geborene und muttersprachlich kroatisch sprechende Klägerin war von Juni 1985 bis Dezember 1990 und ist seit dem 1. Januar 1992 ununterbrochen bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Sie ist als Reinigungskraft und als Vertretung der Kassenkräfte im Schwimmbad der Beklagten eingesetzt. Über die erforderliche Kassenbefugnis verfügt die Klägerin seit mehr als 14 Jahren.

3

Im ersten Quartal 2006 forderte der Betriebsleiter des Schwimmbades (teilweise auch als Abteilungsleiter Bäder bezeichnet) N die Klägerin auf, einen Deutschkurs in der Volkshochschule auf eigene Kosten und außerhalb der Arbeitszeit zu besuchen. Dies lehnte die Klägerin ab, erklärte sich aber bereit, einen Sprachkurs zu absolvieren, wenn die Beklagte die Kosten hierfür übernimmt. Hierzu war die Beklagte nicht bereit.

4

Mit Schreiben vom 18. Mai 2006, welches der Klägerin am 22. Juni 2006 übergeben worden ist, verpflichtete der Geschäftsführer der Beklagten die Klägerin, die Anmeldung zu einem Deutschkurs nachzuweisen. Auszugsweise lautet das Schreiben:

        

„aufgrund Ihrer unzureichenden Deutschkenntnisse kommt es immer wieder zu Problemen in der Verständigung mit Kollegen, Vorgesetzten und Kunden. Es ist nicht möglich, Sie aufgabengerecht einzusetzen, wenn Sie Sachverhalte nicht verstehen, geschweige denn deuten können.

        

Sie werden hiermit verbindlich verpflichtet, uns unverzüglich die Anmeldung für einen Deutschkurs nachzuweisen, wobei wir gerne bei der Auswahl behilflich sein werden.

        

Diese Kurse werden immer wieder bei allen Volkshochschulen, auch der an Ihrem Wohnort, angeboten. Die Organisation und Anmeldung führen Sie bitte selbst durch; die Bescheinigung legen Sie bitte der Personalabteilung vor.“

5

Nach Rückkehr der Klägerin aus dem Urlaub am 17. Juli 2006 fanden am 2. August, am 10. August und am 15. August 2006 weitere Gespräche hinsichtlich des geforderten Deutschkurses statt. Während des Gesprächs vom 15. August 2006 wurde der Klägerin der Entwurf einer Abmahnung wegen der bislang unterlassenen Anmeldung zu einem Deutschkurs zum Durchlesen vorgelegt.

6

Vom 18. August 2006 bis zum 14. September 2006 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Sowohl am 15. September 2006 als auch am 18. September 2006 fanden weitere Gespräche hinsichtlich des geforderten Deutschkurses statt. In der zeitlichen Folge war die Klägerin vom 19. September 2006 bis zum 12. Oktober 2007 arbeitsunfähig erkrankt.

7

Am 20. Oktober 2007 erhielt die Klägerin eine Abmahnung wegen der unterlassenen Anmeldung zu einem Deutschkurs, welche ihr bereits im Entwurf am 15. August 2006 vorgelegt worden war, mit folgender Ergänzung vom 19. Oktober 2007:

        

„Die vorstehende Abmahnung, ursprünglich datiert auf den 17.08.2006, konnte Ihnen aufgrund Ihrer Langzeiterkrankung nicht zeitnah ausgesprochen werden.

        

Leider müssen wir feststellen, dass sich an den abzumahnenden Tatsachen auch nach über einem Jahr nichts grundlegendes geändert hat. Weder haben sich Ihre Deutschkenntnisse verbessert, noch haben Sie uns einen Nachweis vorgelegt, der Ihre derzeitige oder erfolgreich abgeschlossene Teilnahme an einem geeigneten Deutschkurs belegt. Da wir bei Ihnen keine Verhaltensänderung feststellen können, halten wir auch aus heutiger Sicht die Abmahnung für zwingend geboten.“

8

Mit Schreiben ihres damaligen Rechtsanwalts Dr. S vom 27. November 2007 ließ die Klägerin die Beklagte auffordern, die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen und die in der Abmahnung enthaltenen Äußerungen zu widerrufen. Auch ließ die Klägerin darauf hinweisen, dass sie durch die Aufforderung, einen Deutschkurs zu belegen, aufgrund ihrer Nationalität diskriminiert sei.

9

Auf dieses Schreiben erwiderte die Beklagte am 31. Januar 2008 wie folgt:

        

„Sehr geehrter Herr Dr. S,

        

hiermit teile ich Ihnen mit, dass zur Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung die gegen Ihre Mandantin, Frau K, gerichtete Abmahnung mit dem heutigen Tage aus der Personalakte entfernt worden ist. Dies geschieht nicht zuletzt auf Grund der formalrechtlichen Problematik, die in einer Aufrechterhaltung der Abmahnung liegen würde.

        

Gestatten Sie mir gleichwohl folgende Hinweise:

        

Ihre Mandantin ist nicht nur Reinigungskraft im Hallenbad, sondern gleichermaßen Kassen- und Servicekraft am Empfang des Hallenbades der Ko GmbH. Dass sie deshalb in der Lage sein muss, sich auf Deutsch zu verständigen, liegt auf der Hand. Das Problem liegt darin, dass Frau K - im Unterschied zu früher - ihre Sprachkompetenz in einem Umfang verloren hat, dass die erforderliche Verständigung mit Badegästen nicht mehr ausreichend gesichert ist. Auch die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen ist durch die Sprachproblematik der Frau K gefährdet.

        

Ich bitte Sie zu akzeptieren, dass dann - auch in einer Situation, in der Ihre Mandantin tarifrechtlich ordentlich unkündbar ist - Maßnahmen seitens des Unternehmens ergriffen werden. Diese bestanden in der Aufforderung, einen Deutschkursus zu belegen. Die - auch vom Betriebsrat befürwortete - Abmahnung war dabei nicht der erste Schritt, sondern der letzte Schritt nach verschiedensten ‚Diskussionen’ mit Frau K. Unsäglich finde ich Ihre Schlussfolgerung, dass durch diese Aufforderung die Ko GmbH Ihre Mandantin aufgrund ihrer Nationalität diskriminiert habe. Schließlich wäre auch in dem denkbaren Fall, dass ein Mitarbeiter deutscher Nationalität sich nicht auf Deutsch verständigen könnte, dieser für die Tätigkeit am Empfang des Hallenbades nicht geeignet. Auch dass es in den vergangenen 20 Jahren keine Beschwerden über Ihre Mandantin gegeben habe, entspricht nicht den Tatsachen. Tatsächlich gab es zunehmend Probleme mit Badegästen und Mitarbeitern wegen der Tatsache, dass die sprachliche Verständigung unter der Inkompetenz der Frau K gelitten hat.

        

Wir sind weiterhin der Meinung, dass diese sprachliche Verständigungsfähigkeit Grundvoraussetzung des Arbeitsplatzes Ihrer Mandantin ist. Dies bedeutet aus unserer Sicht, dass sie sich auch um die erforderlichen Deutschkenntnisse zu bemühen hat.

        

Richtig schreiben Sie, dass die Abmahnung nicht sofort erteilt wurde. Dies lag daran, dass sich die Problematik im Ganzen ‚aufgeschaukelt’ hat und außerdem aus fürsorglichen Gründen davon abgesehen wurde, eine Abmahnung in Abwesenheit der vielfach erkrankten Frau K auszusprechen. Dies war Frau K auch entsprechend mitgeteilt worden.

        

Vielleicht können Sie, sehr geehrter Herr Rechtsanwalt, auch unabhängig von juristischen Kategorien Ihrer Mandantin klar machen, dass Ihr Arbeitgeber an einer gütlichen und gleichzeitig den Unternehmenszielen dienenden Problemlösung interessiert ist. Dies würde bedeuten, dass Frau K schlicht Ihre Resistenz gegenüber der Sprache des Landes aufgibt, in dem sie sich seit mehr als 25 Jahren aufhält. Wie wir dies hinbekommen, wissen wir bisher nicht. Wir hoffen aber auf eine entsprechende Kooperativität Ihrer Mandantin.

        

Mit freundlichem Gruß

        

Ko GmbH

        

F       

        

Geschäftsführer“

10

Mit Anwaltsschreiben vom 31. März 2008 ließ die Klägerin unter Hinweis auf die Abmahnung, die Forderung nach einem Deutschkurs und das Schreiben der Beklagten vom 31. Januar 2008 auf das Bestehen einer Diskriminierung wegen ihrer Rasse und ihrer Nationalität hinweisen und forderte die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 15.000,00 Euro auf. Mit der am 30. April 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen vorliegenden Klage verfolgt die Klägerin diesen Anspruch weiter.

11

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte diskriminiere sie bewusst wegen ihrer Rasse und ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Es lägen sowohl benachteiligende Einzelmaßnahmen als auch eine Benachteiligung in Form einer Belästigung im Sinne von § 3 Abs. 3 AGG vor. Die Klägerin hat behauptet, sie sei erstmals am 20. Januar 2004 von dem Betriebsleiter N und von dem Betriebsratsmitglied P aufgefordert worden, einen Deutschkurs zu absolvieren, da sich - angeblich - das von ihr gesprochene Deutsch verschlechtert habe. Diese Aufforderung habe N bis zum Zugang des Aufforderungsschreibens vom 18. Mai 2006 am 22. Juni 2006 mindestens dreimal wiederholt. Weder diese erstmalige Aufforderung noch die zeitlich nachfolgenden Aufforderungen seien gerechtfertigt gewesen. Alle ihr übertragenen Aufgaben habe sie stets ausführen können. Beschwerden von Kunden oder Kollegen über fehlende sprachliche Fähigkeiten habe es - zumindest ihr gegenüber - nicht gegeben. Die Klägerin hat bestritten, dass sie Sprachkompetenz verloren habe. Sie hat weiter behauptet, der vierwöchigen Arbeitsunfähigkeit im August 2006 habe eine leichte Depression zugrunde gelegen. Diese Depression sei darauf zurückzuführen, dass sie ständig das Gefühl gehabt habe, jede ihrer Äußerungen werde auf sprachliche Korrektheit hin überprüft. Weiterhin hat die Klägerin vorgetragen, der Betriebsleiter N habe ihr nach Rückkehr aus dieser Arbeitsunfähigkeit im September 2006 die Kassenzuständigkeit entzogen und ihr mitgeteilt, dass sie zukünftig nur noch Kolleginnen während deren Pausen an der Kasse vertreten werde. Diese Demütigung habe stärkere Depressionen ausgelöst, die der Grund für die Erkrankung von September 2006 bis Oktober 2007 gewesen seien. Darüber hinaus hat die Klägerin behauptet, ab Oktober 2007 sei sie als einzige Reinigungskraft in der Spätschicht an zahlreichen Tagen nur noch bis 21:00 Uhr eingesetzt worden. Die zuschlagsberechtigte Arbeit zwischen 21:00 und 22:15 Uhr sei ihr ohne sachlichen Grund teilweise entzogen worden. Die Klägerin hat gemeint, da alle anderen Arbeitnehmer der Beklagten nicht aufgefordert worden seien, einen Deutschkurs zu besuchen, sei nach § 22 AGG von einer Indizwirkung für ihre diskriminierende Benachteiligung durch die Beklagte auszugehen. Bereits aus der mehr als 20 Jahre dauernden beanstandungsfreien Tätigkeit für die Beklagte folge, dass mangelnde sprachliche Fähigkeiten nicht der Grund für die getroffenen Anordnungen und Schikanen sein könnten. Auch die in dem - nach Auffassung der Klägerin beleidigenden - Schreiben der Beklagten vom 31. Januar 2008 verwendeten Formulierungen, wie die der „sprachlichen Resistenz“, belegten, dass es der Beklagten ausschließlich um Angriffe gegen die ethnische Herkunft und Rasse der Klägerin gegangen sei.

12

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie eine angemessene, in das Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

13

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Klägerin nicht diskriminiert zu haben. Das Schreiben vom 31. Januar 2008 enthalte keine diskriminierenden Äußerungen, sondern beschreibe lediglich, dass auf dem Arbeitsplatz der Klägerin unabdingbar ausreichende Deutschkenntnisse erforderlich seien, über die die Klägerin nicht - mehr - verfüge. Seit Ende 2004 habe sich bei der Klägerin eine Entwicklung eingestellt, für die der Begriff der „ausreichenden Sprachkompetenz“ verwendet worden sei. So sei die Klägerin beispielsweise nicht in der Lage, hinreichende Erklärungen zu Kassendifferenzen selbst schriftlich zu verfassen. Teilweise habe die Klägerin diese Erklärungen von anderen Mitarbeitern ausfüllen lassen, teilweise seien die von ihr selbst geschriebenen Erklärungen nicht verständlich gewesen. Auch habe sie anderen Mitarbeitern selbst einfach gelagerte Probleme nicht nachvollziehbar erklären können. Die Beklagte hat weiter behauptet, Mitarbeiter und Kunden hätten sich über die Klägerin wegen deren Sprachproblemen beschwert. Die Beklagte hat bestritten, dass sie der Klägerin die Kassenbefugnis entzogen habe. Vielmehr habe sie ihr mitgeteilt, dass sie zukünftig so wenig wie möglich an der Kasse eingesetzt werden solle. Ausdrücklich sei der Klägerin erklärt worden, dass sie zukünftig hauptsächlich als Urlaubs- und Krankheitsvertretung an der Kasse arbeiten solle. Die Beklagte hat bestritten, dass die Diskussionen um die Deutschkenntnisse der Klägerin eine Ursache für die Erkrankungen darstellten und dass bei der Klägerin Depressionen diagnostiziert worden seien. Schließlich hat die Beklagte die Auffassung vertreten, der Entschädigungsanspruch sei bereits deshalb ausgeschlossen, da die Klägerin die Klage nicht innerhalb der 3-Monats-Frist des § 61b Abs. 1 ArbGG erhoben habe. Im Schreiben vom 27. November 2007 habe die Klägerin eine Diskriminierung aufgrund ihrer Nationalität beanstandet. Folglich hätte die Klage bis Ende Februar 2008 und nicht erst, wie tatsächlich geschehen, im April 2008 erhoben sein müssen.

14

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der von dem Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Ihr steht die geltend gemachte Entschädigung nicht zu. Eine Benachteiligung wegen der Rasse oder der ethnischen Herkunft liegt nicht vor.

16

A. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und das Bestehen eines Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG abgelehnt, da die Beklagte nicht gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 AGG iVm. § 1 AGG verstoßen habe.

17

Die Klägerin habe den Tatbestand einer Benachteiligung in der Form einer Belästigung nach § 3 Abs. 3 AGG nicht hinreichend dargelegt. Das von der Klägerin als unerwünscht bezeichnete Verhalten der Beklagten - die wiederholten und nachdrücklichen Aufforderungen zum Besuch eines Deutschkurses - stehe nicht im Zusammenhang mit einem Merkmal nach § 1 AGG. Das Verhalten sei nicht aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft erfolgt. Die Herkunft der Klägerin aus dem ehemaligen Jugoslawien habe ebenso wenig für die Aufforderungen eine Rolle gespielt wie ihre kroatische Muttersprache. Die Aufforderungen seien durch die Beklagte vielmehr erfolgt, weil sie die Deutschkenntnisse der Klägerin nicht für ausreichend erachtete. Die Anknüpfung sei mithin an die Sprachkompetenz und nicht an die Ethnie der Klägerin erfolgt. Zwar könne in der Einstellungsvoraussetzung, dass die ausreichende Beherrschung der deutschen Sprache Bedingung für eine Tätigkeit sei, eine mittelbare Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft liegen, da die Mehrzahl der Betroffenen nicht deutscher Herkunft sei. Vorliegend gehe es aber nicht um eine Einstellung, sondern darum, ob die bereits beschäftigte Klägerin noch die erforderliche sprachliche Qualifikation besitze. Die Beklagte habe die Klägerin nicht schlechter als muttersprachlich deutsch sprechende Mitarbeiter behandeln wollen.

18

Aber selbst wenn ein Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Beklagten und den geschützten Merkmalen der Rasse oder der ethnischen Herkunft anzunehmen sei, wäre der Belästigungstatbestand des § 3 Abs. 3 AGG nicht verwirklicht, da die der Norm immanente Erheblichkeitsschwelle nicht überschritten sei. Zwar habe die Beklagte mit erheblicher Hartnäckigkeit versucht, die Klägerin zum Besuch eines Deutschkurses zu bewegen, allerdings sei nicht zu erkennen, dass hierdurch die Würde der Klägerin angegriffen worden sei. Das Verhalten der Beklagten habe, so unangenehm es die Klägerin auch empfunden haben möge, nicht oberhalb der bloßen Lästigkeitsschwelle gelegen.

19

B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Revision der Klägerin war daher zurückzuweisen.

20

I. Die Revision ist zulässig. Sie ist gemäß § 72 Abs. 1 ArbGG statthaft, da sie durch das Landesarbeitsgericht im Tenor des angegriffenen Urteils zugelassen worden ist. Die Revision ist gemäß § 74 Abs. 1 ArbGG frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden.

21

II. Die Revision ist nicht begründet. Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Entschädigung infolge einer Diskriminierung oder Belästigung aus Gründen der Rasse oder ethnischen Herkunft.

22

1. Der auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere ist er hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin die Höhe der von ihr begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. Diese Möglichkeit eröffnet bereits der Wortlaut von § 15 Abs. 2 AGG. Den Gerichten wird hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Hängt die Bestimmung eines Betrages vom billigen Ermessen des Gerichts ab, ist ein unbezifferter Zahlungsantrag zulässig, wenn die Klagepartei einerseits Tatsachen benennt, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrages heranziehen soll, und andererseits die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angibt (vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 466/09 - Rn. 20, EzA AGG § 15 Nr. 12; 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - Rn. 17 f., BAGE 131, 86 = AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 18, BAGE 127, 367 = AP SGB IX § 81 Nr. 15 = EzA SGB IX § 81 Nr. 17; 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - Rn. 17, AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6).

23

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin hat einen Sachverhalt dargelegt, welchen das Gericht im Rahmen der Ermessensausübung heranziehen soll und der grundsätzlich die Festsetzung einer Entschädigung, welche die Klägerin mit 15.000,00 Euro beziffert, ermöglicht.

24

2. Die Klage ist jedoch nicht begründet.

25

a) Das AGG, das am 18. August 2006 in Kraft getreten ist, findet auf den Streitfall Anwendung. Maßgeblich kommt es für die Anwendbarkeit des AGG auf den Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung an (BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 28, EzA AGG § 15 Nr. 10; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 15 mwN, BAGE 131, 232 = AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1). In Fällen wiederholter, miteinander in einem untrennbaren Zusammenhang stehender Benachteiligungen, die einen einheitlichen Lebenssachverhalt bilden, wie etwa bei sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden andauernden Belästigungen oder einer Kette von Benachteiligungshandlungen ist die Anwendbarkeit des AGG nur ausgeschlossen, wenn alle Benachteiligungshandlungen und Belästigungen in den Zeitraum vor Inkrafttreten des AGG fallen und abgeschlossen sind. Fällt auch nur ein Benachteiligungs- oder Belästigungsakt in die Zeit nach Inkrafttreten des AGG, findet das Gesetz insgesamt Anwendung (vgl. BAG 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 18, AP AGG § 3 Nr. 3 = EzA AGG § 10 Nr. 3; Schleusener/Suckow/Voigt AGG/Suckow 3. Aufl. § 33 Rn. 4; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 33 Rn. 9; Wendeling-Schröder in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 33 Rn. 6).

26

Die unstreitigen vier mündlichen Aufforderungen durch den Betriebsleiter des Schwimmbades der Beklagten N im Zeitraum zwischen dem ersten Quartal 2006 und dem 15. August 2006, die Klägerin möge einen Deutschkurs besuchen, sowie die der Klägerin im Juni 2006 zugegangene entsprechende schriftliche Verpflichtung vom 18. Mai 2006 erfolgten zwar vor dem Inkrafttreten des AGG. Alle diese Handlungen der Beklagten hatten jeweils die Aufforderung zur Durchführung eines Deutschkurses zum Inhalt. Dies hat die Beklagte ihrer Abmahnung vom 17. August 2006, die unter dem 19. Oktober 2007 erstellt und der Klägerin im Oktober 2007 erteilt worden ist, zugrunde gelegt. Die vorausgehenden Aufforderungen stehen daher mit der Abmahnung und dem Schreiben vom 31. Januar 2008, mit welchem die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte mitgeteilt wurde (beide zeitlich nach dem Inkrafttreten des AGG), in einem untrennbaren Zusammenhang und bilden mit diesen einen einheitlichen Lebenssachverhalt. Auf diesen findet das AGG insgesamt Anwendung.

27

b) Die Klägerin unterfällt dem persönlichen Anwendungsbereich des AGG, da sie als Arbeitnehmerin der Beklagten eine Beschäftigte iSv. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG ist. Die Beklagte ist Arbeitgeberin iSv. § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG, da sie Arbeitnehmer beschäftigt.

28

c) Voraussetzung für die von der Klägerin nach § 15 Abs. 2 AGG begehrte Entschädigung in Geld wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, ist ein Verstoß der Beklagten gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 Abs. 1 AGG. Hiernach dürfen Beschäftigte (§ 6 Abs. 1 AGG) nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Die Klägerin beruft sich auf eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft.

29

Die Begriffe der Rasse und der ethnischen Herkunft definiert weder das AGG noch die diesem hinsichtlich der Merkmale der Rasse und der ethnischen Herkunft zugrunde liegende Richtlinie RL 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft. Ausweislich der Begründung des AGG-Gesetzentwurfs sind die Merkmale Rasse bzw. ethnische Herkunft in einem umfassenden Sinn zu verstehen, denn sie sollen einen möglichst lückenlosen Schutz vor ethnisch motivierten Benachteiligungen gewährleisten (BT-Drucks. 16/1780 S. 30).

30

d) Als Formen der Benachteiligung kommen die unmittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 AGG, die mittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 2 AGG, die Belästigung nach § 3 Abs. 3 AGG sowie die sexuelle Belästigung nach § 3 Abs. 4 AGG und die Anweisung zur Benachteiligung nach § 3 Abs. 5 AGG in Betracht.

31

Als Benachteiligungshandlungen benennt die Klägerin die ihr - als einziger Mitarbeiterin - mehrfach erteilten Anweisungen, einen Deutschkurs außerhalb der Arbeitszeit auf eigene Kosten zu besuchen und, hieraus resultierend, das im Oktober 2007 übergebene Abmahnungsschreiben vom 17. August 2006, den (behaupteten) Entzug der Kassenkompetenz, die (streitige) Einschränkung ihres Einsatzes im zuschlagspflichtigen Spätdienst ab 21:00 Uhr sowie den Inhalt des Schreibens vom 31. Januar 2008.

32

aa) Eine unmittelbare Benachteiligung der Klägerin nach § 3 Abs. 1 AGG ist nicht gegeben.

33

Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde, wobei die sich nachteilig auswirkende Maßnahme direkt an das verbotene Merkmal anknüpfen muss(BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - Rn. 50, EzA AGG § 22 Nr. 2; 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 - Rn. 19, AP AGG § 8 Nr. 2 = EzA AGG § 8 Nr. 2). Die benachteiligende Regelung oder Maßnahme wird hierbei unmittelbar mit einem in § 1 AGG genannten Merkmal begründet(Adomeit/Mohr KommAGG § 3 Rn. 25 f.; Schleusener/Suckow/Voigt AGG/Schleusener 3. Aufl. § 3 Rn. 1).

34

Die Aufforderungen an die Klägerin, ihre Deutschkenntnisse durch Teilnahme an einem Deutschkurs zu verbessern, die Abmahnung, welche die fortdauernde Ablehnung durch die Klägerin zum Gegenstand hatte, der (behauptete) Entzug der Kassenkompetenz, die (streitige) Einschränkung ihres Einsatzes im zuschlagspflichtigen Spätdienst ab 21:00 Uhr und das Schreiben der Beklagten vom 31. Januar 2008 knüpfen weder ausdrücklich noch verdeckt zwingend an eines der verpönten Merkmale des § 1 AGG an. Insbesondere erfolgten weder die Aufforderungen noch die Abmahnung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft der Klägerin. Die Beherrschung der deutschen Sprache in Wort und Schrift ist von einer Rasse oder Ethnie unabhängig (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 764/08 - Rn. 16, AP AGG § 3 Nr. 4 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 24). Auch Mitglieder fremder Ethnien können die deutsche Sprache fehlerfrei in Wort und Schrift beherrschen, so dass sie, wären sie anstelle der Klägerin gewesen, von den Handlungen der Beklagten nicht betroffen gewesen wären.

35

bb) Auch eine mittelbare Diskriminierung der Klägerin liegt nicht vor.

36

Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

37

Der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung setzt das Vorliegen dem Anschein nach neutraler Vorschriften, Kriterien oder Verfahren voraus. Neutral iSv. § 3 Abs. 2 AGG sind die bezeichneten Regelungen stets dann, wenn sie nicht an ein verpöntes Merkmal nach § 1 AGG unmittelbar oder verdeckt zwingend anknüpfen. Als neutrale Regelungen kommen neben allen individual- und kollektivvertraglichen Vereinbarungen auch solche Einzelmaßnahmen - etwa in Gestalt von Weisungen - in Betracht, die auf die Aufstellung oder die Anwendung einer allgemeinen Regel bzw. eines verallgemeinernden Kriteriums zurückgehen (HWK/Annuß/Rupp 4. Aufl. § 3 AGG Rn. 6; Schleusener/Suckow/Voigt AGG/Schleusener 3. Aufl. § 3 Rn. 74; vgl. auch Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 22 f., die von einseitiger Aufstellung von Maßstäben oder Voraussetzungen durch den Arbeitgeber sprechen).

38

Trotz des etwaigen Vorliegens einer Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals, ist der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung dennoch nicht verwirklicht, wenn die Maßnahme gerechtfertigt ist. Für eine Rechtfertigung bedarf es eines sachlichen Grundes für die neutrale und sich benachteiligend auswirkende Regelung. Es muss mit der Regelung ein legitimes Ziel verfolgt werden. Das Ziel muss mithin vom berechtigten Interesse des Arbeitgebers getragen sein und die Differenzierung muss zur Erreichung des Ziels geeignet, erforderlich und angemessen sein. Geeignet ist die Differenzierung bereits dann, wenn durch sie das angestrebte Ziel erreicht werden kann. Erforderlich ist sie, wenn es bei gleicher Erfolgsgeeignetheit kein milderes Mittel gibt und angemessen ist die Differenzierung, wenn aufgrund einer Zweck-Mittel-Relation die Schwere des Eingriffs im Verhältnis zur Bedeutung des Ziels zurücktritt (HWK/Annuß/Rupp 4. Aufl. § 3 AGG Rn. 10; ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 3 AGG Rn. 9).

39

Die mündlichen und schriftlichen Aufforderungen der Klägerin durch die Beklagte, auf ihre eigenen Kosten außerhalb der Arbeitszeit einen Deutschkurs zu belegen, lagen der Abmahnung vom 19. Oktober 2007 zugrunde. Hintergrund der Aufforderungen und mithin auch der Abmahnung ist die Vorgabe der Beklagten, Mitarbeiter an der Kasse müssen der deutschen Sprache in einem Umfang mächtig sein, der es gestattet, die erforderliche Kommunikation mit Gästen, Kollegen und Vorgesetzten zu führen und die betrieblich verwendeten schriftlichen „Erklärungen zur Kassendifferenz“ eigenständig und verständlich auszufüllen. In dieser allgemeinen Anforderung an das Kassenpersonal liegt eine merkmalsneutrale Vorgabe im Sinne einer Vorschrift nach § 3 Abs. 2 AGG.

40

Diese Anforderung, die deutsche Sprache in Wort und Schrift in einem bestimmten Umfang zu beherrschen, kann ausländische Arbeitnehmer in besonderer Weise gegenüber deutschen Arbeitnehmern benachteiligen. Zwar verfügen viele ausländische Arbeitnehmer - etwa weil sie im Inland bzw. im deutschsprachigen Ausland aufgewachsen sind, sich entsprechend schulen konnten oder in sonstiger Weise die entsprechenden Sprachkenntnisse erworben haben - über umfassende Deutschkenntnisse in Wort und Schrift, so dass nicht alle Ausländer von einer solchen Vorgabe gleichermaßen betroffen sind. Dies gilt aber zwangsläufig nicht für die Arbeitnehmer mit einer anderen Muttersprache, denen solche Möglichkeiten zum Erwerb der deutschen Sprachkenntnisse nicht zur Verfügung gestanden haben. Daher kann die Forderung nach dem Besuch von Deutschsprachkursen während des bestehenden Beschäftigungsverhältnisses eine mittelbare Diskriminierung von Ausländern darstellen, wenn die Forderung nach genügenden Deutschkenntnissen nicht aufgrund der (vorgesehenen) Tätigkeit sachlich gerechtfertigt ist (vgl. LAG Hamm 17. Juli 2008 - 16 Sa 544/08 - Rn. 33 ff., LAGE KSchG § 1 Nr. 14; ArbG Berlin 26. Januar 2010 - 25 Ca 282/09 - Rn. 41 ff.; ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 1 AGG Rn. 4; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 1 Rn. 14; v. Roetteken AGG Stand August 2011 § 1 Rn. 126 und 128; HWK/Annuß/Rupp 4. Aufl. § 3 AGG Rn. 11; Greßlin BB 2008, 115, 116; Herbert/Oberrath DB 2009, 2434; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 38; Wisskirchen DB 2006, 1491; KR-Pfeiffer 8. Aufl. AGG Rn. 40; Schleusener/Suckow/Voigt AGG/Schleusener 3. Aufl. § 3 Rn. 115 anders aber Schleusener/Suckow/Voigt AGG/Schleusener 3. Aufl. § 1 Rn. 45).

41

Die Forderung der Beklagten, die Klägerin möge einen Sprachkurs in deutscher Sprache besuchen, ist im Sinne von § 3 Abs. 2 AGG sachlich gerechtfertigt. Sowohl die Verfolgung eines legitimen Zwecks als auch die Geeignetheit der Maßnahme sind gegeben. Die Anweisung ist erforderlich und angemessen. Dabei ist davon auszugehen, dass die Verständigungsmöglichkeit mit den Badegästen und Kolleginnen und Kollegen für die Tätigkeit der Klägerin erforderlich ist und die von der Klägerin geleisteten Tätigkeiten den vertraglichen Vereinbarungen entsprechen und zulässigerweise angeordnet sind. Durch die Absolvierung eines Sprachkurses können - ebenso wie bei deutschsprachigen Arbeitnehmern, die zur Erfüllung der von ihnen geschuldeten Tätigkeiten eine Fremdsprache beherrschen müssen - die arbeitsnotwendigen Sprachkenntnisse vermittelt werden. Die Anweisung, einen Sprachkurs zu besuchen, war erforderlich, weil die arbeitsnotwendige Sprachkompetenz hergestellt werden kann.

42

cc) Die Anweisung, einen Deutschkurs zu absolvieren, stellt auch keine Belästigung iSd. § 3 Abs. 3 AGG dar.

43

Nach § 3 Abs. 3 AGG ist eine Belästigung eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 AGG genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Nach dem Gesetzeswortlaut bedarf es mithin sowohl einer bezweckten oder tatsächlich bewirkten Würdeverletzung als auch der Schaffung eines sog. „feindlichen Umfeldes“ als Synonym für „ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld“. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen (BAG 24. September 2009 - 8 AZR 705/08 - Rn. 29, AP AGG § 3 Nr. 2 = EzA AGG § 3 Nr. 1).

44

Der Begriff der unerwünschten Verhaltensweise ist umfassend zu verstehen. Er beinhaltet verbale und nonverbale Kommunikation gleichermaßen und kann etwa in Form von Beleidigungen, Verleumdungen, abwertenden Äußerungen, Schmierereien, körperlichen Berührungen oder Gesten zum Ausdruck kommen. Ob die Verhaltensweise unerwünscht ist, bestimmt sich nach objektiven Maßstäben, soweit nicht der Betroffene darauf hingewiesen hat, dass er das Verhalten als unerwünscht empfindet. Darüber hinaus muss das unerwünschte Verhalten mit einem verpönten Merkmal des § 1 AGG in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen(HWK/Annuß/Rupp 4. Aufl. § 3 AGG Rn. 12 ff.).

45

Schließlich muss durch die unerwünschte Verhaltensweise ein feindliches Umfeld geschaffen werden. Eine Verhaltensweise unterhalb einer bloßen Lästigkeitsschwelle, die sich in einem einzelnen Zwischenfall erschöpft, führt regelmäßig nicht zur Schaffung eines feindlichen Umfeldes.

46

Die Aufforderung durch den Arbeitgeber, einen Sprachkurs zu absolvieren, weil dieser die Sprachkenntnisse des Arbeitnehmers zur Durchführung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit für unzureichend hält, ist keine Belästigung in diesem Sinne, wenn der Sprachkurs dazu dient, arbeitsnotwendige Sprachkenntnisse zu vermitteln.

47

e) Ist der Arbeitgeber vertraglich oder tarifvertraglich verpflichtet, den Deutschkurs während der Arbeitszeit und auf seine Kosten durchführen zu lassen, ist die Weisung, einen Deutschkurs auf eigene Kosten und außerhalb der Arbeitszeit zu besuchen, zwar tarif- und/oder vertragswidrig. So sieht der TVöD zum Beispiel die Übernahme der Qualifizierungskosten durch den Arbeitgeber vor. Das berechtigt aber nicht zur Annahme einer Diskriminierung der Klägerin wegen der Rasse oder der ethnischen Herkunft.

48

Allein die Verletzung allgemeiner arbeitsvertraglicher Verpflichtungen durch den Arbeitgeber im Zusammenhang mit einer an sich nicht gegen § 7 AGG verstoßenden Maßnahme führt nicht dazu, dass diese nunmehr zu einer unzulässigen Benachteiligung iSd. § 1 AGG wird. Die Arbeitnehmerin muss in diesem Fall ihre vertraglichen oder tarifvertraglichen Rechte - notfalls auch gerichtlich - geltend machen.

49

f) Ob die Klägerin den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG auch form- und fristgerecht geltend gemacht hat, kann dahinstehen.

50

C. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Volz    

        

    Burr    

                 

(1) Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 genannten Grundes ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

(2) Die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen eines in § 1 genannten Grundes wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass wegen eines in § 1 genannten Grundes besondere Schutzvorschriften gelten.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.

(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 211/12 Verkündet am:
17. Dezember 2013
Holmes
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
GG Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 5 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1 Ah, § 823 Abs. 2 Bd;

a) Eine Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
durch eine Internetveröffentlichung ist nicht generell höher oder niedriger
zu bemessen als eine Entschädigung wegen eines Artikels in den PrintMedien.

b) Die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann demjenigen, der
persönlichkeitsrechtsverletzende eigene Inhalte im Internet zum Abruf bereit
hält, auch insoweit zuzurechnen sein, als sie erst durch die Weiterverbreitung
des Ursprungsbeitrags durch Dritte im Internet entstanden ist.
BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 - VI ZR 211/12 - OLG Dresden
LG Leipzig
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Dezember 2013 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter
Wellner und Stöhr, die Richterin von Pentz und den Richter Offenloch

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 3. Mai 2012 aufgehoben, soweit die Berufung der Beklagten gegen ihre Verurteilung zur Zahlung einer Geldentschädigung zurückgewiesen worden ist. Auf die Revision des Klägers wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben , soweit das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 11. November 2011 auf die Berufung der Beklagten zu 1 und 2 abgeändert und die Klage auf Zahlung einer Geldent- schädigung gegen die Beklagten zu 1 und 2 in Höhe von 25.000 € abgewiesen worden ist. Auf die Revision des Klägers wird das vorbezeichnete Urteil ferner aufgehoben, soweit seine Anschlussberufung gegen die Abweisung der Klage auf Zahlung einer Geldentschädigung gegen die Beklagten zu 1 und 2 in Höhe von weiteren 25.000 € zurückgewiesen worden ist. Die Revision der Beklagten zu 3 gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung zur Freistellung des Klägers von Rechtsanwaltskosten richtet. Die weitergehenden Revisionen der Beklagten werden zurückgewiesen. Die Anschlussrevision des Klägers wird als unzulässig verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens wegen ihn betreffender Äußerungen in einem Beitrag in Anspruch, der von dem Beklagten zu 1 verfasst wurde, sich maßgeblich auf die Aussagen der Beklagten zu 3 stützt und in der Zeit vom 22. Juni 2007 bis jedenfalls 5. Juli 2007 auf dem von der Beklagten zu 2 betriebenen Internetportal www.stern.de abrufbar war.
2
Der Kläger war in der Zeit von Juni 1994 bis 31. Oktober 2009 Leiter der Rechtsabteilung der L. W. Am 17. Oktober 1994 wurde auf ihn ein Attentat verübt , wodurch er lebensgefährlich verletzt wurde. Die Attentäter hatten im Auftrag von Hintermännern gehandelt, die mit Immobiliengeschäften im Zusammenhang standen. Das Attentat und seine Hintergründe waren in den neunziger Jahren Gegenstand umfangreicher Berichterstattungen in der Presse. Ab Mai 2007 wurde aufgrund öffentlich gewordener Beobachtungen des Sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz unter dem Titel "Sächsische Korruptionsaffäre" deutschlandweit über den Verdacht berichtet, dass namhafte Personen aus Sachsen mit dem Rotlichtmilieu verquickt seien, ein Kinderbordell besucht und auf Immobilientransaktionen, Justiz und Verwaltung unzulässig Einfluss genommen hätten. Am 11. Juni 2007 strahlte der Mitteldeutsche Rundfunk die Sendung "FAKT" aus, in der sich die Beklagte zu 3, die ehemalige Sekretärin des Klägers zu diesem wie folgt äußerte: "Im Dezember des Jahres 2004 kam ein ca. 14-jähriges Mädchen in mein Büro und wollte Herrn X (Anmerkung des Senats: Kläger) sprechen. Sie nannte ihn dann sofort beim Vornamen und vermittelte mir, sie sei sehr verliebt. Er sei ihr Freund und sie hätte ihn über eine Woche nicht erreicht und mache sich Sorgen, weil er ihr sagte, er würde gern mit ihr auswandern. Meine Gedanken waren sofort: Und das mit einem 14jährigen Mädchen". Weiter heißt es in diesem Fernsehbericht: "Y (Anmerkung des Senats: Beklagte zu 3) wurde aus dem Unternehmen herausgemobbt und danach noch verschiedentlich per Telefon und SMS terrorisiert und wollte sich gegenüber der Polizei offenbaren. O-Ton Y: "Ich bin Anfang diesen Jahres zur Polizei zur Zeugenvernehmung in Sachen X geladen worden, habe aber in der Nacht vor der Zeugenvernehmung meine Katze auf dem Grundstück misshandelt vorgefunden, indem sie gefesselt worden ist, und war über diese Tatsache dermaßen erschüttert und ängstlich, so dass ich die Aussage bei der Polizei nicht gemacht habe.""Am 13. Juni 2007 erschienen sowohl in der Lokalausgabe der Bildzeitung unter der Überschrift "Wie halten Sie das aus Herr X? Kindersexvorwurf gegen L. W. Manager" als auch in der Leipziger Volkszeitung unter der Überschrift "Ehemalige Sekretärin erhebt schwere Vorwürfe gegen L. W. - Abteilungsleiter, der weist alle Anschuldigungen zurück" Artikel, die sich u.a. mit den von der Beklagten zu 3 gegen den Kläger erhobenen Vorwürfen befassten. In einem Beitrag der Tagesschau vom 15. Juni 2007 wurde berichtet, dass die Beklagte zu 3 den Kläger öffentlich der Pädophilie verdächtige.
3
Mit E-Mail vom 3. Juni 2007 an den Pressesprecher der L. W. und vom 10. Juni 2007 an den Kläger persönlich bat der Beklagte zu 1 um ein Interview mit dem Kläger, um ihm die Gelegenheit zu geben, "sich zu alten und neuen Vorwürfen im Zusammenhang mit dem sog. "Sächsischen und Leipziger Sumpf" zu äußern", die laut Veröffentlichungen in der Presse ihn beträfen. Mit E-Mail vom 11. Juni 2007 teilte der Kläger dem Beklagten zu 1 mit, kein Gespräch mit ihm führen zu wollen. Die Tatsache, dass er Opfer eines Überfalls gewesen sei, befähige ihn nicht, sich qualifiziert zu einer angeblichen Affärein Justiz- oder Politikerkreisen zu äußern. In der Presse hätten so gut wie keine Tatsachen benannt werden können, die strafbar seien. Er kenne keine Tatsachen , die den Beklagten zu 1 bei seinen Recherchen weiterbringen könnten und er wolle sich auch nicht an dem Verbreiten von Gerüchten beteiligen. Der Beklagte zu 1 teilte daraufhin mit, dass er seine Aufgabe nicht in erster Linie darin sehe, strafbare Tatsachen zu benennen. Die Rolle des Klägers habe aber immer wieder Anlass zu Spekulationen und Beschuldigungen gegeben, weshalb er gern in einem persönlichen Gespräch noch einige Punkte klären wolle. Er wolle dem Kläger außerdem Gelegenheit geben, sich zu Vorwürfen seiner ehemaligen Sekretärin zu äußern, die nicht nur arbeitsrechtlicher Natur seien.
4
Am 22. Juni 2007 veröffentlichte die Beklagte zu 2 in ihrem Internetportal einen vom Beklagten zu 1 verfassten und sich maßgeblich auf die Angaben der Beklagten zu 3 stützenden Beitrag mit dem Titel "Sächsische Korruptionsaffäre Ein Krimi aus dem Leipziger Sumpf". Darin heißt es unter voller Namensnennung der Betroffenen u.a.: "Y (Anmerkung des Senats: Beklagte zu 3) ahnte lange nicht, warum sie 2005 aus ihrem Job gemobbt und bedroht wurde. Erst als Einzelheiten der Sächsischen Korruptionsaffäre ans Licht kamen, wurde der Sekretärin klar: Sie wusste zu viel - ohne es zu wissen. ... Y wollte nie Kronzeugin sein, Interviews geben oder den Dreck zurückwerfen, mit dem man sie selbst beinahe zur Verzweiflung trieb. Aus lauter Loyalität hat sie sich nicht einmal vor Gericht gegen ihre abgekartete Kündigung gewehrt. ... Y hielt die Rechtsabteilung zusammen. Ihr Chef konnte all die Jahre gar nicht oft genug sagen, was er ohne sie machen sollte; sie war engste Vertraute, Ratgeberin in allen Lebenslagen und verteidigte ihn "wie eine Löwenmutter" gegen alle Anfeindungen aus dem Unternehmen. "Egal was die Kollegen hinter seinem Rücken sagten, ob sie X (Anmerkung des Senats: Kläger) als Faulpelz verleumdeten oder als einen, der sowieso die Hand aufhält" - sie hat ihm immer alles gesteckt , auch als ihn seine eigenen Juristenkollegen "als pädophilen Arsch" bezeichnen. Damals fand sie das unglaublich. ... Es ist ihr unangenehm, als er sie bittet, kindische Vergleichslisten zwischen seiner Ehefrau und einer Geliebten zu beurteilen,… Und als sei dies selbstverständlich, bewahrt sie sogar Diskreti- on, als einmal ein Mädchen, "vielleicht 14 Jahre alt", im Büro auftaucht und "nach X" fragt, der ihr angeblich versprochen hätte, mit ihr nach Sardinien abzuhauen. "Das Mädchen nannte sich Lissy, hat geweint und gebettelt, ich möge X nichts von dem Besuch sagen, denn das hätte er ihr verboten." Und tatsächlich sagt Y ihrem Chef diesmal nichts. Ein paar Wochen später schlägt die Stimmung plötzlich um. "Er redete kein Wort mehr mit mir, ließ meine Urlaubsscheine verschwinden, und an einem Tag im März bekam ich auf einmal zwei völlig konstruierte Abmahnungen". ... Nach der Kündigung zum 30.9.2005 geht sie zu Hause durch die Hölle: "Ich konnte mir einfach keinen Reim darauf machen und zermarterte mir mein Hirn, was ich falsch gemacht habe." … Wie zum Hohn treffen regelmäßig schmähende SMS bei ihr ein. "Bin ich froh, dass ich Sie los bin." Sie weiß nicht, warum das jetzt auch noch sein muss, hebt alles auf, frisst es in sich hinein, bis sie plötzlich von drei Motorradfahrern im Straßenverkehr brutal abgedrängt wird. Sie erinnert sich zwar, dass X mal von solchen Spielchen mit Motorradkumpels geschwärmt hat, ihre Anzeige aber stellt sie gegen Unbekannt. … Bei Weihnachtseinkäufen im Dezember trifft sie zufäl- lig Lissy wieder. Das Mädchen teilte freudig mit, es sei alles wieder gut: Sie hätte X den Bürobesuch gebeichtet, er sei nicht weiter sauer gewesen. Plötzlich wird Y alles klar - das war es also: "Weil ich ihm nichts davon erzählt hatte", schließt sie, "muss er angenommen haben, ich würde ihn hintergehen und wusste womöglich noch mehr". ... Vier Monate später kommt die Korruptionsaffäre ins Rollen. In geheimen Akten des Verfassungsschutzes füllt der Name ihres Chefs mehrere Seiten: Als Opfer eines Anschlages, dessen wahre Hintergründe offenbar nie richtig aufgeklärt werden sollten; als Verdächtiger im Zusammenhang mit Kinderprostitution; als eine zentrale Figur im Leipziger Sumpf. Erst jetzt fügen sich für Y immer mehr Puzzleteile zusammen. Das Mädchen, die Andeutungen der Kollegen, "seine Empörung im Büro, nachdem ihm sein Schwager angeblich mit einer Anzeige droht, weil X dessen Tochter im Urlaub zu nahe gekommen sei." Y überwindet ihre Scham, auch diese Dinge zu benennen und geht an die Öffentlichkeit. Ihre Anwälte haben ihr das auch als Schutz empfohlen. Niemand weiß besser als sie, wozu die Leipziger Immobilienmafia fähig ist. ... "Alles, was seine Neigungen betrifft, ist mir dagegen erst im Nachhinein klar geworden". Das ist ihr wichtig: "Denn wer denkt denn an so was?!"
5
Die Behauptung der Beklagten zu 3, ein 14-jähriges Mädchen namens "Lissy" habe nach dem Kläger im Büro gefragt und angegeben, mit diesem befreundet zu sein, führte zur Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger wegen des Vorwurfs sexuellen Missbrauchs einer nicht bekannten weiblichen Jugendlichen. Die Staatsanwaltschaft Dresden stellte dieses Verfahren mit Verfügung vom 7. April 2008 gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Ein weiteres, im Zusammenhang mit der sog. "Sächsischen Korruptionsaffäre" gegen den Kläger geführtes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern wurde mit Verfügung vom 28. April 2008 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Der Kläger erwirkte gegen die Beklagten einstweilige Verfügungen des Landgerichts Hamburg vom 4. September 2007 und 1. August 2007, mit welchen den Beklagten die Verbreitung der im angegriffenen Beitrag mitgeteilten Äußerungen verboten wurde. Die Beklagten akzeptierten diese Unterlassungsverfügungen als endgültige Regelungen und verzichteten auf die Rechtsbehelfe der §§ 924, 926, 927 ZPO.
6
Mit der Behauptung, durch die im angegriffenen Beitrag enthaltenen unwahren Tatsachenbehauptungen sei er sowohl sozial als auch wirtschaftlich vernichtet worden, begehrt der Kläger die Zahlung einer Geldentschädigung wegen schwerwiegender Persönlichkeitsrechtsverletzung sowie den Ersatz von Anwaltskosten. Darüber hinaus begehrt er die Feststellung der Ersatzverpflichtung der Beklagten in Bezug auf alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden.
7
Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 25.000 € und die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner zur Zahlung einer weiteren Geldentschädigung in Höhe von 50.000 € verurteilt. Darüber hinaus hat es dem Feststellungsbegehren gegen die Beklagten zu 1 und 2 entsprochen. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Auf die Berufungen der Beklagten zu 1 und 2 hat das Oberlandesgericht die von ihnen zu zahlende Geldentschädigung auf insgesamt 50.000 € reduziert. Die weitergehenden Berufungen der Beklagten zu 1 und 2 hat das Oberlandesgericht ebenso wie die Berufung der Beklagten zu 3 und die auf Erhöhung der Geldentschädigung gerichtete Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen. Auf die Anschlussberufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagte zu 3 verurteilt, den Kläger von einer Gebührenforderung der Rechtsanwälte H & M in Höhe von 1.195,95 € freizustellen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger von den Beklagten zu 1 und 2 eine weitere Geldentschädigung in Höhe von 50.000 €. Die Beklagten verfolgen mit ihren Revisionen ihre Klageabweisungsanträge weiter. Mit der gegen die Beklagte zu 3 gerichteten Anschlussrevision begehrt der Kläger die Freistellung von der Gebührenforderung seiner Anwälte in Höhe von weiteren 3.712,90 €.

Entscheidungsgründe:

A.

8
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in juris veröffentlicht ist, hat ausgeführt , dass der Kläger von den Beklagten gemäß § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG die Zahlung einer Geldentschädigung verlangen könne. Die Beklagten hätten das Persönlichkeitsrecht des Klägers in schwerwiegender Weise dadurch verletzt, dass sie - teils offen, teils verdeckt - die Behauptungen aufgestellt hätten, der Kläger sei pädophil veranlagt, er habe ein sexuelles Verhältnis mit einem minderjährigen Mädchen namens Lissy gehabt, er sei korrupt, Teil eines kriminellen Leipziger Netzwerkes (sog. Sächsische Korruptionsaffäre), habe seine Dienstpflichten nicht erfüllt und die Beklagte zu 3 bedroht, in dem er ihr SMS geschrieben habe, ihre Katze habe strangulieren lassen und sie von drei ihm bekannten Motorradfahrern im Straßenverkehr habe abdrängen lassen. Die Wiedergabe von angeblichen Kollegenäußerungen, wonach der Kläger als "pädophiler Arsch" bezeichnet worden sei, lasse in Verbindung mit seiner Benennung als "Verdächtiger im Zusammenhang mit Kinderprostitution" und dem Bericht der Beklagten zu 3 über den Besuch des Mädchens Lissy für den verständigen Durchschnittsleser nur die Schlussfolgerung zu, der Kläger habe auch zu diesem eine pädophile Beziehung unterhalten. Diese unabweisliche Schlussfolgerung werde dem Leser insbesondere durch die Passage nahegelegt, in der es heißt: "Erst jetzt fügen sich für Y immer mehr Puzzleteile zusammen. Das Mädchen, die Andeutungen der Kollegen, "seine Empörung im Büro, nachdem ihm sein Schwager angeblich mit einer Anzeige droht, weil X dessen Tochter im Urlaub zu nahe gekommen sei.""Diese Schlussfolgerung werde durch die Aussage bestärkt: "Alles, was seine Neigungen betrifft, ist mir dagegen erst im Nachhinein klar geworden" …"Denn wer denkt denn an so was?!". Auch wenn der streitgegenständliche Beitrag überwiegend Bezug auf Äußerungen der Beklagten zu 3 nehme, hätten die Beklagten zu 1 und 2 sich diese Äußerungen zu Eigen gemacht. Durch deren nahtlose Einbindung in den Text, die nahezu bruchlose Verschmelzung von Interviewabschnitten mit Passagen in indirekter Rede, die hergestellte Verbindung zur sog. Sächsischen Korruptionsaffäre bereits im Einleitungstext sowie durch zustimmende und bewertende Kommentierungen bringe der Beklagte zu 1 deutlich zum Ausdruck, dass er die Auffassung der Beklagten zu 3 teile. Die Beklagten hätten nicht den Beweis erbracht, dass die erhobenen Vorwürfe wahr seien. Die Beklagten könnten sich auch nicht auf die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung stützen. Die übernommenen Behauptungen beschränkten sich an keiner Stelle auf die Äußerung eines bloßen Verdachts, sondern würden als unumstößliche Tatsachen dargestellt. In dem Beitrag würden auch keine den Kläger entlastenden Umstände wiedergegeben. Darüber hinaus fehle es an dem erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der berichteten Informationen sprächen. Die Beklagten zu 1 und 2 hätten dem Kläger auch nicht in ausreichendem Maße Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die bloße Kontaktaufnahme per E-Mail ohne eine konkrete Darlegung des Gegenstandes, zu dem eine Stellungnahme erbeten werde, reiche hierfür nicht aus.
9
Die durch die Berichterstattung hervorgerufene schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers könne auch nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden. Die vom Kläger gegen die Beklagten erwirkten Unterlassungsverfügungen bewirkten keinen anderweitigen Ausgleich der Rechtsverletzung. Denn gegenüber Veröffentlichungen im Internet sei die Gel- tendmachung eines Unterlassungsanspruchs im Ergebnis faktisch wirkungslos, weil die Primärmitteilung durch Dritte im Rahmen von Kopien, Blogs oder Verlinkungen weiter verbreitet werde. Der Kläger könne auch nicht auf die Geltendmachung eines Widerrufsanspruchs verwiesen werden, da ihn die Beweislast für die Unwahrheit der behaupteten Tatsachen treffe. Eine Gegendarstellung bewirke keine Genugtuung. Bei der Bemessung der Höhe des Geldentschädigungsanspruchs sei zu berücksichtigen, dass die verdeckte Behauptung, der Kläger habe eine sexuelle Beziehung zu einer Minderjährigen unterhalten und sei pädophil veranlagt, nicht allein in dem streitgegenständlichen Artikel enthalten, sondern bereits am 13. Juni 2007 in der Bildzeitung veröffentlicht worden sei. In gleicher Weise habe sich die Beklagte zu 3 zuvor im MDRMagazin FAKT am 11. Juni 2007 geäußert. Es könne nicht außer Betracht bleiben , dass eine Tatsache bereits einer größeren Öffentlichkeit bekannt sei und deren Sicht auf die betroffene Person schon wesentlich mitpräge. Auf der anderen Seite sei die erhebliche Rufschädigung zu berücksichtigen, die der Vorwurf der Pädophilie nach sich ziehe. Es sei auch davon auszugehen, dass die streitgegenständliche Berichterstattung zumindest mitursächlich für die durch Vorlage diverser Befundberichte belegte depressive Störung des Klägers sei. Sowohl der streitgegenständliche Beitrag als auch die parallel erfolgten Pädophilievorwürfe in anderen Medien seien für sich genommen geeignet, schwerwiegende psychische Folgeschäden, zumindest aber eine längerfristige depressive Verstimmung hervorzurufen. Es liege damit eine Doppelkausalität vor, die für eine Haftungsbegründung ausreiche. Der Entschädigungsanspruch sei auch nicht im Hinblick auf sämtliche, im Zeitraum ab Mai 2007 erschienenen Veröffentlichungen über den Kläger zu mindern. Denn nur die Beiträge im MDR-Magazin FAKT und in der Bildzeitung befassten sich mit der Behauptung, der Kläger unterhalte eine sexuelle Beziehung zu einer Minderjährigen. Es sei auch kein Grundsatz anzuerkennen, wonach die Geldentschädigung bei einer Internetveröffentli- chung stets höher anzusetzen sei als bei einer persönlichkeitsrechtsverletzenden Veröffentlichung in den Printmedien. Eine solche Betrachtung lasse außer Acht, dass die Verlinkung auf den angegriffenen Beitrag im Internet und die sonstige Weiterverbreitung in anderen Portalen nicht vom Willen des Verletzers abhängig sei und diesem nicht zugerechnet werden könne. Auch bei einer gedruckten Zeitung sei für die Höhe der Geldentschädigung nicht maßgeblich, ob die belastende Darstellung von anderen Zeitungen, etwa im Rahmen eines Pressespiegels, übernommen werde. Auf der anderen Seite sei die Geldentschädigung bei einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch eine Internetveröffentlichung auch nicht generell niedriger anzusetzen als bei einer solchen durch eine Printveröffentlichung. In Fällen, in denen der Schädiger - wie im Streitfall - die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen als Mittel zur Reichweitensteigerung eingesetzt habe, sei die Erzielung von Gewinnen als Bemessungsfaktor in die Entscheidung über die Höhe der Geldentschädigung mit einzubeziehen. Nach einer Pressemitteilung der Beklagten zu 2 habe das von ihr betriebene Portal im August 2007 durchschnittlich 2,58 Millionen Nutzer gehabt, was in der Gesamtabwägung die Verurteilung der Beklagten zu 1 und 2 in Höhe von 50.000 € rechtfertige. Der gegen die Beklagten zu 1 und 2 gerichtete Feststellungsantrag sei zulässig und begründet. Die Beklagten zu 1 und 2 stellten ihre Schadensersatzpflicht in Abrede, die Höhe des Schadens stehe derzeit noch nicht fest und es drohe eine Verjährung des Anspruchs.
10
Die Beklagte zu 3 sei zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 25.000 € verpflichtet. Sie müsse sich den streitgegenständlichen Beitrag als Informantin zurechnen lassen. Sie habe gewusst, welche Schlussfolgerungen der Beklagte zu 1 aus ihren Informationen ziehen würde. Ihre Behauptungen ließen im Gesamtzusammenhang die alleinige Schlussfolgerung zu, der Kläger sei pädophil und habe ein sexuelles Verhältnis mit einem minderjährigen Mädchen. Die Beklagte zu 3 habe die Wirkungen ihrer Behauptungen aus Rache gegenüber dem Kläger, dem sie den Verlust ihres Arbeitsplatzes zugeschrieben habe, in Kauf genommen.
11
Die Anschlussberufung des Klägers sei unbegründet, soweit er die Verurteilung der Beklagten zu 1 und 2 zu einer höheren Geldentschädigung begehre. Er könne indes von der Beklagten zu 3 aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 186, 187 StGB die Freistellung von der Gebührenforderung seiner Anwälte in Höhe von 1.195,95 € verlangen, die durch seine Verteidigung in dem auf Initiative der Beklagten zu 3 eingeleiteten Ermittlungsverfahren entstanden sei.

B.

I. Revisionen der Beklagten zu 1 und 2
12
Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revisionen der Beklagten zu 1 und 2 nicht in jeder Hinsicht stand.
13
1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass dem Kläger dem Grunde nach ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB gegen die Beklagten zu 1 und 2 zusteht.
14
a) Die Revisionen wenden sich ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die angegriffenen Äußerungen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzen.
15
aa) Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungsgericht dem beanstandeten Beitrag die - teils offenen, teils verdeckten - Aussagen entnommen, der Kläger sei pädophil veranlagt, er habe ein sexuelles Verhältnis mit einem minderjährigen Mädchen namens Lissy gehabt, er sei kor- rupt, Teil eines kriminellen Leipziger Netzwerkes (sog. Sächsische Korruptionsaffäre ), habe seine Dienstpflichten nicht erfüllt und die Beklagte zu 3 bedroht, indem er ihr SMS geschrieben habe, ihre Katze habe strangulieren lassen und sie von drei ihm bekannten Motorradfahrern im Straßenverkehr habe abdrängen lassen (vgl. zur Ermittlung verdeckter Aussagen: Senatsurteil vom 25. November 2003 - VI ZR 226/02, AfP 2004, 56, 57 f.). Das Berufungsgericht hat die Äußerungen auch zu Recht als Tatsachenbehauptungen eingestuft. Gegen diese Würdigung wendet sich die Revision nicht.
16
bb) Die vorbezeichneten Aussagen greifen in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers ein. Sie beeinträchtigen ihn in erheblichem Maße in seiner Ehre und sozialen Anerkennung. Die Äußerungen sind geeignet, sich abträglich auf sein Ansehen, insbesondere sein Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, wird der Kläger in dem Beitrag als gewissen- und skrupelloser pädophiler Täter dargestellt, der weder vor der Zerstörung der beruflichen Existenz einer langjährigen loyalen Mitarbeiterin noch vor der Ankündigung von Straftaten zurückschreckt.
17
Anders als das Berufungsgericht beiläufig meint, ist die absolut geschützte Intimsphäre des Klägers dagegen nicht betroffen (vgl. zur Intimsphäre: Senatsurteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 332/09, AfP 2012, 47 Rn. 11; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 25 f.). Denn sexuelle Verhältnisse mit Kindern oder Jugendlichen sind in § 182 StGB unter Strafe gestellt. Die Begehung von Sexualstraftaten fällt aber nicht in den unantastbaren Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung. Mit ihnen geht ein Übergriff in die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers einher, so dass ihre Begehung nicht als Ausdruck der von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten freien Entfaltung der Persönlichkeit des Täters ange- sehen werden kann (vgl. Senatsurteil vom 19. März 2013 - VI ZR 93/12, AfP 2013, 250 Rn. 24; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 26).
18
cc) Die Beklagten zu 1 und 2 sind für die beanstandeten Aussagen uneingeschränkt verantwortlich. Entgegen der Auffassung der Revisionen haben die Beklagten zu 1 und 2 insoweit nicht lediglich fremde Äußerungen - solche der Beklagten zu 3 - verbreitet (vgl. zur Verbreiterhaftung: Senatsurteil vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, AfP 2010, 72 Rn. 13; BVerfG AfP 2009, 480 Rn. 69, jeweils mwN). Sie sind nicht als bloße Vermittler der Äußerungen der Beklagten zu 3 aufgetreten, sondern haben sich diese zu Eigen gemacht und damit eigene Behauptungen aufgestellt.
19
(1) Der Verbreiter macht sich eine fremde Äußerung regelmäßig dann zu eigen, wenn er sich mit ihr identifiziert und sie so in den eigenen Gedankengang einfügt, dass sie als seine eigene erscheint. Ob dies der Fall ist, ist mit der im Interesse der Meinungsfreiheit und zum Schutz der Presse gebotenen Zurückhaltung zu prüfen (Senatsurteile vom 30. Juni 2009 - VI ZR 210/08, AfP 2009, 494 Rn. 19; vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, AfP 2010, 72 Rn. 11; vom 27. März 2012 - VI ZR 144/11, AfP 2012, 264 Rn. 11). So genügt es für die Annahme eines Zu-Eigen-Machens nicht, dass ein Presseorgan die ehrenrührige Äußerung eines Dritten in einem Interview verbreitet, ohne sich ausdrücklich von ihr zu distanzieren (Senatsurteil vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, AfP 2010, 72 Rn. 11 mwN; BVerfGK 10, 485, 492; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 69; EGMR, Urteile vom 29. März 2001 - 38432/97 Rn. 64 - Thoma/Luxemburg; vom 30. März 2004 - 53984/00 Rn. 37 ff. - Radio France/Frankreich; vom 14. Dezember 2006 - 76918/01 Rn. 33 ff. - Verlagsgruppe News GmbH/Österreich). Auch kann sich schon aus der äußeren Form der Veröffentlichung ergeben, dass lediglich eine fremde Äußerung ohne eigene Wertung oder Stellungnahme mitgeteilt wird. Dies ist beispielsweise bei dem Abdruck einer Presseschau der Fall (vgl. BVerfG NJW 2004, 590, 591; AfP 2009, 480 Rn. 67; Senatsurteil vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08, VersR 2010, 220 Rn. 11 mwN).
20
(2) Nach diesen Grundsätzen haben sich die Beklagten zu 1 und 2 die Aussagen der Beklagten zu 3 zu Eigen gemacht. Zwar wird in dem angegriffenen Beitrag ausdrücklich Bezug auf Äußerungen der Beklagten zu 3 in einem zwischen ihr und dem Beklagten zu 1 geführten Gespräch genommen. Auch werden verschiedene ihrer Aussagen als wörtliche Zitate wiedergegeben und als solche kenntlich gemacht. Entgegen der Auffassung der Revisionen wird in dem Beitrag aber nicht lediglich ein Sachverhalt referiert, ohne dessen Richtigkeit zu unterstellen; es werden nicht nur die Äußerungen eines Dritten berichtet. Vielmehr nimmt der Beklagte zu 1 in dem Beitrag eine eigene Bewertung der Vorgänge vor und identifiziert sich mit der Darstellung der Beklagten zu 3. Er unterstreicht die von ihr erhobenen Vorwürfe, stellt sie als Opfer dar und ergreift zu ihren Gunsten Partei. Dies kommt beispielsweise durch die Bewertung des Verhaltens des Klägers als "Mobbing", der von ihm ausgehenden Anzüglichkeiten als "armselig" und der Kündigung der Beklagten zu 3 als "abgekartet" zum Ausdruck ebenso wie durch die wertende Zusammenfassung "Y wurde ihre eigene Diskretion zum Verhängnis" und die Aussage, sie "wollte nie … den Dreck zurückwerfen, mit dem man sie selbst beinahe zur Verzweiflung trieb".
21
dd) Die Revisionen wenden sich auch ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers sei rechtswidrig.
22
(1) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (Senatsurteile vom 30. Oktober 2012 - VI ZR 4/12, AfP 2013, 50 Rn. 10; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 11, jeweils mwN).
23
Im Streitfall sind das durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Interesse des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und seines guten Rufs mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten zu 1 und 2 auf Meinungs- und Medienfreiheit abzuwägen. Bei Tatsachenbehauptungen wie im vorliegenden Fall hängt die Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 12; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62 mwN; NJW 2012, 1500 Rn. 39). Außerhalb des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG liegen aber nur bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung feststeht. Alle übrigen Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug genießen den Grundrechtsschutz, auch wenn sie sich später als unwahr herausstellen (vgl. Senatsurteile vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 34; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 12; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62, jeweils mwN).
24
(2) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die angegriffenen Behauptungen nicht (erweislich) wahr. Gemäß der über § 823 Abs. 2 BGB in das Zivilrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB wäre es Sache der auf Zahlung einer Geldentschädigung in Anspruch genommenen Beklagten als Äußernden gewesen, die Wahrheit der Behauptung nachzuweisen (vgl. Senatsurteil vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 23; Katzenmeier in Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl., § 823 Abs. 2 Rn. 9 mwN). Diesen Beweis haben sie nicht geführt.
25
(3) Entgegen der Auffassung der Revisionen sind die angegriffenen Äußerungen auch nicht nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung zulässig.
26
(a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats und des Bundesverfassungsgerichts darf eine Tatsachenbehauptung, deren Wahrheitsgehalt ungeklärt ist und die eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betrifft, demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, solange nicht untersagt werden, wie er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf (Art. 5 GG, § 193 StGB). Eine Berufung hierauf setzt voraus, dass der auf Unterlassung in Anspruch Genommene vor Aufstellung oder Verbreitung der Behauptung hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt hat. Die Pflichten zur sorgfältigen Recherche über den Wahrheitsgehalt richten sich dabei nach den Aufklärungsmöglichkeiten. Sie sind für die Medien grundsätzlich strenger als für Privatleute. An die Wahrheitspflicht dürfen im Interesse der Meinungsfreiheit keine Anforderungen gestellt werden, die die Bereitschaft zum Gebrauch des Grundrechts herabsetzen und so den freien Kommunikationsprozess einschnüren. Andererseits ist aber auch zu berücksichtigen , dass die Wahrheitspflicht Ausdruck der Schutzpflicht ist, die aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgt. Je schwerwiegender die Äußerung das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, umso höhere Anforderungen sind deshalb an die Erfüllung der Sorgfaltspflichten zu stellen. Allerdings ist auch das Interesse der Öffentlichkeit an derartigen Äußerungen zu berücksichtigen (vgl.
Senatsurteile vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 23 mwN; vom 22. April 2008 - VI ZR 83/07, BGHZ 176, 175 Rn. 35; vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 26, 28 mwN; BVerfGE 114, 339, 353; BVerfG, AfP 2009, 480 Rn. 62; EGMR, Entscheidung vom 4. Mai 2010 - 38059/07, Effectenspiegel AG gegen Deutschland, juris Rn. 42). Erforderlich ist jedenfalls ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst "Öffentlichkeitswert" verleihen. Die Darstellung darf keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten; sie darf also nicht durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist (vgl. Senatsurteil vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 51/99, BGHZ 143, 199, 203 f. mwN).
27
(b) Nach diesen Grundsätzen war die angegriffene Berichterstattung unzulässig. Die Beklagten zu 1 und 2 sind ihren publizistischen Sorgfaltspflichten nicht im gebotenen Umfang nachgekommen.
28
(aa) Es fehlt bereits an dem erforderlichen Mindestbestand an Beweistatsachen. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, stellt es einen besonders schwerwiegenden Eingriff in die persönliche Ehre des Klägers dar, wenn er als gewissen- und skrupelloser pädophiler Täter dargestellt wird, der ein sexuelles Verhältnis mit einem "vielleicht 14 Jahre" alten Mädchen hatte und weder vor der Zerstörung der beruflichen Existenz einer langjährigen loyalen Mitarbeiterin noch vor der Ankündigung von Straftaten zurückschreckt. Dieser Vorwurf trifft den Kläger im Kern seiner Persönlichkeit. Angesichts der Schwere dieses Vorwurfs waren die Beklagten zu 1 und 2 in besonderem Maße zu sorgfältigem Vorgehen verpflichtet (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 24).
29
Vor diesem Hintergrund hat das Berufungsgericht unter zutreffender Würdigung aller Indizien zu Recht angenommen, dass weder die Angaben der Beklagten zu 3 noch die den Beklagten zu 1 und 2 vorliegenden Unterlagen eine ausreichende Tatsachengrundlage für die Verbreitung der den Kläger schwer belastenden Vorwürfe abzugeben vermochten. Wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, gab es für die (verdeckte) Aussage, der Kläger habe ein sexuelles Verhältnis mit einem "vielleicht 14 Jahre" alten Mädchen namens "Lissy" gehabt, nur einen Anhaltspunkt, nämlich die Angaben der Beklagten zu 3. Diese verfügte insoweit aber weder über eigene Erkenntnisse noch über in tatsächlicher Hinsicht konkrete anderweitige Hinweise. Vielmehr konnte sie lediglich aus ihrer Sicht auffällige Begebenheiten schildern, aus denen sie auf entsprechende sexuelle Kontakte schloss. Eine derartige bloße Schlussfolgerung ohne hinreichende Tatsachengrundlage rechtfertigt es aber nicht, den Betroffenen mit einem derart schweren, ihn im Kern seiner Persönlichkeit treffenden Vorwurf zu überziehen. Unabhängig von der unzureichenden Tatsachengrundlage hätten sich die Beklagten zu 1 und 2 die Schlussfolgerungen der Beklagten zu 3 aber auch deshalb nicht ohne weiteres zu eigen machen dürfen, weil sich die Beklagte zu 3 ausweislich des von den Beklagten zu 1 und 2 vorgelegten Aktenvermerks der Polizeidirektion Leipzig vom 12. Dezember 2006 in psychologischer Behandlung befand, sich vom Kläger gemobbt fühlte und bei ihren Schilderungen "kein gutes Haar an diesem ließ". Bei dieser Sachlage hätten die Beklagten zu 1 und 2 in Rechnung stellen müssen, dass die Angaben der Beklagten zu 3 von einem übermäßigen Belastungseifer getragen sein könnten.
30
Dem als "geheim" gekennzeichneten Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 14. Juli 2006 ist hinsichtlich eines Verhältnisses des Klägers zu einem "vielleicht 14 Jahre" alten Mädchen namens "Lissy" nichts zu entnehmen. Er beschränkt sich auch im Übrigen auf vage, nicht konkretisierte Mutmaßungen und beruht überwiegend auf anonymen Quellen. Entgegen der Auffassung der Revisionen stellt dieser Bericht auch keine privilegierte Quelle dar, auf deren Richtigkeit der Beklagte zu 1 hätte vertrauen dürfen. Zwar ist es in der Rechtsprechung und im Schrifttum anerkannt, dass den Verlautbarungen amtlicher Stellen ein gesteigertes Vertrauen entgegengebracht werden darf (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 29 ff.; BVerfG, NJW-RR 2010, 1195 Rn. 35 jeweils mwN; Hoene in Soehring /Hoene, Presserrecht, 5. Aufl., § 2 Rn. 21c). Dies beruht auf der Erwägung, dass Behörden in ihrer Informationspolitik unmittelbar an die Grundrechte gebunden sind und Amtsträger, wenn sie vor der Frage stehen, ob die Presse über amtliche Vorgänge informiert werden soll, die erforderliche Abwägung zwischen dem Informationsrecht der Presse und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht vorzunehmen haben (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 2012 - VI ZR 314/10, AfP 2013, 57 Rn. 30; BGH, Urteil vom 17. März 1994 - III ZR 15/93, NJW 1994, 1950, 1951; BVerfG, NJW-RR 2010, 1195 Rn. 35; BeckOK GG/Huster/Rux, Art. 20 GG Rn. 169 ff. [Stand: 1. November 2013]). Verletzen sie ihre Amtspflichten, kann ein Schadensersatzanspruch des Betroffenen wegen einer Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegen die zuständige Gebietskörperschaft als Träger der Behörde gegeben sein (vgl. BGH, Urteile vom 17. März 1994 - III ZR 15/93, aaO S. 1951 f.; vom 23. Oktober 2003 - III ZR 9/03, NJW 2003, 3693, 3697; OLG Hamburg, Ufita 70 (1974), 305, 309 ff.; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 6 Rn. 136; Soehring in Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 19 Rn. 38). Um eine derartige für die Öffentlichkeit bestimmte Verlautbarung han- delt es sich bei dem Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz aber gerade nicht. Er war ausdrücklich als "geheim" gekennzeichnet.
31
Gleiches gilt für die Protokolle über die polizeiliche Vernehmung verschiedener Zeugen aus den Jahren 1999 und 2000. Auch sie sind in tatsächlicher Hinsicht unergiebig. Ausweislich des Protokolls über die Vernehmung der Zeugin I. vom 7. Juni 2000 hat diese eine nicht näher identifizierte Person auf einem ihr vorgelegten Lichtbild als Freier des Kinderbordells Jasmin erkannt. Die übrigen Protokolle enthalten bloße Gerüchte oder Vermutungen ohne belastbare tatsächliche Grundlage. Derartige Gerüchte können aber nicht die Basis für eine den Betroffenen im Kern seiner Persönlichkeit treffenden Berichterstattung in der Presse abgeben (vgl. Senatsurteil vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405). Abgesehen davon lagen die Zeugenaussagen im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels bereits sechseinhalb Jahre zurück , ohne dass die Strafverfolgungsbehörden zu Lasten des Klägers hieraus Konsequenzen gezogen hatten.
32
Auch das an die Geschäftsführung der L.W. gerichtete anonyme Schreiben des angeblichen L.W.-Kollegiums vom 14. Mai 2007 vermag die angegriffene Berichterstattung nicht zu rechtfertigen. Abgesehen davon, dass es allein als Beleg für die Behauptung dienen könnte, der Kläger sei korrupt, kommt ihm aufgrund seines vage gehaltenen Inhalts und seiner Diktion nur ein sehr geringer Beweiswert zu. Hinzu kommt, dass sich der Beklagte zu 1 ausweislich der tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat, vor der Veröffentlichung des Beitrags nicht in der erforderlichen Weise vergewissert hat, ob das Schreiben der Geschäftsführung überhaupt zugegangen ist.
33
Beruht eine mit einer so erheblichen Ehrenkränkung verbundene Behauptung auf einer derart dürftigen Tatsachen- und Recherchegrundlage, wie dies vorliegend der Fall ist, gebietet eine an den verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern beider Seiten ausgerichtete Abwägung der Interessen, die betroffene Person, hier den Kläger, nicht unter voller Namensnennung "an den Pranger zu stellen".
34
(bb) Das Berufungsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass der angegriffene Beitrag unausgewogen und ihm nicht hinreichend zu entnehmen ist, dass lediglich über einen nicht bewiesenen Verdacht gegen den Kläger berichtet werden sollte. Wie bereits ausgeführt identifiziert sich der Beklagte zu 1 in dem Beitrag mit der Darstellung der Beklagten zu 3. Er unterstreicht die von ihr erhobenen Vorwürfe, stellt sie als Opfer dar und ergreift zu ihren Gunsten Partei. Die Berichterstattung ist nicht nur bewusst einseitig, sondern erweckt in unzulässiger Weise den Eindruck, die aufgestellten Behauptungen seien inhaltlich zutreffend und der Kläger sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt.
35
(cc) Die Revisionen wenden sich auch ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagte zu 1 habe dem Kläger vor der Veröffentlichung nicht in ausreichendem Maße Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Entgegen der Auffassung der Revisionen durfte sich der Beklagte zu 1 unter den Umständen des Streitfalles nicht darauf beschränken, den Kläger um ein Interview zu bitten und in den "zunächst nur einleitenden Bitten um ein Gespräch" lediglich den groben Kontext und die Zielrichtung seiner Recherchen zu bezeichnen. Angesichts der besonderen Tragweite, die die Verbreitung der angegriffenen Äußerungen für den Kläger erkennbar haben konnte, war der Beklagte zu 1 vielmehr gehalten, dem Kläger die Vorwürfe, die Gegenstand des Beitrags werden sollten, konkret zur Kenntnis zu bringen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme auf ihm beliebige Weise zu geben, ohne ihn auf die Möglichkeit der Erörterung der Vorwürfe in einem persönlichen Gespräch zu beschränken (vgl. zur Anhörung des Betroffenen vor der Berichterstattung: Senatsurteile vom 25. Mai 1965 - VI ZR 19/64, VersR 1965, 879, 881; vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 25 f.). Das Interesse der Medien, den Betroffenen erstmals in einem Interview mit den konkreten Vorwürfen zu konfrontieren, um eine spontane Reaktion des Betroffenen zu erfahren, ist in diesem Zusammenhang nicht schutzwürdig. Es muss vielmehr grundsätzlich dem Betroffenen überlassen bleiben, wie er sich äußern will. Aus diesem Grund ist es auch unerheblich , dass der Kläger ein persönliches Gespräch mit dem Beklagten zu 1 abgelehnt hat. Hierin liegt insbesondere kein Verzicht auf die Möglichkeit der Stellungnahme. Wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat, kommt die Annahme eines Verzichts nur dann in Betracht, wenn der Betroffene weiß, was ihm konkret vorgeworfen wird.
36
Die Revisionen rügen in diesem Zusammenhang ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe übersehen, dass der E-Mail des Beklagten zu 1 vom 10. Juni 2007 ein Telefonat mit der Schwester des Klägers vorangegangen sei, das offensichtlich die streitgegenständlichen Äußerungen zum Gegenstand gehabt habe. Dies ergibt sich aus der E-Mail gerade nicht. Danach hat es der Beklagte zu 1 vielmehr abgelehnt, der Schwester des Klägers Fragen zukommen zu lassen , da sie "erklärtermaßen" nicht mandatierte Vertreterin des Klägers sei und er nicht wisse, ob sie tatsächlich seine Schwester sei.
37
b) Das Berufungsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass der Kläger wegen der Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die beanstandete Berichterstattung von den Beklagten zu 1 und 2 die Zahlung einer Geldentschädigung verlangen kann.
38
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats begründet die schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine Geldentschädigung, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, also das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung, die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- oder Rufschädigung des Verletzten, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212 214 f.; vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, BGHZ 183, 227 Rn. 11; vom 20. März 2012 - VI ZR 123/11, AfP 2012, 260 Rn. 15, jeweils mwN; vgl. auch BVerfG NJW 2004, 591, 592). Die Zubilligung einer Geldentschädigung kommt auch in Betracht, wenn das Persönlichkeitsrecht, wie im Streitfall, durch eine nicht erweislich wahre rufschädigende Tatsachenbehauptung verletzt wird. In diesem Fall ist aber bei der Gewichtung der Schwere des Eingriffs die offen bleibende Möglichkeit mit zu berücksichtigen, dass die inkriminierte Behauptung wahr sein kann (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 27). Außerdem ist der besonderen Funktion der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen Rechnung zu tragen, die sowohl in einer Genugtuung des Verletzten für den erlittenen Eingriff besteht als auch ihre sachliche Berechtigung in dem Gedanken findet, dass das Persönlichkeitsrecht gegenüber erheblichen Beeinträchtigungen anderenfalls ohne ausreichenden Schutz bliebe (vgl. Senatsurteile vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, AfP 1985, 110, 113; vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215). Zudem soll die Geldentschädigung der Prävention dienen (vgl. Senatsurteil vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 302 mwN). In jedem Fall ist zu berücksichtigen, dass die Geldentschädigung nicht eine Höhe erreichen darf, die die Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 16; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137, 138; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 307; BVerfGE 34, 269, 285).
39
bb) Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht einen hinreichend schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers zu Recht bejaht. Der angegriffene Beitrag, in dem der Kläger als gewissen- und skrupelloser pädophiler Täter dargestellt wird, der ein sexuelles Verhältnis mit einem "vielleicht 14 Jahre" alten Mädchen hatte und weder vor der Zerstörung der beruflichen Existenz einer langjährigen loyalen Mitarbeiterin noch vor der Ankündigung von Straftaten zurückschreckt, ist in einem außerordentlich erheblichen Maße herabsetzend und mindert das Ansehen des Klägers besonders nachhaltig. Die darin enthaltenen Vorwürfe treffen den Kläger in den Grundlagen seiner Persönlichkeit und sind geeignet, ihn gesellschaftlich zu vernichten. Die Beklagten zu 1 und 2 handelten auch in erheblichem Maße schuldhaft. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Beklagten zu 1 und 2 ihre publizistischen Sorgfaltspflichten in hohem Maße verletzt haben. Wie unter Ziffer a) dd) (3) (b) ausgeführt, haben sie die den Kläger schwer belastenden Aussagen der Beklagten zu 3, die sich ausweislich des von den Beklagten vorgelegten Aktenvermerks der Polizeidirektion Leipzig vom 12. Dezember 2006 in psychologischer Behandlung befand und einen arbeitsrechtlichen Konflikt mit dem Kläger austrug, kritiklos übernommen und den Kläger in einem äußerst einseitigen und präjudizierenden Beitrag unter voller Namensnennung "an den Pranger" gestellt, ohne diesem zuvor in dem gebotenen Maß Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
40
Die gegen diese Beurteilung vorgebrachten Einwendungen der Revisionen rechtfertigen keine andere Beurteilung. Die Zubilligung einer Geldentschädigung setzt insbesondere nicht voraus, dass der Kläger - wie von ihm behauptet - aufgrund der streitgegenständlichen Berichterstattung eine schwere Depression erlitten hat. Denn bei der Entschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt es sich nicht um ein Schmerzensgeld gemäß § 253 Abs. 2 BGB, sondern um einen Rechtsbehelf, der auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und 2 Abs. 1 GG zurückgeht. Er findet seine sachliche Berechtigung in dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 15 f.; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 302; vom 6. Dezember 2005 - VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203, 204 f.; BVerfGE 34, 269, 282, 292; BVerfG NJW 2000, 2187 f.; Müller, VersR 2008, 1141, 1150).
41
Entgegen der Auffassung der Revisionen wirkt sich auch nicht der Umstand mindernd auf das Gewicht der durch die angegriffenen Äußerungen bewirkten Persönlichkeitsrechtsverletzung aus, dass bereits vor dem angegriffenen Beitrag in verschiedenen Veröffentlichungen über den Kläger berichtet wurde. Denn weder werden unbewiesene Tatsachenbehauptungen herabsetzenden Charakters deswegen zulässig, weil sie auch von anderen aufgestellt worden sind (vgl. BVerfGE 85, 1, 22; BVerfG, NJW-RR 2000, 1209, 1211; AfP 2009, 480 Rn. 64), noch verliert der Betroffene durch die erste belastende Berichterstattung seine Ehre und soziale Anerkennung in dem Sinne, dass diese Schutzgüter nicht erneut oder nur mit geringerer Intensität verletzt werden könnten. Wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, stellen die Veröffentlichungen durch andere Verlage jeweils eigenständige Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Klägers dar, die einer selbständigen Beurteilung unterliegen. Eine andere Betrachtung würde weder dem Wesen der genannten Schutzgüter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts noch der Funktion der Entschädigung als Rechtsbehelf zu ihrem Schutz gerecht (vgl. Senatsurteile vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, AfP 1985, 110, 113; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 307 f.; aA OLG Stuttgart, AfP 1981, 362). Die Vorveröffentlichungen könnten sich allenfalls mindernd auf die Höhe der zuzubilligenden Geldentschädigung auswirken, wenn und soweit das Interesse der von dem streitgegenständlichen Beitrag angesprochenen Personen durch sie bereits verringert war (vgl. Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 536; vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, AfP 1985, 110, 113; Soehring in Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Aufl., § 32 Rn. 37).
42
Aus den von den Revisionen herangezogenen Entscheidungen des Senats vom 29. Juni 1999 (VI ZR 264/98, AfP 1999, 350) und vom 5. November 2013 (VI ZR 304/12, juris), des Bundesverfassungsgerichts (NJW-RR 2010, 1195 Rn. 33) sowie des EGMR (NJW 1999, 1315) folgt nichts anderes. Sie betrafen andere Fallkonstellationen, weshalb die dort maßgebenden Erwägungen vorliegend nicht herangezogen werden können. In den genannten Entscheidungen ging es jeweils um die dem Willen des Betroffenen widersprechende Offenbarung wahrer Tatsachen, die vor der jeweils angegriffenen Veröffentlichung bereits von anderen Medien mitgeteilt worden und damit schon einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden waren mit der Folge, dass der Betroffene bereits zuvor seine Anonymität verloren hatte bzw. seine persönlichen Daten nicht mehr geheim waren. So wandte sich die Klägerin im Verfahren VI ZR 304/12 gegen die unter Beeinträchtigung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung erfolgte Preisgabe des Abstammungsverhältnisses zu ihrem Vater. Der Kläger im Verfahren VI ZR 264/98 beanstandete als Eingriff in seine Privatsphäre, dass der Grund für die Scheidung von seiner Ehefrau - Ehe- bruch - bekanntgeben worden war. Der Streitfall dagegen ist anders gelagert. Hier steht der Schutz vor unbewiesenen Tatsachenbehauptungen herabsetzenden Charakters in Rede. Es kann dahingestellt bleiben, ob Vorveröffentlichungen angesichts des Umstands, dass es sich bei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht um eine statische, für alle Zeiten feststehende Größe handelt, sondern sein Bestand in gewissem Umfang auch von der tatsächlichen Anerkennung durch die Öffentlichkeit abhängt (vgl. BVerfG, NJW-RR 2010, 1195 Rn. 33), nach Ablauf einer gewissen Zeit zu einem "Negativ-Image" des Betroffenen führen können (so OLG Stuttgart, AfP 1981, 362). Dies kommt jedenfalls nicht in Betracht, wenn die angegriffene Berichterstattung und die Vorveröffentlichungen - wie im Streitfall - in einem engen zeitlichen Zusammenhang stehen.
43
cc) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Beeinträchtigung des Klägers nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Die gegen die Beklagten erwirkten Unterlassungstitel schließen den Geldentschädigungsanspruch unter den Umständen des Streitfalls nicht aus. Auch unter Berücksichtigung der mit ihnen zusammenhängenden Ordnungsmittelandrohungen können sie die weitere Abrufbarkeit des angegriffenen Beitrags oder Teilen desselben nicht zuverlässig verhindern. Es ist allgemein bekannt, dass eine in das Internet gestellte Meldung, auch wenn sie von ihrem Urheber gelöscht wurde, jedenfalls für gewisse Zeit weiter zugänglich bleiben kann, weil sie in der Zwischenzeit von Dritten kopiert und auf einer neuen Webseite eingestellt oder von Bloggern zum Gegenstand eines eigenen Beitrags gemacht wurde. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass zahlreiche Nutzer im Internet die Löschung von Inhalten infolge von Unterlassungsansprüchen als Zensur interpretieren und für die Verbreitung "AusweichRouten" finden. Abgesehen davon vermag ein Unterlassungstitel in Fällen derart schwerer Angriffe, die sich gegen die Grundlagen der Persönlichkeit richten, die Beeinträchtigung des Betroffenen nicht hinreichend auszugleichen (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405; vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 13 f.).
44
Die Zubilligung einer Geldentschädigung ist im Streitfall auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger keinen Widerrufsanspruch geltend gemacht hat. Zum einen sind die Voraussetzungen dieses Anspruchs nicht erfüllt, weil der Kläger nicht beweisen kann, kein Verhältnis mit einem 14 Jahre alten Mädchen (gehabt) zu haben. Zum anderen ist auch ein Widerruf nicht geeignet, die erlittene Beeinträchtigung hinreichend auszugleichen (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87, VersR 1988, 405; vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 13 f.).
45
2. Die Revisionen wenden sich aber mit Erfolg gegen die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Höhe der dem Kläger zustehenden Geldentschädigung.
46
a) Allerdings ist die Bemessung der Höhe der Geldentschädigung in erster Linie Sache des Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar , ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Bemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 16; vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13, 29; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 307).
47
b) Vor diesem Hintergrund ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht unter dem Gesichtspunkt der Verringerung des Interesses der angesprochenen Leser an der streitgegenständlichen Berichterstattung nur die Vorveröffentlichungen im MDR-Magazin "FAKT", in der Bildzeitung und in der Online-Ausgabe der Leipziger Volkszeitung mindernd berücksichtigt, den anderen Beiträgen hingegen keine Bedeutung beigemessen hat (vgl. zur Minderung des Informationsinteresses durch Vorveröffentlichungen: Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 536; vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83, AfP 1985, 110, 113; Soehring in Soehring/Hoene, Presserecht , 5. Aufl., § 32 Rn. 37). Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts befassten sich die übrigen Vorveröffentlichungen weder mit der Behauptung, der Kläger unterhalte eine sexuelle Beziehung zu einer Minderjährigen , noch mit den weiteren von der Beklagten zu 3 erhobenen Vorwürfen im Zusammenhang mit der Arbeitseinstellung des Klägers, seinem Verhalten am Arbeitsplatz, den Umständen ihrer Kündigung und der angeblichen Bedrohung.
48
c) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet demgegenüber die Annahme des Berufungsgerichts, wonach der Anzahl der Aufrufe des angegriffenen Beitrags für die Bemessung der Höhe der Entschädigung keine Bedeutung zukomme. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats ist im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung auch das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung als Bemessungsfaktor zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 55/62, BGHZ 39, 124, 133 f.; vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 535 f.; vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137; Müller in Götting/Schertz/Seitz, Handbuch des Persönlichkeitsrechts, 2008, § 51 Rn. 23, 30). Aus diesem Grund kann die Anzahl der Personen, die die beanstandeten Äußerungen zur Kenntnis genommen haben, nicht unbeachtet bleiben.
49
d) Wie die Revisionen zu Recht rügen, tragen die Feststellungen des Berufungsgerichts auch nicht die Annahme, die Beklagten zu 1 und 2 hätten die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers als Mittel zur Reichweitensteigerung und zur Verfolgung eigener kommerzieller Interessen eingesetzt, weshalb von der Höhe der Geldentschädigung ein echter Hemmungseffekt ausgehen müsse. Die vom Berufungsgericht für einschlägig gehaltene Fallgruppe der rücksichtslosen Zwangskommerzialisierung einer Persönlichkeit, in der die Präventionsfunktion der Geldentschädigung im Vordergrund steht, ist dadurch gekennzeichnet, dass der Einbruch in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vorsätzlich zum Zwecke der Gewinnerzielung erfolgt (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 15 f.; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137, 138; vom 12. Dezember 1995 - VI ZR 223/94, AfP 1996, 138, 139; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 306 f.; BVerfG, VersR 2000, 897 898; Müller, aaO, § 51 Rn. 10, jeweils mwN). Feststellungen zu einem entsprechenden Vorsatz des Beklagten hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
50
e) Die Revisionen beanstanden auch mit Erfolg, dass das Berufungsgericht die angegriffenen Äußerungen als (mit)ursächlich für die beim Kläger aufgetretene depressive Störung angesehen hat, ohne über die umstrittene Frage Beweis zu erheben, ob diese Störung nicht bereits durch die Berichterstattung in der BILD-Zeitung vom 13. Juni 2007 und im MDR-Magazin "FAKT" vom 11. Juni 2007 ausgelöst worden ist. Der Ursachenzusammenhang lässt sich insbesondere nicht mit Hilfe der vom Berufungsgericht herangezogenen Grundsätze der Doppelkausalität bejahen. Doppelkausalität liegt vor, wenn ein bestimmter Schaden durch verschiedene gleichzeitig oder nebeneinander wirkende Umstände verursacht worden ist, aber jede dieser Ursachen allein ausgereicht hätte, um den ganzen Schaden herbeizuführen. In einem solchen Fall sind sämtliche Umstände als rechtlich ursächlich für den Schadenseintritt zu behandeln, obwohl keiner der Umstände als "conditio sine qua non" für den Schadenseintritt beurteilt werden kann (vgl. BGH, Urteile vom 13. März 2012 - II ZR 50/09, NJW-RR 2012, 728 Rn. 25; vom 20. Februar 2013 - VIII ZR 339/11, NJW 2013, 2018 Rn. 27). Eine derartige Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor. Es steht gerade nicht fest, dass die Veröffentlichungen in der BILDZeitung und im MDR-Magazin "FAKT" einerseits und die streitgegenständliche Berichterstattung andererseits gleichzeitig oder nebeneinander gewirkt und die depressive Störung des Klägers verursacht haben.
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Für eine Anwendung des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB ist ebenfalls kein Raum. Die Vorschrift setzt voraus, dass eine Ungewissheit hinsichtlich des Verursachers besteht, d.h. nicht feststellbar ist, welcher der Beteiligten den Schaden verursacht hat (vgl. Senatsurteil vom 23. März 1999 - VI ZR 53/98, VersR 1999, 1375). Nach dem mangels gegenteiliger Feststellungen revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag der Beklagten wurde die depressive Störung des Klägers aber bereits durch die Vorveröffentlichungen bewirkt.
II. Revision des Klägers
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Die gegen die Beklagten zu 1 und 2 gerichtete Revision des Klägersist zulässig und begründet. Sie beanstandet zu Recht die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Höhe der dem Kläger zuzubilligenden Geldentschädigung.
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1. Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, eine Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch eine Internetveröffentlichung sei wegen der Besonderheiten des Internets generell höher zu bemessen als eine Entschädigung wegen eines Artikels in den PrintMedien. Sowohl die Frage, ob die Verletzung des Persönlichkeitsrechts so schwerwiegend ist, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, als auch deren Höhe können nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. Senatsurteile vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, BGHZ 183, 227 Rn. 11; vom 20. März 2012 - VI ZR 123/11, AfP 2012, 260 Rn. 15; Müller, aaO, § 51 Rn. 23, 30). Ein rufschädigender Artikel - beispielsweise auf der Titelseite - einer weit verbreiteten Tageszeitung mit hoher Auflage kann das Ansehen des Betroffenen wesentlich nachhaltiger schädigen als eine Internetmeldung in einem wenig bekannten Portal, das nur begrenzte Nutzerkreise anspricht. Auch der Umstand, dass die üblicherweise erfolgende Verlinkung der in Rede stehenden Meldung in Suchmaschinen die Einholung von Informationen über den Betroffenen ermöglicht, rechtfertigt keine generelle Anhebung der Geldentschädigung. Denn eine solche Informationsbeschaffung setzt die aktive Suche des bereits an dem Betroffenen interessierten Nutzers voraus. Demgegenüber werden durch einen Artikel einer weit verbreiteten Tageszeitung oder durch die Bekanntgabe der Nachricht zu einer beliebten Tageszeit im Fernsehen u.U. Millionen von Personen von dem (angeblichen) Fehlverhalten des Betroffenen in Kenntnis gesetzt.
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2. Die Revision rügt aber zu Recht, dass das Berufungsgericht den - durch Vorlage des Berichts der auf "Online Reputation Management" spezialisierten R. GmbH konkretisierten - Vortrag des Klägers nicht für erheblich gehalten hat, wonach der angegriffene Bericht im Internet zahlreich verlinkt, kopiert und - auch noch nach der Löschung des Ursprungsbeitrags - umfangreich abgerufen worden sei. Wie bereits ausgeführt, ist das Ausmaß der Verbreitung der angegriffenen Veröffentlichung als Bemessungsfaktor bei der Festsetzung der Höhe der Geldentschädigung zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 55/62, BGHZ 39, 124, 133 f.; vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 535 f.; vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137; Müller, aaO, § 51 Rn. 23, 30). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist den Beklagten zu 1 und 2 die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers auch insoweit zuzurechnen, als sie erst durch die Weiterverbreitung des Ursprungsbeitrags durch Dritte im Internet entstanden ist. Da Meldungen im Internet typischerweise von Dritten verlinkt und kopiert werden, ist die durch die Weiterverbreitung des Ursprungsbeitrags verursachte Rechtsverletzung sowohl äquivalent als auch adäquat kausal auf die Erstveröffentlichung zurückzuführen. Der Zurechnungszusammenhang ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Persönlichkeitsrechtsverletzung insoweit erst durch das selbstständige Dazwischentreten Dritter verursacht worden ist.
55
a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird die haftungsrechtliche Zurechnung nicht schlechthin dadurch ausgeschlossen, dass außer der in Rede stehenden Verletzungshandlung noch weitere Ursachen zur Rechtsgutsverletzung beigetragen haben. Dies gilt auch dann, wenn die Rechtsgutsverletzung erst durch das (rechtmäßige oder rechtswidrige) Dazwischentreten eines Dritten verursacht wird. Der Zurechnungszusammenhang fehlt in derartigen Fällen allerdings, wenn die zweite Ursache - das Eingreifen des Dritten - den Geschehensablauf so verändert hat, dass die Rechtsgutsverletzung bei wertender Betrachtung nur noch in einem "äußerlichen", gleichsam "zufälligen" Zusammenhang zu der durch die erste Ursache geschaffenen Gefahrenlage steht. Wirken in der Rechtsgutsverletzung dagegen die besonderen Gefahren fort, die durch die erste Ursache gesetzt wurden, kann der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang nicht verneint werden (vgl. Senatsurteile vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 286/09, VersR 2010, 1662 Rn. 20; vom 26. Februar 2013 - VI ZR 116/12, VersR 2013, 599 Rn. 10; BGH, Urteile vom 28. April 1955 - III ZR 161/53, BGHZ 17, 153, 159; vom 15. November 2007 - IX ZR 44/04, BGHZ 174, 205 Rn. 11 ff.; vgl. auch MünchKomm/BGB/Oetker, 6. Aufl., § 249 Rn. 141 ff., 157 ff.; Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearbeitung 2005, § 249 Rn. 35, 58 ff.; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Auflage, Vorb. v. § 249 Rn. 33 ff.).
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b) So verhält es sich im Streitfall. Durch die Veröffentlichung des Ursprungsbeitrags auf dem von der Beklagten zu 2 betriebenen Internet-Portal ist die internettypische besondere Gefahr geschaffen worden, dass an einer umfassenden Kommunikation und Diskussion im Internet interessierte Nutzer den Beitrag verlinken oder kopieren und auf anderen Webseiten zum Abruf bereit halten. Die auf die "Vervielfältigung" der Abrufbarkeit des Beitrags durch Dritte zurückzuführende Ehrkränkung des Klägers steht in einem inneren Zusammenhang zu der durch die Veröffentlichung des Ursprungsbeitrags geschaffenen Gefahrenlage. Erst hierdurch hat sich die spezifische Gelegenheit zum Tätigwerden der Dritten ergeben. Ihr Einschreiten ist nicht als bloß "zufällig" zu qualifizieren.
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c) Die von der Revision darüber hinaus als übergangen gerügten, angeblich noch im Jahr 2012 gegebenen "Hinweise auf die Veröffentlichung im Internet" sind nur dann erhöhend bei der Bemessung der Entschädigung zu berücksichtigen , wenn auch sie die im angegriffenen Beitrag aufgestellten (verdeckten ) Sachaussagen enthalten.
III. Revision der Beklagten zu 3
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1. Die Revision der Beklagten zu 3 ist zulässig, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung zur Zahlung einer Geldentschädigung richtet. Im Übrigen ist sie nicht statthaft und damit unzulässig. Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision wirksam auf die Frage beschränkt, ob dem Kläger wegen der streitgegenständlichen Berichterstattung Ansprüche auf Zahlung einer Geldentschädigung zustehen. Die Beschränkung der Revisionszulassung hat zur Folge, dass der Streitstoff, soweit er von der Zulassung nicht erfasst wird, nicht der Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts unterliegt (vgl. Senatsbeschluss vom 17. April 2012 - VI ZR 140/11, AfP 2012, 371 Rn. 2).
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a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zulassung der Revision auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines selbständig anfechtbaren Teil- oder Zwischenurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2010 - VI ZR 237/09, NJW 2011, 155 Rn. 7; Senatsbeschluss vom 17. April 2012 - VI ZR 140/11, AfP 2012, 371 Rn. 3; BGH, Urteil vom 30. März 2007 - V ZR 179/06, VersR 2007, 1230 Rn. 6, jeweils mwN).
60
b) Von einer derartigen beschränkten Revisionszulassung ist vorliegend auszugehen. Zwar enthält die Entscheidungsformel des Berufungsurteils keinen Zusatz, der die dort ausgesprochene Zulassung der Revision einschränkt. Die Beschränkung der Rechtsmittelzulassung kann sich aber auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der Tenor im Lichte der Entscheidungsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich dies aus den Gründen der Beschränkung klar ergibt. Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt (vgl. etwa Senatsurteil vom 19. Oktober 2010 - VI ZR 237/09, NJW 2011, 155 Rn. 8; Senatsbeschluss vom 17. April 2012 - VI ZR 140/11, AfP 2012, 371 Rn. 4; BGH, Urteile vom 30. März 2007 - V ZR 179/06, VersR 2007, 1230 Rn. 7; vom 21. Januar 2010 - I ZR 215/07, NJW-RR 2010, 909 Rn. 13 f., jeweils mwN).
61
Dies ist hier der Fall. Aus den Gründen des Berufungsurteils ergibt sich zweifelsfrei, dass das Berufungsgericht eine die Anrufung des Revisionsgerichts rechtfertigende Rechtsfrage nur darin gesehen hat, ob und wie sich eine ausschließlich auf einer Internetseite erfolgte Veröffentlichung auf Grund und Höhe eines Geldentschädigungsanspruchs auswirkt. Diese Rechtsfrage ist aber nur für die vom Kläger geltend gemachten Zahlungsansprüche von Bedeutung. Sie berührt hingegen nicht den davon zu trennenden - und einen selbständigen Streitgegenstand begründenden - Anspruch des Klägers auf Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren, die ihm durch Beauftragung eines Anwalts zu seiner Verteidigung in dem gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen entstanden sind.
62
2. Soweit die Revision der Beklagten zu 3 zulässig ist, hat sie in der Sache Erfolg.
63
a) Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht angenommen, dass dem Kläger auch gegen die Beklagte zu 3 dem Grunde nach ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB zusteht. Denn sie hat die in schwerwiegendem Maße persönlichkeitsrechtsverletzende Berichterstattung der Beklagten zu 1 und 2 durch ihre nicht erweislich wahren Informationen veranlasst (vgl. zur Haftung des Informanten: BGH, Urteile vom 11. Mai 1973 - I ZR 123/71, VersR 1973, 764 - Kollo-Schlager; vom 18. Februar 1993 - I ZR 14/91, AfP 1993, 566, 567 - Produktinformation I; vom 19. September 1996 - I ZR 130/94, AfP 1997, 524, 525 - Orangenhaut mwN; Löffler/Steffen, Presserecht , 5. Aufl., § 6 LPG Rn. 229; Soehring in Soehring/Hoene, aaO, § 7 Rn. 32 ff.; Wenzel/von Strobl-Albeg, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 381 ff.)
64
aa) Die Revision beanstandet in diesem Zusammenhang ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe nicht festgestellt, welche Informationen die Beklagte zu 3 dem Beklagten zu 1 genau erteilt habe. Ausweislich der Feststellungen im Berufungsurteil stützt sich der streitgegenständliche Beitrag maßgeblich auf die Aussagen der Beklagten zu 3 und gibt ihren Bericht über den Besuch des Mädchens "Lissy" sowie ihre Aussagen in Interviewabschnitten und Zitaten wieder. In seinem Beschluss vom 5. April 2012, auf den es in seinem Urteil ausdrücklich Bezug genommen hat, hat das Berufungsgericht darüber hinaus festgestellt , dass die angebliche Verleumdung des Klägers durch seine Arbeitskollegen von der Beklagten zu 3 "kolportiert" worden sei und insbesondere die Passagen, wonach sich für die Beklagte zu 3 immer mehr "Puzzleteile" zusammenfügten , sie ihre "Scham" überwinde und ihr die "Neigungen" des Klägers erst im Nachhinein klar geworden seien, unmittelbar auf ihren Erklärungen beruhten. Die Beklagte zu 3 habe auch gewusst, welche Schlussfolgerungen der Beklagte zu 1 aus ihren Informationen ziehen würde. Gegen diese Feststellungen wendet sich die Revision nicht. Sie macht insbesondere nicht geltend, die Beklagte zu 3 sei in dem angegriffenen Beitrag - beispielsweise bei der Beschreibung von "Lissy" mit den Worten "vielleicht 14 Jahre alt" - falsch zitiert worden. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass bereits die Äußerungen der Beklagten zu 3 gegenüber dem Beklagten zu 1 die - teils offenen, teils verdeckten - Sachaussagen enthalten, welche der angegriffenen Berichterstattung zu entnehmen sind. Auf die Frage, welche Angaben die Beklagte zu 3 gegenüber den Strafverfolgungsbehörden gemacht hat, kommt es bei dieser Sachlage entgegen der Auffassung der Revision nicht an.
65
bb) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht auch eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers bejaht, die nicht in anderer Weise als durch Zahlung einer Geldentschädigung befriedigend aufgefangen werden kann.
66
(1) Zwar kann insoweit nicht darauf abgestellt werden, dass durch den angegriffenen Beitrag die absolut geschützte Intimsphäre des Klägers verletzt wurde. Denn wie unter I. 1. a) bb) ausgeführt, fällt die Begehung von Sexualstraftaten nicht in den unantastbaren Kernbereich höchstpersönlicher, privater Lebensgestaltung. Auch durch die Bekanntgabe der wahren Tatsachen, dass der Kläger eine Geliebte hatte und eine Vergleichsliste über seine Ehefrau und seine Geliebte erstellt hat, haben die Beklagten nicht in diesen Kernbereich eingegriffen. Die bloße Mitteilung ehebrecherischer Beziehungen ohne die Bekanntgabe diesbezüglicher Einzelheiten tangiert die Intimsphäre nicht (vgl. Senatsurteile vom 5. Mai 1964 - VI ZR 64/63, NJW 1964, 1471, 1472; vom 29. Juni 1999 - VI ZR 264/98, AfP 1999, 350, 351; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 49). Ob eine andere Beurteilung geboten wäre, wenn der Inhalt der Vergleichsliste zum Gegenstand der Berichterstattung gemacht worden wäre, kann offen bleiben, da eine derartige Fallkonstellation nicht vorliegt.
67
(2) Die durch die Äußerungen der Beklagten zu 3 bewirkte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers wiegt aber besonders schwer. Die Berichterstattung ist in einem außerordentlich erheblichen Maße herabsetzend und mindert das Ansehen des Klägers besonders nachhaltig. Die darin enthaltenen Vorwürfe treffen den Kläger im Kern seiner Persönlichkeit und sind geeignet, ihn gesellschaftlich zu vernichten. Hinzu kommt, dass die Beklagte zu 3 vorsätzlich handelte. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen war der Beklagten zu 3 bei der Informationserteilung in vollem Umfang bewusst, wie ihre Äußerungen im Gesamtkontext des von dem Beklagten zu 1 beabsichtigten Beitrags wirken würden; sie nahm dies aus Rache ge- genüber dem Kläger, dem sie den Verlust ihres Arbeitsplatzes zuschrieb, billigend in Kauf.
68
b) Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Bemessung der Höhe der dem Kläger zustehenden Geldentschädigung.
69
aa) Das Berufungsgericht hat in seine Erwägungen zur Höhe der Entschädigung allerdings zu Recht mit einfließen lassen, dass die Beklagte zu 3 - wie oben ausgeführt - vorsätzlich handelte.
70
bb) Ohne Erfolg macht die Revision auch geltend, die gegen die Beklagte zu 3 festgesetzte Geldentschädigung müsse bereits deshalb reduziert werden , weil Veröffentlichungen in elektronischen Medien wegen ihrer "Flüchtigkeit" generell mit geringeren Beeinträchtigungen verbunden seien als solche in den Printmedien. Soweit die Revision darauf abhebt, dass ein Beitrag im Internet nach seiner Löschung - anders als ein Zeitungsartikel - nicht mehr "stofflich" existent und reproduzierbar sei, übersieht sie, dass der Beitrag vor der Löschung von Nutzern kopiert und auf anderen Webseiten abgelegt oder ausgedruckt worden sein kann. Wie bereits unter Ziffer II. 1. ausgeführt, kann die Frage , wie hoch die Geldentschädigung sein muss, um ihrer spezifischen Zweckbestimmung gerecht zu werden, vielmehr nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl. Senatsurteile vom 24. November 2009 - VI ZR 219/08, BGHZ 183, 227 Rn. 11; vom 20. März 2012 - VI ZR 123/11, AfP 2012, 260 Rn. 15; Müller, aaO, § 51 Rn. 23, 30).
71
cc) Die Revision rügt aber zu Recht, dass das Berufungsgericht der Anzahl der Aufrufe des angegriffenen Beitrags für die Bemessung der Höhe der Entschädigung keine Bedeutung beigemessen hat. Wie bereits unter Ziffer I. 2.
c) ausgeführt, ist im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung auch das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung als Bemessungsfaktor zu berück- sichtigen (vgl. Senatsurteile vom 5. März 1963 - VI ZR 55/62, BGHZ 39, 124, 133 f.; vom 5. März 1963 - VI ZR 61/62, VersR 1963, 534, 535 f.; vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 215; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137; Müller, aaO, § 51 Rn. 23, 30). Aus diesem Grund kann die Anzahl der Personen, die die beanstandeten Äußerungen zur Kenntnis genommen haben, nicht unbeachtet bleiben.
72
dd) Da der angegriffene Beitrag nicht in die Intimsphäre des Klägers eingreift , kann sich dieser Gesichtspunkt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht erhöhend bei der Bemessung der Geldentschädigung auswirken.
IV. Anschlussrevision des Klägers
73
Die Anschlussrevision des Klägers ist unzulässig. Gemäß § 554 Abs. 1 ZPO kann sich der Revisionsbeklagte zwar grundsätzlich der Revision anschließen. Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an den Voraussetzungen für eine wirksame Anschließung.
74
1. Zwar setzt die Statthaftigkeit der Anschließung gemäß § 554 Abs. 2 Satz 1 ZPO in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) abweichend von dem bis dahin geltenden Recht nicht mehr voraus, dass auch für den Anschlussrevisionskläger die Revision zugelassen worden ist. Daher kann eine Anschlussrevision bei beschränkter Zulassung der Revision auch dann wirksam eingelegt werden, wenn die Anschlussrevision nicht den Streitstoff betrifft, auf den sich die Zulassung bezieht (vgl. BGH, Urteile vom 24. Juni 2003 - KZR 32/02, NJW 2003, 2525; vom 26. Juli 2004 - VIII ZR 281/03, NJW 2004, 3174, 3176; vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 39).
75
2. Auch nach neuem Recht erfordert die Statthaftigkeit der Anschließung allerdings, dass zwischen dem Streitgegenstand der Anschlussrevision und dem der - statthaften - Revision ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang besteht. Denn die Neuregelung der Anschlussrevision in § 554 ZPO ändert nichts daran, dass sie als unselbständiges Rechtsmittel akzessorischer Natur ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, aaO Rn. 40). Hinzu kommt, dass eine unbeschränkte Statthaftigkeit der Anschlussrevision in Fällen, in denen die Hauptrevision - wie im Streitfall - zu Gunsten einer Partei nur teilweise zugelassen wurde, zu einer Benachteiligung des Revisionsklägers führte und somit über den Gesetzeszweck der Schaffung einer Art Waffengleichheit zwischen den Parteien hinausginge. Der Revisionskläger müsste die Entscheidung des Berufungsgerichts im Umfang der Nichtzulassung hinnehmen , während der Revisionsbeklagte das Urteil in vollem Umfang seines Unterliegens anfechten könnte (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2007 - I ZR 74/05, BGHZ 174, 244 Rn. 41; Saenger/Kayser/Koch, ZPO, 5. Aufl. 2013, § 554 Rn. 5; MünchKomm/ZPO/Krüger, 4. Aufl., § 554 Rn. 6; Zöller/Heßler, ZPO, 30. Aufl., § 554 Rn.  7 a; Prütting/Gehrlein/Ackermann, ZPO, 5. Aufl., § 554 Rn. 4; Gehrlein, NJW 2008, 896 ff.; aA Musielak/Ball, ZPO, 10. Aufl., § 554 Rn. 4).
76
3. Im Streitfall fehlt es an dem erforderlichen rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Streitgegenstand der Anschlussrevision und dem der statthaften Revision. Während sich die Revision, soweit sie zugelassen wurde, gegen die Verurteilung der Beklagten zu 3 zur Zahlung einer Geldentschädigung richtet, betrifft die Anschlussrevision einen Anspruch des Klägers auf Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren, die ihm durch Beauftra- gung eines Anwalts zu seiner Verteidigung in dem gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren entstanden sind.
77
V. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben, soweit die Beklagten zur Zahlung einer Geldentschädigung verurteilt worden sind und die Klage gegen die Beklagten zu 1 und 2 auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von weiteren 50.000 € abgewiesen worden ist. Insoweit war die Sache zur neu- en Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird dabei Gelegenheit haben, sich auch mit den weiteren Einwänden der Parteien in den Rechtsmittelschriften zu befassen. Bei der Bemessung der Geldentschädigung wird es zu berücksichtigen haben, dass die Entschädigung nicht eine Höhe er- reichen darf, die die Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkt (vgl. Senatsurteile vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94, BGHZ 128, 1, 16; vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94, AfP 1996, 137, 138; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 255/03, BGHZ 160, 298, 307; BVerfGE 34, 269, 285). Galke Wellner Stöhr von Pentz Offenloch
Vorinstanzen:
LG Leipzig, Entscheidung vom 11.11.2011 - 8 O 4330/08 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 03.05.2012 - 4 U 1883/11 -

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 27. Oktober 2010 - 5 Sa 3/09 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche geltend, da sie von ihr bei einer Bewerbung wegen ihres Alters diskriminiert wurde.

2

Die Beklagte suchte mit einer am 15. November 2007 veröffentlichten Stellenanzeige Mitarbeiter für das von ihr betriebene Callcenter. Die Anzeige lautete auszugsweise:

        

„CALL CENTER AGENTS

        

Wir suchen für unser junges Team in der City motivierte Mitarbeiter/innen.

        

Du telefonierst gerne?

        

Dann bist Du genau richtig bei uns. Wir geben Dir die Möglichkeit sogar damit Geld zu verdienen.

        

Du bist zwischen 18 - 35 Jahre alt und verfügst über gute Deutschkenntnisse und suchst eine Vollzeitaufgabe?

        

Wir bieten Dir gute Verdienstmöglichkeiten und ein sehr nettes Arbeitsklima.“

3

Auf die Anzeige bewarb sich die damals 41-jährige, arbeitssuchende Klägerin. Ihrer Bewerbung fügte sie einen vollständigen tabellarischen Lebenslauf bei. Die Beklagte stellte zwei andere Bewerberinnen der Geburtsjahrgänge 1985 und 1987 zum 19. November 2007 ein. Am gleichen Tag sagte sie der Klägerin telefonisch ab, wobei der genaue Gesprächsinhalt streitig ist. Mit Poststempel vom 21. November 2007 schickte sie der Klägerin ihre Bewerbungsunterlagen zurück. Sie fügte eine handschriftliche Notiz bei, der zufolge „alle Plätze belegt“ seien. Weitere, ähnliche Stellenanzeigen schaltete die Beklagte am 22. November 2007 und am 9. April 2008.

4

Ohne vorherige schriftliche Geltendmachung reichte die Klägerin beim Arbeitsgericht Hamburg am 29. Januar 2008 die vorliegende Klage ein, die der Beklagten am 2. Februar 2008 zugestellt wurde.

5

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei wegen ihres Alters bei der Stellenbesetzung benachteiligt worden. Schon der Inhalt der Stellenanzeige weise auf eine solche Diskriminierung hin. Im Telefonat vom 19. November 2007 sei ihr zudem mitgeteilt worden, sie entspreche nicht dem Bewerberprofil der Beklagten. Neben einer Entschädigung iHv. drei Monatsgehältern sei ihr daher die Beklagte auch zum Ersatz der materiellen Schäden verpflichtet, wozu neben den Bewerbungskosten iHv. 1,59 Euro (Porto, Papier) die Anwaltskosten der ersten Instanz iHv. 1.139,43 Euro gehörten. Die Klägerin hat die Meinung vertreten, die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG verstoße gegen die unionsrechtlichen Gebote der Gleichwertigkeit und der Effektivität. Letzteres gelte auch für § 12a ArbGG, da die erstinstanzlich zu tragenden Anwaltskosten eine nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG begrenzte Entschädigung immer teilweise aufzehrten.

6

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie Schadensersatz iHv. 1,59 Euro zu zahlen nebst fünf Prozentpunkten Zinsen p.a. über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie eine Entschädigung von 5.709,00 Euro zu zahlen nebst fünf Prozentpunkten Zinsen p.a. über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie entstandene Kosten für die anwaltliche Vertretung im Verfahren erster Instanz iHv. 1.139,43 Euro zu zahlen.

7

Die Beklagte hat behauptet, die Bewerbung der Klägerin sei am 19. November 2007 bei ihr eingegangen, als die beiden offenen Stellen schon besetzt gewesen seien. Dies habe man der Klägerin im Telefongespräch vom 19. November 2007 mitgeteilt. Sie beschäftige auch ältere Arbeitnehmer. Jedenfalls habe die Klägerin die wirksame Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG nicht eingehalten.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit Beschluss vom 3. Juni 2009 hat das Landesarbeitsgericht dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

        

„Verstößt eine nationale Gesetzgebung, nach der (außerhalb von kollektivrechtlichen Regelungen) zur schriftlichen Geltendmachung eines Schadens- und/oder Entschädigungsanspruches wegen Diskriminierung bei der Einstellung eine Frist von zwei Monaten nach Empfang der Ablehnung - oder im Wege der Auslegung: nach Kenntnis der Diskriminierung - gilt, gegen Primärrecht der EG (Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes) und/oder das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung, Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000, wenn für gleichwertige Ansprüche nach nationalem Recht dreijährige Verjährungsfristen gelten und/oder das Verschlechterungsverbot gemäß Art. 8 der Richtlinie 2000/78/EG, wenn eine frühere nationale Vorschrift bei der Diskriminierung wegen des Geschlechts eine längere Ausschlussfrist vorsah?“

9

Mit Urteil vom 8. Juli 2010 (- C-246/09 - [Bulicke] Slg. 2010, I-7003 = AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 16 = EzA AGG § 15 Nr. 8) hat der Gerichtshof der Europäischen Union für Recht erkannt:

        

„1.     

Das Primärrecht der Union und Art. 9 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Verfahrensvorschrift nicht entgegenstehen, wonach derjenige, der bei der Einstellung wegen des Alters diskriminiert worden ist, seine Ansprüche auf Ersatz des Vermögens- und Nichtvermögensschadens gegenüber demjenigen, von dem diese Diskriminierung ausgeht, innerhalb von zwei Monaten geltend machen muss, sofern

                 

-       

zum einen diese Frist nicht weniger günstig ist als die für vergleichbare innerstaatliche Rechtsbehelfe im Bereich des Arbeitsrechts,

                 

-       

zum anderen die Festlegung des Zeitpunkts, mit dem der Lauf dieser Frist beginnt, die Ausübung der von der Richtlinie verliehenen Rechte nicht unmöglich macht oder übermäßig erschwert.

                 

Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob diese beiden Bedingungen erfüllt sind.

        

2.    

Art. 8 der Richtlinie 2000/78 ist dahin auszulegen, dass er einer zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassenen nationalen Verfahrensvorschrift nicht entgegensteht, in deren Folge eine frühere Regelung geändert worden ist, die eine Frist für die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs bei geschlechtsbezogener Diskriminierung vorsah.“

10

Sodann hat das Landesarbeitsgericht durch Urteil vom 27. Oktober 2010 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Ein ihr möglicherweise zustehender Entschädigungsanspruch ist wie ein etwa bestehender Schadensersatzanspruch verfallen.

12

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Zwar habe die Klägerin mit der von der Beklagten verfassten, gegen § 11 AGG verstoßenden Stellenanzeige ein Indiz iSd. § 22 AGG vorgetragen. Auch seien die Bewerbungsverfahren nicht abgeschlossen gewesen, da am 22. November 2007 die nächste diskriminierende Stellenausschreibung erschienen sei. Jedoch habe die Klägerin die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG nicht gewahrt. Um dem Effektivitätsgebot zu genügen, müsse § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG europarechtskonform dahin ausgelegt werden, dass die Frist erst mit Kenntniserlangung von der Diskriminierung beginne. In Anbetracht des diskriminierenden Inhalts der Stellenanzeige habe eine solche Kenntnis der Klägerin schon mit der Absage am 19. oder 21. November 2007 bestanden. Die Klageeinreichung am 29. Januar 2008 wahre daher die Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG nicht. Die Frist sei auch nicht weniger günstig als vergleichbare innerstaatliche Rechtsbehelfe im Bereich des Arbeitsrechts. Der deutsche Gesetzgeber habe selbst für das bestehende Arbeitsverhältnis eine Reihe von deutlich unter zwei Monaten liegenden Fristen normiert, die die Arbeitnehmer einzuhalten hätten, um ihre Rechte gegenüber dem Arbeitgeber nicht zu verlieren.

13

B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

14

I. Ein etwaiger Entschädigungsanspruch der Klägerin nach § 15 Abs. 2 AGG ist wegen verspäteter Geltendmachung verfallen(§ 15 Abs. 4 AGG).

15

1. Der von der Klägerin gestellte bezifferte Zahlungsantrag ist hinreichend iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bestimmt. Die Klägerin hat die von ihr nach § 15 Abs. 2 AGG begehrte angemessene Entschädigung beziffert und Tatsachen benannt, die den geltend gemachten Entschädigungsbetrag rechtfertigen sollen.

16

2. Das am 18. August 2006 in Kraft getretene AGG findet auf den Streitfall Anwendung.

17

a) Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Die Klägerin ist als Bewerberin „Beschäftigte“ iSd. AGG. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG gelten als Beschäftigte auch Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis. Dabei kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, die Bewerbung der Klägerin sei bei ihr erst nach der Besetzungsentscheidung über zwei Stellen eingegangen. Jedenfalls hat die Beklagte noch weitere Bewerber gesucht, wie sich ihrer Anzeige vom 22. November 2007 entnehmen lässt.

18

b) Die Beklagte ist als „Arbeitgeberin“ passivlegitimiert. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG ist Arbeitgeber im Sinne des Gesetzes, wer „Personen nach Absatz 1“ des § 6 AGG „beschäftigt“. Arbeitgeber ist also derjenige, der um Bewerbungen für ein von ihm angestrebtes Beschäftigungsverhältnis bittet (BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - EzA AGG § 22 Nr. 3; 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - AP SGB IX § 81 Nr. 19 = EzA AGG § 15 Nr. 11).

19

3. Die Klägerin hat die nach § 15 Abs. 4 AGG für die Geltendmachung von Ansprüchen nach § 15 Abs. 2 AGG einzuhaltende Frist von zwei Monaten nicht gewahrt. Bei dieser Frist handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist (vgl. Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 91; v. Roetteken AGG Stand April 2012 § 15 Rn. 101; Däubler/Bertzbach/Deinert 2. Aufl. § 15 Rn. 99; KR/Treber 9. Aufl. § 15 AGG Rn. 50; Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 15 Rn. 66), deren Einhaltung - wie bei tarifvertraglichen Ausschlussfristen - von Amts wegen zu beachten ist (vgl. GMP/Germelmann 7. Aufl. § 61b Rn. 10; Palandt/Weidenkaff 71. Aufl. § 15 AGG Rn. 8; ErfK/Preis 12. Aufl. §§ 194 - 218 BGB Rn. 33).

20

a) Die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG verstößt nicht gegen Europarecht.

21

aa) Ausdrücklich lassen Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft und Art. 17 Abs. 3 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen einzelstaatliche Regelungen über Fristen für die Rechtsverfolgung betreffend den Gleichbehandlungsgrundsatz unberührt.

22

bb) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist es mangels einer einschlägigen Gemeinschaftsregelung Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte und die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, zu bestimmen. Dabei dürfen diese Verfahren nicht weniger günstig gestaltet sein als bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Grundsatz der Äquivalenz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität; vgl. EuGH 8. Juli 2010 - C-246/09 - [Bulicke] Slg. 2010, I-7003 = AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 16 = EzA AGG § 15 Nr. 8).

23

cc) § 15 Abs. 4 AGG verstößt nicht gegen den Grundsatz der Gleichwertigkeit(Äquivalenz). Nach deutschem Recht besteht keine, einer Klage auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG vergleichbare, nach ihren Verfahrensmodalitäten günstigere Klageart. Dies hat der Senat bereits mit seinen Urteilen vom 15. März 2012 (- 8 AZR 37/11 - Rn. 32 - 48, NZA 2012, 910 und - 8 AZR 160/11 - Rn. 30 - 46) mit ausführlicher Begründung entschieden, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.

24

dd) Ebenso wenig verstößt § 15 Abs. 4 AGG gegen den Effektivitätsgrundsatz, wie der Senat gleichfalls mit seinen Urteilen vom 15. März 2012 erkannt hat (- 8 AZR 37/11 - Rn. 49 - 53, NZA 2012, 910 und - 8 AZR 160/11 - Rn. 47 - 51). Allerdings ist § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG im Falle einer Bewerbung oder eines angestrebten beruflichen Aufstiegs unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass die Frist nicht vor dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Beschäftigte Kenntnis von der Benachteiligung erlangt. Hierüber gibt die bloße Ablehnung der Bewerbung durch den Arbeitgeber nicht in jedem Fall zwingend Auskunft (BAG 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 54 - 59, aaO).

25

b) Mit der Ablehnung im Telefongespräch vom 19. November 2007 hatte die Klägerin Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen. Durch das Telefonat wusste sie, dass ihre Bewerbung keine Berücksichtigung für das Auswahlverfahren gefunden hat oder finden wird. Ein Nachteil im Sinne einer unmittelbaren Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt im Falle einer Auswahlentscheidung bereits dann vor, wenn die Beschäftigte nicht in die Auswahl einbezogen, sondern vorab ausgeschieden wird. Die Benachteiligung liegt in der Versagung einer Chance (BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21). Da im Zeitpunkt der Absage die Klägerin Kenntnis vom Inhalt der Stellenanzeige hatte, die die Beklagte am 15. November 2007 veröffentlichen ließ und die gegen § 11 AGG verstieß, war sie seit dem 19. November 2007 in der Lage, Entschädigungsansprüche gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Nach dem eigenen, von der Beklagten jedoch bestrittenen Vortrag, ist die Klägerin zudem in dem Telefongespräch direkt auf die unmittelbare Benachteiligung aufgrund des Diskriminierungsmerkmals „Alter“ verwiesen worden, da sie „dem Bewerberprofil nicht entspreche“.

26

Mit ihrer Ausschreibung suchte die Beklagte Bewerber im Alter „zwischen 18 - 35 Jahre“ und differenzierte damit nach dem verpönten Merkmal des Alters. Die Ausschreibung verstieß gegen § 7 Abs. 1 AGG, was nach der Rechtsprechung des Senats die Vermutung begründet, die Benachteiligung sei wegen des in der Ausschreibung bezeichneten Merkmals erfolgt(vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 59, AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10; 5. Februar 2004 - 8 AZR 112/03 - Rn. 63, BAGE 109, 265 = AP BGB § 611a Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 3 zu § 611b BGB aF; 14. März 1989 - 8 AZR 447/87 - BAGE 61, 209 = AP BGB § 611a Nr. 5 = EzA BGB § 611a Nr. 4 zu § 611a BGB aF).

27

c) Die Zweimonatsfrist begann danach am 20. November 2007 (§ 187 Abs. 1 BGB) und endete am 21. Januar 2008 (§ 188 Abs. 2, § 193 BGB), nachdem der 19. Januar 2008 auf einen Sonnabend fiel. Zwar wird die von § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG geforderte Schriftform auch durch eine gerichtliche Klage gewahrt(vgl. BAG 12. Dezember 2000 - 9 AZR 1/00 - zu I 2 b bb der Gründe, BAGE 96, 352 = AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 154 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 135; 24. Juni 1960 - 1 AZR 29/58 - zu 1 der Gründe, BAGE 9, 296 = AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 5 zu tariflichen Ausschlussfristen; Däubler/Bertzbach/Deinert 2. Aufl. § 15 Rn. 110; Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 15 Rn. 73), allerdings setzt dies voraus, dass die Klage rechtzeitig zugestellt wird; § 167 ZPO findet keine Anwendung(vgl. BAG 8. März 1976 - 5 AZR 361/75 - zu 3 a der Gründe, AP ZPO § 496 Nr. 4 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 26). Die am 29. Januar 2008 bei Gericht eingereichte und der Beklagten am 2. Februar 2008 zugestellte Klage wahrte die am 21. Januar 2008 abgelaufene Frist nicht.

28

II. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Ersatz des Nichtvermögensschadens wegen Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG.

29

1. Voraussetzung eines Anspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG ist, dass der Arbeitgeber das allgemeine Persönlichkeitsrecht schwerwiegend verletzt hat oder dem Arbeitgeber ein schwerwiegender Verschuldensvorwurf zu machen ist; geringfügige Eingriffe lösen keine Entschädigungsansprüche aus (vgl. BAG 24. September 2009 - 8 AZR 636/08 - AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 41 = EzA AGG § 15 Nr. 3). Weitere Voraussetzung ist, dass die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann (vgl. BGH 1. Dezember 1999 - I ZR 49/97 - BGHZ 143, 214). Ob eine schwerwiegende Verletzung vorliegt, hängt von Art, Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie dem Grad seines Verschuldens ab, wobei zu berücksichtigen ist, in welche geschützten Bereiche eingegriffen wurde (vgl. BAG 24. September 2009 - 8 AZR 636/08 - aaO). Eine Haftung kommt insbesondere nur bei einem Verschulden (§ 276 BGB) in Betracht.

30

Nach den allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln hat der Geschädigte sämtliche anspruchsbegründenden Tatsachen darzulegen und ggf. zu beweisen. § 22 AGG bietet für die Geltendmachung eines Anspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts keine Erleichterungen(BAG 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 65 ff. mwN, NZA 2012, 910).

31

2. Weder aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch aus den Behauptungen der Klägerin ergibt sich eine schwerwiegende Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts oder ein schwerwiegender Verschuldensvorwurf, der der Beklagten zu machen wäre. Auch wenn diese unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1, § 11 AGG Arbeitsplätze altersdiskriminierend ausgeschrieben hat, genügt das nicht, um eine Entschädigungspflicht nach § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG auszulösen, wie es bei einer „Herabwürdigung“(BAG 24. September 2009 - 8 AZR 636/08 - AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 41 = EzA AGG § 15 Nr. 3) gegebenenfalls anzunehmen wäre. Eine „Herabwürdigung“ ergibt sich nicht aus Form und Inhalt der Ablehnungen, und zwar weder aus dem Inhalt des Telefonats vom 19. November 2007, selbst wenn man dessen Inhalt mit der Darstellung der Klägerin unterstellt, noch aus der handschriftlichen Ablehnungsnotiz vom 21. November 2007.

32

III. Den Ersatz der von ihr geltend gemachten materiellen Schäden - Bewerbungskosten und Kosten der Rechtsverfolgung - kann die Klägerin schon deswegen nicht von der Beklagten nach § 15 Abs. 1 AGG verlangen, da sie auch insoweit die in § 15 Abs. 4 AGG geregelte Ausschlussfrist nicht eingehalten hat.

33

1. Auch und soweit die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG materielle Schadensersatzansprüche erfasst, verstößt sie nicht gegen den primärrechtlichen Grundsatz der Gleichwertigkeit. Nach nationalem Recht bestand kein dem Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG vergleichbarer Anspruch eines erfolglosen Stellenbewerbers bei Verletzung des Inklusionsinteresses oder in Bezug auf andere, vergleichbare Merkmale. Es gilt insoweit grundsätzlich das für die Gleichwertigkeit des Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG Ausgeführte.

34

a) Durch die Verabschiedung des AGG hat der deutsche Gesetzgeber in Umsetzung der Richtlinie 2000/43/EG, der Richtlinie 2000/78/EG, der Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und der Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen zuvor schon bestehende einzelne Diskriminierungsverbote erstmals zu einem umfassenden Diskriminierungsschutz in Deutschland ausgebaut. Zur effektiven Durchsetzung dient dabei in besonderer Weise die in § 22 AGG getroffene Beweislastverteilung. Die vom Grundsatz der Privatautonomie geprägte deutsche Rechtsordnung unterscheidet sich grundlegend vom europäischen Antidiskriminierungsrecht. Aufgaben, die in anderen Rechtsordnungen dem Diskriminierungsschutz zukamen und zukommen, übernahmen in der Vergangenheit in der deutschen Rechtsordnung für bestehende Arbeitsverhältnisse teilweise als funktionelle Äquivalente der allgemeine Kündigungsschutz oder bei der Gewährung von Leistungen der Gleichbehandlungsgrundsatz. An diesen ist jedoch der Arbeitgeber bei der Begründung von Arbeitsverhältnissen nicht gebunden (vgl. BAG 20. August 1986 - 4 AZR 272/85 - BAGE 52, 380 = AP TVG § 1 Tarifverträge - Seniorität Nr. 6 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 44; ErfK/Preis 12. Aufl. § 611 BGB Rn. 311, 578; DFL/Kamanabrou 4. Aufl. § 611 BGB Rn. 287). Für die Nichteinstellung schuldet der Arbeitgeber nach deutschem Recht grundsätzlich keinerlei Rechtfertigung (vgl. ErfK/Preis aaO Rn. 311; Buchner NZA 1991, 577, 579). Zur Richtlinienumsetzung durch das AGG konnte der deutsche Gesetzgeber daher nicht an einen bereits im nationalen Recht bestehenden Diskriminierungsschutz anknüpfen (vgl. Kolbe EuZA 2011, 65, 68; Jacobs RdA 2009, 193, 200 f.; Wagner/Potsch JZ 2006, 1085, 1092). Keinen Vergleichsmaßstab können die Diskriminierungsverbote des § 611a BGB aF und § 81 Abs. 2 SGB IX aF bilden, da diese ihrerseits der Richtlinienumsetzung dienten(vgl. Jacobs RdA 2009, 193, 201).

35

Damit unterscheiden sich Ansprüche nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB von solchen aus § 15 Abs. 1 AGG hinsichtlich ihres Rechtsgrundes und ihrer wesentlichen Merkmale, sodass der deutsche Gesetzgeber nicht gehindert war, für Ansprüche nach § 15 Abs. 1 AGG eine besondere Ausschlussfrist vorzusehen.

36

b) Der Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG ist auch nicht dem Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts nach § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG vergleichbar.

37

Beide Ansprüche unterscheiden sich bereits hinsichtlich des Gegenstands. § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG gewährt bei Verletzung des Persönlichkeitsrechts eine Geldentschädigung. Der Ersatz materieller Schäden ist bei Verletzung des Persönlichkeitsrechts nur für vermögenswerte Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (bspw. der unerlaubten Verwertung des Bildes, des Namens, der Stimme oder anderer Persönlichkeitsmerkmale zu kommerziellen Zwecken) anerkannt (vgl. BGH 1. Dezember 1999 - I ZR 49/97 - BGHZ 143, 214; Palandt/Sprau 71. Aufl. § 823 BGB Rn. 125; MünchKommBGB/Wagner 5. Aufl. § 823 Rn. 180). Aufwendungen und Schäden des erfolglosen Stellenbewerbers, wie bspw. der entgangene Gewinn, fallen demgegenüber nicht in den Schutzbereich von § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG(vgl. BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - Rn. 114, BAGE 122, 304 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6). Demgegenüber gewährt § 15 Abs. 1 AGG Anspruch auf Ersatz des durch die Benachteiligung entstandenen materiellen Schadens.

38

2. § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG bestimmt ausdrücklich, dass neben einem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG auch der Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend zu machen ist(vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 36, AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10; v. Roetteken AGG Stand April 2012 § 15 Rn. 69; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 85, 87; ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 15 AGG Rn. 15; Jacobs RdA 2009, 193, 199). Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn die Tarifvertragsparteien dies vereinbart haben, § 15 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 AGG. Hinsichtlich des Fristbeginns differenziert § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG nicht zwischen Ansprüchen nach § 15 Abs. 1 AGG und solchen nach § 15 Abs. 2 AGG, sondern bestimmt für beide Ansprüche, dass die Frist im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt beginnt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Allerdings ist § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass die Frist auch im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs erst zu dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Aus dem Wortlaut von § 15 Abs. 4 AGG ergibt sich somit, dass es für den Fristbeginn zur Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nach § 15 Abs. 1 AGG nicht auf die Entstehung des Schadens oder dessen Fälligkeit ankommt.

39

Die am 29. Januar 2008 eingereichte und der Beklagten am 2. Februar 2008 zugestellte Klage wahrte daher die Frist des § 15 Abs. 4 AGG auch hinsichtlich eines materiellen Schadensersatzanspruchs aus § 15 Abs. 1 AGG nicht.

40

IV. Ein Anspruch auf Ersatz der materiellen Schäden ergibt sich nicht aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB iVm. § 7 Abs. 3 AGG. Soweit diese Anspruchsgrundlage allein mit einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot begründet wird, kommt sie neben dem Anspruch aus § 15 Abs. 1 AGG nicht in Betracht.

41

1. Nach § 15 Abs. 5 AGG bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, im Übrigen unberührt. Aus der Begründung des Gesetzesentwurfs ergibt sich, dass der Gesetzgeber insbesondere an Ansprüche auf Unterlassung nach § 1004 BGB oder auf Ersatz des materiellen Schadens nach den §§ 252, 823 BGB dachte(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 38). Eine abschließende und klare Regelung des Konkurrenzverhältnisses zu anderen möglichen Ansprüchen auf Schadensersatz und Entschädigung ergibt sich hieraus nicht. Insbesondere ist unklar, inwieweit der Beschäftigte Schadensersatzansprüche bei Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot auf § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB stützen kann, nachdem § 7 Abs. 3 AGG bestimmt, dass eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch den Arbeitgeber oder Beschäftigte eine Verletzung vertraglicher Pflichten darstellt.

42

2. In der Rechtslehre ist die Frage umstritten. Ein Teil der Literatur geht davon aus, dass Ansprüche aus § 280 BGB, die auf einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gestützt werden, neben Ansprüchen aus § 15 AGG bestehen, ohne dass die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG Geltung erlangt(vgl. v. Roetteken AGG Stand April 2012 § 15 Rn. 69, 112; Bücker in Rust/Falke AGG § 15 Rn. 57; Palandt/Weidenkaff 71. Aufl. § 3 AGG Rn. 10 u. § 15 AGG Rn. 10; Thüsing Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz Rn. 535; KR/Treber 9. Aufl. § 15 AGG Rn. 8). Weiter wird auch vertreten, § 280 BGB finde zwar neben § 15 Abs. 1 AGG Anwendung, jedoch sei auch die Ausschlussfrist nach § 15 Abs. 4 AGG bei diesem Anspruch zu beachten(vgl. Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 15 Rn. 65, 67; Voigt in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 3. Aufl. § 15 Rn. 70; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 36 Rn. 102). Der überwiegende Teil der Literatur nimmt an, dass § 15 Abs. 1 AGG als speziellere Norm mögliche Ansprüche aus § 280 BGB verdrängt(vgl. Däubler/Bertzbach/Deinert 2. Aufl. § 15 Rn. 24, 126; Schiek/Kocher AGG § 15 Rn. 66; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 96; Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 15 Rn. 88; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 137; ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 15 AGG Rn. 18; Kittner/Däubler/Zwanziger KSchR 8. Aufl. AGG Rn. 60; Richardi NZA 2006, 881, 886; HWK/Rupp 5. Aufl. § 15 AGG Rn. 14; ErfK/Preis 12. Aufl. § 611 BGB Rn. 270; Stoffels RdA 2009, 204, 214; Staudinger/Annuß [2005] § 611a Rn. 80 zu § 611a BGB aF; Walker NZA 2009, 5, 10 f. für Entschädigungsansprüche).

43

3. Der überwiegenden Auffassung der Literatur ist der Vorzug zu geben. Für die Annahme einer spezielleren Regelung durch § 15 Abs. 1 AGG spricht sowohl der gesetzliche Regelungszusammenhang als auch der Wortlaut von § 15 Abs. 1 und Abs. 5 AGG.

44

a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG ist der Arbeitgeber bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. § 15 Abs. 1 Satz 2 AGG bestimmt weiter, dass eine Ersatzpflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG nicht eintritt, wenn der Arbeitgeber die „Pflichtverletzung“ nicht zu vertreten hat. Damit übernimmt § 15 Abs. 1 AGG das Regelungskonzept des § 280 Abs. 1 BGB, bezieht dies aber auf einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot. § 7 Abs. 3 AGG enthält dazu die Klarstellung, dass die vom Arbeitgeber oder Beschäftigten begangenen Benachteiligungen Vertragsverletzungen darstellen. Durch die Regelung in § 15 Abs. 1 Satz 2 AGG werden gleichzeitig die §§ 276 bis 278 BGB für den Anspruch aus § 15 Abs. 1 AGG anwendbar(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 38). § 15 Abs. 1 AGG normiert daher einen vertraglichen Schadensersatzanspruch, der sich allein gegen den Arbeitgeber richtet und hinsichtlich seiner Voraussetzungen und Rechtsfolgen besonderen Regelungen unterliegt. So hat der Beschäftigte nach dem Wortlaut von § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG nur hinsichtlich eines Anspruchs nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG eine Ausschlussfrist einzuhalten. Auf der Rechtsfolgenseite stellt § 15 Abs. 6 AGG klar, dass ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungs- oder Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg begründet, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund. Damit wird eine Naturalrestitution ausgeschlossen. Hieran zeigt sich, dass der Gesetzgeber den materiellen Schadensersatz, der sich bei Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ergeben kann, innerhalb vertraglicher Beziehungen speziell ausgestaltet hat. Dies spricht dafür, den allgemeinen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB als verdrängt zu betrachten, soweit dieser allein auf einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gestützt wird(§ 7 Abs. 1, Abs. 3 AGG). Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die besonderen Voraussetzungen die der Gesetzgeber an einen Anspruch nach § 15 Abs. 1 AGG knüpft(insb. Ausschlussfrist), nicht durch Gewährung eines Anspruchs aus § 280 Abs. 1 BGB umgangen werden.

45

b) Ebenso spricht der Wortlaut von § 15 Abs. 5 AGG für die Annahme, § 15 Abs. 1 AGG stelle in seinem Anwendungsbereich eine § 280 Abs. 1 BGB verdrängende Norm dar. § 15 Abs. 5 AGG bestimmt, dass „im Übrigen“ Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt bleiben. Die vom Gesetzgeber verwendete Formulierung spricht maßgeblich dafür, dass die allgemeinen Regelungen nur insoweit zur Anwendung kommen sollen, als § 15 AGG keine eigene Regelung trifft. Hinsichtlich des Anspruchs auf Ersatz materieller Schäden auf (vor-)vertraglicher Grundlage ist dies aber in § 15 Abs. 1 AGG geschehen.

46

V. Den von ihr begehrten Ersatz ihres materiellen Schadens kann die Klägerin von der Beklagten vorliegend schließlich nicht nach § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 7 Abs. 1 oder § 11 AGG verlangen.

47

1. Grundsätzlich werden Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung nicht durch § 15 Abs. 1 AGG verdrängt. Insoweit regelt das AGG nur einen (vor-)vertraglichen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Benachteiligungsverbots, „im Übrigen“ werden aber nach § 15 Abs. 5 AGG Ansprüche gegen den Arbeitgeber aus anderen Rechtsvorschriften nicht berührt. Der Gesetzgeber hat zum Ausdruck gebracht, dass es insoweit bei der echten Anspruchskonkurrenz zwischen Schadensersatzansprüchen wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten und solchen aus unerlaubter Handlung bleiben soll (BT-Drucks. 16/1780 S. 38).

48

2. Ob § 11 AGG oder, näherliegend, § 7 Abs. 1 AGG „Schutzgesetze“ iSd. § 823 Abs. 2 BGB sind, also zumindest auch Individualschutz wegen eines der vom Gesetzgeber mit einer Norm verfolgten Anliegens gewähren wollen, ist in der Rechtslehre umstritten, kann aber vorliegend dahinstehen. Denn wenn die Beklagte mit ihrem Vorgehen vorliegend § 7 Abs. 1 oder § 11 AGG als „Schutzgesetz“ iSv. § 823 Abs. 2 BGB verletzt hätte, wäre ein daraus resultierender Anspruch der Klägerin aufgrund der auch insoweit anzuwendenden Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG untergegangen.

49

a) Zwar gilt als Grundregel, dass vertragliche und deliktische Ansprüche nach ihren jeweiligen Voraussetzungen, ihrem Inhalt und ihrer Durchsetzung selbständig zu beurteilen sind und den jeweils eigenen Regeln folgen. Ausnahmen kommen aber dann in Betracht, wenn einer gesetzlichen Einschränkung der Vertragshaftung zu entnehmen ist, dass die Möglichkeit des Geschädigten, nach einem Ausschluss mit seinem vertraglichen Schadensersatzanspruch auf den aus demselben Sachverhalt hergeleiteten deliktischen Anspruch auszuweichen, jedenfalls den Zweck einer für den vertraglichen Schadensersatzanspruch geltenden gesetzlichen Vorschrift vereiteln und diese gesetzliche Regelung im Ergebnis aushöhlen würde (vgl. BGH 19. Oktober 2004 - X ZR 142/03 - zu 2 der Gründe mwN, NJW-RR 2005, 172; Palandt/Sprau 71. Aufl. Einf. v. § 823 Rn. 5). Deshalb sind die für Ansprüche aus Vertragsverletzung geltenden kurzen Verjährungsfristen auch auf konkurrierende Ansprüche aus unerlaubter Handlung anzuwenden, wenn das Ausweichen des Geschädigten auf einen aus demselben Lebenssachverhalt hergeleiteten deliktischen Anspruch eine Zweckvereitelung der kurzen Verjährungsvorschrift zur Folge hätte (vgl. BGH 8. März 2005 - XI ZR 170/04 - zu II 3 a der Gründe, BGHZ 162, 306; 11. Dezember 1991 - XII ZR 269/90 - zu 1 a der Gründe, BGHZ 116, 293). Auch wendet das Bundesarbeitsgericht eine Ausschlussfrist, die „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ erfasst, nicht nur auf vertragliche Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche, sondern auch auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung an, wenn diese auf einem einheitlichen Lebensvorgang beruhen (vgl. BAG 18. August 2011 - 8 AZR 187/10 - Rn. 26 mwN, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 200; 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - Rn. 41, BAGE 122, 304 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6), da andernfalls die angestrebte Rechtsklarheit und Rechtssicherheit nicht erreicht werden kann.

50

b) Danach fallen deliktische Ansprüche, die auf denselben Lebenssachverhalt wie Ansprüche aus § 15 Abs. 1 AGG gestützt werden, unter die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG.

51

3. Zwar hat der Gesetzgeber in § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG bestimmt, dass ein Anspruch „nach Absatz 1 oder 2“ innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden muss, es sei denn, die Tarifvertragsparteien hätten etwas anderes vereinbart. Der Zweck des § 15 Abs. 4 AGG besteht jedoch darin, angesichts der für das AGG durch § 22 geregelten Beweislastverteilung die Arbeitgeber nicht zu zwingen, Argumentationen über Einstellungsverfahren bis zum Ablauf der allgemeinen Verjährungsfrist von drei Jahren aufbewahren zu müssen(BT-Drucks. 16/1780 S. 38). Für Ansprüche aus dem AGG soll binnen kürzerer Frist Rechtssicherheit und Rechtsklarheit eintreten. Dem Sinn und Zweck der Regelung entspricht es, die Ausschlussfrist auch auf konkurrierende Ansprüche aus unerlaubter Handlung anzuwenden, die auf denselben Sachverhalt gestützt werden, also auf eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes. Da der Anspruch nach § 15 Abs. 1 AGG verschuldensabhängig ausgestaltet ist, tritt bei einer Verwirklichung des Haftungstatbestandes nach § 15 Abs. 1 AGG regelmäßig auch eine Verwirklichung des Tatbestandes des § 823 Abs. 2 BGB ein, sofern einzelnen Bestimmungen des AGG, etwa § 7 Abs. 1 AGG, Schutzgesetzcharakter zuzusprechen wäre. Der Zweck des § 15 Abs. 4 AGG, innerhalb einer kurzen Frist Rechtssicherheit und Rechtsklarheit in Bezug auf solche Ansprüche herbeizuführen, würde jedoch vereitelt, wollte man § 15 Abs. 4 AGG nicht auf alle Ansprüche erstrecken, die auf den besonderen gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung gegründet werden.

52

C. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Volz    

        

    Pauli    

                 

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.